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ADB:Trcka von Lipa

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Artikel „Trzka von der Lipa, Adam Erdmann Graf“ von Hermann Hallwich in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 537–549, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Trcka_von_Lipa&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 20:15 Uhr UTC)
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Trczka: Adam Erdmann Graf T. (nicht Terzky) von der Lipa, kaiserlicher General, bekannt durch seine Beziehungen zu dem Herzoge von Friedland, Wallenstein. Er war der Abkömmling einer angesehenen altböhmischen Familie, von deren Stammburg Lipa bei Königgrätz seit zweihundert Jahren allerdings kaum mehr bescheidene Ueberreste zu finden sind. Besonders in den Stürmen des langjährigen Hussitenkrieges zu Macht und Reichthum gelangt, zählten die T. seit dieser Zeit zu den vornehmsten Geschlechtern des Landes. Niklas v. T. († 1453), an allen wichtigen Landesangelegenheiten hervorragend betheiligt, erwarb um das Jahr 1436 das Schloß Lipnitz bei Deutschbrod, das, von ihm mit vielen Kosten einem gründlichen Neubau unterzogen – der Riesenthurm „Samson“ erlangte eine gewisse Berühmtheit – künftig als eigentlicher Wohnsitz des jeweiligen Hauptes der Familie zu betrachten war. Schon 1440 von den vier östlichen Kreisen Böhmens zum Vertreter bei der Königswahl bestimmt, wurde er bei der Wahl Georg’s von Podiebrad zum Landesverweser (1452) zu dessen Mitregenten ernannt. Die Erwerbung der beträchtlichen Güter Wlaschim, Pilgram, Heraletz, Lounowitz, Jung-Woschitz u. s. w. verschafften ihm den Beinamen des „Reichen“. Der Familienbesitz wurde durch seinen Sohn Burian († 1468 – als Jüngling hatte er sich in der großen, blutigen Schlacht bei Außig am 16. Juni 1426 durch besondere Tapferkeit hervorgethan –), mehr noch durch seinen Enkel Niklas den Jüngeren († 1516) in einer Weise vergrößert, daß ihm bereits damals kaum ein zweiter an die Seite gestellt werden konnte. Außer den schon genannten Dominien gehörten hierzu u. a. Hermanmiestetz, Rziczan, Liechtenburg, Swietla, Habern, die ehemaligen Besitzungen des alten Klosters Seelau, Chotieborz, Opotschno, Hohenbruck, Smirzitz, Polna und vorübergehend auch die Herrschaft Tetschen, die jedoch Niklas d. J. kurz vor seinem Tode „wegen der schlechten Wege und der vielen Deutschen daselbst“ wieder verkaufte. Auch seine Erben verstanden es, durch kluge Wirthschaft und reiche Heirathen das Vorhandene zu mehren – keiner in so hohem Maaße wie Johann Rudolph T., der Vater Adam Erdmann’s, und Marie Magdalene v. Lobkowitz, dessen Mutter. Johann Rudolph, von Kaiser Rudolph II. in den „alten Herrenstand“ des Königreiches Böhmen aufgenommen, erkaufte die von seinem Vorgänger den Grafen Thurn überlassene Burg Lipnitz zurück, erwarb von Katharina v. Dohna die Veste Drzewenitz sammt Zugehörungen und tauschte [538] Neu-Seelau gegen Schloß und Herrschaft Kaunitz ein. Dagegen veräußerte er, nicht ohne Gewinn, die Güter Welisch, Smirzitz, Kumburg mit Gitschin, Drzewenitz, Bradletz und Heraletz. An dem Aufstande von 1618 nicht unmittelbar betheiligt, verlor er nach der Katastrophe von 1620 nur einen kleinen Theil seines Besitzes an die königliche Kammer, Smidar und Kaunitz, welchen Verlust aber seine Gemahlin Marie Magdalene, deren Erwerbssinn den des Gatten bei weitem übertraf – sie stand im Rufe der geizigsten Dame ihrer Zeit – durch Erlag der Schätzungssummen wieder einlöste. Marie Magdalene begnügte sich damit nicht, sondern erstand in rascher Folge noch eine große Anzahl dem Fiscus verfallener Güter und Herrschaften, darunter (1623) vor allem Nachod mit Riesenburg, Koschtialow, Neu-Studenetz, Bohdanetsch und viele, den königlichen Städten Königgrätz, Trautenau und Czaslau confiscirte Höfe und Dörfer im Gesammtbetrage von mehr als einer Million Thaler. Zudem erwarb sie (1624) von Wallenstein nicht weniger als sechs, gegen die Herrschaft Kopidlno eingetauschte Güter: Zizelowes, Sadowa, Neustadt an der Mettau, Gradlitz, Hermanitz und Wölsdorf, von denen namentlich Neustadt einen höheren Werth beanspruchte. So gab es in Böhmen zu jener Zeit neben dem Herzogthum Friedland im Norden kein größeres Latifundium als das der Herren v. T. im Nordosten; ihnen zunächst standen die Kinsky mit ihrem ausgedehnten Gütercomplex im Nordwesten des Landes (s. A. D. B. XV, 775).

Nichts war natürlicher, als daß unter den benachbarten Großgrundbesitzern sich sehr bald nähere persönliche Beziehungen entwickelten. Sie wurden durch die Bande des Blutes fester geknüpft. Am 30. August 1627 vermählte sich Adam Erdmann T. mit Maximiliana, Tochter des Geheimen Rathes Grafen Karl Harrach, des zur Zeit einflußreichsten Mannes am kaiserlichen Hofe, dessen ältere Tochter Isabella Katharina bekanntlich vier Jahre früher die Gattin Wallenstein’s geworden war, während Wilhelm Kinsky die Schwester Adam Erdmann’s, Elisabeth, zur Frau hatte. An anderer Stelle wurde erzählt, wie wohl es Kinsky, der Protestant, verstand, trotz allgemeiner Güterconfiscation und Gegenreformation in den kaiserlichen Erbländern, seinen Güterbesitz zu behalten, ohne deshalb, wie von ihm verlangt wurde, zum katholischen Glauben überzutreten. Man weiß, daß er später (1630) sogar seiner Religion wegen ins Ausland ging und sich damit begnügte, seine Güter durch katholische Beamte verwalten zu lassen. Der gleichen Standhaftigkeit durfte sich Adam Erdmann T., der Schwager, nicht rühmen. Wie seine Voreltern im streng „böhmischen“ (utraquistischen) Glauben erzogen, gewann er es dennoch über sich – zweifellos bereits vor seiner Verheirathung –, diesen Glauben abzuschwören und Katholik zu werden. Am 18. Februar 1628 empfing er vom Kaiser den Grafenbrief mit dem Prädicat Hoch- und Wohlgeboren und dem sogenannten Palatinat. Die Würde eines Kämmerers und kaiserlichen Rathes folgte nach. Länger als er widerstanden Vater und Mutter den Versuchungen des glaubenseifrigen Hofes. Aber auch ihnen lagen ihre zeitlichen Güter mehr am Herzen als die Confession. Um nicht dem immerhin keineswegs beneidenswerthen Loose Wilhelm Kinsky’s zu verfallen oder wol gar, gleich allen anderen protestantischen Rittern und Herren des Landes, ihren gesammten Grundbesitz verkaufen, d. h. verschleudern und „mit dem Rücken ansehen“ zu müssen, bequemten endlich auch sie sich noch vor Ausgang des Jahres 1628, dem Beispiele des Sohnes zu folgen. Welches Aufsehen dieser Schritt hervorrief und welche günstigen Folgen man sich katholischerseits von ihm versprach, beweist ein Breve Urban’s VIII., d. d. Rom, 20. Januar 1629, das dem Convertiten Johann Rudolph T. unter dem Fischerring den päpstlichen Gruß und apostolischen Segen übersandte. „Wir beglückwünschen Deutschland“, heißt es daselbst, „zu dem neuen Horte der Religion [539] und Deine Edelgeboren zu dem Ruhme eines sehr weisen Entschlusses. Wir, die Wir gewusst, daß Du durch treffliche Tugenden Dich auszeichnest, sahen es wahrhaftig ungern, daß die Religion an Dir zu verdammen war. Nun aber umarmen Wir Dich um so lieber mit den Armen apostolischer Liebe, geliebter Sohn, der Du Deinen Ruhm mit der Würde des katholischen Namens vergrößert hast. … Edler Mann, führe hinter Dir auf den Wegen des Heils die Gemüther der Deinen, und mögen die Geschlechter, die Deiner Autorität gehorchen auch Folge leisten den Rathschlägen Deines Geistes“ u. s. w. Am 9. Juni desselben Jahres verlieh der Kaiser seinem Rath und Kämmerer Johann Rudolph T. die dem Sohne vor Jahresfrist geschenkte Grafenkrone. Der so zum zweiten Male erkaufte Grundbesitz der Familie sollte aber darum seinen Eignern keinen besonderen Segen bringen; jedenfalls nicht auf lange Zeit.

Adam Erdmann T. widmete sich der militärischen Laufbahn; nicht mit Zustimmung seiner Mutter, die ihn überaus zärtlich liebte. Ein nahestehender Augenzeuge erzählt, sie habe „viel Zähren vergossen, daß ihr Sohn Adam sich in das Kriegswesen begeben“. Er diente nicht von der Pike auf, sondern trat nach aller Wahrscheinlichkeit als Volontär in die friedländische Armee, bei der wir ihn seit 1626 in Wallenstein’s Umgebung finden, von diesem zu verschiedenen Commissionen, insbesondere nach Wien, verwendet. Dabei muß sich der junge Mann als sehr brauchbar erwiesen haben, denn nach zwei Jahren würdigte ihn der Feldherr der Auszeichnung, nach den entscheidenden Ereignissen vor Wolgast mit Ueberbringung der Siegesbotschaft an den Kaiser betraut zu werden. Am 3. September 1628 bestätigte Ferdinand II. den Empfang des ihm von T. eingehändigten herzoglichen Schreibens, mit dem Bedeuten, derselbe habe „auch, was er weiter mündlich zu referiren im Befehl gehabt, mit besonderer, Uns zu gnädigstem Belieben gereichender Dexterität und Geschicklichkeit an- und vorgebracht“. Das Verhältniß Wallenstein’s zu Adam Erdmann T. war somit von Anfang an ein günstiges. Zur Beurtheilung späterer Vorkommnisse scheint es von Wichtigkeit, zu wissen, ob ein ähnliches Verhältniß zwischen ihm und der Familie T., speciell zu Adam Erdmann’s Mutter, bestanden habe. Hiefür bietet ein Schriftstück aus derselben Zeit, von der soeben die Rede gewesen, einen handgreiflichen Anhaltspunkt. Es sind dies wenige Zeilen Wallenstein’s an seinen Landeshauptmann Taxis, die einer weiteren Erklärung kaum bedürfen. Sie lauten: „Mein Vetter (Max) schreibt mir, daß die Frau Trtschkin Smidar mir aus Freundschaft will um 160 000 Thaler lassen und daß sie solches Gut nie hätte verkaufen wollen. Nun weiß ich, daß sie mich mehr als dreißigmal gebeten hat, ich wolle es kaufen, aber ich allzeit ausgeschlagen. Itzt schätzt sie mir solches auf 160 000 meißn. Schock, und sie hat’s vom Kaiser um 100 000 Schock m. wegen etlicher angehenkter Partiten genommen. Darum befehle ich Euch, daß Ihr Euch drum nicht annehmt und solches auf keinerlei Weise kauft. Sie kann damit, wo ihr’s gefallen wird, betrügen. …“ Man wird nach solchen Worten zugeben, daß die Freundschaft Wallenstein’s zu Frau Marie Magdalene T., wenigstens im J. 1628, eine sehr große nicht genannt werden durfte. Es wurde aber später behauptet, Frau T., die Mutter Adam Erdmann’s, die, trotz ihrer „Bekehrung“ zur katholischen Kirche, niemals aufgehört, im Geheimen um so eifriger für den Protestantismus zu wirken und demgemäß in Verbindung mit vielen Gesinnungsgenossen das herrschende Regime in Böhmen zu bekämpfen, habe nach dieser Richtung mit Wallenstein unausgesetzt in vertraulichen, antidynastischen Beziehungen gestanden. Ein Beweis für diese Behauptung konnte freilich nie erbracht werden. Die Herrschaft Smidar ging im J. 1629 um den Preis von 100 000 Thaler in Wallenstein’s Besitz über. Im selben Jahre verkaufte Marie Magdalene T. ihrem Sohne Adam Erdmann [540] die Herrschaft Nachod für nicht weniger als 200 000 Thaler, deren Bezahlungsbedingnisse im Kaufcontracte genau bestimmt wurden. Ihr Geiz scheint doch noch größer gewesen zu sein als selbst die Liebe zum Sohne. Als es sich darum handelte, auf ihren Gütern die Gegenreformation durchzuführen, verhielt sie sich dabei höchst reservirt, ja sie entließ einen ihrer Verwalter, der es sich beikommen ließ, die Bauern mit Gewalt den Reformationscommissären zu stellen. Ein Bauernaufstand, der auf den Herrschaften Neustadt und Nachod ausbrach und sich auch auf das Herzogthum Friedland ausdehnte, wurde von T. mit bewaffneter Hand unterdrückt, nicht, ohne daß ihm Wallenstein die kräftigste Unterstützung gewährt hätte.

Am 23. Februar 1630 empfing T. zu Gitschin aus der Hand seines ihm befreundeten Feldherrn das Oberstenpatent. Am selben Tage verständigte Wallenstein hievon den Commandirenden der damals in Italien stehenden kaiserlichen Truppen, Feldmarschall Collalto. Er habe, schrieb er, die acht Fähnlein seines eigenen Infanterieregimentes, die sich eben in Italien befinden, dem Grafen T. abgetreten und denselben „darüber zum Obristen bestellt“. „Er wirbt stark“, fügte er bei, „und wird nach und nach Rekruten hineinschicken“. Bei diesen Werbungen kamen jedoch Unzukömmlichkeiten vor, die selbst den Kaiser veranlaßten, mit außergewöhnlicher Strenge einzuschreiten. Ein Handschreiben vom 24. Mai 1630 beklagte, daß T., ohne Vorwissen der Statthalter, auf seinen Gütern eine öffentliche Werbung angestellt, keinerlei Schein oder Patent dabei vorgewiesen, „sondern hierin seines Gefallens procedirt“, die Geworbenen alsdann eigenmächtig in den königlichen Städten Königgrätz, Nimburg und Welwarn einlogirt und daselbst „über die tägliche überflüssige Unterhaltung und dargereichte Servitien und andere Spesen allerhand Muthwillen und Gewaltthätigkeiten verübt und Unseren armen, ohnedies bis auf den äußersten Grad erseigerten Unterthanen vollends das Garaus gemacht“ habe. Der Kaiser, heißt es weiter, „wolle ihm hierdurch sein eigensinniges, unbefugtes Beginnen im Ernst verwiesen haben“, mit dem Befehl, der unter Einem Wallenstein intimirt wurde, „daß er sich nach Prag alsbald gestellen und deswegen Rede und Antwort geben solle“. Wahrscheinlich demzufolge änderte der General seine ursprüngliche Disposition. Er übergab (im Juni) die erwähnten Fußcompagnien deren bisherigem Oberstlieutenant Dietrichstein und ernannte dafür T. zum Inhaber des Reiterregimentes Haugwitz, bestehend aus 500 Arkebusieren, deren größter Theil zur Zeit ebenfalls ins Mantuanische marschiren sollte, bald darauf aber Befehl erhielt, nach Deutschland zurückzukehren. Bereits am 1. October 1630 erhielt T. einen, vom Kaiser gezeichneten Bestallungsbrief zur Anwerbung auch eines Cürassierregimentes von sieben Fähnlein. Man weiß, daß da Wallenstein schon vom Oberbefehle entfernt war. Es mochte T. gelungen sein, für seine Person die ihm vorgehaltenen Anschuldigungen zu entkräften. Er nahm am 9. Mai des folgenden Jahres wieder eine Anzahl kaiserlicher Werbepatente in Empfang, die ihn ermächtigten, in Böhmen noch ein Infanterieregiment von 3000 Mann aufzubringen, was augenblicklich seine Schwierigkeiten hatte. Im Juli 1631 mußte er um Verlängerung der ihm gewährten Werbefrist einschreiten. Mitte August war auch dieses Geschäft beendet. Zum Oberstlieutenant seines neuen Regimentes aber bestellte T. den Schotten Johann Gordon, zum Oberstwachtmeister dessen Landsmann Walther Leslie. Dasselbe ging nach Schlesien und stieß bei Glogau zu dem Corps des Feldmarschalls Tiefenbach. „Von des Herrn Grafen Regiment habe ich vernommen“, wurde ihm von dort geschrieben, „daß es stark und gar schön Volk sei“. Es kam nicht zur guten Stunde. Unter den Kaiserlichen herrschte die größte Verwirrung. Sie wurden vor Glogau von den Schweden überfallen, wobei das Regiment T., nach Aussage Wallenstein’s, der von Prag [541] aus die Vorgänge auf dem Kriegsschauplatze mit der gespanntesten Aufmerksamkeit verfolgte, „ganz ruinirt“ wurde. Mit Eifer bemühte sich T., den Schaden wieder gut zu machen. Der Einfall der Sachsen in Böhmen war ihm wenig hinderlich, da seine eigenen, sowie die elterlichen Güter von dieser Invasion verschont blieben. Am 13. November langte Wallenstein von Prag in Pardubitz an, geleitet von einer Compagnie Infanterie und zwei Compagnien Reiter, „welche der Graf T. itzt auf’s Neue geworben“.

Während der letzten Zeit war aber T. nicht allein militärisch thätig. Er hatte auch in den geheimen Verhandlungen, die seither zwischen Wallenstein und dem Könige Gustav Adolf gepflogen wurden, seine Hand im Spiele. Wie weit er dabei einen bestimmenden Einfluß auszuüben vermochte, wird wol niemals sichergestellt werden können. Gewiß ist es unrichtig, wenn nachträglich glauben gemacht werden wollte, T. hätte bereits „von Regensburg aus, eben um dieselbe Zeit, als der Herzog zu Friedland resignirt gehabt“, somit schon im September 1630 und aus eigenem Antrieb oder auf Wallenstein’s Veranlassung eine Annäherung des Letzteren an Gustav Adolf gesucht. Dagegen muß als ausgemacht gelten, daß, als der Graf Heinrich Matthias Thurn im Auftrage des schwedischen Königs seinen Unterhändler, den Exulanten Jaroslaw Raschin v. Riesenburg, im Februar 1631 an Wallenstein sandte, um ihm gewisse Anerbietungen Gustav Adolf’s vorzutragen, T. nicht zögerte, in diesem Handel eine Vermittlerrolle zu übernehmen – zu keinem anderen Zwecke, als den abgedankten kaiserlichen Feldherrn zu bestimmen, sich mit Schweden gegen den undankbaren Kaiser zu verbinden. In Opotschno, einem Trczka’schen Schlosse, wurden die ersten derartigen Verabredungen von Raschin und T. getroffen. Ende desselben Monats waren Beide in Wien, im Mai darauf in Dimokur, gleichfalls einer Trczka’schen Besitzung. Es stimmt nicht übel mit bekannten Thatsachen überein, wenn Raschin den Grafen Thurn von der „alten Frau Trczkin“ als von einem „verständigen Weib“ und einer „gewaltigen Praktikantin“ urtheilen läßt, die „ihres Gleichen nit habe“. Wieder im Juni soll T., und zwar in Prag, im Friedländer Hause, mit Raschin verkehrt haben; die Zusagen des Königs nahmen immer mehr eine reale Gestalt an. Im Juli überbrachte Jener sogar eigenhändige Schreiben Gustav Adolf’s sowol an Wallenstein als auch an T. Es frägt sich nur, ob es wahr ist, was dem Herzog von dem posthumen Angeber als Antwort darauf in den Mund gelegt wird. Hier ist der Ort nicht, diese Frage zu entscheiden. Abgesehen von dem Gesagten, ist von T. die Beschuldigung nicht hinwegzunehmen, daß er dem Grafen Thurn, Raschin und einem Dritten, Bubna, gegenüber Erklärungen abgab, die den Genannten keinen Zweifel mehr übrig lassen konnten. Die Unterhandlungen zerschlugen sich bekanntlich im October 1631: wie behauptet wird, infolge Zurücknahme des gegebenen Wortes von Seite Gustav Adolf’s, nicht Wallenstein’s oder Trczka’s. Noch im November übernahm der Friedländer die ihm vom Kaiser förmlich aufgedrungene Mission, die mit den Schweden verbündeten Sachsen für den Frieden, d. h. für sich zu gewinnen. Wie bis dahin mit dem Schwedenkönige, verhandelte Wallenstein von nun an mit Hans Georg v. Arnim, dem sächsischen Feldmarschall. Auch hier fand er für gut, sich vorzugsweise Trczka’s als seines Unterhändlers zu bedienen. Auf dessen Schlosse Kaunitz fand am 29. November eine persönliche Zusammenkunft der Vertreter beider Parteien statt; auch T. war als Vertrauensmann zugegen. Das vorläufige Resultat wurde dem Kaiser berichtet, doch nicht schriftlich. Der Hauptzweck, wie gesagt, war ein eminent friedlicher. Die Aussichten schienen sehr günstig. Da aber Wallenstein bald nachher genöthigt war, Böhmen zu verlassen – der Kaiser selbst verlangte seine Abreise nach Znaim, wo Eggenberg und Questenberg ihn bestimmen sollten, die Bedingungen zu formuliren, unter [542] denen er den Oberbefehl wieder zu übernehmen geneigt wäre –, wurde die Fortführung der Verhandlungen mit Arnim an T. übertragen. Die Wiederübernahme des Generalats war erfolgt, als T. eiligst nach Znaim berufen wurde, „wasgestalt“, schrieb Wallenstein, „Wir seiner anjetzo dahie gar hoch vonnöthen, indem Wir durch den Herrn gewisse und Ihrer kaiserlichen Majestät hochangelegene Sachen dem v. Arnim anbringen zu lassen entschlossen“. Im Januar darauf, wissen wir mit Bestimmtheit, fand zwischen Arnim und T. eine Besprechung in Außig statt. Von ihrem Inhalte verlauten nur Muthmaßungen.

Dann trat, nach Monaten, an Trczka’s Stelle bei Arnim der Oberst Ernst Georg v. Sparr. Geraume Zeit hindurch ist T. wieder ausschließlich Soldat. Mit großer Sorgfalt unterstützte ihn Wallenstein in neuen Werbungen, die er in einem Umfange betrieb, wie kein zweiter kaiserlicher Officier. Er completirte nicht nur die drei Regimenter zu Roß und Fuß, die er bereits besaß, sondern rüstete im Frühjahr 1632 noch zehn weitere Compagnien aus, je fünf eines neuen Infanterie- und eines Dragonerregimentes. Sie nahmen an den Wechselfällen des ereignißreichen Jahres 1632 auf fast allen Punkten des weiten Kriegsschauplatzes, in Böhmen, vor Nürnberg und bei Lützen, regen, stets ehrenhaften, meist glücklichen Antheil. Ebenso that sich T. bei mehr als einer Gelegenheit durch seinen persönlichen Muth hervor. Rühmend gedenkt der Bericht, den Wallenstein nach der Lützener Schlacht durch Diodati dem Kaiser erstatten ließ, der besonderen Tapferkeit und Ausdauer Trczka’s während dieses heißen Tages. Vom Anfang bis zum Ende kämpfte er an der Spitze seines Cürassierregimentes, den braven Oberstlieutenant Rauchhaupt zur Seite. Er sprengte wiederholt entschlossen in den Feind und unterstützte so mit großem Nachdruck die hartbedrängte Infanterie. Eine Geschützkugel riß die Bekleidung von seinem Fuße und krümmte den Steigbügel, ohne den Reiter selbst zu verletzen. „Schon brach die Nacht herein“, schließt der Bericht, „als die feindliche Cavallerie in Unordnung das Feld räumte, was den Grafen T. bestimmte, ihr mit dem Fußvolk nachzusetzen. …“ Als später Wallenstein in Prag über die Haltung seiner Truppen bei Lützen Gericht hielt, die Tapferen zu belohnen, die Feigen aber zu bestrafen, da gab es für T. und seine Leute nur Belohnungen in reichem Maaße. Dahin zu rechnen ist u. a., daß, da der Oberst Johann Rudolph Pallant v. Moriamez bei Lützen gefallen war, dessen Regiment zu Fuß von Wallenstein an T. überlassen wurde, das sechste, das dieser nunmehr innehatte. Er vertauschte es nach kurzer Zeit mit dem Reiterregiment des Obersten Anton Gutschitz v. Kreuzenbach. Schon früher, wenige Tage nach seinem Wiedereintreffen aus dem Feldzuge in Prag, war T. nach Chemnitz zurückgesendet worden, der dortigen Besatzung Befehle zu hinterbringen. Von da begab er sich – wie es scheint, ohne vorherige Verständigung des Feldherrn – zum Grafen Holk, der eine Heeresabtheilung zur Deckung Böhmens in die Gegend von Preßnitz führte. „Daß Herr Graf T. nicht anders als mit gewollt“, schrieb Holk an Wallenstein, „bitte ich, Ihre Fürstl. Gnaden wolle nicht mir Schuld geben“. Ein Trauerfall rief bald darauf T. nach Hause.

Am 8. Januar 1633 starb auf dem Schlosse Swietla Marie Magdalene, seine Mutter. Ihr Testament setzte ihn zum Universalerben ihres beträchtlichen Vermögens ein, den Gemahl Johann Rudolph aber zu dessen Nacherben. Ein zweiter Sohn, der noch lebte, wurde enterbt. Das Testament nannte nicht einmal dessen Namen. Es war Graf Wilhelm T., jüngerer Bruder Adam Erdmann’s. Wir lernen ihn zum ersten Mal kennen in einem Schreiben des Grafen Thurn an König Gustav Adolf vom Mai des Jahres 1632. „Hält der katholische Graf T.“ – Adam Erdmann – heißt es daselbst, „seine Worte nit, so er in Präsenz meiner, Herrn v. Bubna’s und Herrn Raschin’s geredet, so ist [543] der Schaden sein und hat Gott über den Herzog zu Friedland zu klagen. Sein Bruder, Graf Wilhelm T., so mich von Kindheit an mehr als seine Eltern geliebt, ist unserer Religion, ein tapferes, heroisches Gemüth, hat dem Elend nit zusehen können in seinem Vaterland, hält sich eine ziemliche Zeit auf in Frankreich, hat auf polnisch liberamente spendirt, die Eltern disgustirt, also daß der Graf Wilhelm Kinsky die Treue mehr als ein Schwager erweist, ihm zu helfen. Der eilet sich, Eurer königl. Majestät sich zu einem unterthänigsten Diener einzustellen. Aus diesem werden Eure königl. Majestät einen tapferen Helden abrichten, der Leib, Gut und Blut wird aufsetzen. …“ Es ist nicht bekannt, ob Gustav Adolf dieser Empfehlung auch nachkam und Wilhelm T. in seine Dienste nahm. Sicher ist, daß Wilhelm nach dem Tode seiner Mutter in die Heimath zurückkehrte, zweifellos in der Absicht, von dem Erbe, das sie hinterlassen hatte, seinen Pflichttheil in Anspruch zu nehmen. War aber schon die bloße Rückkehr eines Exulanten nach Böhmen damals an die Voraussetzung des Uebertrittes zur katholischen Kirche geknüpft, so galt dasselbe um so mehr bei der Erwerbung irgend eines Grundbesitzes. Auch Wilhelm’s „tapferes, heroisches Gemüth“ dürfte sich unter solchen Umständen am Ende entschlossen haben, gleich dem Bruder und den Eltern katholisch zu werden. Das wird um so wahrscheinlicher, ja gewisser, als wir ihn schon nach wenigen Monaten als kaiserlichen Kämmerer und Obersten wiederfinden. Ihm schenkte Wallenstein am 30. April 1633 das Cürassierregiment Hans Ernst Vitzthum v. Eckstädt, was Kaiser Ferdinand „in gnädigster Erwägung Unseres Kämmerers, des Hoch- und Wohlgebornen, auch lieben Getreuen Wilhelm Grafen T. von der Lipa Ehrbarkeit, redlichen Gemüths“ u. s. w. mit besonderem Patent bestätigte. Ob und in welcher Weise dem eine Auseinandersetzung Wilhelm’s mit seinen Angehörigen vorausgegangen war, wird nicht berichtet. Im Mai rief ihn der Kaiser nach Wien, zu dem ausgesprochenen Zwecke, „einen Versuch zu thun, ihn mit dem Herrn Kinsky wieder zu vergleichen“. Durch seine Handlungsweise hatte er sich also mit dem Schwager, der ihm in böser Zeit nach Thurn’s Versicherung „die Treue mehr als ein Schwager erwiesen“, überworfen.

Noch konnte Adam Erdmann T. seine Erbschaftsangelegenheiten nicht gehörig geordnet haben, als er sich wieder Hals über Kopf in die ihm besonders am Herzen liegenden Kriegsrüstungen stürzte. Ihm mußte Piccolomini sechs schwere Geschütze, Zwölfpfünder, sogenannte Regimentsstückel, und viele hundert Cürasse beschaffen. Er übernahm das Regiment des Obersten Andreas v. Contreras, resignirte aber dafür sechs Compagnien Dragoner, die, mit vier anderen des Generals Holk vereinigt, dem Obersten John Henderson untergeben wurden. Mit einer Compagnie „Polaken“, welche T. gleichzeitig warb, schuf er sich eine Art Leibgarde, wie sie sonst nur die Höchstcommandirenden um sich zu haben pflegten. Im März war T. am Wiener Hofe. Wie wir von einem Dritten erfahren, handelte sichs um eine ganze Menge mehr oder minder wichtiger Verrichtungen, zumeist in Heeresangelegenheiten. Von seinem Vater überbrachte er bei dieser Gelegenheit der Kaiserin ein schönes Hündchen; sie war eine große Freundin von dergleichen. Der Meldung, die er im selben Monate dem Herzoge erstattete, Hofkriegsraths-Präsident Graf Heinrich Schlick habe die bestimmte Absicht, nach Prag zu kommen, wurde von Questenberg widersprochen. Vom Tage des Aufbruches Wallenstein’s nach dem Kriegsschauplatze wich T. kaum mehr von dessen Seite. Noch aber hatte jener Böhmen nicht verlassen, als auch schon wieder von den Gegnern die alten geheimen Verhandlungen eröffnet wurden. Und wieder war T. der eigentliche Mittelpunkt aller Heimlichkeiten und Zwischenträgereien. Ihm sandte Holk schon in den ersten Maitagen ein Schreiben Bernhard’s von Weimar, der nun auch Miene machte, mit dem Feinde Fühlung zu nehmen. [544] Als Raschin wenige Tage später sich in Gitschin anmeldete, ging ihm T. von dort entgegen, ihn vor der Ankunft genau zu informiren. Er sandte ihn am andern Tage von Smirzitz unter sicherem Geleite wieder über die Grenze. – Man kennt den äußeren Verlauf der folgenden Ereignisse im Sommer 1633. Am 5. Juni hatte T. die erste Unterredung mit Arnim; zwei Tage später wurde ein erster Waffenstillstand, zunächst auf zwei Wochen, geschlossen. Er führte nicht zum Ziele. T. und Piccolomini beredeten am 17. Juni mit Franz Albrecht von Sachsen-Lauenburg eine Verlängerung; T. und Ilow unmittelbar darnach eine Erneuerung des Stillstandes – als Wallenstein den Faden entzweiriß. Die Feindseligkeiten wurden eröffnet; doch beiderseits nicht mit dem gehörigen Nachdruck. Wieder ging T., auf Arnim’s Einladung, ins feindliche Lager; Wallenstein selbst hatte mit Arnim eine Zusammenkunft. Am 21. August brachte T. die Zustimmung zum Abschlusse einer zweiten, vierwöchentlichen Waffenruhe. In seiner Gegenwart fiel an diesem Tage einer der gegnerischen Unterhändler, Prinz Ulrich von Dänemark, von einem kaiserlichen Schützen meuchlings erschossen. Auch nicht der zweite Stillstand war von Erfolg begleitet. „Aus dem Frieden wird nichts!“ Mit diesem Worte verständigte Wallenstein seinen Vertrauten T. als den ersten von allen am 14. September von dem Mißlingen ihrer vereinten Bemühungen. Am Tage zuvor hatte er ihm, in dankbarer Anerkennung seiner eifrigen Dienste, ein siebentes Regiment verliehen, das beste im Heere, die tausend Reiter seines verstorbenen Lieblings, des Grafen Heinrich Holk, wogegen fünf Compagnien Arkebusiere dem neuernannten Obersten Georg Friedrich v. Mülheim abgetreten werden mußten. In einem Einschreiten vom 6. October gab der Herzog-Generalissimus dieser seiner Erkenntlichkeit einen noch kräftigeren Ausdruck, indem er T., den Obersten, dem Kaiser als Feldmarschalllieutenant in Vorschlag brachte, eine Beförderung, wie sie bisher noch nicht vorgekommen war. Mit Recht durfte sich T. doppelt ausgezeichnet fühlen. Kein Wunder, wenn wir den jungen General mit Feuereifer bei der Sache sehen. Die Losung aber war nun: Krieg. Und schließlich war selbst einem T. das Kriegshandwerk doch noch geläufiger als das Diplomatisiren und Intriguiren. Im Laufe weniger Wochen wurde der Feind auf allen Punkten geworfen und Schlesien dem Kaiser zurückerobert. Der Hauptschlag aber fiel bei Steinau. Es war ein eigenes Verhängniß, daß just T. es sein mußte, der seinen Mitunterhändler seit Jahren, den armen, alten, von einer vielfach überlegenen Streitmacht rings umstellten Grafen Thurn, im Steinauer Brückenkopfe heimsuchte, ihm die Bedingungen zu dictiren, unter denen er sich mit seinem ganzen schwedisch-sächsisch-brandenburgischen Heere auf Gnade und Ungnade ergeben und als Gefangener ins kaiserliche Lager verfügen durfte. Acht Tage später unterzeichnete der Kaiser das Patent eines Feldmarschalllieutenants für Adam Erdmann T. Er führte auf dem Siegeszuge Wallenstein’s durch Schlesien, die Mark Brandenburg und die Oberlausitz die Vorhut; er war bei der Eroberung von Großglogau, Frankfurt a. O., Görlitz und Bautzen; er setzte mit Schaffgotsch Berlin in Contribution und marschirte mit der Hauptmacht über Kittlitz, Schluckenau und Kreibitz gegen Leitmeritz, woselbst die Vereinigung mit Gallas stattfand. Ein gemeinsamer Angriff sollte Kursachsen zum Frieden zwingen und den Krieg beenden.

Da kam die Wendung, die große, schwere Krise im Leben Wallenstein’s, der die Katastrophe folgte und folgen mußte. Entwicklung und Ausgang sind hier als bekannt vorauszusetzen. Wie bis dahin wich T. auch auf dem Eilmarsche aus dem nördlichen Böhmen nach Pilsen und über den Böhmerwald nach Furt nicht aus der Nähe Wallenstein’s. Ebenso wenig auf dem folgenden Rückzuge nach Pilsen. Wie mit der Zahl seiner Regimenter – sie bildeten an sich für ihre Zeit eine kleine Armee –, so war er mit seiner jugendlichen Energie und [545] angebornen Findigkeit dem kranken, beim Kaiser verdächtigen und bald von seinen sonst ergebensten Anhängern fast vollständig verlassenen Feldherrn nachgerade unentbehrlich. Von Haus aus nicht von der Verschlossenheit und Schweigsamkeit eines Wallenstein, blieb er mit seinen letzten Absichten nicht das unlösbare Räthsel wie dieser. Er „lamentirte“ laut, „er sei bei Hofe ohne Verschulden übel gewillt, habe es nicht verdient, sondern viel auf Werbungen gewendet“. Gerade das aber war’s, was ihm in Wien am allermeisten verargt wurde. Schon bei dem ersten Aufenthalt in Pilsen, Ende November, referirte Graf Trautmansdorf dem Kaiser über die Beschwerde des Fürsten: „Eure kaiserl. Majestät selbsten culpirten, daß er Herzog so viel Regimenter dem Grafen T. gäbe, da doch solches allein zu Eurer kaiserl. Majestät Diensten, wegen des Grafen T. Credit und Mitteln, Soldaten zu bekommen, geschehe, der Graf T. auch sich der Werbungen beschwere und davor bitte.“ Als dann in Pilsen, nach dem Rückmarsche von Furt, wieder die Unterhandlungen mit den Feinden ihren Anfang nahmen, wurden in Wien Spottmünzen geprägt, die den Herzog auf einer Bärenhaut liegend darstellten, während T., Ilow und Andere die Haut in Händen halten, Arnim aber den Liegenden mit einer Schiene an der Nase führt. Infolge seiner Krankheit und mehr noch seiner Verstimmung allen Anderen immer unnahbarer, konnte Wallenstein doch des Umganges mit Einem, T., nicht entrathen. Fast alle Abende von 8 bis 11 Uhr kam dieser nicht vom Krankenbett. Begreiflich, daß man von allen Seiten die Verfügungen, die im herzoglichen Hauptquartier getroffen wurden, zunächst auf seine Rechnung setzte. Die Statthalter von Böhmen beschwerten sich gegen Keinen so sehr über die drückende Last der Einquartirung als gegen ihn und Ilow. Seine rechte Hand aber, wird versichert, war Heinrich Niemann, ein Mann der Feder im Soldatenrock, erfüllt von dem glühendsten Hasse gegen Alles, was mit dem Hause Habsburg zusammenhing. Man wollte verspüren, „daß Niemann allda nit nur ein simpler Rittmeister gewesen wäre, und T. hätte fast Alles gethan, was Niemann gewollt hätte“. Und T. wollte den Bruch mit dem Kaiser und darum den Anschluß Wallenstein’s nicht nur an Kursachsen und -Brandenburg, sondern selbst an Schweden und Frankreich. Beweis hierfür sein Schreiben an Wilhelm Kinsky vom 26. December 1633 (s. A. D. B. XV, 782). Der sogenannte Pilsener Schluß vom 12. Januar darauf war sein und Ilow’s Werk. Als es zur Unterzeichnung kam, wird berichtet, sei T. „etwas berauscht herumgegangen und habe, den Degen zückend, gesagt: Wo Einer, so dem Generalissimo feind, da vorhanden wäre, wollte er denselben in Stücke zerhauen helfen“. Da sei dem Piccolomini unwillkürlich das Wort entfahren: „O traditore!“ Um nicht dadurch verrathen zu werden, habe er aber den Obersten Diodati bei der Hand gefaßt und sei mit ihm im Saale herumgesprungen. – In jenen Tagen ernannte Wallenstein, vorbehaltlich der Genehmigung seitens des Kaisers, Piccolomini zum Feldmarschall, T. zum General der Cavallerie. Beide nahmen von nun an in der Armee diesen Rang ein. Die kaiserliche Bestätigung in seiner neuen Charge fand T. allerdings nicht; diejenige Piccolomini’s, der nicht mehr lange in Pilsen verweilte, erfolgte am 1. Februar, doch ohne Vorwissen des Generalissimus. Mit Piccolomini stand T. nach dessen Entfernung brieflich in lebhaftem Verkehr. Er unterließ es nicht, ihn vor Aldringen zu warnen, der nicht zu bewegen war, nach Pilsen zu kommen. Mehr noch als Wallenstein vertraute T. dem verschlagenen Florentiner ganz und gar, wie er denn überhaupt von Allen in Wallenstein’s Umgebung die größte Zuversicht und Vertrauensseligkeit zur Schau trug – bis zu der Stunde, in welcher Diodati, Piccolomini’s Creatur, ohne herzogliche Erlaubniß Pilsen mit seinem Regiment plötzlich verließ. Hauptmann [546] Schlieff, der damals von Wallenstein und T. seinen Abschied nahm, versichert, es habe jener nicht anders „als eine todte Leiche ausgesehen“, den Grafen T. aber „hätte er nit mehr lustig, sondern in alio statu verspürt und confundirt befunden“. In der bekannten Versammlung der Generale und Regimentscommandanten am 19. Februar war außer T., dem „General der Cavallerie“, auch der „Oberst“ Graf T., Wilhelm, der Bruder Adam Erdmann’s, zugegen. Jener gab „für sich und für alle die Seinigen“ das Gelöbniß zu Protokoll, „Leib und Leben bei Ihren fürstl. Gnaden, Herrn Generalissimo, aufzusetzen“. Etwas vorsichtiger erklärte Wilhelm: Obwohl er „bei voriger Proposition (am 12. Januar) nit gewesen“, jedoch „aus jetziger Proposition nit sehe, daß Ihre fürstl. Gnaden Generalissimus, was der kaiserlichen Hoheit entgegen, attentirte – resolvire er sich, gleich den Anderen, bei Ihrer fürstl. Gnaden zu leben und zu sterben und einzigen General nicht zu erkennen“. In Prag, so lautete bei diesem zweiten „Pilsener Schlusse“ die Ordonnanz, sollten die einzelnen Regimenter sich sammeln. Dahin gedachte Wallenstein am 21. Februar aufzubrechen, als T., der ihm vorausgeeilt war, auch schon wieder nach Pilsen zurückkehrte, nachdem er unterwegs eines der kaiserlichen Patente aufgegriffen hatte, das den „gewesenen General-Obristen-Feldhauptmann“ seines Amtes entsetzte und mit demselben Gallas bekleidete, den Anhängern des nunmehr „gewesenen“ Generalissimus aber erklärte: „Alles, was diesfalls vorgangen, nachzusehen und ganz zu vergessen – außerhalb daß wir aus solchem Pardon, neben dem General, noch zwo andere Personen wollen ausgenommen haben.“ Niemand wußte besser, als T. und Ilow, wer die „zwo anderen Personen“ waren. Beide wurden von einem zweiten kaiserlichen Patent in Acht und Bann gethan.

Das Rendezvous war nicht mehr Prag, sondern Eger, wohin noch am selben 21. Februar der Weg angetreten wurde. Mit T. und Kinsky waren auch deren Frauen. Spätere eidliche Aussagen bestätigen, es habe T. vor seinem Abzuge von Pilsen mehrfache Erpressungen und rohe Gewaltthätigkeiten ausgeübt, aus dem Keller des Patriciers Wolfinger baare 8000 Gulden und vieles Silberzeug genommen, die Gräfin Czernin aber um 7000 Thaler beraubt u. dgl. m. Der Zug bewegte sich über Mies und Plan. Wenig mehr als 500 Mann waren die ganze Begleitung. Ein Regiment Trczka’s war im Begriffe zu folgen. Ihm warf sich Piccolomini mit seinen Cürassieren nächst Mies entgegen. Es setzte „ein hart Treffen zwischen des T. und Piccolomini Regiment“. Ilow schreibt aus Mies: „Piccolomini hat die Terzki’schen Reiter forciren wollen; sie haben aber unrecht verstanden, auf ihn chargirt und ihn zurückgetrieben; sind im Anzug, sich mit uns zu conjungiren. Ich hoffe, wir wollen ihnen das Tradiment bezahlen.“ Von Butler und Leslie geleitet, hielt man, nicht weiter behelligt, den Einzug in Eger. Es war ein Gang zum Tode. Piccolomini hatte Butler, Butler aber Gordon und Leslie, die Officiere Trczka’s, dafür gewonnen, an dem „gewesenen“ Generalissimus und seinen „Adhärenten“ die vom Kaiser befohlene „Execution“ vorzunehmen. In dem Gemetzel auf der Burg zu Eger fielen bekanntlich zuerst Kinsky und Ilow, ohne sich zur Wehre setzen zu können. Niemann flüchtete in ein Nebenzimmer und rannte dort in die Spieße der Wache. T. allein gelang es, seinen Degen zu erreichen und eine Ecke des Saales zu gewinnen. Er nannte Gordon und Leslie feige, schändliche Verräther und forderte sie auf, mit ihm zu fechten. Eine Rotte von mehr als 30 Mördern stürmte gleichzeitig auf ihn ein. Geraume Zeit hielt er sie sich geschickt und tapfer vom Leibe. Er schlug Deveroux den Degen in Stücke, hieb zwei Dragoner nieder und brachte dem Hauptmann Lerda eine tödtliche Wunde bei. Sein Wamms von Elennhaut schützte die Brust gegen Hieb und Stich. Endlich gelang es einem Iren, ihm die Schöße zu lüften – ein Dutzend Dolche machte seinem [547] Leben ein Ende. Als Butler und Geraldin, von Deveroux mit einem Zug Dragoner gefolgt, vor Wallenstein’s Quartier auf den Marktplatz kamen, „da hörten sie des T. und Kinsky Weiber weinen und schreien, welche durch einen Lakaien, der dabei gewesen und mit den Hauptleuten aus dem Schloß herausgewischt, berichtet worden.“ Ein höherer Beamte Trczka’s äußerte nach einem Jahre vor Gericht, sein Herr habe in Pilsen sich verlautet, es hätte ihm der General-Herzog die Nativität stellen lassen, in der es geheißen, „wenn er dies Jahr überlebe, so würde er ein großer und reicher Herr werden“. Er starb, kaum 35 Jahre alt. Eine Medaille, die ihm zu Ehren bei seinen Lebzeiten geprägt worden, hat uns sein stattliches Brustbild aufbewahrt. Der Revers der Medaille aber zeigt die Figur des Herkules, der dem Atlas die Weltkugel abnimmt, inmitten der Rundschrift: „Co wzmohov ramena“, zu deutsch: „Was die Schultern ertragen.“ Die Last, die er sich zugemuthet, war offenbar zu schwer gewesen für seine Kräfte – und wol auch für andere. Seine Leiche wurde mit denen Ilow’s und Kinsky’s im Minoritenkloster zu Mies vorläufig beigesetzt, dann auf dem Friedhofe „Mariä Himmelfahrt“ daselbst bestattet. Er hinterließ ein einziges Kind, ein minderjähriges Töchterchen Marie Isabella; seine Güter wurden selbstverständlich confiscirt. Gallas’sche Dragoner hatten bereits am 22. Februar, drei Tage vor seiner Ermordung, das Schloß Nachod besetzt, es für den neuen Herrn – Piccolomini – zu conserviren. Damit war aber die Tragödie des Hauses T. noch nicht abgeschlossen.

In Wien erzählte man, es habe Johann Rudolph T., Adam Erdmann’s Vater, bei der Nachricht von der Entleibung des Sohnes den Ausspruch gethan: „es sei ihm gar recht geschehen, denn sonst, hätte den Adam der Kaiser bekommen, so würde er ihn durch die Stadt mit Pferden haben schleppen und viertheilen lassen“. Es liegt uns ein Brief Johann Rudolph’s vor, geschrieben in Zleb am 2. März 1634, also wol unmittelbar nachdem der Schreiber jene Todesnachricht erhalten hatte. „Wollte Gott“, heißt es darin, „ich wäre nit geboren, damit ich nit hören sollte von diesen schrecklichen, unerhörten und leichtfertigen Sachen. Bin zwar in meinem Gewissen vor Gott und Menschen sicher und rein, habe mich dessen weder mit Gedanken noch mit der That theilhaftig gemacht, auch von dem nit das Geringste gewusst, dennoch aber Einer aus meinem Geblüt hat dies begangen! O unglückselige Stunde, in welcher er in seiner Mutter Leib empfangen worden!“ – Der Vater zweifelte nicht an der Schuld des Sohnes. Auch nicht der Bruder zweifelte. Graf Wilhelm T. hatte am Tage nach dem zweiten „Pilsener Schlusse“, den er, wie erwähnt, mitunterzeichnet, den Weg nach Prag genommen, wo er auch eintraf und das bewußte kaiserliche Patent zu Gesicht bekam. Von dort aus schrieb er am Abend desselben Tages an Gallas, um sich womöglich von allem Verdachte zu reinigen, als ob er mit dem Bruder im Einverständnisse wäre. „Wol habe ich“, sagt er, „mit den anderen Obersten die letzte Proposition unterschrieben, doch Seine Hoheit hat sich verbindlich gemacht, Niemanden zu zwingen, wenn etwas dem Dienste des Kaisers zuwiderlaufe, und da ich nun einmal dort war, so konnte ich die Unterschrift nicht verweigern.“ Damit begnügte sich Wilhelm nicht. Wie an Gallas wendete er sich an Schlick, den Hofkriegsraths-Präsidenten. Er hoffe nicht, der Kaiser werde ihn seines Bruders Aufführung entgelten lassen – „weil ein Vater nicht kann leiden für den Sohn, noch Sohn für den Vater, noch Beide für den Bruder“. Zur besseren Bekräftigung legte er seinem Schreiben ein zweites bei, eine „Attestation“ von der Hand des gutgesinnten Freiherrn Ernst v. Suys, Commandanten von Prag, der bestätigte, daß Wilhelm T. bei ihm erschienen und „sich höchlich entschuldigt, daß er von seines Bruders noch anderer, der röm. kaiserl. Majestät Widerwärtigen herrührender Unruhe im Geringsten einige [548] Wissenschaft nicht gehabt, sondern sich erklärt, höchstgedachter Ihrer kaiserl. Majestät, als einem gehorsamen Vasallen gebürt, getreu zu verbleiben“. Gallas und selbst ein Carretto de Grana ließen sich herab, ihm ähnliche Wohlverhaltungszeugnisse auszustellen. Der Kaiser fand es demnach mit Rescript vom 8. März für gut, „daß der junge T. zum Regiment geschafft“. Aber der junge Mann wurde dieser Gnade nicht froh. Er starb sehr bald darauf; die Todesart ist nicht bekannt. Bereits am 9. April stellte eine kaiserliche Verordnung – „nach Ableben des Grafen Wilhelm T.“ – dessen Regiment dem Obersten Hans Ernst Vitzthum v. Eckstädt zurück. Da dachte denn auch Johann Rudolph, der alte, unglückliche Vater, an das Sterben. Er schrieb am 2. Juni sein Testament. Der arme reiche Mann hatte, trotz dem Verluste der Güter seines Sohnes, noch über einen Grundbesitz im Werthe von 2 Millionen rheinischer Gulden (nach heutigen Geldverhältnissen etwa 30 Millionen) zu verfügen. Den besten Theil davon, Opotschno, Smirzitz u. s. w., testirte er seinen beiden Töchtern und der Enkelin Marie Isabella; zu Testamentsvollstreckern und Vormündern der Minderjährigen ernannte er sechs angesehene, zumeist in hohen Würden stehende Herren, unter ihnen Adam v. Waldstein, den Prager Oberstburggrafen, eine bei Hofe vielvermögende Persönlichkeit. Nichtsdestoweniger entging auch er seinem Schicksal nicht. Vor eine Untersuchungscommission gestellt, wurde er einem Verhör über seine und seiner Frau Beziehungen zum „Friedland“ unterzogen. Das Protokoll liegt vor. Es schließt damit, der Befragte habe, „daß ihm von dergleichen, als er befragt worden, ja nichts wissend“, mit einem Schwur betheuert; „daneben auch gebeten, man wollte ihn, als den, der Ihrer Majestät und dem Hause von Oesterreich stets treu verblieben, mit dergleichen Interrogatorien verschonen, weil er sich lieber den Tod – welchem er ohnedies nahe – als dergleichen anzuhören wünschen thäte.“ Vorläufig auf freiem Fuß belassen, ging er nach Deutschbrod. Hier fügte er am 29. September seinem Testament mit eigener Hand ein Codicill bei, das in einer Reihe größerer und kleinerer Legate seiner Dienerschaft zu gute kommen sollte. Während des Schreibens, fügt dem Schriftstück ein Zeuge bei, „ist die Ohnmacht an ihn kommen, er die Feder aus der Hand fallen lassen, weiter nichts geredet und also plötzlich verschieden“. – Ein kaiserliches Decret an die von ihm bestellten Vormünder verfügte über dessen Nachlaß, insbesondere Opotschno und Smirzitz, als confiscirtes Gut. Es ist in hohem Grade bezeichnend, daß es einer dieser Männer, der bedeutendste unter ihnen, wagte, gegen ein solches Vorgehen des Monarchen zu remonstriren. Adam v. Waldstein hatte diesen Muth. „Wider welche allergnädigste Resolution“, schrieb er zum wiederholten Male aus Oedenburg, 2. Januar 1635, „daß ich als Dero treuer Diener im geringsten sein sollte, davor wolle mich der Allmächtige behüten. Und obzwar Eure Röm. kaiserl. Majestät, als unsere allergnädigste Obrigkeit, durch solches Decret zu diesen Herrschaften Gerechtigkeit zu haben allergnädigst andeuten, nichts destoweniger ist an Dieselben mein und anstatt Anderer nochmaliges alleruntherthänigstes Bitten: Eure Röm. kaiserl. Majestät geruhen mir und ihnen, Dero getreuen Unterthanen – doch ohne einzige Maßgebung – die Gnade erzeigen und bei solchem Posseß, bis daß wir durch ordentliche, erlaubte, schon vorher begehrte rechtliche Mittel enthebt würden, allergnädigst verbleiben lassen, insonderheit weil dadurch Eurer Röm. kaiserl. Majestät Recht und Gerechtigkeit im geringsten nichts benommen, viel weniger davon etwas verwendet werden soll, also damit wir, von gedachtem Grafen Johann Rudolph T. geordnete väterliche Vormünder, desto sicherer unsere Gewissen salviren möchten, solches allergnädigstes Decret aus angeborenen Gnaden und Milden, als aller Wittwen und Waisen nach Gott höchster Vormund und rechter Vater, anderwärts zu verändern Ihro allergnädigst belieben lassen und [549] mein und ihr allergnädigster Kaiser, König und Herr sein und verbleiben.“ Die Antwort lautete: „Fiat. Herrn Supplicanten wiederum hinaus zu geben mit Bescheid, daß es Ihro kaiserl. Majestät allerdings bei Ihrer Resolution verbleiben lassen.“ Und dabei blieb es. Johann Rudolph’s Testament wurde cassirt, über sein und der Seinen Gedächtniß die Verdammung ausgesprochen und deren gesammtes bewegliches und unbewegliches Vermögen dem Fiscus zuerkannt. Das war das Ende der Familie T. Ihr großer Reichthum, so geht die Sage, war ihr größtes Verbrechen.

Nach Urkunden der kaiserl. Archive in Wien, des Gubernial-Archivs in Prag u. A. m.