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Die Beraubung der Cheops-Pyramide – staatliche Grabplünderei?

2022, Göttinger Miszellen

Im Beitrag wird die Frage gestellt, ob die Beraubung der Cheops-Pyramide wirklich auf einen kleinen Trupp Grabräuber zurückgeführt werden kann, oder ob nicht viel mehr ein Pharao selbst dahinter stecken könnte. Ein Herrscher der Ersten Zwischenzeit, der unter Zuhilfenahme alter Baupläne in die große Pyramide des Cheops eindrang um die Reichtümer dem Staatsschatz zuzuführen, stellt ein denkbares Szenario dar. Somit würde sich das Szenario einer heimlichen Beraubung der großen Pyramide des Cheops im Schutz der Dunkelheit durch einen Trupp Grabräuber, die die Schätze nach wochenlanger geheimer Arbeit des Nachts im Licht von Fackeln wegtrugen, zu einer staatlich gelenkten und unter Zuhilfenahme von alten Plänen organisierten Aktion wandeln, durch die die finanziellen Mittel dem Staatshaushalt zugeführt werden sollten.

GöttinGer Miszellen Beiträge zur ägyptologischen Diskussion Heft 266 inHAltsVerzeicHnis KurzBeMerKunGen Bojowald, Stefan: Lexikologische Diskussionen III - Ein weiterer Aspekt zum Geier in CT III, 61 f-g / Einige neue Gedanken zum „ab (w) “-Vogel / Einige neue Überlegungen zum „Ht “-Vogel ........................................... 5 Castillos, Juan José: One more probable Reason for Akhenaten to have chosen Amarna to build his new Capital ................................... 12 Karlsson, Mattias: Ḫaḫpi: A new Egyptian name in cuneiform? .................... 18 Krueger, Frederic: O.Crum 132: No Relation to the Will of Abraham of Hermonthis ......................................................................... 20 Mahlich, Elena: Ein basilophorer Personenname in keilschriftlicher Nebenüberlieferung ............................................................................... 23 Miatello, Luca: The ‘Ferryboat Spells’ in the Coffin Texts: on Two Details Discussed by Wolfgang Schenkel ................................. 27 Theis, Christoffer: Die Beraubung der Cheops-Pyramide – staatliche Grabplünderei?...................................................................... 33 Vogel, Carola: Lord Carnarvons Autounfall bei Langenschwalbach. Sein Zeitpunkt und seine Implikationen ................................................. 39 Miszellen Altenmüller, Hartwig: Das Fragment eines Zaubermessers aus Karnak ....... 41 Brügger, David: Re-Assessing Hatshepsut as King ...................................... 49 Castillos, Juan José: Predynastic Coffins...................................................... 61 Cauville, Sylvie: Le pharaon de Senemet est Taharqa de Philæ................... 73 Hohneck, Heimo: Ein Naos Ptolemaios’ VIII. von der Insel el-Heisa ............. 85 Miatello, Luca: Reading an Enigmatic Formula of Protection Strictly Related to the King’s Ritual Run ................................................ 93 Thompson, David: A Nubian Dwarf Amulet, Proven Effective a Million Times ....................................................................................... 119 Vernus, Pascal: À propos du « Götterdekret über das Abaton » – accord des toponymes, prépositions formées sur HA. t , et e nisbé Hry en tant que qualificatif divin ................................................. 127 Wagdy, Abdelghaffar: Funde aus der Nekropole von Ard Neqabet El-Muhamin (1987–88), Heliopolis ................................... 143 notizen zur literAtur Moje, Jan: Karomama Merit-Mut „G“ in București. Kurze Korrekturnotiz zur Literatur ........................................................................................... 157 MitteilunGen Aus „tHe rAMesses iii (KV 11) PuBlicAtion AnD conserVAtion Project“ WWW.rAMesses-iii-Project.coM Grünhagen, Martina: Intrusion of the Litany of Ra into Chamber Bb in the Tomb of Ramesses III .................................................................. 159 Weber, Anke: „Wasser aus Heliopolis“. Nochmals zur Merit mit n m s . t -Gefäß in KV 11 als Darstellung eines Reinigungsrituals - Neues zur Rekonstruktion des Wandverschlusses vor D1a ................................... 171 TECHNICAL INFORMATION / Guidelines for contributors — — — — — — — PDF-files in high quality print (standards: PDF/X-3:2002) or camera-ready manuscripts written in English, French or German are accepted. To maintain printing standards, we can accept originals only; please do not send xerocopies. If using A4-size paper, please allow 2.5 cms for all margins. 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Der Tunnel führt auf Höhe der sechsten Steinlage in das Kernmauerwerk der Pyramide, verläuft hierbei zuerst mit einer leichten Südostorientierung geradeaus, um dann einen recht scharfen Knick nach Süden zu machen. Hierdurch wird die Granitblockierung im aufsteigenden Gang umgangen.1 Die arabische Überlieferung schreibt den Tunnel Kalif cAbdallh al-Ma’mn zu, der die Pyramide zu Beginn des 9. Jahrhunderts n. Chr. durch diesen Gang betrat. „Da stellte man in eine der beiden Pyramiden (…) nach gewaltigen Anstrengungen und langwierigen Mühen einen Eingang her. Drinnen fanden sie grausenerregende Treppen und Schachte, wo man nur unter Schwierigkeiten gehen konnte, und ganz oben fand er ein würfelförmiges Gemach: jede Seite hatte eine Länge von etwa 8 Ellen und in der Mitte stand eine marmorne Mulde, die mit einem Deckel verschlossen war. Als man den heruntergenommen hatte, fand er drinnen nur morsche Knochen, über die die dahingeschwundenen Jahrhunderte gegangen waren.“2 In der Forschung wurde bereits angemerkt, dass die exakte Führung des Grabräubertunnels, der den aufsteigenden Korridor zur großen Galerie direkt hinter dem Blockierungssystem aus Granitblöcken trifft, sicherlich kein Zufall sein kann. Der Verlauf lässt vermuten, dass man über den Aufbau des inneren Kammersystems sehr genau Bescheid wusste und sich dieses Wissen höchstwahrscheinlich auf Baupläne stützte.3 Dementsprechend wäre ein bereits vorhandener Gang durch cAbdallh al-Ma’mn nur von Steinen oder neuen Blockierungen aus früherer Zeit befreit worden.4 Geht man davon aus, dass die Personen, die sich nach der Bestattung des Cheops als erstes Zutritt zu seiner Pyramide verschafften, Zugriff auf Baupläne der Pyramide selbst hatten, wird man für die Beraubung einen Zeitpunkt wohl nicht allzu weit entfernt vom Tod des Cheops ansetzen können. In der Forschung wird hierfür im Allgemeinen die Erste Zwischenzeit als Möglichkeit genannt,5 doch konnte diese Annahme bisher nicht durch archäologische Hinweise auf die erste Beraubung gesichert werden.6 1 Vgl. die schematische Darstellung bei M. HAASE, Das Fallsteinsystem der Cheops-Pyramide, in: Sokar 15 (2007), S. 31–47, hier S. 32, Abb. 5. 2 E. GRAEFE, Das Pyramidenkapitel in Al-Makrizi’s „Hitat“, hrsg. von Stefan Eggers, Hamburg 2003, S. 45. 3 Vgl. z. B. HAASE, in: Sokar 15 (2007), S. 32 f.; id., Eine Stätte für die Ewigkeit. Der Pyramidenkomplex des Cheops aus baulicher, architektonischer und kulturhistorischer Sicht, Mainz 2004, S. 118; J. SASS, Die Baugeschichte der Cheopspyramide. Genialität in der Einfachheit, Norderstedt 2020, S. 300. 4 Strabon, Geographica XVII, 1, 33 beschreibt, dass die Pyramide einen beweglichen Stein besitzt, hinter dem sich eine gewundene Passage zur Grabkammer befindet; vgl. den Text bei H. L. JONES, The Geography of Strabo, Book XVII, Cambridge/London 1967, S. 91–94. Dementsprechend scheint die Pyramide um die Zeit von Christi Geburt offen und betretbar gewesen zu sein. Der Grabräubertunnel wurde im Jahr 1584 n. Chr. durch Ibrahim Pascha so erweitert, dass man darin aufrecht stehen kann, s. hierzu M. HAASE, Wann wurde der Sarkophagdeckel aus der Cheops-Pyramide entfernt?, in: Sokar 10 (2005), S. 9. 5 Vgl. z. B. D. ARNOLD, Zur Zerstörungsgeschichte der Pyramiden. Ein Vortrag, in: MDAIK 47 (1991), S. 21– 27, hier S. 21 f.; HAASE, in: Sokar 15 (2007), S. 33; P. JÁNOSI, Die Pyramiden. Mythos und Archäologie, München 22010, S. 16; L. KÁKOSY, The Plundering of the Pyramid of Cheops, in: SAK 16 (1989), S. 145– 169, hier S. 145, S. 152; SASS, Die Baugeschichte, S. 299; R. STADELMANN, Die ägyptischen Pyramiden. Vom Ziegelbau zum Weltwunder (Kulturgeschichte der antiken Welt 30), Mainz 31997, S. 113; und die bei 34 GM 266 (2022) Die Erste Zwischenzeit wird in der Forschung zumeist als mögliche Epoche für die Plünderung genannt, da die Jahre nach dem Zusammenbruch des Alten Reichs durch politisch instabile Zustände geprägt gewesen seien, in denen dann „aus den alten königlichen Archiven“ die Baupläne entwendet und „von Grabräubern gezielt für ihre Zwecke“ eingesetzt wurden, wobei „mit dem Verfall der zentralen Staatsmacht auch der Schutz der königlichen Pyramidenanlagen“ verloren gegangen sei.7 In den Klagen des Ipuwer, VI, 5–8 wird berichtet, dass administrative Einrichtungen offen ständen und ihre Aufzeichnungen gestohlen worden wären.8 Pap. Leiden I 344 rt., der die Klagen enthält, datiert aufgrund seiner Paläographie in die späte 19. Dynastie, doch wird eine Entstehung des Textes in der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends angenommen.9 Dementsprechend könnten die beschriebenen Zustände auf die Erste Zwischenzeit referieren; ebenfalls wäre aber auch ein Bezug auf die Zweite Zwischenzeit oder auch eine andere, stabilere Epoche nicht auszuschließen.10 In den Klagen des Ipuwer VII, 2 wird außerdem berichtet, dass das Verborgene der Pyramiden nun leer stehen würde. 11 Denkt man an die ‚Beraubung der Cheops-Pyramide‘, kommen bestimmt Bilder von einer Gruppe von Männern in den Sinn, die sich still und leise der Pyramide nähern, um sich dann heimlich des Nachts im Schein von Fackeln ihren Weg in die Grabanlage zu hämmern und zu meißeln. Der logistische Aufwand, den Grabräubertunnel in die Pyramide zu schlagen und im Folgenden die verschiedenen Blockiersysteme vor der Königskammer zu umgehen, kann sicherlich als nicht unbedeutend bezeichnet werden.12 Es muss offen bleiben, wie lange diese Aktion insgesamt gedauert hat – man wird wohl durchaus von einigen Wochen Arbeit ausgehen können. Michael HAASE bemerkte hierzu, dass dieses Unterfangen wohl nur „unter Mithilfe oder zumindest mit Duldung der damals (…) Herrschenden“13 bewerkstelligt werden konnte. Durch diese Annahme bekommt das Gedankenbild einer im Verborgenen agierenden Gruppe bereits einige Risse. Diese Feststellung kann durch die entscheidende Frage weitergeführt werden: Cui bono? Natürlich nutzt die Beraubung der Cheops-Pyramide denjenigen Personen, die die Grabbeigaben aus der letzten Ruhestätte entnehmen und im Folgenden verkaufen konnten. Doch denken wir dies unter Einbezug der Aussage von HAASE weiter: Sollte man wirklich annehmen, dass – auch wenn es sich um eine politisch instabile Phase im memphitischen Raum handelt – ein Herrscher der Beraubung einer Pyramide einfach zustimmen wür- 6 7 8 9 10 11 12 13 C. THEIS, Magie und Raum. Der magische Schutz ausgewählter Räume im alten Ägypten nebst einem Vergleich zu angrenzenden Kulturbereichen (ORA 13), Tübingen 2014, S. 486, Anm. 219 genannte Literatur. Vgl. ARNOLD, in: MDAIK 47 (1991), S. 21. HAASE, in: Sokar 15 (2007), S. 33, S. 44. Vergleichbar findet sich dies auch z. B. bei ARNOLD, in: MDAIK 47 (1991), S. 21; G. GOYON, Die Cheopspyramide. Geheimnis und Geschichte, Augsburg 1990, S. 212. A. H. GARDINER, The Admonitions of an Egyptian Sage from a Hieratic Papyrus in Leiden (Pap. Leiden 344 recto), Hildesheim 1969, S. 46, S. 48; M. LICHTHEIM, Ancient Egyptian Literature, Vol. I: The Old and Middle Kingdom, Berkeley, Kalifornien 1973, S. 155. Siehe hierzu die Zusammenfassung von G. MOERS, Art. Klagen des Ipuwer, in: S. ALKIER/M. BAUKS/K. KOENEN (Hgg.), Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), URL: https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/25370/ (Zugriff am 29. Oktober 2021), § 2. Vgl. MOERS, Art. Klagen des Ipuwer, § 2. Zu Beraubungen von Pyramiden während der Zweiten Zwischenzeit s. ARNOLD, in: MDAIK 47 (1991), S. 23. GARDINER, Admonitions, S. 54. Zu weiteren Texten, in denen geöffnete Grabmäler erwähnt werden oder sich diese Taten reflektieren, s. KÁKOSY, in: SAK 16 (1989), S. 149–151. So z. B. auch ARNOLD, in: MDAIK 47 (1991), S. 21: „Die Öffnung und Beraubung einer Pyramide stellte ein ernsthaftes technisches Unternehmen dar, bei dem eine größere Zahl von Räubern über eine längere Zeit hinweg beschäftigt war.“ Zum System der Blockiersteine vor der Grabkammer s. die Beschreibung von HAASE, in: Sokar 15 (2007), S. 35–44. HAASE, in: Sokar 15 (2007), S. 44. GM 266 (2022) 35 de, ohne eine wie auch immer geartete Form der Gegenleistung zu erwarten oder zu fordern? Dementsprechend ist viel mehr anzunehmen, dass ein König involviert gewesen ist und die Arbeiten unterstützte. Ebenfalls ist denkbar, dass die Pläne der Pyramide durch Beamte im Auftrag des Herrschers selbst aus den Archiven herausgesucht wurden, um sich der Schätze der Pyramide zu bemächtigen. Die Frage nach dem Nutzen ist in beiden Fällen mit einer staatlichen Macht zu beantworten, die entweder die Plünderung der Pyramide bzw. die Entnahme ihrer Schätze selbstständig durchführte oder zumindest eine Gruppe von Personen aktiv bei dieser Tat unterstützte, wobei für diese Hilfe sicher auch eine Art der Gegenleistung erwartet wurde. Führen wir dieses Gedankenkonstrukt weiter aus, in dem eine staatliche Institution die Öffnung der Pyramide nicht nur unterstützte, sondern sogar initiierte. Dementsprechend muss die Frage cr hoc facis („Warum machst du das?“) gestellt werden. Es ist sicher davon auszugehen, dass in der großen Pyramide viele Reichtümer als Grabbeigaben vorhanden waren. Wenn eine staatliche Macht Zugriff auf mehrere Jahrhunderte alte Baupläne hatte, was, wie oben bereits genannt, zur Durchführung des Grabäubertunnels vorausgesetzt werden muss, ist ebenso davon auszugehen, dass auch eine Liste von Grabbeigaben existierte – oder man das Vorhandensein von Reichtümern einfach erwarten konnte. Wie es von Miroslav BÁRTA schlüssig herausgearbeitet worden ist, wurden die finanziellen Ressourcen des Staates am Ende des Alten Reiches nicht etwa durch die Einstellung der gigantischen Pyramidenbauten entlastet, sondern durch Totenkulte und andere Verpflichtungen ökonomisch immer weiter belastet.14 Demzufolge kann eine leere Staatskasse auch für die Erste Zwischenzeit angenommen werden, wobei diese durch spezifische Anforderungen im Totenkult oder dergleichen weiterhin beansprucht wurde. In diesem Fall wäre es für einen König oder eine Beamtenschaft naheliegend, weitere Mittel zu erschließen, um die Staatskasse zu füllen. Lassen wir nun eine Passage aus der Lehre für Merikare, E 70 f. zu Wort kommen: „Schände keine Orte ()! (…) Ich habe das Gleiche getan, solches geschah (auch mir) (…)“15 Die Übersetzung dieser Stelle hat in der Forschung bereits vielfältige Deutungen hervorgerufen.16 Speziell die Übersetzung von  spielt in diesem Kontext eine Rolle, wobei man dieses Wort nicht vorbehaltlos als „Gräber“ wiedergeben sollte.17 Als Parallele ist darauf zu verweisen, dass in den Namen der Pyramiden von Userkaf, Niuserre, Menkauhor, Unas, Teti und Merikare aus dem Alten Reich und der Ersten Zwischenzeit ägyptisches  zur Bezeichnung der Pyramide angewandt wird und hier auch immer im Plural Verwendung findet. 18 Somit könnte man für die angesprochene Stelle einen Bezug zu Pyramidenkomplexen vertreten, was aber nur als These verstanden sein soll. Es sei darauf verwiesen, dass sich die Lehre für 14 Vgl. M. BÁRTA, Der Zusammenbruch des Alten Reiches, in: Sokar 18 (2009), S. 44–53, hier S. 47, S. 51. Vgl. auch P. ANDRÁSSY, Untersuchungen zum ägyptischen Staat des Alten Reiches und seinen Institutionen (IBAES XI), London 2008, S. 122–140; M. VERNER, Die Pyramiden, Hamburg 1999, S. 411 und K. JANSENWINKELN, Der Untergang des Alten Reiches, in: Or 79 (2010), S. 273–303, hier S. 279 f. 15 S. Text und Umschrift bei J. F. QUACK, Studien zur Lehre für Merikare (GOF IV/23), Mainz 1992, S. 42 f. 16 S. z. B. A. H. GARDINER, New Literary Works from Ancient Egypt, in: JEA 1 (1914), S. 20–36, hier S. 28; C. LEITZ, Rezension zu J. F. Quack, Studien zur Lehre für Merikare (GOF IV/23), Mainz 1992, in: WdO 27 (1996), S. 133–140, hier S. 138. 17 S. z. B. H. BRUNNER, Die Weisheitsbücher der Ägypter, Zürich/München 1991, S. 147; P. DILS, pPetersburg 1116 A, Verso: Die Lehre für Merikare, in: Thesaurus Linguae Aegyptiae, URL: https://aaew.bbaw.de/tla/index.html [Zugriff am 29. Oktober 2021]; GARDINER, in: JEA 1 (1914), S. 28. 18 S. C. THEIS, Corpus Pyramidum Aegyptiacarum (GM.B 9), Göttingen 2011, S. 35, S. 44 f., S. 49, S. 54, S. 125. 36 GM 266 (2022) Merikare, E 1 selbst an einen König Merikare richtet,19 der in der Forschung mit dem König identischen Namens aus der neunten/zehnten Dynastie identifiziert, die Entstehungszeit der Lehre selbst aber erst im Mittleren Reich verortet wird.20 Der Name der Pyramide von Merikare lautete den altägyptischen Quellen nach  „Die Stätten des Merikare gedeihen“,21 womit ein Bezug des Verfassers der Lehre aufgrund der Verwendung des Wortes  zu einer königlichen Grabstätte vorliegen könnte. Ebenfalls kann darauf hingewiesen werden, dass auch die Grabanlagen von Mentuhotep II., Amenemhet I. und von Sesostris I. zu Beginn des Mittleren Reiches mit diesem Substantiv bezeichnet wurden.22 Die Frage nach der genauen Regierungszeit von König Merikare konnte bisher nicht gänzlich geklärt werden. Neben dem Vorschlag, dass er ein Zeitgenosse des thebanischen Königs Mentuhotep II. war,23 könnte er ebenso bereits einige Zeit vor Mentuhotep II. regiert haben, womit er ein Zeitgenosse eines Antefs aus der beginnenden thebanischen elften Dynastie gewesen wäre.24 Da Merikare wohl in seiner Pyramide bestattet worden war, worauf ein bis in die zwölfte Dynastie nachweisbarer Kult hindeutet, ist wohl eher von einer früheren Herrschaftszeit auszugehen, die man etwa zwischen 2100 und 2050 v. Chr. ansetzen kann.25 Da die achte Dynastie in der ägyptischen Tradition noch der Zeit des Einheitsreiches zugehörig empfunden wurde,26 hätte Merikare somit nicht lange nach dem Ende des Alten Reiches geherrscht.27 Wo genau seine Pyramide einst erbaut war, konnte bisher nicht geklärt werden. Es sind mehrere Titel von Priestern bekannt, die an seiner Pyramide beschäftigt waren. Da diese Titel mehrheitlich aus dem nördlichen Saqqra stammen und viele der Priester ebenso 19 QUACK, Studien zur Lehre für Merikare, S. 16. 20 So ]%0GÖRG, Religionen in der Umwelt des Alten Testaments III: Ägyptische Religion. Wurzeln – Wege – Wirkungen, Stuttgart 2007, S. 55;฀QUACK, Studien zur Lehre für Merikare, S. 120–123; A. SCHARFF, Der historische Abschnitt der Lehre für König Merikarê (Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Abteilung 1936, 8), München 1936, S. 7; D. SITZLER, Vorwurf gegen Gott. Ein religiöses Motiv im Alten Orient (Ägypten und Mesopotamien) (Studies in Oriental Religions 32), Wiesbaden 1995, S. 20. 21 S. THEIS, Corpus Pyramidum Aegyptiacarum, S. 125. 22 S. THEIS, Corpus Pyramidum Aegyptiacarum, S. 97 f., S. 121. 23 Vgl. D. B. SPANEL, The Herakleopolitan Tombs of Kheti I, Jt(.j)jb(.j), and Kheti II at Asyut, in: Orientalia 58 (1989), S. 301–314, hier S. 302. 24 Vgl. A. E. DEMDICHIK, The Reign of Merikare Khety, in: GM 192 (2003), S. 25–36. 25 Vgl. E. HORNUNG/R. KRAUSS/D. A. WARBURTON (Hgg.), Ancient Egyptian Chronology (HdO I, 83), Leiden/Boston 2006, S. 491; S. J. SEIDLMAYER, The relative Chronology of the First Intermediate Period, in: E. HORNUNG/R. KRAUSS/D. A. WARBURTON (Hgg.), Ancient Egyptian Chronology (HdO I, 83), Leiden/Boston 2006, S. 159–167, hier S. 165; C. THEIS, Die Pyramiden der Ersten Zwischenzeit nach philologischen und archäologischen Quellen, in: SAK 39 (2010), S. 321–339, hier S. 334 f. 26 Vgl. J. VON BECKERATH, Chronologie des pharaonischen Ägypten (MÄS 46), Mainz 1997, S. 143; R. GUNDLACH, Der Pharao und sein Staat. Die Grundlegung der ägyptischen Königsideologie im 4. und 3. Jahrtausend, Darmstadt 1998, S. 131; W. HELCK, Anmerkungen zum Turiner Königspapyrus, in: SAK 19 (1992), S. 151–216, hier S. 171; D. B. REDFORD, Pharaonic King-Lists, Annals and Day-Books, Mississauga 1986, S. 12. Dies wird auch anhand des Turiner Königspapyrus deutlich, da erst nach der achten Dynastie die Summe der Könige, die heute als der sechsten und der achten zugerechnet werden, zusammengerechnet und ebenso die Jahre, die seit Menes vergangen waren, summiert wurden, vgl. A. H. GARDINER, The Royal Canon of Turin, Oxford 1959, Tf. II, Kol. IV, 16 f. Zur achten Dynastie generell M. BAUD, The relative Chronology of Dynasties 6 and 8, in: E. HORNUNG/R. KRAUSS/D. A. WARBURTON (Hgg.), Ancient Egyptian Chronology (HdO I, 83), Leiden/Boston 2006, S. 144–158, hier S. 156–158. 27 Setzt man die bei HORNUNG/KRAUSS/WARBURTON (Hgg.), Ancient Egyptian Chronology, S. 491 gebotenen Daten voraus, dass die achte Dynastie um 2118 v. Chr. zu Ende ging und die neunte/zehnte Dynastie zwischen 2118 und 1980 v. Chr. anzusetzen ist, wird deutlich, dass man hier eventuell nur von wenigen Jahren sprechen kann. GM 266 (2022) 37 an der Pyramide von Teti in Saqqra ihren Dienst verrichteten,28 wird auch für die Pyramide von Merikare eine Situierung in diesem Bereich angenommen.29 Wenn Merikare aber seine Pyramide im Bereich von Saqqra erbauen ließ, muss er folgerichtig seine Herrschaft auch über diesen Bereich ausgeübt haben. Es wird generell angenommen, dass die Herrscher der neunten/zehnten Dynastie von ihrer Hauptstadt Herakleopolis über Unterägypten (mit Ausnahme weniger Teile des Deltas) herrschten,30 woraus sich auch die Herrschaft über den memphitischen Bereich ergibt. Wie es Karl JANSEN-WINKELN für das Ende des Neuen Reiches schlüssig herausgearbeitet hat, erfolgte die Beraubung der Gräber im Tal der Könige nicht durch Grabräuber, sondern war ein staatlich gelenktes Vorgehen, um die Reichtümer in Form von Gold und anderen Preziosen dem Staatsschatz zuzuführen.31 Vergleichbar äußerte sich auch Erik HORNUNG, dass „man die Öffnung der Gräber und Umbettung der Mumien dazu benutzte, die wertvollen Beigaben offiziell sicherzustellen (…).“32 In diesem Kontext ließe sich die ‚Beraubung‘ der großen Pyramide von Cheops während der Ersten Zwischenzeit unter einem neuen, durchaus diskussionswürdigen Ansatz betrachten. Nach dem Zerfall des Alten Reiches herrschten ägyptische Könige nicht mehr über das ganze Land, sondern lediglich noch über Teilbereiche. Die Herakleopoliten der neunten/zehnten Dynastie kontrollierten hierbei Unterägypten. Die Staatsfinanzen wurden durch kultische Verpflichtungen und andere Ausgaben strapaziert, wozu ausbleibende Steuern aus anderen Teilbereichen Ägyptens kamen. Eventuell wird man zuerst versucht haben, diese Ausfälle durch höhere Abgaben zu kompensieren.33 Doch wollten die Herrscher auch weiterhin Pyramiden als ihre letzten Ruhestätten erbauen, was den Wunsch nach einem Kult und einer sicheren Bestattung impliziert,34 womit man ebenso an die ‚große‘ Zeit des Alten Reiches anknüpfen konnte. Da der Bau einer Pyramide aber immense Summen verschlang, mussten neue Wege gefunden werden, finanzielle Mittel für die langandauernden Bauarbeiten aufzutreiben. So könnte z. B. ein Beamter auf die Idee gekommen sein, die Schätze aus den Pyramiden für dieses Unterfangen zu nutzen, womit sich eine Analogie zum Ende des Neuen Reichs ergibt. Geht man davon aus, dass ein Bauplan der großen Pyramide in einem Archiv in Memphis oder dem Umfeld von za vorhanden war, konnte ein Herrscher der neunten/zehnten Dynastie hierauf direkten Zugriff haben. Im Folgenden stellte der König eine Mannschaft zusammen, die den heute als solchen betitelten Grabräubertunnel über Wochen oder Monate in die Pyramide brach, was, wie bereits gezeigt, aufgrund der idealen Gangführung nur durch genaue Kenntnisse des Pyramideninneren möglich war. Nach mehreren Wo28 S. die Belege bei J. E. QUIBELL, Excavations at Saqqara, 1905–1906, Kairo 1907, Tf. 13–15; C. M. FIRTH/B. GUNN, Teti Pyramid Cemeteries II, Kairo 1926, Tf. 27b. 29 J. MALEK, King Merykare and his Pyramid, in: C. BERGER/G. CLERC/N. GRIMAL (Hgg.), Hommages à Jean Leclant (BdE 106, 4), Kairo 1994, S. 203–214, hier S. 207–209; THEIS, Corpus Pyramidum Aegyptiacarum, S. 125. 30 Vgl. z. B. F. GOMAÀ, Ägypten während der Ersten Zwischenzeit (TAVO Beiheft, Reihe B/27), Wiesbaden 1980, S. 135 und passim; W. HELCK, Geschichte des Alten Ägypten (HdO I, 3), Leiden/Köln 1968, S. 93 f.; JANSEN-WINKELN, in: Or 79 (2010), S. 288; W. SCHENKEL, Zum Feudalismus der ersten Zwischenzeit Ägyptens, in: Or 33 (1964), S. 263–266, hier S. 265. VON BECKERATH, Chronologie, S. 144 führt an, das die Könige etwa bis Abydos geherrscht haben. 31 Siehe K. JANSEN-WINKELN, Die Plünderung der Königsgräber des Neuen Reiches, in: ZÄS 122 (1995), S. 62–78, hier S. 66 f., S. 78. 32 E. HORNUNG, Tal der Könige. Die Ruhestätte der Pharaonen, Zürich/München 1982, S. 78. 33 Mit JANSEN-WINKELN, in: Or 79 (2010), S. 293 wäre es denkbar, dass die Könige zunächst versuchten, die ausgefallenen Geldquellen durch höhere Abgaben und Frondienste auszugleichen. 34 Zu den Pyramiden der Ersten Zwischenzeit s. THEIS, in: SAK 39 (2010), S. 326–336. 38 GM 266 (2022) chen harter Arbeit konnten dann die Schätze dem Staatsschatz zugeführt und die Staatsfinanzen saniert werden. Es ist anzunehmen, dass nach der Entnahme der Schätze die Pyramide wieder verschlossen wurde, da der Leichnam von Cheops sicher keiner Gefahr ausgesetzt werden sollte.35 Mit der eingangs zitierten Passage über den Eintritt in die Pyramide durch c Abdallh al-Ma’mn könnte man schließen, dass der Sarkophag unangetastet gelassen wurde, da dieser der Quelle nach noch im neunten Jahrhundert n. Chr. verschlossen war und man darin einen Leichnam fand.36 Natürlich könnte es sich auch um eine Sekundärbestattung handeln, da mit Strabon, Geographica XVII, 1, 33 die Pyramide um die Zeit von Christi Geburt offen war.37 Wenn die Übersetzung und die Deutung der genannten Stelle aus der Lehre für Merikare E 70 f. korrekt ist, könnte man für eine Öffnung der großen Pyramide an den König Chety38 denken, der seinen Nachfolger Merikare vor einer Schändung von spezifischen Orten () warnen wollte. Unter  wäre in diesem Kontext in Analogie zu anderen Pyramidennamen aus dem Alten und Mittleren Reich eine königliche Grabstätte zu verstehen. Die Fragen cui bono und cr hoc facis können im oben dargestellten Szenario mit einem ägyptischen Herrscher der Ersten Zwischenzeit beantwortet werden, der unter Zuhilfenahme alter Baupläne in die große Pyramide des Cheops eindrang um die Reichtümer dem Staatsschatz zuzuführen. Aus anderen archäologischen Funden wäre zu schließen, dass auch weitere Pyramiden in dieser Zeit mit Hilfe von Bauplänen geöffnet wurden, bei denen ein vergleichbarer Befund einer exakten Tunnelführung im Kernmauerwerk zur Umgehung der Verschlusssteine nachweisbar ist.39 Aufgrund der Lage der betreffenden Grabstätten, genannt werden können die Pyramiden von Djedefre in Ab Rawš und die des Userkaf in Saqqra, kommen hierfür erneut die Herrscher der neunten/zehnten Dynastie in Frage. Somit würde sich das Szenario einer heimlichen Beraubung der großen Pyramide des Cheops im Schutz der Dunkelheit durch einen Trupp Grabräuber, die die Schätze nach wochenlanger geheimer Arbeit des Nachts im Licht von Fackeln wegtrugen, zu einer staatlich gelenkten und unter Zuhilfenahme von alten Plänen organisierten Aktion wandeln, durch die die finanziellen Mittel dem Staatshaushalt zugeführt werden sollten.40 Dementsprechend würde es sich bei dem ersten Zutritt zur großen Pyramide nach der Bestattung des Cheops um eine staatlich angeordnete Inbesitznahme handeln und nicht um eine ‚geheime Nacht-und-Nebel-Aktion‘ einer Grabräubertruppe. 35 KÁKOSY, in: SAK 16 (1989), S. 154 deutet ein Schriftstück aus der Zeit von Ramses II. so, dass „in the cemetery of Memphis (…) the Kings were still in their Pyramids undisturbed.“ ARNOLD, in: MDAIK 47 (1991), S. 22 geht davon aus, dass nach einem ersten Einbruch der Zugang wieder vermauert worden sei und dann bei weiteren Einbrüchen der Inhalt immer weiter entnommen wurde. 36 Der Sarkophagdeckel wurde erst zwischen 1512 und 1591 n. Chr. aus der Pyramide entfernt, vgl. HAASE, in: Sokar 10 (2005), S. 9. 37 Vgl. JONES, Geography of Strabo XVII, S. 91–94. 38 Der Name ist in der Lehre heute verloren, doch wird gemeinhin Chety in der Forschung rekonstruiert; vgl. z. B. T. SCHNEIDER, Lexikon der Pharaonen, Düsseldorf 2004, S. 103, S. 162. 39 Anscheinend wurden auch in der Pyramide des Djedefre in Ab Rawš die Blockiersteine genau umgangen, was ebenso auf das Vorhandensein von Plänen hindeutet; vgl. HAASE, in: Sokar 15 (2007), S. 45. Auch der Grabräubertunnel an der Pyramide des Userkaf umgeht exakt die Fallsteine, s. P. JÁNOSI, Im Inneren der Userkaf-Pyramide. Beobachtungen und Gedanken zu einem vergessenen Kammersystem, in: Sokar 26 (2013), S. 22–33, hier S. 23 f. 40 In diesem Kontext wären auch die Spolien in der Pyramide von Amenemhet I. zu betrachten, die aus den memphitischen Nekropolen stammen, s. hierzu ARNOLD, in: MDAIK 47 (1991), S. 22 f.; P. JÁNOSI, Das Geheimnis der Alten Reichs-Spolien in der Pyramide Amenemhets I., in: Sokar 17 (2008), S. 58–65.