-
Verfahren zur nassen Gasentschwefelung unter gleichzeitiger Gewinnung
von schwefelwasserstofffreiem Ammoniak Das Patent 868 894 betrifft ein Verfahren
zur Entfernung von Schwefelwasserstoff aus solchen und Kohlensäure enthaltendem
Ammoniakwasser, das im wesentlichen darin besteht, daß man das schwefelwasserstoff-
und kohlensäurehaltige Ammoniakwasser im Gegenstrom mit heißem Ammoniakschwaden
behandelt.
-
Es wurde nun gefunden, daß man dieses Verfahren ausgezeichnet zur
Entschwefelung von rohen Destillationsgasen bituminöser Brennstoffe benutzen kann,
indem man von der bekannten Tatsache Gebrauch macht, daß Ammoniakwasser, welches
keinen Schwefelwasserstoff oder nur geringe Mengen hiervon enthält, aus dem Rohgas
Schwefelwasserstoff aufzunehmen vermag. Es ist zwar bekannt, schwefelwasserstoffhaltige
Gase in einem mehrstufigen Wäschersystem reit H. S-freiem Ammoniakwasser zu waschen,
wobei die Waschwasser der Anfangs- und Endstufen für sich getrennt je einem Abtreiber
mit Kalkkolonne und Kühler zugeführt werden und die entschwefelten und verdichteten
Ammoniakwasser zu ihrem zugehörigen Wascher zurückkehren, also zwischen diesem und
dem Abtreiber einen Kreislauf ausführen. Hierbei erfolgt die Entfernung des H2 S
auf chemischem Wege, nämlich durch Bindung an Kalk, so daß als Nebenprodukt völlig
wertloses Calciumsulfid entsteht. Andererseits führte der Vorschlag, das mit Schwefelwasserstoff
beladene Wasser durch bloßes Erhitzen, also auf rein physikalischem Wege, zu entschwefeln,
um es zur Aufnahme
neuer H2 S-Mengen aus dem Gas wieder geeignet
zu machen, zu keinem Erfolg, da man hierbei vor der Alternative steht, entweder
durch starkes Erhitzen zu viel Ammoniak, das eigentliche H2 S-bindende Agens, zu
verlieren oder bei schwachem Erhitzen den HZ S nur teilweise auszutreiben, so daß
ein Ammoniakwasser hinterbleibt, das zufolge seines noch erheblichen HZ S-Gehaltes
die Gase wiederum nicht genügend zu entschwefeln vermag. Der Vorschlag endlich,
Ammoniakwasser durch Einleiten von Kohlensäure oder kohlensäurehaltigen Schwaden
zu entschwefeln, setzt eine Bezugsquelle für CO, voraus, wie sie z. B. im
Sättigerbetrieb bei Verarbeitung von vorher entschwefeltem Ammoniakwasser auf Ammonsalze
in Form der Sättigerschwaden vorliegt. Von diesen Nachteilen ist das nachstehend
beschriebene Verfahren frei, da es zu seiner Durchführung keiner zusätzlichen Chemikalien
bedarf und auch von Nebenbetrieben irgendwelcher Art völlig unabhängig ist.
-
Das Verfahren sei an Hand der Zeichnung erläutert. Das heiße Rohgas
durchströmt die Gaskühler i und das Gasgebläse 2, wobei sich das Kühlerkondensat
im Behälter 3 sammelt, und tritt dann in einen oder mehrere hintereinandergeschaltete
Wäscher 4 ein, in welchen es im Gegenstrom mit Ammoniakwasser, welches im Gange
des Verfahrens von Schwefelwasserstoff befreit wurde, gewaschen und von Schwefelwasserstoff
befreit wird. Das Kühlerkondensat gelangt aus dem Behälter 3 auf den Abtreiber 5.
Die aus diesem austretenden Schwaden werden in den unteren Teil eines mit Horden,
Füllkörpern oder Glockenböden ausgestatteten Turmes 6 eingeführt, welcher von oben
mit der aus den Wäschern 4 abfließenden ammoniakhaltigen, mit H2 S beladenen Waschflüssigkeit,
beispielsweise mit 2 bis 8 ()/o NH3, berieselt wird, wobei der Schwefelwasserstoff
am oberen Ende des Turmes ausgetrieben wird und als Ablauf des Turmes 6, der gegebenenfalls
Kühlelemente enthält, noch heißes schwefelwasserstoffarmes oder schwefelwasserstofffreies
Ammoniakwasser erhalten wird. Dieses wird im Kühler 7 gekühlt und sammelt sich im
Behälter 8, von wo es zur erneuten Entschwefelung des Rohgases wieder auf die Wäscher
4 gepumpt wird. Das schwefelwasserstofffreie, aber noch _ ammoniakhaltige Rohgas
passiert nunmehr die Ammoniakwäsche 9 und verläßt diese praktisch NH3 und H,S-frei.
Das aus den Wäschern g abfließende etwa i°/Qige HZS-freie Ammoniakwasser gelangt
über den Zwischenbehälter io auf den Abtreiber ii, dessen Schwaden in Kühler 12
kondensiert werden. Das Kondensat sammelt sich als verdichtetes H2 S-freies Ammoniakwasser
im Behälter 13. Das sich in Behälter 8 ansammelnde Ammoniakwasser wird, soweit es
nicht im Kreislauf zur Entschwefelung des Rohgases in die Wäscher 4 zurückkehrt,
im Abtreiber i1 verarbeitet. Zur Verarbeitung im Abtreiber ii wird diejenige Ammoniakwassermenge
abgezweigt, welche aus den Kühlerkondensaten stammt und für den Abtrieb des Schwefelwasserstoffs
aus dem zur Entschwefelung des Gases benutzten Ammoniakwasser bereits verwendet'wurde.
-
Statt der Verarbeitung des H2 S-freien Ammoniakwassers auf verdichtetes
Ammoniakwasser läßt sich der Ammoniakschwaden, da er frei von Schwefelwasserstoff
ist, auch zur Erzeugung von Ammoniumnitrat verwenden, indem man ihn durch freie
Salpetersäure enthaltende heiße Ammonnitratlösung führt. Selbstverständlich ist
auch die Gewinnung von Ammoniumsulfat durchführbar, und zwar sowohl durch Behandlung
der den Abtreiber ii verlassenden Schwaden im Sättiger mit Schwefelsäure als auch
durch Einschaltung eines Schwefelsäuresättigers in den Gasstrom an Stelle der Ammoniakwascher
g.
-
Das aus 9 austretende Gas ist praktisch schwefelwasserstofffrei; die
letzten Spuren hiervon können, wenn erforderlich, in einer nachgeschalteten Trockenreinigung
entfernt werden.
-
Zur näheren Erläuterung des Verfahrens seien die Verhältnisse dargestellt,
wie sie für eine Kokerei mit einer täglichen Gaserzeugung von i ooo ooo cbm vorliegen.
-
Das Gas enthält im Kubikmeter 8 g N H, und 7 g HZ S; es werden
also täglich 8ooo kg NH3 und 7ooo kg H2 S erzeugt. Als Kühlerkondensat werden 450
cbm erhalten mit einem Gehalt von durchschnittlich 7,5 g N H" 4,5 g
CO, und 1,2 g H. S im Liter. Mit diesem Kondensat werden also insgesamt
3500 kg N H, und 540 kg HZ S ausgeschieden. In die Entschwefelungsanlage
4 treten also ein: 47oo kg NH3 und 646o kg H2 S. Der Ammoniakpartialdruck im Gas
beträgt demnach 5 mm Hg. Für diesen Partialdruck steht bei 2o° und einem Gewichtsverhältnis
NH3 :C02 von i : i das Gas im Gleichgewicht mit einer 3 °/o N H3 enthaltenden Waschflüssigkeit
(vgl. hierzu Gas- und Wasserfach 68 [1925], S. 687). Für die weitere Rechnung sei
jedoch eine Sättigung der Waschflüssigkeit auf nur 2,5 °/o angenommen.
-
Der H2 S- Gehalt der Waschflüssigkeit wurde für den Gleichgewichtszustand
für das vom H2 S zu befreiende Gasgemisch beim Waschen im Gegenstrom zu o,82 0/fl
ermittelt, wobei die Entschwefelung praktisch quantitativ war. Zur Auswaschung von
646o kg H2 S sind also täglich rund 8oo cbm Ammoniakwasser mit dem Gas in Berührung
zu bringen und anschließend auf Turm 6 zur Abtreibung des H2 S zu geben. Hierzu
sind die Abtreiberschwaden von 450 cbm Kühlerkondensat der oben angeführten Zusammensetzung
verfügbar.
-
Unter den vorstehend geschilderten Verhältnissen ergab ein mit einem
täglichen Gasdurchsatz von rund 300 cbm (= 1/a3" von i ooo ooo cbm) durchgeführter
halbtechnischer Versuch folgendes Bild: Es wurden stündlich io 1 mit H2 S beladenes
Ammoniakwasser, enthaltend 250 g N H3, 258 g CO, und 82 g H2 S, auf
den Turm 6 gegeben, dem von unten die Abtreibeschwaden aus 5,71 Kühlerkondensat
mit 42,5 g NH3, 26 g C 0, und 6,8 g HZ S entgegenströmten. Insgesamt wurden
also durch Turm 6 stündlich durchgesetzt: 292,5 g N113, 284 g C 0, und 88,8 g H2
S. Der Ablauf, insgesamt stündlich 11,6 1, enthielt 290,7 g NH3, 197 g C02
und 4,6 g HZ S. Es waren also im Turm 6 bei einem NH3 Verlust von o,63 °/0 94,8
°/o des H2 S und 30,0°/o der C02 abgetrieben worden.
-
Von dem schwefelarmen Wasser wurden io 1 mit 250 g N H3, 170
g C OZ und 4 g H2 S wieder den Waschtürmen 4 zugeführt, wo es sich von neuem bis
auf Konzentrationen von 25,8 g C02 und 8,2 g H2 S je
Liter anreicherte.
Der Rest dieses Wassers, x,61, mit 40 g N H3, 27 g C O. und o,6 g
H. S wurde mit dem von den Wäschern g kommenden Ammoniakwasser vereinigt und zur
Gewinnung von verdichtetem Wasser abgetrieben.