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WILHELM LEIBLj ALTE BÄUERIN
RADIERUNG
BILDERVERKÄUFE
VON
MAX J. FRIEDLÄNDER
it Regelmässigkeit erscheinen in
unsern Tagesblättern Sensations-
nachrichten von Bilderverkäufen,
gewürzt mit sentimentaler Klage,
zuweilen auch mit komischer Ent-
rüstung über die Habgier der Ver-
käufer, die gewöhnlich britische Lords sind. Der
Käufer ist stets ein Amerikaner, und der Autor
des fabelhaft hoch bezahlten Gemäldes van Dyck,
Rembrandt, Velazquez oder Gainsborough. Diese
Nachrichten, die eine ständige Rubrik bilden, wie
etwa die Heiratsanzeigen amerikanischer Erbtöchter,
sind oft nur halb richtig und manchmal ganz falsch.
Namentlich die PreiszifFern sind gewöhnlich über-
trieben, schon deshalb, weil die Händler ein Inter-
esse daran haben, dass der angelegte Preis als recht
hoch ausgeschrieen wird.
Der Prozess im ganzen, dass nämlich amerikani-
sches Geld die bedeutenden Werke alter Kunst aus
europäischem Privatbesitz herauszieht, könnte nur
durch eine allgemeine Verschiebung der wirtschaft-
lichen Kräfte unterbrochen werden. Die Preise aber
für ausserordentliche Dinge steigen und werden wei-
ter steigen. Die Preisbildung ist leicht zu erklären.
Die amerikanischen Sammler ■— es sind immer die-
selben fünf oder sechs Herren — besitzen Vermögen,
die sich Phantasiewerte von entsprechenden Dimen-
sionen erschaffen. Es giebt wenige Dinge auf dieser
armen Erde, die der Besitzer von 10 Millionen sich
nicht kaufen kann oder könnte. Der Besitzer von
i oo Millionen hat aber den sehr natürlichen Wunsch
nach Genüssen und Eigentumssensationen, auf die der
Besitzer von 1 o Millionen verzichten muss. Nun
ist der Wert einer Perlenkette allenfalls messbar und
einigermassen begrenzt. Der Wert eines Kunstwerks
aber lässt sich ins Unendliche steigern. Und so tri-
umphiert das Geistige, die unwägbare und unmess-
bare Qualität einer Kunstschöpfung über alle Werte
mehr materieller Art. Eine wunderliche Vergeltung.
Das Interesse der Zwischenhändler an möglichst
hohen Preisen ist offenbar, ist um so dringlicher,
als manches Bild erst durch das Steigen der Preise
dem Markt überhaupt zugeführt wird.
Der Duke of Norfolk war gewiss nie auf den
Gedanken gekommen, seinen „Holbein" zum Ver-
kauf zu stellen. Erst als ihm ein Angebot vor-
44'
WILHELM LEIBLj ALTE BÄUERIN
RADIERUNG
BILDERVERKÄUFE
VON
MAX J. FRIEDLÄNDER
it Regelmässigkeit erscheinen in
unsern Tagesblättern Sensations-
nachrichten von Bilderverkäufen,
gewürzt mit sentimentaler Klage,
zuweilen auch mit komischer Ent-
rüstung über die Habgier der Ver-
käufer, die gewöhnlich britische Lords sind. Der
Käufer ist stets ein Amerikaner, und der Autor
des fabelhaft hoch bezahlten Gemäldes van Dyck,
Rembrandt, Velazquez oder Gainsborough. Diese
Nachrichten, die eine ständige Rubrik bilden, wie
etwa die Heiratsanzeigen amerikanischer Erbtöchter,
sind oft nur halb richtig und manchmal ganz falsch.
Namentlich die PreiszifFern sind gewöhnlich über-
trieben, schon deshalb, weil die Händler ein Inter-
esse daran haben, dass der angelegte Preis als recht
hoch ausgeschrieen wird.
Der Prozess im ganzen, dass nämlich amerikani-
sches Geld die bedeutenden Werke alter Kunst aus
europäischem Privatbesitz herauszieht, könnte nur
durch eine allgemeine Verschiebung der wirtschaft-
lichen Kräfte unterbrochen werden. Die Preise aber
für ausserordentliche Dinge steigen und werden wei-
ter steigen. Die Preisbildung ist leicht zu erklären.
Die amerikanischen Sammler ■— es sind immer die-
selben fünf oder sechs Herren — besitzen Vermögen,
die sich Phantasiewerte von entsprechenden Dimen-
sionen erschaffen. Es giebt wenige Dinge auf dieser
armen Erde, die der Besitzer von 10 Millionen sich
nicht kaufen kann oder könnte. Der Besitzer von
i oo Millionen hat aber den sehr natürlichen Wunsch
nach Genüssen und Eigentumssensationen, auf die der
Besitzer von 1 o Millionen verzichten muss. Nun
ist der Wert einer Perlenkette allenfalls messbar und
einigermassen begrenzt. Der Wert eines Kunstwerks
aber lässt sich ins Unendliche steigern. Und so tri-
umphiert das Geistige, die unwägbare und unmess-
bare Qualität einer Kunstschöpfung über alle Werte
mehr materieller Art. Eine wunderliche Vergeltung.
Das Interesse der Zwischenhändler an möglichst
hohen Preisen ist offenbar, ist um so dringlicher,
als manches Bild erst durch das Steigen der Preise
dem Markt überhaupt zugeführt wird.
Der Duke of Norfolk war gewiss nie auf den
Gedanken gekommen, seinen „Holbein" zum Ver-
kauf zu stellen. Erst als ihm ein Angebot vor-
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