Mathematisches
Forschungsinstitut
Oberwolfach
75 Jahre
Festschrift zum Jubiläum
75 Jahre – Festschrift zum Jubiläum
Ansprachen, Grußworte, Festvortrag
und Gastbeiträge anlässlich des
75-jährigen Bestehens des
Mathematischen Forschungsinstituts
Oberwolfach
Inhalt
Der Festtag am 5. Juli 2019 .......................................................................................6
Begrüßung
Prof. Dr. Gerhard Huisken (MFO) ....................................................................... 12
Grußworte und -botschaften
Theresia Bauer (Ministerin für Wissenschaft, Forschung
und Kunst Baden-Württemberg) ....................................................................... 18
Dr. Michael Meister (Bundesministerium für Bildung und Forschung) ....................... 19
Prof. Dr. Friedrich Götze (Gesellschaft für Mathematische Forschung) ..................... 24
Dr. Wilhelm Krull (VolkswagenStiftung) .............................................................. 30
Beate Spiegel (Klaus Tschira Stiftung) ................................................................ 33
Dr. Dr. h.c. Ursula Gather (Oberwolfach Stiftung) ................................................ 36
Prof. Dr. Cédric Villani (Député à l‘Assemblée Nationale) ....................................... 38
Prof. Dr. Klaus Hulek (Deutsche Mathematiker-Vereinigung) .................................. 40
Prof. Dr. Günter M. Ziegler (Freie Universität Berlin) ............................................ 42
Matthias Bauernfeind (Bürgermeister Oberwolfach) .............................................. 46
Festvortrag
Prof. Dr. Stefan Müller (Universität Bonn) ........................................................... 50
Beitrag zur Geschichte des Instituts
„Retter” von Oberwolfach (1945): Szolem Mandelbrojt und John Todd
Prof. Dr. Volker Remmert (Bergische Universität Wuppertal) ................................. 66
Entwicklung des MFO 2004-2019 .............................................................................. 77
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Gäste der Festveranstaltung am 5. Juli 2019 (Foto: Gerd Fischer)
Der Festtag am 5. Juli 2019
Im Jahr 2019 feierte das MFO sein 75-jähriges
Bestehen. Bei der Festveranstaltung am 5. Juli
begrüßte Direktor Prof. Dr. Gerhard Huisken
knapp 70 Gäste aus Wissenschaft, Politik und
Wirtschaft.
Theresia Bauer, Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg, gratulierte dem MFO zu „75 Jahren
wissenschaftlicher Exzellenz”. In ihrem persönlichen Grußwort bei der Jubiläumsfeier
betonte sie die große Bedeutung internationaler Zusammenarbeit bei der Gestaltung des
technologischen Wandels und der Bewältigung
damit einhergehender Schwierigkeiten. Baden-Württemberg zähle dabei auf Oberwolfach mit seinen jährlich nahezu 3000 Gästen
aus der ganzen Welt. Möglicherweise könne
die Mathematik helfen, dort Brücken zu bauen, wo die Politik alleine nicht weiterkomme.
terium für Bildung und Forschung, an. Er lobte insbesondere die intensive Nachwuchsförderung und die Projekte der Öffentlichkeitsarbeit des Instituts.
Als Vertreter der Leibniz-Gemeinschaft erläuterte Prof. Dr. Albert Sickmann (Sprecher der
Sektion D) die besondere Rolle des Instituts
als eine von zwei exzellenten „sozialen Forschungsinfrastrukturen” innerhalb der Leibniz-Gemeinschaft. Die Ruhe und Abgeschiedenheit des Instituts sowie die Beibehaltung
von Kreide und Tafel trotz Zeiten des digitalen
Wandels seien gerade das Erfolgsgeheimnis
von Oberwolfach.
Prof. Dr. Friedrich Götze (Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Mathematische Forschung) erläuterte in seinem Grußwort die
besondere Rolle der GMF für das MFO und beschrieb anhand entscheidender Stationen den
Weg des Instituts von seiner Gründung bis zur
Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft.
Den Glückwünschen schloss sich Dr. Michael
Meister, Mitglied des Bundestags und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesminis-
Foto: Gerd Fischer
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Theresia Bauer (Foto: MFO)
Dr. Wilhelm Krull (Generalsekretär der VolkswagenStiftung) knüpfte daran an und legte
dar, wie viel besser manches in der Entwicklung des MFO gelaufen sei, als es ursprünglich
geplant war. Die VolkswagenStiftung, die als
Förderin an wichtigen Stationen dieser Entwicklung beteiligt war, sei darüber immer wieder überrascht und erfreut gewesen.
Auch die Klaus Tschira Stiftung hat das Institut
entscheidend unterstützt und unter anderem
gemeinsam mit der VolkswagenStiftung den
Ausbau der Bibliothek finanziert. Beate Spiegel
(Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung)
betonte in ihrem Grußwort die große Bedeutung der Bibliothek für das MFO. Mit Oberwolfach verbinde sie das Interesse für Bücher, die
inspirierten und zum Austausch mit anderen
Menschen anregten. Die Bibliothek in Oberwolfach sei dafür der ideale Ort.
und in Vertretung von Dr. Detlef Schneidawind
auch die Glückwünsche der Oberwolfach Stiftung. Als besonderes Präsent zum Jubiläumsjahr kündigte sie die Bereitstellung von zusätzlichen 10.000 € für das neu geschaffene
Programm der „Oberwolfach Foundation Fellows” durch die Oberwolfach Stiftung an.
Prof. Dr. Cédric Villani (Député à l‘Assemblée
Nationale) sandte aus Paris eine Videobotschaft mit seinen Glückwünschen. Oberwolfach sei ein Ort wie kein anderer, den man
wertschätzen, schützen und stetig weiterentwickeln müsse.
Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Gather (Vorsitzende
des Vereins zur Förderung des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach e.V.)
überbrachte die Gratulation des Fördervereins
Im Anschluss daran hielt Prof. Dr. Stefan
Müller (Universität Bonn) einen Festvortrag,
in dem er aus einer sehr persönlichen Perspektive heraus anschaulich darlegte, wie
Oberwolfach Forscherinnen und Forscher in
der Mathematik inspirieren und prägen kann.
Er wählte als Beispiel dazu die Entwicklungen
in der Forschung zu partiellen Differentialgleichungen in der Materialwissenschaft von ca.
Ende der 1990er Jahre bis ca. Ende der 2000er
Albert Sickmann (Foto: MFO)
Michael Meister (Foto: MFO)
7
Jahre. Während dieses Zeitraums wurde die
Forschung in diesem Gebiet mehrfach durch
Tagungen in Oberwolfach entscheidend vorangetrieben. Es ergaben sich sowohl wertvolle
Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Materialien als auch fruchtbare Rückwirkungen für
die Weiterentwicklung anderer, rein mathematischer Forschungsbereiche, wie Stefan Müller
eindrücklich aufzeigte.
Friedrich Götze (Foto: Gerd Fischer)
Der Festakt wurde musikalisch von dem Klarinetten-Quartett „Clarisonos” umrahmt.
Gegen Abend verlagerten sich die Feierlichkeiten ins Gasthaus Hirschen in Oberwolfach.
Dem Sektempfang im Garten des Gasthauses
folgte ein gemeinsames Abendessen, begleitet
von Tischreden von Freunden und Förderern
des Instituts.
Prof. Dr. Klaus Hulek überbrachte die Glückwünsche der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Erna Armbruster sprach in Vertretung
des Bürgermeisters Matthias Bauernfeind die
Wilhelm Krull (Foto: Gerd Fischer)
Beate Spiegel (Foto: Gerd Fischer)
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Ursula Gather (Foto: MFO)
Gratulation der Gemeinde Oberwolfach aus.
Prof. Dr. Willi Jäger, der lange Jahre Vorstandsvorsitzender der GMF und Mitglied im Verwaltungsrat des MFO war, gratulierte ebenfalls
und erinnerte an manch besondere Begebenheit aus früheren Tagen.
Für das MFO endete ein rundum gelungener
Tag, an dem viele Menschen, auf deren Unterstützung der langjährige Erfolg des Instituts
baut, ihre Verbundenheit zu Oberwolfach zum
Ausdruck brachten.
Klaus Hulek (Foto: MFO)
Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Personen, die dem Institut persönlich oder durch
das Übersenden einer Grußbotschaft zum
75. Jubiläum gratulierten. Die uns schriftlich
vorliegenden Ansprachen, Grußbotschaften,
Glückwünsche sowie weitere Textbeiträge sind
auf den nachfolgenden Seiten dargestellt.
Erna Armbruster (Foto: MFO)
Stefan Müller (Foto: MFO)
Willi Jäger (Foto: MFO)
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Das Klarinetten-Quartett „Clarisonos” umrahmte die Festveranstaltung musikalisch (Foto: MFO)
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Empfang im Garten des Gasthauses „Hirschen” (Foto: MFO)
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Forschung und Kunst in Baden-Württemberg,
Theresia Bauer! Ein ebenso herzliches Willkommen dem Parlamentarischen Staatssekretär im BMBF Herrn Michael Meister. Aus
dem Deutschen Bundestag begrüße ich Herrn
Thorsten Frei und aus dem Landtag BadenWürttemberg Frau Sandra Boser.
Foto: Gerd Fischer
Begrüßung
Prof. Dr. Gerhard Huisken
Direktor des Mathematischen
Forschungsinstituts Oberwolfach
Liebe Festversammlung,
auch im Namen von Friedrich Götze begrüße
ich Sie herzlich zu unserer Feier von 75 Jahren
„Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach” – oder „MFO”, wie es liebevoll genannt
wird.
A warm welcome to our international guests –
I ask for your understanding that most of my
remarks will be in German.
Pünktlich zur Feier gab es vor wenigen Wochen ein besonderes Geburtstagsgeschenk
von Bund und Ländern, als die Fortsetzung
des Paktes für Forschung und Innovation beschlossen wurde, die uns Planungssicherheit
bis 2029 erwarten lässt – ein ganz herzliches
Willkommen der Ministerin für Wissenschaft,
12
Als das Institut 1944 gegründet wurde,
herrschte Krieg. Auf unserer Webseite finden
Sie Forschungsartikel zur Anfangszeit des Instituts, z.B. von Volker Remmert zur Gründung eines „Reichsinstitutes Mathematik”, von
dem sich die Nazi-Regierung Unterstützung
für Krieg und Wirtschaft versprach, aber auch
zur Verstrickung der damals handelnden Personen, die teilweise daran mitgewirkt haben,
jüdische Mathematiker aus der Deutschen
Mathematiker-Vereinigung zu drängen1. Trotz
seiner Belastung aus dieser Zeit ist es dem
Gründungsdirektor Wilhelm Süss in den Jahren
nach 1945 gelungen, das Institut an die internationale Gemeinschaft heranzuführen, unter
ganz entscheidender Beteiligung und Hilfe
französischer Mathematiker wie H. Cartan,
J. Dieudonné und J. P. Serre, der das MFO dieses Jahr noch einmal besucht hat. In dieser
Tradition hatten wir Cédric Villani für heute
eingeladen – leider musste er seine persönliche Teilnahme kurzfristig absagen, wird aber
in einer Grußbotschaft zu uns sprechen. Umso
mehr freue ich mich, mit Jean-Pierre Bourguignon einen langjährigen Freund des Instituts,
der außerdem Mitglied in unserem Verwaltungsrat ist, begrüßen zu können!
1 In der vorliegenden Festschrift ist der Artikel „Retter” von
Oberwolfach (1945): Szolem Mandelbrojt und John Todd von
Volker Remmert erstmals veröffentlicht worden.
Über die Gesellschaft für Mathematische Forschung (GMF), die 1959 die Geschicke des
MFO in die Hand nahm, wird Friedrich Götze
in seinem Grußwort berichten. Ich springe direkt nach 1968 und 1973, als zur Zeit Martin
Barners die VolkswagenStiftung der GMF die
heutigen Gebäude des Instituts schenkte. Ein
herzliches Willkommen an Wilhelm Krull, Generalsekretär der VolkswagenStiftung!
lich damals – von Förderverein und Oberwolfach Stiftung durchgeführt hat. Ich freue mich
sehr, dass Ursula Gather als Vorsitzende des
Fördervereins und Mitglied des Stiftungsrates
trotz ihrer vielfältigen Verpflichtungen heute
ein Grußwort sprechen wird angesichts der
kurzfristigen Erkrankung von Herrn Schneidawind, dem Vorsitzenden der Oberwolfach Stiftung – herzlich willkommen liebe Frau Gather!
Die zentrale Weichenstellung in jüngerer Zeit
war für das MFO der Eintritt in die Leibniz-Gemeinschaft im Jahre 2005, der das MFO als
„soziale Forschungsinfrastruktur” in die deutsche Forschungslandschaft einbettete und eine
stabile Finanzierung sicherte, gekoppelt an allseits anerkannte regelmäßigen Evaluierungen,
in denen das MFO sich beweisen kann.
Es ist eine große Freude, dass Förderverein
und Stiftung heute so zahlreich durch Vorstand und Stiftungsrat vertreten sind, ich begrüße Michael Baake, Folkmar Bornemann,
Peter Gritzmann, Joachim Heinze, Klaus Hulek
und Thomas Peternell, die dort ihren breiten
Erfahrungsschatz aus der Welt der Mathematik einbringen. Ganz besonders wertvoll ist
uns die Präsenz von drei Gästen aus dem Stiftungsrat, die nicht jeden Tag mit mathematischer Forschung zu tun haben: Ich begrüße
den ehemaligen Präsidenten der ETH Zürich,
Ralph Eichler, den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden von Hochtief, Manfred Wennemer
und den Vorstandsvorsitzenden der AllianzLebensversicherung Markus Faulhaber.
Ich begrüße ganz herzlich Herrn Albert Sickmann aus dem Präsidium der Leibniz-Gemeinschaft! Die nötigen Strukturen und Verträge
wurden damals ganz wesentlich ausgehandelt
von meinem Vorgänger Gert-Martin Greuel
und dem damaligen Vorsitzenden der GMF
Willi Jäger, die ich hiermit auch ganz herzlich
begrüße!
Das MFO als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft hat die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Ich begrüße die langjährige Vorsitzende unseres Verwaltungsrates aus dem
Ministerium in Stuttgart Tanja Bolius und den
stellvertretenden Vorsitzenden aus dem BMBF
in Berlin Jan Neitzke.
In der neuen Struktur war eine der ersten
Aufgaben die Renovierung und Sanierung des
Gästehauses, die mein Vorgänger mit vereinter Hilfe von Bund, Land und – ganz wesent-
Es wurde am MFO jedoch nicht nur renoviert,
es wurde auch gebaut. Die Bibliothekserweiterung 2007 haben die VolkswagenStiftung und
die Klaus Tschira Stiftung gemeinsam finanziert. Klaus Tschira hat das MFO bis zu seinem
Tod mit seiner Stiftung und persönlich im Verwaltungsrat unterstützt. Ich bin sehr dankbar,
dass Frau Beate Spiegel als Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung seine Stellung
in unserem Verwaltungsrat eingenommen hat.
Herzlich willkommen Frau Spiegel!
13
Die Bibliothek hat auch in der Folge von vielen Seiten Unterstützung erfahren, zum einen
durch die Finanzierung von Büchern durch die
Carl Friedrich von Siemens Stiftung, die auch
unsere Oberwolfach Seminare seit vielen Jahren fördert, und zum anderen vor drei Jahren bei einer grundlegenden Renovierung und
Kapazitätserweiterung durch die VolkswagenStiftung mit Hilfe von Förderverein und Oberwolfach Stiftung. Ich danke den anwesenden
Architekten Ludwig Harter und Ingolf Kanzler
für die gelungene Gestaltung! Die Bibliothek
ist für die Herausforderungen des sich rasch
wandelnden Publikationswesens nun gewappnet!
Die Klaus Tschira Stiftung hat dem Institut
noch an anderer Stelle wesentlich geholfen –
bei der Öffentlichkeitsarbeit, oder dem „Outreach”: Dies begann mit dem IMAGINARY
Projekt 2008 unter meinem Vorgänger GertMartin Greuel, das inzwischen von Andreas
Matt mit Hilfe von Mitteln aus dem LeibnizWettbewerb in eine erfolgreiche Ausgründung
überführt wurde, und schließt die Anschubfinanzierung für das neue Projekt „Snapshots
of modern Mathematics from Oberwolfach”
mit ein, in dem moderne Forschungsentwicklungen am MFO für ein anspruchsvolles breiteres Publikum dargestellt werden.
IMAGINARY hilft uns bei der Verbreitung der
„Snapshots” und bei der Betreuung des Museums „MiMa” für Mineralien und Mathematik
in Oberwolfach, das gemeinsam vom Mineralienverein, vom MFO und von der Gemeinde
Oberwolfach betrieben wird. Ein herzliches
Willkommen an die stellvertretende Bürgermeisterin von Oberwolfach, Erna Armbruster.
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Herausforderungen für die Zukunft –
Challenges for the future
An erster Stelle steht die Bewahrung der
Grundlagen – Gästehaus und Hörsaalgebäude
mit Bibliothek sind grundlegend saniert – heute profitieren wir zum Beispiel von der neuen
Lüftung hier im Hörsaalgebäude. Von nun an
liegt das Augenmerk ganz auf turnusmäßiger
sorgfältiger Wartung, Pflege und Anpassung
an neue technische Standards. Für die wissenschaftlichen Herausforderungen wechsle ich in
die englische Sprache:
Just as important as the regular maintenance
of our buildings are the transparent, fair and
professional selection procedures for the scientific programs and visitors of the Institute.
The Scientific Committee of the GMF ensures
the scientific standing of the MFO through its
thorough evaluations of all applications and
continuous monitoring of new hot developments in mathematical research. Some of
these hot developments will be highlighted by
Stefan Müller in his lecture, welcome to you!
The honorary work of the Scientific Committee and the Scientific Advisory Board is quite
demanding in view of the many activities and
applications and invaluable to the MFO, which
benefits so much from the dedication and
commitment of its members. As a representative of all current and former members present today I greet Felix Otto, the chair of the
Scientific Committee.
The program selected by the Scientific Committee includes forty Workshops each year,
twelve Mini-Workshops, six “Oberwolfach Seminars” for graduate students, two “Arbeits-
gemeinschaften” for senior mathematicians
and postdocs, plus many individual visits in
the “Research in Pairs” and “Oberwolfach
Leibniz Fellows” programs that are overseen
by Vice-Director Dietmar Kröner.
We try very hard to make the work of the Scientific Committee as smooth and efficient as
possible. Its twenty-five members come from
all over Europe, the eight members of the Scientific Advisory Board come from all over the
world, showing the deep embedding of the MFO
in the international community. Here I send a
special welcome to our guests from other European research institutes that are part of the
ERCOM section of the European Mathematical
Society and to our visitors from Fraunhofer Institutes, Max Planck Institutes and the Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG.
During the last few years we have increased
the participation of female mathematicians
from 15% to 20% in the workshops. We will
continue to address this issue in the wider
context of diversity by making the Institute as
welcoming as possible, in particular to female
participants and organizers.
countries with a weaker research infrastructure that enables their participation in our
programs by covering part of their travel expenses. No highly talented young researcher
who is strongly recommended for one of our
programs should be prevented from attending due to lack of travel support. I feel greatly
encouraged as many colleagues and the Oberwolfach Foundation have already expressed
support for this initiative.
An dieser Stelle möchte ich mich besonders
bei den Mitarbeitern des Institutes bedanken, stellvertretend nenne ich Stephan Klaus,
Susanne Riester und Tatjana Ruf. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielen eine
entscheidende Rolle, um am MFO diese wunderbare Atmosphäre zu schaffen, in der Gäste
aus aller Welt Forschung auf höchstem Niveau
betreiben und in ihren Gesprächen Brücken
bauen zwischen Ländern und Kulturen, die
heute wichtiger sind als je.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
It will be crucial for the future of the Institute
to attract the best young researchers worldwide to our programs and thereby to make
them as enthusiastic about Obewolfach as we
are. In this regard we already have support
from the Carl Friedrich von Siemens Foundation for our graduate seminars as well as other support from the Leibniz Association, the
American National Science Foundation and
from the Simons Foundation for which we are
very grateful. At this moment I am trying to
find support for young mathematicians from
15
Das Institut im Frühjahr 2014 (Foto: Gerd Fischer)
rasch thematisch neue Akzente zu setzen und
aktuelle Forschungsfragen mit herausragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu bearbeiten.
Foto: Sabine Arndt, Quelle: MWK Baden-Württemberg
Grußwort
Theresia Bauer
Ministerin für Wissenschaft, Forschung und
Kunst in Baden-Württemberg
75 Jahre Oberwolfach, 75 Jahre wissenschaftliche Exzellenz, 75 Jahre internationaler Austausch auf höchstem Niveau – eine starke
Leistung, zu der ich herzlich gratuliere!
Oberwolfach ist zu einem Ort geworden, dem
ein besonderer wissenschaftlicher Zauber innewohnt. Am MFO findet exzellente Forschung
in besonderen Formaten und Begegnungen
statt. Seine Erfolgsgeschichte versuchen inzwischen manche zu kopieren. Die verschiedenen Programme und Workshops sind ganz
spezifisch auf die besondere Arbeitsweise in
der Mathematik zugeschnitten und laden die
Besten weltweit zu einem kreativen Austausch
ein. Damit ist das Institut in der Lage, sehr
18
Oberwolfach trägt damit wesentlich dazu bei,
die Disziplin ständig weiterzuentwickeln und
innovative Themen wie etwa die Künstliche Intelligenz aufzugreifen. Dabei wird auch – ganz
traditionell – Wert gelegt auf die direkte Begegnung und analoge Debatte zwischen den
Wissenschaftspersönlichkeiten. Nicht immer
werden die Beiträge der Mathematik dabei für
die Öffentlichkeit auch sichtbar – aber sie sind
unverzichtbar in vielen Zusammenhängen und
Anwendungen.
Ich gratuliere allen, die Oberwolfach immer
wieder zum Erfolg verhelfen, zu diesem besonderen Jubiläum. Dabei möchte ich auch
die Gesellschaft für Mathematische Forschung
einschließen, die dieses Jahr ihr 60-jähriges
Bestehen feiert. Ihnen allen wünsche ich weiterhin gutes Gelingen und inspirierende Diskussionen in Oberwolfach!
Grußwort
Dr. Michael Meister
Parlamentarischer Staatssekretär bei der
Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Mitglied des Bundestags
Sehr geehrter Herr Professor Huisken,
ich gratuliere Ihnen und Ihren Mitarbeitern
ganz herzlich – auch im Namen von Ministerin Karliczek – zum 75-jährigen Jubiläum des
Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach.
Ebenso gratuliere ich Ihnen, Herr Professor
Götze, von der Gesellschaft für Mathematische
Forschung, dem Trägerverein des MFO, zum
60-jährigen Jubiläum.
Liebe Ehrengäste, meine sehr geehrten Damen und Herren,
es fühlt sich ein bisschen wie Urlaub an, hier
im Schwarzwald in der idyllischen Gemeinde
Oberwolfach. Durch das MFO ist dieser Ort
aber weit mehr als eine Stätte der Ruhe und
Erholung.
Es ist ein Ort, an dem exzellente Mathematikerinnen und Mathematiker aus der ganzen Welt
neueste Ideen und Resultate austauschen. Ein
Ort, an dem Forschung auf höchstem Niveau
betrieben wird.
Die Abgeschiedenheit gehört zum Konzept und
erlaubt Forschung frei von jeglicher Ablenkung. Eine wesentliche Funktion erfüllt auch
Foto: MFO
die ausgezeichnete Mathematikbibliothek, die
als eine der besten weltweit gilt.
Jährlich besuchen rund 2.500 Wissenschaftler das MFO. 70 Prozent der Wissenschaftler stammen aus dem Ausland, davon etwa
40 Prozent aus Europa und rund 30 Prozent
aus dem außereuropäischen Raum. Unzählige
Kontakte haben sich so über die Kontinente
hinweg entwickelt und dauern noch heute an.
Dies macht das MFO zu einem wichtigen Treffpunkt der internationalen mathematischen
Forschung, einer Denkfabrik und einer Einrichtung von Weltruf.
Meine Damen und Herren,
die Anfänge des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach sind eng mit Wilhelm
Süss verknüpft, einem deutschen Mathematiker. Er gründete die wissenschaftliche Einrichtung während der dunklen NS-Zeit. Trotzdem
gelang es Süss, ein mathematisches Institut
zu schaffen, welches weitgehend unabhängig
und geleitet durch wissenschaftliche Grundsätze agierte.
19
Mit der Unterstützung einflussreicher Persönlichkeiten wie dem Mathematiker John Todd
sicherte Süss nach Kriegsende das Überleben des MFO. Er entwickelte das einzigartige
Grundkonzept des intensiven Gedankenaustauschs international renommierter Mathematiker. So nahm Oberwolfach für europäische
Forschende sehr frühzeitig die Rolle eines
Fensters zur Welt ein.
Ich möchte an dieser Stelle auch bewusst einige wesentliche Entwicklungen der jüngeren
Geschichte ansprechen: Beispielsweise die Aufnahme des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach in die Leibniz-Gemeinschaft
im Jahr 2005. Diese hat die Rolle und den Stellenwert des MFO innerhalb der Forschungslandschaft weiter gefestigt und gestärkt – und
sorgt seit 2006 auch für finanzielle Sicherheit.
2010 konnte außerdem ein langwieriges und
wichtiges Projekt abgeschlossen werden: Die
dringend erforderliche Generalsanierung des
MFO. Das Bundesforschungsministerium stellte mit rund 1,75 Millionen Euro einen wesentlichen Anteil der Mittel bereit.
Sie, Herr Professor Huisken, führen mit Ihrem
Engagement die erfolgreiche Arbeit des international renommierten Instituts, als Hüter des
„heiligen Grals der Mathematik”, weiter. Diese Bezeichnung für das Mathematische Forschungsinstitut Oberwohlfach ist mir kürzlich
zu Ohren gekommen.
Doch der Fokus soll an dieser Stelle nicht primär auf der Vergangenheit liegen. Vor uns
liegen Herausforderungen und Chancen, bei
denen das Mathematische Forschungsinstitut
eine Schlüsselrolle spielt.
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Das erfolgreiche Grundkonzept des MFO besteht in seiner modernisierten Form weiter
und prägt die Landschaft der mathematischen
Forschung. Ich beziehe mich auf die tragenden
Säulen wie Selbstbestimmung, wissenschaftliche Unabhängigkeit und hohe internationale
Programmstandards.
Das Themenspektrum ist vielfältig: Es erstreckt sich über alle Disziplinen – von reiner
Mathematik bis hin zur Anwendung.
Und das MFO-Konzept kombiniert verschiedenste Veranstaltungsformate: Dazu zählen
Workshops, Arbeitsgemeinschaften, die Oberwolfach-Seminare speziell für Promovierende
und Postdoktoranden sowie das „Research in
Pairs” Programm.
Meine Damen und Herren,
die Mathematik ist nicht nur eine abstrakte
Sprache – die Mathematik bildet die Grundlage für technologischen Fortschritt und Wohlstand.
Ich will Ihnen gerne „Mathematik für Innovationen” als eines der erfolgreichen Förderinstrumente des Bundesforschungsministeriums
vorstellen. Jährlich stellen wir dafür rund 5
Millionen Euro bereit.
Im Kern verfolgen wir mit „Mathematik für Innovationen” drei zentrale Ziele:
Foto: MFO
Und seit 2007 gibt es mit dem Postdoktorandenprogramm „Oberwolfach-Leibniz Fellows”
ein Angebot für besonders qualifizierte Nachwuchswissenschaftler.
Im Bundesforschungsministerium begrüßen
wir die intensive Nachwuchsförderung des MFO
sehr. Sie adressiert wichtige BMBF-Ziele: Spitzenforschung zu ermöglichen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Auch Sie, sehr geehrter Herr Professor Villani,
oder Ihr sehr verehrter Kollege Herr Professor Scholze, haben durch den Besuch von Veranstaltungen des MFO sicherlich wichtige Impulse für die persönliche Entwicklung und den
weiteren Karriereweg erhalten.
• erstens, die anwendungsorientierte mathematische Forschung zu fördern,
• zweitens, Wissenschaft und Wirtschaft zu
vernetzen,
• und drittens exzellenten mathematischen
Nachwuchs weiter zu qualifizieren.
Wie lassen sich diese unterschiedlichen Ziele
vereinen?
Mit dem Förderschwerpunkt unterstützen wir
gezielt Forschungsprojekte in zukunftsweisenden Feldern der anwendungsorientierten
Mathematik, wie es der Energie-, Mobilitäts-,
Medizin- oder etwa der Informationstechnologie-Sektor sind.
In den Projekten arbeiten Hochschulmathematiker eng mit Industrie- und Dienstleistungsunternehmen zusammen. So wird ein
unmittelbarer Wissens- und Technologietransfer gewährleistet.
Ein Konzept, von dem Wissenschaft und Wirtschaft gleichermaßen profitieren, auch durch
eine bessere Vernetzung. Und ein Konzept,
21
das der Gesellschaft zugutekommt, durch
neue Produkte und Methoden.
Meine Damen und Herren,
die Bedeutung moderner mathematischer Methoden ist für uns Mathematiker offenkundig.
Doch wer bringt zum Beispiel Zahlen- oder
Graphentheorie mit alltäglichen Dingen wie
dem Handy oder der Kreditkarte in Verbindung? Wer bringt Neuerungen im Flug- und
Fahrzeugbau, in der Medizin oder in der Informationstechnologie in Zusammenhang mit
der Mathematik?
Daher, meine Damen und Herren, braucht es
intensive und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit. Diese muss wesentliche Zusammenhänge vermitteln und die Schlüsselrolle der
Mathematik als Querschnittswissenschaft verdeutlichen. Vor allem aber muss sie auf anschauliche Weise die Menschen in diese faszinierende Welt der Mathematik mit ihren
vielfältigen Ausdrucksformen und Facetten
mitnehmen.
Genannt seien einige sehr erfolgreiche Beispiele Ihrer Öffentlichkeitsarbeit, Herr Professor Huisken:
Da ist zum einen die Wanderausstellung IMAGINARY, die vor mehr als 10 Jahren von Ihrem
Institut anlässlich des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgerufenen
Jahrs der Mathematik 2008 entwickelt wurde.
Diese Ausstellung hatte zum Ziel, Spitzenforschung an eine interessierte Öffentlichkeit zu
vermitteln.
IMAGINARY hat sich über die Jahre zu einer
offenen und interaktiven Online-Plattform für
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Mathematikvermittlung entwickelt. Seit 2016
ist IMAGINARY eine selbständige gemeinnützige GmbH, deren Teilhaber das MFO ist.
Seit 2010 ist das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach außerdem Mitbetreiber
des „MiMa – Museum für Mineralien und Mathematik”. Das MiMa bringt über interaktive
mathematische Installationen den Besuchern
kristalline Formen und Symmetrien der im Museum präsentierten Mineralien näher.
Ein weiteres erfolgreiches Beispiel sind die
„Schnappschüsse moderner Mathematik aus
Oberwolfach”. Sie vermitteln mathematische
Ideen und Probleme auf verständliche Art und
Weise und adressieren ein breites Publikum,
bestehend aus Mathematiklehrern, Wissenschaftsjournalisten, Studierenden sowie fortgeschrittenen Schülern.
Meine Damen und Herren,
wir wollen die breite Gesellschaft ansprechen
– und wir wollen vor allem die junge Generation erreichen. Denn was der MINT-Nachwuchs
von heute ist, sind die Fachkräfte von morgen.
Der Bedarf an gut ausgebildeten Mathematikern in Wissenschaft und Wirtschaft wird in
den nächsten Jahren noch weiter steigen. Und
das in allen Bereichen unserer Gesellschaft:
Im Energie- und Mobilitätssektor, in der medizinischen Versorgung und in der sich weiter
entwickelnden Industrie 4.0 mit einer umfassenden Digitalisierung und Systemen wie
künstlicher Intelligenz.
Im Bundesforschungsministerium fördern wir
daher mit verschiedenen Programmen und
Formaten – von der KITA bis zum Erwachse-
nenalter – gezielt das Interesse für MINT-Themen.
Vor wenigen Monaten hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung den MINT-Aktionsplan veröffentlicht. Er fungiert als strategischer Handlungsrahmen für die Förderung
der MINT-Bildung. Unter dem Dach des Aktionsplans ist die bisherige MINT-Förderung
gebündelt. Er stellt aber auch den Startschuss
für neue Initiativen dar.
Zusätzlich zu den bisherigen Mitteln und erfolgreich laufenden Maßnahmen nehmen wir
mit dem Aktionsplan neues Geld in die Hand,
um der MINT-Bildung in Deutschland einen
kraftvollen Schub zu verleihen. Bei den neuen
Initiativen handelt es sich um:
• MINT-Angebote für Jugendliche (vor Ort, in
regionalen Clustern),
• eine MINT-Plattform, genauer gesagt eine
Vernetzungsstelle und MINT-E-Plattform,
• MINT-Forschungsvorhaben. Mit diesen möchten wir den Fragen nachgehen, was gute
MINT-Bildung ausmacht, unter welchen Bedingungen sie gelingen kann und was wir
aus dem Ausland lernen können.
Wesentlich sind dabei für uns Vernetzung und
Transfer. Die Maßnahmen greifen ineinander.
Sie können noch wirksamer sein, wenn sie
miteinander vernetzt werden, Forschungsergebnisse aufgreifen oder empirische Erkenntnisse liefern.
Ein weiterer wichtiger Baustein ist außerdem
eine umfassende Kommunikationsstrategie
mit Online- sowie Social-Media-Formaten, ergänzt durch Mobilisierungs- und Mitmachangebote.
Erfolgreiche Beispiele der BMBF-Förderung
sind das „Haus der kleinen Forscher”, das Wissenschaftsfestival „Highlights der Physik” und
Bundeswettbewerbe wie „Jugend forscht”.
Speziell für die Mathematik gibt es Talentwettbewerbe wie die Mathematik-Olympiade oder
den Bundeswettbewerb Mathematik.
Meine Damen und Herren,
Wettbewerbe, Programme und Ausstellungen
sind nur so ansteckend, wie die Menschen,
die sie mit Leben füllen. Tragen Sie die eigene
Faszination nach außen und teilen Sie diese
mit anderen Menschen.
Versetzen Sie Ihre Umwelt regelrecht in kindliches Staunen darüber, welche mathematischen Finessen hinter den Rätseln unserer
Welt stecken und wie sie die Welt von morgen
besser machen können.
Mathematik fasziniert, sie fordert heraus, sie
schafft innovative Lösungen. Sie sind Träger
dieser Begeisterung für Mathematik, ihrer
zahlreichen Facetten und Chancen für unsere
Welt von morgen!
Vielen Dank!
Übergreifend wollen wir Mädchen und Frauen
stärken, damit sie ihre MINT-Interessen vertiefen können und sich selbst mehr in diesen
Bereichen zutrauen.
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rium des Landes Baden-Württemberg u.a. zu
schaffen.
Foto: MFO
Erster Direktor nach Gründung der GMF war
Theodor Schneider und sein Stellvertreter
Helmuth Gericke. Der Wissenschaftliche Beirat, heute Wissenschaftliche Kommission genannt, bestand aus 15 Mathematikern unter
dem Vorsitz von Helmuth Kneser. Auf dem Bild
sehen sie die Gründungsurkunde und an den
Wänden des Vortragsraumes die Portraits der
Gründungsmitglieder.
Grußwort
Prof. Dr. Friedrich Götze
Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für
Mathematische Forschung
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte
Damen und Herren,
ich begrüße Sie im Namen der Gesellschaft
für Mathematische Forschung (GMF), die hier
heute durch meinen Stellvertreter Felix Otto
und den Schatzmeister Joachim Schwermer
sowie zahlreiche Mitglieder vertreten ist.
Zunächst etwas zur Geschichte der GMF. Da
vielleicht nicht alle Gäste hier mit den Einzelheiten vertraut sind, erlauben Sie mir eine kurze historische Exkursion zu den Anfängen der
GMF in den 50er Jahren. Nach dem Tod des
langjährigen Direktors des Instituts Wilhelm
Süss im Jahre 1958 erfolgte die Gründung der
GMF am 14. Juli 1959, d.h. vor fast genau 60
Jahren, mit dem Ziel, eine Trägerschaft für die
Finanzierung des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach durch den Bund (damals
das Innenministerium) und das Kultusministe24
Gründungsurkunde der GMF
Im Fokus stand damals die Fortführung des
Instituts als Tagungsstätte aber auch als Forschungsinstitut mit einem Gebäude nahe der
Universität Freiburg. Hintergrund war der
Wunsch, eine Institution nach dem Vorbild des
Institute of Advanced Study in Princeton zu
schaffen, das in den fünfziger Jahren zu einem
Zentrum der Forschung und des internationalen wissenschaftlichen Austauschs in der Mathematik geworden war. Dies war insbesondere
ein Anliegen, welches das Gründungsmitglied
Friedrich Hirzebruch bewegte, der die inspirierende wissenschaftliche Umgebung in Princeton als entscheidend für die Fortentwicklung
der Mathematik (nicht zuletzt aus persönlicher
Erfahrung) ansah und versuchte, etwas Vergleichbares in Deutschland zu realisieren.
Kurz und gut, es gab neben anderen Ideen
auch Pläne für ein Max-Planck-Institut in der
Mathematik in Oberwolfach, die sich aber nicht
realisierten. Jedoch lagen derartige Ideen damals in Europa in der Luft: So wurde das Institut des Hautes Études Scientifiques (IHES)
nahe Paris im Jahre 1958 mit explizitem Verweis auf das Vorbild von Princeton gegründet.
Das alte „Schlössle” (Foto: MFO)
Antrag an die VolkswagenStiftung, 1963
25
Ich freue mich deshalb sehr, hier heute einen
engen Freund des Instituts, Jean-Pierre Bourguignon, unter unseren Gästen begrüßen zu
können, langjähriger Direktor des IHES und
danach auch des European Research Councils.
Mit dem Betrieb, finanziert durch das Land
Baden-Württemberg, wagte der damalige Direktor Martin Barner den baulichen Neubeginn
des Instituts 1963 mit einem Antrag an die
Stiftung Volkswagenwerk (heute VolkswagenStiftung). Offensichtlich war diese Zeit noch
nicht durch viel bürokratischen Aufwand belastet.
Dieser Antrag war erfolgreich und so entstand
dann 1967 erst das Gästehaus und dann ersetzte schließlich 1974 das Tagungsgebäude
mit Bibliothek das alte „Schlössle” (das manchmal mit dem „Lorenzenhof” verwechselt wird,
einem alten Bauernhof unten auf den Wolfwiesen, der heute im Freilichtmuseum Gutach
bewundert werden kann). Dadurch wurde das
„Schlössle” in das vom damaligen Architekten
Prof. Rossmann konzipierte architektonisch be-
Der bauliche Neubeginn (Foto: Archiv Stiftung Volkswagenwerk Wolfsburg)
26
eindruckende Ensemble des jetzigen MFO verwandelt, welches von der VolkswagenStiftung
samt Grundstück der GMF übereignet wurde.
Die preisgekrönte Erweiterung der Bibliothek
wurde 2007 von den Architekten Harter und
Kanzler in stimmiger Fortführung dieser eindrucksvollen Gesamtanlage gestaltet.
Diese Anschubfinanzierung der VolkswagenStiftung zusammen mit der anschließenden
Landes-Finanzierung hat die Erfolgsgeschichte
des MFO mit seinem überragenden internationalen Renommee möglich gemacht. Weltweit
hat dies zu zahlreichen Versuchen geführt,
etwas Vergleichbares nach dem Vorbild von
„Oberwolfach” einzurichten. Hierfür sind wir,
die mathematische Gemeinschaft, Ihnen, Herr
Dr. Krull, und dem Land Baden-Württemberg,
Frau Ministerin Bauer und Frau Bolius, zu großem Dank verpflichtet. Die VolkswagenStiftung
und die Klaus Tschira Stiftung, heute vertreten
durch Frau Beate Spiegel, haben uns auch weiterhin beim Ausbau der Bibliothek 2007 und
letztere auch bei dem Projekt Imaginary tatkräftig unterstützt, das vom damaligen Direk-
Das Gästehaus (Foto: Friedrich Götze)
Im Erweiterungsbau der Bibliothek (Foto: MFO)
Das Hörsaalgebäude (Foto: MFO)
tor Gert-Martin Greuel im Jahr der Mathematik
2008 gestartet wurde und in der ganzem Welt
viele Menschen für die Mathematik begeistern
konnte. Weitere langjährige Unterstützung erhielten wir von der Carl Friedrich von Siemens
Stiftung, die die Mathematik in Oberwolfach
mit großem Engagement unterstützte, insbesondere für den Bestandsausbau der Bibliothek und bei der Nachwuchsförderung in
den Oberwolfach-Seminaren. Hierfür danken
wir Heinz Gumin und Heinrich Meier, damals
bzw. heute Geschäftsführer der Stiftung. Dies
ist, denke ich, eines der leuchtenden Beispiele
für den Erfolg einer Stiftungskultur, von der
unser Land unter noch etwas günstigeren fiskalischen Rahmenbedingungen vielleicht noch
viel mehr profitieren könnte.
Science Foundation der USA, die Simons Foundation und vielen anderen ablesen, was angesichts des internationalen Teilnehmerkreises
der Tagungen auch nicht verwundern sollte.
Oberwolfach ist eine der begehrtesten internationalen Tagungsstätten in der Mathematik
(mit Teilnahme nur auf Einladung), wo viele
bekannte Mathematikerinnen und Mathematiker in jungen Jahren die entscheidende Motivation für ihre Forschung und die Berufung zur
Wissenschaft erfahren haben.
Was ist nun die Rolle des privaten Trägervereins der GMF in all diesen Jahren? Sie ist
Ausdruck für das Engagement der mathematischen Gemeinschaft an diesem Forschungsinstitut. Dass ein großes Interesse auch der internationalen Mathematiker-Gemeinschaft an
Oberwolfach besteht, lässt sich unschwer an
den Drittmittel-Beiträgen durch die National
In der finanziell schwierigen Periode Anfang
der neunziger Jahre konnte das Institut dann
wiederum auf die Unterstützung der mathematischen Gemeinschaft und der deutschen
Wirtschaft durch den damals gegründeten
Förderverein Oberwolfach und darin eingebettet die Oberwolfach Stiftung sowie den
Horst Tietz Fund zählen, die von den Kollegen
Remmert, Kraft, Preuss und anderen ins Leben gerufen wurden. Diese Institutionen standen dem Institut tatkräftig zur Seite, wenn
kurzfristige Hilfe für dringende Aufgaben gebraucht wurde und waren eine ermutigende
Unterstützung in finanziell schwierigen Zeiten
27
hen somit Oberwolfach auch nach ihrer Amtszeit in der Wissenschaftlichen Kommission mit
ihrer Fachkompetenz zur Seite.
Der Musikraum (Foto: Friedrich Götze)
für Matthias Kreck, den Nachfolger von Martin
Barner ab 1994 im Amt des Direktors. Hierfür gilt mein herzlicher Dank im Namen der
GMF an den Förderverein des MFO und an die
Oberwolfach Stiftung, vertreten heute unter
anderem durch Frau Ursula Gather, Rektorin
der TU Dortmund, und die Kollegen Folkmar
Borneman und Michael Baake. Ich freue mich,
zu dem heutigen Anlass auch eine Reihe von
weiteren Mitgliedern der Oberwolfach Stiftung
und des Fördervereins begrüßen zu können.
Seit Gründung der GMF ist die Wissenschaftliche Kommission, welche die wissenschaftliche
Ausrichtung des Tagungsprogramms mit der
Auswahl der Tagungsleiter und Themen bestimmt, einer der wichtigsten Bausteine des
Erfolgs. In der Wissenschaftlichen Kommission
engagieren sich mit begrenzter Amtszeit die
führenden Mathematikerinnen und Mathematiker Europas, treffen die Programm-Entscheidungen für die kleinen und großen Workshops
und übernehmen die Begutachtung der Research in Pairs und Oberwolfach-Leibniz-Fellow Programme. Sie werden zu diesem Zweck
auf Dauer Mitglieder der Gesellschaft und ste28
Ferner sind auch eine Reihe von mathematischen Fachgesellschaften, wie die Deutsche
Mathematiker-Vereinigung (DMV), die Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik (GAMM) und die European Mathematical Society (EMS) institutionelle Mitglieder
der GMF. Einen ihrer Repräsentanten, meinen
Kollegen Klaus Hulek, Vizepräsident der DMV,
möchte ich hier herzlich begrüßen.
Im Prozess des Übergangs in die Förderung
als Leibniz-Institut seit 2005 wurden sämtliche
Gebäude auf den neuesten Stand gebracht,
wofür wir dem Land, Bund, Förderverein und
der Stiftung sehr dankbar sind.
Das MFO hat als Leibniz-Institut die Struktur
einer gemeinnützigen GmbH, mit Direktor,
Stellvertreter, einem Verwaltungsrat (in dem
die Zuwendungsgeber vertreten sind) sowie
einem Wissenschaftlichen Beirat, der die Arbeit des Instituts beratend begleitet. Dieser ist
ganz separat zu sehen zu der schon dargestellten Wissenschaftlichen Kommission der GMF,
die aus etwa 25 renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus allen Bereichen der Mathematik besteht, und unter dem
Vorsitz des stellvertretenden Vorsitzenden der
GMF, d.h. Felix Otto, tagt. Entsprechend sieht
der damals mit Bund und Land ausgehandelte
GmbH-Vertrag, welcher vom damaligen Direktor Gert-Martin Greuel und meinem Vorgänger
Willi Jäger im Amt des Vorsitzenden der GMF
geschlossen wurde, die GMF als alleinigen Gesellschafter vor und setzt in dieser Form damit
die nunmehr 60-jährige Tradition des Engage-
ments der mathematischen Gemeinschaft für
Oberwolfach fort.
In der Leibniz-Gemeinschaft ordnet sich Oberwolfach ganz natürlich als eine „soziale Forschungsinfrastruktur” ein. Wir sind, so denke
ich, nunmehr in einer für das Institut optimalen, stabilen Finanzsituation in der Bund-Länderfinanzierung eines Leibniz-Instituts angekommen, und können deshalb optimistisch
in die Zukunft sehen. Dank dafür an Sie alle,
Herr Dr. Meister und Herr Neitzke als Vertreter des BMBF, Frau Ministerin Bauer und Frau
Bolius und an Herrn Kollegen Sickmann als
Vertreter der Leibniz-Gemeinschaft.
An Zeugnissen für die Begeisterung der Kollegen aus dem Ausland über das Besondere
dieses Ortes ist wahrhaft kein Mangel: So formulierte Ronald Graham, Präsident der American Mathematical Society, anläßlich des 50jährigen Bestehens von Oberwolfach – ich zitiere:
die durch erfolgreiche Initiativen im Rahmen
des Leibniz-Wettbewerbs, eindrucksvolle Drittmitteleinwerbung, bauliche Weiterentwicklung
bis hin zur Klimatisierung des Vortragsgebäudes charakterisiert wird, die vom Direktor detaillierter beschrieben wurden. Diese strukturelle, aber vor allem auch wissenschaftliche
Erfolgsbilanz fand ihren Niederschlag in der
extrem positiven Begutachtung im Jahre 2016,
an der auch Gutachter aus Einrichtungen mitwirkten, die sich an unserem Vorbild orientiert
hatten. Hierzu möchte ich Gerhard Huisken,
seinem Stellvertreter Dietmar Kröner, Stephan
Klaus, Susanne Riester und allen Mitarbeitern
des Instituts im Namen der GMF unseren allerherzlichsten Dank für ihre großartige Arbeit
aussprechen und dem Geburtstagskind viele
Jahre erfolgreichen Wirkens und Ihnen noch
eine Geburtags-Party mit vielen interessanten
Gesprächen wünschen.
For it is clearly here at Oberwolfach that
the flame of mathematics burns brightest,
with a tradition of meetings and mathematical communication that is unequaled
anywhere else in the world. The fond memories shared by my many colleagues of
the idyllic surroundings, superb library, efficient organization and the broad spectrum
of wonderful programs have enriched all of
our mathematical lives. We can only hope
to see that such a treasure will continue to
serve mathematicians and mathematics for
all future generations as well.
Zu guter Letzt möchte ich nicht versäumen auf
die jüngste Entwicklung des MFO einzugehen,
29
thematiker-Vereinigung, gelang, trotz des
Krieges noch Ressourcen für mathematische
Forschung in Deutschland zu ergattern.
Foto: MFO
Grußwort
Dr. Wilhelm Krull
Generalsekretär der VolkswagenStiftung
„What has happened is not exactly what I planned but is much better than I planned.” – mit
diesem Satz schaute Abraham Flexner auf die
Entwicklung des von ihm ins Leben gerufenen,
auf dem Prinzip des selbstbestimmten Miteinanders beruhenden Institute of Advanced
Studies in Princeton zurück. Und dieser Satz
gilt wohl auch für die beeindruckende Entwicklung, die das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach – oder schlicht „Oberwolfach”
– in den 75 Jahren seines Bestehens genommen hat.
In den Wirren des Zweiten Weltkriegs als ein
kriegswichtiges Reichsinstitut für Mathematik gegründet und noch wenige Monate vor
Kriegsende im September 1944 eröffnet, war
das Institut zunächst ein geschickter wissenschaftspolitischer Zug, mit dem es Wilhelm
Süss, dem damaligen Rektor der Universität
Freiburg und Präsidenten der Deutschen Ma30
Dem britisch-amerikanischen Mathematiker
und Offizier John Todd, dem „Retter von Oberwolfach”, der sich 1945 zu einer Bestandsaufnahme der deutschen Mathematik in Oberwolfach aufhielt, ist es zu verdanken, dass das
Institut nicht von französisch-marokkanischen
Truppen beschlagnahmt und dann wohl auch
wieder hätte geschlossen werden müssen. Im
rechten Moment stellte er sich den Truppen
entgegen und konnte die Franzosen von der
Ausnahmestellung des Instituts überzeugen.
Was für eine glückliche Fügung, dass in diesem Moment mathematischer Sachverstand
und militärischer Einfluss aufeinandergetroffen sind. Man würde sich in der heutigen Zeit
mehr davon wünschen. „What has happened
is not exactly what I planned”, mag sich Todd
nach dieser außergewöhnlichen Begebenheit
gedacht haben.
Wirklich Fahrt aufnehmen konnte die Entwicklung von „Oberwolfach” aber erst nach
Kriegsende. Mit „Oberwolfach” waren vor allen
Dingen zwei forschungs- und förderpolitische
Ziele verknüpft: Zum einen die Reintegration
deutscher Mathematiker in die internationale
Mathematikergemeinschaft und zum anderen
die Entwicklung des MFO zu einem weltweit anerkannten Tagungs- und Forschungszentrum.
Diese Ziele konnten mit dem in den 1950er
Jahren einsetzenden intensiven Tagungsbetrieb erreicht werden. Dieser hatte zunächst
zum Ziel, mathematische Entwicklungen aus
dem Ausland aufzugreifen und in Deutschland bekannt zu machen und zu verbreiten.
Dass dies gelingen konnte ist den Kontakten
ins Ausland zu verdanken, die einige deutsche
Mathematiker trotz des Krieges aufrechterhalten und über „Oberwolfach” weiter pflegen
konnten. Es ist besonders schön, dass dieser
Plan aufgegangen ist, obwohl man von den
ausländischen Kooperationspartnern eine solche Aufgeschlossenheit nicht hätte erwarten
können.
Und weil es mit dem Tagungsbetrieb tatsächlich deutlich besser lief als erwartet, wurde es
auf dem Lorenzenhof bald zu eng. Und hier
kommt nun die Förderung der seinerzeit gerade gegründeten VolkswagenStiftung ins Spiel:
Schon auf seiner siebten Sitzung beschloss
das Kuratorium, die Weiterentwicklung von
„Oberwolfach” mit einem Betrag von rund 1,5
Millionen DM zu fördern. Damit sollte im Wesentlichen ein den modernen Bedürfnissen
entsprechendes Gästehaus gebaut werden.
Herausgekommen ist aber – und somit abermals deutlich besser als geplant – ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Infrastruktur
für die mathematische Forschung in Deutschland. Dass 1989, ebenfalls mit Unterstützung
der VolkswagenStiftung, ein Erweiterungsbau
eingeweiht werden konnte, ist ein Beleg dafür,
dass es abermals deutlich besser lief als geplant.
Neben der Ermöglichung und Erleichterung
der Pflege von Kontakten ins Ausland erwies
es sich nämlich immer mehr als der richtige
Weg, den Wissensaustausch im Rahmen von
hochkarätigen internationalen Fachtagungen
voranzubringen. Denn die Mathematik lebt
nicht nur von der individuellen Tiefenbohrung
einzelner Forscherpersönlichkeiten, sondern
mindestens ebenso vom Austausch jenseits
der innerfachlichen Spezialisierungen über
neue Forschungsfelder, Hypothesen und Resultate. Hierzu heißt es in der Antragsbegründung: „Die Weitergabe und das Reifen mathematischer Ideen bedürfen einer besonderen
Atmosphäre. Die Aufnahme neuer Gedanken
kann nicht spontan erfolgen; das einem Vortrag nachfolgende, sich oft über Tage hinziehende Gespräch ist von größter Bedeutung.”
Der heute etablierte Tagungsrhythmus mit 51
einwöchigen Tagungen pro Jahr mit jeweils ca.
50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist sichtbarer Ausdruck dieses enormen Entwicklungstempos, das die Mathematik in Deutschland
mit „Oberwolfach” aufgenommen hat.
So überrascht es nicht, dass dem Vorbild
„Oberwolfach” bald auch Institutsgründungen
in anderen Ländern gefolgt sind. Hier nenne
ich nur das „Centre International de Rencontres Mathématiques”, das 1981 in Luminy bei
Marseille gegründet worden ist, das 1988 in
St. Petersburg errichtete „Euler-International Mathematical Institute” und das „Mathematical Research Conference Center”, 2001
in Będlewo bei Posen eingerichtet. Auch von
dieser Entwicklung kann man mit Flexner sagen: „What has happened is not exactly what
I planned but is much better than I planned”.
Heute ist das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach ein fester Bestandteil der
Leibniz-Gemeinschaft und eine etablierte Institution in der deutschen und internationalen
Wissenschaftslandschaft. Es ist schön zu sehen, dass die VolkswagenStiftung an wichtigen Stationen dieser Entwicklung als Förderin beteiligt war. Das Institut hat die Stiftung
31
immer wieder überrascht und erfreut, weil
vieles eben deutlich besser gelaufen ist als
geplant. Ein Phänomen, das in der heute eingespielten, vor Exzellenzbekundungen und
Superlativen strotzenden Antragsrhetorik immer seltener zu beobachten ist. Dem Institut
wünsche ich zu seinem 75. Geburtstag, dass
es seine Strahlkraft noch lange behalten möge
und auch weiterhin die Quelle von vielen guten Ideen, Anstößen und Impulsen für die
Mathematik bleiben wird. Und wenn sich von
manchem hier in Oberwolfach gefassten Plan
zeigen sollte, dass er zunächst nicht so läuft
wie gedacht, dann soll er wenigstens – wie in
Princeton – am Ende besser laufen als geplant.
Spatenstich zum Erweiterungsbau der Bibliothek am 22.5.2006. Von links: Klaus Tschira (Klaus
Tschira Stiftung), Franz Dettenwanger (VolkswagenStiftung), Architekt Ludwig Harter, Gert-Martin
Greuel (damaliger Direktor des MFO), Matthias Schenek (MWK Baden-Württemberg), Willi Jäger
(GMF), Oberwolfachs damaliger Bürgermeister Jürgen Nowak, Markus Huber (Baufirma Doll),
Jürgen Lehn und Joachim Heinze (Oberwolfach Stiftung). Foto: MFO
32
Grußwort
Beate Spiegel
Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung
Liebe Festgäste,
ich hoffe, Sie sehen mir nach, dass ich Sie
nach der gemeinsamen Pause nun etwas informeller begrüße.
Ich sehe heute viele Menschen im Publikum,
die mit der Klaus Tschira Stiftung verbunden
sind und die ich im Laufe meiner über 20jährigen Tätigkeit für die Stiftung kennen gelernt
habe. Gemeinsam ist allen, dass wir – mehr
oder weniger – über die Mathematik miteinander in Kontakt kamen.
Sei es über die Zusammenarbeit beim Heidelberg Laureate Forum, zu dem die Klaus Tschira Stiftung Ende September zum siebten Mal
die weltbesten Mathematiker und Informatiker
einlädt. Sei es im Rahmen von Forschungsprojekten, die wir gefördert haben oder fördern.
Oder auch im Zusammenhang mit unserem
KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation, bei dem einer von sieben Preisen für die
anschauliche Beschreibung der eigenen Doktorarbeit im Fach Mathematik ausgeschrieben
ist.
Mit dem Mathematischen Forschungsinstitut
Oberwolfach verbindet mich unter anderem
die Liebe zu Büchern. Damit habe ich sicher
mit vielen von Ihnen etwas gemeinsam. Bücher sind mir immer so wichtig gewesen, dass
ich meine Bücher bis heute auch ungern ver-
Foto: MFO
leihe. Ich würde tatsächlich sagen: Viele meiner Bücher sind gute Freunde von mir.
Und Freunde verleiht man ja auch nicht. Man
„spricht” mit ihnen, man hört auf Ihren Rat,
man lässt sich von ihnen inspirieren. Genauso ist es mit guten Büchern. Über das, was
ich in Büchern gelesen habe, komme ich ins
Gespräch mit anderen Menschen. Ich tausche
mich mit anderen über ein Thema oder das
Buch selbst aus, nehme teil an der Gedankenwelt meines Gegenüber und überwinde Grenzen.
Und eben dies passiert im MFO, wenn sich Mathematiker in die Bücher der Bibliothek vertiefen: Das Gelesene inspiriert sie, regt zum
Weiterdenken an und auch zum Austausch mit
anderen Menschen. Und weil es so wichtig ist,
dass Bücher und Menschen gemeinsam einen
guten Ort haben, hat die Klaus Tschira Stiftung gemeinsam mit der VolkswagenStiftung
die Bibliothek des MFO ausgebaut, wie schon
mehrfach erwähnt wurde.
„Wir freuen uns, unseren Gästen eine der weltweit besten mathematischen Bibliotheken zu
33
bieten,” schreibt das MFO auf seiner Website.
Und: „Die Bibliothek befindet sich direkt gegenüber des Gästehauses und kann 24 Stunden am Tag benutzt werden.” Man darf jederzeit (ich hoffe allerdings nicht 24 Stunden am
Tag) die freundlichen Bibliotheksangestellten
um Unterstützung bitten – und man darf sogar
Kaufempfehlungen abgeben.
Dieser Text hätte Klaus Tschira gefreut. Bücher und Bibliotheken waren seine Leidenschaft. Der Hochschule für Jüdische Studien,
die gerade ihr 40-jähriges Jubiläum gefeiert
hat, hat er mit seiner Stiftung die Einrichtung
der Albert Einstein-Bibliothek ermöglicht. In
der Villa Bosch in Heidelberg, wo die Klaus
Tschira Stiftung ihren Sitz hat, hat er als erstes Bücher für die Bibliothek ausgesucht. Und
von jeder Dienstreise kam er mit Taschen von
Büchern für diese oder seine private Bibliothek
zurück.
Klaus Tschira liebte gute Bücher und gute Texte. Deshalb hat er von Anfang an den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation
auch für das Fach Mathematik vorgesehen.
Viele Menschen hielten es für unmöglich, dass
ein Mathematiker über seine Doktorarbeit
einen verständlichen Artikel schreiben könnte. Aber einer der ersten Preisträger, Armin
Fügenschuh, mittlerweile Mathematikprofessor in Cottbus, brachte das Rezept für seinen preisgekrönten Artikel auf eine einfache
Formel: Um mit seiner Mathematik Leser zu
erreichen, sagte er bei der Preisverleihung,
brauche es nur 4 Wörter mit „M”: „Man muss
Menschen mögen.” Mitte Juni haben wir die
diesjährigen Preisträger des KlarText-Wettbewerbs ermittelt. Leider war kein Preisträger im
34
Fach Mathematik dabei. Daher auch mein Aufruf an Sie: Ermutigen Sie ihre Doktoranden,
über ihre Arbeit zu erzählen und sich bei uns
zu bewerben. Die nächste Bewerbungsrunde
endet am 28. Februar.
Man muss Menschen mögen – das trifft auch
für die Teilnehmer des Heidelberg Laureate
Forums zu. Für das diesjährige HLF haben sich
bereits zahlreiche Preisträger des Abelpreises,
des Turing Awards, des Nevanlinna-Preises,
der Fieldsmedaille angesagt. Jedes Jahr bin
ich gerührt davon, mit welcher Hingabe diese Laureaten sich eine Woche mit den jungen
Wissenschaftlern aus über 60 Ländern austauschen.
Für die Teilnahme am Auswahlverfahren danke ich dem MFO sehr herzlich! Ich kann sagen: Diese Auswahlarbeit lohnt sich. Es sind
ganz besondere junge Mathematiker und Informatiker, die sich in Heidelberg treffen. Darunter auch sehr viele Frauen. Ich hoffe sehr,
dass wir mit der Zeit auch vermehrt weibliche
Preisträger bekommen. Der Anfang ist mit der
diesjährigen Abelpreisträgerin Karen Uhlenbeck gemacht!
Um die Verbundenheit von Heidelberg und
Oberwolfach zu zeigen, habe ich Ihnen als
kleines Geschenk ein Bild mitgebracht. Es
zeigt den Eingang zur Villa Bosch, dem Sitz
der Klaus Tschira Stiftung. Hier arbeiten ebenso wie in Oberwolfach Menschen, die Bücher
lieben und Menschen zusammenbringen. Und
beides zusammen zum Wohle der Mathematik.
Beate Spiegel überreicht
Gerhard Huisken ein Bild der
Villa Bosch (Foto: MFO).
35
Grußwort
Prof. Dr. Dr. h.c. Ursula Gather
Vorsitzende des Vereins zur Förderung des
Mathematischen Forschungsinstituts
Oberwolfach, Mitglied im Stiftungsrat der
Oberwolfach Stiftung
Liebe Frau Ministerin Bauer,
lieber Herr Staatssekretär Meister,
lieber Herr Kollege Huisken,
sehr geehrte Fest- und Ehrengäste!
75 Jahre Mathematisches Forschungsinstitut
Oberwolfach!
Als diejenige mit sieben Vorrednern habe
ich das Problem, dass nun der Beweis schon
erbracht ist, die Vermutung, dass wir heute
etwas nicht Wichtiges feiern, dass diese Vermutung konstruktiv, durch Widerspruch und
überhaupt ganz zweifelsfrei widerlegt ist.
Andererseits gibt mir dies die
mich zu beschränken auf die
Glückwünsche zum Geburtstag
Worte zum Förderverein und zur
Stiftung.
Möglichkeit,
herzlichsten
und wenige
Oberwolfach
Für letztgenannte darf ich die allerbesten Grüße des Vorsitzenden Herrn Schneidawind ausrichten, der sehr gerne heute dabei sein würde, dies aber krankheitsbedingt leider nicht
einrichten kann.
Ich gehe davon aus, dass ich ihm unser aller
liebe Grüße zurück ausrichten kann.
36
Foto: Gerd Fischer
Glückwünsche also von Förderverein und Stiftung dem MFO, diesem Juwel unter den mathematischen Forschungsinstituten, diesem
großartigen Tagungsinstitut, das weltweit eines der bekanntesten, ausgewiesensten ist, in
der Tat Vorbild und Mittelpunkt eines wunderbaren internationalen Netzwerks für die Mathematik.
Und Danke möchte ich sagen dafür, dass die
Förderer Bund und Land mit der Leibniz-Gemeinschaft das Institut sicher tragen. Sie sorgen für das Große und Ganze; so können sich
Förderverein und Stiftung auf kleinere Zahlen
beschränken. Unsere zahlenmäßig kleineren
Beiträge ermöglichen es dem Institut, zusätzliche wichtige Maßnahmen umzusetzen,
die sonst evtl. nicht oder auch nicht so leicht
durchführbar wären.
Die Zusammenarbeit hierzu mit den Direktoren des Instituts hat uns dabei immer wirklich
Freude gemacht.
Im Jubiläumsjahr 2019 wollten wir uns noch
einmal besonders der Internationalität und
der Förderung junger Mathematiker und Mathematikerinnen zuwenden.
So haben wir ganz kürzlich im Stiftungsrat beschlossen, dem Institut zusätzlich zu der Summe, die das MFO traditionell jährlich von uns
erwarten kann, weitere 20.000 € für 20 Reisestipendien zur Verfügung zu stellen. Diese
sollen jungen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus solchen Ländern, die von
derartiger Unterstützung besonders profitieren, die Teilnahme an Workshops helfen zu finanzieren. Für dieses Geschenk habe ich keine Schleife, überbringe es aber mit Dank an
unsere Mitglieder, Spender und institutionellen
Förderer von Förderverein und Stiftung.
Foto: MFO
Danken möchte ich gerne zudem allen, die
sich in Politik, in Gremien, hier in der Verantwortung vor Ort, allen Beschäftigten und
Ehrenamtlichen für das MFO einsetzen. Auch
meinem Vorgänger im Vorstand des Fördervereins, Reinhold Remmert, schicke ich ein
Danke in den heute so blauen Himmel. Viele
Jahre hat er sich mit Herzblut für das Institut
engagiert.
So gibt es das MFO, dieses wirkliche Juwel in
und für die mathematische Forschung, weil
seit 75 Jahren sehr viele Menschen mit großen
und mit kleinen Bausteinen ständig zu seiner
Fortexistenz beitragen. Förderverein und Stiftung wollen das gerne auch in Zukunft weiter
tun, und heute mit Freude diesen Geburtstag
mit Ihnen begehen.
37
Foto: Cédric Villani
Videobotschaft
Hi Gerhard, hello my friends,
Transkript durch Tatjana Ruf (MFO) mit freundlicher Genehmigung von
it’s so sorry for me that I can’t be in beautiful
Oberwolfach today to celebrate our beautiful
common house, but due to the hectic political
life I really had to cancel my participation.
Prof. Dr. Cédric Villani
Député à l‘Assemblée Nationale
38
Let me say that Oberwolfach has been a part
of my scientific life. I remember to this day
very well the excitement with which I discovered this place, the pleasure with which I came
back year after year, how important it was to
me. There was a time in which the most beautiful place in the world for me was the library in
Oberwolfach. All the books – so encouraging,
beautiful. The grand piano. The connection, all
the discussions. Everything that I needed! So
beautiful!
Foto: MFO
Oberwolfach is a place that is unique of its
kind. When there was the movie by Olivier
Peyon some years ago – in France “Comment
j‘ai détesté les maths” (How I came to hate
math) – and he was doing his reporting going to Hyderabad for the ICM, going here and
there, in Highschools et cetera, I told him:
“You have to go to Oberwolfach if it’s a movie
about mathematics, otherwise your work will
not be complete.” And so he came and there
were some beautiful shootings in Oberwolfach
with beautiful snow.
So, all this is to say that it’s such an important
place in my heart and such an important place
for the whole community. Oberwolfach is one
of these institutes that have magical power to
bring people together, to generate important
conversations, to be part of our careers as
mathematicians and to be part of the careers
of ideas.
With some testimonies of history, like these
books with the problems in the writing of Paul
Erdős, like all the compte-rendus of the workshops and so on, this is a place like no one
else. We have to cherish it, we have to protect
it, we have to improve it.
Gerhard, it has been a pleasure to see you taking such great care of our beautiful institute,
which is for the whole community. I wish you
and all the people who have Oberwolfach in
their heart a beautiful celebration, which is a
celebration of mathematics as well. Bye bye,
enjoy!
39
Grußwort
Prof. Dr. Klaus Hulek
Vizepräsident der Deutschen MathematikerVereinigung, Mitglied im Stiftungsrat der
Oberwolfach Stiftung
mit den für die Entwicklung der Mathematik in
Nachkriegsdeutschland so wichtigen Besuchen
von Henri Cartan und seinen jungen französischen Schülern und Kollegen wie Jean-Pierre
Serre, René Thom und Alexander Grothendieck, wurde oft erzählt. Dies will ich nicht im
Liebe Anwesende,
es freut mich sehr, dass ich die Grüße und
Glückwünsche der deutschen Mathematiker
Vereinigung (DMV) zu diesem Jubiläum überbringen darf. Normalerweise tut dies natürlich
der Präsident einer Vereinigung. Doch hat Herr
Götze, unser Präsident, heute als Vorsitzender
der Gesellschaft für Mathematische Forschung
hier eine andere Rolle zu spielen, und daher
obliegt es mir als Vizepräsidenten diese Glückwünsche zu überbringen.
In diesen Tagen werden viele Gedenktage
begangen, denken Sie nur an die 100-jährige Wiederkehr des Versailler Vertrags. Ein
75-jähriges Jubiläum ist allerdings selten, verweist dies doch in das Jahr 1944 – kaum ein
Jahr bei dem man an Gründungen denkt derer
wir heute mit Freuden gedenken können.
Das erstaunliche – und eigentlich ist es ein
Wunder – ist, dass aus der Gründung dieses
Instituts, welches ja der Kriegsanstrengung
dienen sollte, eine Einrichtung geworden ist,
die in geradezu exemplarischer Weise ein
Symbol für die zuerst deutsch-französische
und später europäische und internationale
Versöhnung in der mathematischen Gemeinschaft wurde. Die Geschichte der ersten Jahre,
40
Foto: MFO
Einzelnen wiederholen. Dennoch ist es immer
wieder wert, sich dieser Entwicklung zu erinnern. Gerade die Familie von Henri Cartan
hat ja im Krieg schwer gelitten. Sein eigener
Bruder hatte sich der Résistance angeschlossen und war von den Nazis nach Deutschland
verschleppt und 1943 ermordet worden. Die
Besuche der französischen Kollegen am Anfang der Geschichte von Oberwolfach stehen
exemplarisch für internationale Aussöhnung,
aber auch für den Wunsch zu einem freien
internationalen Austausch, Ziele die in den
letzten Jahren leider weniger selbstverständlich geworden sind als dies nach 1989 möglich schien. Gerade vor diesem Hintergrund
begrüße ich es außerordentlich, dass sich das
MFO vermehrt um Reisestipendien für jüngere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
nicht zuletzt aus weniger privilegierten Ländern, bemüht.
Das MFO steht heute nicht mehr allein. Nach
seinem Vorbild wurden Institute in verschiedenen Ländern gegründet, etwa in Luminy
(Frankreich), Będlewo (Polen), Banff (Kanada), Oaxaca (Mexiko) oder San Ya (China).
Dies bedeutet natürlich auch eine vermehrte
Konkurrenz für das hiesige Institut. Jedoch:
Oberwolfach ist und bleibt der Goldstandard
und deswegen mache ich mir auch keinerlei
Sorge um Oberwolfach in diesem Wettbewerb.
Als mathematische Gemeinschaft in Deutschland sind wir stolz auf das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach!
Herzlichen Glückwunsch an das MFO zu seinem 75-jährigen Bestehen und alles Gute für
die kommenden 75 Jahre!
41
und in der gemeinsamen Entwicklung von
Ideen im Gespräch (...)
Foto: Kay Herschelmann/BMS
Grußbotschaft
Prof. Dr. Günter M. Ziegler
Präsident der Freien Universität Berlin
Das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach betreibt für die Öffentlichkeit „drunten im Dorf” in Oberwolfach das kleine aber
feine Museum für Mineralien und Mathematik
(MiMa). Zu sehen ist eine Doppelausstellung
über Muster und Strukturen in der Mathematik sowie über Kristalle und Edelsteine. Die
beiden Themen passen sehr gut zusammen,
weil in den Kristallen wunderbare Mathematik
steckt, aber auch weil das Forschungsinstitut
selbst ein Juwel ist:
Das Institut in Oberwolfach ist ein Paradies der mathematischen Forschung, ein
gefährdetes Paradies. Die wöchentlichen
Workshops am Institut sind ein wichtiger
Bestandteil mathematischer Grundlagenforschung: die Erfolge liegen im Austausch
42
Oberwolfach ist kein Konferenzzentrum: die
Tagungen dort sind Workshops, und Matthias
Kreck, der Direktor, legt viel Wert darauf,
daß die Betonung auf Work liegt. („Keine
Zeit gehabt für die Bibliothek” heißt für
passionierte Oberwolfach-Fahrer, daß die
Woche kein Erfolg war.) Dabei ist die Auswahl an Oberwolfacher Arbeits-Formaten
in den letzten Jahren breiter geworden. Zu
den Workshops und den bewährten DMVSeminaren hat sich das RiP-Programm gesellt (...)
Der Erfolg des Instituts steht außer Zweifel, nach 50 Jahren seines Bestehens ist der
Name Oberwolfach ein Kürzel geworden, auf
das sich verschiedenste Nachahmer-Projekte berufen. Aber nicht jeder Tagungsort, an
dem Vortragsprogramme erst am Vorabend
festgelegt werden, und an dem die Tischkarten für jedes Essen neu gemischt werden, ist deshalb schon „ein zweites Oberwolfach”. Schlussfolgerung: Wir müssen
hoffen und Sorge tragen, daß das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach
auf Dauer zur Verfügung steht.
So habe ich in den Mitteilungen der DMV
4/1998 über Oberwolfach berichtet, anlässlich der Gründung der Oberwolfach-Stiftung,
die damals, zu Zeiten einer prekärer werdenden Finanzsituation, als wichtiger finanzieller
Anker für noch schlechtere Zeiten eingerichtet
wurde. Das Institut lag mir schon zu jener Zeit
am Herzen: „Kein Imaginärer Ort. Inauguration der Oberwolfach-Stiftung” war mein erster eigener Beitrag in den Mitteilungen, die ich
ab 1997 als Herausgeber betreut habe. Dass
ich als Herausgeber selbst über Oberwolfach
geschrieben habe, zeigt: Das war mir wichtig.
Damals glaubte ich, Oberwolfach schon gut
zu kennen: Im Januar 1986 war ich das erste Mal da gewesen. Die Einladung zu einem
Workshop über Kombinatorik, als junger Doktorand am M.I.T., der noch nicht viel „vorzuweisen” hatte, war für mich ein großes Glück.
Die Chance habe ich wohl gut genutzt, um zu
lernen, zu diskutieren, Probleme und Methoden kennenzulernen, Kontakte zu knüpfen –
und um diesen magischen Ort zu erleben!
Schon von meinen ersten Aufenthalten in
Oberwolfach erinnere ich mit Freude die vielen
Stunden, abends und frühmorgens, die ich in
der Bibliothek verbracht habe. Bei jedem neuen Besuch habe ich die Regale mit den neuen Zeitschriften durchstöbert, immer auf der
Suche nach Aufsätzen zu Themen und Problemen, die mich interessierten, oder zu Methoden, die nützlich sein könnten. Noch mehr
Faszination übte das Neue-Bücher-Regal aus:
Nur sehr selten ließ ich mich von dort zum Billard-Tisch weglocken.
In den 33 Jahren seit 1986 habe ich Oberwolfach immer besser kennengelernt. Ich war
sehr oft da, wohl auf rund 20 Workshops als
Teilnehmer und später auch als Organisator,
auf einigen DMV-Seminaren als Dozent, und
für zwei Research in Pairs (RiP)-Aufenthalte.
Insgesamt habe ich in Oberwolfach mehr als
ein halbes Jahr verbracht – und bin Oberwolfach unendlich dankbar dafür.
Währenddessen hat sich Oberwolfach auch
verändert. Oberflächlich, als etwa die RiP-Auf-
enthalte dazukamen und die DMV-Seminare
umbenannt wurden in Oberwolfach-Seminare. Finanziell, durch Aufnahme in die LeibnizGemeinschaft, was auch eine langfristige Sicherung der Finanzierung des Instituts durch
Bund und Länder bedeutete. Dadurch, dass es
irgendwann dann doch WLAN gab (Fernseher
gibt es wohl immer noch nicht). Und mehrfach durch Umbau und Erweiterung des Bibliotheksgebäudes – mit dem neuen Musikzimmer
und mit dem neuen Bibliotheksflügel, der mit
nachdrücklichem persönlichem Engagement
und großzügiger Unterstützung durch Klaus
Tschira und durch Wilhelm Krull (VolkswagenStiftung) entstand – eine großartige Erweiterung, architektonisch gelungen in den Hang
hinein gebaut, die auch wunderbare Arbeitsplätze ergab mit Ausblick ins Tal. Der Anbau
war zunächst für die Zeitschriften gedacht,
aber als die gedruckten Zeitschriften an Bedeutung verloren, haben die Bücher die besten
Plätze übernommen, und die Zeitschriften gingen in eine compact storage. Ganz behutsam,
ohne Revolutionen, aber mit strategischen Investitionen, hat sich so die Bibliothek neu aufgestellt: So bleibt sie für mich persönlich die
schönste, beste, ruhigste und inspirierendste
Mathematik-Bibliothek der Republik und weit
darüber hinaus. Wie das Institut strahlt auch
seine Bibliothek in die Welt und unterstützt
entscheidend die Forschung internationaler
Gäste.
Irgendwann war ich dann nicht mehr nur Gast
in Oberwolfach, sondern kam in den „intellektuellen Maschinenraum”, wo das wissenschaftliche Programm nicht nur geplant, sondern auch befeuert wird, zunächst als Mitglied
der Wissenschaftlichen Kommission, schließ43
lich auch als deren Vorsitzender. Da habe ich
die besondere Qualität von Oberwolfach ganz
anders und viel besser verstanden. Ich habe
erfahren können, dass die herausragende
Qualität der Workshops kein Zufall war, sich
auch nicht von selbst ergab, sondern aus dem
jährlich neuen Ringen der Wissenschaftlichen
Kommission um Workshop-Anträge, aus der
Diskussion um Themen, über die antragstellenden Organisatorinnen und Organisatoren
und aufgrund von überzeugenden oder eben
nicht so überzeugenden Schwerpunktsetzungen und Einladungslisten. Das waren faszinierende Diskussionen zwischen sehr
unterschiedlichen Top-Mathematikerinnen und
-Mathematikern, immer auf Augenhöhe,
manchmal wurde ernsthaft gestritten, aber
immer produktiv. Sie spiegeln das Ringen um
Themen mathematischer Forschung, um Entwicklungen, neue Trends und Perspektiven und
gleichzeitig um solide Methodenfundamente.
Aus all diesen Perspektiven – als Teilnehmer,
als Organisator, als Kommissionsmitglied – ist
Oberwolfach ein Schatz, ein Kristall, der, je
nachdem aus welcher Richtung man ihn anstrahlt, auf ganz unterschiedliche Weise leuchtet ...
Als Mathematiker, als ehemaliger Präsident
der Deutschen Mathematiker-Vereinigung und
als aktuelles Mitglied des Executive Committee
der International Mathematical Union gratuliere ich nun dem Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach zum 75. Gründungsjubiläum. Zugleich danke ich allen in Oberwolfach,
dem Direktor und seinen Vorgängern mit ihren
Teams, den Wissenschaftlichen Kommissionen
der letzten Jahrzehnte, aber auch dem Haus44
meister, dem Büro, den Bibliothekarinnen, der
Küche und dem Zimmerservice. Ich danke all
jenen, die nie große Auftritte hatten, aber im
Hintergrund dazu beigetragen haben, dass
dieser Edelstein der Mathematik, das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach, aus
so vielen Perspektiven glänzt und strahlt. Vielen Dank!
Günter M. Ziegler (2. von rechts) bei einem Treffen der Wissenschaftlichen Kommission der GMF
im Jahr 2016 (Foto: MFO)
45
Grußbotschaft
Matthias Bauernfeind
Bürgermeister der Gemeinde Oberwolfach
75 Jahre Mathematisches Forschungsinstitut
Oberwolfach – 75 Jahre die Welt zu Gast im
Schwarzwaldidyll.
In einer finsteren Zeit in der deutschen Geschichte wurde ein neuer Standort für die Unterbringung des Freiburger Mathematischen
Instituts gesucht. Einer der Augenmerke war
es, dass es sich hier um einen nicht so besonders „luftgefährdeten Ort” handeln sollte. Die
Entscheidung fiel auf das „Schlößle” in Oberwolfach auf dem Gelände des Lorenzenhofs.
Für die Gemeinde Oberwolfach sollte sich
das in den letzten 75 Jahren als besonderer
Glücksfall herausstellen.
Als Bürgermeister der Gemeinde kann ich,
wie all meine Vorgänger, nur bestätigen, dass
die Entwicklungen des Mathematischen Forschungsinstituts und das Renommee Oberwolfach in der Welt strahlen lassen. Viele Generationen an weltweit bekannten Mathematikern
haben in Oberwolfach getagt und geforscht.
Die gute Schwarzwaldluft, die Ruhe, die Nähe
zur Natur, viele kleine Bausteine die auch zu
den guten Ergebnissen der Tagungen führen.
Oberwolfach – ein Ort mit dem jeder Mathematiker auf der Welt etwas anfangen kann.
Der Ruhm und die Anerkennung dieser Arbeiten strahlt auch auf Oberwolfach ab. In Fachkreisen ist Oberwolfach fest mit Mathematik
46
Foto: Rathaus Oberwolfach
und dem Forschungsinstitut verbunden. Auch
dadurch hat sich unsere kleine Schwarzwaldgemeinde weltweit einen Namen gemacht.
Das Mathematische Forschungsinstitut ist auch
ein sehr beliebter und geschätzter Arbeitgeber. Von den wissenschaftlichen Beschäftigten
über die Verwaltung bis hin zur Hauswirtschaft
– viele Männer und Frauen der Region sind und
waren hier tätig. Manch ein Beschäftigter durfte hier in Oberwolfach dank des Forschungsinstituts eine neue Heimat finden. Auch bei
der Verpflegung der Gäste wird großer Wert
auf die Erzeugnisse unserer Region gelegt. Die
Wertschöpfung bleibt in der Region, somit ist
auch in Sachen Nachhaltigkeit das Mathematische Forschungsinstitut schon seit vielen Jahrzehnten in einer Vorreiterrolle.
Als verlässlicher Partner engagiert sich das
Mathematische Forschungsinstitut als einer
von drei Trägern des MiMa – Museum für Mineralien und Mathematik. Im historischen
Hofbauernhof im Zentrum des Ortsteils Oberwolfach-Kirche wurden zwei scheinbar verschiedene Themenbereiche miteinander vereint. Neben dem touristischen Schwerpunkt
„Bergbau und Mineralien” kann den Gästen
unserer Gemeinde auch ein kleiner Einblick in
die vielfältige Arbeit des Mathematischen Forschungsinstituts gewährt werden. Somit wird
die Arbeit nicht nur in Fachkreisen, sondern
auch für eine breite Masse bekannt.
In zahlreichen Büchern, Zeitschriften und in
den digitalen Medien wird auf der ganzen Welt
immer wieder Bezug auf das Mathematische
Forschungsinstitut Oberwolfach genommen.
Vom Roman über Kinderbücher und touristischen Beiträgen bis zum Fachaufsatz. Oberwolfach ist ein fest mit dem Mathematischen
Forschungsinstitut verbundener Begriff. Dies
ist nicht nur „auf dem Papier” so, sondern ein
Zusammenhalt der tagtäglich bei uns im Wolftal gelebt wird. Ich persönlich bin froh, dass
sich das Mathematische Forschungsinstitut in
den letzten 75 Jahren so gut entwickelt hat.
Ich wünsche allen Personen, die für das MFO
Verantwortung tragen, dass sich diese Entwicklungen auch noch viele Jahrzehnte fortsetzen und das Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach seine Strahlkraft in die
ganze Welt hinaus behält.
Der Blick vom Institut in den Oberwolfacher Ortsteil Walke, Winter 2015 (Foto: Michael Joswig)
47
Das Institut im Herbst 2016 (Foto: Gerd Fischer)
Festvortrag
Transkript durch Tatjana Ruf (MFO) mit freundlicher Genehmigung von
Prof. Dr. Stefan Müller
Universität Bonn
Sehr geehrte Frau Ministerin Bauer,
sehr geehrter Herr Staatssekretär Meister,
liebe Freunde und Unterstützer
des Mathematischen Forschungsinstituts
Oberwolfach,
es ist wirklich eine große Ehre für mich, zum
75. Geburtstag des MFO zu Ihnen sprechen zu
dürfen. Oberwolfach hat mich schon zu meiner Studienzeit begleitet und mich in meinem
mathematischen Leben geprägt, wie vielleicht
keine andere Einrichtung. Ich war inzwischen
mehr als 50mal hier, nicht nur zu Tagungen
sondern auch zu Sitzungen, aber es ist trotzdem immer noch ein magischer Ort für mich.
Wenn ich von Hausach komme und zum ersten Mal das Institutsgebäude sehe, dann tauche ich in eine andere Welt ein. Alles andere
ist zwar nicht völlig verschwunden, aber auf
einmal sind andere Dinge wichtig – die Dinge
für die mein wissenschaftliches Herz brennt.
Es gibt natürlich sehr vieles, was man zu diesem Jubiläum sagen könnte und vieles haben
meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits
gesagt. Ich habe mich entschlossen weitgehend eine persönliche Perspektive einzunehmen und zunächst etwas zu meiner Begegnung
mit dem Institut zu sagen und anschließend zu
der Forschung, die hier für mich initiiert wurde.
50
Foto: MFO
Zum ersten Mal hörte ich 1985 auf einem
DMV-Seminar in Turnau von Oberwolfach. Die
DMV-Seminare wurden 1979 von Gerd Fischer,
dem damaligen Präsidenten der DMV, angestoßen. Heute sind daraus die Oberwolfach
Seminare geworden, die auch in Oberwolfach
stattfinden. Damals fanden sie noch an unterschiedlichen Orten statt. Es war ein Seminar
über hyperbolische Erhaltungssätze. Ich war
Student in Bonn. Auch eine ganze Reihe Doktoranden und Assistenten nahmen an dem
Seminar teil und bei einer Wanderung hörte
ich davon, dass es im Schwarzwald einen ganz
besonderen Ort für die Mathematik gebe. Jede
Woche fänden dort tolle Workshops statt, bei
denen die Besten der Welt vortragen, aber es
sei ungeheuer schwer, dort hinzukommen. Man
könne nicht einfach teilnehmen, man müsse
eingeladen werden und wenn man eingeladen
würde, dann dürfe man auf keinen Fall absagen, sonst würde man nie wieder eingeladen.
Später habe ich erfahren, dass das zum Glück
nicht ganz so streng ist, aber es wird natürlich
registriert, wer die Einladung annimmt und
wer nicht.
Ich wollte unbedingt da hin, aber zunächst sah
es ziemlich aussichtslos aus. Doch ich wurde
überrascht: Weniger als ein Jahr später bekam
ich plötzlich eine Einladung nach Oberwolfach.
Willi Jäger und John Ball organisierten einen
Workshop zur nichtlinearen Elastizitätstheorie.
Ich durfte dabei sein und sogar einen Vortrag
halten.
Als ich damals das erste Mal nach Oberwolfach
kam, war ich einfach überwältigt. Alles war
offen, alles war frei. Man konnte sich überall
bedienen und einfach etwas in kleine Kassen
hinterlegen oder anschreiben. Man saß lange
mit allen zusammen, sprach über Mathematik
und über andere Dinge. Der Empfang war ungeheuer freundlich. Jeden Tag gab es selbstgebackenen Kuchen. Außerdem gab es diesen
geheimen Algorithmus mit den Servietten, so
dass man beim Essen immer mit anderen zusammentraf. Auf diese Weise habe ich bereits
als junger Mensch sehr viele Leute kennengelernt, die ich andernfalls nicht einfach angesprochen hätte. Der Schwarzwald hat mich begeistert, die Wanderung nach St. Roman und
die Spaziergänge, bei denen man über Mathematik gesprochen hat. Die Bibliothek war
überwältigend. Man konnte sie 24 Stunden
pro Tag benutzen. Das kannte ich überhaupt
nicht. Man brauchte keine Zettel auszufüllen,
man konnte die Bücher und die Zeitschriften
einfach aus den Regalen nehmen und lesen.
Das war wirklich fantastisch.
In Oberwolfach habe ich Mathematiker,
deren Arbeiten ich gelesen hatte, zum ersten Mal persönlich kennengelernt. Es gab viele Diskussionen und besonders interessant
war: Die Stars blieben von Diskussionen und
Eintrag ins Oberwolfacher „Book of Abstracts”
von Stefan Müller aus dem Jahr 1986
(Quelle: MFO)
Kritik nicht verschont. Wenn es zu einem Vortrag Kritik oder Fragen gab, dann wurde das
klar ausgesprochen. Das war für mich, als jemand, der gerade begann, sehr interessant.
Auf meiner ersten Tagung in Oberwolfach sind
Verbindungen entstanden, die mein ganzes
Leben gehalten haben. Ich will nur zwei Beispiele nennen: Bob Kohn, vom legendären
Courant-Institut, an dem eigentlich alle meine
akademischen Lehrer wichtige Zeit verbracht
51
haben, hat mich gefragt, ob ich mich für eine
Promotion dort bewerben will. Ich habe das
dann zwar nicht getan, aber als ich später als
Postdoc in die USA ging, habe ich angefangen
mit Bob Kohn zu arbeiten und diese Zusammenarbeit geht bis heute weiter. Einige meiner
schönsten Arbeiten sind mit ihm gemeinsam
entstanden. Außerdem habe ich hier natürlich
Willi Jäger kennengelernt, der mir unendlich
viele wissenschaftliche Anregungen gegeben
hat und auch manch anderen sehr guten Rat.
Viele Einzelheiten meines ersten Besuchs sind
mir noch sehr präsent und das scheint kein
Zufall zu sein. Ich habe, um diesen Vortrag
vorzubereiten, mit einer Reihe von Mathematikern und Mathematikerinnen unterschiedlichen Alters gesprochen und es konnten mir
eigentlich alle sofort sagen, wann sie zum ersten Mal in Oberwolfach waren, was sie dabei
erlebt haben und dass auch sie hier Kontakte
geschlossen haben, die ihr ganzes Leben geprägt haben.
Inzwischen war ich zu mehr als 40 Workshops hier, ich durfte auch einige leiten, aber
die Aura ist immer noch gleiche, die Faszination ist die gleiche. Wie Cédric [Villani] bereits
gesagt hat: Dieser Ort hat in gewisser Weise
magische Kräfte, die natürlich auch darauf beruhen, dass viele Leute sehr viel harte Arbeit
leisten, damit die Bedingungen hier so fantastisch sind.
Die nächste Überraschung aus Oberwolfach
kam 1994. Ich hatte gerade meine erste Stelle in Freiburg angetreten, da meldete sich
Matthias Kreck, der kurz vorher Direktor von
Oberwolfach geworden war, zu einem Besuch
an und fragte mich, ob ich nicht sein Stellver52
treter werden möchte. Ich war zunächst völlig überrascht und fühlte mich eigentlich völlig
überfordert. Oberwolfach stand ja für die gesamte Mathematik. Wie sollte ich als ganz junger Mensch das abdecken? Aber der Charme
von Matthias Kreck und von Oberwolfach haben natürlich gewonnen und ich habe zugesagt.
Für mich war dieser Blick von innen, zu sehen
wie Forschung funktioniert, ungeheuer wichtig. Besonders beeindruckt war ich von der
Arbeit der Wissenschaftlichen Kommission, die
aus 20 bis 25 Mathematikern besteht und über
das Herzstück des Instituts, das wissenschaftliche Programm, entscheidet. Ich hatte mir
das im Vorfeld so vorgestellt: Wahrscheinlich
wird jeder versuchen, möglichst viele Tagungen aus seinem eigenen Fachgebiet durchzudrücken und nach einigem Gerangel wird man
sich dann schließlich irgendwie einigen. Aber
es war das genaue Gegenteil. Ich hatte oft
den Eindruck, dass die Kommissionsmitglieder in ihren fachnahen Themen viel strenger
waren als bei anderen. Zum Einen wollte sich
niemand blamieren und vielleicht eine Tagung
vorschlagen, die dann möglicherweise doch
nicht ganz dem erwarteten Niveau von Oberwolfach entsprach. Zum Anderen glaube ich,
dass es einen gemeinsamen Spirit gab: Man
wollte einfach das Beste für diesen Ort finden –
die interessantesten Themen, die interessantesten Tagungsleiter. Man war auch bereit in
Konflikte zu gehen, wenn man fand, dass eine
Tagung zwar gut war, aber vielleicht mal durch
ein neues Team geleitet werden sollte. Das
waren Erfahrungen in der wissenschaftlichen
Selbstverwaltung, die mich geprägt haben.
Leider funktionieren nicht alle akademischen
Gremien so, doch für mich war Oberwolfach
immer ein Vorbild und eine Richtschnur dafür,
wie es sein kann, wenn eine echte Begeisterung vorhanden ist. Ich glaube, Oberwolfach
hat auch einen gewissen Anteil daran gehabt,
dass ich 1996 – inzwischen war ich an der ETH
in Zürich – nach Deutschland zurückgekommen bin, an das neugegründete MPI für Mathematik in den Naturwissenschaften.
Finanziell hatte Oberwolfach damals eine
schwere Zeit. Das Geld war knapp und wir
wussten oft nicht, wieviel Geld wir eigentlich im
Lauf des Jahres zur Verfügung haben würden.
Manchmal kam erst im Herbst das endgültige
Budget. Aber wir erfuhren auch eine ungeheure Unterstützung, sowohl aus der deutschen
als auch der internationalen mathematischen
Gemeinschaft und darüberhinaus. Wenn wir
wirklich nicht mehr wussten, wie wir eigentlich die Bibliothek finanzieren sollten, dann tat
sich eben doch noch eine Tür auf.
Die Not machte außerdem erfinderisch. Matthias Kreck hat eine Reihe neuer interessanter
Programme angeschoben, z.B. das Research
in Pairs Programm. Dieses verdankten wir zunächst der VolkswagenStiftung, doch später
hat auch das Land erkannt, dass dies ein hervorragendes Programm ist, und hat sich bereit
erklärt, die Finanzierung zu übernehmen.
Die Aufnahme in die Leibniz-Gemeinschaft
war ein neuer Schritt, der neue Strukturen
erforderte. Inzwischen war meine Amtszeit
als stellvertretender Direktor abgelaufen. Die
Wissenschaftliche Kommission blieb natürlich
erhalten. Zusätzlich gab es nun einen Wissenschaftlichen Beirat. Ich wurde gefragt, ob ich
dort Mitglied werden würde und ich habe na-
türlich gerne zugesagt. Das war nochmals eine
neue Erfahrung von Wissenschaftsverwaltung
und ich konnte mit tollen Mathematikern und
Mathematikerinnen zusammenarbeiten: Mit
Gert Faltings, dem damals einzigen deutschen
Fields-Medaillisten, mit Ingrid Daubechies, zu
der ich gleich noch ein paar Worte sage, oder
auch mit Frances Kirwan, die inzwischen den
berühmtesten Geometrie-Lehrstuhl in Oxford
innehält. Es war beeindruckend mitzuerleben,
dass selbst Leute aus den USA für 36 Stunden
Meeting nach Oberwolfach anreisten und direkt danach wieder zurückflogen, weil sie andere Verpflichtungen hatten. Das hatte ich so
auch noch nicht erlebt.
Das war meine persönliche Prägung durch
Oberwolfach. Nun möchte ich auch einen Teil
der Forschung vorstellen, die Oberwolfach für
mich inspiriert hat und ich entschuldige mich
bei den Mathematikern, wenn ich sozusagen
einfach meinen eigenen Interessen folge. Natürlich deckt Oberwolfach das gesamte Spektrum der Mathematik ab, aber es ist in gewisser
Weise sinnlos darüber zu sprechen, insbesondere vor einem so breiten Publikum.
Ich möchte über eine Entwicklung sprechen,
die sich Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre auftat. Damals zeichnete sich ab, dass es
durch neue Entwicklungen sowohl in der Mathematik als auch in den Materialwissenschaften neues Potenzial für Interaktion gab, die für
beide Seiten fruchtbar sein könnte. Was wäre
ein besserer Ort, um so etwas voranzutreiben
als Oberwolfach? Und so haben John Ball, Dick
James und ich eine Reihe von Anträgen auf
Workshops mit dem Titel „Partial Differential
Equations & Materials” gestellt. Die Idee lau53
Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung „PDE & Materials” im Jahr 2003 (Foto: MFO)
tete: Neue Materialien durch Mathematik. Die
Vorgehensweise der Materialwissenschaften
war in der Vergangenheit zwar sehr erfolgreich gewesen, aber in gewisser Weise auch
stark von Versuch und Irrtum getrieben. Wir
fragten uns: Kann man zumindest neue Anregungen geben, wo man nach Materialien mit
neuen Eigenschaften suchen kann, indem man
versucht gewisse zentrale mathematische
Konzepte zu abstrahieren?
Farben, die man auf dem Bild sieht, sind die
unterschiedlichen Kristallstrukturen. Das Bild
wurde unter polarisiertem Licht aufgenommen, das je nach Kristallstruktur anders bricht
und anders gedreht wird, und somit kann man
die Strukturen in Falschfarbenoptik sichtbar
machen.
Fast kein Material ist homogen. Alle haben eine
interne Mikrostruktur, die das Verhalten ganz
entscheidend prägt. Die Frage ist: Kann man
diese Strukturen vorhersagen, kann man sie
beeinflussen, kann man damit Materialeigenschaften steuern?
Abbildung 1 zeigt eine Metalllegierung. Sie bildet Kristalle, regelmäßige Anordnungen. Die
54
Abbildung 1: Metalllegierung
(Quelle: Richard D. James)
An diesem Material ist interessant, dass es
einen sogenannten Fest-fest Phasenübergang
gibt, d.h. nicht einen Übergang zwischen fest
und flüssig, sondern einen Übergang zwischen
zwei unterschiedlichen Kristallstrukturen. Bei
hoher Temperatur hat das Material eine kubische Struktur, ein würfelmäßiges Gitter. Unterhalb einer gewissen kritischen Temperatur
wird eine Achse des Würfels gestreckt und die
anderen beiden schrumpfen
Martensit
Austenit
Adolph Karl
Gottfried Martens
Sir William Chandler
Roberts-Austin
θc
θ
Strukturen und deshalb ist das Material bei
niedriger Temperatur flexibel. Bei hoher Temperatur gibt es nur eine mögliche Kristallstruktur und deshalb springt das Material in eine
vorgegebene Struktur zurück. Dieses Verhalten setzt man in der Medizin z.B. bei Stents
ein. Bei niedriger Temperatur kann man Stents
knüllen und so in die Arterie einbringen. Bei
Körpertemperatur entfalten sie sich dann in
die Form, die vorher einprogrammiert wurde.
Phasenübergänge sind immer dann besonders
interessant, wenn sie mit anderen Eigenschaften, wie magnetischen oder elektrischen Eigenschaften koppeln. Auch in diesem Bereich
haben diese Materialien die stärksten Kopplungskoeffizienten.
Temperatur
è Änderung der Kristallstruktur ohne Diffussion:
Abbildung 2: Martensitischer Phasenübergang, Fest-fest Phasenübergang
(Quelle: Stefan Müller)
Es gibt drei Möglichkeiten, wie das passieren
kann. Bei niedriger Temperatur hat man deshalb drei unterschiedliche Phasen, bei hoher
Temperatur hat man nur eine Phase. Der Phasenübergang passiert völlig ohne Diffussion. Er
geschieht sehr spontan und mit großer Wucht.
Warum ist das interessant? Zunächst einmal
handelt es sich um eine Transformation mit
großer Verformung und darum auch mit großer Energiedichte. Diese besonderen Materialien können sich um 10% strecken, wodurch
eine sehr hohe Energie entfaltet werden kann.
Außerdem können diese Materialien den sogenannten Gedächtniseffekt realisieren. Bei
niedriger Temperatur gibt es viele mögliche
Eine neuere Entwicklung, die Dick James sehr
intensiv verfolgt, ist der Versuch mit diesen
Materialien eine direkte Umwandlung von Wärme in mechanische oder elektrische Energie
zu erzielen, also ohne dass man mit der Wärme einen Generator betreibt. Das funktioniert
auch bei relativ geringen Temperaturunterschieden und gerade solche Müll-Restwärme
hat man in der Regel viel. Selbstverständlich lässt sich der Carnot-Wirkungsgrad nicht
schlagen, aber bei Temperaturunterschieden
von 40° vs. 20°, womit man noch keine Turbine antreiben kann, könnten diese Materialien
sehr interessant sein.
Mikrostrukturen sind eine faszinierende Welt.
Es gibt ungeheuer viele Formen. Wir fragten
uns natürlich: Gibt es ein System dahinter, wie
man diese Mikrostrukturen verstehen kann?
Lässt sich etwas vorhersagen? Was kann man
überhaupt vorhersagen? Man könnte natürlich einfach eine große Simulation auf einem
55
Abbildung 3: Unterschiedliche Formen von
Mikrostrukturen (Quelle: Richard D. James)
Computer durchführen. Aber was soll eigentlich das Ziel dieser Rechnung sein? Wenn ich
z.B. bei der zweiten Struktur aus Abbildung
3 das Experiment nochmal durchführe, dann
wird das nicht wieder identisch aussehen. Wodurch aber ist die Struktur charakterisiert?
Mathematik ist dazu da, Objekte, Strukturen
und Zusammenhänge zu abstrahieren und das
ist auch gelungen. Wie kann man das nun für
neue Materialeigenschaften nutzen?
Mathematisches Modell
Ball-James Kontinuierliches Modell, nichtlineare Elastizitätstheorie
möglichst minimiert. Da gibt es Barrieren dagegen usw. aber das ist zunächst kein schlechter Ansatz. Mathematisch führt das zu einer
Abbildung von einer dreidimensionalen Menge
in eine andere dreidimensionale Menge. Da
es nur auf die relativen Abstände ankommt,
geht der Gradient ein. Somit ergibt sich eine
Funktion vom Gradienten, die integriert werden muss:
I(u) = ʃΩf(𝛁u)dx
Das ist ein klassisches Problem der Variationsrechnung, der Theorie der optimalen Formen,
doch diese konkreten Probleme stellten uns
vor neue Herausforderungen, für die es so
noch keine mathematische Theorie gab.
Energielandschaft
Freie Energie
Minima der
Energie
T > Tc
Ein Energieminimum
(Austenit)
T < Tc
Drei Energieminima
(Martensit)
Abbildung 5: Energielandschaft (Quelle:
Stefan Müller)
Abbildung 4: Mathematisches Modell (Quelle:
Stefan Müller)
Das mathematische Modell, das dahintersteht,
ist, wie alle Modelle, eine Idealisierung. Zunächst gehen wir davon aus, dass die natürlichen Zustände einfach Zustände minimaler
Energie sind. Das System versucht, in einen
Zustand zu kommen, in dem es seine Energie
56
Alles ist in der Funktion codiert, die dem lokalen Deformationsgradienten die Energie zuordnet, der Funktion f. Wie sieht diese Funktion schematisch aus? Bei hoher Temperatur
hat sie ein Minimum (nicht ganz, denn alles ist
invariant unter Starrkörperbewegung). Wenn
der Körper lediglich im Raum gedreht wird,
ändert sich natürlich nichts. Das heißt, genau-
er gesagt bildet die Menge aller Rotationen
eine Kopie von SO(3). Bei tiefer Temperatur
hat man drei solche Kopien. Das ist die Grundidee. Für viele Fragen kommt es nun gar nicht
so genau darauf an, wie es dazwischen aussieht. Man interessiert sich zunächst für diese
Minima.
Bei Festkörpern lassen sich zwei Phasen nicht
einfach beliebig aneinandersetzen, da es sich
um Kristallgitter handelt. Die Gitter müssen
irgendwie zusammenpassen. Das kann man
sich auf der Ebene der Gitter überlegen oder
anhand der Kontinuums-Theorie. Es ergibt
sich eine stückweise affine Funktion mit zwei
Deformationsgradienten. Entlang der Grenzfläche muss die tangentiale Ableitung die gleiche sein, d.h. die Differenz muss eine Matrix
von Rang 1 sein. Das ist die Schlüsselbedingung, die man isoliert. In gewisser Weise war
das in der Kristallografie bereits in den 50er
Jahren bekannt, doch es wurde nicht systematisch verfolgt.
entlang der
−
⊗n
Abbildung 6: Die einfachste MikrostrukturMischung zweier Phasen. Die Stetigkeit von u
entlang der Phasengrenze erfordert A - B
= a � n. (Quelle: Stefan Müller)
Wie können komplexere Strukturen entstehen? Man kann das Verfahren iterieren und
zunächst zwei Schichten bilden. Wenn diese
fein geschichtet sind, sieht man im Wesent-
durch Iteration
Konstruktion
Experiment
Reduktion auf ein algebraisches
Problem im Raum der Matrizen
Rang-1 Linien
Abbildung 7: Kompliziertere Konstruktionen
durch Iteration (Quelle: Stefan Müller [links],
Richard D. James [rechts])
lichen den Mittelwert davon. Auf der anderen
Seite ist das genauso und dann kann man die
beiden Mittelwerte verbinden.
Wie ist das nun mit dem Versprechen, durch
mathematische Ideen neue Materialien mit
neuen Eigenschaften zu finden? Bei einer
Transformation des Materials bewegen sich die
Atome natürlich auf komplexe Weise. Doch auf
dem Niveau, auf dem ich es hier beschreibe,
ist das Wesentliche der Transformation eine
lineare Abbildung, welche das Gitter in der
Hochtemperaturphase auf das andere Gitter
abbildet. Genauer gesagt, gibt es drei verschiedene Abbildungen, entsprechend der drei
Möglichkeiten an unterschiedlichen Achsen
das Gitter zu strecken und zu schrumpfen. Da
es auch noch die Möglichkeit der Rotation gibt,
kann man immer annehmen, dass die Abbildungen symmetrisch sind, und deshalb haben
sie Eigenwerte. Das Wesentliche ist in diesen
drei Eigenwerten enthalten. Experimentell
lässt sich feststellen, dass die Hysterese besonders klein ist, wenn der mittlere Eigenwert
1 ist.
57
Beobachtung: Hysterese besonders klein für λ2 ≈ 1
U1 Transformationsmatrix:
Austenit à Martensit
Eigenwerte: λ1 ≤ λ2 ≤ λ3
Abbildung 8: Neue Materialien durch Mathematik (Quelle: Richard D. James)
Was ist die Hysterese? Die Umwandlung der
Austenit-Phase in die Martensit-Phase geschieht bei einer bestimmten Temperatur. Die
Rückumwandlung geschieht aber nicht genau
bei der gleichen Temperatur. Diese Temperaturdifferenz bezeichnet man als Hysterese.
Das ist etwas, was man natürlich eigentlich
nicht haben will, doch die Welt ist eben nicht
ideal. Es lässt sich jedoch eine sehr kleine Hysterese erreichen, wenn der mittlere Eigenwert
klein ist und zwar unabhängig von der Art des
Metalls. Das ist einfach eine geometrische Bedingung.
dasHysterese
ist das Interessante
WarumGenau
so kleine
für λ = 1 ? dar2
Idee : λ2 ≠ 1 erfordert höhere Energiebarriere
M
A
λ2 = 1 einfache
Grenzߊche A/M mšglich
(Rang-1 Verbindung)
A
M+
M-
λ2 ≠ 1 komplexe Mischung
aus zwei Martensitphasen
erforderlich
Abbildung 9: Warum kleine Hysterese für
λ2 = 1? (Quelle: Stefan Müller [oben], Richard
D. James [unten rechts])
58
an: Indem wir mathematisch abstrahierten,
erhielten wir eine geometrische Bedingung.
Warum ist das so? Man kann durch eine recht
einfache Rechnung zeigen: Wenn der mittlere
Eigenwert 1 ist, lassen sich die Austenit-Phase und die Martensit-Phase direkt miteinander
verbinden. Wenn der mittlere Eigenwert nicht
1 ist, muss man erst zwei Martensit-Phasen
fein schichten und dann lässt sich erst der Mittelwert mit dem Austenit verbinden. Bei dieser
feinen Schichtung entsteht zusätzliche Grenzflächenenergie. Dadurch wird die Energiebarriere höher und das führt zu höherer Hysterese
– so lautet zumindest unsere Interpretation.
Dies lässt sich dann noch weiter treiben: Wenn
nicht nur der mittlere Eigenwert 1 ist, sondern
außerdem noch eine weitere Bedingung erfüllt
ist, dann wird das Material noch viel flexibler.
det �(U1 + 1/2 n � a) (U1 + 1/2 n � a) - I� = 0
trU²1 - detU12 - 2 > 0
Wenn diese Bedingung, die ich nicht im Einzelnen erläutern möchte, erfüllt ist, dann gibt
es nicht nur direkt Austenit-Martensit-Grenzflächen, sondern dann lässt sich jedes Verhältnis der Mischung mit dem Austenit verbinden.
Somit gibt es viel mehr mögliche Mikrostrukturen. Das lässt die Vermutung zu, dass es
dann auch leichter ist, diese Transformation
durchzuführen. Da eine Phase an der anderen
irgendwie entstehen muss, sollte das besser
funktionieren wenn es dafür mehr Möglichkeiten gibt. Und so ist es auch.
Man denkt vielleicht zunächst: Diese Bedingungen sind ja extrem nicht-generisch. Doch
wenn man sich z.B. Legierungen aus vier Elementen anschaut, dann gibt es dabei drei Parameter, mit denen man spielen kann, nämlich
die relativen Anteile. Die Eigenwerte hängen
von diesen Parametern ab, ebenso wie die
andere Bedingung und es lässt sich genau so
einstellen, dass die Bedingungen erfüllt sind.
x= 30/ 27/ 25
Neue Mikrostrukturen:
Abbildung 10: Hysterese und Materialermüdung: AuxCU55-xZn45
(Quelle: Richard D. James)
Auf diese Weise haben James und Koautoren1
vor kurzem Materialien gefunden, die z.B. eine
Hysterese von nur noch Bruchteilen von 1°
haben, während es vorher 10, 20, 70° waren,
und die auch ungeheuer viele Zyklen durchlaufen können. Eine geringe Hysterese bedeutet
typischerweise auch eine hohe Lebensdauer.
Bei der Hysterese bleibt ja immer irgendetwas
hängen und es wird auch immer potenziell etwas beschädigt. Je glatter der Prozess durchläuft, umso höher ist die Lebensdauer, die
man erreicht. Auch wenn man Wärme in Energie umwandeln will, ist es natürlich schlecht,
wenn es schon eine Hysterese von 10° gibt,
bei der rein gar nichts passiert und die man im
Prinzip verschwendet.
1 Song, Y., Chen, X., Dabade, V. et al. Enhanced reversibility
and unusual microstructure of a phase-transforming material. Nature 502, 85–88 (2013). https://doi.org/10.1038/nature12532
Ultra0.2 C
Song, Chen,
Shield, James, Nature
502
Abbildung
11:Dabade,
Neue Mikrostrukturen
(Quelle:
Richard D. James)
Bei diesen Materialien, die so flexibel sind, treten dann auf einmal auch ganz neue Mikrostrukturen auf, die wir noch nicht im Einzelnen
verstanden haben.
Das war ein schöner Erfolg. Eine Idee, die aus
der Mathematik kam, ermöglichte die gezielte
Suche und daraufhin wurden Kandidaten identifiziert.
Doch uns interessiert natürlich auch die Mathematik und ich hatte versprochen, dass die
Inspiration neuer Ideen in beide Richtungen
gehen sollte, und das war auch so.
Wie ist das in der Mathematik mit den Mikrostrukturen? Sie tauchen vielleicht zum ersten
Mal bei geometrischen Problemen auf, insbesondere bei den spektakulären Arbeiten von
John Nash, den einige vielleicht aus dem Buch
„A beautiful mind” oder dem gleichnamigen
Film kennen.
Nash hat sich für sogenannte Einbettungen
von Flächen oder auch höher-dimensionalen Objekten interessiert. Stellen Sie sich die
Oberfläche der Kugel im dreidimensionalen
Raum vor. Kann man die Oberfläche so verformen, dass man sie in eine kleinere Kugel
packen kann? Ja natürlich, wenn die Kugel aus
Gummi ist und man daran zieht und drückt,
59
dann geht das. Aber was ist, wenn sich die Kugel lokal nicht verformen kann, wenn sie sehr
steif ist? Geht das trotzdem? Ein flaches Blatt
Papier lässt sich beispielsweise zu einem Zylinder rollen. Doch bei einer Kugel, die überall
gekrümmt ist, stellt sich heraus, dass sie sich
eigentlich nicht deformieren lässt. Das ist ein
berühmter Satz von Hilbert.
Nash sagte, es geht doch!2 Es kommt dabei
auf die Regularität an. Wenn man eine Krümmung klassisch definieren kann, wenn man
also zweimal differenzieren kann, dann greift
Hilbert. Doch Nash zeigte: Um Länge und Längenänderung zu definieren, benötigt man nur
eine Ableitung. Er hat tatsächlich Abbildungen
konstruiert, die einmal stetig differenzierbar
sind und die eine Kugel isometrisch in einen
beliebig kleinen Ball packen.
Das war natürlich erstmal ein ziemlicher
Schock. Später hat Gromov das zu einer allgemeinen Theorie ausgebaut.
Inspiriert durch die Beispiele der Materalien,
habe ich mit Vladimír Šverák daran gearbeitet, so etwas Ähnliches für partielle Differentialgleichungen zu entwickeln und auch da Lösungen zu konstruieren, die in gewisser Weise
eher wild sind und die man nicht erwarten
würde. Das ist auch gelungen und hat dann
dazu geführt, dass man verstehen wollte, wie
diese beiden Dinge eigentlich zusammenpassen. Was wäre ein besserer Rahmen dafür, als
eine Arbeitsgemeinschaft in Oberwolfach?
Die Arbeitsgemeinschaft ist etwas ganz Besonderes. Ich hatte nur einmal das Glück da2 Nash, J. C1 isometric imbeddings. Ann. of Math. (2),
60:383–396, 1954.
60
ran teilnehmen zu dürfen. Die Arbeitsgemeinschaft ist so etwas wie ein Studentenseminar
für Professoren und Postdocs und manchmal
auch für einige Doktoranden. Man nimmt sich
gemeinsam ein Thema vor, das man verstehen
will, die daran Interessierten bewerben sich
und bekommen Vorträge zugeteilt. Diese Vorträge sind jedoch nicht aus dem jeweils eigenen Fachgebiet, sondern aus dem Gebiet, das
man gemeinsam erarbeiten will. Dann müssen
die Teilnehmer live in Oberwolfach vortragen
und anschließend wird darüber diskutiert. Das
ist eine sehr intensive Veranstaltung!
So war es auch bei der Oberwolfach Arbeitsgemeinschaft im Frühjahr 2003. An dieser
Arbeitsgemeinschaft nahmen auch viele junge Wissenschaftler teil, unter anderen László
Székelyhidi. Dieser nahm seine Erkenntnisse
mit nach Zürich und tauschte sich mit Camillo
De Lellis darüber aus. Gemeinsam überlegten
sich die beiden, dass man das nicht nur auf
Materialprobleme, auf geometrische Probleme, anwenden kann, sondern auch auf Probleme der Strömungsmechanik – etwas was
Gromov nie geglaubt hatte. Gromov dachte,
diese Probleme der Physik müssten irgendwie
anders sein, da würde diese Methode nicht
funktionieren. Székelyhidi und De Lellis haben
gezeigt, dass es funktioniert.3
Es gab schon vereinzelt solche wilden Lösungen in der Strömungsmechanik, aber es war
völlig unverstanden, was deren Bedeutung ist.
Székelyhidi und De Lellis haben eine systematische Theorie daraus entwickelt, die sich ra3 U.a.: De Lellis, C., Székelyhidi, L., Jr. The Euler equations
as a differential inclusion. Ann. of Math. (2) 170, 3 (2009)
1417-1436
László Székelyhidi und Stefan Müller bei der
Verleihung des Oberwolfach Preises 2011 an
László Székelyhidi (Foto: MFO)
Camillo De Lellis 2016 bei der Oberwolfach
Vorlesung über „Nash-Kuiper, Onsager’s
Conjecture and the Borisov-Gromov Problem”
(Foto: MFO)
sant weiterentwickelt. Es gibt nun auch erste
Arbeiten für die Navier-Stokes-Gleichungen,
bei denen zunächst auch gesagt wurde: „Na
ja, bei der Euler-Gleichung, da gibt es keine
Dissipation. Das ist alles überidealisiert...”
Aber scheinbar geht alles doch noch viel weiter, als man bisher gedacht hat.
heraus. Nein, sie wären müde, sie hätten keine Lust und es wäre ihnen zu anstrengend.
Aber der wahre Grund war etwas anderes. Sie
hatten nämlich gerade eine neue Idee und
wollten daran arbeiten. Ich habe Figalli später
gefragt, wie das genau war und er beschrieb
es wie folgt:
Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Oberwolfach funktioniert, wie Ideen aus unterschiedlichen Gebieten zusammenkommen können.
„That afternoon we decided to give ourselves another shot: there was a potential new
strategy that we wanted to explore, ...
Ich möchte gerne noch ein anderes Beispiel
erzählen, das ich auch Camillo De Lellis verdanke. Wir haben ja schon gehört, dass Oberwolfach Freiheit bedeutet und der freie Austausch im Vordergrund steht. Aber auch in
Oberwolfach gibt es natürlich gewisse Regeln.
Und eine dieser Regeln ist, dass es Mittwoch
Nachmittags eine Wanderung gibt und an der
hat man eigentlich auch teilzunehmen. So war
es auch bei der PDE-Tagung 2011. Doch zwei
junge Wissenschaftler, Alessio Figalli und Guido de Philippis, wollten nicht und redeten sich
After 2-3 years of further failed attempts,
we suddenly got the right idea and by the
end of the evening (after the Wednesday
BBQ) we had a proof in 2 dimensions.
In the next few days it was a matter of technicality understanding how to make it work
in arbitrary dimensions.”
Das ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie
Forschung in der Mathematik oft funktioniert:
Es gibt Phasen, in denen muss man einfach
gewisse Dinge abarbeiten. Das kann man ge61
meinsam oder auch einzeln machen und per
E-Mail kommunizieren. Aber dann es gibt es
eben auch Phasen, in denen man wirklich
Ideen entwickelt, und solche Durchbrüche
passieren oft in Oberwolfach.
Dieses konkrete Ergebnis hat es dann tatsächlich in die Fields-Medal citation von Figalli geschafft:
„This is why Figalli’s work, carried out with
his co-author Guido De Philippis, caused
so much excitement. They made a breakthrough in understanding the structure of
solutions to the Monge-Ampère equation
that provided just what was needed to allow
optimal transport theory to be applied to
the semi-geostrophic equations.
Zum Einen ging es also um die semi-geostrophic equations, die als Gleichung auf großen
Skalen, z.B. in der Meterologie, auftreten.
Zum Anderen ging es um die Frage des optimalen Massentransports. Wie kann man auf
effizienteste Art, also auf kürzesten Wegen
eine Masse zwischen zwei Orten umverteilen?
Man wusste schon, dass diese beiden Dinge
im Prinzip zusammenhängen. Doch es war von
entscheidender Bedeutung, dass Figalli und De
Philippis zeigten konnten, dass die Lösung für
das Umverteilungsproblem genügend regulär
ist, damit man sie bei dem anderen Problem
anwenden kann.
Ich möchte mit einigen allgemeineren Bemerkungen und dann mit einem Wort von Ingrid
Daubechies schließen.
Their work delicately balanced technical finesse and creative insight.”
Die Tagung „Partial Differential Equations” im Jahr 2011 (Foto: MFO)
62
Wir haben schon gehört, dass Oberwolfach
sehr erfolgreich ist. Es gibt viele Kopien, aber
das Original ist immer noch der Platzhirsch.
Wieso eigentlich? Viele Gründe haben wir
schon gehört und diesen stimme ich auch zu.
Ich hatte mir ebenfalls eine Liste überlegt,
doch dann kam ich auf die Idee, stattdessen
eine Reihe von Kollegen zu fragen. Einige OTöne möchte ich Ihnen nun hier präsentieren.
Was also meint die mathematische Gemeinde,
was in Oberwolfach besonders ist, und warum
kommt man am liebsten hier her?
„Hier trifft man die wirklich interessanten
Leute, die nicht auf die großen Tagungen
kommen.”
„Oberwolfach bietet Zeit für Forschung und
echten Austausch, weil darauf geachtet
wird, dass es nicht zu viele Vorträge gibt.”
Das erfordert manchmal auch eine gewisse
Disziplin, aber es wird auch sehr goutiert.
„Das Programm ist hochaktuell, weil erst
während der Tagung entschieden wird, wer
vorträgt.”
Das bedeutet auch, dass man sich eben nicht
schon Monate vorher vorbereiten und die fertigen Folien rausziehen kann, sondern typischerweise erfährt man erst hier, ob man gefragt wird vorzutragen oder nicht.
„Oberwolfach ist besonders, weil abends
alle zusammenbleiben und sich nicht zerstreuen.”
„Die Bibliothek ist fantastisch. Ich gehe
sonst kaum noch in Bibliotheken, aber in
Oberwolfach tue ich es.”
„Auch in Zeiten von Internet, Skype und sozialen Medien kann ich Neues nur beginnen,
wenn ich persönlich mit jemandem zusammenarbeite.”
„In Oberwolfach habe ich einen meiner engsten Kooperationspartner kennengelernt.”
„Wichtig als Inspiration fand ich das gemeinsame Musizieren, was dann zu engeren
wissenschaftlichen und persönlichen Beziehungen geführt hat.”
Der Musikraum und das gemeinsame Musizieren wurden von sehr vielen genannt. Danke an
diejenigen, die das ermöglichen, was vielleicht
aus öffentlichen Mitteln so nicht möglich wäre.
„Die Wissenschaftliche Kommission ist exzellent besetzt und schafft es, eine gute Balance zwischen bewährten Traditionen und
neuen Entwicklungen herzustellen.”
In der Tat! Wir haben ja gehört, dass es viele neue Herausforderungen gibt. Zu Data Science wird es beispielsweise 2020 eine Tagung
geben. Oberwolfach ist nicht jeder Mode nachgelaufen, aber Oberwolfach hat die Fähigkeit,
neue Dinge aufzugreifen.
„Nirgendwo ist es als Tagungsleiterin oder
Tagungsleiter so einfach, eine Tagung zu
organisieren. Man muss keine Mittel einwerben und man kann die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer frei auswählen.”
Auch das ist beileibe nicht bei allen Instituten so. Oft gibt es alle möglichen Quoten oder
man muss erstmal Gutachten einholen, ob
denn die Leute auch wert sind, eingeladen zu
werden. Das ist hier nicht so. Wenn man als
63
Tagungsleiterin oder als Tagungsleiter ausgewählt wird, dann hat man auch das Vertrauen.
„Die Atmossphäre von Oberwolfach gibt es
nirgendwo sonst.”
Ich glaube, dem brauche ich nichts mehr hinzuzufügen außer dem Dank an diejenigen, die
dafür sorgen, dass sich jede Woche alle Gäste so willkommen fühlen. Danke auch an diejenigen, die ihre kostbare Zeit und Expertise
in vielfacher Form Oberwolfach zur Verfügung
stellen. Und natürlich auch Danke an die Geldgeber, Bund, Land, VolkswagenStiftung, Klaus
Tschira Stiftung und viele andere, die Oberwolfach immer wieder unterstützt haben, damit es das bleibt, was es ist.
Schließen möchte ich mit einem Zitat von
Ingrid Daubechies. Sie ist eines meiner mathematischen Vorbilder und eine Grenzgängerin zwischen der sogenannten reinen und
der sogenannten angewandten Mathematik.
Eigentlich Physikerin, hat sie eine Professur
sowohl für Mathematik als auch für Electrical
and Computer Engineering. Das Gebiet der
Analysis wurde von ihr ungeheuer bereichert
durch ihre Theorie der Wavelets – die gleichen
Wavelets, die auf Ihren Handies die Bilder
komprimieren. Sie wurde mit vielen Preisen
ausgezeichnet, erhielt die Ehrendoktorwürde
in Harvard und war die erste Präsidentin der
International Mathematical Union. Als Mitglied
im Wissenschaftlichen Beirat hat sie Oberwolfach sehr beim Start in der Leibniz-Gemeinschaft unterstützt. Ihr Verständnis von Oberwolfach drückt sie wie folgt aus:
64
Ingrid Daubechies (Foto: MFO)
„Oberwolfach is deeply woven into the fabric of the international mathematical community.”
Ich wüsste nicht, wie ich das angemessen
übersetzen sollte, deshalb möchte ich es einfach so stehen lassen.
Glückwunsch an Oberwolfach zum 75. Geburtstag und dass auch die nächsten 75 Jahre
besser werden als wir geplant hatten!
In der Bibliothek (Foto: MFO)
„Retter” von Oberwolfach
(1945): Szolem Mandelbrojt
und John Todd*
Prof. Dr. Volker Remmert
Geschäftsführender Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschafts- und
Technikforschung (Fakultät für Geistes- und
Kulturwissenschaften) der Bergischen
Universität Wuppertal
In ihren 1967 zusammengestellten Erinnerungen an die Entstehungszeit des Mathematischen Forschungsinstituts Oberwolfach beschrieb Irmgard Süss (1894-1989), die Witwe
des Institutsgründers Wilhelm Süss (18951958), die Ungewissheit über das Weiterbestehen des MFO im Frühjahr und Sommer
1945 mit folgenden Worten (Süss 1967, 32):
Von der Welt waren wir abgeschnitten, das
Schicksal des Instituts ein großes Fragezeichen.
Da fuhr eines Tages ein englischer Jeep vor,
mit zwei Soldaten bemannt: es waren die
Mathematiker John Todd und G.E.H. Reuter, Dr. Reuter, der Sohn des späteren ersten Bürgermeisters von Berlin. Sie waren
englischerseits abgesandt, wissenschaftliche Institute zu inspizieren. Uns war es, als
würde nach langer Finsternis eine Tür zum
* Der Artikel ist hervorgegangen aus dem vom MFO unterstützen und von der DFG geförderten Forschungsprojekt Das
Mathematische Forschungsinstitut Oberwolfach, 1944-1963:
Vom „Reichsinstitut für Mathematik” zur internationalen
„sozialen Forschungsinfrastruktur”.
66
Licht aufgestossen. Manche der Herren [am
MFO] waren ihnen dem wissenschaftlichen
Ruf nach bekannt, und sie traten wie Freunde und Kollegen ein. […] Herr Todd brachte
die Berechtigung für etwas Milch auf unseren
Kaffeetisch. An dem saßen wir alle mit ihm,
auf der Bibliotheksterrasse in der Sonne, als
plötzlich um die Rosenmauer ein französischer Offizier auftauchte und den Hausherren [Wilhelm Süss] verlangte. Der kam verstört zurück: Beschlagnahme des Instituts,
das Haus müsse für’s Militär geräumt werden. Doch schon stand Herr Todd neben dem
Boten des Schreckens auf dem Gartenweg
und unterhandelte. Das habe abgewendet
werden können, sagte er und trank seinen
Kaffee mit uns weiter, während der französische Offizier wieder bergab stieg.
Dies war die zweite Sternstunde des Instituts, und John Todd der Retter.
Die Geschichte von John Todd (1911-2007) als
dem „Retter” des MFO hat auf dem Wege über
diese hagiographische Broschüre weite Verbreitung gefunden. Todd war 1945 als britischer Marineoffizier im Auftrag des britischen
Admirality Computing Service sowie der Aufklärungsmission BIOS (British Intelligence Objective Sub-Committee) in Deutschland unterwegs, um sich einen Überblick über den Stand
der angewandten Mathematik in Deutschland
zu verschaffen (Todd 1946; Todd 1983, 19).
Auf dieser Reise besuchte er Anfang Juli 1945
das MFO. Todd selbst hat rückblickend seine
rettende Tat etwas anders und zurückhaltender beschrieben (Todd 1983, 21; vgl. Cohen/
Todd 1996):
We were having a discussion on the patio
when there arose a commotion among the
servants. It was caused by a foraging party of
Moroccan troups who wanted to occupy the
building. I quickly got into proper dress with
hat and in my best French persuaded them
to leave the mathematicians and “même les
poules” undisturbed. The very distinguished
sergeant asked if he would be permitted to
shake the hand of a British naval officer. Of
course I said, “Yes”, and they left to try their
luck elsewhere. However, they later appropriated Threlfall’s Mercedes-Benz.
This incident kept “Lorenzenhof” [MFO] intact until the local government was set up.
Es ist an dieser Stelle nicht wesentlich, ob
Todds Bericht plausibel scheint, er habe die
„plündernden Marokkaner”, die bei Irmgard
Süss an anderer Stelle mit Bezug auf einen
früheren Zeitpunkt als „Kavalkade mit fliegenden Burnussen” Erwähnung fanden (Süss
1967, 31), vermöge seiner Autorität als britischer Marineoffizier zur Ordnung rufen und so
das MFO retten können. Der wichtige Punkt
für das Weiterbestehen des MFO ist vielmehr,
dass Todd nach seiner Rückkehr nach London Szolem Mandelbrojt (1899-1983) von der
Existenz des MFO berichtete und dafür plädierte, dass die französische Militärregierung
es unterstützen sollte:
We [Reuter and Todd] hope the French Authorities have allowed your Institutes [MFO
und Freiburger Mathematisches Institut] to
continue their activities; we included a strong
recommendation to that effect in our official
report. No doubt Professor Mandelbrojt will
discuss this further with you and the Authorities.1
Mandelbrojt, der zu den Gründungsmitgliedern von Bourbaki gezählt hatte und 1938
Nachfolger von Jacques Hadamard am Collège
de France geworden war, emigrierte 1940 angesichts der deutschen Invasion in die USA,
wo er eine Stelle an der Rice University annahm (Mandelbrot 1998, 2012). Zusammen
mit Hadamard wurde er 1944 Mitglied der
Mission Scientifique Française en Grande-Bretagne von Louis Rapkine in London. Sie hatte
sich zur Aufgabe gemacht, die in Frankreich
nach der deutschen Invasion 1940 entstandene Forschungslücke zu füllen, und fusionierte
bald nach Kriegsende mit gleichlaufenden Bestrebungen des befreiten Centre national de
la recherche scientifique (CNRS) (Dosso 1998,
353-356, 376-380; Guthleben 2009, 78-83,
95f). In London hatte Todd in engem Kontakt
mit Hadamard und Mandelbrojt gestanden
und wollte ihnen nach seiner Rückkehr unmittelbar über das MFO berichten, da es in der
französischen Besatzungszone lag und den
französischen Mathematikern noch unbekannt
war. Hadamard und Mandelbrojt waren jedoch
bereits nach Paris zurückgekehrt, wo Todd sie
in einem Büro des CNRS aufsuchte, als, wie er
sich später erinnerte, „Mandelbrojt was being
outfitted for a visit of inspection to Oberwolfach. He insisted on trying the revolver which
had been issued to him – and there are presumably still two bullets in the floor of a CNRS
office!” (Todd 1983, 21f)
1 Todd an Wilhelm Süss, 16. Oktober 1945 (Universitätsarchiv Freiburg (UAF), E6/11).
67
John Todd (1911-2007) in den 1940er Jahren (Foto: California
Institute of Technology, Archives & Special Collections)
68
Szolem Mandelbrojt (1899-1983) in den 1940er Jahren
(Foto: Familienbesitz)
69
Tatsächlich reiste Mandelbrojt nach Deutschland und besuchte das MFO zweimal, am 23.
Oktober (mit mindestens einer Übernachtung)
und am 31. Oktober 19452. In der Zwischenzeit fuhr er nach Tübingen, um Erich Kamke
(1890-1961) zu treffen, den er für einen der
wenigen Mathematiker in Deutschland hielt,
denen man aufgrund ihrer Haltung während
der Zeit des Nationalsozialismus vertrauen
konnte. Das CNRS hatte bis Oktober 1945 ca.
150 Wissenschaftler auf ungefähr 400 solcher
Missionen zur Erkundung der wissenschaftlichen Ressourcen in der französischen Besatzungszone entsandt, etwa an die beiden Universitäten Freiburg und Tübingen sowie die
dreizehn in der französischen Zone gelegenen
Kaiser-Wilhelm-Institute (Defrance 2001, 8;
Guthleben 2009, 99-104). Aus dieser Perspektive war an der Reise nichts Ungewöhnliches.
Mandelbrojt schrieb Todd im November 1945,
dass seine Reise sehr interessant gewesen sei
und er einen offiziellen Bericht verfassen werde, der auch Todd zugehen sollte. Er bedauerte,
dass er nicht nach Göttingen habe fahren können, „due to flats (8!) and even more serious
automobile accidents, but what I have seen,
especially in Wolfach, in Tübingen, is very interesting”.3 In seiner weiteren Korrespondenz
mit Todd kam Mandelbrojt zweimal auf seine
Reise nach Deutschland zurück. Am 1. Januar 1946 entschuldigte er sich bei Todd dafür,
dass er nach seiner Rückkehr aus Deutschland
nicht in London habe vorbeikommen können.
Er legte zwei (inzwischen vermutlich verlo2 Süss an Administrateur Lutz, 29. Januar 1947 (UAF,
C89/108); Süss an Kamke, 31. Oktober 1945 (UAF, C89/6).
3 Mandelbrojt an Todd, 18. November 1945 (Caltech Archives
and Special Collections, Todd papers, folder 9.18, Mandelbrojt).
70
rene) Briefe von Erich Kamke bei, der ihn zu
Gastvorträgen nach Tübingen eingeladen hatte. Mandelbrojt konnte sich allerdings nicht zur
Annahme der Einladung durchringen, denn,
wie er Todd schrieb, „Kamke is a fine man, I
have all confidence in him, and if all the German mathematicians were like himself I would
certainly accept his invitation, but you know,
I know, and Kamke himself knows perfectly
well that this is not the case”.4 In seiner positiven Einschätzung von Kamke, der 1937 seine
Professur in Tübingen verloren hatte, weil seine Frau jüdisch war, stand Mandelbrojt nicht
allein. Auch Abraham Fraenkel, der 1933 in
Kiel entlassen wurde und nach Jerusalem emigrierte, sah 1947 in Kamke einen von nur vier
Mathematikern in Deutschland – neben Erich
Hecke, Oskar Perron, und Heinrich Scholz –,
die während des Nationalsozialismus Haltung
bewahrt hätten (Remmert 2012, 245). So
überrascht es wenig, dass Mandelbrojt in seinem Brief an Todd klarstellte, er sei „really not
in favor of going to Germany otherwise than
for military purposes”. Tatsächlich lässt sich
über einige der Mathematiker, um deren enge
Verbindung zum MFO Mandelbrojt wusste, wie
etwa Henry Görtler, Hellmuth Kneser, Wilhelm
Süss, Emanuel Sperner und William Threlfall,
keineswegs sagen, dass sie eine ähnlich kritische Distanz gegenüber dem Nationalsozialismus gezeigt hätten.5 Schon im November, kurz
nach seiner Rückkehr aus Deutschland, hatte
Mandelbrojt Todd mit Bezug auf zwei Briefe,
die er von Görtler und Kamke erhalten hat4 Mandelbrojt an Todd, 1. Januar 1946 (Todd papers, folder
9.18, Mandelbrojt).
5 Zur Gründungsgeschichte des MFO s. (Mehrtens 1996,
Epple/Karachalios/Remmert 2005, Remmert 2019); zu den
frühen Jahren s. (Remmert 2020).
te, seine Haltung gegenüber Mathematikern
in Deutschland erläutert. Mit Blick auf seine
eigene jüdische Herkunft schrieb er: „I think
I could arrange some advantages for those of
the mathematicians who were sympathetic to
my kind”.6
Im Februar 1946 kündigte Mandelbrojt Todd
an, dass sein Bericht über die Reise nach
Deutschland nun fast fertig sei und Todd eine
Kopie erhalten werde. Da es sich um einen Bericht für das CNRS handelte, habe er „überhaupt nicht über die ‚romantische’ Seite der
Geschichte” gesprochen, denn das „CNRS interessiere sich weder für die politischen Auffassungen deutscher Mathematiker noch für
ihre materielle (d.h. finanzielle) Situation”.7
Wenn auch keine Kopie von Mandelbrojts Bericht bekannt ist, so lässt sich doch annehmen,
dass er sich positiv über das MFO und seinen
Nutzen für die französische Militärregierung
geäußert hat. Im Brief an Todd erwähnt er,
Süss habe die finanzielle Situation des MFO als
schlecht beschrieben („that the financial situation of the Institute was bad”). Allerdings sei
es ihm gelungen, ein „rendez-vous” zwischen
Süss und Oberst Louis Sauzin zu vermitteln,
der in Baden-Baden für die Hochschulpolitik in
der französischen Besatzungszone zuständig
war. Sauzin hatte Mandelbrojt vorab zugesagt,
dass er dem MFO die Weiterarbeit ermöglichen
werde („to give the Institute the possibility to
work”). Erläuternd sei hier gesagt, dass das
6 Mandelbrojt an Todd, 18. November 1945 (Todd papers,
folder 9.18, Mandelbrojt).
7 Mandelbrojt an Todd, 24. Februar 1946 (Todd papers, folder
9.18, Mandelbrojt): „I did not speak at all of the ‘romantic’
side of the story. [… CNRS] is not interested in the political
opinions of German mathematicians, nor in their material (I
mean financial) situation”.
MFO als eine von Berlin aus finanzierte Gründung des Herbstes 1944 nach Kriegsende weder eine Rechtsform noch eine zentrale Finanzierungsquelle hatte, also im Prinzip vor dem
Aus stand (Remmert 2019).
Tatsächlich erwies sich Mandelbrojts Intervention als erfolgreich (Remmert 2020). Wilhelm Süss, als Gründer und Leiter des MFO,
war Mandelbrojt außerordentlich dankbar für
seine Vermittlung und betonte das in den beiden nächsten Jahren immer wieder in Briefen
an Kollegen. So schrieb er zum Beispiel wenige Tage nach Mandelbrojts zweitem Besuch
in Oberwolfach an den Heidelberger Chemiker
Karl Freudenberg: „Es hat uns jetzt ein in der
mathematischen Kriegsforschung leitender
französischer Fachkollege in den letzten zwei
Wochen manche Erleichterung erwirkt und das
Reichsinstitut [MFO] […] scheint gesichert,
nachdem nun auch finanzielle Zuschüsse zugesagt sind.”8 An Andreas Speiser in Basel
schrieb er im Januar 1946, „[Mandelbrojts]
und einiger englischer Kollegen Besuch verdanken wir sehr viel, insbesondere auch die
ungestörte Weiterarbeit des Instituts in Oberwolfach”.9 Anfang Dezember richtete Süss den
ersten einer Reihe von Briefen an Mandelbrojt,
die allerdings alle ohne Antwort blieben, um
für „die grosse Hilfe zu danken, welche Sie
unserer Arbeit und uns persönlich, nicht zuletzt mir selbst, in so freundlicher, kollegialer
und menschlicher Art gewährt haben”. Er habe
sich mittlerweile mit Sauzin getroffen und „alle
8
9
Süss an Freudenberg, 3. November 1945 (UAF, C 89/5).
Süss an Speiser, 16. Januar 1946 (UAF, C89/8).
71
denkbare Unterstützung und das grösste Verständnis für unsere Ziele gefunden”.10
Zwar ist nicht überliefert, was Mandelbrojt
und Pérès, der das MFO später, im Mai 1946,
selbst besuchte, vorgeschlagen haben, aber
Süss war davon sehr angetan. Am 1. Ap-
ril 1946 schrieb er seinem alten Freund und
engsten fachpolitischen wie mathematischen
Berater Hellmuth Kneser (1898-1973), dass
er dringend mit ihm persönlich und vertraulich („Vorerst bitte absolut schweigen”) über
die verschiedenen Vorschläge der French FIAT
sprechen müsse. Süss erwähnte nur einen
konkreten Plan, nämlich die Gründung einer
neuen mathematischen Zeitschrift – ab 1948
als Archiv der Mathematik umgesetzt (Remmert/Schneider 2010, 290-293). Diese Idee,
so Süss, und „2 weitere Pläne gehen vom
Chef de la commission scientifique in Offenburg aus nach Rücksprache mit Mandelbrojt
und Pérès (Paris) sowie dem analogen Chef
der amerikan. u. britisch. Zone.”11 Im Lichte
späterer Entwicklungen scheint es, als bezöge
Süss sich hier auf zwei zentrale Projekte, die
dem MFO in den nächsten zwei bis drei Jahren
das Überleben sicherten, nämlich neben (1)
der Gründung des Archivs der Mathematik als
einer vom MFO herausgegeben, internationalen Zeitschrift (2) die Herausgabe des FIATBerichts Reine Mathematik (2 Bände, Wiesbaden 1948) durch das MFO unter Federführung
von Süss im Auftrag und mit Unterstützung
der French FIAT. Die FIAT-Berichte zielten in
Fortsetzung der FIAT-Mission zur Sicherung
während des Krieges erzielter deutscher Forschungsergebnisse darauf ab, dass die Experten der jeweiligen Disziplinen und Subdisziplinen Überblicke über die Forschung der Jahre
1939-1945 verfassten, um sie auf diese Weise den Alliierten gebündelt zugänglich zu machen. Für das MFO war insbesondere die Mitarbeit am FIAT-Bericht ein wichtiger Schritt,
10 Süss an Mandelbrojt, 6. Dezember 1945 (Süss 1967, 5860; UAF, E6/11).
11 Süss an Kneser, 1. April 1946 (SUB Göttingen, Nachlass
Hellmuth Kneser, A 82: Süss).
Während Mandelbrojt allem Anscheine nach
hellsichtig seine persönliche Distanz zu Süss
hielt, setzte er sich doch nach seiner Rückkehr nach Paris im November 1945 weiter für
das MFO ein. Insbesondere hat er gemeinsam
mit Joseph Pérès (1890-1962), der in dieser
Zeit eine führende Rolle im CNRS zu spielen
begann, der Section française d’information
scientifique et technique in Offenburg Vorschläge zur Verwendung des MFO für französische Zwecke unterbreitet. Die Section française d’information scientifique et technique in
Offenburg war im Juli 1946 nach dem Vorbild
der amerikanischen und britischen Field Intelligence Agency, Technical (FIAT) gegründet
worden und wurde bald als French FIAT bekannt. Die ursprüngliche Aufgabe der amerikanischen und britischen FIAT-Mission lag in der
systematischen Erkundung und Verwendung
deutscher Forschungsergebnisse aus Wissenschaft und Technik (Gimbel 1990; O’Reagan
2019). Demgegenüber wählte die French FIAT
den offeneren Ansatz, die Forschung innerhalb
der eigenen Besatzungszone zu kontrollieren
(O’Reagan 2019, 79ff). In der zweiten Hälfte
des Jahres 1945 wurden die Tätigkeiten der
French FIAT und des CNRS unter der Leitung
des Geophysikers Louis Cagniard (1900-1971)
in Offenburg gebündelt (Defrance 2001).
72
um gegenüber der französischen Militärregierung die Relevanz des Instituts unter Beweis
zu stellen und damit sein Weiterbestehen zunächst zu gewährleisten (Remmert 2020).
In seinem letzten Brief an Mandelbrojt vom
November 1947 hob Süss die Bedeutung seiner Unterstützung noch einmal deutlich hervor:
Durch Ihre große Hilfsbereitschaft aus dem
Sommer des Jahres 1945 hat unser kleines
Forschungsinstitut in Oberwolfach seine Arbeit gut fortsetzen können. Vielleicht hörten
Sie davon, daß das Institut im wesentlichen
die Organisation und Ausarbeitung der FIATReview für Mathematik durchgeführt hat,
deren Herausgabe ich im Auftrag der Section
d‘Information Scientifique (C.N.R.S.) übernommen habe. Der Druck dieser Review wird
gegenwärtig durchgeführt und ich bin sicher,
daß Sie in einigen Monaten für die Wissenschaftlichen Bibliotheken in Frankreich Exemplare durch die Militärregierung erhalten
werden. Außer dieser Arbeit beschäftigt sich
das Institut gegenwärtig mit der Veröffentlichung einer neuen Forschungszeitschrift,
deren Plan Sie aus dem beiliegenden Rundschreiben ersehen können, das ich vielen
deutschen Kollegen und auch einigen uns
bekannten oder befreundeten Ausländern
zugesandt habe. Es wäre für uns eine ganz
besondere Freude, wenn Sie sich entschließen könnten, uns auch einen kurzen Originalbeitrag, ein Selbstreferat oder einen
Übersichtsbericht über die Fortschritte eines
Ihrer Spezialgebiete in den letzten Jahren
zur Verfügung zu stellen. Noch größer wäre
unsere Freude, wenn wir Sie wieder als Gast
im Institut begrüssen dürften, zu dessen Besuch Sie stets herzlich in unser aller Namen
eingeladen sind.12
Mandelbrojt hat jedoch, wie erwähnt, nicht auf
die Briefe von Süss reagiert und Oberwolfach
nie wieder besucht, anders als Todd, mit dem
Süss in regem Kontakt stand und der verschiedentlich am MFO zu Gast war. Über Mandelbrojts Gründe lässt sich nur spekulieren. Erich
Kamke erwähnte im Oktober 1946 im Zusammenhang mit der von ihm in Tübingen im
September 1946 organisierten Tagung, „Mandelbrojt aus Paris, der anfangs auch kommen
wollte, [sei] leider nicht gekommen, da er vor
kurzem erfahren hatte, dass aus seinem Familienkreise 35 Personen von den Nazis umgebracht worden sind”.13
Mandelbrojts Schweigen mag dazu beigetragen haben, dass für ihn kein Platz in der Erinnerung des MFO blieb, während John Todd
zum alleinigen Retter wurde, obgleich Süss
selbst ihm in seinen Briefen der Jahre 1946/47
eine solche Rolle nie zudachte, wohl aber Mandelbrojt. Es ist aber auch zu bedenken, dass,
als in den späten 1940er und in den 1950er
Jahren in Oberwolfach unter Führung von Wilhelm Süss die mündliche Erinnerungskultur
des MFO aktiv geprägt wurde, die Erinnerung
an den jüdischen Kollegen Szolem Mandelbrojt
als Retter von Oberwolfach nicht erwünscht
war, zumal er durch seine abweisende Haltung
gewissermaßen als Mahnmal für die eigene
Schuld stand.
12 Süss an Mandelbrojt, 26. November 1947 (UAF, C89/332).
13 Kamke an Löbell, 4. Oktober 1946 (Universitätsarchiv Tübingen, Nachlass Kamke, 426/5, Korrespondenz 1946/1947).
73
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74
Die Bibliothek des MFO im Frühjahr 2007 (Foto: MFO)
75
Die Bibliothekserweiterung im Sommer 2007 (Foto: MFO)
Entwicklung des MFO
2004-2019
2004
Seit der letzten Jubiläumsveranstaltung des
Instituts im Jahr 2004 sind 15 Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich das MFO in vielerlei
Hinsicht weiterentwickelt. Es gab organisatorische Umstrukturierungen, bauliche Erhaltungs- und Erweiterungsmaßnahmen, neue
Programme und Fördermöglichkeiten wurden
eingerichtet und neue Publikationen eingeführt. Manches war spektakulär und öffentlichkeitswirksam wie etwa der Erweiterungsbau
der Bibliothek im Jahr 2007. Anderes erfuhr
von außen eher weniger Beachtung, zum Beispiel die behutsame Umstrukturierung der Bibliothek im Jahr 2016. Alle Maßnahmen waren
jedoch gleichermaßen notwendig und wichtig,
um das Institut für die Herausforderungen der
Zeit zu rüsten und gleichzeitig den Geist von
Oberwolfach in einer sich verändernden Welt
erhalten zu können. Anlässlich des Jubiläums
möchten wir deshalb einen chronologischen
Überblick über die wichtigsten erfolgten Entwicklungen und Ereignisse geben.
• Das MFO feiert sein 60-jähriges Jubiläum.
• Die Publikation der Buchreihe „Oberwolfach
Reports” beginnt. In Zusammenarbeit mit
dem EMS Publishing House erscheinen vierteljährliche Sammelbände aller Tagungsberichte mit den erweiterten Abstracts der gehaltenen Vorträge.
• Die Sanierung der Terrassen des Gästehauses mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg beginnt.
• Die DFG unterstützt die Bibliothek des MFO
bei der Anschaffung von Spezialliteratur,
insbesondere aus Osteuropa und Asien.
• In der Halle im Vortragsgebäude wird ein
Regal für die Auslage von Preprints und anderer Literatur im Zusammenhang mit den
laufenden Veranstaltungen eingerichtet.
• Mit Unterstützung des Springer Verlags Heidelberg wird die umfangreiche Fotosammlung des MFO digitalisiert. Die Sammlung
enthält eine große Anzahl an Porträts von
Mathematikern und Mathematikerinnen sowie Gruppenbilder von Tagungen des Instituts.
Das Institut im Jahr 2004 (Foto: MFO)
Oberwolfach Reports (Foto: MFO)
77
Gerhard Huisken bei der ersten Oberwolfach
Vorlesung 2005 (Foto: MFO)
Der Bibliotheksanbau kurz nach der Fertigstellung im Jahr 2007 (Foto: MFO)
2005
2006
• Das MFO wird Mitglied in der Leibniz-Gemeinschaft. Im Zusammenhang mit der
Mitgliedschaft sind Änderungen der rechtlichen Struktur erforderlich, insbesondere
die Überführung des MFO in eine gemeinnützige GmbH und die Einrichtung des
Wissenschaftlichen Beirats. Der bisherige
Beirat der GMF heißt fortan Wissenschaftliche Kommission und bleibt das wichtigste
Gremium zur Gestaltung des wissenschaftlichen Jahresprogramms.
• Gerhard Huisken begründet die Tradition
der „Oberwolfach Vorlesung” bei der Jahresversammlung der GMF.
• Die „Oberwolfach Photodatenbank” wird
in Betrieb genommen. Damit wird die im
Vorjahr digitalisierte Fotosammlung des
Instituts nun online der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
• Die gemeinsame Finanzierung durch Bund
und Länder im Rahmen der Leibniz-Gemeinschaft beginnt.
• Die VolkswagenStiftung und die Klaus Tschira Stiftung genehmigen einen Projektantrag
zur Finanzierung des Erweiterungsbaus der
Bibliothek. Die Bauarbeiten beginnen noch
im selben Jahr.
• Großzügige Spenden von Privatpersonen
sowie der Oberwolfach Stiftung ermöglichen den Zukauf eines großen Geländes um
das Institut herum. Damit wird nicht nur
der Erweiterungsbau der Bibliothek möglich, sondern auch die abgeschiedene Lage
der Institutsgebäude langfristig gesichert.
78
2007
• Das Nachwuchsförderprogramm „Oberwolfach Leibniz Fellows” wird eingeführt. Für
die ersten drei Jahre (2007-2009) wird es
aus Mitteln des Leibniz-Wettbewerbsverfahrens finanziert. Das Programm ermöglicht
Oberwolfach Preprints (Foto: MFO)
Oberwolfach Leibniz Fellows (Foto: MFO)
es Forscherinnen und Forschern in einer
entscheidenden Phase ihrer Karriere für einen längeren Zeitraum am MFO an einem
vorher festgelegten Projekt zu arbeiten.
• Die Publikationsreihe „Oberwolfach Preprints” startet. Darin werden vor allem Ergebnisse von längerfristigen Forschungsaufenthalten am MFO veröffentlicht. Dazu
gehören die Ergebnisse aus den Programmen „Research in Pairs” und „Oberwolfach
Leibniz Fellows”.
• Zusätzlich zu dem bereits seit 1991 vergebenen „Oberwolfach Preis” wird in diesem
Jahr erstmals der „John Todd Award” verliehen. Der Preis fördert exzellente Nachwuchsforscherinnen und -forscher im Bereich der Numerischen Analysis und wird
aus einer großzügigen Spende von Rosemary Lonergan an die Oberwolfach Stiftung
finanziert.
• Der Erweiterungsbau der Bibliothek, finanziert mit Mitteln der VolkswagenStiftung
und der Klaus Tschira Stiftung, wird fertiggestellt und feierlich eingeweiht.
• Die Generalsanierung der mittlerweile über
40 Jahre alten Bungalows und des Gästehauses beginnt mit der Sanierung der ersten Bungalows.
2008
• Anlässlich des vom BMBF ausgerufenen
Wissenschaftsjahres der Mathematik zeigt
das MFO seine eigens entwickelte Wanderausstellung „IMAGINARY – Mit den Augen
der Mathematik” in 13 deutschen Städten
mit großem Erfolg.
• Die Carl Friedrich von Siemens Stiftung bewilligt die finanzielle Förderung der Oberwolfach Seminare und der Bibliothek. Die
Förderung ist zunächst bis 2013 vorgesehen, wird aber in der Folge verlängert.
• Im Projekt „Oberwolfach Digital Archive”
wird mit der Digitalisierung der Tagungsberichte und Vortragsbücher seit der Gründung des MFO begonnen. Die Dokumente
werden über eine Online-Plattform öffentlich zugänglich gemacht.
79
IMAGINARY-Ausstellung in Hannover (Foto:
MFO)
Das „MiMa – Museum für Mineralien und
Mathematik” in Oberwolfach (Foto: MFO)
• Im Baubereich wird die Sanierung der Bungalows abgeschlossen und zusätzlich ein
Anbau an die Garage durchgeführt.
dem Zukunftsinvestitionsprogramm des
Bundes und dem Innovationsprogramm Bildung und Forschung des BMBF ermöglichen
die technische und energetische Sanierung
des Gästehauses einschließlich der Brandschutzsanierung.
• Mit weiteren Fördermitteln wird das Tagungs- und Bibliotheksgebäude energetisch
saniert und mit einer Solarthermieanlage
ausgestattet.
• Das MFO wird durch den Senat der LeibnizGemeinschaft turnusgemäß evaluiert und
hervorragend bewertet.
• Das MFO wird für IMAGINARY und das in
Planung befindliche Museum für Mineralien
und Mathematik vom Bundespräsidenten
mit dem Preis „Ort im Land der Ideen” ausgezeichnet.
2009
• Das Nachwuchsförderprogramm „Oberwolfach Leibniz Graduate Students” (OWLG)
wird eingeführt. In den ersten drei Jahren
(2009-2011) wird es aus Mitteln des Leibniz-Wettbewerbsverfahrens finanziert. Das
Programm ermöglicht fünf zusätzliche Plätze in den Oberwolfach Workshops, die nur
durch Nachwuchswissenschaftlerinnen und
-wissenschaftler besetzt werden dürfen. Die
Teilnehmenden erhalten eine Unterstützung
bei den Reisekosten.
• Die GMF feiert auf der Mitgliederversammlung im Herbst ihr 50-jähriges Jubiläum.
• Die Generalsanierung der Zimmer des Gästehauses beginnt. Zusätzliche Mittel aus
80
2010
• Das „MiMa – Museum für Mineralien und
Mathematik” wird in Oberwolfach eröffnet.
Der mathematische Teil der Ausstellung
zeigt teilweise adaptierte Exponate der erfolgreichen Wanderausstellung IMAGINARY
und wird vom MFO betreut.
• Die Generalsanierung des Gästehauses
wird abgeschlossen. Zusätzlich werden die
Abwasserleitungen saniert und die Betonsanierung des Tagungs- und Bibliotheksgebäudes durchgeführt.
2011
• Die DFG bewilligt die Förderung der Einrichtung eines elektronischen Bibliotheksportals für die umfassende Literaturrecherche.
Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt.
• Die Klaus Tschira Stiftung fördert die Neuformierung der IMAGINARY-Ausstellung als
Open Source Plattform für interaktive Mathematik-Kommunikation.
• Mit Unterstützung der GMF wird ein Personenaufzug im Tagungs- und Bibliotheksgebäude eingebaut. Damit sind alle wichtigen
Räume am MFO barrierefrei zu erreichen.
• Im Außenbereich des MFO findet die Sanierung der Zufahrtsstraße, der Brücke und
der Kanalisation statt.
• Der Ausbau und die Sanierung des Parkplatzes beginnen.
• Die Sanierung der Appartements für die
Gäste im Programm „Research in Pairs” beginnt
2013
• Prof. Dr. Gerhard Huisken wird neuer Direktor des MFO als Nachfolger von Prof. Dr.
Gert-Martin Greuel.
• Das Programm „Simons Visiting Professors”
(SVP) startet. Durch eine großzügige Förderung der Simons Foundation können jährlich bis zu 40 Forscherinnen und Forscher
aus nicht-europäischen Ländern, die eine
Teilnahme an einem Oberwolfacher Workshop mit einem Gastaufenthalt an einer europäischen Universität kombinieren möchten, finanziell unterstützt werden.
• Das von der Klaus Tschira Stiftung geförderte Projekt „Snapshots of modern mathemathics from Oberwolfach” beginnt. In
kurzen Essays stellen Teilnehmerinnen und
2012
• Prof. Dr. Dietmar Kröner wird neuer stellvertretender Direktor des MFO als Nachfolger von Prof. Dr. Horst Knörrer.
• Das Projekt „Oberwolfach Digital Archive”
wird erfolgreich abgeschlossen.
Gert-Martin Greuel und Gerhard Huisken bei
der feierlichen Amtsübergabe (Foto: MFO)
81
Teilnehmer der wissenschaftlichen Programme des MFO einen Aspekt ihrer Forschung
allgemeinverständlich dar.
• Die Sanitärräume im Gästehaus und im Bibliotheksgebäude werden saniert.
2015
2014
• Ein Jahr nach Beginn des Projekts werden
die ersten „Snapshots of modern mathematics from Oberwolfach” veröffentlicht.
• Das MFO bewirbt sich erfolgreich für das
Prädikat „Total E-Quality”, mit dem das Engagement für Chancengleichheit ausgezeichnet wird.
• Eine feste Wand zwischen zwei kleineren
Räumen im Bibliotheksgebäude wird durch
eine Faltwand ersetzt. Damit kann bei Bedarf ein dritter Vortragssaal geschaffen
werden, was insbesondere bei den MiniWorkshops eine große Rolle spielt.
• Das MFO nimmt seine eigene Holzhackschnitzel-Heizungsanlage in Betrieb. Das
Heizungsgebäude erhält zusammen mit allen anderen Nebengebäuden eine einheitliche Holzverkleidung.
Eine Faltwand ermöglicht die Schaffung eines
zusätzlichen Vortragsraums (Foto: MFO).
82
• Die Leibniz-Gemeinschaft bewilligt die Förderung der Ausgründung von IMAGINARY in
eine selbständige gGmbH.
• Bei einer Online-Umfrage des Instituts
nehmen mehr als 3200 Forschungsgäste
aus den vergangenen sieben Jahren teil.
Die Ergebnisse zeigen einen hohen wahrgenommenen wissenschaftlichen Nutzen
eines Aufenthalts am MFO und einen überwiegend positiven Einfluss auf die weitere
Forschungsarbeit und Karriere. Leistungen
und Ausstattung des MFO werden ebenfalls
hervorragend bewertet. Die Antworten liefern außerdem wertvolle Hinweise für die
weitere Verbesserung der Leistungen.
Die Nebengebäude mit einheitlicher Holzverkleidung (Foto: MFO)
2016
• Das mittlerweile weltweit erfolgreiche Projekt IMAGINARY wird als eigenständige gemeinnützige GmbH ausgegründet. Das MFO
bleibt Teilhaber und Kooperationspartner
des Unternehmens.
• Bei der regelmäßigen Evaluierung durch die
Leibniz-Gemeinschaft schneidet das MFO
erneut mit hervorragendem Ergebnis ab.
• Mit Fördermitteln der VolkswagenStiftung,
der Oberwolfach Stiftung und des Fördervereins wird die Informations- und Kommunikationsinfrastruktur des Instituts modernisiert. Unter anderem werden neue,
zusätzliche Diskussions- und Arbeitsbereiche eingerichtet, sowohl im Innen- als auch
im Außenbereich. Außerdem wird eine Videokonferenzanlage für Gäste installiert.
Der Bibliotheksbestand wird umstrukturiert
und schrittweise auf den elektronischen Bezug von Zeitschriften umgestellt. Für die
Bestände der gedruckten Zeitschriften wird
eine Kompaktaufstellung eingerichtet.
Eine von mehreren neuen Außentafeln (Foto:
MFO)
Videokonferenzanlage für kleine Gruppen
(Foto: MFO)
Ein zusätzlicher Arbeitsraum wird durch eine
Trennwand geschaffen (Foto: MFO).
In der Kompaktaufstellung sind Zeitschriften
platzsparend untergebracht (Foto: MFO).
83
2017
• Das Bibliotheksgebäude erhält eine neue
Lüftungsanlage, wodurch sich vor allem die
Kühlung der Vortragsräume in den Sommermonaten verbessert.
• Ein neuer Publikationsserver wird eingerichtet, der den Zugang zu den institutseigenen
Veröffentlichungen erleichtert.
• Gemeinsam mit der TIB Hannover startet
das MFO ein Projekt zur Langzeitarchivierung von mathematischen Zeitschriften.
2018
• Die Unterstützung der IMAGINARY gGmbH
durch die Leibniz-Gemeinschaft läuft aus.
IMAGINARY wurde 2016 ausgegründet und
steht nun erfolgreich auf eigenen Füßen.
• Das Institut beherbergt erstmals die Leibniz
MMS Summerschool für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus den
Instituten der Leibniz- Gemeinschaft, parallel zu einem regulären Workshop.
Die neue Lüftungsanlage auf dem Dach der
Bibliothek (Foto: MFO)
84
• Gemeinsam mit dem Banach Center des Instituts für Mathematik der Polnischen Akademie der Wissenschaften (IMPAN) plant
das MFO zusätzliche Seminare zu den sechs
jährlichen Oberwolfach Seminaren.
2019
• Die Oberwolfach Stiftung bewilligt die finanziellen Mittel für einen „Oberwolfach Foundation Grant”, mit dem in Ergänzung zu den
„Oberwolfach Leibniz Graduate Students”
und den „US Oberwolfach Junior Fellows”
weitere
Nachwuchswissenschaftler
und
-wissenschaftlerinnen bei den Reisekosten
unterstützt werden können.
• Das erste „Banach Center – Oberwolfach
Graduate Seminar” findet in Będlewo statt.
• Die Appartements für Gäste des Programms
„Research in Pairs” werden erneuert.
• Das MFO feiert sein 75-jähriges Jubiläum.
Neu renoviertes Arbeitszimmer für Langzeitgäste (Foto: MFO)
Impressum
Herausgegeben von
Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach gGmbH
Direktor
Gerhard Huisken
Gesellschafter
Gesellschaft für Mathematische Forschung e.V.
Adresse
Schwarzwaldstraße 9-11
77709 Oberwolfach
Kontakt
http://www.mfo.de
admin@mfo.de
Tel.: +49 (0)7834 979 0
Fax: +49 (0)7834 979 38
Redaktion und Layout
Tatjana Ruf (MFO)
© Mathematisches Forschungsinstitut Oberwolfach gGmbH 2022