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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 9
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Slevogt, Max: Über alles die Kritik!
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0357

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ÜBER ALLES DIE KRITIK!

VON

MAX SLEVOGT

Oeit einiger Zeit liest man in deutschen Zeitungen
^ wieder von deutscher Kunst: über Albrecht Dü-
rer. Man besinnt sich auf diesen Großmeister, da
der Kalender zeigt, daß er vor vierhundert Jahren
gestorben, und feiert den Unsterblichen, als ob
man ihn immer sich nahe gehalten hätte. Die
neckische Sitte der Um- und Rundfragen macht
nicht vor diesem ernsten Namen halt. Sämtliche
Abteilungschefs, wie sie sich nun einmal der Mit-
welt und Kultur verpflichtet fühlen, nehmen öffent-
lich Stellung zu ihm — und selbst solche, deren
Herz nur in Paris frohlockt und deren Verstand
die deutschen Mitbürger — sich und wenige aus-
genommen — für milde minderwertig schätzt,
geben sich dabei, sind vielleicht urdeutsch! Es ist
also doch etwas Herrliches um die einigende Kraft
eines Großen — natürlich eines ganz Großen, von
dem auch die übrige Welt etwas wissen will. Sehr
kurios nun bei diesem hohen Gefühlsüberschwange
und dem reichlichen historischen Abstand, daß Ge-
dankengänge wiederkehren, die man im heutigen
täglichen Kunstleben gerade seufzend ertragen mag!
Hier aber endlich glatt ablehnen muß. Für diese
allgemeine Vorstellung von Albrecht Dürers Ge-
stalt werden bedeutungsvoll zwei Anschauungen:

die einer nationalistisch denkenden Beschränktheit
und die einer nicht genügend national denkenden
Anbetung des Auslandes. Die eine, die belehrt,
Dürer hätte sich nie dem italienischen Einfluß hin-
geben sollen (man lese: französische Kunst), die
andere, einem Deutschen sei eben doch nie so ganz
zu helfen, nämlich in puncto Malerei.

Wir Deutsche sind und bleiben nun einmal
kritische Köpfe, kein noch so heiliger Respekt
läßt uns nur huldigen oder genießen oder lernen!
Besonders über Malerei, natürlich die in Ol als die
allein uns legitimiert geltende, haben wir ganz
besondere Vorstellungen und Ansprüche. Es hat
sich jahrhundertelang bei uns einphilistert, daß wir
dafür nicht überwältigend begabt sind, und — in
der Tat — wir beweisen es noch immer durch
das viele, was darüber geschrieben ist und wird.

So heißt es Vorsicht, nicht wie der Blinde
von der Farbe reden. Es ist sowas wie ein geradezu
staatserhaltender Gedanke, daß auch Dürer, unser
größter Genius, nicht so recht „malen" konnte.
Ja, hätte Dürer in Ghina gelebt — da malte man
einfach nicht in Öl —, ostasiatische Kunst bewun-
dern dieselben kritischen Köpfe alle ohne Ein-
schränkung.

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