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Die
Erfindung betrifft einen Prüfkörper zur Überprüfung von
Messprozessen mit Messgeräten, die
in der Fertigungsmesstechnik für
die messtechnische Ermittlung von Maß-, Form- und Lageabweichungen
eingesetzt werden.
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Bestandteile
eines Messprozesses in der Fertigungsmesstechnik sind neben dem
eingesetzten Messgerät
in seiner realen Umgebung (Temperatur, Schwingungen Schmutz) auch
das Werkstück
mit seinen unterschiedlichen Merkmalen (Messaufgaben) und die Messstrategie
(z. B. Anzahl und Verteilung von Messpunkten)[1]. Aufgabe der Qualitätssicherung
ist es, diese Messprozesse zu beurteilen (Abnahme- und Annahmeprüfungen,
Feststellung der Messunsicherheit) und periodisch zu überprüfen (Überwachungsmessungen).
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Dimensionelle
Messgeräte
in der Fertigungsmesstechnik werden aus praktischen, ökonomischen und
messtechnischen Gründen
vorteilhaft mit Hilfe kalibrierter Prüfkörper überprüft. Die durch Messung an diesen
Prüfkörpern bestimmten
Parameter für Maß-, Form-
und Lageabweichungen werden mit den entsprechenden kalibrierten
Parametern verglichen und so die Leistungsfähigkeit und die Messunsicherheit
des Messgerätes
festgestellt. Die Prüfkörper verkörpern die
Messgrößen mit
hinreichender Genauigkeit und können
mit hinreichend geringer Messunsicherheit kalibriert werden.
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Eine
bedeutende Untergruppe dieser Prüfkörper stellen
Maßverkörperungen
für Koordinatenmessgeräte dar.
Eine erste Gruppe dieser Maßverkörperungen
sind Längenmaßverkörperungen.
Diese können
1-dimensional (Stufenendmaße
bzw. Kugelleisten), 2-dimensional (Kugelplatten bzw. Lochplatten)
oder 3-dimensional (Kugelquader) ausgeführt sein. Auf diesen Maßverkörperungen
sind geometrische Elemente, wie Prismen, Zylinder oder Kugeln, auf
einem Grundkörper
angebracht [2, 3, 4]. Kalibriert werden die Positionen dieser geometrischen
Elemente auf den Grundkörpern,
wodurch verschieden große
Abstände
(Längen)
in teilweise unterschiedlichen Orientierungen (2- und 3-dimensionale
Prüfkörper) realisiert
werden. Bei einer zweiten Gruppe von Prüfkörpern sind geometrische Elemente,
wie Halbkugeln, ebene Flächen
oder zylindrische Bohrungen fertigungstechnisch (z. B. spanabhebend)
in den Grundkörper
eingebracht [5]; oder es sind geometrische Elemente wie Kugeln,
Ringe und Endmaße
auf dem Grundkörper
befestigt [
DE
0000 298 22 001 U1 ]. Bei dieser Art von Prüfkörpern können nicht
nur Abstände
sondern auch andere Messauf gaben (z. B. Durchmesser, Ebenheit, Parallelität) gemessen
werden.
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Eine
weitere Gruppe von Prüfkörpern stellen Maßverkörperungen
speziell für
Formmessungen dar. Diese Maßverkörperungen
besitzen auf ihrer Oberfläche
definierte Formabweichungen, deren Parameter ebenfalls durch Kalibrierung
messtechnisch festgelegt sind. Wichtige Beispiele sind hier das
so genannte Flicknormal [6] und neuerdings auch das Mehrwellennormal
[6]. Es werden bei diesen speziellen Prüfkörpern nur die Parameter der
Formabweichungen gemessen (nur diese sind kalibriert) und beurteilt.
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Die
gemeinsame Eigenschaft der Prüfkörper für die Koordinatenmessgeräte besteht
darin, dass die geometrischen Elemente idealgeometrisch ausgeführt sind,
d. h. sie weisen praktisch keine Formabweichungen und Rauheiten
auf. Damit soll der Einfluss des Prüfkörpers auf die Überprüfungsmessungen
bewusst vermieden werden, um vorrangig Aussagen über das Koordinatenmessgerät zu erhalten. Aus
dem selben Grund werden häufig
spezielle Materialen verwendet, die einen kleinen Wärmeausdehnungskoeffizienten
aufweisen. Nachteilig ist dabei, dass der wichtige Einfluss des
Messobjektes (Werkstück)
auf den Messprozess weitgehend nicht beurteilt werden kann. Bei
den Längenmaßverkörperungen
und den Prüfkörpern für Formmessungen
ist außerdem
nachteilig, dass praktisch die Leistungsfähigkeit eines Messgeräts durch
Angabe der Messabweichungen nur für eine Messaufgabe (Längen oder Formabweichungen) überprüft werden
kann. Weiterhin sind diese bekannten Prüfkörper sehr aufwändig in
Material und Herstellung und damit vergleichsweise teuer. Zudem
entsprechen sie in ihrem Aussehen und ihrer Handhabung nicht einem
Werkstück.
Dies behindert stark die Anwendung der bekannten Prüfkörper durch
den normalen Messgerätebediener.
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Wünschenswert
ist es, für
unterschiedlichste Messaufgaben, z. B. Abstände, Durchmesser, Kegel, Ebenheit,
Parallelität,
unter realen Messbedingungen die Genauigkeit von Messprozessen zu
beurteilen und aufgabenbezogene Messunsicherheiten einfach abzuschätzen.
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Der
vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, einen verbesserten
Prüfkörper zu schaffen,
der sich zur Überprüfung von
Messprozessen für
die Fertigungsmesstechnik eignet.
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Diese
Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch
gelöst,
dass mehrere unterschiedliche geometrische Elemente mit geeigneten
bzw. kalibrierten Form- und Lageabweichungen auf dem Prüfkörper angeordnet
sind, welche die Überprüfung wenigstens annähernd aller
Maß-,
Form- und Lageabweichungen bzw. sämtlicher Arten von Maß-, Form- und Lageabweichungen
zulassen. In einen Grundkörper werden
Verkörperungen
verschiedener geometrischer Merkmale zur Überprüfung von Messprozessen mit
Messgeräten
fertigungstechnisch eingebracht, die in der Fertigungsmesstechnik
für die messtechnische
Ermittlung von Maß-,
Form- und Lageabweichungen eingesetzt werden. Diese geometrischen
Merkmale bzw. Elemente sollen die Überprüfung möglichst aller Maß-, Form-
und Lageabweichungen zulassen, die bei der Fertigung in der mechanischen
Produktionstechnik vorkommen. Dazu gehö ren Abstände, Durchmesser, Winkel und
die in der DIN ISO 1101 festgelegten Form- und Lageabweichungen,
wie z. B. Geradheits-, Rundheits-, Parallelitäts-, Ebenheits- und Koaxialitätsabweichungen.
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Vorteilhaft
ist es, wenn der Grundkörper
des Prüfkörpers mit
wenigstens einem der unterschiedlichen geometrischen Elemente in
einem gemeinsamen Fertigungsprozess hergestellt ist und wenn der Grundkörper werkstückgleiches
oder werkstückähnliches
Material aufweist.
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Die
geometrischen Elemente wie zylindrische und kegelige Bohrungen,
Außenzylinder,
ebene Flächen
oder Lochkreise werden mit allgemein üblichen Fertigungsverfahren
erzeugt, bei denen Form- und Lageabweichungen fertigungstechnisch
bedingt sind. Der Prüfkörper kann
somit vorteilhaft aus dem Material gefertigt werden, das dem der
zu prüfenden Werkstück des Anwenders
entspricht, also auch aus Aluminium. Dies ist möglich, weil keine speziellen Fertigungsverfahren
zur Erzielung idealer Geometrieen eingesetzt zu werden brauchen,
deren Anwendung häufig
besondere Materialien bzw. Materialbehandlungen voraussetzen.
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Alternativ
oder zusätzlich
kann vorgesehen sein, dass wenigstens eines der unterschiedlichen geometrischen
Elemente separat gefertigt und in den Grundkörper gesondert eingebracht
ist.
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Es
ist auch möglich,
gezielt einzelne geometrische Elemente mit vorab definierten Merkmalen
(z. B. definierte Form- und Lageabweichungen sowie Rauheiten), nachträglich in
den Grundkörper
des Prüfkörpers einzusetzen.
Die Abweichungen auf den geometrischen Elementen können hierbei
durch spezielle Fertigungsmaschinen, wie z. B. mit einer Ultrapräzisionsdrehmaschine,
gefertigt werden, die mit einem piezoelektrischen Fast-Tool-Servo-System
ausgerüstet
ist [7]. Der Grundkörper
des Prüfkörpers und die
unterschiedlichen geometrischen Elemente können dazu auch aus unterschiedlichen
Materialien gebildet sein.
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Der
Grundkörper
des Prüfkörpers kann
zylindrisch ausgeführt
sein.
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Erfindungsgemäß kann ferner
vorgesehen sein, dass die Materialoberfläche des Prüfkörpers und/oder die Materialoberfläche wenigstens
eines der unterschiedlichen geometrischen Elemente durch spezielle
Verfahren zur Erhöhung
des mechanischen Widerstandes und zum Schutz gegen Korrosion behandelt
sind.
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Sämtliche
für die
Beschreibung der geometrischen Bestimmungsgrößen des Prüfkörpers notwendigen Parameter
(Maß-,
Form- und Lageabweichungen) können
durch Kalibrierung messtechnisch erfasst werden. Vorteilhaft ist
dabei, dass auch die zugehörigen
Messunsicherheiten (Kalibrierunsicherheiten) ermittelt werden. Damit
ist der Anwender in der Lage, die Qualität seiner Messungen aus den
gemessenen Abweichungen zu den Kalibrierwerten besser einzuschätzen. Dem
Anwender kann auch ein softwaregestütztes Verfahren unter Anwendung
der DIN ISO/TS 15530-3 zur Verfügung
gestellt werden, mit dem die Unsicherheit des Messprozesses für die Messaufgaben
ermittelt werden, die auf dem Prüfkörper rea lisiert
sind. Darüber
hinaus kann mit dieser Software auch die Unsicherheit des Messprozesses für solche
Messaufgaben abgeschätzt
werden, die nur ähnlich
den Messaufgaben sind, die auf dem Prüfkörper realisiert sind (z. B.
für geometrische
Elemente, die größere Abmessungen
aufweisen als auf dem Prüfkörper vorhanden).
Dies geschieht unter Berücksichtigung
der Genauigkeitsspezifikation des zu überprüfenden Messgerätes (z.
B. bei Koordinatenmessgeräten
mit Hilfe des Grenzwertes der Messabweichungen MPE [2]). Steuersoftware
für den Messablauf
am Prüfkörper kann
für das
zu überprüfende Messgerät genauso
bereit gestellt werden wie eine Aufspannvorrichtung. Zusammen mit
dem werkstückähnlichen
Aussehen trägt
dies alles zur Akzeptanz des Prüfkörpers bei.
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Die
mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesondere darin,
dass kalibrierte Prüfkörper für die Fertigungsmesstechnik
mehrere unterschiedliche geometrische Elemente mit Form- und Lageabweichungen
aufweisen, die die Überprüfung praktisch
aller Maß-,
Form- und Lageabweichungen zulassen,
dass diese Prüfkörper aus
werkstückgleichen
Materialien mit allgemein üblichen
Fertigungsverfahren einfach herstellbar sind, dass diese Prüfkörper unter
Berücksichtigung
der Form- und Lageabweichungen
mit Angabe der Messunsicherheiten kalibriert sind und dass damit
der gesamte Messprozess vor Ort für eine große Bandbreite von Messaufgaben
realitätsnah überprüfbar ist.
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Nachfolgend
ist anhand der Zeichnung prinzipmäßig ein Ausführungsbeispiel
der Erfindung beschrieben.
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Es
zeigt:
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1 eine
vereinfachte seitliche Schnittansicht eines erfindungsgemäßen Prüfkörpers; und
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2 eine
perspektivische Ansicht des erfindungsgemäßen Prüfkörpers aus 1.
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1 und 2 zeigen
ein Ausführungsbeispiel
eines erfindungsgemäßen Prüfkörpers 1 zur Überprüfung von
Messprozessen in der Fertigungsmesstechnik. Sein Grundkörper 2 ist
zylinderförmig ausgeführt. In
den beiden Stirn- bzw. Frontflächen 3a, 3b sind
folgende geometrische Elemente realisiert: zylindrische Bohrungen 4, 5 und 6 mit
unterschiedlichen Durchmessern und Tiefen, Lochkreise 7,
ein kurzer Kegel mit großem Öffnungswinkel 8 und ein
langer Kegel mit kleinem Öffnungswinkel 9,
die beiden Frontflächen 3a, 3b als
ebene Flächen,
die Fläche
des Absatzes 10, der Außenzylinder des Grundkörpers 2 bzw.
die Außenflächen 11, 12 seiner beiden
Teilzylinder. Überprüft werden
können
damit z. B. die folgenden Parameter: Durchmesser, Rundheits- und
Zylinderformabweichungen für
die geometrischen Elemente 4, 5, 6, 8, 9;
Lochkreisdurchmesser und Durchmesserabweichungen für das geometrische
Element 7; Stufenhöhe
zwischen Fläche 3b und
Absatz zu Kegel 9; Öffnungswinkel
der Kegel 8 und 9, Parallelitätsabweichungen zwischen den Frontflächen 3a und 3b;
Geradheitsabweichungen der Mantelflächen des Außenzylinders 11, 12;
Rechtwinkligkeitsabweichungen zwischen der Mantelfläche des
Außenzylinders 11, 12 und
der Frontfläche 3a bzw. 3b;
Ebenheitsabweichungen der Frontflächen 3a bzw. 3b;
Konzentrizitäts-
bzw. Koaxia litätsabweichungen
zwischen einzelnen Zylindern (3 bis 6) bzw. zwischen
den beiden Teilzylindern 11 und 12.
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Somit
sind mehrere unterschiedliche geometrische Elemente 3a bis 12 mit
geeigneten bzw. kalibrierten Form- und Lageabweichungen auf dem Prüfkörper 1 angeordnet,
welche die Überprüfung wenigstens
annähernd
aller Maß-,
Form- und Lageabweichungen bzw. sämtlicher Arten von Maß-, Form- und
Lageabweichungen zulassen.
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Im
vorliegenden Ausführungsbeispiel
ist der Grundkörper 2 des
Prüfkörpers 1 mit
den unterschiedlichen geometrischen Elementen 3a bis 12 in einem
gemeinsamen Fertigungsprozess hergestellt. Der Grundkörper 2 weist
werkstückgleiches
Material auf. In anderen nicht dargestellten Ausführungsbeispielen
kann wenigstens eines der unterschiedlichen geometrischen Elemente
separat gefertigt und in den Grundkörper gesondert eingebracht
sein. Der Grundkörper
des Prüfkörpers und
die unterschiedlichen geometrischen Elemente können dazu auch aus unterschiedlichen
Materialien gebildet sein.
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In
weiteren Ausführungsbeispielen
könnte die
Materialoberfläche
des Prüfkörpers 1 und/oder die
Materialoberfläche
wenigstens eines der unterschiedlichen geometrischen Elemente 3a bis 12 durch
spezielle Verfahren zur Erhöhung
des mechanischen Widerstandes und zum Schutz gegen Korrosion behandelt
sein.
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Literatur
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- [1] VDI/VDE 2617 Blatt 7, Genauigkeit von Koordinatenmessgeräten, Kenngrößen und
deren Prüfung: Ermittlung der
Unsicherheit von Messungen auf Koordinatenmessgeräten durch
Simulation, Beuth Verlag, 2006
- [2] VDI/VDE 2617 Blatt 2.1, Leitfaden zur Anwendung von DIN
EN ISO 10360-2 zur Prüfung
von Längenmaßen, Beuth
Verlag, 2005
- [3] VDI/VDE 2617 Blatt 2.3, Koordinatenmessgeräte großer Bauart,
Beuth Verlag, 2006
- [4] VDI/VDE 2617 Blatt 5, Überwachung
durch Prüfkörper, Beuth
Verlag, 2001
- [5] Messzentrum QfM, Universität Erlangen, www.messzentrum-gfm.de/
- [6] VDI/VDE 2617 Blatt 2.2, Formmessung, Beuth Verlag, 2000
- [7] Pfeifer, Tilo u.a.: Formen mit Koordinatenmessgeräten erfassen,
QZ Jahrgang 50 (2005) 5, S. 45-49