Seit 2020 haben Momentum-Investments im Vergleich zu anderen Strategien signifikant höhere Renditen erzielt. Angesichts der umfangreichen Konjunkturprogramme, die das Finanzsystem gestützt haben, ist dies wenig überraschend. Brett Arends von MarketWatch betonte 2021, dass Momentum-Strategien durchaus attraktiv sein können. Er führte unter anderem an:
Ihr Erfolg "ist eine gut belegte empirische Tatsache" und lässt sich über mehrere Anlageklassen hinweg sowie über einen Zeitraum von mehr als 212 Jahren Börsendaten nachweisen, so der Vermögensverwalter Cliff Asness und seine Kollegen. Gary Antonacci, ein renommierter Analyst, bezeichnet sie als "die bedeutendste Marktanomalie". Diese Strategien übertreffen laut dem Vermögensverwalter Meb Faber sogar einfache "Buy and Hold"-Ansätze, die fast ein Jahrhundert alt sind.
Momentum-Investments können in einem liquiditätsgetriebenen Bullenmarkt von Vorteil sein. Doch sind sie immer die optimale Strategie? In unserem Artikel "Die beste Art zu investieren" stellen wir fest:
Das vergangene Jahrzehnt war ein Boom für die Index-ETF-Industrie sowie für Finanz-Apps und -Websites, die "Buy and Hold"-Strategien und Diversifikation propagieren. Doch stellt sich die Frage: Ist die "beste Art zu investieren" in einem Bullenmarkt auch die richtige Wahl in einem Bärenmarkt? Oder erfordern unterschiedliche Marktphasen spezifische Ansätze?
Dieser Fragestellung widmen wir uns in dieser Analyse detailliert.
Momentum-Investing ist alles andere als passiv
In seiner Analyse vergleicht Brett die Performance verschiedener ETFs über die letzten fünf Jahre. Zur Vereinfachung unserer eigenen Untersuchung ziehen wir die folgenden drei ETFs von 2014 bis heute heran – 2014 ist das früheste Jahr, für das Leistungsdaten für alle drei ETFs verfügbar sind:
- Der SPDR® S&P 500 ETF (NYSE: SPY) als repräsentativer Proxy-ETF für eine "Buy and Hold"-Strategie,
- Der iShares Momentum ETF (NYSE: MTUM) als repräsentativer Proxy-ETF für eine "Momentum"-Strategie, und
- Der iShares Value ETF (NYSE: IVE) als Vertreter einer "Value"-Strategie.
Für unsere Analyse haben wir das Wachstum von 1 USD berechnet, der seit Januar 2014 in jeden ETF investiert wurde, wobei der Fokus ausschließlich auf dem nominalen Kapitalzuwachs lag.
Auf den ersten Blick zeigt sich, dass Anleger, die auf Momentum setzten, im Vergleich zum S&P 500 und Value die bessere Wahl getroffen haben.
Ist das also die ganze Geschichte? Reicht es aus, einfach einen "Momentum"-Fonds zu kaufen und ihn dann zu ignorieren?
Nein, so einfach ist es nicht, sagt Brett. Und ich stimme ihm zu, allerdings aus einem anderen Grund. Das Problem mit "Momentum Investing" ist, dass es keine passive Strategie ist. Ein Blick auf die Top-10-Bestände des MTUM zeigt deutlich, wie sich dieser ETF anpasst, sobald sich die Marktdynamik ändert.
Ende 2020 gehörten Danaher Corp (NYSE:DHR) und Thermo Fisher (NYSE:TMO) zu den zehn größten Werten, da der Markt aufgrund der Pandemie auf Aktien aus dem Gesundheitswesen setzte. Im September 2021, mit der steileren Zinskurve und den Entwicklungen im Zusammenhang mit Impfstoffen und Bitcoin, dominierten PayPal (NASDAQ:PYPL), Moderna (NASDAQ:MRNA) und Großbanken die Top 10. Ende 2021 wurde PayPal durch Nvidia (NASDAQ:NVDA), Costco (NASDAQ:COST) und Aktien von Accounting-Unternehmen ersetzt.
Aktuell haben sich die Beteiligungen nach der Korrektur von 2022 und der anschließenden Rallye erneut verschoben. Nach einem starken Lauf im Jahr 2024 hat es Costco wieder in die Top 10 geschafft und Netflix (NASDAQ:NFLX) und Microsoft (NASDAQ:MSFT) verdrängt.
Die Outperformance der Momentum-Strategien ist auf die Umschichtungen zur Erfassung von Preistrends zurückzuführen. Wenn Sie jedoch den SPY halten, sind die einzigen Veränderungen in den letzten Jahren auf die Gewichtung der Top-10-Werte zurückzuführen.
Auch hier scheint Momentum die erste Wahl zu sein.
Ist es aber nicht.
Momentum-Investitionen gewinnen nicht immer
Brett hebt in seiner Analyse einen äußerst wichtigen Aspekt von Momentum-Investitionen hervor.
"Research-Spezialisten argumentieren, dass Anleger, die in sogenannte Momentum-Aktien investieren, nachweislich und dauerhaft den Markt outperformen."
Dies gilt insbesondere für den Besitz von Einzelaktien in einem Portfolio, aber nicht für das passive Halten eines ETFs.
Hier liegt der entscheidende Unterschied.
Obwohl Momentum-Strategien auf passiver Ebene seit 2014 die Benchmark und Value-Indizes übertroffen haben, wird der eigentliche Vorteil von Momentum-Investitionen durch das bloße Halten eines ETFs verwässert.
"Und dieses Portfolio hat auch eine eingebaute vorsichtige Ausrichtung, da es nur Aktien enthält, die eine positive Rendite erzielen. In einem Bärenmarkt könnten Sie womöglich in gar nichts investiert sein. Wie Meb Faber und andere betonten, können Momentum-Strategien dabei helfen, die schlimmsten Marktturbulenzen zu vermeiden." – Brett Arends
Lassen Sie das noch einmal auf sich wirken.
Momentum-Investitionen als aktive Strategie beinhalten eine Erhöhung der Cash-Bestände, wenn das Momentum negativ wird. Ein ETF hingegen muss stets investiert bleiben, was diesen Vorteil zunichtemacht. Wenn wir die Performance auf spezifische Zeiträume aufschlüsseln, verschwindet der vermeintliche Vorsprung der Momentum-Strategie.
In den Jahren 2015 und 2016 beispielsweise bot die Momentum-Strategie keine Absicherung gegen das "Tapering" der Fed oder den Brexit.
Auch im Jahr 2018 war die relative Performance während des "Taper Tantrum" der Fed schlechter als die Benchmark.
Wer Anfang 2020 einen Momentum-ETF hielt, konnte sich kaum vor dem Abschwung schützen. Die Momentum-Strategien wurden allerdings durch die Hausse begünstigt, die durch geld- und fiskalpolitische Maßnahmen in Billionenhöhe angeheizt wurde.
Im Jahr 2022 schnitt ein Momentum-ETF deutlich schlechter ab als der Value-Index.
Brett wies darauf hin, dass der Wert von Momentum-Investing bei der Anwendung auf ein Portfolio aus einzelnen Aktien darin besteht, dass diese Strategien dazu beitragen können, eine erhebliche Kapitalvernichtung bei Markteinbrüchen zu vermeiden.
Der Wert der Momentum-Strategien geht jedoch verloren, wenn eine aktive Strategie auf ein passives Portfolio angewendet wird.
Die Wahl der richtigen Strategie zur richtigen Zeit
Die Momentum-Investing-Strategie funktioniert besonders gut, wenn sie gezielt auf ein Portfolio von Einzeltiteln angewendet wird.
Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Strategie ist jedoch nicht nur ihre starke empirische Basis, sondern auch, dass theoretisch jeder durchschnittliche Anleger Zugang dazu hat – vorausgesetzt, er kann Aktien nach ihrer monatlichen Performance filtern.
Brett hat hier vollkommen recht, und genau das bieten wir bei SimpleVisor täglich an, wie Sie sehen können:
Momentum-Investitionen funktionieren besonders gut während eines stark steigenden Marktes. Es ist jedoch wichtig, dass sich die Strategien während eines Bärenmarktes ändern.
Wie im Folgenden gezeigt wird, gehen die Marktzyklen in der Regel den Wirtschaftszyklen voraus, so dass sich die Anlagestrategien sowohl mit den Wirtschafts- als auch mit den Marktzyklen ändern sollten.
Genau das wird von entscheidender Bedeutung sein, wenn der nächste Bärenmarkt beginnt.
Das Comeback der Value-Strategien
Brett stellt treffend fest:
Mein größtes Problem mit "Momentum" als Anlagestrategie ist, dass man im Grunde auf jeden Ansatz für eine eigene Fundamentalanalyse verzichtet. Mir kommt es vor wie die Börsenversion der "sozialen" Medien, die sich auf den neuesten Massenwahn stürzen, ohne zu hinterfragen, was dahintersteckt.
Aber vielleicht sollte ich das genau deshalb tun. Wenn Rom fällt und das Mittelalter beginnt - sollte ich dann nicht aufgeben und auf die Vandalen setzen?"
Ich würde jetzt noch nicht aufgeben.
Die Abbildung zeigt den Unterschied in der Performance des "Value vs. Growth"-Index. (Fidelity Value Fund vs. S&P 500 Index.
Interessant sind die Zeiträume, in denen das "Value Investing" überdurchschnittlich gut abschneidet.
Auch wenn es den Anschein hat, dass der derzeitige Bullenmarkt niemals enden wird, wäre es unklug, die jahrzehntelange Historie einfach zu vergessen. Wie Howard Marks einmal sagte:
Regel Nr. 1: Die meisten Dinge sind zyklisch. – Regel Nr. 2: Einige der besten Gelegenheiten ergeben sich, wenn andere Menschen Regel Nr. 1 vergessen."
Die Erkenntnis, dass nichts von Dauer ist, ist ein zentraler Faktor für langfristiges Investieren. Um "niedrig zu kaufen", muss man zunächst "hoch verkaufen". Die Einsicht, dass Märkte zyklisch sind, bedeutet auch, dass sich Anlagestrategien im Laufe der Zeit anpassen müssen.
Die Umschichtung von „Momentum“ zu "Value" ist unvermeidlich. Diese Veränderung wird in einem schwachen wirtschaftlichen Umfeld und durch Investoren vorangetrieben, die nach Jahren geldpolitischer Eingriffe die Illusion trügerischer Sicherheit durchschauen.
"Die relativen Bewertungen befinden sich im oberen Ende des historischen Spektrums. Sollte es, wie die historischen Daten nahelegen, eine Rückkehr zum Mittelwert geben, sind die erwarteten zukünftigen Renditen für Value-Aktien nach nahezu jeder Definition höher." – Research Affiliates
Die entscheidende Frage lautet: Werden Sie "Value" kaufen, wenn alle anderen "Momentum" verkaufen?