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Verbesserung des Menschen durch konvergierende Technologien? Christliche und posthumanistische Stimmen in einer aktuellen Technikdebatte (2008)

2008, Böhm, H.; Ott, K. (eds.) (2008): Bioethik - Menschliche Identität in Grenzbereichen. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt (Schriften der Evangelischen Forschungsakademie, NF 40)

Der vorliegende Beitrag analysiert die aktuellen, eng miteinander verbundenen Kontroversen über "Human Enhancement" und "Converging Technologies" sowie christliche Reaktionen auf diese. Aus bioethischer Perspektive stellen beide Kontroversen eine Ausweitung des Themengebiets dar, da es ihnen weniger um die seit Jahren breit diskutierten Fragen im Bereich der Genetik, Medizin und Biotechnologie geht als vielmehr um mehrere übergreifende, auch nichtbiologische Forschungs-und Entwicklungsfelder sowie deren Berührungspunkte und Überschneidungsbereiche. Zunächst ist zu skizzieren, von was die beiden Kontroversen handeln, und darzulegen, wer sie vorangetrieben hat. Offensichtlich hat sich in ihnen eine bestimmte technikzentrierte eschatologische Weltanschauung neuerlich manifestiert. Dieser so genannte Posthumanismus oder Transhumanismus wird von christlicher Seite schon seit Längerem und in jüngster Zeit verstärkt als eine Herausforderung diskutiert. Die politisch-ethische Spezialdebatte zu "Converging Technologies" ist daher vor dem Hintergrund eher akademisch und weltanschau-lich geprägter Diskussionen über den Posthumanismus zu untersuchen. In diesen Diskussionen spielen theologische Perspektiven bisher eine größere Rolle als in der eigentlichen Konvergenzdebatte. Nach einer allgemeinen Charakterisierung der Thematik und kurzen Begriffsklärungen wird in diesem Beitrag auf einschlägige forschungspolitische Visionen und den Stand relevanter naturwissenschaftlich-technischer Forschung und Entwicklung eingegangen. Danach werden die Auseinandersetzung um die posthumanistischen Technikvisionen und dabei vor allem christliche Reaktionen auf diese behandelt. Anschließend kommen christliche Beiträge zur Spezialdebatte über konvergierende Technologien zur Sprache. Den Schluss des Beitrags bilden eine kritische Würdigung der diversen christlichen Diskussionsbeiträge und einige Überlegungen zum Umgang mit den posthumanistischen Visionen.

Verbesserung des Menschen durch konvergierende Technologien? Christliche und posthumanistische Stimmen in einer aktuellen Technikdebatte Christopher Coenen (Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse; KIT-ITAS) Coenen, C.: Verbesserung des Menschen durch konvergierende Technologien - Christliche und posthumanistische Stimmen in einer aktuellen Technikdebatte. In: Böhm, H.; Ott, K. (Hrsg.): Bioethik - Menschliche Identität in Grenzbereichen. Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2008, S. 41-124 (Schriften der Evangelischen Forschungsakademie, NF 40) Der vorliegende Beitrag analysiert die aktuellen, eng miteinander verbundenen Kontroversen über "Human Enhancement" und "Converging Technologies" sowie christliche Reaktionen auf diese. Aus bioethischer Perspektive stellen beide Kontroversen eine Ausweitung des Themengebiets dar, da es ihnen weniger um die seit Jahren breit diskutierten Fragen im Bereich der Genetik, Medizin und Biotechnologie geht als vielmehr um mehrere übergreifende, auch nichtbiologische Forschungs- und Entwicklungsfelder sowie deren Berührungspunkte und Überschneidungsbereiche. Zunächst ist zu skizzieren, von was die beiden Kontroversen handeln, und darzulegen, wer sie vorangetrieben hat. Offensichtlich hat sich in ihnen eine bestimmte technikzentrierte eschatologische Weltanschauung neuerlich manifestiert. Dieser so genannte Posthumanismus wird von christlicher Seite schon seit Längerem und in jüngster Zeit verstärkt als eine Herausforderung diskutiert. Die politisch-ethische Spezialdebatte zu "Converging Technologies" ist daher vor dem Hintergrund eher akademisch und weltanschaulich geprägter Diskussionen über den Posthumanismus zu untersuchen. In diesen Diskussionen spielen theologische Perspektiven bisher eine größere Rolle als in der eigentlichen Konvergenzdebatte. Nach einer allgemeinen Charakterisierung der Thematik und kurzen Begriffsklärungen wird in diesem Beitrag auf einschlägige forschungspolitische Visionen und den Stand relevanter naturwissenschaftlich-technischer Forschung und Entwicklung eingegangen. Danach werden die Auseinandersetzung um die posthumanistischen Technikvisionen und dabei vor allem christliche Reaktionen auf diese behandelt. Anschließend kommen christliche Beiträge zur Spezialdebatte über konvergierende Technologien zur Sprache. Den Schluss des Beitrags bilden eine kritische Würdigung der diversen christlichen Diskussionsbeiträge und einige Überlegungen zum Umgang mit den posthumanistischen Visionen. 1 "Human Enhancement", Posthumanismus und "Converging Technologies" "Human Enhancement" − "Transhumanismus" − "Posthumanismus" Unter dem Begriff "Human Enhancement", der im deutschsprachigen Raum oft unübersetzt verwendet wird, versteht man die Steigerung menschlicher Leistungsfähigkeit oder Erweiterung menschlicher Eigenschaften durch wissenschaftlich-technische Mittel. Es existieren aber konkurrierende Definitionen, in denen sich auch einige der Grundlinien der Debatte widerspiegeln. So wird − vor allem von Befürwortern des "Human Enhancement" und zu Zwecken der Legitimation ihrer eigenen Positionen − ein extrem weit gefasster Begriff genutzt: Bei diesem zählen unter anderem jegliche Techniknutzung, der leistungssteigernde Konsum legaler und illegaler Drogen (und sogar von Kaugummi) sowie Lernprozesse (auch aufgrund ihrer neuroplastischen Effekte) zu den Formen des "Human Enhancement". Visionen zur Steigerung menschlicher körperlicher und geistiger Fähigkeiten durch Implantate oder Veränderungen der Genetik werden somit als konsequente Fortschreibungen uralter Bestrebungen und Praktiken der Menschheit vorgestellt. Der Drang zum "Human Enhancement" gilt als anthropologische Konstante, und selbst Interventionen mit einer großen Eingriffstiefe erscheinen lediglich als neuer Ausdruck jener natürlichen Künstlichkeit des Menschen, die schon seitens der philosophischen Anthropologie konstatiert wurde. Die im Deutschen häufigste Übersetzung des Konzepts, "Verbesserung des Menschen", ist hingegen näher am Gegenpol zu dieser Auffassung. Hierbei geht es nicht allgemein um eine Verbesserung menschlicher Handlungsmöglichkeiten und Existenzbedingungen oder um eine Weiterentwicklung des Menschen als Technik nutzendes Wesen. Vielmehr ist speziell die Rede von der Modifikation des menschlichen Körpers und Geistes durch wissenschaftlich-technische Eingriffe mit dem Ziel ihrer Verbesserung. "Human Enhancement" war bereits Ende des letzten Jahrzehnts ein Gegenstand akademischer Diskussionen und Forschung, insbesondere in der Bioethik. 1 Diese behandelten vor allem Zukunftsperspektiven der Biotechnologie, neue Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin und Diagnostik, das Klonen sowie die Themen Schönheitschirurgie, Medikamentenmissbrauch, Drogenkonsum und Doping. Der Bedeutungszuwachs des Themas "NeuroEnhancement", die Nachwirkungen eines vielfältigen wissenschaftlichen und populärkulturel1 E. Parens, Enhancing Human Traits (1998) 2 len Diskurses über die Zukunft der Mensch-Maschine-Interaktion (vor allem Visionen zum Internet und zu anderen Informations- und Kommunikationstechnologien, zur Robotik, Künstlichen Intelligenz und zu Mensch-Maschine-Mischwesen) sowie die Debatten über Nanotechnologie und "Converging Technologies" veränderten jedoch das Bild: Ins Zentrum technikethischer, verschiedener fachwissenschaftlicher und auch forschungspolitischer Debatten über "Human Enhancement" sind mittlerweile extrem visionäre Vorstellungen gerückt 2 − und dabei vor allem solche zu künftigen Symbiosen von Menschen und avancierten technischen Artefakten oder zur Abschaffung oder Ersetzung der Menschheit durch intelligente Maschinen. Im Zuge dessen erfuhr auch, befördert nicht zuletzt durch das öffentlichkeitswirksame Agieren der so genannten "transhumanistischen" Bewegung 3, die Weltanschauung des technikvisionären Posthumanismus verstärkt Beachtung. Der Begriff "Transhumanismus", der − wie unten noch gezeigt wird − bereits Ende der 1950er Jahre von Julian Huxley genutzt wurde, ist in einigen, vor allem mit den Zukunftsaussichten neuer Technologien befassten Zirkeln in aller Munde. 4 Der Begriff "Posthumanismus" erfreut sich indes in verschiedenen Disziplinen und Forschungsfeldern bereits seit den 1990er Jahren einiger Beliebtheit. 5 Ursprünglich im Kontext der Postmodernediskussionen der 1970er und 1980er Jahre entstanden, verwies er zunächst vor allem auf eine Überwindung des Humanismus. Auch infolge der akademischen Rezeption 6 und öffentlichen Diskussion 7 der Technikvisionen verschiedener umstrittener Ingenieure und Naturwissenschaftler zielt der Begriff inzwischen hingegen oft auf eine Überwindung des Menschen und die Entwicklung einer "posthumanen" Spezies ab. Dabei nutzen nicht alle Vertreter dieser zuweilen als "naturalistisch gewendete(r) Posthumanismus" 8 charakterisierten Weltanschauung die Begriffe "Transhumanismus" oder "Posthumanismus" zur Selbstbezeichnung. Noch nicht entschieden ist, inwieweit sich ein theoretisch vor allem gegen den Humanismus gerichteter Posthumanismus mit einem Transhumanismus vereinbaren lässt, 2 Dazu z.B.: A. Grunwald, Converging Technologies (2007a). Vgl. zu dieser z.B.: C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus (2006) und Transhumanismus (i.V.), G. Klerkx, The transhumanists (2006), O. Krüger, Virtualität und Unsterblichkeit (2004). 4 Vgl. dazu neben einigen Ausführungen und weiteren Referenzen in dem vorliegenden Beitrag beispielsweise B. Gordijn, R. Chadwick (Hg.), Medical Enhancement and Posthumanity, und den Überblick über die politischen Diskussionen in: TAB, Konvergierende Technologien (2008). 5 Vgl. z.B.: N. Badmington (Hg.), Posthumanism (2000). 6 Vgl. für Deutschland z.B.: B. Flessner (Hg.), Nach dem Menschsein (2000), B. Irrgang, Posthumanes Menschsein? (2005). 7 F. Schirrmacher, Die Darwin AG (2001); vgl. z.B. auch A. Gorz, Wissen, Wert und Kapital (2004), S. 155ff. 8 J. Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur (2001), S. 43 3 3 der auf eine praktische Überwindung der menschlichen Gattung zielt, sich bisher aber vor allem als Fortsetzung des Humanismus und des Fortschrittsdenkens der Aufklärung begreift. 9 Der dem vorliegenden Beitrag zugrunde liegende Begriff des Posthumanismus 10, der − wie in anderen Beiträgen zum Thema 11 − weitgehend synonym mit "Transhumanismus" verwendet wird, fokussiert den visionären, vom Anspruch her praktischen Ingenieursposthumanismus. Diesem geht es um eine schrittweise erfolgende, radikale Transformation der Menschheit oder um deren Ergänzung oder Ersetzung durch intelligente Maschinen. Für diese Visionen stehen Autoren wie Ray Kurzweil, Marvin Minsky, Hans Moravec und die transhumanistischen Funktionäre Nick Bostrom und James Hughes. 12 Im Gegensatz zu vielen Beiträgen zur aktuellen Debatte über "Human Enhancement", in denen "Transhumanismus" und "Posthumanismus" − ohne Hinweis auf den historischen Hintergrund dieser weltanschaulichen Strömungen − als radikale neue Ansätze einer Verbesserung oder Ersetzung der Menschheit erscheinen, wird im Folgenden der Posthumanismus als eine auch ideengeschichtlich abgrenzbare intellektuelle Strömung begriffen: Die Ideen der heutigen posthumanistischen visionären Ingenieure und organisierten Transhumanisten stammen − wie Letztere selbst zunehmend betonen 13 und worauf unten noch hingewiesen wird 14 − großenteils aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Allen Posthumanisten war und ist gemein, dass sie in der einen oder anderen Form die Schaffung nicht (oder nicht mehr) menschlicher Wesen anstreben, die dem Menschen vor allem kognitiv, aber auch physisch überlegen sein sollen. Der Posthumanismus befürwortet, oft in euphorischer Weise, technische Umbauten und Ergänzungen des menschlichen Leibes (z.B. 9 Vgl. zu dieser Diskussion z.B.: C. Coenen, Utopian Aspects (2007), K. Hayles, How We Became Posthuman (1999), M. Kettner, Humanismus, Transhumanismus (2005), A. Miah, A Critical History (i.V), B. Orland, Wo hören Körper auf und fängt Technik an? (2005), L. Winner, Resistance is Futile (2005). Auch einige der im Folgenden vorgestellten theologischen Beiträge zur Diskussion − wie z.B.: E. Graham, Representations of the Post/Human (2002) − sind Teil dieser Auseinandersetzung über das Verhältnis beider "posthumanistischer" Strömungen zueinander. 10 Vgl. auch C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus (2006) und Transhumanismus (i.V.). 11 Vgl. C. Hook, Transhumanism and Posthumanism (2004b), der unten noch angesprochen wird, R. Heil, Transhumanismus und Posthumanismus (2008) und für einen Versuch, "Posthumanismus" und "Transhumanismus" relativ scharf voneinander abzugrenzen: O. Krüger, Virtualität und Unsterblichkeit (2004). 12 Vgl. z.B.: N. Bostrom, Dignity and Enhancement (2008), J. Hughes, Citizen Cyborg (2004), R. Kurzweil, The Singularity is Near (2005), H. Moravec, Robots (1994) und Robot (1999). Während die visionären posthumanistischen Ingenieure wie Moravec und Kurzweil vor allem die Ideen für den organisierten Transhumanismus lieferten, besorgt dieser die Verbreitung und Verteidigung posthumanistischer Ideen insbesondere im ethischen Diskurs über neue Technologien. Vgl. dazu auch C. Coenen, Utopian Aspects (2007, J. Schummer, Societal and Ethical Implications (2004) und Nano-Erlösung (2006). 13 Vgl. z.B.: J. Hughes, Citizen Cyborg (2004) und Back to the future (2008). 14 Vgl. dazu z.B. auch: D. Noble, The Religion of Technology (1999), S. 172ff., Reinhard Heil, Transhumanismus und Posthumanismus (2008). 4 mittels neuartiger Implantate), durch die bisher grundlegende körperliche und geistige Grenzen (und damit die Spezies Mensch) "transzendiert" werden sollen. Neben diesen im engeren Sinn transhumanistischen Vorstellungen spielt auch die Idee der Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz menschenähnlicher oder übermenschlicher Qualität ein wichtige Rolle, die an der Seite oder sogar anstelle der Menschheit zur Lenkerin der Evolution aufsteigen könne. Die posthumanistische Weltanschauung hat in den letzten Jahren einige Aufmerksamkeit auf sich gezogen, insbesondere auch von christlicher Seite. Vor diesem Hintergrund geht es im Folgenden nur am Rande um den gesellschaftlichen Umgang mit Bereichen wie der Schönheitschirurgie, dem Konsum von zur Leistungssteigerung eingenommener Drogen oder dem Doping − auch wenn dieser Umgang durch die Veränderungen von Menschenbildern beeinflusst wird, die sich in den Diskussionen über stärker visionäre Themen abzeichnen. Trotz ihrer zum Teil weit reichenden Folgen stellen die eher konventionellen pharmazeutischen und chirurgischen Formen der Steigerung menschlicher Leistungsfähigkeit oder einer "Verbesserung des Menschen" weniger große Herausforderungen für christliche Menschenbilder dar als die technofuturistischen Visionen eines "Human Enhancement". Überdies spielen Letztere in der Wissenschaft und Forschungspolitik bereits durchaus (als so genannte emergente Themen) eine beachtliche Rolle, z.B. im Bereich der Prothetik und in der Militärforschung. Als "Human Enhancement" werden somit im Folgenden ausschließlich solche langfristig wirksamen oder dauerhaften, auf Verbesserung abzielenden Modifikationen menschlicher Leistungsfähigkeit bezeichnet, die durch wissenschaftlich-technisch ermöglichte Eingriffe in den menschlichen Körper erreicht werden. Solche Modifikationen sind, zumindest wo sie nicht zur Therapie oder zum Ausgleich von Handicaps durchgeführt werden, bisher weitgehend noch Zukunftsmusik oder wenig attraktiv im Vergleich zu anderen Methoden der Leistungssteigerung. Sie tauchen dennoch bereits vereinzelt in umfassenden politischen Visionen einer Leistungssteigerungsgesellschaft auf. 15 "Converging Technologies" Seit der letzten Jahrhundertwende hat vor allem in forschungspolitischen und technikethischen Kreisen auch das Thema "Converging Technologies" bzw. "konvergierende Technolo15 Vgl. dazu und zum Folgenden auch: C. Coenen, Schöne neue Leistungssteigerungsgesellschaft? (2008), TAB, Konvergierende Technologien (2008) 5 gien" einige Furore gemacht. Ausgangspunkt der Diskussionen war eine politische Initiative in den USA, die sich vehement für eine verstärkte und konzertierte Förderung der Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und Kognitionswissenschaft, der zugehörigen Wissenschaften bzw. Technologiefelder sowie angrenzender Forschungs- und Entwicklungsbereiche (z.B. Künstliche Intelligenz und Robotik) ausgesprochen hatte. Diese so genannte NBIC-Initiative ("NBIC" für nano, bio, info, cogno) wurde von Vertretern der National Science Foundation (NSF) und des Handelsministeriums (Department of Commerce, DoC) ins Leben gerufen und anfangs nicht nur von einer Reihe namhafter Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik unterstützt, sondern auch durch Repräsentanten großer Unternehmen und verschiedener weiterer US-Institutionen (z.B. aus der Militärforschung). Bis heute ist der im Jahr 2002 publizierte Bericht 16 zu dem im Dezember 2001 durchgeführten, ersten Workshop der Initiative ein wichtiger Referenzpunkt in der Debatte über konvergierende Technologien und (eher vereinzelt) über diese hinaus. Neben einigen nationalistisch oder imperialistisch anmutenden Passagen des Berichts haben vor allem der extrem technikvisionäre Ansatz, der Schwerpunkt auf neuen und sich abzeichnenden Möglichkeiten des "Human Enhancement" bzw. einer Art "Umbau" des Menschen sowie die Beziehungen der NBIC-Initiative zur transhumanistischen Bewegung Aufsehen erregt. Im Zuge dessen intensivierte sich in der Technikethik die bis dahin 17 vor allem in Bezug auf die Biotechnologien geführte Debatte über "Human Enhancement". Die Transhumanisten wurden zu einer relevanten Akteursgruppe in der forschungspolitischen und ethischen Diskussion, die zwar inhaltliche Gemeinsamkeiten mit renommierten libertären Ethikern 18 und liberalen Eugenikern 19 aufweist, durch ihre extremen, bis zu einer Art Überlistung des Todes reichenden Technikvisionen und ihren aktivistisch-weltanschaulichen Ansatz aber eigene Akzente setzte. Die Debatte über konvergierende Technologien stellt zudem gleichsam die forschungspolitische Manifestation eines umfassenderen technikvisionären Diskurses dar, der sich seit den 1980er Jahren vor allem in Bezug auf die Informations- und Biotechnologien und darauf in den Diskussionen über das neu etablierte Schlüsseltechnologiefeld Nanotechnologie entfaltet hatte und in den Jahren um 2000 weltweit auch im Feuilleton, im Wissenschaftsjournalismus sowie in Teilen der Wissenschaft selbst Wellen schlug. 20 16 M.C. Roco, W.S. Bainbridge, Converging Technologies (2002) Vgl. z.B.: E. Parens, Enhancing Human Traits (1998). 18 J. Harris, Enhancing Evolution (2007) 19 N. Agar, Liberal Eugenics (2005); zu diesen Auffassungen kritisch z.B.: J. Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur (2001) 20 Vgl. z.B:. F. Schirrmacher, Die Darwin AG (2001). 17 6 Zum Verständnis des Hintergrunds der Konvergenzdebatte ist darauf hinzuweisen, dass eine Schlüsselfigur der NBIC-Initiative, der Ingenieur, Wissenschaftsmanager und NSFMitarbeiter Mihail C. Roco, auch als "Architekt" der offiziellen US-amerikanischen nationalen Nanotechnologieinitiative (NNI) gilt. Bemerkenswert ist daher, dass er zu einem Zeitpunkt, als die politischen Aktivitäten zur Nanotechnologie von der weltweiten Diskussion über die düsteren Warnungen des renommierten Computerexperten und Unternehmers Bill Joy vor den Gefahren der Nanotechnologie, Genetik, Robotik und Informationstechnologie 21 überschattet wurde, als Mitherausgeber des ersten Berichts der NBIC-Initiative fungierte − eines weltanschaulich höchst brisanten Dokuments, das trotz (oder gerade wegen) seiner euphorischen Rhetorik zwangsläufig weitere Ängste und Sorgen in Bezug auf die neuen Technologien auslösen musste. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass mit dem schillernden William Sims Bainbridge als zweitem Mitherausgeber nicht nur ein weiterer NSF-Mitarbeiter für die NBIC-Initiative verantwortlich zeichnete, sondern dass es sich bei diesem um einen bekannten Religionssoziologen, Sympathisanten des Transhumanismus, Visionär einer technisch bewerkstelligten Unsterblichkeit des Menschen und radikalen Kritiker etablierter Religionen sowie der Bush-Administration handelt. Die Vision der Unsterblichkeit, der er anhängt, beruht nicht auf der im Posthumanismus ebenfalls weit verbreiteten Hoffnung, biologische Alterungsprozesse stoppen oder gar umkehren zu können, sondern auf einem Verständnis menschlichen Geistes und menschlicher Persönlichkeit als Informationsmuster, die im Prinzip vom menschlichen Körper abtrennbar ("Mind Uploading") und dann auch digital reproduzierbar seien ("kybernetische Unsterblichkeit"). 22 Nicht zuletzt aufgrund dieser Eigentümlichkeiten, die Kritik unter anderem seitens USamerikanischer religiöser Konservativer auf sich gezogen haben, überschritt die NBICInitiative den Zenit ihrer (insgesamt geringen) unmittelbaren politischen Wirksamkeit bereits in den Jahren 2003 und 2004. Neben der Beflügelung und politisch-technikethischen Adaption eines extrem technikvisionären Diskurses zeitigte die Initiative aber auch Wirkungen auf der forschungspolitischen Ebene im engeren Sinn 23: Seitens der Europäischen Union (EU) und − in weit geringerem Umfang − seitens der deutschen Bundesregierung wurde das Konzept der "konvergierenden Technologien" (und auch "konvergierenden Wissenschaften") auf21 B. Joy, Warum uns die Zukunft nicht braucht (2001) Vgl. zu dieser Vision und ihrem ideengeschichtlichen Hintergrund z.B.: J.-P. Dupuy, Some Pitfalls (2007); K. Hayles, How We Became Posthuman (1999). Ein viel zitierter Vertreter dieser Idee ist: H. Moravec, Robots (1994) und Robot (1999). 23 Dazu ausführlicher: TAB, Konvergierende Technologien (2008). 22 7 gegriffen − allerdings überwiegend in Abgrenzung von den transhumanistischen und anderen technikvisionären Zügen der NBIC-Initiative. Zugleich wurden aber Transhumanisten und andere radikale Technikvisionäre in verschiedenen EU-geförderten Projekten und Konferenzen in den Diskurs über neue und konvergierende Technologien einbezogen, und vereinzelt haben Mitarbeiter der Europäischen Kommission die Perspektive einer "Rekonstruktion des Menschen" und eines "Human Enhancement" mittels konvergierender Technologien diskutiert. Überdies ist das Thema "Human Enhancement" durch konvergierende Technologien mittlerweile auch in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften präsent. 24 Was die öffentliche Wahrnehmung der Thematik angeht, ist eine neuere Umfrage zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Nanotechnologie bemerkenswert: Laut einem Bericht 25 zu dieser Untersuchung hält in den USA nur ein knappes Drittel der Befragten die Nanotechnologie für moralisch akzeptabel, während es in Deutschland, Großbritannien und Frankreich knappe oder deutliche Mehrheiten sind. Die relativ geringe Akzeptanz in den USA erklären die Forscher aus der starken religiösen Prägung der dortigen Gesellschaft. Die Bedenken von religiös-konservativer Seite seien nicht auf mangelhafte Informiertheit zurückzuführen, sondern ließen sich vor allem dadurch erklären, dass aus deren Sicht die Nanotechnologie zusammen mit Teilen der Biotechnologie und mit der Stammzellforschung zu den wissenschaftlichtechnologischen Feldern zählt, in denen ein "Human Enhancement" angestrebt und (z.B. auch durch die Entwicklung neuer Materialien) "Gott gespielt" würde. Eine technikzentrierte Eschatologie Zu den viel zitierten Passagen aus dem ersten Workshop-Bericht der NBIC-Initiative zählt ein Zitat aus der einleitenden Rede des ehemaligen DoC-Staatssekretärs Philip J. Bond, in dem dieser, gemäß seiner erklärten Strategie des Schürens von Erwartungen an die konvergierenden Technologien ("hype and hope"), voraussagte, dass dank dieser Technologien die Tauben hören, die Blinden sehen und keine Kinder mehr hungern werden. 26 Und das, betonte Bond, sei nur der Anfang. Wie es danach weitergehen soll, wird in einer ebenfalls viel zitierten Passage aus dem gemeinsamen Überblicksartikel der beiden Herausgeber geschildert. 27 Im Anschluss an eine Liste zum Teil sehr weit reichender Visionen heißt es dort nicht nur, dass jede 24 In Deutschland z.B. A. Grunwald, Orientierungsbedarf (2007b); R. Saage, Politik und Konvergenztechnologien (2007). 25 University of Wisconsin-Madison, Religion Colors (2008) 26 P.J. Bond, Converging Technologies (2002) 27 M.C. Roco, W.S. Bainbridge, Converging Technologies (2002), dort S. 5f. 8 dieser Visionen innerhalb von 20 Jahren realisierbar sei. Durch verstärkte, konzertierte Anstrengungen zur Realisierung mehrerer dieser Visionen könne vielmehr ein goldenes Zeitalter erreicht werden, ein Wendepunkt für menschliche Produktivität und Lebensqualität, in dessen Folge technologische Konvergenz zum Rahmen humaner Konvergenz würde. Für das Ende des 21. Jahrhundert werden Weltfrieden, universeller Wohlstand und die Entwicklung eines höheren Niveaus des Mitgefühls in Aussicht gestellt. Die Menschheit werde dann womöglich zu einem einzigen, verteilten und miteinander verbundenen "Gehirn", wobei aber auch die individuelle Produktivität und Unabhängigkeit vergrößert sowie die Möglichkeiten zur Verfolgung persönlicher Ziele verbessert würden. An weniger prominenten Stellen des Berichts tauchen dann z.B. auch die Visionen einer Art High-Tech-Version des Nürnberger Trichters, einer quasitelepathischen Kommunikation, eines Transfers von Aspekten menschlicher Persönlichkeit auf Computer sowie einer Überwindung des Todes auf. Kritiker haben insbesondere die erwähnten Versprechungen des Staatssekretärs Bond unmittelbar auf die starke christliche Prägung der USA zurückgeführt. Wenn Technikvisionäre, wie z.B. auch der Nanotechnologiepopularisierer Eric Drexler 28, in ihren spekulativen Höhenflügen biblische Bilder verwenden, füge sich dies in den politisch-öffentlichen Diskurs in den USA ein, der besonders stark durch solche Bilder geprägt sei. Und der Transhumanismus, der ein Extrem des derzeitigen technikvisionären Diskurses darstellt, wurde als Säkularisat eines technikbegeisterten christlichen Fundamentalismus gedeutet. 29 Tatsächlich erscheinen allerdings einige Texte der Transhumanisten, Passagen aus den Publikationen der NBIC-Initiative sowie Veröffentlichungen des erwähnten NSF-Mitarbeiters Bainbridge als Kampfansagen an die christliche Religion, zumindest was deren katholischen und protestantischen Mainstream betrifft. Auch wenn führende Vertreter der transhumanistischen Bewegung den Dialog mit Christen suchen, tun sie dies mit dem Anspruch, neue, irdische Wege zu einer Art Paradies oder zumindest Schlaraffenland und zur Unsterblichkeit aufzeigen zu können. Sie folgen dabei (zum Teil erklärtermaßen) einem Zirkel von sozialistischen, linksliberalen oder technokratischen Naturwissenschaftlern und Autoren, die in den 1920er und 1930er Jahren vor allem in Großbritannien die christliche Religion auf ähnliche Weise herausgefordert hatten. Dies ist nicht der Platz für eine historische Rekonstruktion der 28 E. Drexler, Engines of Creation (1986) J. Schummer, Nano-Erlösung (2006); vgl. für eine lesenswerte Polemik zu den Wechselwirkungen zwischen Religiosität und Technikvision: D. Noble, The Religion of Technology (1999). Zu diesem Thema auch: H.D. Hellige, "Technikgeschichte und Heilsgeschehen" (2004). 29 9 technikvisionären Ideen dieses in vielerlei Hinsicht wirkmächtigen Kreises, erwähnt sei aber, dass zu ihm (mit z.B. Herbert G. Wells, John Burdon Sanderson Haldane, John Desmond Bernal und Julian Huxley) eine ganze Reihe zwar schillernder, aber dennoch herausragender Intellektueller und Wissenschaftler ihrer Zeit gehörte. 30 Wenn im Folgenden die hier als "technikvisionärer Posthumanismus" bezeichnete Weltanschauung charakterisiert wird, die in den Debatten über Konvergenz und "Human Enhancement" eine neue Aktualität erlangt hat, so geschieht dies eingedenk dieser Vorgeschichte des heutigen Transhumanismus. Zu ihr zählen zudem, vor allem als Fortsetzung der Tradition des frühen britischen Posthumanismus, auch die Sciencefiction von Autoren wie Arthur C. Clarke sowie die visionären Werke von Naturwissenschaftlern, z.B. der beiden Physiker Freeman Dyson und Michio Kaku. 31 Hinzu kommt der Einfluss bestimmter Elemente der frühen Kybernetik und stark visionär geprägter Forschung zu Künstlicher Intelligenz (KI) und Robotern, bei denen der menschliche Geist als letztendlich ablösbar vom menschlichen Körper vorgestellt wird. Zuzustimmen ist daher dem Urteil eines führenden Transhumanisten 32, dass sich die Konturen der Debatte über "Human Enhancement" und posthumanistische Visionen bereits in den 1920er Jahren herausgebildet haben − und zwar, wie zu zeigen sein wird, nicht nur hinsichtlich des enthusiastischen Posthumanismus, sondern auch mit Blick auf einige Grundzüge der christlichen Kritik an diesem. Führende Vertreter des heutigen wie auch des historischen Posthumanismus beließen es nicht bei Visionen eines technischen Umbaus des Menschen und seiner Ergänzung oder Ersetzung durch intelligente Maschinen. Ihre Weltanschauung enthält vielmehr eine − mehr oder weniger ausgeprägt technokratische − Eschatologie in dem Sinne, dass sowohl die Perfektionierung des Individuums als auch der Welt als zu bewerkstelligende Aufgaben angesehen werden. Oft ausgehend von einem teleologisch gewendeten Darwinismus, bei dem der technologisch transformierten Menschheit eine Rolle als Lenkerin der Evolution zukommt und eine kosmische Aufgabe zugeschrieben wird, entwickelt der Posthumanismus Zukunftsvisionen, die vor allem eine Überwindung des Todes und den Aufbruch des "mechanischen Menschen" in den Weltraum annoncieren. Ein klassischer Text dieser Weltanschauung ist Bernals Essay "The World, the Flesh & the Devil" von 1929. 33 In diesem wie auch anderswo zeigt sich, dass der technikvisionäre Posthumanismus mit Begriffen und Bildern operiert, die der biblischen 30 Vgl. dazu und zum Folgenden z.B.: M. Adams, Last Judgment (2000); C. Coenen, Utopian Aspects (2007); W. Euchner, Der künstlich verbesserte Mensch (2005); P. Parrinder, Shadows (1995); W. Schäfer, Ungleichzeitigkeit (1994). 31 Vgl. z.B.: F. Dyson, The World (2002; orig. 1972); M. Kaku, Visions (1997). 32 J. Hughes, Back to the future (2008a), S. 59 33 J.D. Bernal, The World (1970) 10 und auch speziell der christlichen Tradition entstammen. Zum Teil in polemischer Absicht (z.B. in Form von Travestien der Bergpredigt 34), zum Teil in dem Bemühen, die eigene technikeuphorische Eschatologie mit christlichen Hoffnungen und Zukunftserwartungen zu versöhnen 35 , sprechen die Posthumanisten in einer seltsam vertrauten und darum gerade befremdlichen Weise von letzten Dingen. Auch in den aktuellen Kontroversen zu den konvergierenden Technologien und zu "Human Enhancement" ist vielfach von Himmel, Hölle, Apokalypse und Unsterblichkeit die Rede 36, ohne dass die Herkunft der aktuellen technokratischen Eschatologie immer präsent wäre. Vor dem skizzierten Hintergrund erscheint die intuitive Einschätzung zutreffend, zu der Jürgen Habermas vor einigen Jahren in offensichtlichem Bezug auf Vordenker des Posthumanismus kam 37: Bei deren Visionen eines mit "leistungssteigernden Prothesen vollgestopfte(n) Leib(es)" oder einer "auf Festplatte gebannte(n) Intelligenz von Engeln" handele es sich um "phantastische Bilder", in denen sich womöglich "verschobene eschatologische Bedürfnisse" ausdrückten. Tatsächlich haben sowohl vereinzelt Transhumanisten selbst als auch verschiedene Theologen bereits auf eschatologische Züge des Posthumanismus hingewiesen. Forschungspolitische Visionen und reale Entwicklungen Welche Bezugspunkte in Wissenschaft und Forschungspolitik haben die posthumanistischen Technikvisionäre? 38 An erster Stelle sind hier die von William S. Bainbridge maßgeblich mitverantworteten Publikationen der NBIC-Initiative in den USA zu nennen. Darüber hinaus ist nach alternativen Ideen zu Konvergenz und "Human Enhancement" sowie nach realen Entwicklungen in der Forschung und Entwicklung zu konvergierenden Technologien zu fragen. Das visionäre Programm der NBIC-Initiative in den USA In einer Ausarbeitung zum visionären Programm der NBIC-Initiative, die zum Teil auf einer Befragung von Teilnehmern an der Initiative beruht, listet Bainbridge unter anderem folgende Visionen auf 39: 34 W.S. Bainbridge, Converging Technologies (2007); H. Moravec, Robots (1994); vgl. dazu: C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus (2006) 35 F. Tipler, Die Physik der Unsterblichkeit (1994) und The Physics of Christianity (2007) 36 Vgl. z.B.: STOA, Converging Technologies (2006). 37 J. Habermas, Die Zukunft der menschlichen Natur (2001), S. 75f. 38 Zum Folgenden ausführlicher: TAB, Konvergierende Technologien (2008). 39 W.S. Bainbridge, Survey of NBIC Applications (2006a) 11 a) Bis zum Jahr 2015 sollen komfortable, tragbare Sensoren und Computer von jeder Person eingesetzt werden können, um eine Vielfalt von Informationen über ihre Umgebung zu erlangen, wovon insbesondere auch Körperbehinderte profitieren würden. Die menschliche Biochemie werde bis dahin so modifizierbar sein, dass Soldaten und Kampfpiloten Schlafentzug und körperliche Verletzungen besser ertragen bzw. überstehen können und zu einer besseren physischen und psychologischen "Performance" in der Lage sein werden. b) Bis zum Jahr 2025 sollen Roboter und Software-Agenten in der Lage sein, auf der Basis von Prinzipien zu operieren, die mit menschlichen Zielen, menschlichem Bewusstsein und menschlicher Persönlichkeit kompatibel sind. Kontaktfähige Technologie ("sociable technology") werde menschliche emotionale und kognitive Leistungen verbessern und uns dadurch nicht nur stärker befriedigende Beziehungen zu unseren Maschinen, sondern auch untereinander ermöglichen. Viele Menschen würden in Zukunft ein personalisiertes, computerbasiertes Datenbasissystem mit sich tragen, das die Gefühle des Nutzers versteht und als ein Berater funktionieren kann, der dem Träger hilft, seine eigenen Gefühle und Entscheidungsoptionen besser zu verstehen. Der menschliche Körper werde haltbarer, langlebiger, gesünder, energiegeladener ("more energetic"), "einfacher zu reparieren" und widerstandsfähiger gegen viele Arten des Stresses, biologischer Gefahren und Alterungsprozesse sein. c) Für das Jahr 2030 sei dann ein neuer wissenschaftlicher Ansatz zum Verständnis von Kultur zu erwarten, basierend auf Konzepten aus der Evolutionsbiologie und auf Klassifikationstechniken aus der Informationswissenschaft, der in erheblichem Maß geisteswissenschaftliche Forschung, das Marketing von Musik und Literatur sowie künstlerische Innovation verbessern bzw. erleichtern werde. Neurozeutika, nicht süchtig machende neurochemische Gehirnregler von hoher Wirksamkeit und mit vernachlässigbaren Nebeneffekten, würden Geisteskrankheiten heilen und künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten erweitern. Die Mensch-ComputerInteraktion soll durch Schnittstellen optimiert werden, die in Zukunft auf Grundlage eines wirklichen Verständnisses der Funktionsweise des menschlichen Geistes und menschlicher Sinne entworfen würden. d) Im Jahr 2035 wird es demnach technisch und ökonomisch machbar sein, den genetischen Code jedes Einzelmenschen zu sequenzieren, wodurch wir genetisch bedingte Unterschiede menschlichen Leistungsvermögens vollständig verstehen würden. Nanotechnologiebasierte Sensoren, implantiert im menschlichen Körper, sollen den Stoffwechsel und Gesundheitszu12 stand überwachen und jedes gesundheitliche Problem diagnostizieren, bevor die betroffene Person auch nur das erste Symptom registriert. Technische Hilfsmittel würden Behinderungen wie Blindheit, Taubheit und Lähmung weitgehend überwinden. e) Im Jahr 2040 würden menschliche bzw. menschenfreundliche Maschinen ("humane machines") existieren, die sich an Kommunikationsstile, soziale Kontexte und persönliche Bedürfnisse ihrer Nutzer anpassen und diese widerspiegeln können. Eine Kombination verschiedener Techniken werde die menschlichen Beschränkungen bei der Informationsverarbeitung überwiegend überwinden. Molekulare Nano-Motoren sollen in Massenproduktion hergestellt und in Bereichen wie Materialherstellung und medizinischer Behandlung zum Einsatz kommen. f) Für das Jahr 2045 sei zu erwarten, dass "Warfighters" die Fähigkeit haben werden, nur durch das Denken von Befehlen (oder sogar vor Formung des Befehls in ihrem Geist) Fahrzeuge sowie Waffen- und andere Kampfsysteme ohne jegliche Zeitverzögerung zu kontrollieren. g) Es wird prognostiziert, dass im Jahr 2050 eine komplette Karte des menschlichen Gehirns vorliegen und die Steigerung der Gedächtnisleistungen die menschliche Kognition verbessert haben werde (unter anderem durch externe elektronische Speicherung und die Infusion von Nervenwachstumsfaktoren ins Gehirn). Eine voraussagende Wissenschaft des Verhaltens von Gesellschaften soll es uns dann erlauben, ein breites Spektrum von gesellschaftlich zerstörerischen Ereignissen vorauszusehen und entschärfende oder präventive Strategien umzusetzen, bevor Schaden entsteht. h) Im Jahr 2070 würden Wissenschaftler dazu in der Lage sein, menschliche Absichten, Überzeugungen, Sehnsüchte, Gefühle und Beweggründe als klar bestimmbare, berechenbare Prozesse ("in terms of well-defined computational processes") zu verstehen und zu beschreiben. Anstatt Menschen stereotyp als behindert oder talentiert einzustufen, werde die Gesellschaft es jedem Menschen garantieren, für sich selbst zu entscheiden, welche Fähigkeiten er besitzen möchte. 13 i) Schließlich wird für das Jahr 2085 vorausgesagt, dass die Entwicklung im Computerbereich und der Wissenschaft so weit sein werde, dass Maschinen gebaut werden können, die funktional äquivalent zu einem menschlichen Gehirn sind. Diese Liste von Visionen kann auch zur Veranschaulichung folgender Charakteristika der Initiative dienen: Sie weist eine starke Betonung militärischer Nutzungsmöglichkeiten neuer Technologien auf bis hin zu phantastisch anmutenden Visionen einer gleichsam vorbewussten Steuerung von Waffensystemen. Sie zeigt ein besonderes Interesse an neuen, auch implantierbaren Hirn-Computer-Schnittstellen. Deren Entwicklung soll erklärtermaßen vor allem körperbehinderten Menschen dienen. Letztendlich geht es aber darum, dass jeder Mensch frei zum Teil "übermenschliche" Fähigkeiten wählen können soll. Weit reichende Visionen zur Entwicklung von sehr "starker" Künstlicher Intelligenz sind ein wichtiges Element der Programmatik. Der Fortschritt führt dabei von mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Maschinen, die zunehmend in der Lage sind, menschliche Absichten und Gefühle zu erfassen, bis hin zur Vision eines künstlichen Ersatzes für das menschliche Gehirn. Mentale Probleme, künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten und emotionale Beziehungen werden als mit wissenschaftlich-technologischen Mitteln lösbar bzw. als erheblich verbesserbar angesehen. Ein solcher technokratisch-szientistischer Ansatz ist nicht nur in Bezug auf das Individuum festzustellen, sondern auch auf gesellschaftliche und kulturelle Strukturen und Prozesse. Ethische und gesellschaftliche Herausforderungen werden selten erwähnt und ihre Lösung wird zumeist als unproblematisch eingeschätzt. Die Visionen entsprechen oft Zukunftserwartungen und Themen der Sciencefiction, die allerdings ihrerseits vielfältige inhaltliche Beziehungen zu dem erwähnten frühen Posthumanismus der 1920er und 1930er Jahre aufweist. Überdies finden sich im visionären Programm der NBIC-Initiative zahlreiche Berührungspunkte und Übereinstimmungen mit posthumanistischen und anderen technofuturistischen Visionen. In den Publikationen der Initiative stehen nur unzureichend erläuterte, phantastisch anmutende Visionen neben solchen, die realistisch erscheinen, wobei zum Teil weithin als realistisch akzeptierte Visionen in eine ferne Zukunft verlegt werden. Die phantastisch anmutenden Visionen (sowohl posthumanistischer Art als auch zur Voraussage, Steuerung und "Verbesserung" gesellschaftlicher Prozesse) werden zumeist unter dem Label "Cognitive Science" bzw. Kognitionswissenschaft eingebracht. Insbesondere die Hoffnungen auf eine sehr "starke" Künstliche Intelligenz, das philosophisch fragwürdige Verständnis menschlichen Bewusstseins, die eigentümliche, an Sciencefiction 14 erinnernde Konzeption der Kognitionswissenschaft sowie die Erwartung, dass nicht nur Individuen und ihr Verhalten, sondern ganze Gesellschaften oder Kulturen ohne größere Probleme steuerbar sein werden, haben zu erheblichen Zweifeln an der wissenschaftlichen Seriosität der NBIC-Initiative geführt. Zugleich ist aber unbestreitbar, dass es ihren Promotoren − wohl auch aufgrund Mihail C. Rocos einflussreicher Position in der US-Forschungspolitik und des quasioffiziellen Auftretens der Initiative − gelungen ist, einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zur Teilnahme zu bewegen, die in den NBIC-Feldern (oder auch in der sozialund geisteswissenschaftlichen Forschung zu neuen Technologien) über erhebliches Renommee verfügen. Wir werden gleich auf die wissenschaftlich-technologischen Voraussetzungen der genannten Visionen etwas näher eingehen, zunächst sei aber noch auf ein in unserem Zusammenhang besonderes interessantes Charakteristikum des visionären Programms der Initiative hingewiesen. Dieses kulminiert, wie aus der obigen Auflistung ersichtlich, in drei Visionen der Kontrolle von und durch Technik: einer völligen menschlichen Selbstkontrolle durch Technik, einer völligen Fremdkontrolle von Menschen durch Menschen mit Hilfe der Technik und, als Endpunkt, die technische Entwicklung von intelligenten Akteuren, die − wie Pessimisten warnen − potenziell den Menschen kontrollieren oder sogar ersetzen könnten. Diese drei Leitvisionen lassen sich als "selbstbestimmter Cyborg" 40, "total überwachter Mensch" und "posthumane Künstliche Intelligenz" bezeichnen. Zum Stand von Forschung und Entwicklung Was haben die posthumanistischen Technikvisionäre an der Hand, um ihre Hoffnungen plausibel erscheinen zu lassen? Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Visionäre sich oft einer bestimmten ethisch-politischen Argumentationsstrategie bedienen: In ihren Texten und sonstigen Diskussionsbeiträgen springen sie oft ohne größere Umstände von der Beschwörung einer vagen Möglichkeit zukünftiger Technologieentwicklung zu einer Diskussion der ethischen Fragen, die sich nach Realisierung einer solchen Entwicklung ergeben könnten. So überwiegt im visionären Programm der NBIC-Initiative als Redemodus ein "konstatives Fu40 "Cyborg" ist eine Abkürzung für "Cybernetic Organism", also für Mensch-Maschine-Mischwesen. Der Begriff wurde in den 1960er Jahren im Kontext der Weltraumforschung entwickelt. Dabei ging es, wie auch schon in Visionen des frühen Posthumanismus um die Schaffung von Wesen, die durch die Transformation ihrer menschlichen Natur besser als Menschen für das Leben im Weltraum geeignet wären. In verschiedenen Disziplinen (einschließlich der Theologie und bis hin zu den so genannten "cyborg studies") werden anthropologische und andere Implikationen des Cyborgs diskutiert. Eine nützliche Einführung mit einigen relevanten Literaturangaben bietet der deutsche Wikipedia-Artikel zum Thema: http://de.wikipedia.org/wiki/Cyborg#cite_note-1. 15 tur", das den Eindruck erweckt, die visionären Möglichkeiten würden mit Sicherheit eintreten, und das die Zukunft als eine in die Zukunft hinein zeitversetzte Gegenwart beschreibt. 41 Zudem wird in den Formulierungen ein technischer Fortschritt in bestimmte Richtungen als gegeben vorausgesetzt, und besondere Aufmerksamkeit finden reale und mögliche Schritte in eine posthumane Zukunft. Oft wird auch die Beweislast umgekehrt: Die Kritiker der Visionen sollen nachweisen, dass diese gänzlich phantastisch seien. Deren Kritik wird dann gelegentlich als unverantwortlich und moralisch inakzeptabel eingestuft. Wer sich der optimistischen Sicht der Dinge nicht anschließt, sei mit dafür verantwortlich, falls die quasiparadiesischen Zukunftserwartungen nicht in Bälde realisiert würden. Von Seiten der Visionäre werden den anderen Diskutanten auch Fragen einer spekulativen Nanoethik 42 aufgenötigt, die weder anschlussfähig an das sind, was gemeinhin als Nanowissenschaft oder -technologie verstanden wird, noch einen Bezug zu dringlicheren Problemen in diesem Bereich haben (wie z.B. mögliche Auswirkungen von Nanopartikeln auf Gesundheit und Umwelt). Ein profilierter Kritiker dieser spekulativen Ethik hat dazu einen treffenden Vergleich gezogen 43: Die Fixierung auf unwahrscheinliche Zukunftsszenarien von technisch optimierten Individuen ähnele einem Vorgehen, bei dem angesichts der globalen Erwärmung nicht etwa nach technikbasierten oder nichttechnischen Problemlösungsansätzen gesucht, sondern stattdessen eine Ethik für eine futuristische Unterwasserwelt entworfen würde. Mit diesen Einwänden ist nichts gegen das Unterfangen gesagt, die ethischen und gesellschaftlichen Herausforderungen auszuloten, die sich allein schon durch die posthumanistischen Visionen selbst, aber auch durch bereits existente Forschung und Entwicklung im Bereich der konvergierenden Technologien ergeben. Unangebracht ist aber − wie dies zum Teil auch seitens christlicher und anderer scharfer Kritiker des Posthumanismus geschieht −, die Zukunftsvisionen für bare Münze zu nehmen, sie nicht als Ausdruck einer bestimmten szientistisch-technizistischen Weltanschauung zu begreifen, sondern als mehr oder weniger autoritative Prognosen zukünftiger naturwissenschaftlich-technischer Entwicklungen. Angezeigt erscheint daher, zunächst danach zu fragen, wie weit wir bereits auf dem Weg zu einem "selbstbestimmten Cyborg" und zu anderen posthumanistischen Kernvisionen zu "Human Enhancement" sind. Dies kann hier selbstverständlich nur beispielhaft erfolgen, und es bietet sich an, dabei den Blick vor allem auf die Hirnforschung, Kognitionswissenschaft und 41 A. Grunwald, Nanotechnologie als Chiffre (2006) A. Nordmann, If and Then (2007) 43 A. Nordmann, Die Menschen von morgen (2007) 42 16 Neurotechnologien zu richten, da sie für die futuristischen Visionen zum "Human Enhancement" von besonderer Relevanz sind. 44 Die britische Royal Society und Royal Academy of Engineering hatten bereits frühzeitig die Auffassung vertreten, dass die Visionen der NBIC-Initiative zu Hirn-MaschinenSchnittstellen, zur Kognitionswissenschaft und zur Künstlichen Intelligenz zum Teil stark an Szenarien aus der Sciencefiction erinnerten, hingegen aber nur wenige Bezüge zur Mainstreamforschung in diesen Bereichen aufwiesen. 45 Tatsächlich finden sich bei der NBICInitiative vereinzelt (und in rein posthumanistischen Publikationen häufig) bestimmte Visionen, die höchstens am Rande der seriösen Forschung zur Robotik und Künstlichen Intelligenz eine Rolle spielen. Auch wenn sich an der Initiative anerkannte Forscher beteiligt haben, die z.B. in der Grundlagenforschung zu neuartigen Möglichkeiten neuroprothetischer Technologie arbeiten, erscheint höchst fraglich, dass die Einbringung extrem weit reichender posthumanistischer Visionen in den Diskurs über die konvergierende Technologien durch die versammelten Hinweise auf den einschlägigen Forschungs- und Entwicklungsstand gedeckt ist. Es ist diskutabel, ob einige dieser Visionen womöglich als gleichsam implizite Leitbilder in bestimmten Forschungs- und Entwicklungsbereichen dienen. Es bleibt aber das Problem, dass eine mit einiger Unterstützung aus Politik und Wissenschaft gestartete Initiative eben nicht nur Möglichkeiten einer fernen Zukunft diskutierte, sondern diese Möglichkeiten als absehbare Schritte bei der Realisierung einer politischen Agenda präsentierte. Tatsächlich gibt es zwar bereits verschiedene, zum Teil seit langem bestehende wissenschaftsoder technikbasierte Möglichkeiten zur Beeinflussung der menschlichen Psyche oder des menschlichen Körpers, von denen einige auch mit dem Ziel einer Vergrößerung des menschlichen Leistungsvermögens oder zur Verbesserung von Handlungsmöglichkeiten eingesetzt werden. Zu nennen wären hier z.B. der Drogenkonsum sowie Methoden zur gezielten Manipulation der Genaktivät durch hochspezifische Medikamente (z.B. für Doping im Sport). Selbst bei diesen Mitteln bleibt aber zum Teil unklar, ob überhaupt eine auch nur temporäre Leistungssteigerung möglich ist. So kann z.B. der auch schon aus dem Zweiten Weltkrieg bekannte Konsum von Amphetaminen durch Kampfpiloten deren Fähigkeit zur Konzentration steigern und Wachheitsphasen verlängern. Ob sie dabei tatsächlich leistungsfähiger in einem 44 Für Kommentare zum Folgenden und wertvolle Anregungen dankt der Autor seinem Kollegen Arnold Sauter. RS/RAE, Nanoscience and nanotechnologies (2004). Vgl. zur Frage der wissenschaftlichen Seriosität der NBIC-Initiative und der Kritik an dieser z.B. auch: C. Coenen et al., Of Visions (2004); H. Paschen et al., Nanotechnologie (2004); TAB, Konvergierende Technologien (2008). 45 17 umfassenden Sinn sind, also z.B. auch hinsichtlich adäquater Beurteilungen der taktischen oder strategischen Lage, ist aber eine offene Frage. Für die Beurteilung der weit reichenden posthumanistischen Visionen sind indes solche entweder nur vorübergehend oder gar nicht leistungssteigernden Mittel weitgehend irrelevant. Zwar würden einige der ethischen und gesellschaftlichen Aspekte ihres Einsatzes (z.B. Gerechtigkeits- und Fairnessfragen oder Implikationen für Menschenbilder) auch von Belang für die Bewertung der imaginierten Technologienanwendungen sein, und dies ist ein Punkt, den gerade auch die Posthumanisten sehr stark machen. Ein "Human Enhancement" im engen Sinn, von dem hier die Rede ist − also eine langfristig wirksame oder dauerhafte, auf Verbesserung abzielende Modifikation menschlicher Leistungsfähigkeit durch wissenschaftlich-technisch ermöglichte Eingriffe in den menschlichen Körper −, lässt sich aber bei keinem der genannten Beispiele feststellen − auch wenn selbstverständlich eine Praxis wie häufiger Drogenkonsum dauerhafte Veränderungen des menschlichen Körpers oder der Psyche nach sich ziehen kann. Und selbst wo relativ moderate Formen eines "Human Enhancement" (wie z.B. eine implantatbasierte Infrarotsichtfunktion für das menschliche Auge) machbar erscheinen, stellt sich die Frage, ob sie angesichts individueller Bedarfslagen und gesellschaftlicher Akzeptanzfragen realistischerweise für die nähere Zukunft zu erwarten sind. Wo ein externes Artefakt, also ein traditionelles Werkzeug, die gleichen oder bessere Dienste leistet als eine Anwendung, die eine Operation oder sonstige Modifikation des Körpers notwendig machen würde, dürfte die Nachfrage für "Human-Enhancement"-Technologien gering bleiben. Eine Ausnahme könnten hier Bereiche sein, in denen Menschen die bereitgestellten technischen Funktionen dringend benötigen und daher ein Verlust der Artefakte unbedingt zu vermeiden ist (z.B. in militärischen Kampfsituationen). Ansonsten dürfte, abgesehen von einer etwaigen Nutzung solcher Artefakte als Luxusaccessoires, ein gesellschaftlicher Bedarf weiterhin vor allem in den Bereichen der Heilung, der Kompensation eines angeborenen oder erlittenen Nachteils oder der pränatalen Selektion erwünschter, aber nicht "übermenschlicher" Eigenschaften bestehen. Man mag zwar der Ansicht sein, dass Fortschritte in Richtung einer Verbesserung der menschlichen Leistungsfähigkeit weit über das Durchschnittsmaß hinaus in Bereichen wie der Gentherapie oder der Prothetik nur deshalb noch nicht erreicht worden sind, weil lediglich einige kranke oder behinderte Menschen sowie überehrgeizige Sportler willens sind, bestehende Risiken der Eingriffe oder Behandlungen einzugehen − und diese dann auch noch, wenn sie legal sein sollen, erst unter ethischen Gesichtspunkten zugelassen werden müssten. Sieht man von der weltweit geächteten Keimbahnmanipulation am Menschen sowie von der Möglichkeit ab, dass in geheimer Forschung und Entwicklung (z.B. im militärischen Bereich) Experimente zum "Hu18 man Enhancement" bereits weiter gediehen sein könnten, erscheint indes bisher das Bild beim "Human Enhancement" insgesamt wenig futuristisch. So besteht zwar auch bereits seit geraumer Zeit die Möglichkeit, Nerven mit technischen Systemen elektrisch zu koppeln, was die physikalische Grundlage aller neuroelektrischen Schnittstellen ist. 46 Prinzipiell kann man solche Implantate auch an jeder beliebigen Stelle einer Sinnesbahn anbringen und jedes Körperorgan beeinflussen. So wird in der Tiefen Hirnstimulation durch einen so genannten "Hirnschrittmacher" z.B. die Gehirnaktivität von Menschen beeinflusst, die unter der Parkinsonkrankheit oder unter Depressionen leiden − mit guten Ergebnissen und hoher Akzeptanz bei Parkinsonpatienten und ersten Erfolgen, aber auch Misserfolgen, bei Depressionen. Die Ursachen für die Wirksamkeit der Eingriffe sind weitgehend unklar. Bei einzelnen Patienten wurde auch festgestellt, dass sie nach Therapieversuchen zwar willkommene, aber andere Verbesserungen ihres Gesundheitszustands erlebten als die angestrebten. Zum Teil sind aber auch erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen festzustellen. Bei solchen invasiven Anwendungen, in denen die neuroelektrischen Schnittstellen durch einen chirurgischen Engriff in das zu stimulierende Gewebe geschaffen werden, erscheinen perspektivisch auch phantastisch anmutende Anwendungen prinzipiell möglich, wie z.B. technische "Speichererweiterungen" des Gehirns. Biologische Organisationsprozesse und technische Systeme würden dann verschmelzen. Die NBIC-Initiative in den USA, die einschlägiger Forschung und Entwicklung in diesen Bereichen zum Teil breiten Raum in ihren Publikationen eingeräumt hat 47, verfügt also bei ihrem visionären Programm durchaus über Anknüpfungspunkte in der aktuellen wissenschaftlich-technologischen Entwicklung. Es bleibt aber festzuhalten, dass mit der posthumanistischen Rahmung − in die unter anderem auch hoch umstrittene Visionen zu einer sehr "starken" Künstlichen Intelligenz oder zu einer neuen Sozialtechnologie eingegangen sind − weit über das Ziel hinausgeschossen wurde, eine zugleich realistische und gesellschaftlich akzeptable Zukunftsvision für die wissenschaftlich-technologische und gesellschaftliche Entwicklung zu entwerfen. 46 Zum Folgenden: L. Hennen et al., Einsichten und Eingriffe (2008); vgl. auch: U. Fiedeler, Stand der Technik (2008). 47 Vgl. z.B.: M. Nicolelis, Human-machine Interaction (2002) und die Ausführungen dazu in TAB, Konvergierende Technologien (2008). 19 Dessen ungeachtet sind das visionäre Programm der NBIC-Initiative und die explizit postoder transhumanistischen Zukunftsbilder durchaus wirksam: Sie haben das Potenzial, forschungs- und technologiepolitische Weichenstellungen zu beeinflussen, sie sind bereits im technikethischen Diskurs relativ weit verbreitet, und die Sciencefiction und andere kulturelle Strömungen stellen für sie gewissermaßen einen Nährboden dar. Es besteht daher die Aufgabe, sie auch unabhängig von den jeweiligen Realisierungschancen der einzelnen Technikvisionen kritisch zu analysieren, insbesondere in Bezug auf die in ihnen "transportierten" Menschenbilder und Gesellschaftsverständnisse. Wie dies bereits hinsichtlich der NBIC-Initiative geschehen ist, wird im Folgenden skizziert. Einwände gegen die Visionen der NBIC-Initiative Die herausragende frühe, wenngleich weitgehend implizite Kritik der NBIC-Initiative erfolgte seitens einer hochrangigen Expertengruppe, die von der Europäischen Kommission zum Thema "Converging Technologies" eingesetzt worden war. Der Endbericht der Gruppe von 2004 ist neben dem ersten Workshopbericht der NBIC-Initiative immer noch der wichtigste Referenzpunkt der politisch-akademischen Konvergenzdebatte. 48 Die beiden Publikationen unterscheiden sich grundlegend bereits in der Sprache. Während der US-amerikanische Bericht (zumindest in den allein von den Herausgebern verantworteten Teilen sowie in den Artikeln technofuturistischer Teilnehmer) dadurch gekennzeichnet ist, dass selbst weit reichende Zukunftsvisionen als relativ leicht realisierbar bzw. als Voraussagen präsentiert werden, findet sich im europäischen Bericht vielfach eine stark "konjunktivische oder konditionale Redeweise", die "die Möglichkeiten, aber auch die Unsicherheiten der Entwicklung hervorhebt". 49 In der Analyse der EU-Expertengruppe waren bereits auch einige der Hauptlinien der Kritik an der NBIC-Initiative und ihrem transhumanistischen Umfeld angelegt, die dann in der Folgezeit in anderen, oft im engen Zusammenhang mit dem europäischen Bericht stehenden Projekten und Aktivitäten vertieft wurden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang (a) die eigentümliche Kombination eines wissenschaftlich-technischen sowie politisch- technokratischen Machbarkeitsglaubens mit einem z.T. extremen Technikdeterminismus, (b) 48 Der Abschlussbericht der Gruppe ist: EU HLEG FNTW, Converging Technologies (2004). Vgl. zu ihrer Arbeit und ihrer Kritik an den Visionen der NBIC-Initiative z.B.: Coenen et al., Of Visions (2004); STOA, Converging Technologies (2006); TAB, Konvergierende Technologien (2008). 49 A. Grunwald, Nanotechnologie als Chiffre (2006) 20 ein (vulgär)kybernetisches Weltbild, das alles auf Information reduziert 50, (c) die Prominenz militärischer Anwendungsvisionen, (d) eine (trotz aller anders lautenden Rhetorik feststellbare) Vernachlässigung von ethisch und gesellschaftlich problematischen Züge der NBICKonvergenz, (e) eine Ausrichtung auf die Interessen und Werte der wohlhabenden Mittel- und Oberschichten des "Westens" und ein weitgehendes Ignorieren relevanter ökologischer Aspekte 51, (f) mögliche totalitäre Gefahren durch die Visionen neuer NBIC-basierter "Sozialtechnologien" (auch vor dem Hintergrund der Geschichte utopischen Denkens) 52 sowie (g) allgemein die Konzentration auf technische Lösungsideen für gesellschaftliche, individuelle und ökologische Probleme. 53 Zudem wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass der Transhumanismus und speziell auch die Visionen der NBIC-Initiative eine Art Religionsersatz darstellten. In einem kurzen Artikel betonte z.B. Alfred Nordmann, der Berichterstatter der EU-Expertengruppe zu konvergierenden Technologien, dass wir Gefahr liefen, in der Fixierung auf unwahrscheinliche Zukunftsszenarien zum "Human Enhancement" die transformativen Potenziale gegenwärtiger technischer Entwicklungen zu übersehen. Technik dürfe nicht als Weg zum menschlichen Heil und zur Erlangung von Transzendenz missverstanden werden. 54 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich hinsichtlich der Kritik an den Promotoren der Konvergenzvisionen und diverser "Human-Enhancement"-Technologien grob zwei Hauptstoßrichtungen unterscheiden lassen: Zum einen werden die technische Machbarkeit der Visionen und die wissenschaftliche Seriosität ihrer Advokaten infrage gestellt, oft unter Hinweis auf Einflüsse der Sciencefiction und des Transhumanismus. Zum anderen werden politische und weltanschauliche Aspekte der Vorstellungen zu "Human Enhancement" und die technofuturistischen Ideen kritisiert. Dabei stimmen einige Kritiker mit den futuristischen Annahmen zur künftigen Technologieentwicklung und der Realisierbarkeit der Visionen in Teilen überein. Christliche Stimmen 50 Dazu z.B.: J.-P. Dupuy, Some Pitfalls (2007). So z.B. ETC Group, The Strategy for Converging Technologies (2003); vgl. dazu auch: Evangelische Akademie Iserlohn, Nanotechnologien nachhaltig gestalten (2006). 52 C. Coenen, Utopian Aspects (2007); R. Saage, Konvergenztechnologische Visionen (2006) 53 Dazu auch: R. Saage , Politik und Konvergenztechnologien (2007). 54 A. Nordmann, Die Menschen von morgen (2007) 51 21 Der christlichen Theologie wie auch den Diskussionsbeiträgen von Christen generell kommt für die Auseinandersetzung mit den weltanschaulichen Aspekten des Posthumanismus und der Debatte über konvergierende Technologien potenziell eine hohe Bedeutung zu, was sich zum Teil bereits auch in den Diskussionen niedergeschlagen hat. So wird das Thema "Human Enhancement" in der christlichen Bioethik bereits seit Längerem behandelt. Dabei ging es vor allem um neue und visionäre Anwendungen der Genetik, aber andere Wissenschafts- und Technologiefelder sind in jüngerer Zeit verstärkt ins Blickfeld geraten. Ebenfalls bereits seit längerem etabliert, ist ein theologischer Diskurs über Künstliche Intelligenz, einschließlich ihrer Verbindungen mit der Robotik, was allerdings in diesem Kontext aufgrund der hier zugrunde gelegten Definition von "Human Enhancement" nur von peripherer Bedeutung ist. In der politischen Konvergenzdebatte, einschließlich der Beiträge der politikberatenden Ethik und Technikfolgenabschätzung, haben sich christliche Stimmen bisher nur vereinzelt zu Wort gemeldet. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden vor allem zweierlei geleistet werden: Zum einen wird angestrebt, die christliche Auseinandersetzung mit dem Post- und Transhumanismus zu skizzieren und dabei auch auf den unmittelbaren christlich-transhumanistischen Dialog einzugehen. Zum anderen sollen relativ ausführlich einige der wenigen christlichen Beiträge zur politischen Debatte über konvergierende Technologien dargestellt werden. Ansätze zu einem christlich-posthumanistischen Dialog Der Posthumanismus wird vor allem als Herausforderung für die christliche Anthropologie und Eschatologie aufgefasst. Schlüsselthemen sind die Gottebenbildlichkeit des Menschen (Imago Dei), die mögliche eschatologische Bedeutung der Technik entwickelnden und nutzenden Menschheit als Mitwirkende an der Schöpfung (der Mensch als "Co-Creator") sowie die Fragen der Unsterblichkeit und Ewigkeit, des Leib-Seele-Dualismus und der Auferstehung. Hier sollte nicht ausgeblendet werden, dass auch die christlichen Stimmen in der Debatte über neue und emergierende Technologien diese eher grundsätzliche Fragen oft weniger intensiv thematisieren als die konkreteren Themen einer sozial und ethisch akzeptablen Forschung und Technikentwicklung. In der Ausrichtung auf unmittelbare Gestaltungs- und Risikofragen unterscheiden sich christliche Diskutanten kaum von säkularen. 22 Fragt man indes nach den spezifischen Beiträgen christlicher Stimmen in den Diskussionen über posthumanistische Technikvisionen lassen sich grob zwei Positionen unterscheiden: Zum einen ist dies eine von den Transhumanisten (eher abfällig) als "biokonservativ" bezeichnete Kritik an allen biotechnologischen und sonstigen wissenschafts- und technikbasierten Eingriffen in die "menschliche Natur", die als Angriffe auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen oder auch als "Hybris" bzw. menschlicher Hochmut, "Gott spielen" zu wollen, gedeutet werden. Diese Auffassungen und Ansätze prägen weitgehend das Bild, das die interessierte Öffentlichkeit von den christlichen Positionen zum Posthumanismus und zu "Human Enhancement" hat. Zum anderen lassen sich jedoch (vor allem in der englischsprachigen Welt) in der Theologie und bei einigen christlichen Gruppen und Einzelpersonen durchaus auch Positionen feststellen, die von einer partiellen oder gar umfassenden Vereinbarkeit trans- und posthumanistischer Perspektiven mit christlichen Ideen ausgehen. Generell existiert mittlerweile eine recht umfangreiche, theologische wie populäre christliche Literatur zum Trans- und Posthumanismus. Dass zumindest in den USA speziell auch die transhumanistische Bewegung und ihre Ideen von Christen und anderen religiösen Menschen als relevante Themen angesehen werden, zeigen z.B. verschiedene christlich- transhumanistische Dialogveranstaltungen 55, relativ zahlreiche Publikationen von Theologen und Laien zum Post- und Transhumanismus, ein mehrjähriges Projekt zum Transhumanismus 56, das von der Templeton Foundation gefördert wird, sowie die Absicht, auf dem Jahrestreffen 2008 der American Academy of Religion eine Veranstaltung zum Verhältnis von Transhumanismus und Religion durchzuführen. Vertreter der transhumanistischen Bewegung haben ihrerseits in den letzten Jahren die Förderung des Dialogs mit Christen und generell das Verhältnis von Transhumanismus und Religion zu thematischen Schwerpunkten ihrer Arbeit gemacht. Nachdem sie das Christentum (vor allem in Gestalt konservativer Kritiker bestimmter Biotechnologien und des Transhumanismus) zunächst vor allem als ein zentrales Element des ihnen feindlich gesonnenen politischen-gesellschaftlichen Spektrums wahrgenommen hatten 57, suchen sie nun verstärkt nach Gemeinsamkeiten zwischen ihrer Weltanschauung und religiösen Vorstellungen. Zwar finden sich weiterhin harsche Kritiken an den etablierten Religionen, vor allem seitens William Sims 55 Vgl. dazu den einleitenden Artikel in einer Sonderausgabe der wichtigsten transhumanistischen Zeitschrift mit wissenschaftlichem Anspruch: M. Walker, H. Campbell, Introduction (2005). 56 Vgl. dazu: H. Tirosh-Samuelson, Facing the Challenges (2007) und http://www.asu.edu/transhumanism. 57 Vgl. den Überblick aus transhumanistischer Sicht in einer der Publikationen der NBIC-Initiative: J. Hughes, Human Enhancement (2006). 23 Bainbridges, der bereits erwähnten Schlüsselfigur der NBIC-Initiative. Dieser äußerte z.B. in einer Publikation der Initiative die Hoffnung, dass "kognitive Technologien" das menschliche Leben erheblich verbessern und damit Wunschdenken und Aberglauben überflüssig machen werden. 58 Die alten Religionen hätten der Menschheit für lange Zeit (manchmal nützliche) Dienste geleistet, aber nun müssten wir sie aufgeben − was seiner (wohl polemischen) Bekundung nach ganz im Sinne des Jesuswortes sei, dass die Menschen die Wahrheit erkennen würden und diese sie frei machen werde. Eine solche − zumindest in der angloamerikanischen Welt derzeit durchaus modische − antireligiöse Haltung wird jedoch von jüngeren Führungsfiguren des Transhumanismus (wie Nick Bostrom und James Hughes) nicht mehr eingenommen. Zwar ist die Zahl religiöser organisierter Transhumanisten anscheinend immer noch gering. Legt man die Angaben zugrunde, die in einer seitens der wichtigsten transhumanistischen Organisation, der World Transhumanist Association (WTA), unter ihren Mitgliedern durchgeführten Umfrage gemacht wurden, ergibt sich folgendes Bild 59: Nur circa ein Viertel der befragten Transhumanisten sieht sich selbst als religiös oder spirituell an. Als Christen bezeichnen sich lediglich 6% (4% Protestanten und 2% Katholiken). Einige Schlüsselfiguren der WTA sind aber bekennende Buddhisten, und es existiert eine Gruppe transhumanistischer "Mormonen". Führende Transhumanisten zeigen zudem in jüngster Zeit ein erhebliches Interesse daran, die Gemeinsamkeiten mit aus ihrer Sicht "technoprogressiven" christlichen Theologen und Laien auszuloten sowie Bezüge des Transhumanismus zu religiösen Traditionen herauszuarbeiten. 60 Dabei wird zuweilen explizit als Motiv genannt, die Opposition gegen den Transhumanismus und "Human Enhancement" spalten zu wollen, indem z.B. Theologen, von denen die Mitschöpferrolle des Menschen besonders stark betont wird, als mögliche Verbündete gewonnen werden sollen. Eine Führungsfigur der Transhumanisten vertritt in einem bemerkenswerten Aufsatz die Auffassung, dass sich derzeit − vor allem in fernöstlichen Religionen, aber in ersten Ansätzen auch im Christentum − die Entwicklung eines "religiöstranshumanistischen Synkretismus" abzeichne. 61 In dem Aufsatz werden überdies sowohl die quasireligiösen Züge des Post- und Transhumanismus als auch die Hauptlinien der bisherigen christlich-posthumanistischen Auseinandersetzung relativ getreulich wiedergegeben und zum Teil auf erhellende Weise analysiert. Der Transhumanismus erscheint dort als eine mit zahlreichen quasireligiösen Elementen durchsetzte Weltsicht, die zumindest hinsichtlich ihrer Technikvisionen mit einer Vielfalt von religiösen Traditionen vereinbar ist. Die bereits erfolg58 W.S. Bainbridge, Cognitive Technologies (2006b); vgl. auch: Ders., The Coming Conflict (2005). Dazu und zum Folgenden: J. Hughes, The Compatibility (2007). Vgl. auch C. Hook, Transhumanism (2004b), der einige antichristliche transhumanistische Onlineartikel auflistet. 60 Vgl. zu letzterem auch.: J. Hughes, Millennial Tendencies (2008b). 61 J. Hughes, The Compatibility (2007) 59 24 ten Verbindungen von transhumanistischem und religiösem Gedankengut würden aller Voraussicht mit dem weiteren wissenschaftlich-technischen Fortschritt an Zahl und Intensität deutlich zunehmen. Allgemein gesprochen dürfen die Transhumanisten am ehesten dort auf Verständnis von christlicher Seite hoffen, wo die intellektuellen Anstrengungen von Theologen und Laien vor allem auf eine Versöhnung oder Synthese wissenschaftlicher und religiöser Auffassungen abzielen. Der hoffnungstheologische begründete "Co-Creator"-Ansatz, der vor allem von lutherischen Theologen in der englischsprachigen Welt entwickelt wurde, ist hier von besonderer Bedeutung (und zwar nicht nur, weil er eine besondere Aufmerksamkeit der Transhumanisten auf sich gezogen hat). Aus Sicht der Transhumanisten erscheinen zudem all jene christlichen Theologen und Bioethiker als potenzielle Gesprächspartner oder Verbündete, die eine relativ positive Haltung gegenüber umstrittenen Gentechnikanwendungen und -visionen einnehmen. Als Hintergrund der Auseinandersetzung ist zu bedenken, dass das Christentum selbst eine lange Tradition weit reichender Technikvisionen kennt, die bis zu Hoffnungen auf die menschliche Einrichtung einer Art neuen Paradieses reichen. 62 Solche Visionen waren nicht nur − man denke z.B. an Francis Bacon − von zentraler Bedeutung für die oft als umfassender Säkularisierungsprozess verstandene Entwicklung des neuzeitlichen Weltverständnisses, sondern die spezifischen religiösen Ideen sind weiterhin (insbesondere in der angelsächsischen Welt) von nicht unerheblicher Relevanz. 63 Ein sich anbietender Ansatzpunkt für eine Verbindung von Transhumanismus und Religion ist die posthumanistische Idee der "Singularität", die auf den Sciencefictionautor und Mathematiker Vernor Vinge zurückgeht. 64 Der Begriff soll den Zeitpunkt bezeichnen, zu dem die posthumane Zukunft anbricht. Die ohnehin als quasireligiös charakterisierbare Singularitätsidee 65, die auch zur Entwicklung einer bestimmten Strömung innerhalb der transhumanistischen Bewegung geführt hat ("singularitarians"), wird von anderen posthumanistischen Autoren dahingehend mit biblischen Vorstellungen verbunden, dass Gott z.B. als "finale Singularität" bzw. als "Omegapunkt" gesehen wird 66 oder die Evolution als (via Singularität) unaufhaltsam 62 Vgl. z.B.: A. Stöcklein, Leitbilder (1969). Dazu in polemischer Absicht: D. Noble, The Religion of Technology (1999). 64 V. Vinge, Technological Singularity (2003) 65 C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus; J. Schummer, Societal and Ethical Implications (2004); vgl. auch J. Schummer, Nano-Erlösung (2006). 66 F. Tipler, The Physics of Christianity (2007) 63 25 zusteuernd auf ein mit Geist gesättigtes Universum, das zwar nie ganz die Attribute Gottes erlangen, diesen aber immer näher kommen werde. 67 Solche Ideen waren bereits in den 1990er Jahren Gegenstand einer theologischen Debatte, die zu den Visionen des umstrittenen Physikers und Visionärs Frank Tipler geführt wurde. Die Debatte fand auf Basis der langjährigen theologischen Rezeption der evolutionstheoretisch inspirierten Spekulationen des Jesuiten und Naturwissenschaftlers Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) statt. Teilhard hat mit seinen Überlegungen zum Verhältnis von Religion und Evolutionsdenken nicht nur den theologischen Diskurs befruchtet wie auch Visionen zu den Informations- und Kommunikationstechnologien inspiriert. Er taucht überdies regelmäßig in den Ahnenreihen auf, die von transhumanistischen Vordenkern für ihre Bewegung zusammengestellt werden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zum einen Teilhards Zukunftsvision eines geistigen Zusammenwachens der Menschheit in einer so genannten "Noosphäre". Dieses letzte Ziel der Evolution nennt er den "Omegapunkt". 68 Zum anderen hat Teilhard bereits um 1950 von einem "Trans-Humanen" gesprochen, allerdings in einem Sinn, der kaum etwas mit dem Selbstverständnis der heutigen transhumanistischen Bewegung zu tun hat. Teilhard vertrat die Auffassung, dass das "unserem Geist durch das menschliche Phänomen aufgegebene große Rätsel" nicht sei, "wie das Leben der Erde sich hat entzünden können". Das Rätsel lege hingegen darin, "daß man begreift, wie es dort verlöschen könnte, ohne sich irgendwo anders zu verlängern". 69 Da es einmal reflektiert worden sei, könne es nun "nämlich nicht mehr hinnehmen, ganz zu verschwinden, ohne sich selbst zu widersprechen". Um so weniger fühle man sich "folglich bereit, die Idee als unwissenschaftlich zu verwerfen, daß der kritische Punkt der planetaren Reflexion, die Frucht der Sozialisation, weit davon entfernt, ein einfacher Funke in der Nacht zu sein, unserem Übertritt auf eine andere Seite des Universums durch Umkehr oder Entmaterialisierung entspricht: nicht ein Ende des UltraHumanen, sondern sein Zugang zu einem Trans-Humanen im Herzen der Dinge selbst". Ein etwas konkreterer und den Ideen der aktuellen transhumanistischen Bewegung deutlich näherer Begriff des Transhumanen wurde durch den Biologen, ersten UNESCO-Generaldirektor und posthumanistischen Visionär Julian Huxley in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre eingeführt. Es war seine Auffassung, dass sich die menschliche Gattung in ihrer Gesamtheit selbst "transzendieren" kann. Sie würde dabei zwar Menschheit bleiben, aber neue Möglichkeiten 67 R. Kurzweil, The Singularity is Near (2005) Vgl. für eine neuere theologische Erörterung, die Teilhards Ideen Einiges abgewinnen kann: C. Modemann, Omegapunkt (2004). 69 P. Teilhard de Chardin (1966), Vom Prä-Humanen zum Ultra-Humanen, S. 390 68 26 der menschlichen Natur realisieren und sich dereinst von uns Heutigen wie wir von Homo erectus unterscheiden. Den starken Glauben an diese Möglichkeit könne man "Transhumanismus" nennen, und er führe womöglich dazu, dass die Menschheit ihrer kosmischen Aufgabe gerecht wird. 70 Frank Tipler, dessen so genannte "Physik der Unsterblichkeit" das Interesse und überwiegend die Kritik von Theologen auf sich gezogen hat, betont indes, dass er sich für seine eigenen, ebenfalls extrem weit reichenden posthumanistischen Spekulationen lediglich des Wortes "Omegapunkt" von Teilhard bedient habe. Tipler bekundet, dass seine eigene Theorie des Omegapunkts, einschließlich seiner Theorie der Auferstehung, pure Physik sei. 71 In ihr sei nichts Übernatürliches und nirgendwo eine Berufung auf den Glauben. Tatsächlich entstamme seine Theorie dem atheistischen wissenschaftlichen Materialismus und dabei insbesondere dem Essay "The World, the Flesh & the Devil" von Bernal. Tipler stellt sich damit bewusst in die Ideentradition des Posthumanismus, zu der auch einschlägige Texte Julian Huxleys zählen 72. Der so genannte "Auferstehungsmechanismus", der Tipler besonders wichtig ist, sei hingegen Ende der 1980er Jahre u.a. von Hans Moravec, einem wichtigen unmittelbaren Mentor des heutigen Transhumanismus, "entdeckt" worden. 73 Die Schlüsselbegriffe der jüdischchristlichen Tradition 74 seien nun wissenschaftliche Konzepte, und aus der Sicht der Physik, stelle die Theologie nicht anderes dar als eine physikalische Kosmologie, die auf der Annahme beruht, dass das Leben als Ganzes unsterblich sei. Wenn das "Leben" den Omegapunkt erreicht hat, wird in der Vision Tiplers indes der Homo sapiens nicht mehr existieren. 75 Unsere Zivilisation werde aber überleben, obwohl wir als Individuen und als Gattung sterben müssten. Tipler vermutet, dass die nächste Entwicklungsstufe "intelligenten Lebens" informationsverarbeitende Maschinen sein werden. Doch auch der individuelle Tod verliert hier letztendlich seinen Schrecken. In Anlehnung an Moravec 76 sagt Tipler voraus, dass der Omegapunkt "Seine Macht" (Großschreibung im Original., Anm. d. Verf.) nutzen werde, um jedes vergangene Menschenleben perfekt zu simulieren, und eine solche perfekte Simulation sei 70 J. Huxley, New Bottles (1957), S. 17; vgl. dazu auch R. Heil, Trans- und Posthumanismus (2008) F. Tipler, The Physics of Immortality (1995), S. 16 72 Vgl. z.B.: J. Huxley, The future of man (1963). Weitere zentrale Texte des frühen britischen Posthumanismus stammen von J.B.S. Haldane: Daedalus (1925), The Last Judgment (1927) und Biological Possibilities (1963). 73 F. Tipler, The Physics of Immortality (1995), S. 17 74 Zunächst sprach Tipler hier von der "jüdisch-christlich-islamischen Tradition". In jüngster Zeit hat er aber erhebliche Anstrengungen unternommen, die besondere Affinität zwischen einem durch Juden unterstützten oder gar "geführten" Christentum und "der Wissenschaft" zu "beweisen" und dabei sowohl den heutigen Islam als auch historische Häresien (z.B. gnostischer Art) als tendenziell wissenschaftsfeindlich bzw. unwissenschaftlich zu kennzeichnen. Vgl. dazu: F. Tipler, The Physics of Christianity (2007). 75 F. Tipler, The Physics of Immortality (1995), S. 218 76 Dazu: C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus (2006). 71 27 selbst Leben. 77 Somit werde eine Wiederauferstehung der Toten − durchaus im Sinn der Interpretation christlicher Hoffnungen durch den evangelischen Theologen Wolfhart Pannenberg − unvermeidlich im Eschaton stattfinden. Dies sei der physikalische Mechanismus individueller Auferstehung: wir würden in den Computern der fernen Zukunft nachgebildet. Es ist zweifellos gewagt, dass Tipler diese Spekulation mit der christlichen Hoffnung auf Wiederauferstehung der Toten gleichsetzt − ganz zu schweigen von den zumindest untergründig immer vorhandenen christlichen Hoffnungen auf eine Auferstehung des Fleisches −; und auch die Verlegung der individuellen Auferstehung in eine ferne Zukunft erscheint problematisch. So überrascht, dass Pannenberg und eine Reihe anderer Theologen die posthumanistischen Visionen Tiplers einer ernsthaften Prüfung unterzogen haben. 78 Auch dies wird wiederum nur verständlich vor dem Hintergrund der theologischen Rezeption Teilhards. Pannenberg stimmt mit Teilhard insoweit überein, dass auch er eine allgemeine Tendenz der Selbsttranszendenz des Lebens wahrnimmt. Wie sonst nur Paul Tillich habe Teilhard verdeutlicht, dass die Evolution des Lebens durch den Geist gelenkt werde, hin zu einer hoch komplexen Einheit. In dieser Hinsicht wendet Pannenberg gegen Teilhard im Wesentlichen nur ein, dass dessen Konzeption der Selbsttranszendenz des Lebens zu stark auf die autonome Aktivität des Organismus abstelle und daher nicht ausreichend die entscheidende Bedeutung des Geistes für das Leben berücksichtige. Es ist nach Pannenberg die schöpferische Kraft des transzendenten Geistes, der die Selbsttranzendenz der Organismen ermöglicht. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Pannenberg der alten protestantischen, für die Entwicklung der Neuzeit bedeutsamen und im Kontext der Posthumanismusdiskussion viel zitierten Betonung einer prälapsarischen Perfektion Adams (einschließlich seiner Unsterblichkeit) nicht nur die biblische Basis bestreitet, sondern die Gottebenbildlichkeit und Perfektion des Menschen als Teil der eschatologischen Zukunft bestimmt. Nur durch diese zukunftsorientierte Beziehung zu Gott hätten wir in unserer jeweiligen Gegenwart einen festen Grund für moralisches Handeln. Die ferne Zukunft des Universums stellt demnach zugleich das Ziel und die Basis menschlichen Handelns dar. Durch die Realität des Geistes, der 77 Dazu und zum Folgenden: F. Tipler, The Physics of Immortality (1995), S. 219f. Sie konnten zum Zeitpunkt dieser Prüfung noch nicht wissen, dass Tipler mit The Physics of Christianity (2007) die Grenze zur Pseudowissenschaft weit überschreiten würde. In diesem Buch geht es Tipler u.a. darum, zu beweisen, dass das Christentum aus wissenschaftlicher Sicht die einzig wahre Religion ist, und zu zeigen, dass konvertierte oder als Wissenschaftler arbeitende Juden das Christentum respektive die Wissenschaft in die posthumane Zukunft führen werden. Vgl. zum Folgenden z.B.: C.R. Albright, J. Haugen (Hg.), Beginning with the End (1997); W. Pannenberg, Breaking a Taboo (1995); http://home.tiscali.nl/sttdc/cosmology.htm (einschließlich der unten auf dieser Seite verlinkten weiteren Diskussionsbeiträge); F. Birtel, Contributions (1995); H.-D. Mutschler, Frank Tipler's Physical Eschatology (1995). 78 28 eschatologischen Hoffnung und der bereits erfolgten körperlichen Wiederauferstehung Christi hat die Gegenwart bereits teil an dieser Zukunft – und ist nicht bloß (wie im Posthumanismus zumeist) das durch technischen Fortschritt gänzlich zu Überwindende. 79 Pannenbergs Beitrag zur theologischen Debatte über Tiplers Visionen ist im Wesentlichen durch dreierlei gekennzeichnet: Zum einen charakterisiert er dessen Überlegungen zum Omegapunkt und zur Wiederauferstehung als eine Möglichkeit, wie sich das Leben im Universum entwickeln könnte, betont dabei aber, dass der christliche Glaube an die Wiederauferstehung der Toten eine ausreichende Basis bereits durch die Auferstehung Christi habe. Zum anderen verteidigt er Tipler gegen den von Theologen wie Sjoerd Bonting vorgebrachten Vorwurf, seine Vision eines computerbasierten Lebens und einer Auferstehung durch Simulation sei mit christlichen Vorstellungen nicht in Einklang zu bringen und überdies rein immanent angelegt. Die Wiederauferstehung der Toten könne sehr wohl in Form einer Simulation ihres irdischen Lebens erfolgen, insoweit bei einer solchen Simulation die Identität mit der vorherigen Person gesichert würde. Und Tipler stimme mit der christlichen Theologie durchaus darin überein, dass erst im Eschaton die Wirklichkeit Gottes und seiner Schöpfung ganz offenbar werde. Schließlich bekundet Pannenberg mit Freude, dass Tipler seine Theorie christologisch revidiert und die Wiederauferstehung Christi als historische Bedingung für das eschatologische Wirken des Omegapunkts akzeptiert habe. Christliche Theologen sollten ihm daher, trotz einiger problematischer Elemente seiner Theorie, für seinen intellektuellen Mut dankbar sein, den Graben zwischen Physik und christlichem Glauben zu überbrücken, in einer Affirmation der zukünftigen Wiederauferstehung der Toten und des historischen Faktums der Auferstehung Jesu. Bemerkenswert erscheint hier, dass im Kontext der schon lang andauernden TeilhardRezeption und vermittelt durch Tipler eine selbst noch im ersten Bericht der NBIC-Initiative auftauchende posthumanistische Kernvision gleichsam theologische Weihen erhalten hat. Die in Bildern wie "Globales Gehirn" ausgedrückte und z.B. von Bernal in "The World, the Flesh & the Devil" (und in jüngerer Zeit von Moravec) relativ detailliert entworfene Vision eines Zusammenwachsens der Menschheit − mit einer "Transzendenz" des Individuums und letztlich des Kollektivs − wird von Pannenberg und anderen zwar christologisch und eschatologisch (neu) eingebettet, aber in prozessual-historischer Hinsicht durchaus als reale Möglichkeit angesehen. 79 Vgl. auch: M. DeLashmutt, Immanence (2006). 29 Eine größere Nähe zu den konkreteren trans- und posthumanistischen Zukunftsvisionen weisen jene Theologen auf, die den Schwerpunkt ihrer einschlägigen Überlegungen von der Wissenschaft und speziell Evolutionstheorie hin zur Frage der Technik verschieben. Auch bei diesen theologischen Beiträgen zum Posthumanismus stellt man nur in Einzelfällen das Bestreben fest, christliche und posthumanistische Eschatologie zu verschmelzen. Zugleich wird jedoch verschiedentlich die Bereitschaft deutlich, die Transformation der menschlichen Gattung unter posthumanistischen Vorzeichen als reale Möglichkeit anzusehen oder gar als unvermeidlich zu akzeptieren. Überdies finden sich mehrere Versuche, detailliert nachzuweisen, dass zwischen christlichem Glauben und Posthumanismus eine Reihe struktureller Ähnlichkeiten, wenn nicht grundlegender Übereinstimmungen besteht. Etwas salopp formuliert, kann man hier von einer postmodernen Cyborgtheologie und christlichen Cyborgologie sprechen, bei denen − in Anknüpfung an die eher analytischen als affirmativen säkularen Theorien des Trans- und Posthumanen (z.B. in den so genannten "cyborg studies" und "posthumanist studies") − Konzepte wie "Imago Dei" und die eschatologische Tradition christlicher Theologie von der menschlichen Gattung im engeren Sinn abgekoppelt werden. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, neben Referenzen auf Teilhard und Pannenberg, der "Co-Creator"-Ansatz und dabei die Frage der Technik. Der USamerikanische lutherische Theologe Philip Hefner ist der führende Vertreter dieses Ansatzes. 80 Hefner kennzeichnet den Menschen als geschaffenen Mitschöpfer ("Created CoCreator"), der frei handelnd zum Mittel Gottes wird, mit dem dieser die Schöpfung als Ganzes an der Erfüllung seiner Absichten teilhaben lässt. Der Mensch als kreatürliches und kreatives Wesen integriere in sich sowohl die Natur, aus der er hervorgetreten sei, als auch die Technik, die Natur transformiert. 81 Die Technik selbst sei ein Raum des Heiligen, ein Medium göttlichen Wirkens − da es bei ihr um die Freiheit der Einbildungskraft gehe, die wiederum unsere Selbsttranszendenz ermögliche −, und sie sei inzwischen zu einem wichtigsten Orte geworden, an denen Religion stattfindet. Weil die Grenzen zwischen dem Menschen einerseits und der Technik und Natur andererseits vielfach überschritten worden seien, komme nun auch dem Anthropozentrismus eine neue Bedeutung zu. Die "Technonatur" sei Teil der Schöpfung und der Cyborg geschaffen nach dem Bilde Gottes. Hier wie auch sonst geht bei Hefner die Gottebenbildlichkeit des Menschen in dessen Rolle als sich selbst transzendierender Mit80 Vgl. zur theologischen Diskussion seiner Überlegungen und zu deren Relevanz für den Transhumanismus: S. Garner, Transhumanism (2006), S. 174ff. 81 Vgl.dazu und zum Folgenden: ebd. sowie P. Hefner, Technology (2003) und The Created Co-Creator (2004). 30 schöpfer auf. Wir sind seiner Ansicht nach bereits Cyborgs und "Technohumane", und es sei deshalb nicht die Aufgabe der Religion, mit der Technik als etwas Externem umzugehen, sondern sie als zentrales Element der Natur (auch theologisch) zu begreifen. Die Menschheit habe das Mandat, sich selbst zu transzendieren durch die Schaffung von neuen, im herkömmlichen Sinn nicht mehr menschlichen Wesen. Da wir Cyborgs seien, werde die Technik auch zu dem Platz, an dem unsere Beziehung zu Gott sich entfaltet. Die Trennung der Wirklichkeit in Menschen, Natur, Kultur und Technik ist demnach so überholt wie jedwedes essentialistisches Verständnis menschlicher Natur, das den Menschen nicht als Mitschöpfer begreift. Die kosmische Rolle des geschaffenen Mitschöpfers Mensch sei am ehesten im Sinne der Vision Teilhards zu verstehen, in der das Menschliche als der Prozess der Evolution erscheint, die ihrer selbst bewusst wird und dann in Richtung Ganzheit und Liebe voranschreitet. Auch die britische anglikanische Theologin Elaine Graham vertritt in ihrer umfassenden und relativ frühen Studie zum neueren Posthumanismus die Auffassung, dass wir uns bereits als Cyborgs begreifen sollten. 82 Sie knüpft dabei nicht nur (wie Hefner) an säkularen, insbesondere feministischen Studien aus der sozial- und kulturwissenschaftlichen Wissenschafts- und Technikforschung ("science and technology studies") an 83, sondern setzt sich mit diesen Studien systematisch auseinander, um einen Rahmen für ihre materialreiche und kritische Analyse des Post- und Transhumanismus sowie anderer technofuturistisch-visionärer Aspekte der aktuellen Wissenschafts- und Technikentwicklung zu schaffen. Grahams Ansatz ist einerseits typisch für eine relativ weit verbreitete "postmoderne" Kritik am Transhumanismus, in der zwar einerseits das Menschliche und das Technische als untrennbar und auf immer vielfältigere Weise miteinander verbunden angesehen werden, aber andererseits auch das späthumanistische Pathos der Transhumanisten und die technokratischen und anderen "altmodisch modernen" Elemente ihrer Weltanschauung auf Ablehnung stoßen. Andererseits bringt sie aber auch spezifisch theologische Aspekte in diese Diskussion ein. In Anlehnung an Mary Midgley, die sowohl den neuen als auch den frühen Posthumanismus einer sehr kritischen Analyse unterzogen hat 84, charakterisiert Graham die transhumanistischen Visionen als Elemente eines säkularen Narrativs der Erlösung durch Technik und als prägnantesten Ausdruck eines weiterreichenden "technokratischen Futurismus". Der Transhumanismus sei ideengeschichtlich auf den religionskritischen und technophilen Humanismus des 18. und 19. Jahrhunderts und die aufklärerische Konzeption des Subjekts zurückführbar. Er könne jedoch zu einem "kyberneti82 E. Graham, Representations (2002). Der Schlüsseltext, auf den sich auch Hefner bezieht, ist hier: D. Haraway, A Cyborg Manifesto (1991). 84 M. Midgley, Science as Salvation (1992). Vgl. dazu auch: C. Coenen, Utopian Aspects (2007). 83 31 schen Sozialdarwinismus" werden und zudem paradoxerweise zu einer Erosion körperlicher Integrität, individueller Autonomie und personaler Subjektivität, also liberalbürgerlicher Werte, führen. Die posthumanistischen Visionen einer Überwindung menschlicher Leiblichkeit spiegelten weniger eine Begeisterung für menschlichen Erfindungsgeist und humane Gestaltungsmöglichkeiten wider als vielmehr eine Angst vor dem Tod, vor Unreinheit und Kontingenz. Graham stimmt mit Hefner darin überein, dass sich die Menschheit als geschaffene Mitschöpferin begreifen lasse und dass eine Entgegensetzung von Mensch und Technik unangebracht sei. 85 Wenn menschliche Identität in der Gottebenbildlichkeit des Menschen wurzle, dann entziehe sie sich in gewisser Weise jeder Kategorisierung. Wie Gott ein Mysterium sei, so bliebe auch bei der menschlichen Natur ein Element des Unaussprechbaren. Wir müssten uns auch vor unserer human-technischen Hybridität nicht fürchten. Gerade in unserer biologischen Leiblichkeit − die sich durchaus in Richtung einer Verschmelzung mit Technik entwikkeln könne − und in den Grenzen unserer Gestaltungsmacht entfalte sich die Beziehung zu Gott. All dies rechtfertige aber nicht die quasireligiösen Ambitionen der Transhumanisten. Die Imago Dei im Sinne Hefners dürfe nicht dazu genutzt werden, Narrative eines Aufstiegs übermenschlicher Wesen zu allwissenden, allmächtigen und unsterblichen Halbgöttern zu rechtfertigen. Religion sinke in diesen quasireligiösen Visionen, die Graham als "realisierte Eschatologie" charakterisiert, zu einer Flucht vor Kontingenz und Materialität herab. Stattdessen gehe es darum, Technik weder zu reifizieren noch zu deifizieren. Neben Graham und Hefner hat eine Reihe weiterer Theologinnen und Theologien die Implikationen des Cyborgs und des Posthumanismus für die christlichen Glaubensvorstellungen diskutiert. Das Spektrum reicht hier von diversen Auseinandersetzungen mit der Künstlichen Intelligenz und Robotik über einen − an Hefner und den säkularen "cyborg studies" orientierten − Versuch, die Visionen der Transhumanisten für eine zwischen Technophilie und -phobie vermittelnde Konzeption der Imago Dei fruchtbar zu machen 86, bis hin zu vereinzelten Ansätzen einer christlich-transhumanistischen Theologie, bei der z.B. eine technisch bewerkstelligte Gottwerdung des Menschen als moralische Pflicht bestimmt wird. 87 Überdies wurde argumentiert, dass das Ziel einer erheblichen Verlängerung des menschlichen Lebens eine gemeinsame Basis für eine fruchtbare, weniger konfrontative Auseinandersetzung zwischen Christen und Transhumanisten sein könne. 88 85 Vgl. dazu und zum Folgenden: E. Graham, The "End" of the Human (2006a) und In Whose Image? (2006b). S. Garner, Transhumanism (2006) 87 Vgl. dazu die kritische Analyse in: G. Wolbring, The triangle (2007). 88 T. Daly, Life Extension (2005) 86 32 Eine relativ starke Beachtung von transhumanistischer Seite haben die an Hefner orientierten Arbeiten des US-amerikanischen lutherischen Theologen Ted Peters gefunden. Sie enthalten eine für den christlichen Mainstream untypisch positive Bewertung der Visionen eines genetischen "Human Enhancement", aber auch grundsätzliche Einwände gegen die Vorstellung einer kybernetischen Unsterblichkeit. Da Letztere nicht nur als Leitvision der Mehrheit der Posthumanisten gelten kann, sondern auch das Interesse anderer Theologen und Theologinnen auf sich gezogen hat, sollen die diesbezüglichen Überlegungen von Peters im Folgenden beispielhaft skizziert werden. Peters sieht als Gemeinsamkeit von Therapie, "Human Enhancement" und Transhumanismus an, dass alle drei wissenschaftliche Forschung und medizinische Technologie für zielgerichtete Eingriffe in natürliche Prozesse des Menschen nutzen wollen. Das Ziel der ersten beiden sei ein besseres biologisches Funktionieren, das Ziel des Transhumanismus ein besseres kognitives Funktionieren mit oder ohne biologischen Körper. 89 Als Extrem des Transhumanismus interessieren Peters insbesondere die Visionen Tiplers und anderer Posthumanisten, die auf eine Ablösung des menschlichen Geistes als Informationsmuster (und gleichsam Substitut der körperlosen Seele) vom biologischen Körper hoffen. Die viel bescheideneren Visionen neuer Hirn-Computer-Schnittstellen ließen sich hingegen als Therapie oder "Human Enhancement" betrachten. Gegen diese und andere "HumanEnhancement"-Technologien hat Peters nichts einzuwenden, insofern sie nicht dazu genutzt werden, übermenschliche Wesen zu erschaffen, die von ihren Vorteilen auf ungerechte Weise profitieren. Der Einsatz von "Human-Enhancement"-Technologien für individuelles Wohlergehen und Gedeihen (z.B. zur Verbesserung der Stimmung und des Gedächtnisses) sei aber zu befürworten. Der Transhumanismus verwechsle eine wahrhafte Verbesserung menschlichen Wohlergehens mit einer völligen Transformation, deren Erwartung auf unbegründeten Annahmen zur menschlichen Person und Intelligenz beruhten. So sei unsere Identität biographisch begründet, etwas im Verlauf der Zeit Erworbenes, zu dem auch gleichsam in unsere Glieder eingeschriebene Narben zählten. Die Theologie habe in den letzten Jahrzehnten den positiven biblischen Wert des menschlichen Körpers und mit ihm der physischen Natur wieder geborgen. Und sie habe die religionsphilosophischen Erörterungen des Geist-KörperProblems verinnerlicht. Das Ergebnis dieser Prozesse sei eine christliche Anthropologie, die unsere physische Natur in ihrer Beziehung zu Gott feiere. Zudem hätten die christliche Religion und Theologie von Anbeginn an, ob sie einen Substanzdualismus annahmen oder nicht, immer eine eschatologische Auferstehung auch des Körpers erwartet. In dieser fundamentalen 89 Vgl. dazu und zum Folgenden: T. Peters, The Soul (2005), Perfect Humans (2006) und Anticipating Omega (2007). 33 christlichen Vision erinnere nichts an die kybernetische Unsterblichkeit der Transhumanisten. So wie es sich zumindest derzeit darstelle, sei Therapie ein unumstrittener göttlicher Auftrag, der Transhumanismus unrealistisch und "Human Enhancement" ein Bereich für die ethische Beobachtung und Reflektion, in dem fallweise zu entscheiden sei. Beim Vergleich der Positionen von Peters und Graham zeigt sich, dass beide durch eine bestimmte begriffliche Strategie zugleich Nähe und Distanz zum Posthumanismus herstellen. Bei Graham dient der Begriff des Posthumanen (oder des Cyborgs) dazu, Konzepte einer fixen, sauber von der Technik zu trennenden menschlichen Natur zu kritisieren, während der Begriff des Transhumanismus eingesetzt wird, um eine − auch aufgrund ihrer "HumanEnhancement"-Visionen − als politisch gefährlich und − vor allem wegen ihrer leibfeindlichen Eschatologie − als theologisch höchst fragwürdig eingeschätzte Bewegung zu bezeichnen. Bei Peters wird der Begriff Transhumanismus als Synonym der Vision kybernetischer Unsterblichkeit gebraucht. Diese Vision wird ebenfalls als theologisch fragwürdig eingeschätzt. Sie dient ihm aber zugleich dazu, Visionen zu neuen Neurotechnologien als vergleichsweise moderat erscheinen zu lassen und in einem aus christlicher Sicht keinesfalls prinzipiell abzulehnenden Bereich des "Human Enhancement" zu verorten. Auch der US-amerikanische protestantische Theologe Ronald Cole-Turner sieht im Transhumanismus eine technologische Eschatologie. 90 Der Transhumanismus habe den alten Traum einer Transzendenz der biologischen Begrenzungen des Menschen in eine konkrete Strategie mit einer gewissen Chance auf technologische Umsetzung verwandelt. Nach Ansicht ColeTurners hat mit der Veröffentlichung des ersten Workshopberichts der NBIC-Initiative und anderen Entwicklungen zu Beginn dieses Jahrzehnts eine neue Ära in der globalen Bioethik begonnen. Diese neue Ära zeichne sich aus durch einen Fokus auf multiplen Technologien zur Modifikation des Menschen und deren Konvergenz, durch eine weit reichende offensive Befürwortung von "Human Enhancement" sowie durch die Etablierung einer Debatte über die Perspektive einer posthumanen Zukunft. Religiöse Gelehrte oder Führer hätten auf die Herausforderung "durch NBIC" bisher nicht reagiert, die einzige bemerkenswerte Ausnahme sei ein in einer transhumanistischen Zeitschrift erschienener Schwerpunkt zum Verhältnis von Religion und Transhumanismus. 91 In seiner Auseinandersetzung mit den posthumanistischen Visionen zu den NBIC-Technologien konzentriert sich Cole-Turner auf die Themen des transhumanistischen Kampfes gegen das Altern und den Tod. Er kritisiert dabei sowohl das 90 91 R. Cole-Turner (2006): More than Human (2006) Die letzte Aussage ist unhaltbar, wie in dem vorliegenden Beitrag gezeigt wird. 34 theologische Argument, dass der Mensch nicht "Gott spielen" dürfe, als auch den von Hefner und anderen entwickelten "Co-Creator"-Ansatz. Weiterhin wendet sich Cole-Turner gegen ein statisches Konzept "menschlicher Natur", weist aber den Begriff der menschlichen Natur nicht gänzlich zurück, sondern plädiert für eine "dynamische theologische Anthropologie". Dass Cole-Turner von dem führenden Transhumanisten James Hughes als ein attraktiver Partner für den christlich-transhumanistischen Dialog angesehen wird, dürfte nicht nur an dem Umstand liegen, dass er wie Ted Peters ein Verteidiger weit reichender Anwendungen der Humangentechnik ist, sondern auch darin begründet sein, dass Cole-Turner eine zumindest oberflächlich starke Ähnlichkeit zwischen Transhumanismus und protestantischem Christentum sieht. Auch die christliche Religion habe ihre eigenen transhumanen Visionen eines menschlichen Lebens in ewigen und transzendenten Sphären der Liebe, des Lichts und der Wahrheit. Beide versprächen ein überreiches und gesteigertes ("enhanced") Leben. Allerdings gehe das Christentum davon aus, dass die Menschen zunächst als unsterblich geschaffen wurden. Der Tod habe sich in dieses "original design" hineingedrängt, er sei kein wesentlicher Teil der Schöpfung, sondern deren Zerstörung und daher ein zu überwindender Feind. Ein Hauptunterschied zwischen christlicher Religion und Transhumanismus zeigt sich nach Ansicht Cole-Turners bei der Frage, wer diesen Feind mit welchen Mitteln überwinden wird. Hier stelle sich die Frage der Technik: Sie werde zwar von den allermeisten Theologen positiv bewertet. Kritisiert würde aber oft die übermäßige Anpreisung moderner Technik, vor allem mit Blick auf deren Risiken und hinsichtlich der "tieferen" Gefahr, dass wir wegen unserer Technikbegeisterung den Sinn für unsere Abhängigkeit von Gott verlieren könnten. Der Vorschlag, Technologie als Mitschöpfung zu begreifen, sei nur von wenigen Theologen zustimmend aufgegriffen worden. Das Problem der "Co-Creator"-Theologie sei, dass mit dem Begriff der Mitschöpfung der Eindruck einer Gleichheit von Gott und Mensch erweckt werde. Auch Hefners einschränkende Kennzeichnung des Menschen als geschaffener Mitschöpfer ("Created Co-creator") beseitige die grundlegenden Probleme des Ansatzes nicht. Mit ihm werde eine unkritische Haltung zur Technik eingenommen, u.a. in Bezug auf problematische Technikfolgen sowie auf die Motive und Weisheit der Wissenschaftler, Ingenieure, Investoren und Nutzer von Technik. Vor allem aber verkürze der "Co-Creator"-Ansatz das "theologische Versprechen der Technik", indem es diese auf die Rolle einer Maschine der Schöpfung reduziere und dabei deren Potenzial ausblende, zu einem Instrument der Erlösung und der Transformation der Schöpfung zu werden. Die christliche Bioethik müsse vor diesem Hintergrund ihren fast ausschließlichen Fokus auf Fragen der Schöpfung ausweiten auf eschatologische 35 Aspekte. Der Transhumanismus stelle die Fragen des Todes, des ewigen Lebens und des letzten Ziels menschlicher Transformation. Konfrontiert mit der transhumanistischen Eschatologie müsse die christliche Theologie nach Antworten auf Basis ihrer eigenen Eschatologie suchen. Cole-Turner reduziert indes die Unterschiede zwischen Transhumanismus und Religion im Wesentlichen auf die christliche Sorge, dass ein zu großes Vertrauen in die Technik die menschliche Beziehung zu Gott negativ beinträchtigen könnte. In der Bibel sieht er von der Schöpfung Adams als unsterbliches Wesen 92 über das "biblische Alter" Methusalems bis hin zu den Wiederauferstehungshoffnungen hauptsächlich mögliche Ansatzpunkte für eine Versöhnung transhumanistischer und christlicher Zukunftserwartungen. Die Parallelen gehen nach Ansicht Cole-Turners so weit, dass Transhumanisten und Christen bei der Frage nach dem posthumanen Körper auf sehr ähnliche Weise in zwei Lager geschieden seien: Während sich einige Theologen und Transhumanisten den zukünftigen Körper des Menschen als eine Modifikation des biologischen Menschenkörpers vorstellten, richteten andere Theologen und Transhumanisten ihre Erwartungen auf eine endlose Existenz in einem nichtbiologischen Substrat (wie in der Vision einer Digitalisierung persönlicher Identität und der Möglichkeit ihres Transfers in verschiedene Körper, also der kybernetischen Immortalität). Und nur auf den ersten Blick erscheine es als wichtiger Unterschied zwischen Transhumanismus und Christentum, dass die Transhumanisten auf eine Überwindung des Todes mit technischen Mitteln setzen, während Christen auf das Handeln Gottes hofften. Gott und Technik sind seiner Ansicht nach nicht als Rivalen zu betrachten, sondern Letztere lediglich als eine Erweiterung göttlicher schöpferischer Kräfte. Wenn wir diesen Gedanken ernst nähmen, verblasse der Unterschied zwischen transhumanistischen und christlichen Hoffnungen. Gott werde demnach die Technik dazu nutzen können, ewiges Leben zu schenken und vielleicht auch die Toten aufzuerwecken. Auch Cole-Turners Vorschläge für die nähere Zukunft laufen darauf hinaus, Gott und Technik nicht als Rivalen zu begreifen, sondern Letztere als potenzielles Instrument Gottes. Auch eine deutliche Verlängerung menschlichen Lebens sei aus christlicher Sicht nicht sinnvoll abzulehnen. Ohnehin sei die Technikentwicklung seit längerem außer Kontrolle, und die eigentliche Herausforderung für Christen bestehe nun darin, die kommende Technokultur mit religiöser Bedeutung zu füllen. Neue Rituale seien für die in Zukunft zu modifizierenden Menschen 92 Dies ist eine umstrittene Interpretation. 36 zu entwickeln. Die Anwendung künftiger "Human-Enhancement"-Technologien ließe sich dann mit für diese Anlässe neu geschaffenen religiösen Feiern begleiten. 93 Konfrontationen zwischen Christen und Posthumanisten Die erfolgte Skizze von Ansätzen für eine christlich-posthumanistische Verständigung oder gar Synthese sollte nicht dazu führen, dass das Ausmaß tiefer Skepsis innerhalb des katholischen und auch des protestantischen Mainstreams gegenüber den posthumanistischen Technikvisionen aus dem Blickfeld gerät. So wurde in einem Dokument des Vatikans aus dem Jahr 2002 beispielsweise der Sorge Ausdruck verliehen, dass die Idee des menschlichen Mitschöpfertums dazu missbraucht werden könnte, ein genetisches "Human Enhancement" zu rechtfertigen. 94 Noch deutlicher tritt die Ablehnung des Posthumanismus in verschiedenen Versuchen zur Skandalisierung der transhumanistischen Bewegung wie auch der NBIC-Initiative zutage, die seitens christlicher Laien und Theologen vor allem in den USA erfolgten. Als Hintergrund der dortigen Situation sind die Aktivitäten des Bioethikrates des US-Präsidenten (President's Council on Bioethics, PCB) zu beachten, dessen Einrichtung im Jahr 2001 weithin als Dank George W. Bushs an die für ihn wichtigen christlich-fundamentalistischen Wählerschichten eingeschätzt wurde. Zum Teil mit direkter Unterstützung Bushs wurden seitens des PCB bestimmte Biotechnologien und verschiedene "Human-Enhancement"-Technologien und Visionen (einschließlich, en passant, der Visionen der NBIC-Initiative) mit der von dem Schriftsteller Aldous Huxley beschriebenen inhumanen Schönen Neuen Welt assoziiert. 95 Auch wenn der Rat, der in der ersten Hälfe des Jahrzehnts unter dem Vorsitz des konservativen und gläubigen jüdischen Bioethikers Leon Kass stand, in seinen umfangreichen offiziellen Dokumenten zum Thema "Human Enhancement" theologische Argumente und religiöse Fragen fast völlig ausgeklammert hat, stehen die Ideen des PCB und aus seinem Umfeld bis heute mit im Zentrum der religiös-konservativen Posthumanismus- und "HumanEnhancement"-Kritik. Die Stoßrichtung der Kritik am Posthumanismus in den offiziellen Dokumenten des Rates wird in einer Passage deutlich, in der auch die einmalige Erwähnung der NBIC-Initiative erfolgt. In dieser spricht sich der PCB gegen eine übertriebene und gefährliche Technikbegeisterung aus. Eine solche könne zunächst unmerklich, aber dann unaufhaltsam zu einer "Schönen Neuen Welt" führen, in der durch den Einsatz von "Genetic Enginee- 93 Cole-Turner bezieht diese Idee aus: J. Garreau, Radical Evolution (2005). International Theological Commission, Communion and Stewardship (2002) 95 Vgl. dazu und zum Folgenden: C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus (2006); TAB, Konvergierende Technologien (2008). 94 37 ring", Nanotechnologien und psychotropen Drogen nur scheinbar eine Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen erfolgen würde, tatsächlich aber eine Dehumanisierung. In eigenen Publikationen von Mitgliedern und Mitarbeitern 96 des Rates wird der Post- und Transhumanismus scharf kritisiert. Am bekanntesten sind die Veröffentlichungen des renommierten Politikwissenschaftlers und Ratsmitglieds Francis Fukuyama, der den Posthumanismus vor allem als Gefahr für die Grundlagen der westlichen Demokratie und den Transhumanismus als potenziell gefährlichste Idee des 21. Jahrhunderts gegeißelt hat. 97 Stärker im Einklang mit den sich häufig auf die Arbeiten des PCB beziehenden christlichen Kritikern des Posthumanismus ist hingegen die Kennzeichnung des Transhumanismus als gefährliche utopische Weltanschauung, der es um eine technisch modernisierte Konzeption des utopischen Neuen Menschen gehe. 98 Der ehemalige Ratsvorsitzende Kass hat in seinen eigenen Publikationen nicht durch das Bild einer Schönen Neuen Welt vielfach genutzt, sondern auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Utopie- und Technikkritik seines Lehrers Hans Jonas und eine Rückbesinnung auf die Ideen des christlichen Schriftstellers C.S. (Clive Staples) Lewis (1898-1963) zur drohenden "Abschaffung des Menschen" eingefordert. 99 Kass betont in diesem Zusammenhang, dass die völlige Entwertung all dessen, was das Menschsein ausmache (z.B. Natalität, Sterblichkeit, Liebe und Anstrengung), und der Verlust der Geheimnisse des Lebens wohl nur durch eine religiöse Wiedererweckung abzuwenden seien. Die christlichen Kritiker des Post- und Transhumanismus haben viele Impulse des PCB aufgenommen oder zählen selbst zu dessen Umfeld. Ein wichtiges Forum konservativer USBioethiker, in der auch die Konvergenzthematik, ethische und gesellschaftliche Aspekte der Nanotechnologie sowie der aktuelle und historische Posthumanismus kritisch diskutiert wurden, ist die Zeitschrift New Atlantis. 100 Verschiedene "Think Tanks" mit einer religiöskonservativen bio- und technikethischen Ausrichtung haben den Transhumanismus als (wohl auch nützlichen) Gegner für sich entdeckt, was sich vereinzelt in der politisch-ethischen Debatte speziell zu "Converging Technologies" niedergeschlagen hat. Neben den erwähnten antiutopischen Argumentationen, die auch in Europa vereinzelt anzutreffen sind 101, sind jenseits wie diesseits des Atlantiks zudem Kritiken festzustellen, die in Anknüpfung an religiöse Kri96 Vgl. z.B.: Y. Levin, Science (2003). Vgl. z.B.: F. Fukuyama, Our Posthuman Future (2003) 98 Vgl. z.B.: B. Mitchell, J. Kilner, Remaking Humans (2003). 99 L. Kass, Life (2002). 100 http://www.thenewatlantis.com. Vgl. für eine dort erschienene christliche Polemik gegen den Transhumanismus z.B.: D. Hart, The Anti-Theology of the Body (2005). 101 Vgl. z.B.: S. Arnaldi, Converging technologies (2005). 97 38 tiken der Moderne, den Transhumanismus als kryptognostisch oder anderweitig kryptohäretisch charakterisieren. Wie verschiedene säkulare Kritiker des Posthumanismus weisen diese christlichen Stimmen insbesondere auf Ähnlichkeiten der posthumanistischen Visionen einer Überwindung menschlicher Körperlichkeit und Erdgebundenheit 102 mit den leibfeindlichen Ideen der Gnostiker 103 und anderer antiker Denker hin. In ihrem Kern zeigten diese Visionen einen tief sitzenden Hass gegen das Natürliche, den menschlichen Körper und die Beschränkung menschlicher Existenz auf die Erde. 104 In dieser und ähnlichen christlichen Kritiken werden die weit reichenden Konvergenzvisionen und der Transhumanismus als extreme Beispiele für das Streben nach menschlicher Selbstvervollkommnung und -vergottung gedeutet, zum Teil auch in der offensichtlichen Absicht, die wissenschaftlich-technische und kulturelle Moderne insgesamt als Verirrung zu kennzeichnen. 105 Das gnostische Bild des Körpers als Kerker widerspricht demnach der christlichen Hochschätzung des fragilen sterblichen menschlichen Körpers, und der posthumane Körper ist eine Art Götze. Berührungspunkte mit einigen säkularen Kritikern posthumanistischer Visionen bestehen in den häufigen Hinweisen auf eine mögliche Reduktion des Menschen auf "Rohmaterial" und auf die Gefahr der Entstehung einer verantwortungslosen und demokratisch nicht mehr kontrollierbaren Elite. Man wendet sich von christlicher Seite in diesem Zusammenhang überdies oft gegen menschliche Hybris, was eine Einschätzung der posthumanistischen Visionen ist, die auch von einigen säkularen Kritikern geteilt wird. 106 Eine weitere Kritik am Transhumanismus ist, dass er den postmodernen Werterelativismus, die Gleichsetzung von Mensch und Maschine, utopische Perfektibilitätsvorstellungen und die Überbetonung individueller Freiheit auf die Spitze treibe. So sind z.B. aus der Sicht eines frühen und relativ viel zitierten US-amerikanischen christlichen Kritikers die dem Trans- und Posthumanismus zugrunde liegenden Ideale identisch mit denen der Aufklärung und lediglich angereichert mit einer kräftigen "Dosis postmodernen Relativismus". 107 In dieser Hinsicht differenzierter ist eine Kritik am Posthumanismus, die bei diesem keine postmoderne Abneigung gegen Konzepte einer fixen menschlichen Natur feststellt, sondern lediglich beklagt, dass durch den Werterelativismus und die Traditionen dekonstruierende 102 Vgl. für ein typisches, auf einer langen posthumanistischen Ideentradition beruhendes Beispiel den folgenden Aufsatz eines führenden Promotors der "Converging Technologies": W.S. Bainbridge, Progress Toward Cyberimmortality (2004). 103 Kritisch zu diesem Vergleich: J. Hughes, The Compatibility (2007); O. Krüger, Virtualität (2004). Vgl. zur Stützung der These: C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus (2006). 104 C. Beiting, C.S. Lewis' Answer (2006); D. Pauls, Transhumanism (o.J.) 105 So z.B.: C. Hook, Transhumanism (2004b). 106 So z.B.: L. Winner, Resistance is Futile (2005). 107 C. Hook, Transhumanism (2004b) 39 Ausrichtung der Postmoderne das Geschäft der Trans- und Posthumanisten erleichtert werde. Diese Auffassung findet sich sowohl in den Diskussionen unter nichtreligiösen Technikphilosophen und -soziologen 108 als auch in innertheologischen Kontroversen. So wendet sich der evangelische Theologe Brent Waters in einem Buch zum Posthumanismus vor allem auch gegen eine postmoderne christliche Theologie und insbesondere gegen deren angeblichen Ideenmangel in Bezug auf eschatologische und christologische Fragen. 109 Waters unterscheidet sich von vielen anderen christlichen Posthumanismuskritikern darin, dass er den aufklärerischen Fortschrittsbegriff gegen den des Posthumanismus abgrenzt, da Letzterem der soziale, moralische und politische Fortschritt gar nicht mehr zum Thema werde. Er betont zudem, dass es der Moderne (in ursprünglicher Anknüpfung an die Idee der Wiederherstellung prälapsarischer menschlicher Perfektion) vor allem darum gegangen sei, die Menschen besser zu machen und nicht etwa Kreaturen herzustellen, die besser als Menschen sind. Der Transhumanismus verdränge moderne fortschrittliche Werte nicht, sondern habe sie sich subsumiert und dann radikal reinterpretiert, vor allem durch die Hereinnahme mythischer Bilder und religiöser Themen. Die Kritik am Posthumanismus dürfe gerade deshalb nicht, wie es der Bioethikrat des US-Präsidenten weitgehend tat, unter Verzicht auf religiöse Argumente erfolgen. Vielmehr müssten die impliziten religiösen Überzeugungen der Posthumanisten dargelegt und als solche diskutiert werden. Gegen die postmoderne Theologie der Vertreter des "CoCreator"-Ansatzes und anderer von Teilhard beeinflusster Denker betont Waters, dass es unsere Aufgabe sei, die Schöpfung für ihre Perfektion durch Christus vorzubereiten und nicht etwa, sie um Christi Willen selbst zu perfektionieren. Die Grenze der aus christlicher Sicht wünschenswerten menschlichen Transformation der Schöpfung sei unser eigenes Wesen als endliche und begrenzte, aber gottebenbildliche Kreaturen. Als solche wolle uns Gott erlösen und perfekt machen, aber nicht negieren. Hier müsse ein christlicher Gegendiskurs zum Posthumanismus ansetzen, in dem die christliche Anthropologie wieder aufs engste mit der christlichen Eschatologie zu verbinden sei. Eine durch Reduktion auf alternative Zukunftsvisionen bedeutungslos gewordene Eschatologie à la Teilhard nutze die Naturwissenschaften gleichsam als ein Skalpell, um die Inkarnation, die Vorhersehung und die Eschatologie als zentrale Glaubenslehren zu beseitigen. Die Theologie brauche aber im Gegensatz zu den Naturwissenschaften teleologische Prinzipien. Und die Zustimmung zu den Grenzen unerlöster menschlicher Existenz gehe in einer wohlverstandenen Christologie immer auch einher mit eschatologischer Hoffnung. Auf die Mitschöpferrolle des Menschen besonders abstellende und andere 108 So z.B.: L. Winner, Resistance is Futile (2005). Vgl. dazu und zum Folgenden: B. Waters, From Human to Posthuman (2006), insbesondere: S. 12ff., 49ff., 66f., 121, 124ff., 138 und 143. 109 40 postmoderne Theologen, denen es offenbar nach Ansicht von Waters an einer solchen Hoffnung mangelt, operierten hingegen ausschließlich mit verständigen Abwägungen, um ein Überleben der Menschheit zu sichern, und legten überdies zuviel Gewicht auf den Wert menschlicher Kreativität. Obwohl es ihnen vor allem um ökologische Fragen gehe, öffneten sie damit das Tor für eine posthumanistische Lösung der Menschheitsprobleme. Bei dieser werde jedoch das Problem endlicher und begrenzter Notwendigkeit nicht überwunden, sondern bloß geleugnet in Form einer auf Hybris basierenden Selbsttäuschung. Die virtuelle Unsterblichkeit der Posthumanisten (als fleischlose Information) sei keine Ewigkeit, sondern eine endlose Zeitlichkeit. 110 Obwohl diese und andere Visionen womöglich für immer unrealisierbar bleiben würden, stelle der Posthumanismus eine Gefahr dar, die so bedrohlich sei, dass schon heute jedwede Form des "Human Enhancement" (z.B. auch in der so genannten regenerativen Medizin) verboten werden sollte. Waters nennt indes auch zwei Gründe, warum christliche Theologie nicht notwendig gegen die Aussicht einer posthumanistischen Transformation sein müsse 111: Zum einen gebe es in der christlichen Tradition keine von Gott unabhängige Menschenwürde, die als Konzept der säkularen Kritik am Posthumanismus oft zugrunde liege. Zum anderen teilten Posthumanisten und Christen mehrere Interessen und Sorgen. Beide hielten die Conditio Humana in ihrem derzeitigen Zustand für alles andere als ideal, seien dafür, die Menschen aus der Misere zu befreien und sähen den Tod als den letzten Feind an. Während jedoch der Posthumanismus durch seine paradoxe Verbindung von Materialismus und platonischem Dualismus (mit dem Geist an der Stelle der Seele) den Körper letztlich als Behinderung empfinde und mit den Grenzen des Menschseins auch die Hoffnung auf Erlösung zerstören würde, sollten Christen auf eine Auferstehung des Körpers und nicht auf eine Unsterblichkeit der Seele hoffen. 112 Denn erstere sei die Vollendung der Schöpfung, letztere hingegen deren Negation. Die Vermeidung des Todes, heißt es in einer anderen theologischen Posthumanismuskritik, sei aus christlicher Sicht gleichbedeutend mit einer Vermeidung der Erlösung. 113 In einer solchen Sicht unterscheidet sich die "kybernetische Unsterblichkeit" vor allem aufgrund der folgenden Eigenarten von der christlichen Wiederauferstehung 114: Die Visionen von Hans Moravec und anderen Posthumanisten basieren demnach auf einem dualistischen, Materialismus und eine Geringschätzung des Leibes kombinierenden Verständnis der menschlichen Person, auf einer Konzeption der Ewigkeit als einer langen Zeit 110 Es sei erwähnt, dass dies (in anderen Worten) von einigen Transhumanisten, die sowieso überwiegend utilitaristisch argumentieren, zugestanden wird. Vgl. z.B. J. Hughes, The Compatibility (2007). 111 Vgl. dazu und zum Folgenden auch: B. Waters, Saving Us (2006b), S. 190ff. 112 So auch C. Deane-Drummond in Future Perfect? (2006), die überdies auch stark die Gefahren betont, die sich aus der Sündhaftigkeit des Menschen mit Blick auf neue Technologien des "Human Enhancement" ergäben. 113 M. DeLashmutt, Immanence (2006) 114 N. Herzfeld, Cybernetic Immortality (2002) 41 und auf einem Hybris gleichkommenden Glauben an die Macht des Menschen. Dagegen sei, z.B. im Sinne der christlichen Anthropologie Reinhold Niebuhrs, daran zu erinnern, dass die Nichtakzeptanz der Begrenzungen menschlicher Existenz zur Sünde des Stolzes führe. Wir können uns aus unserem Dasein als sterbliche und in ihrer Macht begrenzte kreatürliche Wesen nicht selbst und in der Geschichte befreien, sondern nur durch Gott die Begrenztheit der Welt transzendieren, vermittels Tod und Auferstehung und jenseits von Zeit und Raum, also in der Ewigkeit. Das Streben nach Sicherheiten und Erlösungen im Leben und in der Geschichte, die notwendig falsch blieben, sei götzendienerisch. Die Sichtung einschlägiger Literatur ergibt mithin, dass der Posthumanismus von christlicher Seite überwiegend als eine szientistisch-technizistische Eschatologie kritisiert oder sogar scharf verurteilt wird, als eine Weltanschauung, die im Gegensatz zu zentralen Werten und Zukunftshoffnungen des Christentums steht. Auch wenn viele christliche Kritiker der Auffassung sind, dass zumindest die extremen posthumanistischen Visionen auf einer nicht mehrheitsfähigen Extrapolation naturwissenschaftlicher Erkenntnisse beruhen, wird der Posthumanismus vielfach als reale Bedrohung angesehen. Zugleich trugen anscheinend die von Waters und anderen Christen konstatierten Ähnlichkeiten und Konkurrenzen zwischen christlicher Religion und Posthumanismus dazu bei, dass Theologen und Religionswissenschaftler relativ frühzeitig und umfassend auf die Brisanz dieser Weltanschauung aufmerksam gemacht haben. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die trans- und posthumanistischen Strömungen als "Teil einer komplexen europäischen Religionsgeschichte" zu verstehen seien, "die bereits seit mehr als zwei Jahrtausenden in teils konfligierenden, teils synthetisierenden Konstellationen von einer Vielzahl unterschiedlicher Religionen bestimmt wurde, in den letzten Jahrzehnten jedoch einen neuerlichen Diversifizierungsschub erlebt hat." 115 Für die christlichen Großkirchen entwickele sich derzeit wieder eine Konkurrenz, die weit verbreitete Zukunftsträume (wie den einer technisch zu realisierenden Unsterblichkeit) aufgreife und daher "mitunter auch eine erstaunliche Öffentlichkeitswirkung" erreiche. Wenn diese Diagnose zutrifft – und zumindest ein hoher Bekanntheitsgrad posthumanistischer Visionen ist durch die Popularität der Sciencefiction zu vermuten –, dann stellt die Debatte speziell über "Converging Technologies" nur einen besonderen Fall dar, nämlich die Manifestation einer breiteren technofuturistischen und -eschatologischen Strömung im politisch-ethischen Diskurs. 116 115 116 Vgl. dazu und zum Folgenden: G. Ahn, Homo Religiosus (2001). Vgl. dazu auch: TAB, Konvergierende Technologien (2008). 42 Christliche Akteure in der politisch-ethischen Debatte über Konvergenz Bisher sind christliche Stimmen in der politisch-ethischen Debatte über "Converging Technologies" eher selten zu vernehmen, und theologische Aspekte spielen ganz überwiegend nur am Rande, untergründig oder oberflächlich eine Rolle. So stößt man zwar auf diverse Randbemerkungen zu religiösen Themen oder Anspielungen auf die biblische Tradition, beispielsweise bei der Sorge, dass der Mensch mit den konvergierenden Technologien "Gott spielen" könne, in der Verwendung von religiösen Begriffen – z.B. in den so genannten "Himmel"und "Hölle"-Szenarien (zu wissenschaftlich-technischen Zukunftsentwicklungen), die im Anschluss an eine einflussreiche journalistische Publikation 117 auch in der politischen Diskussion über "Converging Technologies" diskutiert wurden 118 – sowie im Zusammenhang mit der Kritik an quasireligiösen Zügen der amerikanischen NBIC-Initiative und des Transhumanismus. Auf eine Auseinandersetzung mit theologischen Implikationen oder ausführlichere Bezüge auf die religiösen Bilder wird jedoch weitgehend verzichtet. Umso mehr Interesse verdienen die wenigen Beiträge zur politisch-ethischen Konvergenzdebatte, in denen christliche Positionen eingenommen oder theologische Aspekte substanziell behandelt werden. Im Folgenden wird daher zunächst auf die Auffassungen eines schottischen Theologen und Technologieexperten eingegangen, der auf vielen Konferenzen und in zahlreichen Publikationen zu "Converging Technologies" und visionären Aspekten der Nanokonvergenz gleichsam als Stimme "der Kirche" fungierte. Des Weiteren ist eine Publikation des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) zu den "Converging Technologies" relevant 119, die unter Beteiligung der ökologiebewegten und globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation ETC Group und eines in Kanada lebenden deutschen Naturwissenschaftlers und Ethikers verfasst wurde. Dieser hat im Auftrag des ÖRK auch eine bemerkenswerte, umfassende Analyse zu Aspekten der "Human-Enhancement"-Thematik und des Transhumanismus vorgelegt 120, die seines Erachtens aus kirchlicher Sicht verstärkt Beachtung verdienten. Auch auf diese wird kurz einzugehen sein. Ergänzend werden die Diskussionsbeiträge eines in den USA lebenden britischen Ethikers und Politikberaters 121 charakterisiert, der zwar in der Konvergenzdebatte (ähnlich wie der ihm im eng verbundene Bioethikrat des US-Präsidenten in seiner Arbeit) explizite Bezüge auf die christliche Tradition vermieden hat, aber ansonsten als 117 J. Garreau, Radical Evolution (2005) STOA, Converging Technologies (2006) 119 WCC/WACC, Transforming Life (2006) 120 G. Wolbring, The triangle (2007). Vgl. dazu auch: Ders., Neue Technologien (2006). 121 Vgl. dazu z.B.: N. Cameron, Nanotechnology (2006) sowie EGE, Ethical Aspects (2006), S. 29ff. 118 43 christlicher Kritiker des Post- und Transhumanismus agiert. Er hat zu den Konvergenzvisionen und dem Thema Transhumanismus auch eng mit einem US-amerikanischen Bioethiker und Mediziner zusammengearbeitet, auf dessen pointierte und sehr scharfe Kritik am Posthumanismus 122 im Folgenden ebenfalls gesondert eingegangen wird. Christliche Positionen wurden bisher wohl am sichtbarsten durch den schottischen Naturwissenschaftler, Theologen und Technologieexperten Donald Bruce in die Debatte über konvergierende Technologien eingebracht. Als langjähriger Leiter eines ökumenischen, von mehreren schottischen Kirchen getragenen Projekts zum Verhältnis von Wissenschaft, Gesellschaft und Religion 123 − bei dem es vor allem auch darum ging, von christlicher Seite aus in Forschungspolitik, Wissenschaft und Technik hineinzuwirken − gehört Bruce zu den profilierten Teilnehmern an den Debatten über konvergierende Technologien, Nanotechnologie und "Human Enhancement". Neben einigen der oben bereits erwähnten Einwände gegen das visionäre Programm der NBIC-Initiative (z.B. die Kritik an den stark spekulativen Zügen und an der häufigen Nutzung des "konstativen Futurs") zeichnet sich seine Auseinandersetzung mit der Thematik 124 unter anderem durch folgende, für viele christliche Argumentationen typische Aspekte aus: Erstens charakterisiert er die extremen Visionen und die häufige Nutzung des konstativen Futurs durch die NBIC-Initiative (sowie auch durch europäische Akteure) als "nahezu religiös". Deren Annahmen über die Zukunft ähnelten Glaubensartikeln. Solche Kennzeichnungen des technikvisionären Posthumanismus als quasireligiös findet man zwar auch jenseits der christlichen Kritik 125, in dieser sind sie aber sehr häufig. Zweitens betont Bruce, dass es darauf ankomme − selbst oder gerade wenn es sich um extrem visionäre Perspektiven handelt −, von einer großen Bedeutung konkurrierender Welt- und Menschenbilder für die politisch-gesellschaftliche Gestaltung von Wissenschaft und Technik auszugehen. Drittens weist er auf die Relevanz des "transhumanistischen Dogmas" eines Vorantreibens menschlicher Evolution in aktuellen Technikkontroversen hin. Viertens verbindet er den Einwand, dass von sozialen Anwendungskontexten abgekoppelte Erfindungen auf gesellschaftliche Akzeptanzprobleme stoßen können, mit der Frage, ob besonders avancierte Forschung und Entwicklung im Bereich der konvergierenden Technologien überhaupt weithin geteilte gesellschaftliche Werte widerspiegelten oder nicht vielmehr nur die Werte eine mäch122 Vgl. dazu: C. Hook, Techno Sapiens (2004a) und Transhumanism (2004b). Das Projekt wird fortgeführt, allerdings ist Bruce mittlerweile nicht mehr sein Leiter, sondern Direktor des Beratungsunternehmens Edinethics. 124 Vgl. zum Folgenden z.B.: D. Bruce, Ethical and social issues (2006). Die Darstellung seiner Auffassungen beruht auch auf verschiedenen Konferenzvorträgen und -präsentationen, die dem Autor des vorliegenden Beitrags zur Verfügung stehen, sowie auf einem Telefoninterview mit Bruce im März 2008. 125 Vgl. dazu: C. Coenen, Der posthumanistische Technofuturismus (2006). 123 44 tigen Elite. In diesem Kontext identifiziert Bruce Fortschrittsideen und Menschenbilder als zwei zentrale Aspekte in Wissenschaft und Forschungspolitik. Er kontrastiert einen "Glauben" an Fortschritt durch Technik, an eine zunehmende Naturbeherrschung und an den menschlichen Einfallsreichtum in Bezug auf Verbesserungsmöglichkeiten der Conditio Humana mit der Ansicht, dass technologische Interventionen mit einer Sorge um unsere Mitmenschen und der Achtung der Umwelt einhergehen sollten. Technologie solle demnach ein Werkzeug der Menschheit sein, nicht umgekehrt, und sie solle auch dafür eingesetzt werden, spirituelle Aspekte des menschlichen Lebens und zwischenmenschliche Beziehungen zu stärken. Neue wissenschaftlich-technische Entwicklungen müssten gewisse Grenzen respektieren, die aus religiösen und kulturellen Traditionen, aus Philosophie und Theologie und aus den Geistes- und Sozialwissenschaften stammten. Ein zweites entscheidendes Thema sei die Frage der Menschenbilder in Forschung und Entwicklung, die sich von den gesellschaftlich weithin akzeptierten Bildern oft unterschieden. Beispielhaft kontrastiert Bruce hier unter anderem Maschinenmodelle des Menschen und einen weltanschaulichen genetischen Reduktionismus mit dem Konzept der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Er fragt, ob Menschen danach trachten sollten, ständig alle bestehenden Grenzen zu überschreiten oder das zu bleiben, was sie immer waren. Würden z.B. zukünftige Gehirn-Maschine-Schnittstellen und andere Implantate "'natürliche' Grenzen" verletzen? Und wie stellt sich das Verhältnis von Identität und Körperlichkeit dar? Zu funktionale Menschenbilder könnten hier mit eher holistischen in Konflikt geraten. "Human Enhancement" sei zumindest nicht immer eine Verbesserung der Conditio Humana: Könne man tatsächlich unsere physischen Begrenzungen als unsere größten Probleme begreifen, oder handele es sich bei diesen nicht vielmehr um unsere Defizite im zwischenmenschlichen und spirituellen Bereich? Andere christliche Stimmen in der Konvergenzdebatte schlugen einen noch deutlich schärferen Ton als Bruce an: So werden in einem Bericht des Ökumenischen Rates der Kirchen, dem zahlreiche christliche Kirchen – nicht jedoch die römisch-katholische – angehören, die Visionen der NBIC-Initiative zu konvergierenden Technologien als messianische Technikutopie und (zusammen mit den posthumanistischen Hoffnungen auf Unsterblichkeit) als Ausdruck "blasphemischen Denkens" bezeichnet. 126 Auch in diesem Bericht erscheinen die posthumanistischen Visionen und dabei speziell die der NBIC-Initiative als Götzendienerei. Diese Art der 126 WCC/WACC, Transforming Life (2006) 45 Attraktion durch Wissenschaft und Technik sei Ausdruck der drei miteinander zusammenhängenden Versuchungen der Macht, des Eigentums und des Prestiges, die nach neutestamentarischem Zeugnis im Zentrum der Sünde ständen. Zugleich wird in dem Bericht ein Thema in den Mittelpunkt gerückt, dass im Kontext der Visionen zu den NBIC-Technologien von herausragender Bedeutung ist, nämlich die Konsequenzen, die sich aus den technologischen Entwicklungen und Erwartungen für Behinderte und für gesellschaftliche Konzepte von Normalität und Behinderung ergeben könnten. Die entsprechenden Passagen in dem Bericht stammen im Wesentlichen von dem in Kanada ansässigen und in Deutschland aufgewachsenen und ausgebildeten Ethiker und Naturwissenschaftler Gregor Wolbring 127, der − wohl auch mit der Absicht, die als strategisch wichtig erachtete Offenheit gegenüber den Anliegen und Perspektiven von Körperbehinderten zu demonstrieren − als Redner zum ersten Workshop der NBIC-Initiative eingeladen wurde. 128 Wolbring gehört seitdem zu den aktivsten Teilnehmern an der Konvergenzdebatte, wobei er auf langjährige Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit libertären Bioethikern und Technofuturisten aufbauen konnte. Auch wenn er selbst keine explizit christliche Position bezieht, verdienen seine Arbeiten und Überlegungen in diesem Beitrag Beachtung: zum einen weil in ihnen die auch aus christlicher Sicht zentrale Frage der Wechselwirkungen von "Human-Enhancement"-Visionen, Menschenbildern und dem Umgang mit Behinderung im Zentrum steht, zum anderen weil er sich intensiv mit relevanten theologischen Positionen in den einschlägigen Debatten auseinandergesetzt hat. 129 Wolbring bettet seine Kritik am Transhumanismus in eine umfassende Auseinandersetzung mit der Ideologie des "Able-ismus" ein, in der Menschen vorrangig danach eingestuft und bewertet werden, über welche Fähigkeiten sie verfügen und, vor allem, nicht verfügen. Der Begriff Able-ismus wird ins Deutsche gelegentlich als "Behindertenfeindlichkeit" oder "diskriminierung" übersetzt, was allerdings ausblendet, dass auf Basis dieser Ideologie (z.B. im Kontext des Leistungsdenkens) alle Menschen bestimmten Maßstäben unterworfen werden. Überdies setzt sich Wolbring mit der so genannten Medikalisierung der Gesellschaft auseinander, durch die immer mehr Verhaltensweisen, körperliche Eigenschaften, Stimmungen usw. als defizitär oder als therapiebedürftig und -fähig eingestuft würden. 130 Durch den Transhu127 Seine Website mit Zugang zu seinem Weblog ist: http://www.bioethicsanddisability.org. G. Wolbring, Science and Technology (2002); Ders., R. Golledge, Improving the Quality (2002) 129 Vgl. zum Folgenden z.B.: G. Wolbring, Neue Technologien (2006), The triangle (2007a) und New and Emerging Sciences (2007b). 130 Eine Kritik an den Visionen der NBIC-Initiative, die an der Verschränkung von menschlichen Selbstvervollkommnungsidealen mit einem instrumentalistischen Menschenbild und mit Tendenzen einer zunehmenden Medikalisierung der Gesellschaft festgemacht wird, wurde z.B. auch in einer u.a. von der belgischen Bischofskonferenz geförderten Publikation geäußert: J. Delcourt, La médicalisation (2005). 128 46 manismus, dessen Emergenz Wolbring als Anzeichen für einen umfassenden gesellschaftlichen Trend deutet, werde die Ideologie des Able-ismus zugleich radikalisiert und transformiert. Letztlich beruhe die transhumanistischen Erwartung, dass in einer bunten posthumanen Zukunftsgesellschaft eine Vielfalt einander respektierender menschlicher, mensch-technikhybrider und gar nicht menschlicher Wesen friedlich koexistieren werde, auf einer simplen Hoffnung: dass nämlich eine solche Gesellschaft auf utopische Weise mit aus der Vergangenheit und unserer Gegenwart bekannten Mustern der Normativität und des Able-ismus gebrochen haben wird. Wolbring hält es dagegen eher für wahrscheinlich, dass es in einer Leistungssteigerungsgesellschaft zu einer Verschiebung und Differenzierung dessen kommen werde, was als normal bzw. speziestypisch gilt. Die Entstehung einer neuen Unterklasse bzw. neuen Schicht von als defizitär angesehenen, weil nicht durch "Human Enhancement" veränderten Menschen ("techno-poor impaired") sowie deren entsprechende Diskriminierung als Behinderte ("techno-poor disabled") seien dann zu erwarten. Die neue Unterklasse steht in diesem Szenario all jenen gegenüber, die auf die eine oder andere Weise einen trans- oder posthumanen Personenstatus beanspruchen können und wollen. Innerhalb dieses technisch verbesserten oder hergestellten Teils der Weltbevölkerung könnten sich überdies neue Abgrenzungen (z.B. in Analogie zum Rassismus) verfestigen. Die "Transhumanisierung" des Able-ismus stellt nach Ansicht Wolbrings die eigentliche Herausforderung durch die Visionen der NBIC-Initiative und anderer posthumanistischer Akteure dar, gerade auch für das christliche Menschenbild. Und selbst wenn man sich nicht auf die weit reichenden Zukunftsspekulationen der posthumanistischen Visionäre einlässt, kann man beobachten, dass durch die Diskussion über solche Visionen und den Aufstieg des Transhumanismus bereits im Hier und Jetzt Menschenbilder verändert werden. 131 Wolbring hat sich auch mit in diesem Zusammenhang relevanten theologischen Wortmeldungen kritisch auseinandergesetzt. Da weiterhin in vielen zentralen Konzepten der theologischen und religiösen Tradition der Able-ismus nicht überwunden sei, bringe die umfassende Tendenz zum Transhumanismus auch Bestrebungen zu einer "Transhumanisierung" dieser Begriffe mit sich. Gefährlich erscheint Wolbring auch der Versuch, der transhumanistischen Polemik gegen den Tod mit dessen Affirmation unter Berufung auf die angebliche Unerträglichkeit bestimmter Lebensumstände entgegenzutreten. Er warnt zudem davor, über den grandiosen Visionen der kybernetischen Unsterblichkeit die seines Erachtens eigentliche Herausforderung durch den Transhumanismus aus den Augen zu verlieren − nämlich eine auf die 131 Vgl. dazu z.B. auch: C. Coenen, Utopian Aspects (2006); M. Midgley, Science as Salvation (1992). 47 Spitze getriebene Medikalisierung des Sozialen und der Individuen, die zu einer verfestigten, neue Ausgrenzungen ermöglichenden able-istischen Gesellschaftsstruktur führen könne. Visionen wie die der NBIC-Initiative, die alle realen sozialen Verbesserungen ausblendeten, könnten durch die Ignoranz des gesellschaftlichen Mainstreams gegenüber dem Able-ismus eine erhebliche Attraktivität für als Behinderte ausgegrenzte Menschen gewinnen. Dagegen setzt Wolbring u.a. die Vision einer spezifisch theologischen Überwindung des Able-ismus, die an der theologischen Konzeption des "disabled god" ansetzt, diese aber um den Aspekt des Transhumanismus erweitert. Jesus war demnach nicht nur eine "impaired person" am Kreuz und eine (im Sinne eines gesellschaftlichen Begriffs von Behinderung) "disabled person", deren besondere Fähigkeiten den Autoritäten missfielen und die darum Repressionen ausgesetzt war. Vielmehr seien seine Verfolgung und Kreuzigung als ein Übergang von einem transhumanistischen Personenstatus zu einem behinderten zu verstehen. Beim Versuch einer theologischen Überwindung des Able-ismus in Richtung einer, wie Wolbring es nennt, "vario-ability theology", sei stärker auf die Aspekte des freiwilligen Verzichts auf göttliche Macht und auf die Schwäche Gottes abzustellen, während die perfektionistischen Elemente der biblischen und theologischen Sprache noch kritischer zu hinterfragen wären. Auch im Umfeld des Bioethikrates des US-Präsidenten und allgemein im wertkonservativreligiösen Milieu der USA wurde die NBIC-Initiative zumeist im Zusammenhang mit dem Trans- und Posthumanismus kritisiert. Zu erwähnen ist hier z.B. das Center on Nanotechnology and Society des Institute on Biotechnology and the Human Future, das einen weltanschaulich relativ breiten Ansatz hat. Dessen britischer Leiter, Nigel Cameron, sucht seit längerem die direkte Auseinandersetzung mit der NBIC-Initiative und den Transhumanisten und ist zugleich in der Diskussion über "Converging Technologies" und Nanotechnologie auf EUEbene stark präsent. 132 Cameron hat den einzigen Beitrag zu Publikationen der NBICInitiative verfasst, in dem die Begeisterung organisierter Transhumanisten für die NBICInitiative thematisiert wird. 133 Er fordert in diesem Artikel – der in einem Band mit Beiträgen von Führungsfiguren und Vordenkern des Transhumanismus wie Nick Bostrom steht –, dass die US-Politik eine klare Abgrenzung von den "bizarren Sehnsüchten" jener vornehmen möge, die eine "techno-utopische" Rekonstruktion des Menschen anstrebten. Cameron empfiehlt eine Strategie, die gegenüber den Transhumanisten so "unfreundlich" ist wie gegenüber irrationalen Technikfeinden. Er betont allerdings immer wieder, dass der erste Bericht der NBICInitiative bis heute irrelevant für die US-Politik zur Nanotechnologie sei. Eher zurückhaltend 132 133 Vgl. z.B.: EGE, Ethical Aspects (2006), S. 29ff. N. Cameron, Nanotechnology (2006) 48 wirbt Cameron um Aufmerksamkeit für die religiös-konservative Kritik an Versuchen, mit wissenschaftlich-technischen Mitteln eine grundlegende Veränderung der Conditio Humana anzustreben. Zuweilen (und besonders vehement in christlichen Publikationen zur Bio- und Technikethik) spricht er sich explizit für die Bewahrung der menschlichen Natur aus, wobei er sich u.a. auf die Schriftsteller Aldous Huxley und C.S. Lewis, auf Präsident Bush und auf dessen Bioethikrat beruft. Wie Cameron gehört auch der Bioethiker und Mediziner Christopher Hook zum intellektuellen Umfeld des Bioethikrates des US-Präsidenten. Zu seinen einschlägigen Publikationen zum Trans- und Posthumanismus zählen der Artikel "Transhumanism and Posthumanism" für eine Enzyklopädie zur Bioethik sowie sein Beitrag zu einem von Cameron mit herausgegebenen Sammelband, in welchem es erklärtermaßen um die Entwicklung einer christlichen Vision für die Politik im Zeitalter der Biotechnologie geht. 134 Camerons einführende Bemerkungen wie auch Hooks Aufsatz selbst sind durch die Bestürzung darüber gekennzeichnet, dass die NBICInitiative posthumanistisches Gedankengut offensiv in den forschungs- und technologiepolitischen Diskurs in den USA eingebracht hatte. Hook sieht zwar weiterhin gute Gründe dafür, dass sich Christen kritisch mit gewissen Aspekten der Biotechnologie auseinandersetzen, betont aber, dass darüber nicht die Visionen zur Nanotechnologie, Kybernetik (einschließlich Künstlicher Intelligenz) und zur NBIC-Konvergenz unbeachtet bleiben dürften. Durch Entwicklungen in den Nano- und Informationstechnologien würden in Zukunft Mittel zur Rekonstruktion des Menschen bereitstehen, die nicht auf genetischen oder reproduktionsmedizinischen Verfahren beruhen werden. Hook unterteilt seine kritischen Bemerkungen zum Posthumanismus in einen säkularen und einen biblischen Teil. Im ersten Teil geht er auf die ganze Bandbreite der mehr oder weniger futuristischen Risikoaspekte der Nano- und Informationstechnologien ein und betont dabei besonders (unter Bezugnahme auf die bereits erwähnte Vision der Herausgeber des ersten Berichts der NBIC-Initiative zu einem "Globalen Gehirn") die Gefahr, dass eine total vernetzte transhumane Zukunftsgesellschaft totalitäre Züge haben könnte. Die wahrscheinlich größte Gefahr, die sich für die Gesellschaft aus der Entwicklung von "Human-Enhancement"-Technologien ergeben wird, ist seiner Ansicht nach, dass die Transhumanisten ermutigt und mehr Möglichkeiten erhalten werden, ihre utopischen Wahnideen zu verfolgen. Zu diesen zählt er auch, wiederum unter Verweis auf die NBIC-Initiative, die Vorstellung, dass die Menschheit ihre eigene Evolution mit Aussicht auf Erfolg in die Hand nehmen könne. Der schlimmste Fehler jedweden Traums von menschlicher Perfektion 134 C. Hook, Techno Sapiens (2004a) und Transhumanism (2004b) 49 sei die Unfähigkeit, die Dunkelheit des unerlösten menschlichen Herzens zu verstehen oder überhaupt nur zu erkennen. Die Sünde ist seines Erachtens für Anhänger dieser Ideen keine reale Kategorie. Diese dächten nur an Defekte, die aus der sich entwickelnden menschlichen Gattung "herauskonstruiert" werden könnten. Obwohl doch gerade das 20. Jahrhundert wieder gezeigt habe, dass utopische Träume immer zu großem Elend führen, sei die Menschheit derzeit anscheinend bereit, sich kopfüber in das nächste menschliche (oder dämonische) Unternehmen zu stürzen, das Erlösung und ewiges Glück für jedermann in Aussicht stelle. Die transhumanistische Philosophie ähnelt seiner Ansicht nach einem Karzinogen, einem Gift, das zu Zerstörung führen wird, und das wir als Frucht, die gottgleiche Fähigkeiten verspricht, und mithin als Versuchung erkennen und meiden müssten. Selbst wenn man alle weltlichen Risiken der "Human-Enhancement"-Technologien in den Griff kriegen könnte, blieben spezifisch christliche Einwände gegen diese Technologien bestehen. Aus christlicher Sicht sei der Körper als Tempel des Heiligen Geistes zu behandeln, und es sei anzuerkennen, dass die Verkörperung als Homo sapiens wichtig ist. Christus sei als Mensch, nicht als Posthumaner inkarniert worden, und sein Weg der Perfektion einer des Herzens und der Seele, nicht der Intelligenz, der physischen Stärke oder eines anderen überschätzten Attributs. Der wieder auferstandene Körper Jesu wie auch der Körper, der den Menschen für die Zukunft nach der Wiederauferstehung versprochen wird, seien perfekt und keine wie auch immer geartete Form abbaubarer Materie, die notwendig immer verwesen, versagen und auf irgendeine ergänzende physische Energie angewiesen sein würde. Die posthumanistischen Visionen einer neuen Körperlichkeit lenkten ab von der Beziehung zu Gott, sie seien Wahnvorstellungen und Götzendienerei. Gott liebe uns in unserer physischen Schwäche, wir dürften uns zwar heilen, aber verbessern nur in spiritueller Hinsicht. Schwäche sei überdies eine gute Lehrerin, und sie erinnere uns immer wieder an unsere äußerste Abhängigkeit von Gott. Der Grund für den Bedeutungszuwachs des Transhumanismus und anderer säkularer utopischer Träume sind nach Ansicht Hooks Mängel der kirchlichen Gemeinschaften. Christen unterschieden sich zu wenig vom Rest der Gesellschaft, sie frönten wie diese dem Materialismus und einem Leben fern von den biblischen Wahrheiten. Christen als Individuen und als Mitglieder von Kirchen müssten von ihren weltlichen und kirchlichen Führern fordern, dass diese sich den technischen Fortschritten stellen. Und alle Christen müssten zusammenstehen als ein ewig transformierter Körper, jetzt und in den schwierigen Tagen, die mit Sicherheit kommen würden. Hook schließt seinen Beitrag mit folgenden Worten: "May God grant us the wisdom, the strength and the love to accomplish these things. Amen." 135 135 C. Hook, Techno Sapiens (2006b), S. 97. Es wurde bereits oben erwähnt, dass Hook den Trans- und Posthu- 50 Eine weniger christlich-aktivistische als vielmehr theologische reflektierende Haltung zum Thema wird von dem in Österreich lehrenden deutschen evangelischen Theologen und Bioethiker Ulrich Körtner eingenommen. Körtner, der das Thema "Converging Technologies" gleichwohl verstärkt auf die politisch-ethische Agenda gesetzt sehen will, diskutiert es im Rahmen christlicher Anthropologie. Er setzt sich dabei nicht direkt mit den weltanschaulichen Zügen der NBIC-Initiative in den USA auseinander, sondern nur auf eher allgemeine Weise mit deren Visionen, die er zunächst in den Kontext des Diskurses über Biotechnologie stellt. Die menschliche, durch Technik bestimmte Existenzform "natürlicher Künstlichkeit" (im Sinne Helmuth Plessners) erreiche indes durch die konvergierenden Technologien eine neue Entwicklungsstufe 136, es drohe der Übergang vom Homo faber zum Homo fabricatus. 137 Aus christlicher Sicht sei "jede 'Anthropotechnologie' zu verurteilen, die darauf abzielt, den Menschen, wie wir ihn kennen, in seinem Grundwesen zu verändern bzw. faktisch von der Erde verschwinden zu lassen." Zwar kenne auch die christliche Anthropologie den Unterschied zwischen dem alten und neuen Menschen, und gemäß dem ersten Johannesbrief sei uns noch nicht erschienen, was wir sein werden. Hierbei handele es sich aber um eine "eschatologische Differenz, d.h. um den Hinweis auf die letztgültige Bestimmung und Vollendung des Menschen, die von ihm selbst nicht zu leisten" sei. Es sei der alte Mensch "in seiner Endlichkeit, seiner Unvollkommenheit und Gebrochenheit, in seinem Versagen und seiner Schuld", dem die bedingungslose Zuwendung Gottes gelte. Dass auch "der im Glauben von Gott gerechtfertigte Mensch" Sünder bleibe, sei eine Grundaussage reformatorischer Anthropologie. Körtner resümiert: "Der gerechtfertigte Sünder vermag weder sich selbst noch die Welt zu verbessern, weder auf dem Weg der Moral noch durch irgendeine 'Anthropotechnologie'. Der alte Mensch im biblischen Sinne ist nicht verbesserungs-, sondern vergebungsbedürftig. Das schöpferische Wort der Vergebung aber macht ihn nicht besser, sondern neu." Biotechnologische "Utopien" sähen im biomedizinischen Fortschritt einseitig einen Zugewinn an Freiheit, doch aus dem Wunsch, den eigenen Körper zu optimieren, könne "ebenso gut die Unfreiheit sündiger Verzweiflung sprechen." Von der Schönheitschirurgie bis zu den trans- und posthumanistischen "Visionen von Synthesen zwischen Mensch und Maschine" reichten die verzweifelten Versuche, nicht länger der sein zu müssen, der man ist. Und die Lebensverlängerung als Selbstmanismus philosophisch ganz auf der Linie der Aufklärung sieht, nur angereichert mit einer kräftigen Prise postmodern relativistischen Denkens. Die Grobschlächtigkeit seiner Argumentation zeigt sich auch daran, dass er "die Aufklärung" ausschließlich mit Ideen Julien Offray de la Mettries und des Marquis de Condorcet identifiziert und bei Letzterem zudem den Aspekt der moralischen Perfektibilität ausblendet. Vgl. dazu: Ebd., S. 85. 136 U. Körtner., "Converging Technologies" (2005b) 137 Vgl. dazu und zum Folgenden: Ders., "Lasset uns Menschen machen" (2005a), insbesondere: S. 19, 31, 33, 35, 39, 57f., 60, 123, 181ff., 185 und 190f. 51 zweck könne auch eine Form der Verdrängung des Todes sein, die Realisierung der posthumanistischen Fernziele eine schlechte Form der Unendlichkeit bedeuten. Der christlichen Einstellung zu Leben und Tod, Krankheit und Gesundheit, entspreche hingegen "ein Handeln, das sich in der Spannung zwischen Widerstand und Ergebung bewegt." Für die Wissenschaftsethik, die immer auch Technikethik sein müsse, seien neue Formen eines naturalistischen Monismus und der mit ihm korrespondierende Utilitarismus zentrale Herausforderungen. Angesichts der in der Konvergenzdebatte und in der biotechnologischen Rhetorik kursierenden Visionen einer Rekonstruktion des Menschen, die dessen Unvollkommenheit überwinden soll, betont Körtner, dass aus christlicher Sicht "die Fragmenthaftigkeit menschlichen Lebens in all ihrer Härte doch auf eine letzte Vollendung" verweise. Gottebenbildlichkeit sei "ebensowenig wie das Menschsein selbst ein Zustand (…), sondern eine Verheißung, (…) die sich während unseres Lebens nur stückweise und erst durch den Tod endgültig erfüllt." Körtner plädiert vor diesem Hintergrund für ein "Recht auf Unvollkommenheit". Er warnt indes davor, dass die vielfach ausgesprochene Warnung vor menschlicher Hybris zu kurz greife. Mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt sei dem Menschen eine Verantwortung zugewachsen, aus der "er sich nicht mit dem Hinweis auf die vermeintliche Unverfügbarkeit des Lebens davonstehlen" könne. Es sei gerade der "Zwang zur bewussten, das heißt aber auch rechenschaftspflichtigen, Verfügung über das eigene wie über fremdes Leben", das den Menschen "nicht nur nach allgemeiner anthropologischer Erkenntnis, sondern auch nach biblischem Zeugnis" kennzeichne. In Anbetracht des biomedizinischen Fortschritts eröffne sich "ein neuer Zugang zur Geschöpflichkeit und Gottebenbildlichkeit des Menschen nicht über die Resakralisierung des Natürlichen, sondern über eine rechtfertigungstheologische Rekonstruktion der Schöpfungslehre." Bioethisch relevant sei auch die eschatologische Dimension des Rechtfertigungsglaubens, weil sich aus ihr eine "kritische Sicht auf die latente oder offene Gefahr einer soteriologischen Überhöhung der modernen Medizin zur Heilslehre ableiten" lasse. Heilung und Heil seien voneinander zu unterscheiden, andernfalls drohe der Fortschritt vom "Geist der Utopie", einer "neuen Technikgläubigkeit", zur Barbarei verführt zu werden. Als unheilbar krank eingeschätzte und als körperlich oder geistig unvollkommen wahrgenommene Menschen könnten einer solchen Barbarei als erste zum Opfer fallen. Mit der Resakralisierung des Natürlichen wie auch mit den Idealbildern der eigenen religiösen Gemeinschaft, die der religiöse Fundamentalismus beschwört, gebe es indes auch Formen einer "Fortschritts- und Technikfeindlichkeit", die wie die biotechnologischen Utopien als 52 Gestalten "sündiger Verzweiflung" anzusehen seien. Gegen solche Versuchungen sei auch das christliche Verständnis von Mensch und Schöpfung nicht gefeit. Die Bewahrung der Schöpfung werde nicht selten mit der Festschreibung eines vermeintlichen Naturzustandes verwechselt. Nötig sei hingegen ein "dynamisches Verständnis der Schöpfung, das nicht nur den heutigen Kenntnissen von der Evolution des Kosmos, sondern auch dem biblischen Schöpfungszeugnis gerecht wird." Der Auftrag Gottes an den Menschen, die Erde zu bebauen und zu bewahren, dürfe nicht mit der Erhaltung der Schöpfung gleichgesetzt werden, die nach christlicher Tradition allein Gott vermöge. Und auch die unbedingte Verteidigung historisch gewachsener christlicher Menschenbilder sieht Körtner skeptisch. Es sei eine notwendige Frage, wie weit es einer weltanschaulichen oder religiösen Tradition gelingen könne, geschichtliche Veränderungen produktiv zu verarbeiten und überkommene Traditionsbestände neu zu interpretieren. Nur wenn dies gelinge, sei es den Menschen der Gegenwart möglich, das eigene Dasein sinnvoll zu deuten. Dass der Mensch auch noch als Homo fabricatus ein Selbstverständnis haben könnte, das den Grundlagen des christlichen Menschenbildes entspräche, dass die Wissenschafts- und Technikethik also nicht auf einen "quasireligiösen Begriff des Unverfügbaren" setzen müsse, wie ihn Jürgen Habermas vertrete, diese Thesen sieht Körtner letztlich in der besonderen eschatologischen Qualität der christlichen Unterscheidung des neuen vom alten Menschen begründet: Christliche Zukunftshoffnungen unterschieden sich "gerade darin von innerweltlichen, zum Beispiel von biowissenschaftlichen Utopien, daß sie auf eine Vollendung des Menschen hoffen, die vom Menschen selbst gerade nicht zu bewerkstelligen" sei. "Mag der Mensch auch seine Natur auf medizinisch-technischem Wege optimieren, seine körperlichen Eigenschaften und seine kognitiven Fähigkeiten verbessern", er bleibe "nach christlicher Überzeugung doch der alte." Denn der alte Mensch im Sinne des christlichen Glaubens sei nicht der Mensch als biologisch unzulängliches Wesen, sondern "der Mensch, der mit Gott gebrochen und darum auch zu sich selbst und zu seinen Mitmenschen ein zutiefst gestörtes Verhältnis hat." Kritische Würdigung der christlichen Debattenbeiträge Zu den problematischen Aspekten der christlichen Kritik am Posthumanismus zählt der Umstand, dass in ihr posthumanistische Einschätzungen des aktuellen naturwissenschaftlichen Forschungsstandes zuweilen allzu bereitwillig als realistisch akzeptiert und dann als Anlass für überzogene Warnungen sowie für pauschale Verurteilungen moderner Technologien ge53 nutzt werden. Zwar machen insbesondere die durchaus skandalöse, weil zum Teil camouflagierte Verbindung der NBIC-Initiative mit dem Transhumanismus sowie die offene Feindseligkeit einiger posthumanistischer Vordenker gegenüber der Religion gewisse Überreaktionen nachvollziehbar, bei denen dann deren selbstbewusstes Auftreten als wissenschaftlichtechnische Avantgarde für bare Münze genommen wird. Auch findet sich bei einigen dieser Vordenker (wie z.B. Marvin Minsky und Hans Moravec) ein misanthropischer Zynismus, der nicht nur religiösen Kritikern übel aufgestoßen ist. 138 Dennoch bleibt es für einen rationalen gesellschaftlichen Dialog über die konvergierenden Technologien unabdingbar, die Grenzen zwischen Vision und Realität so genau wie möglich zu ziehen und jedwede euphorische Inszenierung der "von therapeutischen oder eugenischen Hoffnungen begleiteten Fortschritte in Biogenetik, Hirnforschung und Robotik" kritisch zu hinterfragen. 139 Dies schließt keineswegs aus, unabhängig vom naturwissenschaftlich-technischen Forschungs- und Entwicklungsstand die Zumutungen kritisch zu diskutieren, die einige der posthumanistischen Kernideen darstellen. Nur sollte dabei tunlichst vermieden werden, gewissermaßen im Einklang mit den Transhumanisten die schrillsten Töne anzuschlagen. Mit einer Fokussierung des Diskurses über konvergierende Technologien auf das Thema einer "Rekonstruktion des Menschen" geraten andere, dringlichere Aspekte der Thematik aus dem Blick. Überdies ähneln sich zuweilen die Ansätze religiös-konservativer und transhumanistischer Debattenteilnehmer in ihrer Leibfeindlichkeit. Eine Reihe von Theologen hat sich überdies intellektuell sehr weit auf die posthumanistischen eschatologischen Selbsttranszendenz- und Verschmelzungsvisionen eingelassen, die nur zum Teil theologischem oder religiösem Denken (wie dem Teilhards) entstammen. Sie gehen so an einigen Stellen in den theologischen Diskurs ein und können dort zur "Transhumanisierung" christlicher Konzepte beitragen. Die Faszination durch die Vision kybernetischer Unsterblichkeit führt zuweilen dazu, dass diese zum Popanz aufgebaut oder zu einer die christliche Eschatologie ergänzenden Erlösungsidee aufgewertet wird. Die von Wolbring umfassend analysierten Herausforderungen durch realistischere "Human-Enhancement"-Visionen können dabei in ihrer Tragweite unterschätzt werden. Mit Skepsis sind zudem die Versuche einiger christlicher Autoren zu betrachten, die Auseinandersetzung mit dem Transhumanismus für eine Polemik gegen andere Ideentraditionen (wie z.B. das utopische Denken) oder sogar für eine Generalabrechung mit der Moderne zu nutzen. 138 139 Vgl. z.B.: K. Hayles, How We Became Posthuman (1999); J. Weizenbaum, The Myth (1995). J. Habermas, Zwischen Naturalismus und Religion (2005), S. 7 54 Wenn eine solche Stoßrichtung gewählt wird, erscheint es als Mindestanforderung, die säkulare westliche Ideengeschichte ähnlich differenziert zu betrachten wie die eigene theologische Tradition. Wo immer dies nicht geschieht, ist als Reaktion eine Selbstbestätigung des, wie es Habermas nennt, "säkularistisch beschränkten Bewusstseins" zu erwarten. 140 Trans- und Posthumanismus gehören zu den extremen Ausprägungen dieses Bewusstseins, sind aber beileibe nicht die einzigen oder kämpferischsten aktuellen Strömungen, in denen eine ablehnende oder distanzierte Haltung zur Religion eingenommen wird. Überdies wurde in der Debatte über den Posthumanismus zurecht darauf hingewiesen, dass die Intensität des Glaubens an eine bessere Zukunft, die in einigen oberflächlich antiutopischen christlichen Kritiken des Posthumanismus angeprangert wird, ein Kennzeichen auch der christlichen Religion selbst ist. Eine Voraussetzung für einen Dialog mit sozusagen "säkularen Gläubigen" (einschließlich der Transhumanisten), aber auch mit vielen anderen nichtreligiösen Menschen, ist es, Hoffnungen auf innerweltliche Verbesserungen nicht pauschal (oder unter fragwürdigem Verweis auf die Geschichte utopischen Denkens) mit totalitaristischen Machtphantasien gleichzusetzen. Ein solcher Dialog kann auch nur dann gelingen, wenn von christlicher Seite davon Abstand genommen wird, sich säkularer technik- und fortschrittsskeptischer Theoreme und Beobachtungen in Form von Versatzstücken zu bedienen, ohne sie in ihrem Kontext zu würdigen. Ein exponiertes Beispiel für eine solch fragwürdige Bezugnahme auf nichtchristliche Denker findet sich in der zweiten Enzyklika (Spe Salvi), die Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI. veröffentlicht hat. Ihr Thema ist die Hoffnung, sie kreist aber um die Themen Wissenschaft, Technik und Fortschritt, wobei sie sich gegen die Hoffnung auf eine Erlösung durch Wissenschaft und Technik und speziell auch gegen die Vision einer innerweltlichen Überwindung bzw. endlosen Herauszögerung des Todes wendet. In dieser Enzyklika macht Ratzinger von Ideen Theodor W. Adornos und Max Horkheimers auf fragwürdige Weise Gebrauch: Aus einer Verteidigung der Fortschrittsidee und Kritik der Invektive "Fortschrittsglauben" durch Adorno wird in der Enzyklika unter der Hand eine Referenz zur Stützung der eigenen Kritik des Fortschrittsglaubens entnommen. Der Papst unterschlägt überdies, dass der (von ihm einigermaßen getreulich wiedergegebene) Begriff der Erlösung Adornos mit einem radikal fortschrittlichen, in vielerlei Hinsicht typisch modernen Verständnis der Potenziale von Naturwissenschaft und Technik zusammenging. Wird so um den Preis einer Einebnung von Unterschieden christlicher und nichtchristlicher Technikkritik versucht, die Moderne infrage zu 140 Ebd., S. 146ff. 55 stellen, dürfte das Geschäft technokratisch-eschatologisch argumentierender und sich dabei auf die Ideale der Aufklärung und Moderne berufender Posthumanisten erleichtert werden. Christliche Interventionen in die Debatte, die das weit verbreitete Unbehagen an der posthumanistischen Eschatologie nicht für eine Generalabrechnung mit der kulturellen oder wissenschaftlich-technischen Moderne missbrauchen, können indes eine wichtige Rolle spielen. In diesem Zusammenhang wäre allerdings auch ein selbstkritischer Umgang mit eigenen Ideentraditionen hilfreich. Fragwürdig ist es zum Beispiel, wenn die relative Hochschätzung menschlicher Leiblichkeit im Christentum im Vergleich zur Gnosis überbetont und Letztere überdies noch zur heimlichen Religion der Moderne und zum ganz Anderen des christlichen Abendlands aufgebauscht wird. Christliche Theologie und Alltagskultur teilen, trotz aller Veränderungen in den letzten Jahrzehnten, mit der kartesianisch geprägten Philosophie und Wissenschaft weiterhin einige der immer problematischer werdenden, letztlich platonischen Grundannahmen zu menschlicher Körperlichkeit und Geistigkeit. Überdies verstellt die theologische Anpassung an aktuelle Theorien aus der Technik- und Wissenschaftsforschung sowie den Kulturwissenschaften zuweilen den Blick für die Tragweite und historische Kontinuität der posthumanistischen Herausforderung. Ganz verfehlt erscheint ein unreflektierter Alarmismus: Eine besondere Relevanz der posthumanistischen Eschatologie für das moderne wissenschaftlich-technologische Weltbild und für die Forscher und Ingenieure selbst darf nicht einfach unterstellt werden. 141 Bisher werden das Selbstbild der Transhumanisten als Avantgarde der Moderne und deren Erwartungen an die künftige wissenschaftlich-technische Entwicklung oft noch zu leichtfertig oder willkürlich zur Basis der eigenen Kritik gemacht. All dies wird in gewissem Maß zur Verfestigung und Verbreitung einer Haltung beigetragen haben, bei der die Theologie mit tiefer Skepsis oder sogar offener Ablehnung betrachtet wird. Der zum Teil hysterisch anmutende Atheismus einiger populärer Naturwissenschaftler und Ingenieure und ihre Attacken gegen die Religion mögen in gewissem Maße psychologisch nachvollziehbar sein, da wir uns derzeit global (und insbesondere auch in den USA) mit einem zutiefst irrationalen und nicht selten aggressiven religiösen Fundamentalismus konfrontiert sehen. Insoweit die modischen Religionskritiker einer szientistischen Weltanschauung oder gar der posthumanistischen Eschatologie anhängen, machen sie nicht viel mehr als ein alternatives, in vielen Zügen problematisches Sinnstiftungsangebot für eine Moderne, die in ihrem Selbstverständnis verunsichert ist. Doch auch säkulare Stimmen, die weit davon ent141 Vgl. dazu z.B.: M. Johansson, Scientific and public notions (2004) und Next to Nothing (2008). 56 fernt sind, einer Erlösung durch Wissenschaft und Technik das Wort zu reden, gestehen der Theologie selten mehr zu als eine Beteiligung am ethischen Diskurs, im Sinne einer Vertretung von gesellschaftlichen Partikularinteressen (zumeist der Kirchen). Dagegen wäre an der Einsicht festzuhalten, dass die Fragen der Theologie und die Hoffnungen der Religion keinesfalls in Gänze obsolet sind. Offenkundig hat eine gewisse Nähe der christlichen Religion (und speziell ihrer Eschatologie) zum Posthumanismus dazu beigetragen, dass Theologinnen und Religionswissenschaftler relativ frühzeitig auf die Brisanz dieser Weltanschauung aufmerksam wurden und sich mit ihr eingehend auseinandergesetzt haben. Christen verfügen anscheinend oft auch über ein feines Gespür dafür, welche posthumanistischen Visionen einfach nur befremdlich sind und welche als problematisch gelten müssen. Sie erkennen zuweilen leichter als säkulare Beobachter, wenn sich im Posthumanismus starke (quasi)religiöse Gefühle regen. Spätestens seit dem Ende der Pansophie als der letzten umfassenden Vision einer Einheit von Wissenschaft und Religion muss zudem vielen Christen die Macht moderner Technik als eine großenteils fremde erscheinen, als eine ihrer Tradition entwachsene oder gar äußerliche. In der Moderne zeugt auf jeden Fall die ständig wiederkehrende Rede von der Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Wissenschaft und Religion davon, dass diese sich zu zwei separaten, potenziell einander feindselig gegenüberstehenden Kräften entwickelt haben. Unter Christen hat sich wohl auch deshalb vielfach eine starke Sensibilität für den Zusammenhang von menschlicher Körperlichkeit, Technik und Herrschaft herausgebildet, insbesondere für die Problematik eines von jedweden außerwissenschaftlichen Wertvorstellungen "emanzipierten" wissenschaftlich-technischen Zugriffs auf den Menschen. Zwar lässt sich argumentieren, dass die christliche Anthropologie − in ihrer Ablehnung einer Sakralisierung der Natur und ihrer Bestätigung der Verfügungsgewalt des Menschen über diese − durchaus in gewisser Hinsicht auch die menschliche Natur als Objekt menschlicher Manipulation ausweist, allerdings in den gottgegebenen Grenzen und vor dem Hintergrund der Sündhaftigkeit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. 142 Auf jeden Fall besteht aber weithin ein geschärftes Bewusstsein dafür, dass Experimente in der Fabrik des neuen Menschen für die Menschheit irreparable Folgen zeitigen können, dass also all jene Ideologien der Selbstmanipulation trügerisch sind, die annehmen, dass jeder Fehler bei der Manipulation wenigstens in den folgenden Generationen korrigiert werden könne. 143 Sehr klar und kritisch gesehen wird auch die Tendenz solcher Ideologien, den jeweils heutigen Menschen zum Material zur Erschaffung einer besseren Zukunft herabzuwürdigen. 142 143 Vgl. z.B.: U. Körtner, "Lasset uns Menschen machen" (2005a), K. Rahner, Experiment Mensch (1966). K. Rahner, Experiment Mensch (1966) 57 Unverfügbarkeit und der Fetisch Kontrolle Wo bestehen nun Ansatzpunkte für einen rationalen und weniger konfrontativen Dialog zwischen christlichen und säkularen Stimmen über die meistdiskutierten konvergierenden Technologien und die mit diesen verbundenen "Human-Enhancement"-Visionen? Ganz unabhängig von den Zumutungen, die sich aus der technikzentrierten und zum Teil technokratischen Eschatologie des Posthumanismus ergeben, bringen die Perspektive einer zunehmend engeren Verbindung von Mensch und Maschine sowie die generell größer werdende Manipulierbarkeit des Lebens und der gesamten Natur Herausforderungen mit sich. Es ist absehbar, dass die Frage, was gesellschaftlich und ethisch als unverfügbar zu gelten hat, neu zu beantworten sein wird. Kann es wirklich "das Leben" sein und sei es auch "nur" das menschliche? 144 Ist es das Geborenwerden des Menschen, seine Natalität, die ihn gegenüber denkbaren neuen Intelligenzen technischer Natur vorrangig auszeichnen würde? Und gehört dann mit der Natalität auch die Mortalität zu den Kernbeständen dessen, was ein schützenswertes intelligentes Wesen ausmacht? 145 Zugleich wird auch zu fragen sein, wie Unverfügbarkeit in Zukunft zu definieren wäre. Welche Vor- und Nachteile bringen z.B. eine Gleichsetzung von Unverfügbarkeit und Unbestimmbarkeit sowie die Auffassung des Menschen als Geheimnis mit sich? Technisierung und Verwissenschaftlichung bringen auf jeden Fall neue Möglichkeiten der Manipulation und des Wissens über den Menschen mit sich. Nicht "die Technik" und "der Mensch" stehen sich gegenüber, sondern durch Wissenschaft und Technik bieten sich immer wieder neue Optionen der menschlichen Machtausübung über Menschen, über andere Lebewesen und (im metaphorischen Sinn) über die unbelebte Natur. Von zentraler Bedeutung für die Ausübung von Macht sind die Normen einer Gesellschaft, und Normalitätsvorstellungen, die in Bezug auf menschliches Verhalten, menschlichen Geist und menschliche Körperlichkeit bestehen, spiegeln gesellschaftliche Ausschlüsse und Herrschaftsverhältnisse wider. Die Anthropologie, auch die christliche, müsste sich daher als "Feststellungswissenschaft" selbst problematisch werden, also im Anschluss an Plessner den Nexus zwischen Auffassung und Behandlung des Menschen noch kritischer in den Blick nehmen. 146 Zu warnen ist auf jeden 144 Dazu kritisch: U. Körtner, "Lasset uns Menschen machen" (2005a), S. 33ff. Vgl. dazu und zum Folgenden z.B.: K. Ulrich-Eschemann, Vom Geborenwerden (2000), S. 248ff. 146 H. Kämpf, "So wie der Mensch sich sieht, wird er" (2005), S. 230 145 58 Fall vor jedweder vorschnellen Ziehung von Grenzen, bei der das Menschliche exklusiv fixiert wird − und zwar nicht nur, weil jede Grenzsetzung zur Überschreitung von Grenzen provozieren kann, sondern weil jede Definition ausschließt und das durch die Definition Getrennte separat handhabbar macht. Gerhard Gamm hat, auch gegen die christliche Anthropologie gerichtet, vorgeschlagen, in der Ethik von der Unbestimmbarkeit des Menschen auszugehen, ebenfalls im Anschluss an Plessner. 147 Gamms Auffassung nach ist es zwar richtig, dass der Begriff der Menschenwürde vage und unbestimmt genug ist, um den "selbstsicheren, wissenschaftlichen und weltanschaulichen Vivisektionen zu widerstehen." 148 Unersetzlich sei der Begriff jedoch vor allem deshalb, weil die mit ihm verbundene Unausdeutbarkeit selbst einen "qualitativ normativen Gehalt" aufweise. Dieser wiederum verpflichte uns, nur solche Handlungsoptionen wahrzunehmen, die nach ihrer praktischen Einlösung immer noch die Möglichkeit einer Revision von Irrtümern bieten und bei denen die prinzipielle Unverfügbarkeit des Menschen, also die "Ermöglichungsbedingung (…) allen Sprechens und Handelns" gewährleistet bleibt. Als ein gemeinsamer Ansatzpunkt christlicher und nichtchristlicher Kritik am technokratischen Posthumanismus bietet sich somit dessen Fetischisierung menschlicher Kontrollmöglichkeiten an, die letztendlich (und nur scheinbar paradox) auf eine Abschaffung des Menschen und seiner Freiheit hinauslaufen. Wenn die drei als Leitbilder der posthumanistischen technokratischen Eschatologie identifizierten Visionen des "selbstbestimmten Cyborgs", der "posthumanen Künstlichen Intelligenz" und des "total überwachten Menschen" gesellschaftlich handlungsanleitend würden, drohte tatsächlich ein Ende des Humanen. Hilflos wirkt hier der Appell an die Ethik und an soziale Kontrolle, da jede dieser Visionen mit im aktuellen politisch-gesellschaftlichen Diskurs tief verankerten Zielen harmoniert. Der selbstbestimmte Cyborg, einschließlich seines neurotischen Verhältnisses zur menschlichen Körperlichkeit, stellt kaum etwas anderes dar als eine konsequente technische Transformation des individuellen Nutzen maximierenden Subjekts in der Leistungsgesellschaft, die mit dem Ziel erfolgt, ihn für die Leistungssteigerungsgesellschaft fit zu machen. Die Hoffnungen auf eine sehr "starke" Künstliche Intelligenz reihen sich ein in die maßlosen Erwartungen an eine Rettung durch Technik, sie können als Ausdruck der prometheischen Scham des Menschen gegenüber seinen Maschinen verstanden werden. Die Erwartung, eine Künstliche Intelligenz werde die Menschheit sogar führen können 149, ist zugleich eine groteske Übersteigerung der weithin 147 G. Gamm, Der unbestimmte Mensch (2004) und Die Verbindlichkeit des Unergründlichen (2005) G. Gamm, Der unbestimmte Mensch (2004), S. 60 149 Vgl. dazu z.B.: R. Kurzweil, The Singularity is Near (2005). 148 59 beobachtbaren Tendenz, Verantwortung auf technische Systeme übertragen zu wollen. Eine "intelligente" Technik, die ein Heer individuellen Nutzen maximierender, grenzenlos flexibler Cyborgs führt: Ist das eine gesellschaftliche Zukunftsvision, mit der wir es ernsthaft zu tun haben werden? Die dritte posthumanistische Leitvision, die des "total überwachten Menschen", bringt uns hingegen wieder auf den Boden der Tatsachen zurück − wenn man dies in einem so stark spekulativen Zusammenhang sagen kann. Sie erinnert daran, dass nicht nur in der klassischen autoritären bzw. "archistischen" Utopie 150, sondern auch im Posthumanismus das Individuum zum Störfaktor und zur vernachlässigbaren Größe werden kann. Insoweit es sich nicht einpassen kann oder will, steht es der angeblich goldenen Zukunft im Weg. Jede Zukunft ist aber, entgegen dem, was in den weit reichenden posthumanistischen Visionen ausgepinselt wird, nicht das Werk "der Technik" oder eines ominösen Omegapunkts, sondern Ergebnis politischgesellschaftlicher Prozesse. Dass eine Realisierung der szientistisch-technokratischen Universallösungsvisionen nicht mehr als ein neues Niveau der Herrschaft von Menschen über Menschen bedeuten würde, dass sie weit entfernt wäre von einer Verwirklichung sowohl der wahrhaft utopischen als auch der religiös eschatologischen Hoffnungen, dies ist eine Einsicht, die säkulare wie christliche Kritiker des Posthumanismus teilen könnten. Die Reduktion von Menschen auf Rohmaterial und eine schlechte Transzendenz der bestehenden Welt lehnen beide ab. C.S. Lewis schrieb in den 1930er Jahren zum frühen Posthumanismus aus christlicher Sicht 151: "Der Vererbung, der Verdauung, dem Wetter und der Gedankenassoziation werden die Motivierungen der Konditionierer (der planenden und herrschenden Klasse der Zukunft, Anm. d. Verf.) entspringen. Ihr extremer Rationalismus, der alle 'rationalen' Motive 'durchschaut', macht aus ihnen Geschöpfe eines völlig irrationalen Verhaltens. (…) Im Moment des menschlichen Sieges über die Natur finden wir also das ganze Menschengeschlecht ein paar Individuen unterworfen und diese Individuen dem in sich selbst unterworfen, was rein 'natürlich' ist − ihren irrationalen Impulsen. Die Natur, unbehindert durch Werte, beherrscht die Konditionierer und durch sie die ganze Menschheit. Der Sieg der Menschen über die Natur erweist sich im Augenblick seines scheinbaren Gelingens als Sieg der Natur über den Menschen. (…) Es liegt in des Menschen Macht, sich selbst als bloß 'natürliches Objekt' zu verstehen und 150 Vgl. zu "archistischen" und anarchistischen Utopien: R. Saage, Konvergenztechnologische Zukunftsvisionen (2006). 151 C.S. Lewis, Die Abschaffung (1979), S. 69f. und 74 60 seine eigenen Werturteile als 'Rohmaterial' für beliebige wissenschaftliche Manipulationen zur Verfügung zu stellen. Der Einwand gegen ein solches Verhalten liegt nicht in der Tatsache, daß diese Perspektive (wie der erste Tag des Studenten im Seziersaaal) schmerzlich und aufwühlend ist, bis wir uns daran gewöhnt haben. Der eigentliche Einwand liegt darin, daß der Mensch, der sich selbst als Rohmaterial verstehen wird, auch Rohmaterial wird; nicht, wie er sich gutgläubig einbildet, Rohmaterial, das er selber manipulieren wird, sondern das manipuliert wird durch den bloßen Trieb, das heißt durch die bloße Natur in der Gestalt seiner entmenschlichten Konditionierer." Literatur Adams, Mark. 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