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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Beeinflussung der subjektiven Wahrnehmung von Beschleunigungen in Fahrzeugen oder Fahrsimulatoren nach der im Oberbegriff von Anspruch 1 näher definierten Art sowie ein entsprechendes Fahrzeug und einen entsprechenden Fahrsimulator zur Durchführung des Verfahrens.
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Die subjektive Wahrnehmung und Beurteilung des Fahrverhaltens eines Fahrzeugs wird auch als Fahrbarkeit bezeichnet. Die Fahrbarkeit spielt eine wichtige Rolle für die Kundenzufriedenheit und damit die Entscheidung zum Kauf eines Fahrzeugs. Die Fahrbarkeit eines Fahrzeugs lässt sich typischerweise erst durch das Bereitstellen und Testen eines Prototypen bewerten. Prototypen werden jedoch erst gegen Ende der Entwicklung eines Fahrzeugs gebaut, sodass nur noch geringe Anpassungsmöglichkeiten zum Ändern von Triebstrangkonzepten zur Verfügung stehen. Mit Hilfe von Fahrsimulatoren ist es hingegen möglich die Fahrbarkeit eines Fahrzeugs auch in einer früheren Konzeptphase bewerten zu können.
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Es sind die unterschiedlichsten Bauformen für Fahrsimulatoren bekannt. Meist besteht ein solcher Fahrsimulator aus einer auf ein sogenanntes Hexapod-System aufgesetzten Fahrkanzel. Mit Hilfe des Hexapods lässt sich die Fahrkanzel innerhalb von sechs Freiheitsgraden bewegen. Dies ermöglicht eine translatorische und rotatorische Bewegbarkeit der Fahrkanzel. Ein solches Hexapod-System kann auch auf einem eindimensional oder zweidimensional beweglichen Schlitten montiert sein, um auch eine Beweglichkeit der Fahrkanzel in sieben bzw. acht Freiheitsgrade zu ermöglichen.
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In all diesen Fahrsimulatoren sollen durch dynamische Bewegungen möglichst realistische Fahreindrücke erzeugt werden. Da der zur Verfügung stehende Bewegungsraum aber limitiert ist, können große und/oder lang anhaltende Beschleunigungen nicht 1:1 nachgebildet werden. Deshalb werden diverse Verfahren eingesetzt, um die subjektive Beschleunigungswahrnehmung zu unterstützen. Diese Verfahren fasst man auch unter dem Begriff „Motion-Cueing“ zusammen. Doch selbst modernste Fahrsimulatoren können große und/oder lang anhaltende Beschleunigungs- bzw. Bremsvorgänge nicht realistisch abbilden. Als Konsequenz fühlen sich starke Beschleunigungen bzw. Abbremsungen im Fahrsimulator zu schwach an.
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Für die Wahrnehmung von Fahrzeugbeschleunigungen sind neben der visuellen und auditiven Wahrnehmung vor allem die vestibulären und somatosensorischen Sinneskanäle von Bedeutung.
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Die vestibuläre Wahrnehmung basiert auf dem im Innenohr liegenden Vestibularapparat, auch Gleichgewichtsorgan genannt. Die Sinneshärchen im Vestibularapparat können sowohl von translatorischen Beschleunigungen, als auch durch die Erdgravitation ausgelenkt und stimuliert werden. Um zwischen diesen beiden Reizursachen unterscheiden zu können, sind jedoch Informationen aus anderen Sinneskanälen, wie dem visuellen und somatosensorischen System, notwendig. Dieses Phänomen macht man sich im Fahrsimulator zunutze, indem das Mockup derart gekippt wird, dass die Neigung von dem Probanden nicht als solche bewusst wahrgenommen wird. Optisch wird den Probanden anstatt der Neigung eine entsprechende Geschwindigkeitsänderung des virtuellen Fahrzeugs präsentiert. Dieses Vorgehen ist als Tilt-Coordination bekannt. Bei allzu großen Neigungswinkeln bemerken die Probanden anhand der veränderten somatosensorischen Empfindung jedoch ihre gekippte Position. Der Einsatz der Tilt-Coordination ist deshalb nur mit moderatem Neigungswinkel sinnvoll. Außerdem darf der Neigungswinkel nicht zu schnell aufgebaut werden, da die Probanden ansonsten die Drehung bemerken.
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An der somatosensorischen Wahrnehmung, auch somatoviszerale Sensibilität genannt, sind Mechano-, Thermo- und Schmerzrezeptoren beteiligt. Für die Wahrnehmung von Fahrzeugbewegungen spielen allerdings nur die Mechanorezeptoren eine Rolle. Unter der Gesamtheit verschiedener Sinnesinformationen, die aus Mechanorezeptoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken stammen, versteht man die propriozeptive Wahrnehmung, auch Tiefensensibilität genannt. Im Kontext von Fahrzeugbeschleunigungen spielt insbesondere der Kraftsinn, also der Spannungszustand der Muskeln und Sehnen, eine große Rolle. So können anhand von Zugkräften im Nacken oder anhand von Druckänderungen zwischen Rücken, Gesäß, Oberschenkeln und dem Sitz, Rückschlüsse auf die Fahrzeugbeschleunigung gezogen werden. Neben der translatorischen und rotatorischen Bewegung der Fahrkanzel können einem Probanden Beschleunigungseindrücke auch dadurch vermittelt werden, dass beispielsweise mittels eines Helms, umfassend eine Force-Feedback-Aktorik, Zugkräfte auf den Nacken des Probanden aufgeprägt werden, aktive Verformungselemente im Fahrersitz betätigt werden oder elektrisch betätigbare Gurtstraffer zur Darstellung von Kräften auf den Brustkorb angesteuert werden.
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In der Patentliteratur finden sich diverse Quellen, die sich mit der Weiterentwicklung von Fahrsimulatoren beschäftigen, wie beispielsweise die
US 2022/0193561 A1 oder die
US 2022/0219093 A1 .
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Eine umfangreiche Auseinandersetzung mit der Thematik der Entwicklung von Simulationsumgebungen für Fahrsimulatoren, welche eine subjektive Bewertung der Fahrbarkeit ermöglichen, findet sich auch in der Dissertation des Erfinders: Edwin Baumgartner, Frontloading durch Fahrbarkeitsbewertungen in Fahrsimulatoren, Springer Vieweg Wiesbaden, Wissenschaftliche Reihe Fahrzeugtechnik Universität Stuttgart, E-Book ISBN: 978-3-658-36308-6, 23.11.2021, DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-36308-6.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde ein Verfahren zur Beeinflussung der subjektiven Wahrnehmung von Beschleunigungen in Fahrzeugen oder Fahrsimulatoren anzugeben, mit dessen Hilfe die subjektive Wahrnehmung von Beschleunigungen für Fahrer bzw. Probanden weiter verbessert wird.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Beeinflussung der subjektiven Wahrnehmung von Beschleunigungen in Fahrzeugen oder Fahrsimulatoren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen sowie ein Fahrzeug und ein Fahrsimulator zur Durchführung des Verfahrens ergeben sich aus den hiervon abhängigen Ansprüchen.
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Ein gattungsgemäßes Verfahren zur Beeinflussung der subjektiven Wahrnehmung von Beschleunigungen in Fahrzeugen oder Fahrsimulatoren, wobei ein Fahrer auf einem Fahrersitz platziert ist und mit wenigstens einer Hand ein Steuermittel zum Steuern des Fahrzeugs oder Fahrsimulators ergreift, und wobei das Fahrzeug oder der Fahrsimulator ein Fahrmanöver durchführt, welches eine positive oder negative Beschleunigung des Fahrers in wenigstens eine Raumrichtung zur Folge hat, wird erfindungsgemäß dadurch weitergebildet, dass das Steuermittel und/oder der Fahrersitz in Abhängigkeit eines Vorzeichens der auf den Fahrer einwirkenden Beschleunigung translatorisch aufeinander zu oder voneinander weg bewegt werden.
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Dem erfindungsgemäßen Verfahren liegt die Idee zugrunde während der Nutzung eines Fahrzeugs bzw. eines Fahrsimulators gezielt die somatosensorische Wahrnehmung des Fahrers des Fahrzeugs bzw. Fahrsimulators anzusprechen. Durch das Bewegen des Steuermittels, beispielsweise eines Lenkrads, Steuerhorns oder dergleichen und/oder des Fahrersitzes, können die Armmuskeln und/oder Handmuskeln des Fahrers gezielt gestaucht oder gedehnt werden. Hierdurch lässt sich der Eindruck einer Beschleunigung oder Abbremsung des Fahrzeugs erzeugen.
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Eine Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit des realen oder simulierten Fahrzeugs führt dabei zu einer positiven Beschleunigung und eine Reduktion der Fahrgeschwindigkeit, also das Abbremsen des Fahrzeugs, zu einer negativen Beschleunigung.
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Es kann entweder nur das Steuermittel, nur der Fahrersitz oder aber sowohl das Steuermittel und der Fahrersitz gleichzeitig bewegt werden. Die Bewegung kann dabei in beliebige Raumrichtungen erfolgen, solange sich das jeweilige Steuermittel und Fahrersitz aufeinander zu bzw. voneinander weg bewegen. Die Bewegungsrichtung wird dabei mit der Beschleunigungsrichtung korreliert.
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Bevorzugt werden dabei das Steuermittel und/oder der Fahrersitz in Abhängigkeit einer Höhe der auf den Fahrer einwirkenden Beschleunigung translatorisch aufeinander zu oder voneinander weg bewegt. Je größer die Beschleunigung des (realen oder virtuellen) Fahrzeugs bzw. des Fahrers, desto schneller können das Steuermittel und/oder der Fahrersitz bewegt werden. Somit ist es möglich allein durch die Bewegung des Steuermittels und/oder des Fahrersitzes unterschiedlich hohe Beschleunigungen für den Fahrer „fühlbar“ zu machen. Dies kann das Fahrgefühl in einem realen Fahrzeug verbessern sowie ein realitätsnahes Fahrgefühl bei der Nutzung eines Fahrsimulators ermöglichen.
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Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahren sieht ferner vor, dass
- - das Steuermittel und/oder der Fahrersitz bei einer positiven translatorischen Beschleunigung des realen oder simulierten Fahrzeugs in Richtung der Fahrzeuglängsachse, in Richtung der Fahrzeuglängsachse voneinander weg bewegt werden, um die vom Fahrer wahrgenommene Beschleunigung zu erhöhen;
- - das Steuermittel und/oder der Fahrersitz bei einer positiven translatorischen Beschleunigung des realen oder simulierten Fahrzeugs in Richtung der Fahrzeuglängsachse, in Richtung der Fahrzeuglängsachse aufeinander zu bewegt werden, um die vom Fahrer wahrgenommene Beschleunigung abzuschwächen;
- - das Steuermittel und/oder der Fahrersitz bei einer negativen translatorischen Beschleunigung des realen oder simulierten Fahrzeugs in Richtung der Fahrzeuglängsachse, in Richtung der Fahrzeuglängsachse aufeinander zu bewegt werden, um die vom Fahrer wahrgenommene Beschleunigung zu erhöhen; und/oder
- - das Steuermittel und/oder der Fahrersitz bei einer negativen translatorischen Beschleunigung des realen oder simulierten Fahrzeugs in Richtung der Fahrzeuglängsachse, in Richtung der Fahrzeuglängsachse voneinander weg bewegt werden, um die vom Fahrer wahrgenommene Beschleunigung abzuschwächen.
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Mit Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens lässt sich mit anderen Worten die vom Fahrer wahrgenommene Fahrdynamik während der Nutzung des Fahrzeugs bzw. Fahrsimulators verstärken oder abschwächen. Das Verstärken der Fahrdynamik ist insbesondere für Personen relevant, welche eine sportliche Fahrweise bevorzugen. So können Beschleunigungsvorgänge intensiviert werden, was den Fahrspaß verbessert. Das Abschwächen der Fahrdynamik ist insbesondere für komfortbewusste Fahrer von Bedeutung. So kann durch das Abschwächen der wahrnehmbaren Fahrdynamik ein besonders ruhiges Fahrgefühl vermittelt werden, was entsprechend den Komfort für die Nutzer des Fahrzeugs bzw. Fahrsimulators verbessert. Zusammengefasst lässt sich je nach Vorlieben des Nutzers die Nutzerinteraktion mit dem Fahrzeug bzw. Fahrsimulator verbessern.
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Wie bereits im vorigen erwähnt, handelt es sich bei einer positiven translatorischen Beschleunigung um ein Erhöhen der Fahrgeschwindigkeit, insbesondere manuell bewirkt durch das Durchtreten eines Gaspedals, und bei einer negativen translatorischen Beschleunigung um ein Abbremsen des realen oder simulierten Fahrzeugs, insbesondere manuell bewirkt durch das Durchtreten eines Bremspedals.
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Die Relativbewegungen von Steuermittel und/oder dem Fahrersitz sollten dabei so langsam ausgeführt werden, dass der Fahrer sie nicht bemerkt. Dies ist insbesondere bei einer Stellbewegung von einigen wenigen Millimetern bis zu einigen wenigen Zentimetern möglich. Unbewusst nimmt der Fahrer die hierdurch in seinen Gliedmaßen eingestellten Zug- bzw. Druckkräfte wahr, was das Beschleunigungsempfinden des Fahrers anspricht. Bei den allermeisten Manövern sind bereits wenige Millimeter Verfahrweg ausreichend, um die Zug- bzw. Druckkräfte an Händen und Armen hinreichend zu vergrößern, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
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Grundsätzlich ist das erfindungsgemäße Verfahren anwendbar, wenn sich nur das Steuermittel oder nur der Fahrersitz alleine bewegt. Idealerweise werden jedoch beide Bauteile bewegt, weil sich somit die zurückzulegende Strecke pro Bauteil reduzieren lässt und damit die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die Bewegung vom Fahrer bewusst bemerkt wird. So können zudem beide Bauteile langsamer bewegt werden, was das bewusste Wahrnehmen der Stellbewegung zusätzlich erschwert.
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Ist das dazustellende Beschleunigungs- oder Bremsmanöver abgeschlossen, so müssen der Fahrersitz und/oder das Steuermittel wieder in ihre Ausgangsposition zurückgebracht werden, damit sie für das nächste Manöver wieder bereitgestellt werden können. Das Zurückfahren in die Ausgangsposition sollte dabei ebenfalls äußerst langsam erfolgen, damit das Zurückfahren nicht vom Fahrer bemerkt wird. Ein solch langsames Zurückfahren wird auch als sogenanntes „Washout“ bezeichnet.
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Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht ferner vor, dass das Steuermittel und/oder der Fahrersitz bei einer Beschleunigung des realen oder simulierten Fahrzeugs in Richtung der Fahrzeugquerachse in Richtung der Fahrzeugquerachse aufeinander zu oder voneinander weg bewegt werden. Auch hier wird die Bewegungsrichtung und Bewegungsgeschwindigkeit in Abhängigkeit des Vorzeichens und der Höhe der Beschleunigung gewählt. Somit lassen sich nicht nur in Richtung der Fahrzeuglängsachse wirkende Beschleunigungen, sondern auch in Richtung der Fahrzeugquerachse wirkende Beschleunigungen dem Fahrer aufprägen. Das aufeinander zubewegen des Steuermittels und des Fahrersitzes ist dabei jedoch nur dann möglich, wenn diese bereits vorher in Richtung der Fahrzeugquerachse voneinander weg bewegt wurden. Solche lateralen Bewegungen treten beispielsweise bei einer Kurvenfahrt oder bei einem Unfall auf. Longitudinale Soll-Beschleunigungen, also in Richtung der Fahrzeuglängsachse wirkende Beschleunigungen, sind typischerweise deutlich größer als laterale Soll-Beschleunigungen, also die bei einer Kurvenfahrt auftretenden Beschleunigungen in Richtung der Fahrzeugquerachse.
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Generell ist es auch denkbar das Steuermittel und/oder den Fahrersitz vertikal voneinander weg bzw. wieder aufeinander zu zubewegen. Dies ermöglicht es die Wahrnehmbarkeit von vertikalen, also in Richtung der Fahrzeughochachse wirkenden Beschleunigungen, zu beeinflussen. Solche Beschleunigungen treten beispielsweise beim schnellen Überfahren einer Bergkuppe oder einer Anhebung auf, insbesondere wenn hierdurch das Fahrzeug vom Boden abhebt. Dies stellt allerdings einen im Alltag eher seltenen Anwendungsfall dar.
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Entsprechend einer weiteren vorteilhaften Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Bewegungsablauf des Steuermittels und/oder des Fahrersitzes ruckfrei gestartet. Hierdurch lässt sich die Wahrnehmbarkeit der Stellbewegung des Steuermittels und/oder des Fahrersitzes für den Fahrer reduzieren, wodurch das Risiko gesenkt wird, dass der Fahrer die Bewegung des Steuermittels bzw. Fahrersitzes bemerkt. Hierdurch wird die subjektive Wahrnehmung der Beschleunigung noch weiter verbessert. Bevorzugt werden hierzu ruckfrei bewegbare Aktoren eingesetzt. Diese werden entsprechend angesteuert.
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Bei einem Fahrzeug, umfassend eine Recheneinheit sowie ein aktoatorisch translatorisch verschiebbares Steuermittel und/oder einen aktoatorisch translatorisch verschiebbaren Fahrersitz, sind erfindungsgemäß die Recheneinheit sowie das Steuermittel und/oder der Fahrersitz dazu eingerichtet sind, ein im vorigen beschriebenes Verfahren auszuführen. Bei dem Fahrzeug kann es sich um ein beliebiges Fahrzeug wie einen Pkw, Lkw, Transporter, Bus oder dergleichen handeln. Es könnte sich generell nicht nur um ein Straßenfahrzeug, sondern auch um ein Schienenfahrzeug, Wasserfahrzeug oder Luftfahrzeug handeln. Besonders bevorzugt handelt es sich jedoch um einen Pkw, insbesondere einen Sportwagen, Roadster oder dergleichen.
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Bei der Recheneinheit kann es um einen zentralen Bordcomputer, ein Steuergerät eines Fahrzeuguntersystems oder dergleichen handeln. Die Recheneinheit dient dazu den jeweiligen Aktor zum Bewegen des Steuermittels und/oder Fahrersitzes anzusteuern. Hierzu wertet die Recheneinheit auf das Fahrzeug wirkende Beschleunigungen aus. Diese Beschleunigungen können mit Hilfe dedizierter Beschleunigungssensoren erfasst werden. Die Beschleunigungen können jedoch auch rechnerisch mit Hilfe von Simulationsmodellen live während des Betriebs des Fahrzeugs abgeschätzt werden. Hierzu kann im Fahrzeug ein Fahrzeugmodell vorgehalten bzw. ausgeführt werden und Beschleunigungen aus indirekten Größen abgeleitet werden, wie beispielsweise einer Raddrehzahl bzw. Fahrgeschwindigkeitsänderung, einer Gaspedal- oder Bremspedalstellung, einem eingeschlagenen Lenkwinkel und dergleichen.
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Mit Hilfe eines solchen erfindungsgemäßen Fahrzeugs lässt sich der Fahrspaß bzw. der Fahrkomfort erhöhen. Bevorzugt der Fahrer des Fahrzeugs eine sportliche Fahrweise, so kann beim Gas geben das Steuermittel und/oder der Fahrersitz voneinander weg bewegt werden, um die gefühlte Beschleunigung zu erhöhen. Es wäre auch denkbar beim Abbremsen durch Betätigen des Bremspedals das Steuermittel und den Fahrersitz aufeinander zu zubewegen. Für einen Nutzer, der eine komfortablere Fahrweise bevorzugt, kann gegensätzlich vorgegangen werden. So kann hier beim Beschleunigen des Fahrzeugs das Steuermittel und der Fahrersitz aufeinander zu bewegt werden, um die auf den Fahrer wirkenden Beschleunigungen zumindest teilweise zu kompensieren und entsprechend beim Bremsen voneinander weg bewegt werden.
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Typischerweise verfügen, insbesondere Mittel- und Oberklassefahrzeuge, über elektrische Stellmittel zum Verändern der Position des Fahrersitzes und des Lenkrads. Dies ermöglicht es gemäß einer vorteilhaften Ausführung des erfindungsgemäßen Fahrzeugs, wenigstens einen Aktor zum Bewegen des Steuermittels oder des Fahrersitzes durch einen zum Verstellen der Position des Steuermittels oder Fahrersitzes ohnehin vorgesehenen Elektromotor auszubilden. Somit kann das erfindungsgemäße Verfahren ohne Hardware-Modifikation in entsprechende Fahrzeuge implementiert werden. Es müssen lediglich entsprechende Ansteuerungsprogramme in eine jeweilige Recheneinheit des Fahrzeugs eingebracht werden. Somit lässt sich das erfindungsgemäße Verfahren kostengünstig implementieren und sogar in Bestandsfahrzeugen nachrüsten. Bevorzugt können entsprechende Programme auch drahtlos, also Over-the-Air, in eine entsprechende Recheneinheit eingebracht werden.
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Generell wäre es auch denkbar dedizierte Aktoren bzw. Stellmittel vorzusehen. Diese könnten auch hydraulisch, pneumatisch, elektromagnetisch oder dergleichen betätigbar sein.
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Bei einem Fahrsimulator, umfassend eine Recheneinheit sowie ein aktoatorisch translatorisch verschiebbares Steuermittel und/oder ein aktoatorisch translatorisch verschiebbarer Fahrersitz, sind erfindungsgemäß die Recheneinheit sowie das Steuermittel und/oder der Fahrersitz dazu eingerichtet, ein im vorigen beschriebenes Verfahren auszuführen. Durch die Anwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens in einem Fahrsimulator kann die Realitätsnähe des Fahrsimulators gesteigert werden. Zudem kann die sogenannte Simulatorkrankheit zumindest abgeschwächt oder in einigen Situationen auch verhindert werden.
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Eine vorteilhafte Weiterbildung des erfindungsgemäßen Fahrsimulators sieht dabei vor, dass der Fahrersitz an einen Fahrersitzträger angeschlossen ist, welcher wiederum an ein Hexapod-System angeschlossen ist, welches optional an einen eindimensional oder zweidimensional translatorisch beweglichen Schlitten angeschlossen ist, wobei die Recheneinheit dazu eingerichtet ist, das Hexapod-System und/oder den Schlitten in Abhängigkeit des Vorzeichens und/oder der Höhe der auf den Fahrer einwirkenden Beschleunigung anzusteuern, um der translatorischen Bewegung des Steuermittels und/oder des Fahrersitzes eine translatorische und/oder rotatorische Bewegung des Fahrersitzträgers zu überlagern. Hierdurch ist das Aufprägen noch größerer Beschleunigungen möglich. Wie bereits eingangs erwähnt, umfassen moderne Fahrsimulatoren ein sogenanntes Hexapod-System, welches eine entsprechende Fahrerkanzel bzw. Fahrersitzträger trägt. Das Hexapod-System lässt sich in sechs Freiheitsgrade bewegen. So kann der Fahrersitzträger translatorisch nach vorne, zur Seite sowie hoch und runter gefahren werden. Zudem ist das Aufprägen von Rotationen um die Fahrzeuglängsachse, Fahrzeugquerachse und Fahrzeughochachse möglich. Mit Hilfe eines beweglichen Schlittens kann zudem der Verfahrweg in Richtung der Fahrzeuglängsachse sowie gegebenenfalls in Richtung der Fahrzeugquerachse vergrößert werden.
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Das dem Fahrer aufzuprägende Soll-Beschleunigungssignal wird dabei in mehrere Einzelkomponenten aufgeteilt. Diese Einzelkomponenten setzen sich aus der rotatorischen Bewegung des Hexapods, der translatorischen Bewegung des Hexapods, der translatorischen Bewegung des Schlittens sowie der translatorischen Bewegung des Fahrersitzes und des Steuermittels zusammen. Fehlt der Schlitten, so entfallen die entsprechenden Einzelkomponenten.
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Die Tilt-Coordination, also das rotatorische Kippen des Hexapods, darf vom Fahrer nicht bewusst bemerkt werden. Aufgrund dessen erfolgt die Bewegung vergleichsweise langsam. Das entsprechende Stellsignal wird daher tiefpassgefiltert.
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Der Schlitten weist eine vergleichsweise hohe Massenträgheit auf und kann daher keine extrem dynamischen Bewegungen vollführen. Bevorzugt kann der Schlitten mittlere Beschleunigungsfrequenzen abbilden, was eine entsprechende Bandpassfilterung des über den Schlitten aufzuprägenden Soll-Beschleunigungssignals erfordern kann.
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Verbleibende dynamische Hochpass-Anteile werden von der translatorischen Hexapod-Bewegung übernommen. Entsprechend kann ein Hochpassfilter in Signalflussrichtung vorgesehen sein.
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Die durch translatorische Verschiebung des Steuermittels und/oder des Fahrersitzes aufzuprägenden Bewegungskomponenten dürfen ebenfalls nicht vom Fahrer bemerkt werden, und müssen ähnlich der Tilt-Coordination langsam erfolgen. Folglich bilden auch sie eine Tiefpass-Charakteristik der Soll-Beschleunigung ab.
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Durch das Überlagern der entsprechenden Beschleunigungseinzelkomponenten sind größere Beschleunigungsmagnituden im Fahrsimulator darstellbar.
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Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Fahrsimulators sieht ferner vor, dass die Recheneinheit ferner dazu eingerichtet ist, zum Aufprägen einer bestimmten Beschleunigung auf den Fahrer, den Bewegungsablauf des Hexapodsystems und/oder des Schlittens weniger stark ausgeprägt auszuführen, als im Anwendungsfall ohne das translatorische Verschieben des Steuermittels und/oder des Fahrersitzes. Da ein Anteil der dem Fahrer aufzuprägenden Beschleunigung durch das translatorische Verschieben des Steuermittels und/oder des Fahrersitzes realisiert wird, kann entsprechend der Anteil der über das translatorische Bewegen des Hexapods, des Schlittens oder der rotatorischen Bewegung des Hexapods dem Fahrer aufzuprägenden Beschleunigungsanteils reduziert werden. Somit kann entweder eine geringere Stellgeschwindigkeit oder ein geringer Verstellweg genutzt werden. Durch eine Reduktion der Stellgeschwindigkeit kann das Risiko reduziert werden, dass der Fahrer bzw. der Proband die jeweilige Stellbewegung spürt. Bei einer geringeren Stellgeschwindigkeit können zudem die Simulatorgrenzen weiter ausgereizt werden. So steht nämlich ein längerer Stellweg zur Verfügung, wodurch sich entsprechende Beschleunigungen für eine längere Zeitdauer aufprägen lassen. Dies erhöht die Flexibilität des erfindungsgemäßen Fahrsimulators, wie genau welche Komponenten angesteuert werden sollen, um bestimmte Beschleunigungen umzusetzen.
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Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Beeinflussung der subjektiven Wahrnehmung von Beschleunigungen in Fahrzeugen oder Fahrsimulatoren ergeben sich auch aus den Ausführungsbeispielen, welche nachfolgend unter Bezugnahme auf die Figuren näher beschrieben werden.
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Dabei zeigen:
- 1 eine schematisierte Seitenansicht eines Fahrers eines erfindungsgemäßen Fahrzeugs oder Fahrsimulators zu drei verschiedenen Bewegungszuständen;
- 2 eine schematisierte Draufsicht auf das erfindungsgemäße Fahrzeug oder Fahrsimulator, zeigend eine alternative Relativbeweglichkeit eines Fahrersitzes und eines Steuermittels zueinander; und
- 3 ein schematisiertes Ersatzschaltbild eines Algorithmus zum Ansteuern des erfindungsgemäßen Fahrsimulators.
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1 zeigt in einer Seitenansicht einen Fahrer 1 eines erfindungsgemäßen nicht näher dargestellten Fahrzeugs oder Fahrsimulators. Der Fahrer 1 sitzt auf einem Fahrersitz 2 und greift mit seinen Händen ein Steuermittel 3, beispielsweise ein Lenkrad. 1 zeigt dabei drei Bewegungszustände. In 1a) ist eine Fahrt bei konstanter Geschwindigkeit gezeigt. In 1b) beschleunigt der Fahrer 1 das reale Fahrzeug bzw. den Fahrsimulator durch Durchdrücken des Gaspedals. Hierdurch wird die Fahrgeschwindigkeit in Richtung der Fahrzeuglängsachse L erhöht. In 1c) bremst der Fahrer 1 das reale bzw. simulierte Fahrzeug ab, sodass in Richtung der Fahrzeuglängsachse L eine negative Beschleunigung wirkt.
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Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Beeinflussung der subjektiven Wahrnehmung von Beschleunigungen in Fahrzeugen oder Fahrsimulatoren sieht dabei vor, dass das Steuermittel 3 und/oder der Fahrersitz 2 in Abhängigkeit eines Vorzeichens, und bevorzugt auch einer Höhe der auf den Fahrer 1 einwirkenden Beschleunigung, translatorisch aufeinander zu oder voneinander weg bewegt werden. Hierdurch lässt sich die somatosensorische Wahrnehmung des Fahrers 1 gezielt ansprechen bzw. reizen. Durch das aufeinander zu bzw. voneinander weg Bewegen des Fahrersitzes 2 und des Steuermittels 3 lassen sich gezielt Druck- oder Zugspannungen in den Muskeln und Sehnen der Arme und der Hände des Fahrers 1 einbringen, wodurch der Fahrer 1 eine entsprechend gesteigerte bzw. abgeminderte Beschleunigung empfindet. 1 zeigt dabei den Fall, dass die auf den Fahrer 1 wirkende gefühlte Beschleunigung vergrößert wird. Hierdurch kann das Fahrerlebnis bei einer sportlichen Fahrweise erhöht werden bzw. es lassen sich in einem Fahrsimulator größere Beschleunigungen dem Fahrer 1 aufprägen.
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In 1b) wird hierzu das Steuermittel 3 in Richtung der Fahrzeug Längsachse L vom Fahrer 1 weg bewegt oder der Fahrersitz 2 entgegen der Fahrzeuglängsachse L vom Steuermittel 3 weg bewegt. Besonders bevorzugt werden gleichzeitig der Fahrersitz 2 und das Steuermittel 3 verschoben. So können bei einem geringeren Verstellweg kleinere Verstellgeschwindigkeiten genutzt werden, wodurch die entsprechende Stellbewegung durch den Fahrer 1 weniger wahrnehmbar ist. Entsprechende Stellwege können bevorzugt in einer Größenordnung von einigen wenigen Millimetern, bis maximal einigen wenigen Centimetern liegen.
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In 1c) werden entsprechend der Fahrersitz 2 und/oder das Steuermittel 3 aufeinander zu bewegt.
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2 zeigt eine Draufsicht auf das Fahrzeug bzw. den Fahrsimulator. Der Fahrersitz 2 und/oder das Steuermittel 3 können auch parallel zur Fahrzeugquerachse Q aufeinander zu bzw. voneinander weg bewegt werden. 2 zeigt dabei den Fall, dass das Steuermittel 3 in Richtung der Fahrzeugquerachse Q und der Fahrersitz 2 entgegen der Fahrzeugquerachse Q bewegt werden. Dies ermöglicht es dem Fahrer 1 nicht nur in Richtung der Fahrzeuglängsachse L wirkende longitudinale Beschleunigungen aufzuprägen, sondern auch in Richtung der Fahrzeugquerachse Q wirkende laterale Beschleunigungen. Solche lateralen Beschleunigungen können beispielsweise bei einer Kurvenfahrt oder bei einem Unfall auftreten.
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3 zeigt ein schematisiertes Ersatzschaltbild 7 eines Algorithmus zum Ansteuern des erfindungsgemäßen Fahrsimulators. Ein Diagramm 8 zeigt die dem Fahrer 1 über den Fahrsimulator aufzuprägende Soll-Beschleunigung aSOLL. Ein Diagramm 9 zeigt die dem Fahrer 1 dabei durch Ansteuern des Fahrsimulators mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens tatsächlich aufprägbare wahrgenommen Beschleunigung awahrgenommen über der Zeit t.
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Ein entsprechendes Soll-Beschleunigungssignal 10 wird hierzu in mehrere Einzelkomponenten 10.1-10.5 aufgeteilt. 3 zeigt dabei idealisiert eine mögliche Ausführung des Fahrsimulators. Der Fahrsimulator umfasst einen Fahrersitzträger 4, welcher an ein Hexapod-System 5 angeschlossen ist. Das Hexapod-System 5 wiederum sitzt auf einem ein- bzw. zweidimensional translatorisch verschiebbaren Schlitten 6. Die erste Einzelkomponente 10.1 entspricht einer rotatorischen Bewegung des Hexapod-Systems 5. Die zweite Einzelkomponente 10.2 entspricht einer translatorischen Bewegung des Hexapod-Systems 5. Die dritte Einzelkomponente 10.3 entspricht der translatorischen Verschiebung des Schlittens 6. Die vierte Einzelkomponente 10.4 entspricht der translatorischen Verschiebung des Fahrersitzes 2. Die fünfte Einzelkomponente 10.5 entspricht der translatorischen Verschiebung des Steuermittels 3.
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Die entsprechenden Soll-Beschleunigungssignale werden mit einem entsprechenden Tiefpassfilter 11, Hochpassfilter 12 bzw. Bandpassfilter 13 gefiltert. Somit werden entsprechend niederfrequente, mittelfrequente bzw. hochfrequente Bewegungsanteile umgesetzt. 3 zeigt dabei mehrere Diagramme 14, welche den jeweiligen Einfluss der Einzelkomponenten 10.1-10.5 auf die insgesamt wahrgenommene Beschleunigung awahrgenommen zeigen. Insbesondere durch das rotatorische Bewegen des Hexapod-Systems 5 sowie das translatorische Verschieben des Fahrersitzes 2 und des Steuermittels 3 können dem Fahrer 1 dauerhaft spürbare Beschleunigungen aufgeprägt werden.
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Mit Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Beeinflussung der subjektiven Wahrnehmung von Beschleunigungen in Fahrzeugen oder Fahrsimulatoren bzw. mit Hilfe eines entsprechenden erfindungsgemäßen Fahrzeugs oder Fahrsimulators, lassen sich realitätsnahe Zug- und Druckkräfte auf die Arme und Hände des Fahrers 1 ausüben, was die subjektive Wahrnehmung entsprechender Beschleunigungen verbessert. Die Zug- und Druckkräfte können feinjustiert und an die Realität angepasst werden. Hierzu werden entsprechende Stellgeschwindigkeiten und Stelllängen angepasst. Hierdurch werden Fahrten im Fahrsimulator realistischer erlebt. Zudem kann der Simulatorkrankheit entgegengewirkt werden. Ferner kann der Fahrspaß im realen Fahrzeug bzw. der Fahrkomfort verbessert werden. Fahrbarkeitsbewertungen im Fahrsimulator können zuverlässiger erprobt werden, was den Testaufwand mit realen Prototypen reduziert.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- US 20220193561 A1 [0008]
- US 20220219093 A1 [0008]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Edwin Baumgartner, Frontloading durch Fahrbarkeitsbewertungen in Fahrsimulatoren, Springer Vieweg Wiesbaden, Wissenschaftliche Reihe Fahrzeugtechnik Universität Stuttgart, E-Book ISBN: 978-3-658-36308-6, 23.11.2021, DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-36308-6 [0009]