Die Natur und die Künstler, von Karl lVoermann.— Lornelius Zchwämmlein.
tvz
seines Schöpfers zur Natur aus ihm hervorleuchte. Schon douna mit dem Bürgermeister Meyer und Raphaels
hieraus erklärt sich die große Verschiedenheit der Kunst- Sistina? Me diese Werke und alle übrigen Meisterwerke
werke, die wir als Meisterwerke anerkennen. Kann es aber zeugen vernehmlich von einem ebenso unmittel-
größere Gegensätze geben, als Michelangelos jüngstes baren wie persönlichen Verhältnis ihrer Schöpfer zur
Gericht und Rembrandts Nachtwache, als Holbeins Ma- Natur.
Cornelius Schiuämmlein.
Umrisse in Pech-Schwarz gezeichnet von S. von Adelung.
^ ornelius Schwämmlein hatte von jeher Pech gehabt —
von jeher.
Schon sein Name, den ihm die Eltern auf den
Lebensweg mitgegeben hatten, und dessen Anfang so ver-
heißend, mutig-stolz klang, dessen zweite Hälfte aber so
lächerlich-kindisch dagegen abstach, ärgerte ihn fortwährend.
Er erinnerte ihn beständig an sein eigenes, glühendes,
begeistertes Streben, seine hochflicgenden Pläne und
Wünsche, welche in einer kalten prosaischen Welt so kläg-
lich scheiterten.
Dreimal hatte ihm Fortuna den vollen, schäumenden
Becher an die Lippen gehalten — und dreimal wurde
er ihm vom unerbittlichen Schicksal grausam entrissen,
als er bereits den berauschenden Duft des Nektars ein-
gesogen, den süßen Labetrunk gekostet hatte ....
jL Und das kam so.
^ Die dürftige etwas vornübergebeugte Gestalt des
jungen Mannes mit der großen Nase und den sanften
blauen Augen barg ein stilles Feuer, ein verzehrendes
Heimkehr, von Rudolf Gudden. .
Sehnen und Verlangen, der hohen, heiligen Kunst zu
dienen, ihr sich ganz zum Opfer zu bringen und nur
einmal, ein einzigstes Mal als Gunstbezeugung von ihr
— ein sichtbares Zeichen zu empfangen. Es war nicht
Prahlsucht, nicht gemeine Eitelkeit, welche ihn dazu trieben:
nein, sein Dienst am Opferstein der Göttin war so rein
wie der einer Vestalin am priesterlichen Altar. Aber er
selber und alle anderen mußten an seinem Können
zweifeln, solange die Unsichtbare ihm nicht ein Zeichen
ihrer Huld gegeben. Dann,, ja dann war er ihrer
Gnade gewiß: mit diesem Amulett am Herzen wollte er
Berge versetzen, Wunderbilder schassen, wie sie noch keiner
vor ihm gemalt. Es sollte ihm als Beweis dienen, daß
seine Liebe zur Kunst keine unglückliche war, daß sich die
Hehre zu ihm herabbeugte und ihn zu sich heraufzog in
die Gefilde der Seligen.
Ach ja, — wenn er die Medaille nur erst gehabt hätte!
Auf der Akademie, als er sich so unsagbar an seinem
ersten Stilleben — einer Melone, einem Jngwertopf,
einer Rheinweinslasche und einem Römer nebst ange-
schnittenem Käse abquälte, — schon damals schwebte ihm
die kleine bronzene Medaille, welche als Preis für die
beste Schüler-Arbeit bestimmt war, zuerst unklar, dann
immer deutlicher, unfehlbarer, faßlicher vor. Der Ge-
danke an sie hob und tröstete ihn, als ein Melonen-
Modell nach dem anderen vor seinen Augen den Weg
alles Vergänglichen nahm, leuchtete ihm sieghaft vor, als
die Nähe des immer älter werdenden Käses seine Nasen-
nerven empfindlich zu kränken begann. Der funkelnde,
bernsteingoldige Wein vor ihm wurde „kahnig" — Cor-
nelius achtete nicht darauf. Er kratzte, schabte, malte
und kratzte und schabte dann wieder, bis der Wein auf
der Leinwand Heller und goldiger funkelte, als der wirk-
liche vor ihm, und die gemalte Melone die verwitterte,
warzenbedeckte Schale ihres Vorbildes an Vcrwittertheit
und Warzenfülle noch überbot. Und was den Käse an-
betraf, so konnte man, wenn man ein wenig links vom
Bilde stand und das rechte Auge zukniff, wahrhaftig
meinen, ihn zu riechen, so echt matt-settig-glänzend war
er und so triefend sahen einen seine Augen an.
Es war ein Bild, überhaucht von jenem mystischen
dunklen Zauber wie ihn die alten Holländer malten, es
sagte nichts und es sagte doch so viel. Cornelius fühlte
dies, und er fühlte auch, daß er die kleine bronzene
Medaille verdient hatte. Mit vor Erregung bebenden
Händen stellte er am Vorabend der Ausstellung sein Bild
auf einen Stuhl in die Nähe des Ofens, damit es trockne,
denn vor lauter Lasieren und Übermalen war es recht
feucht geblieben. Da, gerade als er mit Putzen seiner
Lieblingspinsel beschäftigt war, öffnete sich die Thüre und
seine Tante trat ein. Diese, seine einzige lebende Ver-
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seines Schöpfers zur Natur aus ihm hervorleuchte. Schon douna mit dem Bürgermeister Meyer und Raphaels
hieraus erklärt sich die große Verschiedenheit der Kunst- Sistina? Me diese Werke und alle übrigen Meisterwerke
werke, die wir als Meisterwerke anerkennen. Kann es aber zeugen vernehmlich von einem ebenso unmittel-
größere Gegensätze geben, als Michelangelos jüngstes baren wie persönlichen Verhältnis ihrer Schöpfer zur
Gericht und Rembrandts Nachtwache, als Holbeins Ma- Natur.
Cornelius Schiuämmlein.
Umrisse in Pech-Schwarz gezeichnet von S. von Adelung.
^ ornelius Schwämmlein hatte von jeher Pech gehabt —
von jeher.
Schon sein Name, den ihm die Eltern auf den
Lebensweg mitgegeben hatten, und dessen Anfang so ver-
heißend, mutig-stolz klang, dessen zweite Hälfte aber so
lächerlich-kindisch dagegen abstach, ärgerte ihn fortwährend.
Er erinnerte ihn beständig an sein eigenes, glühendes,
begeistertes Streben, seine hochflicgenden Pläne und
Wünsche, welche in einer kalten prosaischen Welt so kläg-
lich scheiterten.
Dreimal hatte ihm Fortuna den vollen, schäumenden
Becher an die Lippen gehalten — und dreimal wurde
er ihm vom unerbittlichen Schicksal grausam entrissen,
als er bereits den berauschenden Duft des Nektars ein-
gesogen, den süßen Labetrunk gekostet hatte ....
jL Und das kam so.
^ Die dürftige etwas vornübergebeugte Gestalt des
jungen Mannes mit der großen Nase und den sanften
blauen Augen barg ein stilles Feuer, ein verzehrendes
Heimkehr, von Rudolf Gudden. .
Sehnen und Verlangen, der hohen, heiligen Kunst zu
dienen, ihr sich ganz zum Opfer zu bringen und nur
einmal, ein einzigstes Mal als Gunstbezeugung von ihr
— ein sichtbares Zeichen zu empfangen. Es war nicht
Prahlsucht, nicht gemeine Eitelkeit, welche ihn dazu trieben:
nein, sein Dienst am Opferstein der Göttin war so rein
wie der einer Vestalin am priesterlichen Altar. Aber er
selber und alle anderen mußten an seinem Können
zweifeln, solange die Unsichtbare ihm nicht ein Zeichen
ihrer Huld gegeben. Dann,, ja dann war er ihrer
Gnade gewiß: mit diesem Amulett am Herzen wollte er
Berge versetzen, Wunderbilder schassen, wie sie noch keiner
vor ihm gemalt. Es sollte ihm als Beweis dienen, daß
seine Liebe zur Kunst keine unglückliche war, daß sich die
Hehre zu ihm herabbeugte und ihn zu sich heraufzog in
die Gefilde der Seligen.
Ach ja, — wenn er die Medaille nur erst gehabt hätte!
Auf der Akademie, als er sich so unsagbar an seinem
ersten Stilleben — einer Melone, einem Jngwertopf,
einer Rheinweinslasche und einem Römer nebst ange-
schnittenem Käse abquälte, — schon damals schwebte ihm
die kleine bronzene Medaille, welche als Preis für die
beste Schüler-Arbeit bestimmt war, zuerst unklar, dann
immer deutlicher, unfehlbarer, faßlicher vor. Der Ge-
danke an sie hob und tröstete ihn, als ein Melonen-
Modell nach dem anderen vor seinen Augen den Weg
alles Vergänglichen nahm, leuchtete ihm sieghaft vor, als
die Nähe des immer älter werdenden Käses seine Nasen-
nerven empfindlich zu kränken begann. Der funkelnde,
bernsteingoldige Wein vor ihm wurde „kahnig" — Cor-
nelius achtete nicht darauf. Er kratzte, schabte, malte
und kratzte und schabte dann wieder, bis der Wein auf
der Leinwand Heller und goldiger funkelte, als der wirk-
liche vor ihm, und die gemalte Melone die verwitterte,
warzenbedeckte Schale ihres Vorbildes an Vcrwittertheit
und Warzenfülle noch überbot. Und was den Käse an-
betraf, so konnte man, wenn man ein wenig links vom
Bilde stand und das rechte Auge zukniff, wahrhaftig
meinen, ihn zu riechen, so echt matt-settig-glänzend war
er und so triefend sahen einen seine Augen an.
Es war ein Bild, überhaucht von jenem mystischen
dunklen Zauber wie ihn die alten Holländer malten, es
sagte nichts und es sagte doch so viel. Cornelius fühlte
dies, und er fühlte auch, daß er die kleine bronzene
Medaille verdient hatte. Mit vor Erregung bebenden
Händen stellte er am Vorabend der Ausstellung sein Bild
auf einen Stuhl in die Nähe des Ofens, damit es trockne,
denn vor lauter Lasieren und Übermalen war es recht
feucht geblieben. Da, gerade als er mit Putzen seiner
Lieblingspinsel beschäftigt war, öffnete sich die Thüre und
seine Tante trat ein. Diese, seine einzige lebende Ver-