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Die
vorliegende Erfindung betrifft ein Angiogenese förderndes Substrat.
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In
lebenden Säugetieren
bilden Endothelzellen, die existierende Blutgefäße auskleiden, neue Kapillaren,
wo auch immer diese benötigt
werden. Die Endothelzellen haben die bemerkenswerte Fähigkeit,
ihre Anzahl und Anordnung den örtlichen
Erfordernissen anzupassen. Gewebe sind von der Blutversorgung abhängig, die
durch das Blutgefäßsystem
erfolgt. Das Gefäßsystem
wiederum hängt
von den Endothelzellen ab. Die Endothelzellen schaffen ein anpassungsfähiges Lebenssicherungssystem,
das sich in fast alle Körperregionen verästelt.
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Während die
größten Blutgefäße, die
Arterien und Venen, eine dicke, starke Wand aus Bindegewebe und
teilweise glatter Muskulatur aufweisen und im Innern nur mit einer äußerst dünnen, einfachen
Lage von Endothelzellen ausgekleidet sind, findet man in den feinsten
Verästelungen
des Gefäßsystems,
den Kapillaren, Wände,
die lediglich aus Endothelzellen und einer so genannten Basallamina
bestehen. Endothelzellen kleiden so das gesamte System der Blutgefäße aus,
das vom Herzen bis in die kleinste Kapillare reicht und sie kontrollieren
den Durchgang von Materialien in die und aus der Blutbahn.
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Zellen
in Geweben setzen bei Sauerstoffmangel Angiogenesefaktoren frei,
die das Wachstum neuer Kapillaren anregen. Örtliche (mechanische) Reizungen
und Infektionen verursachen ebenfalls die Proliferation neuer Kapillaren,
von denen sich die meisten zurückziehen
und verschwinden sobald die Entzündung
abklingt.
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Die
neu entstehenden Blutgefäße entstehen
immer zuerst als Kapillaren, die an bestehenden kleinen Gefäßen aussprießen. Dieser
Vorgang wird Angiogenese genannt.
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Das
Aussprießen
der Kapillaren setzt sich fort bis der jeweilige Spross auf eine
andere Kapillare trifft und sich mit ihr verbinden kann, sodass
Blut darin zirkulieren kann (vgl. z.B. B. Alberts et al., Molekularbiologie der
Zelle, VCH Weinheim, 3. Auflage 1995, Seiten 1360–1364).
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Angiogenese
stimulierende Faktoren sind vielfältig bekannt und umfassen z.B.
die Faktoren HGF, FGF, VEGF und andere mehr.
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Es
wurde in der Literatur (vgl. z.B.
EP 1 415 663 A1 und
EP 1 555 030 A1 ) vorgeschlagen,
solche Angiogenese stimulierenden Faktoren in einer Matrix mit Depotwirkung
zu applizieren, wobei als Depotmatrix ein Gelatinehydrogel aus einer
Gelatine mit einem mittleren Molekulargewicht von 100.000 bis 200.000
Dalton (Da) empfohlen wurde.
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Für unterschiedliche
Typen von Kollagen werden deren Eignung als Stützstruktur bei der Bildung
neuer Gefäße beschrieben,
ebenso wie deren anti-angiogenetischen Effekte. Als Beispiele für diese
Literatur darf auf S.M. Sweeney et al., Journal of Biological Chemistry
Vol. 278, No. 33, Seiten 30516 bis 30524 (2003) sowie R. Xu et al.
in Biochemical and Biophysical Research Communications 289, Seiten
264 bis 268 (2001) verwiesen werden.
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Aufgabe
der vorliegenden Erfindung ist es, ein Angiogenese förderndes
Substrat bereit zu stellen, welches einfach und in reproduzierbarer
Qualität herstellbar
ist und insbesondere unter physiologischen Bedingungen für einen
vorgegebenen Zeitraum stabil erhalten bleibt und trotzdem bioverträglich und
resorbierbar ist.
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Diese
Aufgabe wird durch ein Angiogenese förderndes Substrat gelöst, welches
einen porösen
Formkörper
umfasst, welcher aus einem unter physiologischen Bedingungen unlöslichen,
resorbierbaren, Gelatine enthaltenden Material gebildet ist.
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Überraschenderweise
hat sich herausgestellt, dass poröse Formkörper, die aus einem unter physiologischen
Bedingungen unlöslichen,
resorbierbaren, Gelatine enthaltenden Material hergestellt sind,
einen sehr ausgeprägten
Angiogenese fördernden
Effekt aufweisen, in der Gestalt, dass die Angiogenese insbesondere die
Ausbildung von Blutgefäßen innerhalb
des porösen
Formkörpers
in einer erheblichen Dichte bewirkt, sodass gezielt die Angiogenese
durch Einbringen der porösen
Formkörper
an den gewünschten
Stellen des Körpers
des zu behandelnden Patienten oder Tieres möglich ist.
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Überraschend
ist insbesondere, dass das als poröser Formkörper aufbereitete Gelatine
enthaltende Material als solches Angiogenese fördernd in Erscheinung tritt,
ohne dass es, wie sonst in der Literatur beschrieben, Angiogenese
fördernder
Faktoren wie z.B. die vorerwähnten
Faktoren VEGF, FGF, HGF und anderer bedürfte.
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Vorzugsweise
ist das Gelatine enthaltende Material ein Gelatine basierendes Material
und besteht aus Gelatine zu überwiegenden
Anteilen. Dies bedeutet, dass die Gelatine den größten Anteil
bei eventuell weiteren verwendeten Komponenten des Materials stellt.
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Weiter
bevorzugt wird ein Gelatine basierendes Material verwendet, welches
im Wesentlichen vollständig
aus Gelatine besteht.
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Besonders
geeignete Gelatinetypen sind Schweineschwartengelatine, die vorzugsweise
hochmolekular ist und einen Bloomwert von ca. 160 bis ca. 300 g
aufweist.
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In
einem erheblich geringeren Umfang beobachtet man einen Angiogenese
anregenden Effekt bei niedermolekularer, wasserlöslicher Gelatine mit einem
mittleren Molekularwert von weniger als 6 kDa, jedoch ist ein solcher
Effekt verglichen mit anderen ebenfalls in geringerem Umfang stimulierenden
Agenzien vergleichsweise unspezifisch.
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Die
verwendete Gelatine hat deshalb bevorzugt ein mittleres Molekulargewicht
größer 6 kDa.
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Um
eine optimale Bioverträglichkeit
des erfindungsgemäßen Substrates
bei der medizinischen Anwendung zu gewährleisten, wird als Ausgangsmaterial
bevorzugt eine Gelatine mit einem besonders geringen Gehalt an Endotoxinen
eingesetzt. Bei Endotoxinen handelt sich um Stoffwechselprodukte
oder Bruchstücke von
Mikroorganismen, welche in dem tierischen Rohmaterial vorkommen.
Der Endotoxingehalt von Gelatine wird in internationalen Einheiten
pro Gramm (I.E./g) angegeben und gemäß dem LAL-Test bestimmt, dessen Durchführung in
der vierten Ausgabe des Europäischen
Arzneibuches (Ph. Eur. 4) beschrieben ist.
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Um
den Gehalt an Endotoxinen möglichst
gering zu halten, ist es vorteilhaft, die Mikroorganismen möglichst
frühzeitig
im Zuge der Gelatineherstellung abzutöten. Ferner sollten entsprechende
Hygienestandards beim Herstellungsprozess eingehalten werden.
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Somit
kann der Endotoxingehalt von Gelatine durch bestimmte Maßnahmen
beim Herstellungsprozess drastisch gesenkt werden. Zu diesen Maßnahmen
zählen
in erster Linie die Verwendung frischer Rohmaterialien (z.B. Schweineschwarte)
unter Vermeidung von Lagerzeiten, die sorgfältige Reinigung der gesamten Produktionsanlage
unmittelbar vor Beginn der Gelatineherstellung sowie gegebenenfalls
das Auswechseln von Ionenaustauschern und Filtersystemen in der
Produktionsanlage.
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Die
im Rahmen der vorliegenden Erfindung eingesetzte Gelatine weist
bevorzugt einen Endotoxingehalt von 1.200 I.E./g oder weniger, noch
mehr bevorzugt von 200 I.E/g oder weniger auf. Optimalerweise liegt der
Endotoxingehalt bei 50 I.E./g oder weniger, jeweils gemäß dem LAL-Test
bestimmt. Im Vergleich hierzu weisen manche handelsübliche Gelatinen
Endotoxingehalte von über
20.000 I.E./g auf.
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Da
Gelatine bei den physiologischen Bedingungen, denen das Substrat
bei seiner Verwendung zur Angiogeneseförderung ausgesetzt ist, schnell
aufgelöst
wird und somit der poröse
Formkörper
schnell seine strukturelle Integrität ver lieren würde, wird
vorzugsweise das Gelatine enthaltende Material mit einem vorgegebenen
Vernetzungsgrad verwendet.
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Entsprechend
einer weiteren Ausführungsform
der vorliegenden Erfindung kann dem entgegengewirkt werden, indem
man die Gelatine zusammen mit anderen, langsamer in Lösung gehender
Komponenten verwendet (Beispiele für solche resorbierbaren Biopolymere
sind Chitosan und Hyaluronsäure).
Solche Komponenten können
zum Zweck einer zeitweisen Immobilisierung der Gelatineanteile verwendet
werden.
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Wählt man
die Vernetzung zur Stabilisierung des Materials, kann insbesondere
der Gelatineanteil des Gelatine enthaltenden Materials vernetzt
sein, wobei zum einen auf eine chemische Vernetzung, aber auch auf eine
enzymatische Vernetzung zurückgegriffen
werden kann.
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Bevorzugte
chemische Vernetzungsmittel sind Aldehyde, Dialdehyde, Isocyanate,
Carbodiimide und Alkyldihalogenide. Besonders bevorzugt ist dabei
Formaldehyd, welches gleichzeitig eine Sterilisierung des Formkörpers bewirkt.
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Als
enzymatisches Vernetzungsmittel wird bevorzugt das Enzym Transglutaminase
eingesetzt, welches eine Verknüpfung
der Gluatamin- und Lysinseitenketten von Proteinen, insbesondere
auch von Gelatine, bewirkt.
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Die
Stabilität
gegenüber
Resorption unter den zuvor angesprochenen physiologischen Bedingungen, denen
das Material bei seiner Verwendung ausgesetzt ist, kann unter entsprechenden
physiologischen Standardbedingungen in vitro nachgestellt werden.
Hierbei wird ein PBS-Puffer (pH 7,2) bei 37 °C verwendet und unter diesen
Bedingungen lassen sich die Substrate auf ihr zeitabhängiges Stabilitätsverhalten
testen und vergleichen.
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Der
poröse
Formkörper
wird vorzugsweise mittels einer zweistufigen Vernetzung in seiner
Struktur stabilisiert, wobei in einer ersten Stufe das Gelatine
enthaltende Material in Lösung
einer ersten Vernetzungsreaktion unterworfen wird, das Material
danach aufgeschäumt
und dann ein hieraus gewonnener poröser Formkörper in einer zweiten Vernetzungsstufe
weiter vernetzt wird.
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Während bei
der ersten Vernetzungsstufe die Vernetzung in Lösung geschieht, bieten sich
für die
zweite Vernetzungsstufe zwei unterschiedliche Vernetzungsverfahren
an.
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Zum
einen kann der poröse
Formkörper
mit einer Vernetzungslösung
in Kontakt gebracht werden und so der Vernetzungsgrad weiter erhöht werden,
oder aber insbesondere dann, wenn die Gelatine selbst vernetzt wird,
kann der poröse
Formkörper
einem Formaldehyddampf ausgesetzt werden, sodass die über die
Gasphase über
den porösen
Formkörper
eindringenden Formaldehydanteile zu einer weiteren Vernetzung führen.
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Die
zweistufige Vernetzung hat insbesondere den Vorteil, dass insgesamt
ein höherer
Vernetzungsgrad erzielbar ist, der dann darüber hinaus auch noch über den
gesamten Querschnitt des porösen
Formkörpers
im Wesentlichen gleichmäßig realisiert
werden kann. Dies hat zur Folge, dass die Abbaueigenschaften des
porösen
Formkörpers
bei der Resorption homogen sind, sodass dieser für die vom Vernetzungsgrad abhängige vorgesehene
Zeitdauer im Wesentlichen seine strukturelle Integrität behält und dann
in relativ kurzer Zeit unter Verlust der strukturellen Integrität vollends
resorbiert wird.
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Im
Hinblick auf den eingangs geschilderten Effekt der Konzentration
der Angiogenese auf den Bereich, den der poröse Formkörper selbst einnimmt, hat dies
den großen
Vorteil, dass die Angiogenese sehr gut steuerbar ist und auf die
von dem behandelnden Arzt gewünschten
Stellen fokussiert werden kann.
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Über die
Variation des Vernetzungsgrades wiederum lässt sich je nach Anwendungsfall
die Resorbtionsstabilität
des Formkörpers
einstellen und somit der Zeitpunkt, zu dem der poröse Formkörper seine
strukturelle Integrität
verliert, anwendungsbezogen vorgeben.
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Für viele
Anwendungsfälle
sollte der Vernetzungsgrad so gewählt werden, dass während 7
Tagen 20 Gew.-% oder weniger des Gelatine enthaltenden Materials
unter den oben genannten physiologischen Standardbedingungen abgebaut
werden.
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Der
poröse
Formkörper
kann in sehr unterschiedlichen Ausprägungen realisiert werden, über die
bisher noch nicht gesprochen wurde.
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Bei
einer bevorzugten Ausführungsform
der Erfindung weist der Formkörper
des Substrats eine Faserstruktur auf. Diese Faserstruktur kann zum
einen eine Gewebe- oder Gewirkstruktur aufweisen, alternativ kommt
auch eine Faserstruktur in Form eines Vlieses in Betracht.
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Eine
hiervon gänzlich
verschiedene Struktur des Formkörpers
des erfindungsgemäßen Substrats
liegt in der Schwammstruktur vor, die vorzugsweise einen Anteil
an offenen Poren umfasst. Weiter bevorzugt ist eine Schwammstruktur
mit einer im Wesentlichen offenporigen Struktur.
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Gemeinsam
ist allen Ausprägungen
des porösen
Formkörpers,
dass durch die Porosität
den Endothelzellen eine Möglichkeit
gegeben wird, in das Substrat einzuwandern und dieses zu durchdringen.
Gleichfalls bietet der Formkörper
durch seine Porosität
auch schon den Endothelzellen die Möglichkeit, Kapillargefäße in das
Substrat hinein auszubilden.
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Im
Falle der Wahl der Schwammstruktur für den porösen Formkörper ist es vorteilhaft, wenn
dieser eine Vielzahl an Poren mit einer mittleren Porengröße im Bereich
von ca. 50 bis 500 μm
aufweist.
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Die
Porosität
der anderen porösen
Formkörper
sollte so gewählt
sein, dass dort ähnliche
Porenstrukturen existieren, da diese optimal geeignet sind, die
Endothelzellen aufzunehmen und ein Durchwachsen des Substrates mit
Kapillargefäßen zuzulassen.
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Der
poröse
Formkörper
der erfindungsgemäßen Angiogenese
fördernden
Substrate hat zudem den Vorteil, dass sich in den Poren des Formkörpers ein
oder mehrere, nicht Gelatine basierende pharmazeutische Wirkstoffe
einlagern lassen.
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Darüber hinaus
können
die Poren des Formkörpers
bereits mit Zellen besiedelt werden, bevor das Substrat an die zu
behandelnde Stelle des menschlichen oder tierischen Körpers verbracht
wird.
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Die
geometrische Form des Substrats wurde bislang nicht im Einzelnen
angesprochen, jedoch versteht sich, dass das Substrat in seinen äußeren Dimensionen
vielfältig
gewählt
werden kann. So lässt
sich vorteilhaft ein flächiges
Substrat für
die Förderung
der Blutgefäßbildung
in vielen Anwendungsfällen
als Implantat einsetzen. Daneben kann das Substrat jedoch auch in
Form von kleinen Partikeln vorliegen, insbesondere in Pulverform,
wobei die Partikel des Pulvers vorzugsweise aus einer Schwammstruktur,
einem Vlies, einem Gewebe oder einem Gewirk, insbesondere mittels
Vermahlen hergestellt werden.
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Diese
und weitere Vorteile der Erfindung werden im Folgenden anhand der
Zeichnung sowie der Beispiele im Einzelnen noch erläutert. Es
zeigen im Einzelnen:
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1:
Das Abbauverhalten verschiedener erfindungsgemäßer Angiogenese fördernder
Substrate;
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2a und
b: eine schematische Darstellung der Versuchsanordnung zur Untersuchung
der Angiogenese mittels einer Chorioallantois-Membran (CAM);
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3:
die Angiogenese ausgelöst
durch ein erfindungsgemäßes Angiogenese
förderndes
Substrat auf einer CAM nach 3, 5 und 7 Tagen;
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4:
ein Schaubild zur Veranschaulichung der Bildung von Blutgefäßen um das
Angiogenese fördernde
Substrat herum;
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5:
ein Diagramm zur Veranschaulichung der Entwicklung von Blutgefäßen im Angiogenese
fördernden
Substrat selbst;
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6:
drei lichtmikroskopische Aufnahmen eines aus Kollagenschwamm bestehenden
Referenzsubstrates nach 2, 5 und 7 Tagen; und
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7a und 7b:
vier lichtmikroskopische Aufnahmen eines erfindungsgemäßen Angiogenese
fördernden
Substrates nach 3, 5, 7 und 8 Tagen.
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Beispiel 1:
Herstellung und Eigenschaften von Formkörpern mit Zellstruktur auf
der Basis von vernetzter Gelatine
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Es
wurden fünf
Ansätze
einer 12 Gew.-%igen Lösung
von Schweineschwartengelatine (Bloom-Stärke 300 g, mittleres Molekulargewicht
140 kDa) in Wasser durch Lösen
der Gelatine bei 60 °C
hergestellt, mittels Ultraschall entgast, und jeweils mit der entsprechenden
Menge einer wässrigen
Formaldehydlösung
(1,0 Gew.-%ig, Raumtemperatur) versetzt, so dass 1500 ppm Formaldehyd
(bezogen auf die Gelatine) vorlagen. Bei einem sechsten Ansatz erfolgte
keine Zugabe von Formaldehyd.
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Die
homogenisierten Mischungen wurden auf 45 °C temperiert und nach einer
Reaktionszeit von 10 min maschinell mit Luft aufgeschäumt. Der
ca. 30minütige
Aufschäumvorgang
wurde für
die sechs Ansätze
mit einem unterschied lichen Verhältnis
von Luft zu Gelatinelösung
durchgeführt,
wodurch Zellöstrukturen
mit unterschiedlichen Nassdichten und Porengrößen gemäß Tabelle 1 erhalten wurden.
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Die
aufgeschäumten
Gelatinelösungen,
die eine Temperatur von 26,5 °C
aufwiesen, wurden in Formen mit einer Abmessung von 40 × 20 × 6 cm gegossen
und ca. vier Tage bei 26 °C
und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 10% getrocknet.
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Die
getrockneten Formkörper
von allen sechs Ansätzen
weisen eine schwammartige Zellstruktur auf (im Folgenden als Schwämme bezeichnet).
Sie wurden in 2 mm dicke Schichten geschnitten und für den zweiten
Vernetzungsschritt 17 Stunden in einem Exsikkator dem Gleichgewichtsdampfdruck
einer 17 Gew.-%igen wässrigen
Formaldehyd-Lösung
bei Raumtemperatur ausgesetzt. Für
den sechsten Ansatz stellte dies den ersten (und einzigen) Vernetzungsschritt
dar. Um eine gleichmäßige Begasung
des gesamten Volumens der Formkörper
zu erreichen, wurde der Exsikkator dabei jeweils zwei- bis dreimal
evakuiert und wieder belüftet.
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Die
Porenstruktur der Schwämme
wurde lichtmikroskopisch ermittelt und konnte durch Rasterelektronenmikroskopie
bestätigt
werden. Tabelle
1
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Um
die Stabilität
der Schwämme
zu bestimmen, wurden 30 × 30 × 2 mm große Stücke eingewogen, in
je 75 ml PB5-Puffer gelegt und bei 37 °C gelagert. Nach der jeweiligen
Lagerzeit wurden die Stücke
30 min in Wasser gewaschen, getrocknet und ausgewogen.
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Die 1 zeigt
das Auflösungs-,
d.h. das Resorptionsverhalten der zweistufig vernetzten Schwämme 1-1
bis 1-5 sowie des einfach vernetzten Schwammes 1-6 (die Abfolge
der dargestellten Balken ist jeweils: 1-6, 1-1, 1-2, 1-3, 1-4, 1-5).
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Während der
Schwamm 1-6 nach drei Tagen bereits vollständig aufgelöst ist, sind alle zweistufig
vernetzten Schwämme
auch nach 14 Tagen noch zu über
80 % erhalten. Es zeigen sich jedoch erhebliche Unterschiede im
weiteren Abbauverhalten, die auf die unterschiedlichen Aufschäumdichten
der Materialien zurückzuführen sind.
So ist der Schwamm 1-1 nach 21 Tagen und der Schwamm 1-2 nach 28
vollständig
aufgelöst, während die
Schwämme
1-4 und 1-5 auch nach 35 Tagen noch weitgehend erhalten sind. Daraus
ergibt sich eine weitere Möglichkeit,
das Abbauverhalten dieser Schwämme
oder Zellstrukturmaterialien unabhängig von anderen Parametern
gezielt zu beeinflussen.
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Die
Eigenschaften der Zellstrukturmaterialien können aber auch über eine Änderung
der Gelatinekonzentration in der Ausgangslösung deutlich modifiziert werden.
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Höhere Gelatinekonzentrationen
führen
zu breiteren (dickeren) Zellwänden
oder Stegen zwischen den einzelnen Poren, was sich in einer erhöhten Bruchfestigkeit
der entsprechenden Schwämme
niederschlägt.
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Die
Bruchfestigkeit nimmt mit Erhöhung
der Gelatinekonzentration der Ausgangslösung von 10 auf 18 Gew.-% stetig
zu, wobei ein weiter Bereich von ca. 500 bis fast 2000 Newton abgedeckt
wird. Gleichzeitig ändert
sich die Verformung bis zum Bruch nur geringfügig. Überraschenderweise ist die
Korrelation zwischen Bruchkraft und Gelatinekonzentration dabei
weitgehend unabhängig
vom Vernetzungsgrad.
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Über den
Vernetzungsgrad, d.h. durch die Wahl der Konzentration des Vernetzungsmittels,
kann hingegen die Stabilität
der Formkörper,
insbesondere im Hinblick auf proteolytischen Abbau, beeinflusst
werden.
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Beispiel 2:
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Aus
analog Beispiel 1 erhältlichen,
zweifach vernetzten Formkörpern
(Trockendichte 22 mg/ml, mittlere Porengröße ca. 250 μm) wurden Proben hergestellt
mit den Abmessungen 15 × 15 × 2 mm,
im Folgenden Implantate genannt.
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Die
Angiogenese fördernden
Eigenschaften dieser Implantate wurden mittels eines Versuches an
befruchteten Hühnereiern,
der schematisch in der 2 dargestellt
ist, untersucht.
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2a zeigt
schematisch den Aufbau eines Hühnereis
im Querschnitt. Unterhalb der Kalkschale 10 befindet sich
die Choriallantois-Membran 12 (im Folgenden kurz CAM genannt).
Ausgehend von dem am Rand des Eidotters 14 befindlichen
Embryo 16 erfolgt eine Bildung von extraembryonalen Blutgefäßen 18,
die sich entlang der CAM ausbreiten. Wird mittels einer Kanüle ein Teil
des Eiweißes
entnommen, kann anschließend ein
Fenster 20 in die Kalkschale 10 geschnitten werden,
ohne die CAM 12 zu verletzen (wie in 2b dargestellt).
Nun kann ein Implantat 22 auf die CAM 12 aufgelegt
und dessen Wirkung auf die Blutgefäßbildung untersucht werden
(vgl. z.B.). Borges et al. (2004) Der Chirurg 75, 284–290).
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3 zeigt
die Umorientierung und Neubildung von Blutgefäßen in lichtmikroskopischen
Aufnahmen nach 3, 5 und 7 Tagen.
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Als
Referenzbeispiele wurden neben dem erfindungsgemäßen Substrat vergleichbare
schwammartige Materialien aus Kollagen (renaturiertes, bovines Kollagen,
Dichte 5,6 mg/cm3, erhältlich von der Firma Innocoll)
und Poly-DL-Lactid
(Hersteller ITV Denkendorf) getestet.
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Alle
Implantate wurden auf eine CAM aufgelegt und nach 3, 4, 5, 6 und
7 Tagen die Anzahl der Blutgefäße bestimmt,
die sich in direkter Umgebung der Implante entwickelt hatten. Wie
in der 3 ersichtlich, orientieren sich die Blutgefäße innerhalb
weniger Tage sehr deutlich auf das Angiogenese fördernde Substrat bzw. die Referenzproben
aus schwammartigem Kollagen und Poly-DL-Lactid hin.
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In
der 4 ist die Auswertung nach der Anzahl der Blutgefäße pro Bildausschnitt
um das Substrat herum dargestellt und es zeigt sich, dass bei allen
drei Proben gegenüber
dem Nullwert (CAM ohne aufgelegtes Implant) eine merklich höhere Anzahl
an Blutgefäßen vorhanden
ist, wobei bei allen drei Proben ähnliche Effekte, insbesondere
gesehen gegenüber
dem Nullwert, erzielt wurden.
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Das
heißt,
alle getesteten Materialien liegen in ihrer angiogenetischen Wirkung
in ihrem Umfeld ungefähr
auf dem gleichen erhöhten
Niveau. Der beobachtete Effekt wird über eine gewisse Distanz hinweg
verursacht und beruht deshalb vermutlich auf so genannten diffusiblen
Faktoren.
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Bei
der CAM handelt es sich um ein Gewebe, das die Grenzfläche zwischen
Luft und Eiflüssigkeit
darstellt. Möglicherweise
kommt es alleine durch den mechanischen Reiz durch das Auflegen
des Substrates auf die CAM zu einer Aktivierung von Rezeptoren,
was zu einer Ausschüttung
von pro-angiogenetischen Faktoren wie z.B. VEGF der Zellen führen könnte. Hierdurch
könnten
Endothel zellen angelockt werden und es würde dann zu einer auf das Implantat
gerichteten Blutgefäßbildung
kommen.
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Eine
andere Erklärungsmöglichkeit
besteht darin, dass aufgrund des Auflegens des Implantats der Zutritt
von Luftsauerstoff zu dem Epithelgewebe behindert wird. So entsteht
in der Region des Implantats eine so genannte Anoxie, da in dem
Epithelgewebe weniger Sauerstoff zur Verfügung steht. Zellen reagieren
auf eine Anoxie typischerweise mit der Ausschüttung von VEGF, wodurch eine
Blutgefäßum- bzw.
neubildung induziert wird. Dies bedeutet, dass der unterversorgte
Teil der Zellen sich neue Versorgungsleitungen organisiert. Dieses
biologische Phänomen
tritt vermutlich oberhalb einer kritisch unterversorgten (deformierten)
Gewebefläche
auf.
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Dies
würde erklären, warum
in Versuchen, bei denen beim bloßen Auflegen von schmalen Gummiringen
auf die CAM (sehr kleine belegte Fläche) keine pro-angiogenetischen
Effekte beobachtet werden konnten.
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In
der 5 ist die Fläche
der Blutgefäße (in μm2) innerhalb der Substrate oder Implantate
der Vergleichsmaterialien und dem Angiogenese fördernden Substrat der vorliegenden
Erfindung nach 3, 5 und 7 Tagen aufgetragen. In der Abfolge der
dargestellten Säulen
gilt die Reihenfolge Gelatineprobe, Kollagenprobe, Poly-DL-Lactidprobe.
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Wie
aus 5 ersichtlich, zeigt sich nach 3 Tagen lediglich
bei dem erfindungsgemäßen Angiogenese fördernden
Substrat ein messbarer Anteil an Blutgefäßen im Implantat selbst, während in
dem Kollagenschwamm und dem Poly-DL-Lactidschwamm keine messbaren
Anteile an Blutgefäßen vorhanden
sind.
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Die
messbaren Blutgefäße nach
5 Tagen zeigen eine extreme Steigerung bei den erfindungsgemäßen Angiogenese
fördernden
Substraten, während
für die
Poly-DL-Lactidprobe und für
den Kollagenschwamm noch keinerlei Effekt beobachtet wird.
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Nach
7 Tagen sinkt der Anteil an Blutgefäßen im Implantat bei dem erfindungsgemäßen Angiogenese fördernden
Substrat deutlich ab, der Effekt ist aber immer noch etwa doppelt
so hoch wie nach 3 Tagen. Zu diesem Zeitpunkt beobachtet man bei
dem Kollagenschwamm immer noch keinen messbaren Erfolg, während sich
bei dem Poly-DL-Lactidschwamm nun ein Effekt einstellt, wie er bei
der erfindungsgemäßen Gelatineschwammimplantatprobe
bereits nach 3 Tagen festzustellen war.
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Zur
Auswertung der Proben und Bestimmung der Anzahl der Blutgefäße im Implantat
wurden von den jeweiligen Proben Gefrierschnitte angefertigt und
mit DAPI gefärbt,
um die Fläche
der Blutgefäße innerhalb des
Implantats zu analysieren. Dazu wurden Aufnahmen aus der mittleren
Region der Schnitte gemacht und anschließend mit Bildverarbeitungsverfahren
quantitativ ausgewertet. Bei Kollagenschwämmen konnte in der mittleren
Region keinerlei Blutgefäßbildung
beobachtet werden. Bei den Poly-DL-Lactidschwämmen war erst nach 7 Tagen,
verbunden mit einer voranschreitenden Bindegewebszellenbesiedlung,
Angiogenese festzustellen. Insgesamt schritt die Besiedlung mit
Zellen aber auch bei dieser Vergleichsprobe deutlich langsamer voran
als bei den erfindungsgemäßen Implantaten.
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Die
Rückbildung
der Blutgefäße bei dem
erfindungsgemäßen Implantat
nach 7 Tagen drückt
sich in einer Verringerung der gemessenen Fläche aus. Dies könnte darauf
beruhen, dass das Blutgefäßnetzwerk wieder
soweit reduziert wird, wie es tatsächlich für die Implantbereiche benötigt wird,
weil z.B. noch relativ wenige andere Zelltypen eingewandert sind,
die versorgt werden müssen.
Dies entspricht einem Vorgang, den man auch bei Infektionen findet,
wo sich ein Blutgefäßnetzwerk
wieder zurückbildet,
sobald die Entzündung zurückgeht.
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Ein
Vergleich der Daten, die mit den erfindungsgemäßen Angiogenese fördernden
Substraten erzielt worden sind, macht deutlich, dass die Verwendung
eines porösen
Formkörpers
aus einem unter physiologischen Bedingungen unlöslichen, resorbieren Gelatine
enthaltenden Material von erheblicher Bedeutung ist.
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Beispiel 3:
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Zur
Verdeutlichung des erfindungsgemäßen Effekts
ist in den 6 und 7 die
Entwicklung der Angiogenese bei Kollagenschwamm und Gelatineschwamm
in lichtmikroskopischen Aufnahmen dargestellt.
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Während bei
dem Kollagenschwamm nur eine Angiogenese im Umfeld der Probe stattfindet
und in der Probe selbst wenig bis gar keine Kapillargefäße auch
nach 7 Tagen zu beobachten sind (6), ist
im Gegensatz hierzu bei der Gelatienschwammprobe ein völliges Durchwachsen
des Substrats mit zunehmender Versuchszeit zu beobachten (7a und
b). Auch diese lichtmikroskopischen Aufnahmen belegen wiederum die Bedeutung
des Vorhandenseins von Gelatine in dem porösen Formkörper.
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Es
lassen sich auch Lösungen,
die angiogenetische Faktoren enthalten, in dem porösen Formkörper unterbringen
und so mindestens in der Anfangsphase die pro-angiogenetischen Effekte
weiter verstärken.
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Ferner
erscheint es möglich,
den porösen
Formkörper
als Träger
für pharmazeutische
Wirkstoffe mitzubenutzen, ohne dass dessen Effekt der Angiogeneseförderung
dadurch gehindert wird.