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Zwei mongolische Fabeln

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Dr. U.
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Titel: Zwei mongolische Fabeln
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 35
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[35] Zwei mongolische Fabeln.

1. Der Frosch und die zwei Gänse.
Zwei Gänse, die gerade im Begriffe waren, auf ihrer Herbstwanderung südwärts zu ziehen, wurden von einem Frosche inständig gebeten, ihn doch mitzunehmen. Die Gänse sprachen ihre Bereitwilligkeit dazu aus, falls nur irgendein. Transportmittel ausersonnen werden könnte. Da zeigte der Frosch einen starken Grashalm vor, ließ die Gänse denselben, je an einem Ende festhalten, während er selbst sich mit seinem Maule in der Mitte anklammerte.

Auf diese Weise machten die Drei ihre Reise mit Erfolg, als sie von unten aus von Leuten bemerkt wurden, die laut ihre Verwunderung über den gescheiten Einfall äußerten und gern wissen wollten wer denn so klug gewesen sei, daraus zu kommen. Der eitle Frosch öffnete sein! Maul und sagte: „Ich war es!“ – Damit ließ er aber seinen Halt los, fiel zur Erde und wurde in Stücke zerschmettert.

Moral: – Laß dich nicht vom Hochmuth zum Reden verführen, wenn du besser stillschweigen würdest.

2. Die Schildkröte im Brunnen.

Eine Schildkröte lebte in einem Brunnen. Eine andere Schildkröte, deren Heimath der Ocean war, fiel auf ihren Ausflügen ins Innere des Landes zufällig in diesen Brunnen. Die Schildkröte fragte nun ihren neuen Kameraden, woher er käme. –

„Aus dem Meere.“

Da sie vom Meere sprechen hörte, schwamm die Brunnenschildkröte ein wenig im Kreise herum und fragte: „Ist das Wasser des Oceans so groß wie dieses?“

„Größer!“ entgegnete die Seeschildkröte.

Die Brunnenschildkröte schwamm alsdann zwei Drittel des ganzen Brunnenumfanges ab und fragte, ob der Ocean so groß sei.

„Viel größer!“ sagte die Seeschildkröte.

„Nun denn,“ sagte die Brunnenschildkröte, „ist der Ocean so groß, wie der ganze Brunnen?“

„Größer!“ sagte die Seeschildkröte.

„Wenn das wahr ist“, sagte die andere, „wie groß ist denn dann der Ocean?“

Die Seeschildkröte erwiderte: „Da du noch nie ein anderes Gewässer als das deines Brunnens gesehen hast, so ist dein Begriffsvermögen sehr gering. Was den Ocean anbetrifft, so könntest du ihn niemals, selbst wenn du viele Jahre darin zubrächtest, auch nur zur Hälfte ergründen, noch auch seine Grenzen erreichen, und es ist durchaus unmöglich, ihn mit diesem deinen Brunnen zu vergleichen.“

Die Schildkröte entgegnete: „Es ist unmöglich, daß es ein größeres Gewässer als diesen Brunnen giebt, du willst nur deinen Geburtsort mit eitlen Worten herausstreichen.“

Moral: – Leute von geringer Bildung, die sich von dem geistigen Horizont hochbefähigter Menschen keinen Begriff machen können und sich ihres Wissens und ihrer Talente rühmen, gleichen der Schildkröte im Brunnen. – Dr. U.