-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Regelung einer Bremsanlage für Kraftfahrzeuge gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1 sowie eine Bremsanlage gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 10.
-
In der Kraftfahrzeugtechnik finden „Brake-by-wire”-Bremsanlagen eine immer größere Verbreitung. Solche Bremsanlagen umfassen oftmals neben einem durch den Fahrzeugführer betätigbaren Hauptbremszylinder eine elektrisch steuerbare Druckbereitstellungseinrichtung, mittels welcher in der Betriebsart „Brake-by-wire” eine Betätigung der Radbremsen, entweder direkt oder über den Hauptbremszylinder, stattfindet. Um dem Fahrzeugführer in der Betriebsart „Brake-by-wire” ein angenehmes Pedalgefühl zu vermitteln, umfassen die Bremsanlagen üblicherweise eine Bremspedalgefühl-Simulationseinrichtung, welche z. B. mit dem Hauptbremszylinder in Wirkverbindung steht. Zur Ansteuerung der Bremsanlage ist ein Sollwertgeber vorgesehen, welcher z. B. die elektrischen Signale von ein oder mehreren Sensoren zur Erfassung des Fahrerbremswunsches (Betätigungswunsches) auswertet, um einen Sollwert für die Ansteuerung der Druckbereitstellungseinrichtung zu bestimmen. Bei diesen Bremsanlagen kann die Druckbereitstellungseinrichtung jedoch auch ohne aktives Zutun des Fahrers aufgrund elektronischer Signale betätigt werden. Diese elektronischen Signale können beispielsweise von einem elektronischen Stabilitätsprogramm (ESC) oder einem Abstandsregelsystem (ACC) ausgegeben werden, so dass der Sollwertgeber einen Sollwert zur Ansteuerung der Druckbereitstellungseinrichtung anhand dieser Signale bestimmt.
-
Aus der internationalen Patentanmeldung
WO 2008/025797 A1 ist ein Bremssystem bekannt, in welchem vorgeschlagen wird, das zur elektrischen Regelung des in einem zur Betätigung des Hauptbremszylinders verwendeten Zwischenraum eingesteuerten Druckes benötigte Druckmittel in der Druckbereitstellungseinrichtung drucklos bereitzuhalten und bei Bedarf unter einen höheren Druck zu setzen, um auf eine aufwändige und energetisch ungünstige Zwischenspeicherung hydraulischer Stellenergie verzichten zu können. Die Druckbereitstellungseinrichtung wird hierzu durch eine Zylinder-Kolben-Anordnung gebildet, deren Kolben durch einen elektromechanischen Aktuator betätigbar ist. Ein Verfahren zur Regelung des Bremssystems, insbesondere der Druckbereitstellungseinrichtung, wird nicht beschrieben.
-
In der unveröffentlichten
DE 10 2011 076 675.8 ist ein Verfahren zur Regelung eines elektrohydraulischen Bremssystems für Kraftfahrzeuge mit einer elektronisch ansteuerbaren Druckbereitstellungseinrichtung, welche mit hydraulisch betätigbaren Radbremsen verbunden ist, beschrieben. Die Druckbereitstellungseinrichtung umfasst eine Zylinder-Kolben-Anordnung mit einem hydraulischen Druckraum, deren Kolben durch einen elektromechanischen Aktuator relativ zu einer Ruheposition verschiebbar ist. Zur Regelung werden ein Vordruck-Istwert und ein Vordruck-Sollwert bestimmt, die einer Reglervorrichtung als Eingangsgrößen zugeführt werden. Die Zylinder-Kolben-Anordnung wird von der Reglervorrichtung derart angesteuert, dass der Vordruck-Sollwert in dem hydraulischen Druckraum durch Verschiebung des Kolbens eingestellt wird.
-
Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zur Regelung einer Bremsanlage für Kraftfahrzeuge sowie eine entsprechende Bremsanlage bereitzustellen, welches/welche einen dynamischen Bremsvorgang, insbesondere ein schnelles Überwinden eines Lüftspiels einer Radbremse, ermöglicht.
-
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 und eine Bremsanlage gemäß Anspruch 10 oder 11 gelöst.
-
Der Erfindung liegt der Gedanke zugrunde, die Stellgröße für den elektromechanischen Aktuator – an Stelle aus einem gemessenen Druck-Istwert der Druckbereitstellungseinrichtung und einem vorgegebenen Druck-Sollwert – bei Vorliegen einer vorgegebenen Bedingung aus einem anhand einer aktuellen Position der Druckbereitstellungseinrichtung bestimmten Modell-Istwert und des vorgegebenen Druck-Sollwerts zu bilden. Die Bestimmung oder Berechnung des Modell-Istwerts kann dann entsprechend festgelegt werden, so dass ein schnelles Überwinden des Lüftspiels der Radbremse erreicht wird.
-
Unter einer Position der Druckbereitstellungseinrichtung wird bevorzugt eine Größe verstanden, welche für eine Position oder Lage oder Stellung des elektromechanischen Aktuator Aktuators oder des Kolbens der Druckbereitstellungseinrichtung charakteristisch ist.
-
Bevorzugt wird der Modell-Istwert zur Überwindung eines Lüftspiels der Radbremse gebildet und herangezogen.
-
Bevorzugt wird die Stellgröße anhand des Modell-Istwertes gebildet, wenn die aktuelle Position der Druckbereitstellungseinrichtung unterhalb eines vorgegebenen Schwellenwertes liegt, da so bei geeigneter Wahl des Schwellenwertes sicher gestellt wird, dass die Bremsbeläge der Bremse noch nicht an dem zu bremsenden Körper anliegen.
-
Besonders bevorzugt wird die Stellgröße anhand des Modell-Istwertes gebildet, wenn zusätzlich der gemessene Druck-Istwert kleiner als ein vorgegebener Istwert-Schwellenwert ist. Dadurch wird der gemessene Druck-Istwert zur Regelung herangezogen, solange ein (gewisser) Druck im Druckraum vorliegt.
-
Um ein möglich schnelles Überwinden des Lüftspiels zu erreichen, wird der aus der aktuellen Position der Druckbereitstellungseinrichtung bestimmte Modell-Istwert bevorzugt negativ angesetzt. Der Modell-Istwert ist vorteilhafterweise negativ, wenn die aktuelle Position der Druckbereitstellungseinrichtung niedriger als ein vorgegebener Schwellenwert ist.
-
Gemäß einer Weiterbildung der Erfindung wird der Modell-Istwert gemäß einer vorgegebenen linearen Funktion aus der aktuellen Position der Druckbereitstellungseinrichtung berechnet. Alternativ sind andere Berechnungsvorschriften denkbar.
-
Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens wird der Druck-Sollwert durch eine Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion der Bremsanlage vorgegeben.
-
Unter einer Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion wird bevorzugt eine Antiblockierregelung (ABS), eine Traktions- oder Antriebsschlupfregelung (BTCS, ASR), ein elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP, ESC, Giermomentenregelung) oder eine Fahrerassistenzfunktion, wie z. B. Active Cruise Control (ACC), Hill Start Assist (HSA), Automatische Notbremsfunktion (EBA: Emergency Brake Assist), verstanden.
-
Bevorzugt wird durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion ein vorgegebener Vorfüll-Druckwert als Druck-Sollwert an die Regelvorrichtung vorgegeben, so dass ein Lüftspiel die Radbremse vollständig oder weitgehend überwunden wird. Der Vorfüll-Druckwert wird bereits vor der Anforderung eines wirklichen Druck-Sollwert (zum Aufbau von Bremsdruck in der Radbremse) durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion, um das Lüftspiel der Radbremse zu überwinden, so dass eine nachfolgende Druck-Anforderung (zum Aufbau von Bremsdruck in der Radbremse) schneller durchgeführt werden kann. Besonders bevorzugt wird der Vorfüll-Druckwert durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion auch ohne eine Bremswunschanforderung durch den Fahrer vorgegeben.
-
Der Vorfüll-Druckwert ist bevorzugt derart bemessen, dass sich die Position der Druckbereitstellungseinrichtung in etwa auf einen vorgegebenen Schwellenwert einstellt. Dieser Schwellenwert entspricht besonders bevorzugt dem Schwellenwert, welcher der vorgegebenen Bedingung zur Verwendung des Modell-Istwertes zugrundegelegt wird.
-
Der Vorfüll-Druckwert zur Überwindung des Lüftspiels wird gemäß einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens dann durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion vorgegeben, wenn ein Eingriff durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion mit Anforderung eines Druck-Sollwerts erwartet wird. Der darauf folgende Bremseingriff durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion, z. B. ein Bremsdruckaufbau an der Radbremse, kann so, da das Lüftspiel bereits überwunden ist, schneller und gegebenenfalls komfortabler durchgeführt werden.
-
Der Vorfüll-Druckwert wird bevorzugt wieder auf Null gesetzt, wenn die erwartete Anforderung eines Druck-Sollwerts, d. h. Bremseingriffs, durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion nach einer vorgegebenen Zeitspanne nicht erfolgt ist. Der Aktuator kann dann, z. B. um Energie zu sparen, wieder auf seine Ruheposition zurückgefahren werden.
-
Vorteilhafterweise wird das erfindungsgemäße Verfahren in einer Bremsanlage für Kraftfahrzeuge durchgeführt, die in einer sog. „Brake-by-wire”-Betriebsart sowohl vom Fahrzeugführer als auch unabhängig vom Fahrzeugführer ansteuerbar ist, vorzugsweise in der „Brake-by-wire”-Betriebsart betrieben wird und in mindestens einer Rückfallbetriebsart betrieben werden kann, in der nur der Betrieb durch den Fahrzeugführer möglich ist.
-
Bevorzugt ist die Radbremse bzw. sind die Radbremsen hydraulisch an den Druckraum der Druckbereitstellungseinrichtung angeschlossen. So wird aus dem Druckraum verdrängtes Druckmittelvolumen direkt in die Radbremse(n) verschoben, wodurch Drosseleffekte durch Reibungen o. ä. vermieden werden. Zwischen einer, insbesondere jeder, Radbremse und dem Druckraum ist bevorzugt ein elektrisch ansteuerbares Einlassventil angeordnet, mit welchem die Radbremse von dem Druckraum hydraulisch abtrennbar ist.
-
Alternativ ist es bevorzugt, dass die Radbremse(n) trennbar mit einer hydraulischen (Ausgangs)Druckkammer eines Hauptbremszylinders oder einer Schwimmkolben-Anordnung hydraulisch verbunden ist/sind, wobei der Hauptbremszylinderkolben bzw. die Eingangsdruckseite der Schwimmkolben-Anordnung von dem Druck des Druckraums der Druckbereitstellungseinrichtung betätigbar ist. Die Radbremse(n) ist/sind dann nicht direkt mit dem Druckraum der Druckbereitstellungseinrichtung hydraulisch verbunden, ist/sind aber mittels der Druckbereitstellungseinrichtung betätigbar.
-
Bevorzugt ist die, insbesondere jede, Radbremse, z. B. über ein elektrisch ansteuerbares Auslassventil, mit einem Bremsflüssigkeitsvorratsbehälter verbindbar.
-
Ebenso ist es bevorzugt, dass der hydraulische Druckraum der Zylinder-Kolben-Anordnung über mindestens ein elektrisch ansteuerbares Ventil mit einem Bremsflüssigkeitsvorratsbehälter verbindbar ist.
-
Die Erfindung betrifft auch eine Bremsanlage für Kraftfahrzeuge gemäß Anspruch 10.
-
Eine elektronische Steuer- und Regeleinheit der Bremsanlage mit einer Regelvorrichtung, welche zur Ansteuerung des elektromechanischen Aktuators abhängig von einem gemessenen Druck-Istwert und einem vorgegebenen Druck-Sollwert ausgebildet ist, umfasst bevorzugt Mittel, mittels derer bei Vorliegen einer vorgegebenen Bedingung oder Situation aus einer aktuellen Position der Druckbereitstellungseinrichtung ein Modell-Istwert bestimmt wird und mittels derer der bestimmte Modell-Istwert anstelle des mittels des gemessenen Druck-Istwert der Regelvorrichtung zur Bildung der Stellgröße für den elektromechanischen Aktuator zugeführt wird.
-
Bevorzugt wird der Modell-Istwert zur Überwindung eines Lüftspiels der Radbremse gebildet und herangezogen.
-
Die Erfindung betrifft auch eine Bremsanlage für Kraftfahrzeuge, in deren elektronischen Steuer- und Regeleinheit ein erfindungsgemäßes Verfahren durchgeführt wird.
-
Ein Vorteil der Erfindung liegt in der verbesserten Einstellung eines vorgegebenen Druck-Sollwertes in der Druckbereitstellungseinrichtung und damit in der/den Radbremse(n), insbesondere unter Berücksichtigung eines großen Bremsbelaglüftspiels der Radbremse(n).
-
Weitere bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung anhand von Figuren.
-
Es zeigen schematisch:
-
1 ein Prinzipschaltbild einer beispielsgemäßen Bremsanlage zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens,
-
2 einen beispielhaften Zusammenhang zwischen einer Aktuatorposition und einem Istdruck einer Druckbereitstellungseinrichtung,
-
3 eine beispielsgemäße Regelvorrichtung zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens, und
-
4 ein erstes Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
-
In
1 ist ein Prinzipschaltbild einer beispielsgemäßen Bremsanlage für Kraftfahrzeuge zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens schematisch dargestellt. Die Bremsanlage umfasst ein nicht dargestelltes Bremspedal und eine elektronisch ansteuerbare Druckbereitstellungseinrichtung
30, mittels welcher ein Druck zur Betätigung zumindest einer hydraulisch betätigbaren Radbremsen
9 erzeugt werden kann. Die Betätigung des Bremspedals bzw. der Fahrerbremswunsch wird erfasst und die elektronisch ansteuerbare Druckbereitstellungseinrichtung
30 entsprechend elektronisch angesteuert. Beispielsgemäß wird die elektronisch ansteuerbare Druckbereitstellungseinrichtung
30 durch eine Zylinder-Kolben-Anordnung mit einem hydraulischen Druckraum
4 und einem Tauchkolben
3 gebildet. Mittels eines elektromechanischen Aktuators, z. B. eines Elektromotors
1 mit einem geeigneten Getriebe
2, ist der Tauchkolben
3 verschiebbar, so dass ein Druck in dem hydraulischen Druckraum
4 einstellbar ist. Getriebe
2 ist z. B. als ein Rotations-Translations-Getriebe ausgeführt. Die Radbremse
9 ist bevorzugt über eine Leitung
8,
5 mit dem Druckraum
4 der Druckbereitstellungseinrichtung
30 hydraulisch verbindbar oder verbunden. Alternativ ist es denkbar, dass die Radbremse(n) über eine Leitung mit einem (Ausgangs)Druckraum eines Hauptbremszylinders oder einer Trennkolben-Anordnung hydraulisch verbindbar oder verbunden ist, wobei ein Kolben des Hauptbremszylinders oder der Trennkolben-Anordnung über einen (Eingangs)Druckraum/Zwischenraum durch die Druckbereitstellungseinrichtung betätigbar ist (nicht dargestellt, siehe z. B.
WO 2008/025797 A1 oder
DE 10 2009 054 985.4 ). In allen Fällen wird eine Druckanforderung P
V,Soll (z. B. durch den Fahrer oder eine Bremsregelfunktion) elektronisch mit Hilfe der elektronisch ansteuerbaren Druckbereitstellungseinrichtung
30 in einen Druck P
V,Ist zur Beaufschlagung der Radbremse(n)
9 umgesetzt.
-
Weiterhin umfasst die beispielsgemäße Bremsanlage der 1 zur Bremsdruckmodulation an der Radbremse 9 ein in der Leitung 5 angeordnetes Einlassventil 6 und ein Auslassventil 7, wobei das Auslassventil 7 die Radbremse 9 bei Bedarf mit einem Druckmittelvorratsbehälter 11 verbinden kann. Der Druckraum 4 der Druckbereitstellungseinrichtung 30 ist zum Nachsaugen von Druckmittel aus dem Druckmittelvorratsbehälter 11 in den Druckraum 4 über eine Verbindungsleitung 12 mit einem in Richtung des Druckmittelvorratsbehälters 11 schließenden Rückschlagventil 13 mit dem Druckmittelvorratsbehälter 11 verbunden.
-
Das Bremspedal wirkt vorteilhafterweise mit einer Bremspedalgefühl-Simulationseinrichtung zusammen, welcher dem Fahrer ein angenehmes Pedalgefühl vermittelt. Bei der Betätigung des Bremspedals zur Anforderung eines Bremsdruckes ist der Fahrer in der „Brake-by-wire”-Betriebsart nicht direkt mit der Radbremse 9 verbunden, sondern betätigt eine Bremspedalgefühl-Simulationseinrichtung, die eine geeignete Pedalcharakteristik aufweist, sodass dem Fahrer eine ausreichend genaue Dosierung des angeforderten Bremswunsches ermöglicht wird.
-
Indem bei einer Bremsung der Kolben 3 der Druckbereitstellungseinrichtung 30 mittels des Elektromotors 1 um einen Weg S aus seiner Ruheposition 15 in eine Position 14 verschoben wird, wird ein bestimmtes Volumen von Bremsflüssigkeit aus dem Druckraum 4 über die Leitung 5 und ein zunächst geöffnetes Einlassventil 6 in den Radbremskreis 8 und somit die Radbremse 9 verschoben. Damit wird in der Radbremse 9 nach Überwindung des Belaglüftspiels ein Bremsdruck erzeugt.
-
Ein Bremsdruckabbau kann erfolgen, indem der Kolben 3 wieder in Richtung der Ruheposition 15 zurückgefahren wird. Ein schneller Bremsdruckabbau, wie er z. B. im Falle einer Anti-Blockier-Regelung (ABS: Anti-Blockier-System) benötigt wird, ist aber auch über die Ventilkombination 6, 7 möglich, indem das Einlassventil 6 geschlossen und das Auslassventil 7 für eine bestimmte Zeit geöffnet wird. Dann strömt Bremsflüssigkeit aus der Radbremse 9 über die Leitung 8 durch das Auslassventil 7 und die Leitung 10 in den Druckmittelvorratsbehälter 11. Diese Maßnahme des Druckabbaus ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Druckraum 4 mit mehreren Radbremsen verbunden ist, deren Bremsdruck radindividuell geregelt werden soll.
-
Grundsätzlich kann die in 1 dargestellte Bremsanlage um beliebig viele Radbremsen 9 erweitert werden, indem weitere Leitungen 5 zu Radbremskreisen 8 geführt werden, wobei jede Radbremse 9 bevorzugt über ein individuelles Ventilpaar aus Einlassventil 6 und Auslassventil 7 verfügt. Um aus Sicherheitsgründen eine Mehrkreisigkeit der Bremsanlage bereitzustellen, kann die Druckbereitstellungseinrichtung auch zwei oder mehr Kolben 3 und zwei oder mehr Druckräume 4 umfassen. Für einen PKW ist eine Zweikreisigkeit sinnvoll, wobei jeweils zwei Radbremsen 9 mit einer von zwei Druckkammern 4 verbunden sind. Ebenfalls sind alternative Ausführungsformen bei der Ausgestaltung der Druckregelventile denkbar.
-
Weitere beispielsgemäße Bremsanlagen zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens sind in der
WO 2008/025797 A1 und der unveröffentlichten
DE 10 2009 054 985 beschrieben.
-
Die beispielsgemäße Bremsanlage der 1 umfasst weiterhin eine Messeinrichtung in Form eines Drucksensors 32 zur Erfassung des Druckes der Druckbereitstellungseinrichtung 30. Der durch die Messeinrichtung 32 erfasste Druck-Istwert wird im Weiteren mit PV,Ist,Mess bezeichnet.
-
Außerdem ist beispielsgemäß eine Messeinrichtung 31 vorgesehen, mittels welcher eine Position der Druckbereitstellungseinrichtung 30, welche für eine Position oder Lage oder Stellung des Aktuators 1 und damit des Kolbens 3 der Druckbereitstellungseinrichtung 30 charakteristisch ist, erfasst wird. Messeinrichtung 31 kann z. B. einen Rotorlagewinkel des Elektromotors 1 oder eine Spindelposition eines Rotations-Translations-Getriebes oder auch den Weg S des Kolbens 3 aus seiner Ruheposition 15 erfassen. Alternativ kann die Position der Druckbereitstellungseinrichtung 30 auch aus anderen Größen, z. B. anhand eines Modells, bestimmt werden. Der Wert der entsprechenden, direkt oder indirekt bestimmten Position der Druckbereitstellungseinrichtung 30 wird im Weiteren mit XAkt bezeichnet.
-
Aus Gründen der Sicherheit und der schnellen Fehlererkennung wird/werden die Messgröße XAkt und/oder die Messgröße PV,Ist,Mess vorteilhafterweise redundant ermittelt. Dazu kann der entsprechende Sensor 31, 32 eigensicher ausgeführt sein oder es können entsprechend zwei redundante Sensoren vorhanden sein.
-
Außerdem umfasst die Bremsanlage beispielsgemäß eine elektronische Steuer- und Regeleinheit 33, welcher die Aktuatorposition XAkt, der gemessene Druck-Istwert PV,Ist,Mess und ein Druck-Sollwert PV,Soll zugeführt werden und in welcher eine Stellgröße (ωAkt,Soll, MAkt,Soll) zur Ansteuerung 34 der Druckbereitstellungseinrichtung 30 bzw. des Aktuators 1 gebildet wird.
-
Die Notwendigkeit einen vorgegebenen Druck PV,Soll bzw. Druckverlauf PV,Soll(t) in der Druckbereitstellungseinrichtung 30 mittels eines Regelungsverfahrens einzustellen, ergibt sich immer dann, wenn der Fahrer mittels Betätigung des Bremspedals einen allgemeinen Bremsdruck für alle Räder des Kraftfahrzeugs anfordert oder wenn diese Druckanforderung durch eine Fahrerassistenzfunktion (z. B. adaptive cruise control (ACC), hill start assist (HSA), hill descent control (HDC) etc.) gestellt wird oder wenn eine spezielle radindividuelle Bremsdruckregelfunktion, z. B. eines Antiblockiersystems (ABS), eines Traktionskontrollsystems (Traction Control Systems: TCS) oder elektronischen Stabilitätprogramms (ESP, ESC), aktiv wird. Eine Fahrerassistenzfunktion fordert zumeist einen „globalen” Bremsdruck für alle Radbremsen 9 an, ähnlich wie der Fahrer mit Hilfe einer mit dem Bremspedal ausgelösten Grundbremsanforderung. In diesen Fällen wird der Druck bei geöffneten Einlassventilen 6 an allen Bremskreisen 8 gleichermaßen durch Verfahren des Kolbens 3 erzeugt. Die Antiblockierfunktion (ABS) begrenzt oder reduziert im Allgemeinen nur den in Druckraum 4 aufgebrachten Druck für einzelne Radbremsen 9, um diese in einem gewünschten optimalen Bremsschlupf zu halten. Bei der Traktionskontrolle (TCS) werden einzelne Radbremsen 9, die aufgrund eines zu hohen Antriebsmomentes zum Durchdrehen neigen, gezielt abgebremst. Dazu wird in der Bremsanlage durch Vorfahren des Kolbens 3 aktiv ein Druck in dem Druckraum 4 erzeugt, der nicht vom Fahrer angefordert wurde. Der Druck aus Druckraum 4 wird dann radindividuell über die Ventile 6, 7 in die Radbremse 9 des zu bremsenden Rades geleitet, während die Radbremsen 9 der anderen Räder, die ungeregelt bleiben, mit Hilfe ihrer Einlassventile 6 vom Druckraum 4 abgetrennt werden. Ähnliches gilt für das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP, ESC). Hier werden Bremsdrücke ebenfalls aktiv und radselektiv an einzelnen Radbremsen 9 aufgebracht, um die Dynamik des Fahrzeugs um die Hochachse zu beeinflussen. In allen Fällen gilt, dass vorteilhafterweise der Druck in Druckraum 4 so einzustellen ist, dass die Radbremse mit der höchsten Bremsdruckanforderung sicher mit dem notwendigen Druck versorgt werden kann.
-
An einer Radbremse, die weniger Druck benötigt als in dem Druckraum 4 erzeugt wird, wird der Druck dadurch begrenzt, dass das der Radbremse zugehörige Einlassventil 6 dauerhaft oder zeitweise geschlossen wird. Sollte ein Rad dann einen geringeren Druck als den bereits eingestellten Druck benötigen und ist der Druck der Druckbereitstellungseinrichtung 30 höher als der gewünschte Radbremsdruck, so wird Druckmittel mittels des zugehörigen Auslassventils 7 aus der Radbremse 9 in den Behälter 11 abgelassen.
-
Bezüglich der Dynamik des in der Druckbereitstellungseinrichtung 30 einzustellenden Druckes bzw. Druckverlaufes gilt, dass im Rahmen der verfügbaren Dynamik des Aktuators 1 ein möglichst geringer zeitlicher Verzug zwischen der gestellten Druckanforderung und dem sich einstellenden Druck im Druckraum 4 wünschenswert ist. Dies gilt vor allem dann, wenn der Aktuator 1 sich zu Beginn der Druckanforderung in seiner Ruheposition 15 befindet und daher zum Einstellen des geforderten Druckes zunächst das Bremsbelaglüftspiel der Radbremsen zu überwinden hat. Dabei verschiebt der Aktuator zunächst ein von der Größe der verbundenen Radbremsen 9 und des eingestellten Bremsbelaglüftspiels abhängiges Volumen aus dem Druckraum 4 in die Radbremse(n) 9, um die Bremsbeläge z. B. an die Bremsscheibe anzulegen. Während dieses Vorgangs wird allerdings noch kein Bremsdruck in der/den Radbremse(n) 9 aufgebaut. Im Hinblick auf das Regelungsverfahren zum Einstellen des geforderten Soll-Druckes bedeutet dies, dass für die Druckregelung vorteilhafterweise Maßnahmen vorzusehen sind, die ein möglichst schnelles Überwinden des Bremsbelaglüftspiels sicherstellen, so dass die Zeitdauer zwischen dem Stellen einer Druckanforderung und dem Beginn des Druckaufbaus in der/den betrachteten Radbremse(n) 9 möglichst kurz ist. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn zur Reduzierung des Restbremsmomentes bei gelöster Radbremse das Lüftspiel relativ groß eingestellt ist.
-
Eine beispielsgemäße Kennlinie für einen Zusammenhang zwischen dem gemessenen Istdruck PV,Ist,Mess in Druckraum 4 der Druckbereitstellungseinrichtung 30 und der Aktuatorposition XAkt, die dem in 1 dargestellten Kolbenweg S entspricht, ist in 2 schematisch dargestellt. Bei der Position XAkt = XLS,0 befindet sich der Aktuator in seiner Ruheposition 15. Solange die Aktuatorposition kleiner als ein Wert XP,0 ist, d. h. XAkt < XP,0, verschiebt der angetriebene Kolben 3 Druckmittelvolumen aus dem Druckraum 4 in die Radbremse(n) 9, um die Bremsbeläge an die Bremsscheibe anzulegen, ohne dabei Bremsdruck in den Radbremsen 9 aufzubauen, d. h. in etwa PV,Ist,Mess = 0. Als Stellgröße einer Regelvorrichtung mit einem Druckregler (z. B. der beispielhaften Regelvorrichtung der 3) würde sich in diesem Bereich XAkt < XP,0 wegen PV,Ist,Mess = 0 für kleine Werte des Solldruckes PV,Soll eine geringe Sollmotordrehzahl ωAkt,Soll,DR,Ctrl bzw. ωAkt,Soll für Aktuator 1 ergeben. Im Falle eines proportional wirkenden Druckreglers (mit Verstärkung KDR) würde sich in diesem Bereich, wenn für den Druck-Istwert PV,Ist der gemessene Druck-Istwert PV,Ist,Mess verwendet würde (vergleiche 3), die Ausgangsgröße ωAkt,Soll,DR,Ctrl des Druckreglers zu ωAkt,Soll,DR,Ctrl = KDR·PV,Soll ergeben, was insbesondere bei kleinen Werten für PV,Soll nur zu kleinen Solldrehzahlen führen würde. Dies würde dazu führen, dass das Bremsbelaglüftspiel nur langsam überwunden werden kann.
-
Eine beispielsgemäße Regelvorrichtung zur Durchführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens ist schematisch in 3 dargestellt. Regelvorrichtung 200 dient dem Einstellen eines gewünschten Solldruckes bzw. Solldruckverlaufs PV,Soll der Druckbereitstellungseinrichtung 30 durch geeignete Ansteuerung des Aktuators 1. Der Wert für den Solldruck PV,Soll wird von einem Sollwertgeber 22 vorgegeben und ergibt sich z. B. aufgrund der oben beschriebenen Anforderungen. Regelvorrichtung 200 umfasst einen Druckregler 20, dem ein Motordrehzahlregler 21 unterlagert ist. Der Druckregler 20 regelt die Abweichung zwischen dem geforderten Druck-Sollwert PV,Soll und einem Druck-Istwert PV,Ist durch Vorgabe einer Solldrehzahl ωAkt,Soll,DR,Ctrl ein. Als Reglerübertragungsverhalten ist beispielsgemäß ein proportional wirkender Regler (P-Regler) ausreichend.
-
Zur Erhöhung der Druckreglerdynamik ist vorteilhafterweise eine Geschwindigkeitsvorsteuerung 23 vorgesehen. Diese bestimmt aus dem Solldruck PV,Soll durch Differentiation eine Solldruckgeschwindigkeit, die mit einem Verstärkungsfaktor gewichtet einen additiven Anteil ωAkt,Soll,DR,FFW zur Solldrehzahl ωAkt,Soll,DR,Ctrl des Reglers darstellt. Die Summe dieser beiden Solldrehzahlanteile ωAkt,Soll,DR,FFW und ωAkt,Soll,DR,Ctrl wird einer Begrenzungsfunktion 24 zur Begrenzung auf die minimal bzw. maximal zulässige Solldrehzahl ωMin bzw. ωMax zugeführt.
-
Die Ausgangsgröße des Druckreglers 20 ist der Sollwert für die Motordrehzahl ωAkt,Soll des Aktuators 1, die dem Drehzahlregler 21 als Eingangsgröße übergeben wird. Weitere Eingangsgröße des Drehzahlreglers 21, der üblicherweise proportional-integrierendes (PI-)Verhalten aufweist, ist die Istmotordrehzahl ωAkt des Aktuators. Der aktuelle Wert der Motordrehzahl ωAkt wird z. B. aus der Aktuatorposition XAkt ermittelt. Die Ausgangsgröße des Drehzahlreglers 21, nach einer Momentenbegrenzung 26 zur Begrenzung auf das minimal bzw. maximal zulässige Motormoment MMin bzw. MMax, ist das Motormoment MAkt,Soll.
-
In vielen Bremsregelsituationen ist der Druck-Istwert PV,Ist der Regelvorrichtung 200 durch den, z. B. mittels eines Drucksensors 32, gemessenen Druck-Istwert PV,Ist,Mess der Druckbereitstellungseinrichtung 30 gegeben, d. h. in Block 27 wird der gemessene Druck-Istwert PV,Ist,Mess als Ausgangssignal weitergegeben und so dem Druckregler 20 als Eingangssignal PV,Ist zugeführt. In vorgegebenen Situation, insbesondere zur Überwindung des Bremsbelaglüftspiels der Radbremse(n), wird in Block 27 aus der aktuellen Aktuatorposition XAkt ein Modell-Druck-Istwert PV,Mod bestimmt, dieser als Ausgangssignal weitergegeben und dem Druckregler 20 als Eingangssignal PV,Ist zugeführt.
-
In 4(a) ist die Bestimmung des Eingangssignals PV,Ist gemäß einem ersten Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Verfahrens schematisch dargestellt. Während einer Bremsung, wenn die Aktuatorposition XAkt größer oder gleich einem vorgegebenen Wert XP,0 ist („Nein” in Block 40), d. h. XAkt ≥ XP,0, wird in Block 41 der gemessene Druck-Istwert PV,Ist,Mess als Druck-Istwert PV,Ist herangezogen und dem Druckregler 20 zugeführt. Wenn sich die Aktuatorposition XAkt in dem Bereich zwischen der Ruheposition XLS,0 und dem Wert XP,0 befindet, d. h. XLS,0 ≤ XAkt < XP,0 („Ja” in Block 40), so wird in Block 42 aus der aktuellen Aktuatorposition XAkt ein Modelldruckwert PV,Mod bestimmt und als Druck-Istwert PV,Ist herangezogen.
-
Für den Modelldruck PV,Mod wird beispielsgemäß ein linearer Zusammenhang in Form einer (negativen) Steifigkeitsfunktion gewählt, d. h. es gilt der Zusammenhang: PV,Mod(XAkt) = KE,Mod·(XAkt – XP,0), wobei KE,Mod ein vorgegebener Steigungsparameter ist (KE,Mod > 0). Somit ist im Bereich XLS,0 ≤ XAkt < XP,0 der Modelldruck PV,Mod negativ (PV,Mod < 0).
-
Für den zur Regelung herangezogenen Druck-Istwert PV,Ist ergibt sich dann die in 4(b) schematisch dargestellte, beispielsgemäße Kennlinie zwischen der Aktuatorposition XAkt und dem verwendeten Druck-Istwert PV,Ist.
-
Der Druck-Istwert P
V,Ist wird gemäß eines anderen Ausführungsbeispiels entsprechend nachfolgender Beziehung bestimmt:
PV,Ist = PV,Mod(XAkt), | falls XAkt < XP,0 und PV,Ist,Mess < PV,Mess,Min |
PV,Ist = PV,Ist,Mess, | sonst |
wobei P
V,Mess,Min ein unterer Wert für eine Druckschwelle ist (vorgegebener Istwert-Schwellenwert). Dadurch wird erreicht, dass solange ein Druck P
V im Druckraum
4 vorhanden ist, dem Druckregler
20 als Druck-Istwert der gemessene Druckwert als Regelgröße zugeführt wird.
-
Zur Bestimmung des Modelldrucks PV,Mod(XAkt) kann auch ein anderer, als der hier ausgeführte lineare, Zusammenhang gewählt werden, z. B. ist auch die Verwendung einer Progression mit kleiner werdender Aktuatorposition XAkt denkbar.
-
Liegt nun eine Druckanforderung PV,Soll vor und befindet sich die Aktuatorposition XAkt im Bereich XLS,0 ≤ XAkt < XP,0, so ergibt sich aufgrund des negativ bestimmten Modelldruckes PV,Mod(XAkt) < 0 eine deutlich größere Regelabweichung, als dies bei Verwendung des gemessenen Istdruckes PV,Ist,Mess der Fall wäre. Im Falle eines proportional wirkenden Druckreglers 20 (mit Verstärkung KDR) ergibt sich die Ausgangsgröße ωAkt,Soll,DR,Ctrl des Druckreglers 20 zu ωAkt,Soll,DR,Ctrl = KDR·(PV,Soll – PV,Mod(XAkt)), was bedingt durch die größere Regelabweichung (PV,Soll – PV,Mod(XAkt)) zu höheren Sollmotordrehzahlen führt. Hieraus ergibt sich eine deutliche Verkürzung der benötigten Zeiten für das Überwinden des Bremsbelaglüftspiels.
-
Um die Zeit zwischen dem Stellen einer Druckanforderung und dem Beginn des Druckaufbaus in den betrachteten Radbremsen 9 weiter zu reduzieren, wird beispielsgemäß durch die Bremsdruckregel- oder Bremsdrucksteuerfunktion (Assistenzfunktion oder radindividuelle Bremsenregelfunktion) die Aktuatorposition XAkt bereits vor dem Stellen der eigentlichen Anforderung für den Druck PV,Soll im Druckraum 4 auf ungefähr die Position XP,0 verfahren (XAkt ≈ XP,0), so dass die Radbremsen 9 bereits ihr Lüftspiel vollständig oder weitgehend überwunden haben. Entsprechend bewirkt eine Assistenzfunktion oder eine radindividuelle Bremsenregelfunktion durch das entsprechende Anfordern eines geringen, vorgegebenen Vorfüll-Drucks PV,Vor (PV,Soll = PV,Vor in Block 22), dass der Aktuator 1 bereits beginnt, Volumen aus dem Druckraum 4 in die Radbremsen 9 zu verschieben, um die Beläge z. B. an die Bremsscheibe anzulegen. Dies wird durch die jeweilige Assistenzfunktion/Bremsenregelfunktion veranlasst für den Fall, dass aufgrund von vorliegenden Eingangsdaten und/oder der erfassten Fahrsituation eine Bremsdruckanforderung durch die Assistenzfunktion in Kürze zu erwarten ist. Wird diese Anforderung nach Ablauf einer vorgegebenen Wartezeit nicht gestellt, so wird der angeforderte Vorfüll-Druck PV,Vor wieder auf Null gesetzt, der Aktuator 1 bewegt den Kolben 3 wieder in seine Ruheposition 15.
-
Damit das Anlegen der Radbremsen 9 ohne Fahrerbremsdruckanforderung (Betätigung des Bremspedals) aufgrund einer anstehenden Bremsenregel- oder Assistenzfunktion erfolgt, muss ein fahrdynamischer und/oder umfeldsensorisch erfasster Zustand vorliegen, der auf einen bald notwendigen Eingriff der jeweiligen Funktion schließen lässt. Ein derartiger Zustand ist z. B. dann gegeben, wenn gewisse charakteristische Erkennungsschwellen für eine kritische Situation überschritten werden.
-
Nachfolgend werden einige Ausführungsbeispiele für Erkennungsschwellen und die Gesamt-Auslösekriterien zum Anlegen der Radbremsen 9 für einige Bremsenregel- bzw. Assistenzfunktionen beschrieben.
-
1.) Traktionskontroll-Funktion (TCS: Traction Control System oder BTCS: Brake Traction Control System):
-
BTCS greift bekannterweise dann mit einem aktiven Bremseneingriff an einem oder mehreren Antriebsrädern ein, wenn ein betrachtetes Rad aufgrund eines zu hohen Motorantriebsmoments bzw. zu großer Gasanforderung durch den Fahrer zum Durchdrehen neigt, da die Haftreibung zwischen Reifen und Fahrbahnoberfläche nicht ausreicht, um das angeforderte Moment in Form einer Traktionskraft umzusetzen. Die Regelschwellen für BTCS sind in bekannten Traktionskontroll-Funktionen relativ hoch, damit bei einer dynamischen Fahrweise nicht zu häufig eine Einbremsung eines Rades erfolgt. Wenn aber die hohen Regelschwellen überschritten werden, greift die elektronische Bremsregelfunktion meist mit höchster Bremsdynamik ein, was bei bekannten Bremsanlagen zu akustischen und haptischen Komforteinbußen führt, da die Bremsen zunächst mit einer lüftspielbedingten Verzögerung, dann aber abrupt mit hoher Dynamik geschlossen werden. Dies führt dazu, dass die Bremsbeläge schlagartig an die Bremsscheiben gepresst werden. Bei einer komfortablen (weichen) Achsaufhängung kann diese sprungartige Bremsdruckbeaufschlagung ein abruptes Einfedern der Achse in Längsrichtung mit hartem Erreichen eines Endanschlags bedeuten. Der späte und dann mit hohem Gradienten erfolgende Radbremsdruckaufbau kann zudem bewirken, dass kurzzeitig zu viel Moment auf das andere Antriebsrad der Achse übertragen wird, sodass auch dieses schlagartig zum Durchdrehen gebracht wird. In der Folgezeit kann dies wieder zu wechselseitigem Einbremsen an beiden Rädern einer Antriebsachse mit gewissen Aufschaukeleffekten führen.
-
Gemäß einem vorteilhaften Ausführungsbeispiel der Erfindung werden im Falle einer für die Reibwertverhältnisse hohen Traktionsanforderung rechtzeitig die Radbremsen angelegt, um dann bei Aktivierung der BTCS-Funktion einen moderaten Druckaufbaugradienten einsteuern zu können, der dann aufgrund der bereits erfolgten Lüftspielüberwindung praktisch verzugsfrei wirksam wird.
-
Beispielsgemäß wird folgendes Auslösekriterium für das Anlegen der Bremsen aus der BTCS-Funktion verwendet:
- – das Fahrzeug wird ungebremst beschleunigt, z. B. keine Bremspedalbetätigung und eine Betätigung des Gaspedals,
- – der Fahrer fordert mindestens 10% der maximalen Gasstellung an, und
- – mindestens ein Antriebsrad läuft sowohl mit mehr als 3% Schlupf als auch mit einer Geschwindigkeit, die um mindestens 3 km/h über der seitenbezogenen (also kurvengeometriebereinigten) Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit liegt (die Berechnung der Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit in BTCS-Systemen ist an sich bekannt).
-
Die an sich bekannte BTCS-Regelfunktion fordert üblicherweise wesentlich höhere Schlupfeintrittsschwellen für den Ersteintritt als die oben genannten Schwellen, sodass das erfindungsgemäße frühe Anlegen der Bremsen eine Komfortsteigerung mit zusätzlich verbesserter Regelperformance bringt.
-
2.) Elektronische Stabilitätskontrolle (ESC: Electronic Stability Control):
-
ESC greift mit einem aktiven Bremseneingriff an einem oder mehreren Rädern ein, wenn z. B. eine hohe Regelabweichung zwischen der gemessenen Fahrzeug-Gierrate und einer aus Lenkwinkel, Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit und geschätztem Fahrbahnreibwert gebildeten Modell-Gierrate vorliegt oder wenn z. B. eine hohe Schwimmwinkeländerung erkannt wurde, wobei zur Schätzung der Schwimmwinkeländerung die gemessene Gierrate, die gemessene Querbeschleunigung und die geschätzte Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit benutzt werden, oder wenn z. B. der Fahrer im Falle von Gegenlenkmanövern einen großen Lenkwinkelgradienten anfordert. In den meisten Fällen wird ein ESC-Eingriff letztlich dadurch ausgelöst, dass der Fahrer eine hohe Fahrzeug-Querdynamik mit Hilfe einer starken Lenkvorgabe einleitet.
-
Gemäß einem vorteilhaften Ausführungsbeispiel der Erfindung erfolgt – ähnlich wie beim BTCS – ein vorzeitiges Anlegen der Bremsen, um den aktiven Bremsdruckaufbau beim ESC schnell und relativ komfortabel zu gestalten.
-
Beispielsgemäß wird folgendes Auslösekriterium für das Anlegen der Bremsen aus der ESC-Funktion verwendet:
- – Der Fahrer fordert einen Lenkwinkel oder Lenkwinkelgradienten an, der bezogen auf die erreichte Fahrzeug-Referenzgeschwindigkeit als hoch einzustufen ist, also mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Unter- oder Übersteuereingriff des ESC führen wird. Es werden also geschwindigkeitsabhängige Schwellen für Lenkwinkel und/oder Lenkwinkelgradient vorgegeben, die bei Überschreitung durch den gemessenen Lenkwinkel oder Lenkwinkelgradienten zum Anlegen der Bremsen führen.
-
Die Auslöseschwellen können ebenfalls Funktionen eines global geschätzten oder gelernten Fahrbahnreibwerts sein, wobei mit kleinerem Reibwert grundsätzlich kleinere Schwellen gewählt werden, was zum früheren Anlegen der Bremsen führt.
-
Beispielhafte Werte für die Auslöseschwellen sind:
- – Lenkwinkelschwelle von 60° (am Lenkrad) und/oder Lenkwinkelgradientenschwelle von 300°/s bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h auf Hochreibwert (μ = 1).
-
Grundsätzlich werden die Auslöseschwellen an das generelle Stabilitätsverhalten des betrachteten Fahrzeugs angepasst.
-
3.) „Automatische Notbremsfunktion” (EBA: Emergency Brake Assist) als beispielhafte Fahrerassistenzfunktion:
-
Hierbei wird ein aktives Bremsen – ohne Fahrereingriff – dann durchgeführt, wenn eine kritische Fahrsituation, wie z. B. eine sich anbahnende Fahrzeugkollision durch Nichtbeachten stehender oder kreuzender Fahrzeuge, mit Hilfe von Umfeldsensoren, wie z. B. Infrarotsensoren, Radar oder Kamera bzw. auch Kombinationen dieser Sensoren, erkannt wurde, wobei der Fahrer selbst nicht mit Lenk- und/oder Bremseingriffen reagiert. Ein Notfallbremsassistent EBA arbeitet beispielsweise mit zwei oder mehr Eingriffsschritten. In einem ersten Schritt, der dann eingeleitet wird, wenn eine durchaus kritische Situation vorliegt, der Fahrer mit eigenem Bremseingriff aber mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Unfall noch vermeiden kann, wird der Fahrer mit akustischen und/oder optischen und/oder haptischen Mitteln durch den EBA gewarnt. In einem zweiten Schritt greift der EBA mit einer aktiven Bremsung ein, wenn die Situation einen höheren Grad an Kritikalität erreicht hat und der Fahrer trotz der vorherigen Warnung nicht reagiert.
-
Gemäß einem vorteilhaften Ausführungsbeispiel der Erfindung erfolgt ein frühzeitiges Anlegen der Bremsen im Falle der EBA-Funktion bereits dann, wenn der EBA die Fahrerwarnung (erster Schritt) auslöst. D. h. die Bremsen werden bereits dann vorkonditioniert, wenn ein Bremseingriff mit hoher Wahrscheinlichkeit notwendig wird, wobei dieser später durch den Fahrer oder den EBA ausgelöst werden kann. In beiden Fällen wird der anschließende Bremsvorgang begünstigt, wenn die Bremsen bereits vorher angelegt wurden.
-
ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
-
Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
-
Zitierte Patentliteratur
-
- WO 2008/025797 A1 [0003, 0036, 0042]
- DE 102011076675 [0004]
- DE 102009054985 [0036, 0042]