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Geschenke der Erde

Der neue Kustos Johannes Giebel der Mineralogischen Sammlungen der Technischen Universität Berlin will die Vielfalt der schönen Steine auch in der digitalen Welt zeigen

„Als kleiner Junge fand ich in einem Ägyptenurlaub mit meinen Eltern einen Sandstein mit eingeschlossenen prähistorischen Fossilien – einen sogenannten Nummolithen“, erzählt Dr. Johannes Giebel. „So fing meine Leidenschaft für Steine an.“ Der 35-jährige Geologe, der in Halle und in Bloemfontein (Südafrika) studiert und in Tübingen promoviert hat, ist seit Anfang Februar 2020 neuer Leiter der mehr als 200 Jahre alten umfangreichen Mineralogischen Sammlungen der Technischen Universität Berlin (TU Berlin).

Vor fast genau einem Jahr ging seine Vorgängerin Dr. Susanne Herting-Agthe offiziell in den Ruhestand. „Ich bin überglücklich, dass ich nun diese Schätze, immerhin eine der fünf bedeutendsten mineralogischen Sammlungen in Deutschland, nach 35 Jahren in so kompetente Hände übergeben darf“, begeistert sie sich, und sie überreicht Johannes Giebel zum Einstand symbolisch ein großes mit blauem Sodalith durchzogenes Stück Karbonatit aus dem noch nicht katalogisierten Vorrat an steinernen Schätzen der Sammlung.

Digitalisierung von mehr als 100.000 katalogisierten Stücken

Die zukünftigen Aufgaben des neuen Kustos werden vielfältig sein. „Natürlich gehört die intensive Pflege, der weitere Aufbau, der Ankauf, die weitere Aktualisierung der Kataloge dazu“, erklärt Johannes Giebel. „Vor allem will ich aber die Digitalisierung der Stücke vorantreiben.“ Eine Mammutaufgabe bei mehr als 100.000 katalogisierten Stücken und weiteren Teilsammlungen. Wichtig ist ihm aber auch die Lehre, die Einführung der Studierenden aus angrenzenden Fachgebieten in die Mineralogie.

„Das Leben eines Geowissenschaftlers besteht keineswegs nur aus der Beschäftigung mit toten Steinen. Diese Erfahrung möchte ich neben Fachkenntnissen gern weitergeben.“ Und er erzählt von dem besonderen Naturerlebnis, das er vor einigen Jahren in einem entlegenen und unbewohnten Gebiet in Lappland machen konnte. Zwei Monate lang lebte er dort zu zweit in einem Zelt, um einen 50 Quadratkilometer großen Ausschnitt der schwedischen Kaledoniden zu kartieren. 

Sein Lieblingsstein Dioptas wird auch als Kupfersmaragd bezeichnet

Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit sind aber die Mineralogie, die gesteinskundliche Materialwissenschaft, und die Petrologie, die die Entstehungsbedingungen und -prozesse des Gesteins fokussiert sowie dessen Eigenschaften und mögliche Nutzung. Seine Doktorarbeit über die seltenen Karbonatite hat Johannes Giebel an der Universität Tübingen geschrieben. „Aber nicht nur ihre Seltenheit ist interessant“, erklärt er. „Karbonatite sind auch stark mit ökonomisch verwertbaren chemischen Elemente wie Strontium, Barium, Caesium und Rubidium oder Phosphor und vor allem mit Seltenen Erden angereichert.“

Doch der junge Kustos hat auch einen Sinn für Schönheit. Als Gemmologe ist er ebenfalls an Edelsteinen interessiert. Fragt man ihn nach seinem Lieblingsstein muss er allerdings etwas überlegen. Aber dann entscheidet er sich doch: „Dioptas gefällt mir sehr, ein meist leuchtend grünes Mineral, das deshalb auch als Kupfersmaragd bezeichnet wird und gern als Schmuckstein geschliffen und verwendet wird. Er kommt vor allem in Namibia vor.“

Mit der besonderen Affinität zu Afrika hat ihn einer seiner Geologie-Professoren angesteckt, so sehr, dass er an sein Diplom in Halle noch einen Master of Science in Lagerstättenkunde der Universität des Freistaates in Bloemfontein/Südafrika anhängte. Doch nun, nach 15 Jahren des Studiums und der wissenschaftlichen Arbeit, ist der geborene Brandenburger in die Heimat zurückgekehrt – inzwischen mit Frau und drei Kindern.

„Natürlich kannte ich die Sammlung der TU Berlin – man kennt die Großen der Branche“, erklärt er. „Als Forscher und gleichzeitig Liebhaber schöner und seltener Steine reizt mich die Arbeit hier besonders, weil sie ein Museum mit einem Forschungsinstitut verbindet. Das erweitert die Aufgabenspektren beider Teile sehr.“

Steinliebe: Zusammen mit seiner Vorgängerin bereitet Johannes Giebel derzeit eine Ausstellung vor

Eine seiner ersten Herausforderungen im Umgang mit der Berliner Öffentlichkeit wird eine Ausstellung in den Räumen der Schausammlung sein. „Crystal Metal“ wird sich mit Schmuck, Steinen und Metall beschäftigt, und die er noch zusammen mit seiner Vorgängerin, Dr. Susanne Herting-Agthe durchführt. Die beiden arbeiten außerdem mit der Berliner Goldschmiedin und Künstlerin Susanne Sous zusammen. Sie sei so fasziniert von den Kristallen und Mineralen der Sammlung, dass sie seit bald einem Jahr fast ausschließlich Schmuckstücke und -Objekte angefertigt habe, die von den Gesteinen, den Edelsteinen und Mineralstufen inspiriert sind.

„Wir stellen diese kunstvollen Schmuckstücke zusammen mit den kristallinen Objekten aus der Natur aus, deren vielfältige Formen und Oberflächen die Schmuckobjekte inspiriert haben.“ So werden unter anderem Ringe oder Gürtelschnallen direkt neben den Mineralien zu sehen sein, die Vorbild für die jeweilige metallene Arbeit waren: ein Ring mit mattsilbernen und goldenen Würfeln wird neben einer entsprechenden Pyrit-Stufe stehen, und der größte, eine halbe Tonne schwere Eisenmeteorit wird einen massiven schwarzen Ledergürtel mit schwerer Silberschnalle tragen, die die gleichen Oberflächendellen zeigt wie der Meteorit.

Die Fundstücke auch für Nicht-Expert*innen zugänglich zu machen ist ihm nicht fremd. Das ist eine gute Voraussetzung für die vor ihm liegenden Aufgaben an der TU Berlin. Denn die Mineralogischen Sammlungen werden eine entscheidende Rolle auch im geplanten Ausstellungspavillon der Universität spielen. „Dafür habe ich schon einige Ideen im Kopf“, so Giebel.

Doch davor ist Johannes Giebel noch einmal auf und davon. Seine erste Dienstreise führte ihn Anfang März 2020 nach Indien. Auf dem 36. Internationalen Geologenkongress (IGC) in Delhi, einem der größten, nur alle drei bis fünf Jahre stattfindenden, geologischen Kongresse der Welt, war er eingeladen, die Keynote zu seinem Spezialgebiet zu halten, den seltenen Karbonatiten. Eine weitere Gelegenheit, die Berliner Sammlungen weltweit bekannt zu machen.

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