Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
DIE RÖMER AUF DEN PÄSSEN DER
OSTALPEN
“Archaeology is the most fun you can have with your pants on.”
– Kent Flannery –
1
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Copyright (c) 2004 Rupert Gietl.
Permission is granted to copy, distribute and/or modify this document under the
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published by the Free Software Foundation; with the Invariant Sections being: “1.
Einführung in das Thema, 2. Pässe und Passübergägnge der Ostalpen, 3.
Abschluss, 4. Anhang“ Front-Cover Texts being “Rupert Gietl Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen”, and no Back-Cover Texts.
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License".
2
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Dank
Die Idee zu dieser Arbeit entstand im Frühling 2001 während meiner Zeit in Mainz
und Wiesbaden. Dass ich dort sein durfte, habe ich Hans Franzen zu verdanken,
Pierre Even war mir dort ein stets ein hilfreicher Ansprechpartner, die Vermittlung
kam durch Franz Glaser zu Stande.
Robert Fleischer und Jürgen Oldenstein bestärkten mich in meiner Idee, Andreas
Lippert gab mir wertvolle Hinweise und war mir in sehr zuvorkommender Weise
behilflich.
Klaus Löcker berichtete mir von seinen Grabungserfahrungen am Hochtor, mein
treuer Bruder Georg begleitete mich mehr als einmal durch Wald und Fels, bei
Regen und Schnee, auf der Suche nach den Spuren römischer Vergangenheit.
Jene schönen Stunden werden mir immer in Erinnerung bleiben.
Mein lieber Freund Roman Igl sparte nicht mit heilsamer Kritik und bot seine Hilfe bei
vielfacher Gelegenheit an, Hans Moser, mein Bibliothekar, macht mehr als einmal
unmögliches möglich und hat damit einen wertvollen Beitrag zum Gelingen dieser
Arbeit geleistet.
Für Übersetzung oder Korrektur der Kurzzusammenfassungen am Ende der Arbeit,
stehe ich in der Schuld folgender Freunde:
Margarita de Guzman (Englisch), Denis Francisci (Italienisch), Marie-Anne Falco
(Französisch), Günther Obwegs (Rätoromansich), Saso Poglajen (Slowenisch) und
Norbert Seeber (Latein).
Ohne die Betreuung durch Hannsjörg Ubl, seinen unerschöpflichen Wissensschatz
und die immer zuvorkommende Behandlung, wäre wohl kein einziges Wort
niedergeschrieben worden. Unsere gemeinsame Wanderung am Plöckenpass und
die unzähligen Abende in Dietenheim waren ein wunderbares Erlebnis. Ich bin froh,
während dieser Jahre nicht bloß einen Betreuer, sondern einen Lehrer gehabt zu
haben, wie es ihn heute nur noch selten gibt.
Wien, Mai 2004
Rupert Gietl
3
Die Römer auf den
4
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den Pässen der Ostalpen:
Dank
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in das Thema:
1.1 Die antiken Quellen: Alpen und Bergstraßen
11
1.1.1 Älteste Quellen zu den Alpen
1.1.2 Der Name „Alpen“
1.1.3 Ausdehnung und Gliederung
1.1.4 Die Ostalpen in den antiken Quellen
1.1.4.1 Geographische Quellen
1.1.4.2 Historisch-politische Quellen
1.1.4.3 Wirtschaftsgeschichtliche Quellen
1.1.5 Pässe und Passstraßen
11
13
17
21
21
22
25
26
1.2 Das Erlebnis Berg für den antiken Menschen: Die Alpen und
deren Überquerung im Bewusstsein der Römer
29
1.2.1 Der kulturelle Rahmen
1.2.2 Der Eintritt der Alpen in das römische Bewusstsein
1.2.3 Die Rolle der Religion im Gebirge
29
31
34
1.3 Die Römer in den Ostalpen: Wirtschafts- und
verkehrsgeschichtlicher Abriss
37
1.3.1 Das 2. und 1. Jahrhundert v. Chr.
1.3.2 Die Frühe und Mittlere Kaiserzeit
1.3.3 Spätantike und Frühmittelalter
37
39
43
2 Die Pässe und Passübergänge der Ostalpen:
2.1 Methodische Probleme, Eingrenzung des
Untersuchungsgebietes, Auswahl der Plätze
47
2.1.1 Methodische Ansätze der Altstraßenforschung
2.1.2 Eingrenzung des untersuchten Gebietes
und Auswahl der Plätze
47
2.2 Pässe und Passzugsysteme
53
2.2.1 Passzugsystem Verona-Augusta Vindelicum 1
53
50
5
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.1.1 Der Reschenpass
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
55
2.2.1.2 Die Pillerhöhe
Topographie
Forschungsgeschichte
Die archäologischen Hinterlassenschaften
65
2.2.1.3 Der Fernpass
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
71
2.2.2 Der Jaufenpass
81
2.2.3 Passzugsystem Verona-Augusta Vindelicum 2
85
2.2.3.1 Der Brennerpass
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
87
2.2.3.2 Seefelder Sattel
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
101
2.2.4 Kleinere Übergänge auf dem Territorium von Aguntum
109
2.2.5 Passzugsystem Aquileia-Juvavum 1
117
2.2.5.1 Der Plöckenpass
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
119
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
Krimmler Tauern / Birnlücke
Falzaregopass
Kreuzbergpass
Der Kartitscher Sattel
Felber Tauern
6
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Die Veneterstraße
Die Straßentrassen der Römerzeit
Die Respectus-Straße
Die Hermia-Straße
Die Valentiniansstraße
Die Straßen der Nordseite
2.2.5.2 Der Gailbergsattel
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
149
2.2.5.3 Der Iselsberg
153
2.2.5.4 Das Hochtor am Großglockner
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
155
2.2.5.5 Der Pass Lueg
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
163
2.2.6 Kleinere Übergänge über die Karnischenund Gailtaler Alpen
169
2.2.7 Mallnitzer Tauern / Korntauern
175
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
Das Kornhofertörl
Das Zollnertörl
Das Findenigtörl
Der Nassfeldpass
Der Jaukensattel
Der Kreuzberg
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraßen und deren archäologische Hinterlassenschaften
Hinweise auf prähistorische und antike Passbegehungen
Trassenbeschreibung
Charakteristik der Straßen
Keltische und römische Passopfer am Mallnitzer Tauern
Datierung
7
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.8 Passzugsystem Aquileia-Juvavum 2
189
2.2.8.1 Potebba Paß / Sattel von Camporosso
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
191
2.2.8.2 Radstätter Tauern & Laussnitzhöhe
201
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße über den Radstädter Tauern und deren archäologische
Hinterlassenschaften
Die Passstraße über die Laussnitzhöhe und deren archäologische
Hinterlassenschaften
2.2.8.3 Der Pass Lueg
215
2.2.9 Koppensattel / Pötschenpass
217
2.2.10 Der Sölkpass
223
2.2.11 Der Pyrhnpass
229
2.2.12 Kleinere Übergänge über die Karawanken
235
2.2.13 Birnbaumer Sattel
243
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraßen und deren archäologische Hinterlassenschaften
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
Der Wurzenpass
Der Loiblpass
Der Seebergsattel
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
8
Die Römer auf den
2.3
Pässen der Ostalpen
Ein Vergleichsbeispiel:
Die römische Straße über den Julier
259
Topographie
Forschungsgeschichte
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Altstraßenreste im Einzugsbereich des Julierpasses
Die wirtschaftliche Bedeutung des Julierpasses in römischer Zeit
3 Abschluß:
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
3.6
3.7
Zusammenfassung / Beantwortete und offene Fragen 275
Summary
287
Résumé
289
Sommario
291
Ressümé
293
Povzetek
295
Comprehensio
297
4 Anhang
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
Abgekürzte Literatur
Bibliographie
Abbildungsverzeichnis
Lebenslauf des Autors
GNU Free Documentation License
299
303
315
318
319
9
Die Römer auf den
10
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
1 Einführung in das Thema:
1.1 Die antiken Quellen: Alpen und Bergstraßen
1.1.1 Älteste Quellen zu den Alpen
Vom größten Gebirgszug Europas, den Alpen, hatten die antiken Völker des
Mittelmeerraums, besonders die Griechen und Römer, ursprünglich nur vage
Vorstellungen. Seit dem 7. Jh. v. Chr. tauchte bei den Griechen immer wieder das
fabelhafte Gebirge der `Ripa‹a Ôrh auf, hinter dem man die Heimat der Hyperboreer
vermutete. Ob die Rhipäen mit den Alpen gleichzusetzen sind, bleibt für diese frühe
Zeit nur eine Vermutung1.
Im Westen kamen die Griechen erstmals mit der Gründung der Stadt Massalia um
600 v. Chr. geographisch ins nähere Blickfeld der Alpen.
Die ältesten griechischen Geographen und Historiker, die sog. Logographen, kennen
die Alpen noch nicht. Weder Hekataios von Milet (ca. 560/550 - 490 v. Chr.), noch
dessen spätere Zeitgenossen Charon von Lampsakos (5. Jh. v. Chr.), Hellanikos von
Mytilene (ca. 480-400 v. Chr.) oder andere, von deren Schriften sich noch etwas
erhalten hat.
Herodot nennt den Namen der Alpen als erster, jedoch als Bezeichnung eines
Flusses und nicht eines Gebirges. „Alpis“ und "Karpis", bezeichnet er als
Nebenflüsse der Donau, die nördlich der Ombriker (=Umbrer) fließen. Demnach
kannte er die Namen der Alpen und der Karpaten, verband mit ihnen aber nicht die
Gebirgszüge zu beiden Seiten der Donau2.
Diese Erwähnungen zeigen einen zweiten Weg, auf welchem frühe Nachrichten von
den Alpen zu den griechischen Gelehrten gelangt sind, nämlich von Osten, über die
Donau und das Schwarze Meer.
Die Interpretation der Namen „Karpis“ und „Alpis“ als Flussnamen muss allerdings
nicht unbedingt falsch sein: Der „Karpis“ wurde vereinzelt in der Forschung mit dem
Fluss Save in Verbindung gebracht und zwar als Namen für den „Fluss aus den
Karnischen Alpen“. Der „Alpis“ wurde ergänzend dazu als „der Alpenfluss“ der Drau
gleichgesetzt. Diese fließt nördlich der Ombriker, die nachweislich am südlichen
Ostalpenrand entlang nach Italien eingewandert sind3.
Im Laufe des 5. und besonders im 4. Jh. v. Chr. blühte der Handel Massalias mit den
Kelten im Norden auf und zusammen mit der keltischen Einwanderung nach Italien
kam auch das Wissen von den Westalpen und deren Pässen in die griechische
1
Älteste Erwähnung: Alkman, fr. 90. Poseidonios, FGrH 169 F48 identifiziert sie mit den Alpen.
Herodot, IV, 49: ™k d tÁj katÚperqe cèrhj Ombrikîn K£rpij potamÕj kaˆ ¥lloj ”Alpij prÕj boršhn
¥nemon kaˆ utoi ·šontej ™kdidoàsi ™j aÙtÒn. In diesem Punkt irrt sich Herodot zwar, dafür begeht
er nicht den Fehler, den unter anderem Plinius gemacht hat, einen Mündungsarm der Donau durch
die Ostalpen in das adriatische Meer fließen zu lassen. Dieses Missverständnis kommt wahrscheinlich
daher, dass man das Volk der Istrer, mit dem Ister, dem antiken Namen der Donau, in Verbindung
brachte. Plinius, n.h. III, 24, 27.
3
B. Saria, Ostdeutsche Wissenschaft V, 1958, 90-91. P. Kretschmer, Glotta XXI, 1933, 112f.
2
11
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Welt1.
Aus der 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. stammen mehrere Fragmente des
Per…limšnwn des Timagetos, der sich mit dem Lauf des Istros (der Donau)
beschäftige. Nach ihm entspringt der Istros in den rhipäischen Bergen, fließt in den
Keltensee und teilt sich schließlich in zwei Arme, von denen einer (die Rhone) ins
Tyrrhenische Meer, der andere (die Donau) in den Pontos Euxenios mündet2. Da
unter dem Keltensee wahrscheinlich der Genfersee zu verstehen ist, kann man
annehmen, dass Timagetos auch schon etwas detailliertere Informationen über die
Alpen besaß, diese aber nicht überliefert sind3.
Ebenso verhält es sich mit den spärlichen Überresten der `Istor…ai des Ephoros, der
ein Zeitgenosse des Timagetos war. Pseudoskymnos gibt um 110 v. Chr. in seinem
geographischen Lehrgedicht Periegesis ad Nicomedem regem im Anschluss an
Ephoros einige Verse wider, die auf die Alpen bezogen sein könnten: Er spricht von
einer hohen Säule, die nahe der äußeren Kelten, der Veneter und der Ligurer ins
Meer vorragt und an der der Istros entspringt4.
Abb. 1 Die Weltkarte des Erathostenes
Aristoteles kennt neben einem Gebirgszug im Land der Kelten namens Pyrene (die
Pyrenäen) im Norden des Mittelmeeres die arkynischen Berge, auf denen große,
nach Norden fließende Flüsse entspringen5. Damit sind sicher die Alpen gemeint6.
Erst mit dem Übergang Hannibals über die Westalpen im Spätherbst 218 v. Chr.
1
R. Heuberger. Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 30, 1950, 347. Vergl. Polybios II, 17. Livius
V, 33-35.
2
Der Kleine Pauly 5 (1979) 833 s.v. Timagetos (F. Lasserre).
3
R. Heuberger. Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 30, 1950, 347-351.
4
Ephoros bei Pseudoskymnos 188-195: ToÚtwn d ke‹tai legomšnh tij ™sc£th / st»lh bÒreioj: œsti d\
Øyhl¾ p£nu / e„j kumatîdej pšlagoj ¢#ate…nous\ ¥kran. / O„koàsi tÁj st»lhj d toÝj ™ggÝj tÒpouj /
Keltîn. Heuberger (Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 30, 1950, 352) spricht sich dagegen aus
und verlegt die Nordsäule in die Bretagne. M. Cary und E. H. Warmington (Die Entdeckungen der
Antike, 1966, 239) sehen in diesen Versen hingegen eine Beschreibung der Westalpen.
5
Aristoteles, Meteor I, 13.
6
Eine ausführliche Beweisführung dazu: R. Heuberger, Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 30,
1950, 352-358.
12
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
gelangten neue Kenntnisse aus dem Inneren dieses Gebirge in den Mittelmeerraum,
vielleicht über die Bewohner Karthagos bis nach Alexandria, wo der Geograph
Eratosthenes (ca. 284-202 v. Chr.) in seiner Erdbeschreibung zwar das arkynische
Gebirge erwähnt (er nennt es Orkynia), ihm aber nur einen kleinen Platz in seiner
Weltkarte einräumt1. (Abb. 01) Da Eratosthenes gleichzeitig jedoch als erster die
Breite der nördlichen Balkanhalbinsel richtig bestimmt hat2 und u. a. den Stamm der
Taurisker nennt (Ter…skoi) 3, kann man annehmen, dass ihm das unmittelbar
nördlich angrenzende Gebirge bekannt war, wenn auch nicht in seiner wahren
Ausdehnung4.
Lykophron aus Alexandria lässt in seinem Gedicht Alexandra die Trojanerin
Kassandra einen Einbruch der Etrusker in Italien bis zu den hochragenden
salpischen Felsen prophezeien5. Mit salpischen Felsen sind wohl die Alpen gemeint.
Das Gedicht Alexandra kann in seiner erhaltenen Form nicht sicher dem Lykophron
aus Alexandria, der am Hof von Ptolemaios II. (285-246 v. Chr.) lebte, zugeschrieben
werden, da es durch inhaltliche Bezüge in die Zeit nach 197 v. Chr. datiert6. Dennoch
hatte der Autor schon etwas genauere Vorstellungen vom Gebirge im Norden Italiens
und kannte dessen Namen.
Die älteste, sichere Erwähnung der Alpen in der antiken Literatur findet sich erst bei
Polybios in dessen Beschreibung des Hannibalzuges. Er liefert als erster eine
genauere Beschreibung des Gebirges, das er im Jahr 151 v. Chr. selber überquert
hat7.
Von diesem Zeitpunkt an treten die Alpen immer mehr ins Blickfeld der Römer, zuerst
als Schutz und Grenze8, nach Cäsar als zu überwindendes Hindernis auf dem Weg
nach Norden9.
1.1.2 Der Name „Alpen“
Welchen Ursprung und welche Bedeutung der Name des größten europäischen
Hochgebirges hat, war bereits in der Antike umstritten und ist bis heute nicht geklärt.
Die antiken Autoren vertreten drei unterschiedliche Positionen:
1
Eratosthenes Fr. 73.
Eratosthenes Fr. II C 4-7, 18-21; III A 20-23, 34-40; III B 97-100, 108-114 (Berger 1880). Haider I,
1993 221-222. Anm. 31.
3
Eratosthenes Fr. III B 117 = Stephan von Byzanz s.v. Taur…skoi.
4
Haider I, 1993 S. 221: Eratosthenes beschreibt nach Haider die Siedlungsgebiete der Taurisker als
„um die Alpenberge herum“ gelegen. (Fr. III B 117. Berger 1880 = Stephan von Byzanz s.v.
Taur…skoi) Das wäre die früheste sichere Nennung des Namens „Alpen“: ...Taur…skoi, œqnoj perˆ t£
”Alpeia Ôrh... Meiner Einschätzung nach handelt es sich aber hierbei um eine spätantike Aussage
Stephans und nicht des Eratosthenes.
5
Lykophron, Alexandra, 1361.
6
Dabei kann es sich aber auch um spätere Interpolationen handeln. Der Neue Pauly 7 (1999) 569 s.v.
Lykophron (4)(B. Zimmermann).
7
Polybios, 2,15,8ff. 3,47,6ff. 34,10,15ff. Nissen I S. 139.
8
Cato bei Servius Aen. X,13: …quae secundum Catonem et Livium muri vice tuebantur Italiam. Vgl.
Livius, XXI,35. Polybios, 3,54. Cicero, prov. 34. in Pis. 81. Philon V,37. Plinius III,31 XII,5. Herodianos
VIII,1,5. Isidorus, Or. XIV,8,18.
9
E. Olshausen, Einführung in die Historische Geographie der Alten Welt (1991) 170.
2
13
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Der Grammatiker Sextus Pompeius Festus (2. Jh. n.Chr.) leitet das Wort Alpen vom
lateinischen Wort albus – sabinisch alpus – ab. Nach ihm haben die Alpen ihren
Namen vom weißen Glanz des Schnees erhalten1.
Dagegen berichtet Servius (nach 370 n.Chr.), dass für die Kelten das Wort alpes
soviel wie „hohe Berge“ bedeutete2. Isidorus von Sevillia (frühes 7. Jh. n. Chr.)
wiederholt dies3.
Strabon erwähnt in dieser Frage die beiden Städte Albingaunum und Albintimilium
(Albenga und Ventimiglia) an der ligurischen Küste und die Gebirgsvölker der Albier
und Albioiker im Hinterland. Außerdem berichtet er, dass eine frühere Bezeichnung
der Alpen Albia und auch Alpionia gewesen sei 4.
Die Meinung des Festus hat unter den modernen Autoren kaum Zustimmung
gefunden5. Dagegen spricht einiges für die Überlieferung des Servius: Eine weite
Verbreitung des Wortes alpes, sowie ähnlicher Namen im keltischen Sprachgebiet ist
tatsächlich vorhanden. So existiert z.B. heute noch im Kymrischen das Wort alp, das
soviel wie schroffer Felsen oder Abgrund bedeutet6.
Folgt man Strabon, so könnten die Kelten das Wort vielleicht von den Ligurern
übernommen haben, als sie in vormals ligurisches Gebiet eingewandert sind. Von
dort aus könnte der Name Alpes auch nach Westen zu den massaliotischen
Griechen und nach Süden zu den Italikern gelangt sein7.
Die Überlieferung des Polybios spricht dafür, dass dieser Name in der Mitte des 2.
Jh. v. Chr. in Italien allgemein geläufig war, denn er verwendet nur diese
Bezeichnung. Womöglich stand sie auch schon in den Annalen des Q. Fabius Pictor
(2. Hälfte 3. Jh. v. Chr.), den Polybios vor allem bei seiner Beschreibung der Kämpfe
mit den italischen Kelten zitiert8.
Da die Alpen von verschiedenen Stämmen und Völkern bewohnt waren (u. a.
Ligurer, Raeter, Illyrier und vor allem auch Kelten) steht fest, dass ursprünglich
verschiedene Namen für dieses Gebirge nebeneinander existiert haben müssen.
Reste dieser alten Namen haben sich erhalten, z.B. der Begriff „Tauern“9.
Die in den Werken der griechischen Geographen des 4. und 3. Jh. v. Chr. öfter
vorkommenden „orkynischen Berge“ sind wahrscheinlich eine aus dem
Sprachgebrauch des keltischen Westens von den Massalioten und übrigen Griechen
übernommene Bezeichnung für das Hauptgebirge Europas. Letztlich hat sich der
Name Alpen, auf Grund der römischen Übernahme des Begriffes, als Bezeichnung
für das gesamte Gebirge durchgesetzt10.
1
Festus 4,8ff.: album quod nos dicimus a Graeco quod est «¢lfÒν», est appellatum. Sabini tamen
alpum dixerunt. Unde credi potest nomen Alpium a candore nivium vocitatum. Festus entnahm diese
Information aus dem Werk De verborum significatu des Verrius Flaccus, einem Gelehrten
augusteischer Zeit.
2
Servius, Georg.III (474 Aen.X,13): Gallorum lingua alti montes Alpes vocantur.
3
Isidorus, Or.XIV,8,18.
4
Strabon, IV, 6,1 Nissen.
5
Vergl. Nissen I S.140. RE I,2 (1894) 1599, s.v. Alpes (J. Partsch), F. Ramsauer, ZDÖAV 32, 1901, S.
47.
6
RE I,2 (1894) 1599, s.v. Alpes (J. Partsch).
7
Nissen I S.141.
8
Polybios, II, 18-35. R. Heuberger, Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 30, 1950, 365-366.
9
Nissen I 137-141. Dieser könnte auf das hypotetische keltische Wort teuro im Sinne von
„Bergrücken, Anhöhe“ zurückgeführt werden. K. Finsterwalder, Der Name Taurisker, der
deutschsprachige Begriff Tauern und romanische Taurus-Namen in den Ostalpen. Gedenkschrift für
W. Brandenstein = Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 14 (1968) 355.
10
R. Heuberger, Zeitschrift für Schweizerische Geschichte 30, 1950, 365-366.
14
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Einige Autoren weiteten den Begriff Alpen auch auf andere Gebirgszüge aus. Dies
zeigt, dass man den Namen grundsätzlich für jedes hohe Gebirge verwenden
konnte. Besonders nahe liegend ist die Verwandtschaft zum Namen Apennin1. Silius
Italicus (ca. 35-100 n.Chr.) spricht von den geminas Alpes, womit er die Alpen und
den Apennin meint2. Cassiodor (ca. 485-580 n.Chr.) nennt den Apennin eIn
Alpenjoch3. In der Tabula Peutingeriana werden die Karpaten als Alpes Bastarnicae
bezeichnet, Jordanes erwähnt die Alpen im Zusammenhang mit Dakien und Mysien
und Plinius spricht von den Alpes Delmaticae4. In einer Inschrift aus Hamam Berda
bei Hippo in der Provinz Africa ist von den Alpes Numidicae die Rede5, sogar der
Berg Athos erhielt den Alpennamen6, außerdem nennt Orosius (4./5. Jh. n.Chr.) die
Pyrenäen Alpes7.
Die Gleichsetzung der Rhipäen, dem schon erwähnten, kaum bekannten nordischen
Gebirge, mit den Alpen, findet man zurerst bei Protarchos von Tralles (vor 1. Jh. v.
Chr.) und dem Geographen Poseidonios (ca. 135 bis 50 v. Chr.)8. Dieser berichtet,
dass die höchsten Berge Mitteleuropas zuerst Rhipäen, später Olbia, schließlich
Alpen geheißen hätten.
Im Griechischen tauchen verschiedene Formen des Wortes Alpen auf:
”Alpeij, t¦ ”Alpeia oder ”Alpia Ôrh, nach dem Vorbild des Lateinischen t¦ 'Alpein¦ oder
'Alp‹na Ôrh9, in der Lyrik und im Byzantinischen ist auch die Form ¹ ”Alpij bekannt10.
Die Römer verwendeten den Plural Alpes, um die Gesamtkette zu bezeichnen, aber
nicht nur in der Lyrik findet man auch die Singularform Alpis11. Mit einem Beiwort
versehen dient dieser Name zur Bezeichnung von Örtlichkeiten im Gebirge, meistens
von Passhöhen, die für die Römer von größerem Interesse waren, als die
Bergmassive selbst. Deshalb wurden die Namen dieser Passhöhen oft auf die
umliegenden Gebirgszüge ausgedehnt, im Gegensatz zu der heutigen Praxis,
Berghöhen nach ihrer Haupterhebung zu benennen.
Auf diese Weise kamen die Cottischen, Grajischen, und Penninischen Alpen zu ihren
Namen, sie wurden nach den Pässen Alpis Cottia (Mont Genèvre 1860 m), Alpis
Graia (Kl. St. Bernhard 2192 m), und Alpis Poenina (Gr. St. Bernhard 2472 m)
benannt. Andere Berggruppen erhielten ihren Namen von benachbarten Völkern
oder nach ihrer Lage. Beispiele hierfür sind die Raetischen, die Norischen, die
Karnischen, die Venetischen Alpen, sowie die Meeralpen12.
1
Tab. Peut. In Alpe (Apennina) RE I,2 (1894) 1600,3 s.v. Alpes (J. Partsch)
Silius Italicus II, 333: Nunc geminas Alpes Apenninumque minatur.
3
Cassiodor. Var. VIII, 31
4
Tab. Peut. 8,2. Jordanes, Getica 34: Introrsus illis Dacia est, ad coronae speciem arduis Alpibus
emunita,… Getica 102:...ad Eusciam rusus trans Alpes in Mysia proturbavit. Plinius, n. h. XI, 240.
5
CIL, VIII, 22210.
6
Apollinaris Sidonius (ca. 430-486 n.Chr.) II, 511.: …cui ruptus Athos, cui reminge Medo turgida
siluosam currebant vela per Alpem. IX, 45.
7
Orosius VII, 40,8: ...qui tutari privato praesidio Pyrenaei Alpes moliebantur…
8
Protarchos bei Stephan von Byzanz, s.v. „`UperbÒreoi œqnoj“, Poseidonios bei Athenaios IV, 233:
t£ te p£lai m n `R…paia kaloÚmena Ôrh, e q' Ûsteron ”Olbia prosagoreuqšnta, nàn d ”Alpia.
9
Polybios II,14. F. Ramsauer, ZDÖAV 32, 1901, S. 47.
10
Anthol. graec. III, pag. 185. Ramsauer S. 47. Nissen I S. 140 Anm. 2.
11
Ovid a a III, 150. Lucan I, 688. III, 299. Juvenal X, 152. Claudius Claudianus bell. gild. 82. Ders.
Cons Stil. III, 285. Apollinaris Sidonius V, 16. Florus II, 6. Itin. Ant. pag. 296.
12
F. Ramsauer, ZDÖAV 32, 1901, S. 48. RE I,2 (1894) 1601, 45-52 s.v. Alpes (J. Partsch). Nissen I S.
140.
2
15
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Da sich die Römer also wenig für die Gipfel der Alpen interessierten, ist kaum ein
Gipfelname überliefert: Außer etwa dem Mons Vesulus, dem jetzigen „Monte Viso“
(Abb. 02), dem Mons Caenia (modern la Caillole), wo der Varus (Var) entspringt,
dem Mons Gaura (heute Col de Cabres) und dem Mons Matrona, dem jetzigen „Mont
Genèvre“, sind die Namen einzelner Gipfel in der Antike nie überliefert1.
Abb. 2 Der Monte Viso / Mons Vesulus
1
F. Ramsauer, ZDÖAV 32, 1901, S. 48. Mons Vesulus: Plinius n h III, 16. Solinus 8. Martianus
Capella VI, 640. Mons Caenia: Plinius n h III, 35. Mons Gaura: Itin. Hieros. pag. 555. Mons Matrona:
Caesar, Gall I, 10. Ammianus Marcellinus XV, 10. Itin. Hieros. pag. 556. Itin. Brigant. 23. 24.
16
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
1.1.3 Ausdehnung und Gliederung
Nur wenige antike Autoren beschäftigen sich in ihren Werken eingehender mit der
Gestalt und Ausdehnung der Alpen, die meisten beschränken sich auf bekannte
Topoi wie z. B. den Vergleich mit einer hohen Mauer, einem Wall oder einem
Bollwerk1.
Die Lyriker geizen nicht mit Beiworten, Vergleichen und phantasievollen
Umschreibungen: Ovid und Vergil nennen die Alpen aëriae – hoch in die Lüfte
aufragend – für Silius Italicus reichen ihre Gipfel bis an die Wohnungen der Götter2.
Arrian vergleicht sie in ihrer Höhe mit dem Kaukasus3.
Zur Ausdehnung und Gestalt des Gebirges äußern sich die Quellen unterschiedlich.
Um die Länge und Breite der Alpen zu schätzen oder zu berechnen, musste man
zuerst deren Grenzen bestimmen.
Was das südwestliche Ende und die gleichzeitige Grenze zum Apennin betrifft,
herrscht unter den antiken Autoren Einigkeit: „...Vada (...) iacet inter Appenninum et
Alpis...“4 Gemeint ist Vada Sabatia, das heutige Savona, bzw. der nördlich davon
gelegene, 490 Meter hohe Sattel des Colle dell’ Altare auch Colle Cadibona
genannt5.
Im Osten grenzt Strabon die Alpen auf der Okra, dem Pass des Birnbaumer Waldes
ab6. Eine andere Begrenzungsmöglichkeit boten die Flüsse Varus (20km westlich
von La Turbie) und Arsia (im Südwesten von Istrien)7.
Wie groß man sich die Alpen im Altertum teilweise vorstellte zeigt der Geograph
Pomponius Mela (1. Jh. n. Chr.), der sie im Osten über den Balkan bis nach Thrakien
ausdehnt8.
Wenn man keine weiteren Angaben zur ost- westlichen Ausdehnung der Alpen
machen wollte, genügte auch die Wendung „a mari supero ad inferum“, womit die
Strecke zwischen dem Tyrrhenischen und Adriatischen Meer bezeichnet wird9. Dies
ist gleichzeitig auch die älteste Form der Eingrenzung, die sich schon bei Polybios
findet10.
Die Südgrenze der Alpen eindeutig zu bestimmen, erleichtert ihr schroffer Abfall in
die Poebene, die Nordgrenze festzulegen war hingegen aus historischen Gründen
für die Autoren nicht so einfach, da die Alpen von Süden her in die Sphäre des
römischen Reiches hineinwuchsen und ihre Nordseite deshalb erst relativ spät
genauer bekannt wurde. Ein Beispiel dafür bietet Strabon, der noch in augusteischer
Zeit den Schwarzwald und das Juragebirge zu den Alpen rechnet und dazu die
1
Als erster Cato der Ältere bei Servius, Aen. X, 13. Livius, XXI, 35. Polybios, III, 54. Isidorus, orig.
XIV, 8, 18. Cicero, Phil. V, 13, 37. Cicero, Pison. 33. Cicero, prov. 14. Plinius, n. h. III, 31. XII, 5.
Herodian VIII, 1, 5. Orosius, I, 2, 62.
2
Ovid, met. II, 226. Vergil, georg. III, 474. Silius Italicus, XI, 136.
3
Arrhian, per. p. E. XI, 5: ...kate…domen tÕn KaÚkason tÕ Óroj, tÕ Ûfoj m£lista kat¦ t¦j ”Alpeij t¦j
Keltik£j.
4
D. Brutus an Cicero, fam. XI, 13, 2. Ebenso Strabon IV, 6, 1. Ptolemaios, III, 1, 40.
5
RE I,2 (1894) 1600 s.v. Alpes (J. Partsch).
6
Strabon, IV, 6, 1. V, 1, 3.
7
Plinius, n. h. III, 132.
8
Pomponius Mela II, 4, 9.
9
CIL V 7817, Plinius, n. h. III, 132.
10
Polybois, II, 14, 6.
17
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Flüsse Saône, Doubs und die Seine in den Alpen entspringen lässt1. Er besaß
offenbar noch keine genaue Vorstellung von der Nordflanke eines Gebirges, das
durch die Rhone im Westen und Nordwesten, eine Reihe von Seen im nördlichen
Alpenvorland und die Donau von der Innmündung abwärts eigentlich relativ klar
begrenzt wird2.
Trotz der teilweise lückenhaften Vorstellungen von den Grenzen der Alpen, hatten
die antiken Autoren ein ziemlich zutreffendes Bild von der Gestalt des Gebirges:
Während nach Polybios die Alpen noch die Grundlinie des als Dreieck
beschriebenen Italien bilden und sich in west- östlicher Richtung erstrecken3,
beschreibt sie Strabon ganz richtig als einen Bogen, dessen konvexe Seite gegen
das Land der Kelten und dessen konkave Seite gegen Italien gewendet sei4. Plinius
ergänzt diese Vorstellung mit Hilfe eines bildlichen Vergleiches, wenn er die Alpen
„halbmondförmig“ nennt5. Livius bemerkt die ungleiche Steilheit der Nord- und
Südflanke, die der viel gelobten Mauer Italiens viel von ihrer Schutzfunktion raubt, da
die Überquerung von Norden her wesentlich weniger mühsam ist6.
Strabon wiederum rundet das Bild ab, indem er erklärt, dass die Alpen von Ligurien
bis zum Etschtal ein zusammenhängendes Ganzes bilden, erst östlich davon
niedriger werden und sich nur noch vereinzelt hohe Gipfel aus verschiedenen Ketten
erheben7.
Mit diesen Informationen vor Augen ist es nun möglich zu verstehen, auf welcher
Wissensgrundlage die antiken Autoren ihre absoluten Angaben zur Ausdehnung der
Alpen gemacht haben.
Ob bereits in der Antike versucht wurde, die Ausdehnung der Alpen und die Höhe
ihrer Gipfel zu vermessen, ist nicht überliefert8. Dass Ingenieure damals über die
Fähigkeiten dazu verfügten, ist jedenfalls bekannt:
Plinius berichtet vom Griechen Dikaiarchos, er habe verschiedene Berge in
Griechenland vermessen und ihre Höhe bestimmt9. Im 3. Buch der naturalis historia
nimmt er sich allerdings kein Vorbild an den relativ genauen Messungen der
Griechen und erwähnt gleich im Anschluss Alpengipfel, die bis zu einer Höhe von
50.000 Schritten (ca. 75.000m) aufragen. Der höchste Berg der Alpen ist nach ihm
der Mons Vesulus (3845m), an dem er auch den Padus entspringen lässt10. Der
Mons Vesulus wurde wahrscheinlich deswegen zum König unter den Alpengipfeln
erklärt, weil er pyramidenförmig in einsamer Lage aus einer relativ niedrigen Kette
1
Strabon, IV, 3, 2. Ebenso Ptolemaios, II, 10, 3.
Nissen I 142.
3
Polybios, II, 14, 4-8; II, 15, 8; III, 47, 4; XXXIV, 10, 18. Vergl. R. Heuberger. Zeitschrift für
Schweizerische Geschichte 30, 1950, 367-368.
4
Strabon, II, 5, 28.
5
Plinius, n. h. III, 38:…quo longissime in meridiem ab Alpium paene lunatis iugis in maria excurrit
Italia.
6
Livius, XXI, 35: pleraque Alpium ab Italia sicuti breviora ita arrectiora sunt. Vergl. RE I,2 (1894)
1600,63-68 s.v. Alpes (J. Partsch) Nissen I 142-143.
7
Strabon, IV, 6, 9.
8
F. Ramsauer, ZDÖAV 32, 1901, S.51.
9
Plinius n. h. II, 162. Suda s.v. Katametr»sij tîn ™n Peloponn»sw Ñrîn. Dikaiarchos, ein Schüler des
Aristoteles, hat u. a. den Pelion, Olymp, Akrokorinth und andere Berge vermessen, er benutzte dabei
wahrscheinlich eine Dioptra und errechnete z. B. für den Pelion eine Höhe von 1250 Schritten (ca.
1850m) in senkrechter Richtung. Die tatsächliche Höhe des Peliongebirges liegt bei 1620m. RE V,1
(1903) 560-561 s.v. Dikaiarchos (3) (E. Martini).
10
Plinius n. h. III, 117.
2
18
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
aufragt und eindrucksvoll die ligurische Ebene beherrscht1. Der Mont Blanc (4804m)
hingegen wird in der antiken Überlieferung nicht erwähnt, da ihn die Verkehrswege
mieden2.
Auch Polybios meldet sich in dieser Frage schon zu Wort. Er berichtet, dass im
Vergleich zu sämtlichen Gebirgen Griechenlands, von denen jedes in einem Tag zu
ersteigen sei, ein Aufstieg auf die Alpen ganze fünf Tage in Anspruch nehme3. Er
spricht dabei aus persönlicher Erfahrung, denn er betont ausdrücklich, selber eine
Reise über die Alpen gemacht zu haben, um sich eine eigene Anschauung der
dortigen Verhältnisse zu verschaffen4.
Strabon spricht von den höchsten Gipfeln im Land der Meduller (Kottische Alpen), die
100 Stadien (ca. 18.000m) Höhe erreichen und Richtung Italien steil abfallen5.
Die groben Fehler der antiken Geographen bei der Höhenbestimmung der Alpen
lassen sich auf zwei Gründe zurückführen: Zum einen beziehen sich die Zahlen von
Plinius und Strabon wahrscheinlich nicht auf die Höhe in senkrechter Richtung
(ratione perpendiculi)6, sondern auf die stark variierende Anstiegs- bzw.
Abstiegslänge vom Fuß des Gebirges bis zur Höhe des Alpenhauptkammes7. Zum
anderen spiegelt sich hier in der mangelnden Genauigkeit der Überlieferung das
Desinteresse der Römer an den höchsten Gebirgszügen der Alpen wider. Die
bewohnten Täler und die Pässe zählten mehr8.
Abgesehen davon handelt es sich bei den erhaltenen Quellen nicht um Berichte von
Mensores oder anderen Ingenieuren, denn, wie J. Partsch schreibt, „...die
Begrenzung und Gliederung des Gebirges haben die Schöpfer des Straßennetzes
gewiss weit genauer gekannt, als die Stubengeographen, welche der Nachwelt nur
ein verkümmertes, durch grobe Irrtümer (Strab. IV 191. 202) entstelltes Bild der
antiken Anschauung dieses Hochgebirges übermitteln.“9.
Dieses Zitat ist vielleicht etwas polemisch, aber es drückt völlig richtig aus, dass den
Römern nach ihrem Vordringen und Überschreiten der Alpen, nach den
ausgedehnten Straßenbauten über die Pässe und den damit verbundenen
Vermessungsarbeiten auf hohem Niveau sicher ein einigermaßen brauchbares
Kartenbild des Gebirges zur Verfügung gestanden hat10.
Polybios gibt uns die ältesten genaueren Informationen zur absoluten Ausdehnung
der Alpen, indem er ihre Länge auf 2200 Stadien (ca. 400 km) unterschätzt11.
Sein Zeitgenosse Caelius Antipater kam mit seiner Angabe von 1000 Meilen (ca.
1480 km) a Supero mari ad Inferum schon auf einen genaueren Wert.
1
Nissen I 147, F. Ramsauer, ZDÖAV 32, 1901, 51. Appian (bel. civ. I, 109) und Servius (Aen. X, 708)
lassen an dieser Stelle auch die Rhone entspringen.
2
E. Olshausen, Einführung in die Historische Geographie der Alten Welt (1991) 162. RE I,2 (1894)
1602 s.v. Alpes (J. Partsch).
3
Polybios XXXIV, 10, 15.
4
Polybios III, 48, 12.
5
Strabon IV, 6, 5.
6
Plinius n. h. II, 162.
7
Strabon IV, 6, 5: tÕ goàn Ñrqiètaton aÙtîn Ûyoj stad…wn ˜katÕn œcein fasˆ t¾n ¢n£basin,
k¢nqšnde p£lin t¾n ™pˆ toÝj Órouj toÚj tÁj Ital…aj kat£basin.
8
Vergl. Polybios III, 55, 9. RE I,2 (1894) 1601 s.v. Alpes (J. Partsch). F. Ramsauer, ZDÖAV 32, 1901,
48. Nissen I 172-173. Olshausen, (1991) 162.
9
RE I,2 (1894) 1601, 31-37 s.v. Alpes (J. Partsch).
10
B. Saria, Ostdeutsche Wissenschaft V, 1958, 93-94.
11
Polybios, II, 14, 9. XXXIV, 10, 17.
19
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Der Alexandriner Timagenes (2. Hälfte 1. Jh. v. Chr.) gibt 25 Meilen weniger an1.
Tatsächlich beträgt die Länge der Alpen auf Kammhöhe gemessen 1541 km, am Fuß
1110 km 2.
Plinius nennt uns eine Ausdehnung von 745 Meilen (ca. 1100km) am italischen Fuß
des Gebirges, vom Varus bis zur Arsia3.
Betrachtet man die Genauigkeit dieser Angaben, liegt es auf der Hand, dass
Vermessungen die Grundlage dieser Zahlen gewesen sein müssen. Zumindest die
Errechnung der Strecke am Fuß der Alpen entlang dürfte nach Anlage des dortigen
römischen Straßennetzes kein Problem gewesen sein.
Was die Breite der Alpen betrifft, sind die Angaben in den Quellen bedingt durch die
geographische Situation unterschiedlich:
Cornelius Nepos (1. Jh. v. Chr.) spricht von 100 Meilen (ca. 148km), Livius von 3000
Stadien (ca. 540km)4.
Plinius, der diese Angaben überliefert, erklärt die Unterschiede dadurch, dass beide
Autoren von verschiedenen Stellen aus gemessen hätten. Außerdem seien die Alpen
tatsächlich verschieden breit: Über 100 Meilen zwischen Italien und Germanien, an
anderen Stellen nicht einmal 70 Meilen (ca. 103km).
Heute gibt man die Breite der Alpen an ihrer ausgedehntesten Stelle mit 172 km an5.
Je besser die Römer die Alpen kennen lernten, umso nötiger wurde es für sie, das
größte Gebirge Europas in einzelne Abschnitte zu untergliedern. Wie bereits
erwähnt, entlehnten sie zu diesem Zweck meist die Namen einzelner
Passübergänge, Stämme oder auch Personennamen6.
Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die antiken Quellen, die sich mit den
Ostalpen beschäftigen.
1
Plinius, n. h. III, 132.
Nissen I 143.
3
Plinius, n. h. III, 132.
4
Plinius, n. h. III, 132.
5
Nissen I 143.
6
Nissen I 146. RE I,2 (1894) 1601, 45-52 s.v. Alpes (J. Partsch).
2
20
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
1.1.4 Die Ostalpen in den antiken Quellen
1.1.4.1 Geographische Quellen
In zahlreichen lateinischen und griechischen Quellen tauchen für einzelne Teile der
Ostalpen getrennte Namen auf. Dabei lässt sich beobachten, wie dieser Großraum
am nördlichen Rand der mediterranen Welt zuerst langsam in den Gesichtskreis der
Griechen eintrat und erst viel später auch von den Römern „entdeckt“ wurde.
Von den frühesten antiken Kenntnissen über die Alpen wurde bereits gesprochen, in
diesem Zusammenhang steht die Nachricht des Hekataios von Milet, der das Volk
der Kauliker, auf einem Berg am oberen Ende des Ionischen Golfes (der Adria)
wohnend, erwähnt. Sie werden auf dem Birnbaumer Wald angesiedelt1. Durch
Handelsbeziehungen entlang der Bernsteinstraße erweiterte sich der griechische
Horizont im Laufe des 5. und 4. Jhs. v. Chr. immer weiter nach Nordosten, PseudoSkylax (ca. 350-300 v. Chr.) kennt bereits die Karner2, Eratosthenes nennt um 250 v.
Chr. die Teriskoi (Teurisker), die „um die Alpenberge herum“ siedelten, was damals
wohl nur die Julischen Alpen, die Karawanken und die Steiner Alpen bedeutet haben
kann3.
Strabon überliefert die älteste geographische Beschreibung des Ostalpenraumes, die
erhalten geblieben ist. Er liefert neben dem Kenntnisstand in augusteischer Zeit auch
das Wissen, das bereits in den älteren Werken des Polybios, Poseidonios und
Timagenes zu diesem Thema zu finden ist4.
Strabon charakterisiert die Ostalpen völlig richtig als breiter und niedriger im
Vergleich zu den Westalpen und beschreibt verschiedene Bergketten. Über die
Hauptkette der Ostalpen bietet diese antike Quelle nur wenige Informationen, die
sich eindeutig bestimmen lassen. Strabon nennt drei Gebirgszüge, die vielleicht mit
dem Alpenhauptkamm, den südlichen und den nördlichen Kalkalpen gleichzusetzen
sind: Das Apenninon-Gebirge, mit dem See, aus dem der Fluss Isaras (Etsch)
entspringt, das Tullon-Gebirge und die Phligadia-Berge, die nördlich der Vindeliker
liegen5.
Beinahe zeitgleich mit dem Werk Strabons ist auch die Weltkarte des Agrippa
entstanden, die ebenfalls eine Beschreibung dieses Gebietes enthalten haben muss.
Plinius gibt nur eine sehr kurze Beschreibung der Geographie Noricums6. Er skizziert
den Landescharakter, zählt die Städte auf und erwähnt die beiden Flüsse Save und
Drau7.
In der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. zeichnet Ptolemaios ein genaueres Bild des
Landes, indem er zu den Ortsnamen auch mehr oder weniger präzise Koordinaten
ihrer Lage angibt8.
1
Hekataios FGrH 1 Fr. 92. Haider I, 1993, 220 mit Erwähnung der älteren Forschung.
Pseudo-Skylax, Peripl. 19f. Haider I, 1993, 221.
3
H. Berger, Die geographischen Fragmente des Eratosthenes (1880) F III B 117. Haider I, 1993, 221.
4
Strabon IV, 6, 9. Haider II, 1993, 255.
5
Haider II, 1993, 255 Anm. 59 bietet die jüngste genauere Analyse und Interpretation dieser
vieldiskutierten Textstelle.
6
G. Alföldy, Noricum (1974) 8.
7
Plinius n. h. III, 133 und 146.
8
Ptolemaios II, 13, 1ff.
2
21
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die lateinischen Quellen überliefern bereits eine größere Anzahl von Gebirgsnamen
in den Ostalpen, von denen einige bis heute lebendig geblieben sind:
Die Ketten des Alpenhauptkammes und der nördlichen Kalkalpen erhalten ihre
lateinischen Namen analog zur Provinzeinteilung: Alpes Raeticae1 für den westlichen
und Alpes Noricae2 für den östlichen Teil.
Alpes Tridentinae steht für die Dolomiten und die Brenta-Gruppe3.
Alpes Carnicae bezeichnet die Karnischen Alpen mit der Quelle des Savus4.
Die Alpes Iuliae5 dehnen sich vom Pontebbapass südwärts bis an den Mons Ocra
aus. Der Name Alpes Venetae ist den Alpes Iuliae gleichzusetzen6.
Die Bezeichnung Alpes Pannonicae, die bei Tacitus an zwei Stellen auftaucht7, ist
noch nicht sicher geographisch bestimmt. Nach älterer Deutung bezeichnet der
Begriff keinen eigenen Teil der Ostalpen, sondern wird für die Pässe verwendet, die
nach Pannonien führen, also hauptsächlich den Übergang über den Birnbaumer
Sattel8. Zu Recht ist von der jüngeren Forschung darauf hingewiesen worden, dass
Tacitus die Alpes Pannonicae im Zusammenhang mit Poetovio nennt und sie
deshalb eher im Bereich zwischen Zagreb und der Buckligen Welt zu lokalisieren
sind9.
An die Alpes Carnicae schließen im Osten, die Alpes Caravancae, die Karawanken
an, sie werden durch das Tal des Savus von den Alpes Iuliae getrennt und umfassen
außerdem das Pohoje (Bachergebirge)10.
Die Ausläufer der Alpen im Südosten bilden die Alpes Delmaticae11 und die Dardani
Alpini12. Das nordöstliche Alpenvorland, speziell der Wienerwald trägt den Namen tÕ
kštion ×roj, der bei Ptolemaios erwähnt wird und das Gebirge an der Grenze
zwischen Noricum und Pannonien bis zur Donau bezeichnet13.
1.1.4.2 Historisch-politische Quellen
Im Folgenden sollen einige antike Quellen zum Ostalpenraum vorgestellt werden, die
politische Ereignisse beschreiben, welche mit den Pässen der Ostalpen in
Zusammenhang stehen. Es handelt sich dabei vor allem um militärische
Begebenheiten:
Livius behandelt die Ereignisse rund um die Gründung Aquileias und die Probleme
mit Norikern und Illyrern in den ersten Jahrzehnten des 2. Jhs. v. Chr..
Es war im Jahr 186 v. Chr. zu einer Überschreitung eines bis dahin unbekannten
Passes über die Südostalpen durch keltische Einwanderer gekommen, daraufhin
reiste erstmals eine römische Gesandtschaft über die Karnischen Alpen nach
1
Horaz Carm. 4, 4, 17. Tacitus Hist. I, 70.
Florus Epit. III, 3, 38; IV, 12, 4.
3
Plinius n. h. III, 121. Cassius Dio 54, 22. Haider II, 1993, 255.
4
Plinius n. h. III, 147. RE I,2 (1894) 1604 s.v. Alpes (J. Partsch).
5
Tacitus Hist. III, 8. Ammianus Marcellinus XXXI, 9, 4. Sozomenos Hist. eccl. VII, 22.
6
Ammianus Marcellinus XXXI, 16, 7. RE I,2 (1894) 1604 s.v. Alpes (J. Partsch).
7
Tacitus Hist. II, 98, III, 1.
8
RE I,2 (1894) 1604 s.v. Alpes (J. Partsch).
9
Haider II, 1993, 255 Anm. 65.
10
Ptolemaios II, 14, 1. VIII, 7. Haider II, 1993, 255.
11
Plinius n. h. IX, 240.
12
Notitia Dignitatum Occ. 31.
13
Ptolemaios II, 13, 1; 14,1; 15, 1. RE III (1899) 2013f. s.v. Cetius mons (M. Ihm)
2
22
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Noricum1. Drei Jahre später wurde das Problem im Senat erneut behandelt und die
Römer, die auf einer Respektierung der Alpengrenze gegenüber den Kelten
beharrten, drohten damit, im Konfliktfall selber den neuen Pass in Richtung Norden
mit einem Heer zu überschreiten2.
Nach wenigen Jahren überschritt tatsächlich erstmals nachweislich ein römisches
Heer einen Pass der Ostalpen, nämlich wahrscheinlich die Okra in Richtung
Makedonien. Wieder ist es Livius, der berichtet, wie der Konsul C. Cassius Longinus
mit seinen Truppen im Jahr 171/170 v. Chr. von Aquileia in Richtung Osten
abmarschierte3.
Im gleichen Jahr führte der Bruder des norischen Königs (rex / regulus) Cincibilus vor
dem Senat in Rom Beschwerde wegen römischer Übergriffe auf seine
Bundesgenossen und den ager populorum Alpinorum4.
In Folge dieser Kontakte dürfte es auch zu dem später von Appian erwähnten
lockeren Freundschaftsvertrag, dem sog. hosptium publicum zw. Rom und den
keltischen Bewohnern der Ostalpen gekommen sein5.
Im Jahr 129 v. Chr. wiederholte sich dieses Szenario, als C. Sempronius Tuditanus
die Okra überquerte, um u. a. gegen eine Gruppe von Tauriskern in der Nähe von
Nauportus vorzugehen. Der Feldzug könnte außerdem dazu gedient haben, die
römischen Handelsinteressen an dieser Passstraße zu sichern6.
Für das Jahr 113 v. Chr. berichtet Appian in seiner Keltica von der Schlacht zw.
Kimbern und Römern in der Nähe von Noreia7. Zuvor hatte der Konsul Papirius
Carbo die Alpenpässe in Richtung Italien besetzen lassen, um einen Einfall der
Germanen zu verhindern und zwar genau an der Stelle, „wo der Durchgang am
engsten ist“.
Auch die nächste Quelle steht im Zusammenhang mit dem Kimbernkrieg: L. Cornlius
Sulla führt im Jahr 101 v. Chr. ein römisches Heer nach Noricum, um den keltischen
Stamm der Tiguriner zu vertreiben, welcher die Kimbern bei ihrem Einfall in
Oberitalien unterstützt hatte. Der Feldherr berichtet in seinen Comentarii rerum
gestarum selbst darüber8. Die Tiguriner siedeln auf den Norici Alpium tumuli, die in
Mittelkärnten lokalisiert werden9. Einige Forscher interpretieren diese Quellen so,
dass die Römer im Laufe des Vormarsches die nach Norden abziehenden Tiguriner
über die Tauernpässe verfolgt hätten10.
Es folgen zahlreiche Quellen zum Alpenkrieg des Augustus, die keinen Zweifel daran
lassen, dass die römischen Truppen auf ihrem Vormarsch im Sommer 15 v. Chr.
1
Livius XXXIX, 22, 6f; 45, 6.
Livius XXXIX, 54, 12: Alpes prope inexsuperabilem finem in medio esse; non utique iis melius fore,
(quam) qui eos primi pervias fecissent. („Die Alpen liegen wie eine unüberwindliche Grenze
dazwischen; diejenigen, die als erste die Alpen passierbar machen würden, nicht unbedingt auch den
Vorteil davon haben würden“. Übersetzung und Analyse der Passage: G. Dobesch, die Kelten in
Österreich, 316ff.)
3
Livius XIIIL, 5, 3. G. Dobesch, die Kelten in Österreich (1980) 116ff. Es handelt sich dabei
offensichtlich um den Hauptübergang nach Italien, da der Senat fürchtete, dass auf dieser Route
vielen Völkern der Zugang nach Italien ermöglicht werde. (Livius XIIIL, 1, 9.)
4
Livius XLIII, 5, 1-10.
5
Appian Kelt. 13,2. G. Dobesch, RÖ 4, 1976, 17-37.
6
CIL I2 652. G. Alföldy, Noricum (1974) 34. G. Dobesch, die Kelten in Österreich (1980) 322. Anm. 18.
7
Appian Kelt. 13,1. Vergl. Strabon V, 1, 8. Livius per. 63. Neue Aspekte zur Lokalisierung Noreias
zuletzt: K. Strobl, Carinthia I, 193, 2003, 25-71.
8
HHR I, CCLXX ff., 195f.
9
Florus, Epit. I, 38, 18. Haider II, 1993, 249f. Anm. 1 nennt auch abweichende Lokalisierungen.
10
Haider II, 1993, 250. R. Heuberger, Tiroler Heimat 16, 1952, 19ff. Dagegen stellen das ganze
Ereignis in Frage: G. Alföldy, Noricum (1974) 294 Anm. 59. G. Dobesch, Zur Geschichte der Noriker
im Jahrhundert vor der römischen Okkupation. In: Die Kultur der Kelten (1989) 13.
2
23
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Alpenpässe überquerten. Es fehlen zusammenhängende Berichte von Zeitgenossen,
auch das 138. Buch des Livius, das diesen Feldzug zum Thema hatte, ist verloren,
Strabon und Velleius Paterculus berichten kurz1. Nur Cassius Dio beschreibt den
Feldzug etwas ausführlicher2. Im Zusammenspiel mit den beiden Meilensteinen des
Claudius aus Rabland und Cesiomaggiore wird klar, dass im Zuge des Krieges der
erste, literarisch sicher belegte, römische Straßenbau über einen Pass der Ostalpen
(den Reschen) erfolgte3. Drusus führte sein Heer weiter nach Norden und überquerte
außerdem den Fernpass und den Seefelder Sattel4. Die Unterwerfung der norischen
Ambisonten5, die im Gebiet des oberen Salzachtales angesiedelt werden, machte
damals ebenfalls eine Überquerung der Pässe Thurn und Grießen für die aus dem
Inntal kommenden Römer nötig6.
Mit der Eingliederung des Ostalpenraumes und dessen Erschließung durch römische
Straßen erhalten wir, zusätzlich zu den literarischen Quellen, Informationen von
zahlreichen Meilensteinen, die unser Wissen über die Römer auf den Pässen der
Ostalpen ergänzen. Meilensteine aus den verschiedenen Jahrhunderten römischer
Herrschaft finden sich im Einzugsbereich des Reschenpasses, des Brenners und des
Seefelder Sattels für Raetien7, am Pass Lueg, dem Radstätter Tauern, der
Laußnitzhöhe, am Pontebbapass für Noricum und am Birnbaumer Sattel, in der regio
X Venetia et Histria8.
Tacitus berichtet darüber, wie es im Laufe des Vierkaiserjahres 69 n. Chr. beinahe
zur Konfrontation zwischen raetischen Truppen, die Vitellius treu waren und
norischen Truppen, die auf der Seite des Vespasian standen, gekommen wäre.
Dabei könnte es wiederum militärische Aktivitäten auf den Pässen gegeben haben9.
Mit dem Jahr 169 n. Chr. rückten die Pässe der Ostalpen erneut ins Zentrum großer
militärischer Auseinandersetzungen. Ammianus Marcellinus berichtet, wie die
Quaden in einem schnellen Vorstoß über die Julischen Alpen Aquileia belagert und
Opitergium zerstört haben10. Dabei drangen sie wahrscheinlich entlang der
Reichsstraßen, die von der Donau nach Italien führten, vor und überschritten den
Birnbaumer Sattel. Auch im Zuge der römischen Gegenoffensiven könnten
Alpenpässe eine Rolle gespielt haben. Julius Capitolinus erwähnt in seiner Vita des
Kaisers Pertinax, dass dieser an der Spitze der Legio I Adiutrix Raetien und Noricum
mit Erfolg von den Feinden befreit habe11. P. W. Haider setzt die Erbauung der
Passstraßen über den Korntauern und Mallnitzer Tauern mit diesem Ereignis in
Zusammenhang12.
Mitte des 3. Jhs. überquerte erneut ein Heer den Birnbaumer Sattel: Kaiser
Maximinus Thrax marschiert über Emona nach Aquileia, um die Stadt zu belagern.
Dabei hat er vor allem mit Versorgungsschwierigkeiten zu kämpfen und seine
Soldaten hungerten nach dem Marsch über die Alpen13.
1
Strabon IV, 6, 9; VII, 1, 5. Velleius Paterculus II, 39, 3; 95, 2; 104, 4.
Cassius Dio LIV, 22.
3
CIL V, 8002; 8003. W. Czysz, Die Römer in Bayern (1995) 29.
4
W. Czysz, Die Römer in Bayern (1995) 29. Vergl. W. Zanier, Der Alpenfeldzug 15 v. Chr. und die
augusteische Okkupation in Süddeutschland. In: Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer (2000)
13f.
5
Plinius n. h. III, 136. CIL V 7817.
6
Haider II, 1993, 251.
7
Walser, 1983, Karte „die raetischen Straßen nach Reinecke“ im Anhang.
8
Winkler, 1985, Karte „Römische Straßen und Meilensteine in Noricum“ im Anhang.
9
Tacitus, Hist. I, 70f. Haider II, 1993, 251f.
10
Ammianus Marcellinus XXIX, 6, 1.
11
SHA. Pert. 2, 6f.
12
Haider II, 1993, 254.
13
SHA. Max. Thr. 7, 3f.
2
24
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Für das Jahr 352 n. Chr. erwähnt Ammianus Marcellinus dass sich die Soldaten des
Usurpators Magnentius durch einen gefangenen Comes Zugang zu den
Passfestungen der Julischen Alpen verschafften und diese sperrten1. Den weiteren
Fortgang dieser Kämpfe schildert Kaiser Julian2.
Ammianus Marcellinus berichtet für das Jahr 360 n. Chr., wie sich beim Vormarsch
Julians nach Illyrien der Praefectus Praetorio Taurus mit Hilfe des cursus publicus
auf schnellstem Wege über die Julischen Alpen nach Italien in Sicherheit brachte3.
Dafür kommt nur die Straße über den Birnbaumer Sattel in Frage. Die Stelle beweist,
dass die Infrastruktur entlang der Passstraße Mitte des 4. Jhs. n. Chr. noch voll
funktionstüchtig war. Wenig später schildert derselbe Autor die Sorge Julians,
feindliche Truppen könnten die Befestigungen auf den Pässen der Julischen Alpen
besetzen und ihm den Zugang nach Italien abschneiden4. Konkret bezieht sich diese
Stelle auf die bekannten Befestigungen der Claustra Alpium Iuliarum, vor allem auf
die Festung Ad Pirum, welche die via publica zw. Aquileia und Emona sperren
konnte5.
Orosius und Zosimos überliefern für das Jahr 388 und 394 erneute militärische
Aktivitäten in den Passfestungen auf den Julischen Alpen, wobei jene von 394 n.
Chr. zur Zerstörung von Ad Pirum führte6.
1.1.4.3 Wirtschaftsgeschichtliche Quellen
Für die antike Verkehrsgeschichte einer Region sind schließlich neben
geographischen und historischen Quellen auch jene zur Wirtschaft von Bedeutung.
Die Rohstoffe und Erzeugnisse, die der antike Mensch im Gebirge förderte,
herstellte, auf Straßen transportierte und handelte, sind in zahlreichen Schriftquellen
erwähnt. Nur ein Teil davon bezieht sich ausdrücklich auf die Ostalpen, die meisten
können jedoch auf diese übertragen werden. Einer der wichtigsten Gewährsmänner
zu diesem Thema ist Plinius, der in den verschiedensten Büchern seiner Naturalis
Historia zahlreiche Informationen überliefert hat. Verstreute, aber wertvolle Angaben
finden sich darüber hinaus bei Historikern, wie z.B. Polybios7.
Der Geograph Strabon teilt den Wirtschaftsraum Alpen in mehrheitlich karge, frostige
Höhen sowie landwirtschaftlich nutzbares Hügelland und Täler ein8. Bei
Agrarschriftstellern, wie z.B. Columella9 und sogar bei Lyrikern, wie Horaz und Ovid10
finden sich weitere Informationen.
Strabon, nennt die Hauptprodukte der hochalpinen Land- und Forstwirtschaft11: Harz,
Pech, Wachs, Honig und Käse12. Zahlreiche Wildtiere sind bekannt, die sicher
1
Ammianus Marcellinus XXXI, 11, 3.
Flavius Claudius Iulianus, Kwnst£ntioj À perˆ basile…aj, 3.17, 20-24.
3
Ammianus Marcellinus XXI, 9, 4.
4
Ammianus Marcellinus XXI, 13, 21.
5
J. Šašel (Hrsg.), claustra alpium Iuliarum (1971).
6
Paulus Orosius, Hist. advers. pag. 7. 35, 3-5. Zosimus, Hist. nov. 4.46.2.
7
Polybios XXXIV, 10 bei Strabon IV, 6, 12.
8
Strabon IV, 6, 9.
9
Columella VI, 24.
10
Horaz Carm. I, 16, 9. Ovid Met. XIV, 712.
11
Strabon IV, 6, 9.
12
Käse aus den Alpen war in Rom bekannt: Plinius n. h. XI, 240. SHA Anton. Pius XII, 4.
2
25
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
intensiv bejagt wurden1. Plinius erwähnt den Lavendel, eine aromatische Pflanze, die
weit über die Provinzgrenzen hinaus exportiert wurde2. An günstigen Südhängen
baute man Wein an, den man mit Erfolg nach Italien verhandelte. Besonders der
raetische Wein galt als Lieblingsgetränk des Augustus3. Obwohl Noricum als nur
bedingt für die Landwirtschaft geeignet befunden wurde, gab es eine bestimmte
Sorte von Weizen, der sehr kältebeständig war4. Daneben war es natürlich vor allem
das Nutzholz, das in großen Mengen
abtransportiert wurde und einen
bedeutenden
Wirtschaftsfaktor
darstellte.
Von
den
riesigen
Waldgebieten berichten u. a. Polybios,
Strabon und Plinius5. Bis in die
Spätantike spielte die Textilproduktion
im Ostalpenraum eine wichtige Rolle,
Noricum galt als Exportland für
verschiedene Bekleidungsstücke aus
Schafwolle6.
Die größte wirtschaftliche Bedeutung
messen die antiken Quellen allerdings
dem Bergbau im Ostalpenraum bei:
Polybios überliefert die bekannte
Episode, wonach Taurisker kurzzeitig
zusammen mit Römern in Noricum
nach Gold geschürft hätten, was zum
Verfall des Goldpreises führte7. Das
viel gelobte ferrum Noricum übertrifft in
Abb. 3 Die Goldbarrengußform vom
römischer
Zeit
alle
anderen
Magdalensberg
Erzeugnisse an Wert, seine Qualität
wird von Horaz und Ovid gelobt, Plinius erwähnt dessen stählerne Härte, die in der
römischen Welt unübertroffen war8. Er bezeugt für Noricum ebenso die Förderung
von Gold9 (Abb. 03).
Der bereits in prähistorischer Zeit bedeutende Salzabbau spiegelt sich in den
Schriftquellen nicht wider.
1.1.5 Pässe und Passstraßen
Während Polybios von den Pässen der Westalpen bereits die drei wichtigsten nennt,
kennt er in den Ostalpen nur einen Pass auf dem Gebiet der Raeter 1. Strabon
1
Wilde Rinder und Pferde, Elche (Strabon IV, 6, 10.), Gemsen, Steinböcke und Schneehasen (Plinius
n. h. VIII, 214; 217.),Fische und Federwild (Plinius n. h. IX, 63; X, 56.)
2
Plinius n. h. XXX, 43.
3
Sueton, Aug. 77. Vergil, Georg. II, 96. Strabon IV, 6, 8. Columella III, 2.
4
Inde Noricus ager frigidus et parcius fructuosus Isidorus Ety. XIV, 4, 12. Zum Weizen im Alpenraum:
Plinius n. h. XVIII, 69.
5
Polybios III, 55, 9. Strabon IV, 6, 2. Plinius n. h. XXXI, 43.
6
Junior, Expositio totius mundi 57.
7
Polybios XXXIV, 10 bei Strabon IV, 6, 12.
8
ensis Noricus Horaz Carm. I, 16, 9. Epo. 17,71. Noricus ignis Ovid Met. XIV, 712. Plinius n. h.
XXXIV, 145.
9
Plinius n. h. XXXIII, 66ff.
26
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
ergänzt diese Aufzählung durch die Nennung des befahrbaren Passes von Aquileia
über die Ocra bis nach Nauportus 2. Diese beiden Pässe bleiben die einzigen in den
Ostalpen, die in die antiken Schriftquellen Eingang gefunden haben.
Häufiger als geographische Informationen zu Pässen sind Beschreibungen des
alpinen Straßenverkehrs mit seinen Schwierigkeiten und Gefahren:
Strabon berichtet, wie die Salasser von Cäsar dafür bezahlt wurden, dass sie im
Gebirge Straßen bauten und Brücken errichteten3. Cäsar spricht selbst davon, dass
die Bergstraßen (der Westalpen) nur unter großen Gefahren begangen werden
konnten und die Händler zudem Zölle an die einheimischen Stämme zu entrichten
hatten4.
Einen wichtigen Beitrag zur Errichtung von Bergstraßen leistete Augustus. Der Kaiser
ließ nach Möglichkeit Straßen vor allem über die Westalpen errichten, doch war es
auf Grund des schwierigen Geländes nicht überall technisch durchführbar5.
Berühmt ist Strabon für seine Beschreibung der Gefahren, die einem Reisenden auf
einer Passstraße drohen konnten: Die Wege verliefen oftmals an tiefen Abgründen
entlang und jeder falsche Schritt konnte zum tödlichen Absturz führen. Die Spur war
so schmal, dass ungeübte Personen, Trag- oder Zugtiere schwindlig wurden.
Deshalb setzte man einheimische Rassen zum Warentransport ein, denn diese
hatten einen sicheren Tritt.
Neben diesen akuten Gefahren für Leib und Leben mussten sich die Reisenden
immer wieder mit zerstörten Straßen und unpassierbaren Flussübergängen
herumschlagen, die ständige Reparaturarbeiten notwendig machten6. Auch das
Räuberunwesen bedeutete eine Gefahr7.
Um den Tragetieren einen besseren Stand im schwierigen Gelände zu geben,
wurden ihnen sog. Hipposandalen angelegt. Entlang von vielen Passstraßen wurden
solche gefunden und auch in den Quellen kommen diese vor 8.
Während der warmen Jahreszeiten versuchte man die Wagen durch Seile von hinten
zu sichern und langsam die Straßen hinunter rollen zu lassen. Männer und Ochsen
mussten sie unter großem Kraftaufwand zurückhalten9.
Im Winter, wenn die Strassen und Wege vom Schnee verdeckt sind, setzten
einheimische Führer Schneestangen, um zu verhindern, dass ortsunkundige
Reisende von Weg abkamen. Waren diese Stangen durch Neuschnee verdeckt oder
durch Lawinen weggerissen worden, konnte der Weg nur durch einen
vorausgehenden Einheimischen gewiesen werden10. Trotzdem rissen Eislawinen
immer wieder ganze Karawanen mit sich in den Abgrund11.
1
Strabon IV, 6, 12.
Strabon IV, 6, 10.
3
Strabon IV, 6, 7.
4
Caesar, b. g. III, 1, 2.
5
Strabon IV, 6, 6.
6
CIL V, 1862, 1863, 1864.
7
In. It. X4, 339.
8
Plinius n.h. XXXIII, 49, 1. Berichtet von Neros Gattin Poppea, dass sie den Lieblingstieren ihrer
Karossen goldene Schuhe anfertigen ließ: iumentis suis soleas ex auro quoque induit. Sueton, Divus
Nero, XXX,3 erwähnt silberne Hufschuhe, die bei den Ausfahrten des Kaisers zum Einsatz kamen:
soleis mularum argenteis. Ebenfalls Sueton, Divus Vespasianus, XXIII, 2, überliefert, wie ein
Maultierkutscher seinen Tieren Hufschuhe anlegte: ad caliciandas mulas.
9
Ammianus Marcellinus XV, 10, 4ff.
10
Ammianus Marcellinus, ebenda.
11
Strabon, IV, 6, 6.
2
27
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Zwei bekannte Beispiele für die Überschreitung von Alpenpässen im Winter sind der
Marsch des Stilicho über den Splügenpass und die Überquerung des Radstädter
Tauern durch Maximus, aus der Vita Sancti Severini1.
Über die Existenz und die Pflege religiöser Handlungen auf den Passstraßen geben
die antiken Quellen keine Auskunft. Nur das Ende des Passheiligtums des Jupiter
Poeninus auf dem Großen St. Bernhard wird erwähnt, mit dem allgemein das Ende
aller öffentlichen kultischen Aktivitäten auf den Alpenpässen angesetzt wird. Der
Kirchenvater Augustinus berichtet, Kaiser Theodosius habe nach der Schlacht am
Fluvius Frigidus 394 n. Chr. den Sturz der goldenen Statue des Jupiter auf der
Passhöhe befohlen2.
1
2
Claudius Claudianus, bell. get. 340ff. Eugippius, Vita Sancti Severini 29.
Augustinus c.d. V, 26, 30.
28
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
1.2 Das Erlebnis Berg für den antiken Menschen: Die Alpen und
deren Überquerung im Bewusstsein der Römer
1.2.1 Der kulturelle Rahmen
Dass die Überquerung der Alpen für den antiken Menschen ein emotionsgeladenes
und mit religiösen Vorstellungen verbundenes Vorhaben war, bezeugen zahlreiche
antike Schriftquellen und Passfunde. Greifbar wird die Bedeutung des Gebirges für
den antiken Menschen vor allem in den Bereichen Natur und Religion, Politik und
Strategie, sowie als Wirtschaftsfaktor und Verkehrshindernis.
Wir besitzen für die Alpen nur antike Überlieferungen, die uns die Sichtweise von
Außenstehenden zum Thema „Gebirgsbewohner und ihr Lebensraum“ schildern.
Diese hatten zum Gebirge fast immer ein distanziertes und oft negatives Verhältnis1,
nur in wenigen historischen Schriftquellen werden die Alpen teilweise ambivalent
gesehen:
In ihrer Funktion als Schutzmauer Italiens gegen die Bedrohungen von Norden
erscheinen sie von der Republik an bis in die Spätantike in positiven Schilderungen2.
Wenn es aber darum geht, die Schrecken und die Gefährlichkeit der Alpen zu
beschreiben, bieten die antiken Autoren eine Fülle von Topoi und Anekdoten.
Bereits Polybios erwähnt mehrmals eisige Stürme und riesige Schneemassen3.
Livius tut es ihm gleich, berichtet von der berüchtigten Kälte und prägt den berühmt
gewordenen Ausdruck von der foeditas (Häßlichkeit) der Alpen4. Strabon beschreibt
Steinschläge und Lawinen5, die den Reisenden in den Tod reißen, Frontin
Hochwasser in Folge der Schneeschmelze6.
Von den Lyrikern werden die verschiedensten Topoi verwendet, um den Schrecken
dieses Gebirges deutlich zu machen: Tibullus und Lucanus bezeichnen sie als
gelidae (eisig) 7, Ovid als ventosae (sturmumbraust) und latebrosae
(schluchtenreich).8 Apollinaris Sidonius schildert den ewigen Schnee, ebenso wie der
Satiriker Petronius9. Juvenal spricht von den Alpes saevae10. Generell sind Gebirge
und Urwälder die „Mängel der Erde“, wie es Lucretius ausdrückt11.
Diese Sichtweise scheint aber nur auf das Hochgebirge beschränkt gewesen zu sein,
denn es gibt in der antiken Literatur auch begeisterte Beschreibungen einzelner
Berge12.
1
Lexikon der historischen Geographie, 160 s.v. „Gebirge (Berg)“ (H. Sonnabend). J. Šašel, La
montagna romana: problemi e metodi della ricerca, in: Sestinum. Communita antiche dell’ Appennino
tra Etruria e Adriatico, 1989, 211. =J. Šašel, Opera selecta (1992) 546.
2
Als erster Cato der Ältere bei Servius, Aen. X, 13. Polybios, III, 54. Cicero, Phil. V, 13, 37. Cicero,
Pison. 33. Cicero, prov. 14. Plinius, n. h. III, 31. XII, 5. Herodian VIII, 1, 5. Isidorus, orig. XIV, 8, 18.
Orosius, I, 2, 62. Allerdings geben sich die Römer keinen Illusionen hin, was die Sicherheit dieses
Bollwerkes betrifft: Livius, XXI, 35.
3
Polybios II, 15. III, 55.
4
Livius XXI, 58, 3.
5
Strabon IV 204.
6
Gromatici Veteres 50, 21 (Ed. K. Lachmann 1848).
7
Tibullus IV, I, 109. Lucanus I, 183.
8
Ovid, am. II, 16, 19. consol. ad Liviam 15.
9
Apollinaris Sidonius, carm. VII, 525. Petronius, sat. 122.
10
Juvenalis, X, 166.
11
Lucretius 5, 200ff. 1, 404f. 5, 1370ff.
12
Strabon V, 3, 8 beschreibt den Vesuv und rühmt dessen Fruchtbarkeit.
29
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die Historiker bieten vor allem im Zusammenhang mit militärischen oder sonstigen
Überquerungen der Alpen durch größere Gruppen, genauere Beschreibungen
dessen, was den Teilnehmern an schrecklichem widerfahren ist. Einen der ältesten
und gleichzeitig den berühmtesten dieser Züge beschreibt Polybios: Den
Alpenübergang des Hannibal1. Livius berichtet ebenfalls davon und schildert das
Entsetzen, welches der Anblick des Hochgebirges bei den karthagischen Soldaten
ausgelöst hat. Diese Stelle dürfte jedoch viel eher die Furcht der Römer vor diesen
Gegenden widerspiegeln und gibt einen guten Einblick in die Mentalität der
republikanischen Zeit2. Bis in spätantike Quellen, wie z.B. eine Lobhymne des
Claudius Mamertinus auf Kaiser Maximianus oder die Beschreibung des Weges über
den Mons Matrona durch Ammianus Marcellinus, setzt sich diese Tradition fort3. Sie
geht sogar bis in die Übergangszeit zum Frühmittelalter hinein, wenn Claudius
Claudianus den Marsch des Stilicho über den Splügenpass erwähnt oder Eugipp in
der Vita Sancti Severini einen winterlichen Aufstieg beschreibt, der als audax
temeritas (verwegene Waghalsigkeit) bezeichnet wird4.
Aus all diesen Stellen geht hervor, dass neben den direkten Bedrohungen für das
menschliche Leben, von den Römern5 vor allem die Kälte des Gebirges als größte
Plage empfunden wurde. Angesichts der beschränkten Möglichkeiten zu heizen und
sich dementsprechend zu kleiden, musste diese als starke Beeinträchtigung der
Lebensqualität gesehen worden sein6.
Darum waren die Alpen auch kein bevorzugter Lebensraum des mediterranen
Menschen in der Antike7. Aus demselben Grund entwickelte sich nie so etwas wie
Begeisterung für die Schönheit der Natur oder der Landschaft, wie man sie z.B. aus
römischen Beschreibungen des Tempe - Tales, Asiens oder Ägyptens kennt. Die
Römer bereisten viel lieber kulturell und historisch wichtige Orte in Griechenland und
im Osten8. Ein plastisches Beispiel dafür ist die Überlieferung Suetons über die
Reisen Cäsars: Er habe sich die Langeweile der Alpenüberquerungen mit dem
Verfassen einer Schrift über Grammatik und zahlreicher Gedichte vertrieben9.
Die Römer schätzten das Leben auf dem Land und betrachteten es als eine der
Grundlagen für die kulturelle Entwicklung. Da aber die Alpen in den Augen der
Römer, auf Grund ihres feindlichen Klimas, nur wilde und barbarische Völker
hervorgebracht hatten10 und darüber hinaus kaum Landwirtschaft zuließen11, konnten
sie nicht als Lebensraum und Grundlage für die Entfaltung römischen Lebens
geeignet sein12.
Das römische Naturverständnis wandelte sich allerdings teilweise seit dem Ende der
Republik und die malerischen Beschreibungen der Schrecken des Gebirges
1
Polybios, III, 39ff.
Livius, XXI, 31ff. U. Fellmeth in: Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 5,
1993 (1996) 84.
3
Claudius Mamertinus, Genethl. Maximiani II. IX. Amminaus Marcellinus, XV, 10.
4
Claudius Claudianus, bell. get. 340ff. Eugippius, Vita Sancti Severini 29.
5
Der Begriff Römer ist in diesem Zusammenhang selbstverständlich nur in seiner spätrepublikanischfrühkaiserzeitlichen Bedeutung, als Bürger der mediterranen Regionen Italiens zu verstehen.
6
Lexikon der historischen Geographie, 242 s.v. Kälte (H. Graßl).
7
Lexikon der historischen Geographie, 393 s.v. Paß (H. Sonnabend).
8
Ramsauer, S. 64.
9
Sueton, Caes. 56.
10
Livius, V, 33.
11
Noch Isidorus bezeichnet die Landschaft im Ostalpenraum als ager frigidus et parcius fructuosus.
Isidorus, Etym. 14, 4, 5. J. Šašel, Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1,
1990, 564.
12
Fellmeth, 1993, 84.
2
30
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
verkamen wohl bis zu einem gewissen Punkt zu einem literarischen Topos1. Die
Natur wurde pragmatischer behandelt und durch Gewinnmaximierung im
Großgrundbesitz und Rohstoffausbeutung gewissermaßen „entzaubert“. Im Zuge
dessen wurden auch die Hochgebirgsregionen erschlossen und instrumentalisiert.
Sie verloren dadurch an Schrecken2. So konzentrierte sich das Interesse der Römer
an den Alpen weitgehend auf deren verkehrsmäßige Erschließung und Überquerung,
sowie auf deren Ausbeutung im wirtschaftlichen Sinn3. Die Eingriffe in die natürliche
Bergwelt wurden weitgehend positiv bewertet, die Römer bemühten sich nun, den
Schrecken des Gebirges Herr zu werden, die gefährlichen topographischen
Verhältnisse zu beseitigen und die Naturlandschaft Gebirge in eine Kulturlandschaft
Gebirge zu verwandeln4. Die Beherrschung der Natur wird zu einer Antriebsfeder für
das römische Denken und Handeln. So zählt z.B. der Kaiserbiograph Sueton den
Plan des Kaisers Caligula, eine Stadt hoch oben in den Alpen errichten zu lassen, zu
dessen positiven Vorhaben5.
Doch in den Schriftquellen fand diese neue Einstellung nicht immer ungeteilte
Zustimmung: Plinius berichtet für Spanien von der Abgrabung ganzer Berge, der
Umleitung von Flüssen und der Abholzung von Wäldern, um die dort vorhandenen
Edelmetalle zu fördern und kritisiert dies als Frevel an der göttlichen Natur. Für
diesen rächt sie sich mit Naturkatastrophen6. Ähnliche Probleme könnte man sich in
kleinerem Ausmaß auch für die Erzabbaugebiete der Alpen vorstellen.
1.2.2 Der Eintritt der Alpen in das römische Bewusstsein
Bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. hatten die Römer kaum politischen
Kontakt mit dem Alpenraum. Erst mit dem Ausgreifen Roms nach Oberitalien in der
2. Hälfte dieses Jahrhunderts weitet sich der Macht- und Bewusstseinshorizont bis
an den Alpensüdrand aus. Betrachtet man speziell die Ostalpen, war alles, was an
römischen Initiativen in dieser Zeit über diesen Horizont hinaus ging, lediglich auf
Handelsinteressen, vor allem mit dem erzreichen Noricum und entlang der
Bernsteinstrasse, zurückzuführen. Dieser Trend verstärkte sich nachhaltig ab 183/81
v. Chr. als die Kolonie Aquileia gegründet wurde und der Warenverkehr mit den
Kelten im Ostalpenraum einen nachhaltigen Aufschwung erlebte7.
Politisch gesehen legte Rom seine Grenze entlang des Kammes der Karnischen und
Julischen Alpen fest8. Dieser Grundsatz wird bei Livius ganz klar ausgesprochen. Im
Jahre 183 v. Chr. schickte der Senat eine Gesandtschaft zu den ostalpinen Kelten,
die vor Einfällen nach Italien warnen sollte:
„Die Alpen liegen als nahezu unübersteigbare Grenzscheide in der Mitte zwischen
Römern und Galliern; es sei keineswegs sicher, dass diejenigen, die als erste das
1
M. Dolci, BAR IS 1128, 2003, 11.
Fellmeth, 1993, 84.
3
RE I,2 (1894) 1610, 42-45 s.v. Alpes (J. Partsch).
4
H. Sonnabend, Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 5, 1993 (1996)
159.
5
Sueton, Cal. 21.
6
Plinius, n.h. 33, 1f.
7
Fellmeth, 1993, 79.
G. Alföldy, Noricum (1974) 7 spricht noch davon, dass erst mit der Gesandtschaft des Senates an die
Norici im Jahre 186 v. Chr. der erste Römer seinen Fuß nördlich der Karnischen Alpen gesetzt habe.
8
G. Dobesch, Die Kelten in Österreich (1980) 317.
2
31
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Gebirge gangbar machen würden, den Vorteil davon haben würden“ 1.
Im Jahr zuvor waren nämlich Kelten über einen bisher unbekannten Weg von
jenseits der Alpen in das Gebiet des späteren Aquileia eingewandert2. Die Frage, um
welche Route es sich dabei gehandelt hat, beschäftigte seitdem zahlreiche
Forscher3. Wenn Livius von einem bisher unbekannten Weg spricht, so wirft dieser
Satz ein Schlaglicht auf die unterschiedliche Art und Geschwindigkeit, mit welcher
sich die Römer die Ostalpen erschlossen haben: Der Führungsschicht in Rom kann
eIn Alpenübergang dieser Region um 180 v. Chr. unbekannt sein, das schließt aber
nicht aus, dass dieser durch römische Privatleute oder Italiker, etwa zu
Handelszwecken bereits begangen wurde4. Diese Entwicklung verdeutlichte sich
noch im Laufe des 2. Jahrhunderts v. Chr. als mit dem Aufblühen Aquileias der
römische Handel nach Noricum zu florieren beginnt. Dabei spielt ein sozial- und
wirtschaftsgeschichtlicher Aspekt des Problems eine Rolle, der hier bisher
unberücksichtigt geblieben ist: Die Römer, die mit dem inneralpinen Raum Handel
trieben, gehörten wahrscheinlich dem städtischen Dekurionen- oder dem Ritterstand
an5. Ihnen wäre wenigstens eine Erschließung der Passstraßen nach Noricum oder
zumindest eine militärische Sicherung derselben zweifellos gelegen gewesen6. Da
aber die Außenpolitik vom Senat bestimmt wurde und dessen wirtschaftliche
Interessen anders gelagert waren, wurde das Problem der Alpenübergänge im Osten
bis in die augusteische Zeit nicht in Angriff genommen.
Dass die Interessen der Kolonien Norditaliens im Senat in republikanischer Zeit eher
schwach vertreten waren zeigt die Tatsache, dass die frühesten uns bekannten
Senatoren aus Aquileia erst 106 v. Chr. bzw. 90 v. Chr. in Rom aktiv werden7. Bis in
die Zeit des Augustus brachten es generell nur wenige Senatoren Norditaliens bis zur
Prätur8. Die politischen Konflikte der späten Republik hatten es bis dahin unmöglich
gemacht, einen Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen sozialen
Gruppen zu erzielen und sich stärker in den Alpen zu engagieren9. Der Südfuß der
Alpen, bzw. dessen erste Kette, bildete in der Überlieferung die natürliche Grenze
des römischen Territoriums. Alle Gebiete hinter dem Italien am nächsten liegenden
Kamm, waren bereits Teil der Gallia Transalpina und damit trans Alpes, auch, wenn
diese nach heutigem Verständnis mitten in den Alpen oder an deren Südseite
liegen10.
Der Senat betrachtete also am Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. die Übergänge
zwischen Oberitalien und dem keltischen Noricum als (zumindest politisch)
ungangbar. Auch die Wendung von der „nahezu unübersteigbaren Grenzscheide“
1
Livius XXXIX, 54, 11f: denuntient Gallicis populis ... Alpes prope inexsuperailem finem in medio
esse; non utique iis melius fore, qui eas primi pervias fecissent. Übersetzung: G. Dobesch, Die Kelten
in Österreich (1980) 316.
2
Livius, XXXIX, 45, 6: Galli Transalpini per saltus ignotae antea viae, ut ante dictum est,in Italiam
transgressi oppidum in agro, qui nunc est Aquileiensis, aedificabant.
3
Z.B. O. Wanka, Der Verkehr über den Pass von Pontebba-Pontafel und den Perdil im Alterthum und
Mittelalter, Prager Studien 3 (1898) 5. R. Egger, Carinthia 160, 1970, 596ff. Dagegen: H. Vetters, ÖJh
46, 1961-63, 201ff. G. Dobesch, Die Kelten in Österreich (1980) 57ff.
4
G. Dobesch, Die Kelten in Österreich (1980) 70. Vergl. Livius XIV, 17, 8.
5
Fellmeth, 1993, 83.
6
Wenn man etwa an die Episode der, von den Einheimischen um die Mitte des 2. Jahrhunderts v.
Chr. aus Noricum vertriebenen, italischen Goldgräber denkt. Strabon 4, 6, 12. Nach Polybios.
7
Cn. Octavius Ruso, quaestor des C. Marius im Jahre 106 v. Chr., Herkunft aus Aquileia unsicher. Q.
Titius Mutto, triumvir monetalis 90 v. Chr. Herkunft aus Aquileia wahrscheinlich.
8
G. Alföldy, Städte, Eliten und Gesellschaft in der Gallia Cisalpina. = Heidelberger Althistorische
Beiträge und Epigraphische Studien 30, 1999, 261f.
9
Fellmeth, 1993, 83.
10
Haider I, 1993, 223.
32
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
(prope inexsuperabilem finem) suggeriert, dass es sich dabei nicht nur um eine
Abgrenzung der Machtsphäre, sondern auch um eine natürliche/psychologische
Grenze in der Vorstellung der römischen Führungsschichten gehandelt hat1. Das
zeigt sich darin, dass diese immer empfindlich, aber gleichzeitig sehr vorsichtig und
vor allem defensiv auf politische Bewegungen im nordöstlichen Grenzbereich Italiens
reagiert haben2. In dieser Phase gehen politische Impulse vor allem von Seiten der
keltischen Alpenbewohner aus, sei es, indem Gesandtschaften vor dem Senat
auftreten oder den Römern Hilfstruppenkontingente angeboten werden3.
Wirtschaftliche Kontakte zwischen Italien und dem mittleren Donaugebiet sowie den
Kelten in den Ostalpen müssen jedoch bereits für die Zeit vor der Gründung
Aquileias angenommen werden. Wie erwartet spiegelt sich die Nähe des römischen
Reiches, gefolgt von dessen langsamer Expansion, im archäologischen Material der
Ost- und Südostalpen wider4.
Mit dieser Entwicklung war sicher eine Vergrößerung des römischen Wissens über
die geographische, wirtschaftliche und politische Situation im Ostalpengebiet und
darüber hinaus bis an die Donau verbunden. Der römische Horizont erweiterte sich
somit weit über die ersten, trennenden Bergketten zwischen Italien und den
nordöstlichen Regionen hinaus.
Die offiziellen römischen Autoritäten zogen nur langsam nach, etwa durch ein
hospitium publicum mit den norischen Stämmen aus der Zeit um 170 v. Chr..
Dieses hospitium publicum, auf das sich die Römer bei ihrer versuchten Intervention
gegen die Kimbern bei Noreia beriefen, muss nicht einmal mit gestiegenem
römischen Interesse an den ostalpinen Regionen zusammenhängen, sondern könnte
auch mit einer Hinwendung zum illyrisch-pannonischen Raum zu tun haben,
schließlich war erst wenige Jahre vorher (119 v. Chr.) Siscia erobert worden5.
Appian beschreibt diese Art eines Abkommens sinngemäß als eine wenig
verbindliche Form eines freundschaftlichen Vertrages6. Dies findet seinen
Niederschlag in der Politik des 1. Jahrhunderts v. Chr. im Laufe dessen der Senat
immer wieder als defensive Kraft an der Grenze der ersten Alpenketten festhält7.
Bezeichnenderweise kamen neue Impulse erst durch G. Iulius Caesar, der während
seiner Statthalterschaft in den Provinzen Gallia Cisalpina und Illyricum ab 59 v. Chr.
mehrmals in Aquileia überwinterte und sich ein eigenes Bild von der Situation am
Alpenrand bilden konnte. Auf ihn gehen die engere Anbindung der Transpadana,
intensive Bürgerrechtsverleihungen und engere politische Kontakte mit der Führung
des Regnum Noricum zurück8.
Erst mit dem Feldzug unter Augustus wurden die Alpen jedoch ein Teil des
römischen Reiches und das erst nachdem zuerst fast das ganze Alpenvorland unter
Kontrolle gebracht worden ist. Damit waren dann die Vorraussetzungen geschaffen,
aus dem ehemaligen Feindesland und langjährigen Grenzland, einen römischen
Siedlungsraum zu bilden9.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich die Alpen den Römern in zwei
verschiedenen Geschwindigkeiten erschlossen haben: Während die politischen
Führungsschichten der Republik mit Scheu in Richtung Norden blickten und kein
1
G. Dobesch, Die Kelten in Österreich (1980) 317.
J. Šašel, Roman Frontier Studies 1969, 174. Auch: J. Šašel, Opera selecta (1992) 404.
3
Livius XLIII, 5, 1-10. XLIV, 14, 1-2.
4
G. Piccotini, ANRW II 6, 1977, 289ff.
5
Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 39.
6
Appian, Celt. 13,2.
7
G. Dobesch, Die Kelten in Österreich (1980) 320.
8
P., Scherrer, Situla 40, 2002, 12.
9
Fellmeth, 1993, 81.
2
33
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Interesse an einer Expansion über den, Italien am nächsten liegenden, Kamm der
Alpen hatten, engagierten sich die großen Händlerfamilien der nordostitalienischen
Kolonien aktiv bis tief hinein in den Alpenraum und erschlossen ihn dem römischen
Bewusstsein schon lange vor der Eroberung durch die Stiefsöhne des Augustus.
Die Abneigung der führenden Senatorenschicht kann einerseits auf anders gelagerte
wirtschaftliche Interessen zurückzuführen sein, andererseits hatten sich vielleicht
gerade unter den Senatoren im geographisch und klimatisch fernen Rom
überdurchschnittlich lange die psychologisch-kulturellen Vorurteile im Bezug auf die
Alpen, welche im vorigen Kapitel kurz angesprochen wurden, gehalten.
Jene Römer, die im Zuge ihrer Handelsaktivitäten gleichzeitig tief in den östlichen
Alpenraum vorgedrungen waren und dort ständige Vertretungen unterhielten, hatten
im Vergleich zu den Senatoren ein pragmatischeres Verhältnis zu den Alpen. Sie
legten, durch Handels- und Gewinninteressen getrieben, die in den Quellen so häufig
beschriebenen Vorurteile ab und bereiteten den Weg für die vollständige
Erschließung des Alpenraumes in der Kaiserzeit.
1.2.3 Die Rolle der Religion im Gebirge
Der Einfluss der Religion, auf die Art und Weise, wie die Römer den Alpen begegnet
sind, macht sich in vielen Zeugnissen bemerkbar. Dem respektvollen und teilweise
angsterfüllten Verhältnis zwischen Mensch und Gebirge entspricht die Tatsache,
dass auf den Gipfeln, in den Wäldern, Tälern, Schluchten und Quellen viele Götter
und göttliche Wesen angesiedelt wurden1. Die Berge selbst galten in der Antike als
Werk der Götter2. Infolgedessen war ein Eingriff in die Bergwelt (Überquerung,
wirtschaftliche Ausbeutung) ein Akt, bei dem auf die Götter Rücksicht genommen
werden musste. Die zahlreichen Votivfunde und Inschriften geben Auskunft darüber.
Bei dem Pragmatismus im Umgang mit dem Gebirge, wie er oben kurz beschrieben
wurde, handelte es sich um eine Grundtendenz, die den eingewanderten Römern
sicher dabei half, die Alpen als Lebens- und Wirtschaftsraum leichter zu erschließen.
Für das Individuum, wie z.B. den Reisenden, der diese Region durchqueren wollte,
war die eben erwähnte Furcht vor den Naturgewalten und deren göttlichen Ursprung
nach wie vor präsent. Diese Mentalität lässt sich bis in die Spätantike hinein
verfolgen3. So kam es dazu, dass die antiken Menschen verschiedenster Epochen
und Kulturen das Bedürfnis hatten, ihre Götter durch Gelübde gnädig zu stimmen,
bevor sie eine Reise in diese gefährlichen Gegenden unternahmen. Die Römer taten
sich dabei besonders hervor, da ihr Glaube es ermöglichte, verbindliche Verträge mit
ihren Göttern abzuschließen. Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür bilden die bisher
gefundenen 51 Votivtäfelchen von der Passhöhe des Großen St. Bernhard, wo
Reisende in römischer Zeit Bitt- und Dankopfer per itu et reditu darbrachten4. Reste
1
Lexikon der historischen Geographie, 161 s.v. „Gebirge (Berg)“ (H. Sonnabend).
Herodot 7, 129 berichtet, die Thessaler glaubten, dass Poseidon ihre Berge geschaffen habe.
3
H. Sonnabend, Stuttgarter Kolloquium zur historischen Geographie des Altertums 5, 1993 (1996)
155.
4
G. Walser, Summus Poeninus, Historia Einzelschriften 46 (1984) 71f.
2
34
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
eines Passheiligtums dieser Größe kennen wir auf dem Scheitelpunkt einer
römischen Straße in den Ostalpen bisher nicht1.
Dennoch finden sich speziell in diesem Gebiet zahlreiche religiöse Zeugnisse der
Römer, die mit der Überquerung von Pässen in Zusammenhang stehen.
Zum einen lassen sich aus Kleinfunden oder aus Inschriften einige Hinweise
erschließen, zum anderen kann aus den besser erforschten und quellenreicheren
Westalpen einiges an Information übertragen werden.
Hermias weihte seine Straßenbauinschrift auf dem Plöckenpass dem Jupiter
Optimus Maximus, den Göttern der Drei- und Vierwege, sowie dem ganzen
restlichen Pantheon2. Jupiter spielt hier sicher eine ähnliche Rolle wie auf dem
Großen St. Bernhard, er ist der Herr der höchsten Gipfel und für das Wetter
verantwortlich, dem der antike Reisende im Hochgebirge auf Gedeih und Verderb
ausgeliefert war. Ein Weihealtar vom Loiblpass stellt auf einem Seitenrelief
möglicherweise ebenfalls den Jupiter dar und würde damit in derselben Tradition
stehen3. Von diesem Pass kennen wir noch zwei weitere Inschriften4: Sie nennen die
sonst unbekannte Göttin Belestis. Auf Grund des Fundortes an einer Passstraße wird
Belestis als Schützerin der Reisenden im Gebirge gedeutet5. Vom Hochtor am
Großglockner stammt die bekannte Herkulesstatuette, die 1933 gefunden wurde6.
Außerdem kennen wir ein Herkulesbleivotiv und eine Inschrift, die auf ein
Herkulesheiligtum am nördlichen Ausgangspunkt der Straße über den Pontebbapass
hinweisen7. Einen Tempel des Herkules invictus auf dem Danielsberg, am Weg von
Teurnia zum Mallnitzer Tauern, Korntauern und Hochtor, belegen zwei weitere
Inschriften8. Dem Gott der Wanderer brachten die Reisenden in den Ostalpen auf
dem Höhepunkt oder nach Beendigung einer Passüberquerung Dankesgeschenke
dar. Auch aus den Westalpen, vom Großen St. Bernhard, sind zwei Herkulesbronzen
bekannt9. In der Literatur sind außerdem Altäre auf den Alpes Graiae, die Herkules
als erster überquert haben soll, bezeugt10.
Außer diesen Gottheiten, die an und auf Pässen der Ostalpen direkt bezeugt sind,
wurden vor allem Mars, Merkur, Minerva, Silvanus und die Pastores von jenen
Berufsgruppen angerufen, die sich unter ihren Schutz gestellt hatten11.
Die Mehrzahl der Passfunde sind jedoch stumme Zeugen des antiken Glaubens, die
sich keiner Gottheit zuweisen lassen: Auf dem Mallnitzer Tauern fand sich eine
Steinplatte mit Loch, die als Basis für eine kleine Kultfigur in einem Schrein gedient
haben könnte, vom Hochtor stammen dazugehörige Arme und Beine von
Bronzefigürchen, die als Kultstatuetten anzusprechen sind12. Daneben sind es vor
allem Münzen, die auf diesem Pass niedergelegt wurden, ebenso wie am Hochtor,
dem Korntauern, auf dem Sölkpass, dem Seebergsattel oder dem Kreuzbergsattel in
den Gailtaler Alpen. Das Spektrum reicht dabei von republikanischen Denaren bis zu
spätantiken Kleinmünzen. Auch Gegenstände des täglichen Gebrauchs fanden als
1
Das Höhenheiligtum auf der Pillerhöhe ist wahrscheinlich nicht ein Passheiligtum an der Via Claudia
Augusta: M. Tschurtschentaler, U. Wein, Das Heiligtum auf der Pillerhöhe und seine Beziehungen zur
Via Claudia Augusta. In: E. Walde (ed.), Via Claudia. Neue Forschungen (1998) 251f.
2
CIL V, 1863.
3
CIL III, 11539. P. Scherrer, Carinthia 176, 1986, 143f.
4
ILLPRON 654. CIL III, 4773.
5
H. Kenner, ANRW II, 18.2 S.891.
6
H. Kenner, SBWien 125, 1988, 62
7
CIL III, 4718. H. Dolenz, FÖ 40, 2001, 644.
8
CIL III, 4726, 4727.
9
H. Kenner, SBWien 125, 1988, 81.
10
Petronius, sat 122.
11
RGA2 XXII (2003) 447f. s.v. Pässe (A. Lippert)
12
Moosleitner 1997, 25.
35
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Votivgaben Verwendung: Fibeln (Plöckenpass, Gailbergsattel, Hochtor, Krainer Rak1)
oder ein Schreibgriffel (Mallnitzer Tauern).
Im Laufe der Römerzeit treten die Passfunde in verschieden starker Intensität auf:
Kennen wir aus dem 1. Jh. n. Chr. relativ viele Fundmünzen von Passhöhen, nimmt
deren Zahl in der mittleren Kaiserzeit merklich ab2. Im Verlauf der Spätantike steigt
die Zahl der Münzopfer wieder an, um in der 2. Hälfte des 4. Jhs. ihren Höhepunkt zu
erreichen und mit dem Ende jenes Jahrhunderts abzubrechen. Wie erwähnt, deuten
literarische und archäologische Quellen darauf hin, dass das Ende der
Passheiligtümer mit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion unter Kaiser
Theodosius zusammenhängt3.
1
L. Pauli, ANRW 18.1, 1986, 843f.
Das Beispiel des Großen St. Bernhard mit der größten Zahl an Fundmünzen zeigt im 2. Jh. n. Chr.
einen Rückgang der Münzweihungen von ca. 50%: L. Pauli, ANRW 18.1, 1986, 823.
3
A. Lippert, G. Dembski, AKorrBl 30, 2000, 263.
2
36
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
1.3 Die Römer in den Ostalpen: Wirtschafts- und
verkehrsgeschichtlicher Abriss
1.3.1 Das 2. und 1. Jahrhundert v. Chr.
Als Rom nach dem Ende des 2. Punischen Krieges vermehrt sein Interesse auf die
Gallia Cisalpina zu richten begann, nahm die Geschichte der Römer in den Ostalpen
ihren Lauf.
Mit der Übernahme des Siedlungsgebietes der verbündeten Veneter, die sich im
Laufe des 2. Jhs. v. Chr. vollzogen haben muss1, positionierte sich Rom an zwei
wichtigen Dreh- und Angelpunkten für den wirtschaftlichen und verkehrsmäßigen
Anschluss des ostalpinen Gebietes:
181 v. Chr. wurde die Kolonie Aquileia nahe des nördlichsten Punktes der Adria
gegründet2. Sie ermöglichte es, die römische Herrschaft in Nordostitalien fest zu
etablieren, sowie Handelskontakte nach Istrien, in den Ostalpenraum und an die
Donau zu knüpfen.
Etwa zur gleichen Zeit übernahmen die Römer auch die ursprünglich raetische und
euganeische3, später venetische4 Stadt Verona an der Etsch, die ebenso strategisch
wie verkehrsgünstig gelegen war. Von Verona aus wurde schon in vorrömischer Zeit
der Handel mit dem Inneren der Alpen und den noch weiter nördlich gelegenen
Gebieten organisiert5.
Auch wenn sich aus archäologischer Sicht für das 2. Jh. v. Chr. noch kaum intensive
Handelskontakte zw. Rom und den Bewohnern der Ostalpen nachweisen lassen,
beginnen sich mittlerweile aus der Verteilung des spärlichen Fundmaterials erste
Handelswege der Römer nach Norden abzuzeichnen. Von Verona ausgehend ist es
vor allem die Brenner- und Reschenlinie, von Aquileia aus tritt zunächst der
Plöckenpass hervor 6. Auf den Scheitelpunkten dieser Linien zeigen sich neben
eisenzeitlichen auch sehr frühe römische Funde7.
Historisch wird das Einsetzen intensiverer Handelsbeziehungen zw. Rom und den
Bewohnern der Ostalpen mit dem Freundschaftsvertrag von 170 v. Chr. angesetzt8.
Damit begann eine wirtschaftliche Verflechtung, welche im 1. Jh. v. Chr. ihren
vorläufigen Höhepunkt erreichen sollte.
Wie schnell sich diese entwickelte, zeigt die bereits im Kapitel
„wirtschaftsgeschichtliche Quellen“ kurz angesprochene Episode von der Vertreibung
der Italiker aus dem Goldbergbau durch die Taurisker, die sich noch zu Lebzeiten
des Polybios, also wahrscheinlich während des zweiten oder dritten Viertels des 2.
Jhs. v. Chr. abgespielt hatte9. Dass es sich dabei nur um eine vereinzelte Trübung im
1
Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 33.
Livius XL, 34, 2f.
3
Plinius, n.h. 3, 130.
4
Livius I, 1, 2f.
5
Der Neue Pauly 12/2 (2002) 77 s. v. Verona (E. Buchi). Die Kenntnis über das schrittweise
Vordringen römischer Handels- und Siedlungspolitik in die alpinen Bereiche Venetiens, sowie von
Trentino – Südtirol durch wurde zuletzt durch die italienische Forschung stark erweitert. Siehe: D.
Francisci, La romanizzazione dell'area alpina (Trentino - Alto Adige e Veneto): modelli
interpretativi dell'evoluzione insediativa (Diplomarbeit Padova 2004).
6
Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 36, 39.
7
Feil, 1998, 261. Moosleitner 2002, 679. Siehe dazu auch die Kapitel „Die Pillerhöhe“ und „Das
Hochtor am Großglockner“.
8
RGA2 XXI (2002) 325f. s.v. Noricum (H. Ubl)
9
Polybios XXXIV, 10 bei Strabon IV, 6, 12.
2
37
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Verhältnis zw. den Römern und den keltischen Bewohnern der Ostalpen handelte,
zeigt das hospitium publicum, auf welches sich der Konsul Cn. Papirius Carbo im
Vorfeld der Schlacht bei Noreia im Jahre 113 v. Chr. berief1.
Neben den nach Norden führenden Verkehrswegen, weisen die archäologischen
Funde auf eine schrittweise Ausweitung des römischen Einflusses nach Osten hin,
die im 2. Jh. v. Chr. von Aquileia aus einsetzt2.
In der 1. Hälfte des 1. Jhs. v. Chr. verdichten sich sowohl die historischen, als auch
die archäologischen Hinweise auf den Ausbau römischer Verkehrs- und
Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ostalpenraum:
89 v. Chr. wurde Verona mit dem ius Latii ausgestattet und die Stellung der Stadt
somit deutlich aufgewertet3. G. Iulius Caesar trieb in den Jahren nach 59 v. Chr. die
Romanisierung der Gebiete bis an den Südostrand der Alpen durch zahlreiche
Siedlungsgründungen voran. Der Ausbau des Straßensystems ging mit dieser
Entwicklung Hand in Hand, wie z. B. die Lage von Iulium Carnicum an der
Plöckenpassstrasse zeigt4. Zudem soll ab dem Beginn des Gallischen Krieges auf
den verbesserten Verkehrsrouten zw. Noricum und Italien vermehrt Eisen für den
Nachschub Caesars gehandelt worden sein5.
Auch auf den Verbindungen nach Osten zeichnen sich schon vor der Mitte des 1.
Jhs. v. Chr. erste römische Funde bis nach Nauportus und Emona hin ab. Alle
wichtigen Fundstätten römischer Erzeugnisse aus dieser Zeit liegen entlang der
Handelsstraßen, welche die Südostalpen überquerten6.
Unter diesen Einflüssen kam es ab dem fortgeschrittenen 2. Jh. v. Chr. im Alpenraum
zu einem Wandel in Kultur, Ökonomie und Gesellschaft, der sich u. a. im Gebrauch
neuer Werkzeuge, im Aufkommen einer eigenständigen keltischen Münzprägung und
in der Bildung von Großsiedlungen niederschlug7. Politisch geht mit dieser
Entwicklung die Bildung des Regnum Noricum einher, das sich nach der Abwehr der
Boier im Jahre 60 v. Chr. und der Übernahme der Vorherrschaft über deren
Siedlungsraum, nach der boischen Niederlage gegen die Daker im Jahre 45 v. Chr.
formierte.
Für diesen Zeitraum ist auf dem Magdalensberg die Entstehung eines der frühesten
städtischen Zentren in Noricum, von dem aus Handel mit Oberitalien getrieben
wurde, durch archäologische Grabungen nachgewiesen. Im Laufe der folgenden
Jahrzehnte kam es zu einem Zuzug römischer Kaufleute, vor allem Freigelassener
oberitalischer Großhandelsfamilien, die ständig in den größeren und kleineren
Handelszentren Noricums anwesend waren8. Mit dem Aufstieg des Emporions auf
dem Magdalensberg muss auch der Ausbau der Verbindung nach Aquileia über das
Kanaltal und den Pontebbapass in Verbindung stehen. Zusammen mit der Siedlung
auf der Gurina, an der Plöckenpasslinie und mit Nauportus an der Bernsteinstrasse,
bildeten sich Knotenpunkte für den Italienhandel heraus9. Das Hauptinteresse der
Römer galt in der Anfangszeit sicher hauptsächlich Rohstoffen wie Gold, Eisen oder
Edelsteinen10.
1
Strabon V, 1, 8. Appian, Kelt. 13,2.
Horvat, 1995, 36. Siehe auch das Kapitel „Der Birnbaumer Sattel“.
3
Plinius n. h. 3, 138.
4
Winkler, 1985, 9.
5
P. Scherrer, Situla 40, 2002, 12. K. Strobl, Carinthia 193, 2003, 31.
6
Horvat, 1995, 38.
7
O. Urban, Österreichische Geschichte bis 15 v. Chr. (2000) 336ff.
8
P. Scherrer, Situla 40, 2002, 13ff.
9
Genser, 1994, 332.
10
RGA2 XXI (2002) 325 s.v. Noricum (H. Ubl).
2
38
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Unter diesen Vorzeichen vollzog sich die römische Annexion der Ostalpen im Zuge
mehrerer militärischer Aktionen zw. 35 und 9 v. Chr.:
Den Anfang setzte Octavian im Jahre 35 v. Chr., als er die Julischen Alpen
überschritt und im Kampf gegen dalmatische Stämme das Savetal besetzte.
Spätestens im Jahre 23 v. Chr. stießen die Römer von Verona aus über das Etschtal
nach Norden bis Tridentum / Trient vor, 16 v. Chr. drang der Prokonsul P. Silius
Nerva in die Val Camonica und in die Val Trumpia ein1. Ein Jahr später folgte
schließlich der Alpenfeldzug des Drusus und Tiberius, der zur Überquerung des
Alpenhauptkammes und zur Expansion bis ins bayrische Alpenvorland führte2.
Tiberius erweiterte das römische Territorium in der Folge um die noch unbesetzten
Gebiete Illyricums und um Pannonien. Noricum wurde während dieser
Expansionsbewegungen unter relativ geringem Widerstand annektiert3.
Dass diese Feldzüge mit ausgedehnten Infrastrukturmaßnahmen einhergingen, zeigt
die berühmte Inschrift auf dem Meilenstein von Rabland, wonach Drusus bereits
während des Alpenkrieges eine Straße über das Etschtal, den Reschen- und
Fernpass ins Alpenvorland errichten ließ4. Diese dienten zur Versorgung und
Kommunikation mit den Truppen jenseits der Alpen. In diesen Jahren ist aber auch
mit einem sprunghaften Anstieg des zivilen Verkehrs auf den Pässen und
Bergstrassen zu rechnen.
1.3.2 Die Frühe und Mittlere Kaiserzeit
Im Zuge dieser militärischen Aktionen endete also die Eigenständigkeit des Regnum
Noricum. Eine mehrere Jahrzehnte dauernde Okkupationszeit begann, die
besonders für Zentralnorikum und die an den Süden angrenzenden Regionen ein
starkes Zunehmen von Rohstoffausbeutung, Gewerbe und Italienhandel mit sich
brachte5.
Das Verwaltungszentrum in augusteischer und tiberischer Zeit bildete die Siedlung
auf dem Magdalensberg, die sich in der Folge großer wirtschaftlicher Prosperität
erfreute6. Die wichtigen Bergwerke wurden kaiserliches Eigentum (patrimonium) und
an große aquileienser Handelsfamilien verpachtet. Diese besetzten ihre Kontore mit
Freigelassenen, welche den Import/Export-Handel zw. Noricum und dem
Umschlagplatz Aquileia organisierten. Spuren dieser Händler in Form von Inschriften
finden sich vor allem entlang der schiffbaren Flusstäler und an den interregionalen
Hauptstraßen7. Noricum lieferte neben Eisen, Gold und anderen Metallen, vor allem
Wolle, Felle, Leder und Kleidung. Im Gegenzug importierte man aus Italien typische
Erzeugnisse römischer Ess- und Wohnkultur, wie z. B. Terra Sigillata, Glas, Lampen,
Kunsthandwerksprodukte, sowie Wein, Öl, Oliven, usw. (Abb. 05) Die
Handelskontakte reichten aber noch weiter, bis nach Kleinasien und Mauretanien8.
Der eindrucksvolle Fund einer kaiserlichen Goldbarrengussform auf dem
1
Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 59.
Zanier, 2000, 11ff.
3
RGA2 XXI (2002) 327 s.v. Noricum (H. Ubl).
4
CIL V, 8003.
5
G. Alföldy, Noricum (1974) 52.
6
Ebenda, 70ff.
7
P. Scherrer, Situla 40, 2002, 19, 22.
8
RGA2 XXI (2002) 328 s.v. Noricum (H. Ubl).
2
39
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Magdalensberg illustriert die relativ große Bedeutung, die Noricums Wirtschaft für
Rom bereits während der Okkupationszeit erlangen konnte1 (Abb.03).
Im selben Zeitraum vollzieht sich die Entwicklung Raetiens wesentlich langsamer.
Erst während des 2. Jahrzehnts n. Chr. lässt sich ein deutliches Ansteigen der Funde
erkennen. Ebenso, wie in Noricum, etablierten sich römische Siedlungen zuerst
entlang der wichtigsten Straßenverbindungen, hier allerdings aus militärischen
Gründen. Die Verbindungswege von Italien mussten gesichert werden. In der Nähe
von Füssen entsteht am Austritt der Via Claudia Augusta aus dem Gebirge ein
Handelsposten, des weiteren werden entlang der Linie Bodensee – Salzburg eine
Reihe halbmilitärischer Siedlungen gegründet2.
Abb. 4 Waren des norischen Handels
Mit dem Regierungsantritt des Claudius im Jahre 41 n. Chr. beginnt schließlich für
den Ostalpenraum eine entscheidende Phase der Konsolidierung und des
wirtschaftlichen und verkehrspolitischen Aufstiegs.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wird Raetien von einer militärischen Präfektur zu
einer procuratorischen Provinz erhoben, Noricum erhält denselben Rang unter
Claudius3. Damit geht auch die Errichtung der Zollgrenze zw. dem publicum
portorium Illyrici und der quadragesima Galliarum entlang der gemeinsamen
Provinzgrenze einher. Hier wurde vom Staat ein Zoll von 2.5% eingehoben, wie die
bekannte Weiheinschrift des Aetetus aus Partschins überliefert4. Beispiele aus den
Ost- und Zentralalpen haben gezeigt, dass diese und andere Zollgrenzen in der
Folge Einfluss auf die Handelsströme von Italien nach Norden und der Donau
entlang genommen haben. Sie beeinflussten u. a. wie weit und auf welchen Strecken
es lukrativ war, bestimmte Waren über die Alpen zu transportieren5.
1
G. Piccotini, Germania 72/2, 1994, 476ff.
Zanier, 2000, 17.
3
Dietz, 2000, 3. G. Alföldy, Noricum (1974) 78ff.
4
CIL V 5090 = Dessau ILS I 1561.
5
D. Gabler, RCRF 21/22, 1982, 51ff. R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 143.
2
40
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Als Indikator für die sich schnell vollziehende Romanisierung Noricums gilt die
Verleihung des Status eines municipium an mehrere norische Zentren (oppida), die
bei Plinius überliefert ist1: Die Siedlung auf dem Magdalensberg wird aufgegeben
und ins nahe gelegene Zollfeld verlegt. Auch der Name Virunum wird transferiert 2.
Weitere claudische municipia waren Celeia (Celje / Cilli), Teurnia (St. Peter in Holz),
Aguntum (Lienz) und Iuvavum (Salzburg). Diese Zentren waren untereinander durch
ein Straßennetz verbunden, welches wahrscheinlich schon auf wichtige vorrömische
Verbindungen zurückgeht und jetzt noch weiter ausgebaut wurde3.
In Raetien wirkte besonders Claudius durch seine Straßenbauprojekte. Er begann
mit systematischen Arbeiten am Großen St. Bernhard und an der Reschenlinie, er
verbesserte zudem, im Zuge der sukzessiven Befestigung der Donaugrenze, die
Verkehrsverbindungen im Alpenvorland und entlang der Kastellinie im Norden4.
Somit können die ersten Regierungsjahre des Claudius als die wichtigste Epoche
des römischen Straßenbaus im Alpenraum bezeichnet werden.
In Noricum wird während der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. die Romanisierung im
Südteil der Provinz bedeutend vorangetrieben. Wirtschaft und Verkehr nehmen
weiter zu, in den Städten lebt eine romanisierte Bevölkerung zusammen mit
eingewanderten Italikern. Mit Flavia Solva erlangt unter Vespasian eine sechste
Siedlung in Noricum den Status eines municipium. Auch die Zahl der vici nimmt in
diesen Jahrzehnten stetig zu. Nördlich der Alpen und an der Donau geht die
Romanisierung, mit Ausnahme der Gegend um Juvavum, langsamer voran.
Trotzdem vergrößerte der Ausbau der Grenzverteidigung den Transport- und
Kommunikationsbedarf mit Italien und entlang der Grenze5.
Gleichzeitig verdichtet sich zum Ende des 1. Jhs. n. Chr. zunehmend das Netz von
archäologisch greifbaren villae rusticae6, welche die benötigten Nahrungsmittel
produzierten und darüber hinaus auch Rohstoffe wie Holz, Felle, Leder, Wachs oder
Wolle auf den Markt brachten. Besonders für den Raum um Juvavum sind diese gut
nachgewiesen7. Neben Eigenproduktion zur Selbstversorgung behielten Import und
Export weiterhin ihre Bedeutung bei. Handelspartner Nummer eins für den
Ostalpenraum blieb Italien, wie literarische und archäologische Quellen belegen8.
Dass sich der Schwerpunkt der Handelsbeziehungen des Ostalpenraumes von der
Wende des 1. zum 2. Jh. n. Chr. langsam von Italien in die Westprovinzen zu
verlagern begannen, zeigt vor allem der Keramikimport: Italische Sigillata wird von
südgallischer Ware verdrängt, dieser wurden im Laufe des 2. Jhs. zunächst
mittelgallische und schließlich obergermanische Produkte vorgezogen9. Somit
verlagerte sich der Handelsverkehr von den Nord-Süd verlaufenden Straßen zw.
Italien und Raetien / Noricum auf die West-Ost verlaufenden Verbindungen zw.
Gallien/Obergermanien und dem östlichen Alpenraum. Hierbei war die Donau als
Transportweg sicher von großer Bedeutung.
1
Plinius n. h. III, 146.
Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 69f.
3
Winkler, 1985, 11.
4
Walser, 1983, 8. Meilenstein von Rabland: CIL V, 8003.
5
Winkler, 1985, 11.
6
Genser, 1994, 334.
7
Genser, 1994, 343.
8
Zur Nennung des ferrum Noricum in Quellen des 1. Jhs. siehe oben S. 26. Italische Händler in
Südnoricum: P. Scherrer, Situla 40, 2002, 13ff.
9
Heger, 1981, 88. Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 213.
2
41
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Der Wohlstand im östlichen Alpenraum näherte sich Mitte des 2. Jhs. n. Chr.
schließlich seinem Zenit, unter Hadrian erhielten Ovilava und Cetium munizipales
Stadtrecht1.
Der Beginn der Markomannenkriege setzte dieser Phase der Blüte ein abruptes
Ende und führte zu Änderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Verkehr:
Nach dem Einbruch von Markomannen, Quaden und Naristen über die gut
ausgebauten Verkehrswege bis nach Oberitalien und der Zerstörung von Opitergium
(Oderzo)2, wurden die Ostalpen von jahrelangen Kämpfen zw. Römern und
Germanen, sowie von einer durch Soldaten aus dem Orient eingeschleppten Seuche
heimgesucht3. Im Zuge dieser Kämpfe spielten Straßenverbindungen eine
entscheidende Rolle. Es könnte auch zur Neuerrichtung einiger Bergstraßen
gekommen sein4.
Die Folge waren weitreichende Umgestaltungen in Verwaltung und militärischer
Verteidigung: Zwei neue Legionen wurden an der Donau stationiert. Die Bauinschrift
am Lager der legio III Italica concors in Castra Regina stammt aus dem Jahre
179/180 n. Chr., und ca. um die selbe Zeit traf die legio II Italica pia, nach kurzem
Aufenthalt in Albing, in Lauriacum – Lorch ein5. Damit änderte sich der rechtliche
Status Raetiens und Noricums, beide wurden zu sog. „Einlegionenprovinzen“
Provinzen und der aus dem Senatorenstand kommende Legionskommandant zum
Statthalter.
Dies hatte Einfluss auf die Hauptverkehrsrouten über die Ostalpen: In jenen Jahren
beobachtet die archäologische Forschung eine Verlagerung des Verkehrs vom
Reschenpass auf den Brenner6, was mit der Entwicklung des neuen Legionslagers in
Regensburg in Verbindung gebracht wird. Dasselbe Bild bietet sich auch in
Lauriacum und im nahe gelegenen Ovilavis, wo sich nun das militärische
Oberkommando und die Zivilverwaltung Noricums befanden. Die sog. „Norische
Hauptstraße“, von Aquileia nach Lauriacum, wurde damit zur Hauptverkehrader zw.
Italien und den beiden Hauptorten an der Donau7.
Auch wirtschaftliche Veränderungen waren die Folge der Markomannenkriege: Die
Ausbeutung der norischen Bergwerke durch private Pächter (conductores) wurde von
Kaiser Marc Aurel in die Hände eines kaiserlichen Beamten mit Sitz in Virunum
gegeben. Auch die Zollverwaltung und die Regelung des Verkehrs in Noricum kamen
in staatliche Hände8. Nach dem Sieg über die Germanen und der Konsolidierung der
Donaugrenze erholten sich besonders die Gebiete am Limes sehr rasch, da das
Militär einen starken Wirtschaftsfaktor darstellte.
Mit der Machtübernahme der Severer im Jahre 193 n. Chr. begann eine weitere
wichtige Phase für den Ausbau der Verkehrsverbindungen im Ostalpenraum. In diese
Zeit fallen nicht nur groß angelegte Ausbesserungsarbeiten entlang wichtiger
Passlinien9, sondern auch die Neuanlage von Bergstraßen10 und die Errichtung
zahlreicher Meilensteine. Das severische Straßenbauprogramm hängt wohl mit
mehrmaligen großen Truppenbewegungen entlang der Donau zw. 193 und 214 n.
1
Municipium Aelium Cetium: CIL 5658 = 11799 (S. 2286); CIL 5663 = 11806 (S. 2286). Ael. Ovilavae:
CIL 11785, CIL IX 2593.
2
Amm. XXIX, 6, 1.
3
G. Alföldy, Noricum (1974) 152ff.
4
Siehe unten, im Kapitel „Korntauern und Mallnitzer Tauern“.
5
Walser, 1983, 13; K. Genser, Der röm. Limes in Österreich 33, 1986, 126ff.
6
Siehe unten, im Kapitel „Der Brennerpass“.
7
Winkler, 1985, 12ff.
8
RGA2 XXI (2002) 330f. s.v. Noricum (H. Ubl).
9
Siehe unten, im Kapitel „Der Brennerpass“.
10
Siehe unten, im Kapitel „Radstädter Tauern und Laußnitzhöhe“.
42
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Chr. zusammen1. Unter Caracalla (211-217 n. Chr.) wurde außerdem mit Lauriacum
das letzte Mal einer norischen Zivilsiedlung das munizipale Stadtrecht verliehen,
Ovilava wurde zur Kolonie gemacht2.
Mit dem Beginn des 3. Jhs. n. Chr. treten die Ostalpen in die letzte große Phase
römischer Straßenbau- und Erhaltungstätigkeit ein. Caracalla ordnete den Bau einer
Straße iuxta amnem Danuvii zw. Ovilavis und der Grenzsiedlung zu Raetien,
Boiodurum, an3. Sie wurde im Jahre 212 n. Chr. fertig gestellt und diente in erster
Linie militärischen Zwecken. Es folgten reichsweite Ausbesserungs- und
Wiederherstellungsarbeiten des Straßennetzes, welche unter der Regierung des
Maximinus Thrax (235-238 n. Chr.) durchgeführt wurden und durch zahlreiche
Meilensteine belegt sind. Ausschlaggebend waren ebenfalls hauptsächlich
militärische Gründe, denn eine große Zahl von Soldaten sollte möglichst schnell an
alle Krisenherde des Reiches verlegt werden können. Diese Aktivitäten haben
Maximinus Thrax in der Forschung den Namen „letzter Straßenbaukaiser“
eingebracht4.
Im Laufe der akuter werdenden Reichskrise, litten Wirtschaft und Verkehr immer
stärker unter der politischen Unsicherheit. Zahlreiche Germaneneinfälle, interne
Machtkämpfe und ständig steigende Abgaben für die Erhaltung des Militärapparates
und die Instandhaltung des Straßennetzes belasteten vor allem die ländliche
Bevölkerung der Ostalpen. Der Handel nahm besonders ab der Mitte des 3.Jhs.
deutlich ab, die für Raetien und Noricum wichtigen Keramikmanufakturen von
Westerndorf und Pfaffenhofen scheinen im Zuge von Barbareneinfällen zerstört
worden zu sein5. Zudem waren die Verkehrsverbindungen am Limes häufig bedroht
und die Straßen nach Italien wurden nicht mehr so gut in Stand gehalten6. Daneben
kam die römische Währung durch eine jahrzehntelange galoppierende Inflation
immer mehr unter Druck und schadete der Wirtschaft zusätzlich7.
1.3.3 Spätantike und Frühmittelalter
Erst mit dem Regierungsantritt Kaiser Diocletians (284 n. Chr.) kam es auf breiter
Basis zu einer Neuorganisation des Staates nach innen und nach außen. Für die
Ostalpen bedeutete diese Reform vor allem Provinzteilung. Noricum wurde in
Noricum ripensis und Noricum Mediterraneum geteilt, die Grenze verlief entlang des
Alpenhauptkamms. Der Osten Raetiens wurde zur neuen Provinz Raetia Secunda,
der Westen zur Provinz Raetia Prima. Gleichzeitig kam es auch zu einer verstärkten
militärischen Sicherung der Alpenübergänge, wie einige erhaltene spätantike
Kastelle auf Pässen oder an Passstraßen zeigen8.
In ökonomischer Hinsicht bedeutete die Neuorganisation u.a., dass der Staat
zunehmend versuchte, regulierend in die Wirtschaft einzugreifen, um die innere
Stabilität zu erhalten und die allgemeine Versorgung sicherzustellen. Die
1
Walser, 1983, 14f.
Widersprüchlich diskutiert. Zusammenfassend: RGA2 XXI (2002) 331. s.v. Noricum (H. Ubl).
3
CIL III, 5755 = 11846; It. Ant. 249, 2 – 249, 5.
4
Walser, 1983, 15f.; Winkler, 1985, 16.
5
A. Höck, Aspetti del commercio di epoca tardoromana nel Tirolo, in: Attraverso le Alpi, uomini, vie a
scambi nell’antichità (2002) 221.
6
Pöll, 1998, 60, berichtet auf Grund der Grabungsergebnisse aus dem Lermooser Moos, von einer
vorübergehenden Verödung der Via Claudia Augusta in der Zeit zw. 260-270 n. Chr.
7
G. Alföldy, Noricum (1974) 177ff.
8
Siehe z. .B. unten, in den Kapiteln: „Der Brennerpass“ S. 87ff., „Der Seefelder Sattel“ S. 101ff. , „Der
Pontebbapass“ S.181ff. und „Der Birnbaumer Sattel“ S. 243ff.
2
43
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
bekannteste diesbezügliche Regelung stellt das Maximaltarif-Edikt des Diocletian
dar, in welchem etwa 1400 Höchstpreise von Waren und Dienstleistungen festgelegt
sind1.
Aus der ersten Hälfte des 4. Jhs. haben sich wieder einige Meilensteine erhalten,
welche auf Arbeiten an der norischen Hauptstraße2, den Passtrassen des Radstädter
Tauern und des Brenners hindeuten oder zumindest deren Bedeutung für die
kaiserliche Repräsentation belegen3. In Raetien wurde die Via Claudia Augusta ab
Probus (276-282 n. Chr.) für ca. ein Jahrhundert wieder regelmäßiger in Stand
gehalten, ebenso wie andere Bergstraßen weiter westlich4. Dass sich der Charakter
des Verkehrs aber gewandelt hatte, zeigt der Straßengrabungsbefund aus dem
Lermooser Moos: Die ursprüngliche Straßenbreite war in der Spätantike auf beinahe
die Hälfte (3 m) reduziert worden, der Straßenbelag war nicht mehr Schotter,
sondern eine Bohlenlage5.
Allgemein nahm das Fernhandelsvolumen in der Spätantike ab, doch besonders an
Hand von Keramik lassen sich die am meisten frequentierten Verkehrswege dennoch
rekonstruieren: Bereits im Laufe des 3. Jhs. n. Chr. hatte vermehrt der Import von
afrikanischer Keramik eingesetzt. Diese kam vor allem über Aquileia in den östlichen
Alpenraum und wurde mit Hilfe von Flussschifffahrt oder über Land verteilt. Der
Import von Argonnen Sigillata erreichte hingegen nur den Westen und Nordwesten
der Ostalpen6. Offenbar gab es Schwierigkeiten mit dem Transport nach
Binnennoricum oder dieser war nicht mehr rentabel. Der Südteil Noricums scheint
wirtschaftlich grundsätzlich eher Italien zugewandt gewesen zu sein, als der Norden.
Wirtschaft und Verkehr im Ostalpenraum entwickeln sich während des 4. Jhs. n. Chr.
in starker Abhängigkeit der politischen Situation und vor allem der Sicherheitslage.
Funktionierende militärische Kommandostrukturen bedurften vor allem eines
funktionierenden Straßennetzes, um die Versorgung und Führung des Heeres zu
gewährleisten. Waren diese Vorraussetzungen gegeben, konnte sich sowohl der
Lokal-, als auch der Fernhandel frei entfalten, außerdem blieb das Militär weiterhin
ein wichtiger Wirtschaftsfaktor7. Waren diese Bedingungen nicht erfüllt, wie z. B.
durch Usurpationen oder Angriffe von außen, litt auch die Wirtschaft darunter8.
Im Allgemeinen scheint die Lage während des 4. Jhs. relativ stabil geblieben zu sein:
Der Italienhandel ging ununterbrochen weiter, zudem zeigen verschiedene
keramische Produkte norischer Provenienz, dass auch der Binnenhandel noch
funktionierte und es genug Abnehmer für professionell hergestellte Keramik gab9.
In Ufernoricum ändert sich die Lage im fortgeschrittenen 5. Jh. n. Chr. Importe aus
dem Mittelmeergebiet und aus dem Westen werden noch von Eugipp bezeugt10,
diese reißen jedoch mit dem Abzug der Romanen im Jahr 488 n. Chr. ab. In jener
Phase wurde auch die lokale Produktion von Feinkeramik eingestellt und durch
handgemachte Grobkeramik aus Eigenproduktion ersetzt. In Binnennoricum
1
Giacchero, 1974, 1ff.
H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 171-228.
3
Widersprüchlich dazu die Aufgabe der mansio Immurium am Ende der constantinischen Zeit und das
Versiegen der Funde aus Gabromagus im 2. Viertel des 4. Jhs. n. Chr. Siehe unten, in den Kapiteln
„Radtstädter Tauern und Laußnitzhöhe“ S. 201 und „Der Pyhrnpass“ S. 229.
4
Pöll, 1998, 60; Ladstätter, 2002, 321.
5
Pöll, 1998, 55.
6
Ladstätter, 2002, 328ff.
7
RGA2 XXI (2002) 331. s.v. Noricum (H. Ubl).
8
Zu den politischen Ereignissen, welche den ostalpinen Verkehr in der Spätantike beeinflussten,
siehe oben, im Kapitel „Historisch-politische Quellen“ S. 22.
9
Ladstätter, 2002, 330.
10
Siehe oben, S. 26f.
2
44
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
hingegen lässt sich bis ins beginnende 7. Jh. die Einfuhr von mediterraner
Feinkeramik nachweisen 1. Ersteres deutet darauf hin, dass die Kaufkraft der Gebiete
jenseits des Alpenhauptkammes im 5. Jh. nicht mehr ausreichte, um sich diese
Waren zu bestellen. Daneben wurde ab der Aufgabe der Provinz durch Odoaker
keine zentralisierte Straßensicherung und Instandhaltung mehr vorgenommen. Die
südlichen Teile der Ostalpen erlebten hingegen besonders während der ersten
Jahrzehnte des 6. Jhs. nochmals eine Zeit relativer Blüte, die vor allem von reichen
Provinzialen getragen wurde. Diese stellten eine Konsumentengruppe dar, welche
sich bis ins beginnende 7. Jh. mit Feinkeramik und mediterranen Lebensmitteln
versorgen ließ und dadurch den Handel über die Pässe nach Italien für eine letzte
Periode aufrechterhielt2.
1
2
S. Ladstätter, CarnuntumJb 1998, 1999, 60ff.
Ebenda, 62.
45
Die Römer auf den
46
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2 Die Pässe und Passübergänge der Ostalpen:
2.1 Methodische Probleme, Eingrenzung des
Untersuchungsgebietes, Auswahl der Plätze
2.1.1 Methodische Ansätze der Altstraßenforschung
Die Altstraßenforschung gilt unter den archäologischen Teildisziplinen zu Recht als
eine der schwierigsten, besonders in Bergregionen1.
Eine grundlegende methodische Definition der Ziele, Quellen und Möglichkeiten der
Altstraßenforschung im alpinen Bereich stammt von J. Pöll, der sie den
Untersuchungen zur Via Decia durch G. Grabherr vorangestellt hat2.
Er verweist dabei auf die Schwierigkeiten, die dem Archäologen aus dem Gegensatz
zw. einer meist schlechten archäologischen Quellenlage und der Existenz einer
Vielzahl von mehr oder weniger fundierten Hypothesen erwachsen3.
Deshalb muss, um zu ernstzunehmenden Ergebnissen zu gelangen, das
Zusammenspiel archäologischer, epigraphischer, numismatischer und historischer
Quellen die Grundlage aller kritischen Schlussfolgerungen bilden.
Zu diesen primären Quellen zählen:
Antike Straßenkarten und Straßenverzeichnisse, allen voran die Tabula
Peutingeriana und das Itinerarium Antonini.
• Altstraßenreste. Diese stehen im Zentrum des Forschungsinteresses, bringen
aber gleichzeitig eine Reihe von Problemen mit sich: Die Art der
Fortbewegung auf Straßen und Wegen war von der Urgeschichte bis in die
Neuzeit annähernd gleich und hat diese dementsprechend geformt. Die
topographische Situation entlang der Zugänge und auf den Pässen ließ
vielerorts nur wenige Variationsmöglichkeiten zu und führte zur
Weiterbenutzung von bereits vorhandenen Pfaden und Wegen durch die
Römer und bis in unsere Zeit. Dies gilt vor allem für den Regionalverkehr4.
Forschungen zur Bauweise von römischen Passstraßen haben bisher ihren
Schwerpunkt vor allem in den Westalpen und beschränken sich auf die
zentralen Routen über den Großen St. Bernhard oder den Julier. Klassische
Hangterrassenwege, wie sie für die großen römischen Fahrstraßen in den
Westalpen nachgewiesen werden konnten, finden sich in den Ostalpen nur
noch vereinzelt, z.B. am Plöckenpass oder am Mallnitzer- und Korntauern.
Falls es weitere solche Straßen in den Ostalpen gegeben hat, sind sie
wahrscheinlich der nachantiken Weiterbenutzung und Veränderung zum Opfer
gefallen. Dies ist vor allem entlang der wichtigen Verkehrsrouten der Fall.
Grundsätzlich sollte bei jedem dieser befahrbaren Pässe außerdem eine
mögliche Trennung der Linienführung von Wagen- und Fußverkehr
berücksichtigt werden. Nur am Korn- und Mallnitzer Tauern lässt sich dies
bisher vielleicht nachweisen. Aber vermutlich bestand der Großteil der
•
1
Walser, 1983, 38.
J. Pöll, Methodische Ansätze zur Altstraßenforschung in den Alpen. In: G. Grabherr, Die „Via Decia“.
Eine postulierte römische Reichsstraße. (Diplomarbeit Innsbruck 1994) 7-21.
3
Pöll, Methodik, 1994, 7f.
4
Pöll, Methodik, 1994, 14. Besonders für Tirol: A. Planta, VLMTir 60, 1980, 155.
2
47
Die Römer auf den
•
•
•
•
1
Pässen der Ostalpen
römischen Transitverbindungen in den Ostalpen aus Saumwegen, die kaum
Altstraßenreste hinterlassen.
Eine sehr umstrittene Form von Altstraßenresten sind Geleisespuren. Da
diese regional und in verschiedenen Epochen sehr stark variieren können,
wird seit langem diskutiert, ob und inwieweit die Spurbreite von
Wagengeleisen ein datierendes Element darstellt1. Besonders in der älteren
Forschung und in neuzeitlichen Berichten wird im Bereich mehrerer Pässe von
Altstraßenresten und Geleisespuren berichtet, die oft vorschnell in römische
Zeit datiert werden2. Leider lassen sich die Spuren für diese Beobachtungen
heute in vielen Fällen nicht mehr im Gelände wieder finden und somit nicht
beurteilen. Ein sehr repräsentatives Bild ergibt sich, wenn man die bekannten
Geleisereste aus Tirol miteinander vergleicht: Von 21 bekannten Stellen mit
Geleiseresten, datieren 11 mit Sicherheit ins Mittelalter, hingegen nur 3 mit
Sicherheit in römische Zeit, die restlichen 7 Befunde können nicht genauer
eingeordnet werden3.
Gesicherte Reste von Rast- und Wechselstationen entlang von Passstraßen,
wie z.B. Immurium4, Gabromagus 5 oder Ad Pirum6.
Funde und Befunde, die mit religiösen Praktiken auf Passhöhen in
Zusammenhang stehen, wie z.B. am Hochtor7, am Mallnitzer Tauern8, am
Sölk-9 oder am Loiblpass10. Dazu kommen noch Verlustfunde entlang der
Straßen, wie z.B. Schuhnägel, Wagenteile, Münzen oder die zahlreich
vorkommenden Hipposandalen. Beispiele aus dem Einzugsbereich von
ostalpinen Pässen gibt es am Pötschenpass11, in Leermoos12, Gabromagus 13,
Immurium 14 und Ad Pirum15.
Gesicherte Reste von Sperrfestungen am Fuß- oder Scheitelpunkt eines
Passes, allen voran die Anlagen der Claustra Alpium Iuliarum16.
Geländebeobachtungen, Prospektionen und Straßengrabungen, wie z.B. am
Korntauern und Mallnitzer Tauern17. Diese archäologisch erzielten
Erkenntnisse spielten lange Zeit in der Forschung nur eine untergeordnete
Denecke, 1979, 449ff. P. Mayr, Der Schlern 57, 1983, 267f. G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit
Innsbruck 1994) 82ff. Zusammenfassend zuletzt: J. Pöll, Tracce di antiche vie nel Tirolo settentrionale
– „i solchi carrai“, in: Attraverso le Alpi, uomini, vie a scambi nell’antichità (2002) 73-81.
2
Plöckenpass: Grassi, Notizie storiche della Carnia (Udine 1782) 8ff. Pontebbapass: Bulle,
Gleisestrassen, 41.
3
J. Pöll, Tracce di antiche vie nel Tirolo settentrionale – „i solchi carrai“, in: Attraverso le Alpi, uomini,
vie a scambi nell’antichità (2002) 77, 80f.
4
R. Fleischer, AS 4, 1998.
5
P. Assmann (Ed.), Die römische Straßenstation Gabromagus (Windischgarsten) = Studien zur
Kulturgeschichte von Oberösterreich 9, 2000.
6
W. Schmid, ÖJh 27, 1932, Beiblatt 206f. T. Ulbert, Ad Pirum, MBVF 31, 1981.
7
F. Moosleitner, Ein keltisch-römisches Passheiligtum am Glocknerweg (Salzburg). In: Kult der
Vorzeit in den Alpen. Ausstellungskatalog Innsbruck (1997) 25ff.
8
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 251ff.
9
B. Hebert, FÖ 39, 2000, 46.
10
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 276f.
11
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 72.
12
J. Pöll, 1998, 13-15.
13
Ch. Schwanzar, Metall-, Glas- und Beinfunde der Grabungen 1984/85, 1995 sowie Altfunde. In: P.
Assmann (ed), 2000, 37.
14
V. Moucka-Weitzel, Die Kleinfunde von Immurium-Moosham. In: AS 4, 1998, 171.
15
U. Giesler, Die Kleinfunde. In: T. Ulbert, Ad Pirum (Hrusica). MBV 31, 1981, 77.
16
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981.
17
Lippert I, 1993, 11ff.
48
Die Römer auf den
•
•
Pässen der Ostalpen
Rolle1. In der jüngeren Forschung werden verstärkt Grabungen durchgeführt,
um Informationen über Chronologie und Bautechnik der Straßen zu gewinnen.
In Leermoos, auf der Pillerhöhe, am Korntauern und Mallnitzer Tauern sowie
am Pötschenpass führte dies bereits zu Erfolgen2.
Dazu kommen noch zunehmend Luftbildauswertungen, auch wenn diese in
den oft bewaldeten Bergregionen nur unter Einschränkungen einsetzbar sind,
ermöglichen sie über der Waldgrenze eine genaue Aufnahme des Geländes
und eine Reihe von großflächigen Analysen. Anhand eines Beispieles sollen
in dieser Arbeit zusätzlich einige dieser neuen Methoden der Feldforschung
erprobt werden, die bisher in der ostalpinen Altstraßenforschung wenig
Verwendung fanden und für die Zukunft unbedingt ins Auge gefasst werden
sollten3: Eine Luftbildauswertung der heute noch im Gelände erkennbaren
Spuren von Altstraßen am Plöckenpass, in Kombination mit einer GPS
gestützten Begehung. Die ersten systematischen Befliegungen im
Ostalpenraum wurden bereits in den 50er Jahren des 20. Jhs. durchgeführt
und dokumentieren seitdem die starken Veränderungen, die sich durch
anthropogene Einflüsse während der letzten Jahrzehnte ergeben und viele
archäologische Spuren bereits verwischt haben. Auf diese Quellen wird sich
die Forschung in Zukunft vermehrt zu stützen haben.
Schließlich Meilensteine und Bauinschriften, wie am Radstätter Tauern, der
Laußnitzhöhe4, am Pontebbapass5, am Plöckenpass6, am Gailbergsattel(?)7,
sowie am Brenner und am Seefelder Sattel8.
Der gesamte Ostalpenraum stellt mit seiner Vielzahl an sehr heterogenen
Passübergängen ein so großes Forschungsgebiet dar, dass es in dieser Arbeit bei
den meisten Plätzen ratsam erschien, sich nach dem Studium des jeweils bekannten
Materials bei der Thesenbildung sehr zurückzuhalten. Eine Ausnahme bildet dabei
lediglich der Plöckenpass, hier wurden u. a. Vermessungen, Geländebegehungen
und photogrammetrische Auswertungen durchgeführt, die es ermöglichten, die bisher
aufgestellten Theorien kritisch zu prüfen.
1
Denecke, 1979, 470.
Lermoos: Pöll, 1998. Pillerhöhe: Tschurtschenthaler, Wein, 1998. Korntauern und Mallnitzer Tauern:
Lippert I, 1994. Pötschenpass: Wegzeiten, FÖMat 4, Sonderheft 1, 2004.
3
Winkler, 1985, 34.
4
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 15-27.
5
CIL III, 5703.
6
R. Egger, Die Felsinschriften der Plöckenalpe. In: Römische Antike und frühes Christentum.
Ausgewählte Schriften von Rudolf Egger (Klagenfurt 1967) 97-104.
7
Winkler, 1985, 68 Nr. 13.
8
Walser, 1983, 66-73.
2
49
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.1.2 Eingrenzung des untersuchten Gebietes und Auswahl der Plätze
Das Untersuchungsgebiet wurde nicht auf Grund römischer Provinz- oder moderner
Staatsgrenzen festgelegt, sondern unter Berücksichtigung von geographischen
Gesichtspunkten und bisherigen Schwerpunkten in der archäologischen Forschung.
Geographisch gesehen bildet die Linie Allgäuer Alpen – Arlberg – Ortlergruppe eine
günstige Trennlinie zu den Schweizer Alpen und den weiter westlich gelegenen
Bergregionen. Das Untersuchungsgebiet reicht von dort bis zu den nordöstlichen
Ausläufern der Alpen und zum südwestlichen Übergang in das Dinarische
Gebirgssystem. Aus kaiserzeitlicher Sicht sind dies jene Alpenregionen der
Provinzen Raetien und Noricum, die durch Verkehrslinien mit der X. regio Venetia et
Histria verbunden sind.
Aus forschungsgeschichtlicher Sicht bildet der Reschenpass eine Art Grenze
zwischen der schweizerischen und österreichischen Forschung. Ca. 70 km
südwestlich liegt bereits der Julierpass, der Gegenstand intensiver archäologischer
Untersuchungen durch Schweizer Archäologen war1. A. Planta hat sich noch mit dem
Reschenpass und der Via Claudia Augusta beschäftigt2, alle östlicher gelegenen
Pässe wurden hauptsächlich durch deutsche, österreichische, italienische und
slowenische Archäologen und Heimatforscher bearbeitet.
Die Auswahl der bearbeiteten Pässe erfolgte hauptsächlich dem Forschungsstand
entsprechend, da es nicht möglich war, an allen in Frage kommenden Übergängen,
die bisher unbehandelt geblieben oder vernachlässigt worden sind, eigene
Feldforschungen durchzuführen. Dies führte dazu, dass z.B. der Neumarkter Sattel
und Triebener Tauern, die von der via publica Aquileia – Lauriacum überschritten
werden3 und in beinahe jeder Spezialpublikation, die sich mit den römischen Straßen
in Noricum beschäftigt, verzeichnet oder aufgelistet sind4, in keinem eigenen Kapitel
vorgestellt werden, wohingegen z.B. der Nassfeldpass zw. Pontebba und dem Gailtal
behandelt wird, obwohl bisher Hinweise auf eine römische Begehung nur vermutet
werden können5. Dasselbe gilt für die kleinen Übergänge auf dem Territorium von
Aguntum, die hauptsächlich deshalb Erwähnung finden, weil der Autor selbst aus
dem Ager Aguntinus stammt und jene Plätze persönlich kennt.
Die verschiedenen Pässe sind nach Möglichkeit so angeordnet, dass sie zu
Passzügen zusammengefasst werden können. Unter einem Passzug versteht man
eine Reihe von Übergängen, welche zur Überwindung eines breiten Gebirges
begangen werden müssen6. Dies ist ein typisches Charakteristikum der Ostalpen.
Die Ostalpen sind in ihrem Aufbau relativ einfach strukturiert: Die innere Zone
besteht aus Urgestein und hat die Form von hohen Gebirgskämmen. Sie ist Wasser
und Wetterscheide. Die Längstäler laufen normalerweise in ostwestlicher Richtung
und trennen im Norden und Süden gleichlaufende Kalkgebirge ab. Die Längs- und
1
A. Planta, HA 7, 1976, 1ff. C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 34ff.
A. Planta, VLMTir 60, 1980, 155-187. Ders., Verkehrswege im alten Raetien, 3. Neues von der Via
Claudia Augusta (Tirol). Zum Verlauf der neuen Via Claudia Augusta bei Zirl (Tirol). Eine wichtige
Alpentransversale in ihrem Schnittpunkt mit dem untersten Engadin.(Chur 1987).
3
H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 212ff.
4
z. B. Winkler, 1985. G. Grabherr, Michlhallberg (2000) Abb. 64.
5
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 133.
6
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 120.
2
50
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Quertäler prägen das Straßennetz seit jeher. Deshalb sind die Ostalpen für den
Verkehr so durchlässig, wie kein zweites europäisches Gebirge1.
Der geomorphologische Aufbau der Alpen wird durch diese Längs- und Quertäler
bestimmt. Längstäler folgen dem Faltenverlauf des Gebirges, Quertäler führen an die
Kämme der einzelnen Gebirgsketten heran und spielen wegen ihrer Kürze und trotz
ihrer Enge eine große Rolle für den Alpenverkehr2.
Die Pässe im östlichen Alpenraum lassen sich jedoch nicht immer zu Passzügen
gruppieren. Vielmehr bietet sich häufig ein Nebeneinander von mehreren
Übergängen mit unterschiedlicher Bedeutung für den antiken und modernen Verkehr.
Deshalb werden im Folgenden die Passzüge und Einzelpässe in einer Reihe, von
Westen beginnend, nach Osten und Südosten verlaufend, vorgestellt.
1
2
H. Nusser, Die Geomorphologie der Alpen (1997) 127.
H. Nusser, Die Geomorphologie der Alpen (1997) 111.
51
Die Römer auf den
52
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2 Pässe und Passzugsysteme
2.2.1 Passzugsystem Verona-Augusta Vindelicum 1
53
Die Römer auf den
54
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
2.2.1.1
•
Pässen der Ostalpen
Der Reschenpass
Topographie
Der Reschenpass (1504m) bildet den Endpunkt des Etschtales und ermöglicht einen
relativ niedrigen Übergang über den Alpenhauptkamm. Durch den ca. 50km langen
Abschnitt des Vischgaues, der in ost-westlicher Richtung verläuft, ist der
Zugangsweg von der norditalienischen Ebene bis zur Passhöhe jedoch besonders
lang. Erst ab Mals wendet sich das obere Etschtal wieder in Nord-Süd Richtung und
bildet mit dem Tal des Stillerbaches, welcher in den Inn abfließt, eine gerade Linie.
Die Passhöhe hat den Charakter einer breiten Einsattelung, die sich wahrscheinlich
durch eiszeitliche Gletschertransfluenz gebildet hat. Das Gefälle nach Süden ist
deshalb relativ gering, mehrere Seen konnten entstehen. Der Abstieg auf der
Nordseite ist im ersten Abschnitt wesentlich steiler, doch schließlich kann über das
obere Inntal und den Fernpass das nördliche Alpenvorland in sehr direkter Linie
erreicht werden.
Abb. 5 Geländeschnitt Reschenpass S-N
•
Forschungsgeschichte
Betrachtet man den Reschenpass vor dem Hintergrund der Erforschung der Via
Claudia Augusta, so reicht das Interesse der Wissenschaft an diesem Übergang
schon bis an den Beginn der Neuzeit zurück, als mit der Auffindung des Meilensteins
von Rabland die Existenz einer römischen Straße über den Reschen bekannt wurde.
Seitdem hat sich eine so große Zahl von Althistorikern, Archäologen und
Lokalforschern über deren Verlauf geäußert, dass es kaum mehr möglich ist, eine
Übersicht darüber zu geben1.
Ein Großteil der Forschung des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jhs. beschäftigte
sich vor allem mit der Auswertung und Interpretation der schriftlichen und
epigraphischen Quellen. Geländebegehungen oder archäologische Arbeiten blieben
dahinter zurück2. Besonders zu nennen ist hier W. Cartellieri, der in seinem Werk
über die römischen Alpenstraßen für den Reschen eine erste historischarchäologische Untersuchung vorgelegt hat3. Die erste rein geländebezogene Arbeit
1
E. Walde, Bemerkungen zum Ausgangspunkt der Via Claudia Augusta, in: E. Wlade (Ed.) Via
Claudia, Neue Forschungen (1998) 309.
2
H. Wopfner, Tiroler Heimat N.F.IV, 1931, 125. W. Dondio, Der Schlern 47, 1973, 98.
3
W. Cartellieri, Die römischen Alpenstraßen. Philologus Supp. Bd. XVIII, 1 (1926) 78ff.
55
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
zum Reschenpass stammt von A. Planta, der von Burgeis bis Nauders immer wieder
Altstraßenreste lokalisieren konnte und beschrieben hat1. (Abb. 10) Seit der
Entdeckung des Heiligtums auf der Pillerhöhe, dem Beginn der systematischen
archäologischen Erforschung der Via Claudia Augusta und im Zuge des Innsbrucker
Projektes „Probleme der Altstraßenforschung- Passübergänge- Höhenheiligtümer“
hat auch das Wissen zum Handel und Verkehr über den Reschenpass
zugenommen2: Im Zuge dessen hat P. Fliri die römischen Funde aus dem Vinschgau
vorgelegt3, A. Höck tat dasselbe auf der Nordseite des Passes4.
Da die Erforschung der Via Claudia Augusta noch in vollem Gange ist, sind auch
zum Reschenpass in Zukunft noch weitere Ergebnisse zu erwarten.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Das bekannteste Zeugnis für die Existenz einer antiken Passstraße über den
Reschen ist der Meilenstein aus Rabland,
der 1552 nach einem Hochwasser entdeckt
wurde5.
(Abb.
06)
Sein
Standort,
zusammen mit seiner Inschrift, sind sichere
Beweise für den Verlauf einer via publica
über den Reschenpass. Das Formular gibt
darüber hinaus noch Auskunft über die
erste Trassierung und über den Zeitpunkt
des Ausbaus der Straße zu einer
staatlichen Fernverbindung.
Die archäologische Forschung über die
römische Passstraße auf den Reschen
(und über den zum gleichen Passzug
gehörigen
Fernpass)
kann
seither
versuchen, diese Fakten im Fundmaterial
und durch Befunde zu bestätigen. Es ergibt
sich dadurch die Möglichkeit, in der
Entstehungszeit
dieser
Straße
die
archäologische Evidenz mit Hilfe der
historisch - epigraphischen Überlieferung
zu deuten6. Was das spätere Schicksal der
Reschenlinie betrifft, ist die Situation genau
umgekehrt: Epigraphische Zeugnisse sind
nicht vorhanden und auch in den Itinerarien
Abb. 6 Der Meisenstein von Rabland
ist sie nicht verzeichnet. Hier kann die
archäologische
Forschung
wertvolle
1
A. Planta, Neues von der Via Claudia Augusta. In: VLMTir 60, 1980, 155-187.
E. Walde, Via Claudia, Neue Forschungen (1998) 9.
3
P. Fliri, Meran und Umgebung in römischer Zeit (Diplomarbeit Innsbruck 1998)
4
A. Höck, Römische Kleinfunde im Bereich der Via Claudia Augusta (VCA) zwischen Nauders und
Vils und die römische Siedlung bei Karres. In. E. Walde (Ed.), Via Claudia. Neue Forschungen (1998)
177-221.
5
CIL V, 8003. K. M. Mayr, Der Schlern 39, 1965, 157.
6
Die Ausgangslage ist am Reschen (und auch am Fernpass) somit genau umgekehrt wie z. B. am
Brennerpass, wo über die Frühzeit der Straße nicht viel bekannt ist und sich die Forschung auf
archäologische Erkenntnisse stützen muss, wohingegen die verschiedenen Entwicklungsphasen in
den späteren Jahrhunderten römischer Herrschaft durch historisch - epigraphische Quellen
einigermaßen beleuchtet sind.
2
56
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Erkenntnisse liefern1.
Im Vinschgau haben sich einige Funde erhalten, welche die römische Präsenz auf
der Südseite des Reschenpasses dokumentieren. Für die Verkehrsgeschichte ist ein
Meilenstein zu nennen, der in der Nähe von Eyrs, im oberen Vinschgau gefunden
wurde, jedoch modern umgearbeitet ist und somit auch nicht untersucht werden
konnte2. Folgende publizierte und datierte Funde sind bekannt: Aus vorrömischer
Zeit zwei republikanische Münzen aus Algund (2./1. Jh. v. Chr.)3. Aus dem 1. und 2.
Jh. n. Chr. gibt es den Meilenstein aus
Rabland, einen Grabstein aus Partschins4,
eine Fibel aus Trafoi5 sowie einen
Grabstein und einen Aphroditekopf aus
Mals 6. An den Anfang des 3. Jhs. datiert ein
Diana-Altar aus Partschins7 und aus der
Spätantike stammen Reste eines römischen
Gebäudes unter der Prokulus-Kirche aus
Naturns8.
Zwischen Mals und dem nördlich des
Reschen gelegenen Nauders gibt es keine
römischen Funde.
Gesicherte
römische
Siedlungen
im
Vinschgau befinden sich in Partschins und
Mals, daneben gibt es Hinweise auf
römerzeitliche Bauten aus Naturns, Latsch,
Kortsch und Schluderns9.
Betrachtet man die Münzreihe aus dem
Vinschgau, dann fällt auf, dass sich fast ¾
der Gepräge aus der Zeit zw. dem 1. Jh. v.
und 2. Jh. n. Chr. datieren lassen. Damit
zeigen sie die vorrömische Handelsroute
an,
die
sich
z.B.
auch
durch
spätrepublikanisches
Importgut
vom
Ganglegg bei Schluderns greifen lässt10. Abb. 7 Römisches Gebäude vom
(Abb. 07) Die chronologische Verteilung der Ganglegg
Münzen dokumentiert außerdem die stetige
Bedeutungszunahme der Via Claudia Augusta bis ins 2. Jh. n. Chr., die auch nördlich
des Reschen festgestellt werden konnte11.
Nördlich des Passes bietet sich ein ähnliches Bild: Vom Burghügel in Nauders
stammen drei Münzen, eine des Domitian, eine des Antoninus Pius und eine des
1
Besonders wichtig sind hierbei die Grabungen von Leermoos und am Piller Sattel
Fliri, 1998, 215.
3
Fliri, 1998, 181. 299. Diese zeigen zusammen mit der republikanischen Münzreihe vom Piller Sattel
(Feil, 1998, 261.), dass es über den Reschenpass schon gut ein Jahrhundert vor der Eroberung der
Alpen hier Handel durch oder mit Römern gegeben hat.
4
CIL V, 5089.
5
Fliri, 1998, 298, Anm. 15. Zeigt zusammen mit den etruskischen Kriegerstatuetten möglicherweise
eine Verbindung über das Stilfser Joch nach Süden an.
6
CIL V, 5091. V. Innerkofler, die römische Steinplastik in und aus Südtirol. (Diplomarbeit Innsbruck
1995) 44ff. Fliri, 1998, 226ff.
7
CIL V, 5090.
8
Fliri, 1998, 202.
9
H. Steiner, P. Gamper, Der Schlern 75, 2001, 381ff.
10
H. Steiner, P. Gamper, Der Schlern 74, 2000, 661.
11
Pöll, 1998, 59.
2
57
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Constantius II.. Daneben wurden 1956 zwei Körpergräber freigelegt, die durch
Amphorenfragmente ins 1./2. Jh. n. Chr. datiert werden konnten1.
Nauders wird mit dem bei Ptolemaios genannten Inoutrion gleichgesetzt2. W.
Cartellieri vermutet hier eine mansio mit Zollstation, auch R. Heuberger interpretiert
die Siedlung als Straßenstation, die vielleicht kultische Bedeutung als Passheiligtum
gehabt haben könnte3. Es lässt sich aber weder die Benennung des von Ptolemaios
nicht weiter beschriebenen Ortes, noch ein Kultplatz nachweisen. Von Nauders aus
reihen sich die römischen Funde entlang der Via Claudia Augusta den Inn abwärts
aneinander4: Aus Pfuns stammen Brandgräber unbestimmten Alters, aus Serfaus ist
ein Denar des Vespasian (geprägt 74 n. Chr.) bekannt, daneben eine Münze des
Hadrian und ein stark abgenutzter As des Septimius Severus (geprägt 196/97 n.
Chr.). Aus Ried im Oberinntal gibt es ebenfalls Münzfunde, ein Exemplar des
Gordianus III. (238-244 n. Chr.) und ein Stück des Constantinus (330-337 n. Chr.)
geprägt. In Faggen wurden 1993/94 und 1996 ein gestempelter Terra Sigillata Teller
aus Westerndorf, eine Lavezschale und zwei Bodenfragmente oxidierend gebrannter
Keramik ausgegraben. Um Landeck konzentrieren sich zahlreiche Kleinfunde und
auch Mauerreste, die auf das Vorhandensein einer größeren Siedlung hinweisen5.
Abb. 8 Altstraßenreste zw. Burgeis und St. Valentin
Altstraßenreste, bzw. andere Hinweise auf den konkreten Verlauf der Passstraße
über den Reschenpass gibt es kaum, Rast- und Wechselstationen konnten bisher
auch nicht lokalisiert werden, auch wenn Cartellieri Mals als den natürlich geeigneten
Platz für die letzte mansio südlich der Passhöhe bezeichnet. Er argumentiert mit der
geographischen Lage am Eingang ins Münstertal, über welches man ins Addatal
gelangen konnte und mit dem Hinweis, dass hier im Mittelalter ein beliebter
Übernachtungsort für Reisende gewesen sei. Dieselben Argumente gelten auch für
Nauders, das XVII m.p. (25km) von Mals entfernt liegt und ebenfalls mittelalterliche
Raststation an der Reschenstraße war 6. Vergleicht man den Vinschgau mit dem
ähnlich orientierten Pustertal, so fällt auf, dass dort die mansiones beide Male an der
1
Höck, 1998, 193.
Ptolemaios II, 12.
3
Cartellieri, Alpenstraßen 79f. R. Heuberger, Der Schlern 22, 1948, 65f.
4
Höck, 1998, 193ff.
5
Höck, 1998, 194f.
6
Cartellieri, Alpenstraßen 78f.
2
58
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Abzweigung zu Seitentälern mit Pässen liegen1. Darüber hinaus sprechen auch die
qualitätsvollen Funde aus Mals für die Existenz einer größeren Siedlung. A. Planta
lokalisiert die Straße ab Burgeis, südlich des Passes, am Westufer der Etsch, leicht
erhöht am Hang verlaufend. Er konnte dort an einer Stelle Reste von breit
ausgefahrenen Geleisen mit 1 m Spurbreite dokumentieren. (Abb. 08) Er interpretiert
diese als ursprünglich römisch (1.07 m Spurweite)2. Seit 1140 besteht in der Nähe
der Passhöhe das Hospiz St. Valentin, für welches es jedoch keinen antiken
Vorgängerbau gibt3. Falls sich auf der Passhöhe irgendwelche Straßenreste erhalten
haben, kann man annehmen, dass diese vom modernen Stausee bedeckt worden
sind.
Die nächsten Hinweise auf Reste einer römischen Passstraße stammen bereits von
der Nordseite, zw. Nauders und Finstermünz, wo unterhalb der 1720 gebauten und
im 19. Jh. aufgegebenen Reschenstraße ein Felseinschnitt einer älteren Trasse von
Abb. 9 Finstermünz: Altstraßenreste nach Planta
A. Planta entdeckt wurde. Diese ist auf alle Fälle vor 1720 errichtet worden, ob in
römischer Zeit oder im Mittelalter, bleibt offen4 (Abb. 09).
Unweit nördlich dieser Stelle überquert die Straße den Inn auf der Finstermünzer
Brücke. Planta setzt die erste Brücke an dieser Stelle mit der Erbauung der Via
Claudia Augusta an. Von dort bis zur Pontlatzer Brücke ist die römische Straße mit
den späteren Trassen gleichzusetzen, erst dann steigt sie auf die 200 m höher
1
Cartellieri, Alpenstraßen 34. Dal Ri, 1990, 613. R. Constantini, Sebatum. In: Città Romane 4
(=Atlante tematico di topografia antica XII Supplemento 2002) 120.
2
A. Planta, VLMTir 60, 1980, 155f.
3
Cartellieri, Alpenstraßen 79.
4
A. Planta, VLMTir 60, 1980, 159.
59
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
gelegene Terrasse von Fliess, während die späteren Straßen weiter im Tal
verlaufen1. Dort überquert die Via Claudia Augusta die Fliesser Platte, auf der sich
mehrere Geleiserillen mit unterschiedlicher Spurbreite erhalten haben. (Abb. 11)
Zwei Paare sind 1.07 m, ein Paar 1.0 m breit, im Fels oberhalb der Spuren ist die
Jahreszahl 1666 eingemeißelt. Planta datiert die beiden Geleise mit 1.07 m in
römische Zeit und das Geleis mit 1.0 m ins 17. Jh.2. Von hier führt die Via Claudia
Augusta schließlich nach Landeck.
Als Passfußstation im Norden würde sich Landeck-Perjen anbieten, das rund XXXII
m.p. (47.5 km) von Nauders entfernt liegt. Neben den bereits erwähnten Funden
spricht auch die geographische Lage für diese Lokalisierung3.
Abb. 10 Altstraßenreste nach A. Planta
1
A. Planta, VLMTir 60, 1980, 167.
Planta, 1987, 29, 34.
3
Cartellieri, Alpenstraßen 80f.
2
60
Allein durch die Funde
und Befunde entlang
der vermuteten
Passstraße über den
Reschen lassen sich
keine konkreten
Aussagen über die
Chronologie dieser
Straße während der
römischen Kaiserzeit
machen.
Die
spätrepublikanischen
Waren vom Ganglegg,
südlich des Reschen,
zusammen mit
republikanischen
Denaren und keltischen
Münzen von der
Pillerhöhe, nördlich des
Passes, zeichnen ein
deutliches Bild des
Verkehrs und Handels
über das
Reschenscheideck im
2. und 1. Jh. v. Chr..
Um
zu
einer
Chronologie
dieser
Verbindung
in
der
frühen und mittleren
Kaiserzeit zu kommen,
bietet es sich an, für
den Reschen und den
Fernpass
die
dendrochronologischen
Ergebnisse
der
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Grabungen im Lermooser Moos heranzuziehen1.
Die erste Trasse der Via Claudia Augusta über den Reschen wurde von den
Soldaten des Drusus im Jahre 15 v. Chr. angelegt, sie lässt sich aber in Lermoos
nicht nachweisen. Das kann daran liegen, dass Drusus lediglich den bereits
bestehenden, latènezeitlichen Weg für das Heer ausbessern ließ und erst sein Sohn
Claudius die neue Straße ausbauen ließ2.
Der Ausbau der Straße zu einer via publica wird nach den ältesten Bauhölzern im
Lermooser Befund ins Jahr 46 n. Chr. datiert und stimmt somit mit der Bauinschrift
des Claudius auf dem Meilenstein von Rabland überein3. Im Laufe des 2. Jhs. n. Chr.
sind regelmäßige Reparaturen festzustellen, außerdem haben sich auf einigen der
eingebauten Hölzer Radspuren mit einer Breite von 1.06 m erhalten. Dies deutet auf
eine gut funktionierende Instandhaltung und eine starke Frequentierung der Straße
während des 2. Jhs. n. Chr. hin4.
Eine Änderung ergibt sich nach 180 n. Chr.: Die Fahrbahn befindet sich in einem
schlechten Zustand und wird jahrzehntelang nicht repariert, mehrere verlorene
Hipposandalen zeigen, dass es für Saum- und Zugtiere zunehmend schwierig wurde,
sich auf der Straße fortzubewegen5. Es ist dies die Zeit nach den
Markomannenkriegen, in der mit dem Ausbau der Brennerroute und der
Stationierung einer Legion in Regensburg, die Verkehrsströme zunehmend von der
Via Claudia Augusta nach Osten abgelenkt wurden6. Diese Entwicklung gipfelt in
einer zeitweißen Unbenützbarkeit der Straße um 260/70 n. Chr., als es immer wieder
zu germanischen Vorstößen über die Pässe nach Oberitalien kommt7. Ein
Münzschatz aus Imst könnte mit einem solchen Ereignis in Verbindung stehen, wird
aber innerhalb des 3. Jhs. unterschiedlich datiert8.
Im letzten Viertel des 3. Jhs. kommt es wieder zu einer Bedeutungszunahme der Via
Claudia
Augusta.
Die
Versorgungslager
von
Teriolis / Zirl und Foetibus /
Füssen werden errichtet9,
Befestigungen
und
Infrastrukturverbesserungen
an den Hauptverkehrsrouten
durchgeführt.
Diese
erreichen
ihren
letzten
Höhepunkt unter Valentinian
I. (364-375 n. Chr.) und
beziehen auch Passstraßen
mit ein, wie eine Bauinschrift
am Plöckenpass zeigt10. In
Lermoos
stammen
die
Spuren
letzter
Ausbesserungsarbeiten aus
Abb. 11 Die Fliesser Platte
1
Pöll, 1998, 49ff.
CIL V, 8003. Pöll, 1998, 56 Anm. 194.
3
Pöll, 1998, 53f.
4
Pöll, 1998, 54f.
5
Pöll, 1998, 55.
6
Pöll, 1998, 59. Siehe unten, im Kapitel „Der Brennerpass“.
7
Pöll, 1998, 60.
8
Höck, 1998, 195 Nr. 15
9
Not. Dig. (Ed. O. Seek, 1876) OC. XXXV, 11.
10
Egger, 1962, 204.
2
61
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
dem Jahr 374 n. Chr.1. Die Straße über den Reschenpass hat das Ende der
römischen Herrschaft sicher noch einige Zeit überdauert, ist aber wahrscheinlich
wegen mangelnder Wartung im Hochgebirge sicher bereits nach einigen Jahren nur
noch eingeschränkt passierbar gewesen und schließlich aufgegeben worden.
1
Pöll, 1998, 60.
62
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
63
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Abb. 12 Via Claudia Augusta und Pillerhöhe
64
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.1.2 Die Pillerhöhe
•
Topographie
Der 1560 m hohe Übergang über den Pillersattel liegt an der Ostseite des oberen
Inntals und verbindet die heutige Ortschaft Fließ im Inntal mit dem östlich parallel
verlaufenden Pitztal. Das hier freigelegte Höhenheiligtum liegt am Kreuzungspunkt
der Hohlwege von Piller nach Fließ und von Wenns ins Pitztal. Dieser Weg über die
Pillerhöhe ermöglicht eine Umgehung der schwierigen Innschlucht südlich von
Landeck und kürzten außerdem die Strecke von Prutz nach Imst (Verlauf der Via
Claudia Augusta) um mehrere Kilometer ab1.
Abb. 13 Geländeschnitt Pillerhöhe
•
Forschungsgeschichte
Die Forschungsgeschichte zur Pillerhöhe ist relativ jung, doch ausgesprochen
intensiv und bis heute nicht abgeschlossen: Das Höhenheiligtum wurde am 6. Mai
1992 von K. Erhart und F. Neururer entdeckt und von diesem Jahr an in jährlichen
Kampagnen bis 1997 durch das Institut für Klassische Archäologie der Universität
Innsbruck untersucht2. Dabei beschränkte man sich nicht nur auf das Heiligtum
selbst, sondern erforschte auch die Altwege in dessen Umgebung und versuchte das
Verhältnis zur unweit nördlich vorbeiziehenden Via Claudia Augusta zu klären3. Die
sich ergebenden Fragestellungen auch im Mittelpunkt einer topographischen
Aufnahme der Altwege um den Piller Sattel, welche im Jahr 2001 in Angriff
genommen wurde und sich die Dokumentation und Erfassung der Wegverbindungen
rund um das Heiligtum zum Ziel gesetzt hat4.
1
E. Walde, M. Tschurtschenthaler, PAR 43-44, 1993-94, 25.
Ersterwähnung: E. Walde, FÖ 31, 1992, 463. E. Walde, M. Tschurtschenthaler, PAR 43-44, 1993-94,
25f.
3
M. Tschurtschenthaler, U. Wein, Das Heiligtum auf der Pillerhöhe und seine Beziehungen zur Via
Claudia Augusta. In: E. Walde (ed.), Via Claudia, Neue Forschungen (1998) 226-259.
4
J. Pöll, FÖ 40, 2001, 74-79.
2
65
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Die archäologischen Hinterlassenschaften
Der Brandopferplatz auf der Pillerhöhe geht mit seinen ältesten Funden bis in die
mittlere Bronzezeit zurück und besteht im Kern aus zwei großen
Verbrennungsplätzen, einem Depot für die Opferreste und einem Bereich für die
Opfernden1 (Abb. 14). Bis zum Übergang von der Hallstadt- zur Latènezeit wurden
vor allem Haustiere und pflanzliche Nahrungsmittel geopfert, bis zur mittleren
Latènezeit folgten vor allem Trachtzubehör, Schmuck und Werkzeug, bevor der
Brandopferplatz zw. 410 und 260 v. Chr. zeitweilig aufgegeben wurde oder sich
zumindest das Opferbrauchtum verändert hat2.
Abb. 14 Der Brandopferplatz auf der Pillerhöhe
Aus dem Jahr 133 v. Chr. stammt die erste römische Münze von der Pillerhöhe, ein
Denar des Publius Calpurnius. Die republikanische Münzreihe reicht bis zu einigen
Denaren und Quinaren des M. Porcius Cato aus dem Jahr 47/46 v. Chr.3. Diese
Münzen stammen alle aus der Zeit vor der ersten Trassierung der Via Claudia
Augusta im Zuge des Alpenfeldzuges 15 v. Chr. und deuten wahrscheinlich auf
1
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 229.
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 236f.
3
Feil, 1998, 261.
2
66
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Handelskontakte zum norditalienischen Raum hin. Sie fanden sich zusammen mit
keltischen Münzen aus der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. (Latène D1), die vor allem im
Bereich zw. Ostgallien und Bayern geprägt wurden und in der Schweiz und
Süddeutschland häufig zu finden sind1. Dies könnte darauf hinweisen, dass sich im
1. Jh. v. Chr. der römisch-keltische Handel zw. Norditalien und dem süddeutschen
Voralpengebiet verstärkt über die Reschen-Route bewegte.
In dieser Phase beginnt der allmähliche Wandel von Sach- zu Münzopfern, der sich
bis in die Spätantike fortsetzt. Die römische Eroberung hinterließ keine Spuren am
Heiligtum, die Reihe der augusteischen Münzen kann nicht in eine Phase vor und
nach der Eroberung unterteilt werden, Weihungen von Münzen des Tiberius und des
Claudius zeigen eine ungestörte Kontinuität bis in die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. Von
da an nimmt die Zahl der Opfergaben im Heiligtum bis zur ersten Hälfte des 3. Jhs.
kontinuierlich ab2.
Eine letzte Blüte erlebt der Opferplatz in der Spätantike: Fast 850 Gepräge aus der
Zeit zwischen der Mitte des 3. Jhs. und dem Ende des 4. Jhs. wurden ausgegraben.
Der Großteil stammt aus der 1. Hälfte des 4. Jhs. Die jüngste Münze in der Reihe ist
ein Centenionalis des Kaisers Arkadius aus dem Jahre 395 n. Chr.3.
Das Heiligtum auf der Pillerhöhe steht
geographisch in engem Zusammenhang mit
der nahen Via Claudia Augusta. Diese
führte
höchstwahrscheinlich,
vom
Reschenpass kommend, knapp südlich am
Talboden vorbei in Richtung Landeck. Es
gibt bisher keinen erhaltenen Rest einer
Altstraße, der beweisen würde, dass die Via
Claudia Augusta über die Pillerhöhe geführt
wurde, der Übergang kann in römischer Zeit
höchstens als Ausweichroute verwendet
worden sein4. Die Altwege im Umkreis der
Pillerhöhe gehören wahrscheinlich zur
Infrastruktur
des
Heiligtums
und
ermöglichten den Pilgern einen Zugang von
Süden und Nordosten. Sie dürften demnach
bereits
auf
die
vorrömische
Zeit
zurückgehen. Erste Untersuchungen zum
prähistorischen
Wegenetz,
zur
Konstruktionstechnik und zum Verhältnis
zw. lokalem und überregionalem Verkehr
wurden im Jahr 2001 durchgeführt5 (Abb.
15). Dabei konnte neben prähistorischen,
auch ein Stück eines als römisch
angesprochenen Weges anhand von
Funden nachgewiesen werden (Abb.15a)6.
Abb. 15 Prähistorische Wegtrasse auf
der Pillerhöhe
1
Feil, 1998, 261.
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 238.
3
Feil, 1998, 279.
4
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 249.
5
J. Pöll, FÖ 40, 2001, 78.
6
FÖMat 4, Sonderheft 1, 2004, 18.
2
67
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Der Brandopferplatz auf der Pillerhöhe wird von den Ausgräbern nicht als
Passheiligtum angesprochen, da aus archäologischer Sicht kein kultischer Bezug zw.
der Strasse und dem Heiligtum abgeleitet werden kann. Die Ausgräber meinen, dass
auf der Pillerhöhe keine Bitt- und Dankopfer per itu et reditu dargebracht worden
sind1.
Dennoch steht das Heiligtum notgedrungen seit der Okkupation Raetiens durch Rom
in engem Kontakt mit der nahe vorbeiziehenden Fernstrasse. Die Untersuchungen
an der Via Claudia Augusta in Lermoos bieten dafür ein stabiles chronologisches
Gerüst2:
Die Straße wurde demnach im Jahr 46/47 errichtet und erreichte ihre größte
Bedeutung um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. Wie bereits erwähnt, entwickelte sich das
Heiligtum auf der Pillerhöhe in dieser Zeit genau in der entgegengesetzten Richtung
und wurde Ende des 2. Jhs. fast aufgegeben. Die Ausgräber führen dies auf die
voranschreitende Romanisierung zurück und sehen darin einen Ausdruck der
Distanz zwischen Heiligtum und Strasse3. Deshalb muss auch der starke Rückgang
des Verkehrs über den Reschen ab der 2. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. nicht in direktem
Zusammenhang mit der kontinuierlichen Abnahme der Opfertätigkeit auf der
Pillerhöhe stehen. Dasselbe gilt für die letzte Blüte von Straße und Heiligtum in der
Spätantike. Die letzte Reparatur an der Via Claudia Augusta in Lermoos findet
373/74 n. Chr. statt, die Münzreihe auf der Pillerhöhe endet mit Arkadius 395 n. Chr.
Parallelen für ein Ende der Kulthandlungen um 395 n. Chr. bieten die
Passheiligtümer am Hochtor4, auf den Mallnitzer Tauern5 und auf dem Großen St.
Bernhard6. Die Passheiligtümer besaßen aber, wie bereits beschrieben, einen
anderen Charakter als der Brandopferplatz auf der Pillerhöhe und verloren mit dem
Abbrechen der Wegopfer ihre Bedeutung vollständig. Auf dem Pillersattel hingegen
ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die Kulthandlungen bis ins 5. Jh. fortgesetzt
haben7.
1
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 251.
J. Pöll, 1998, 15-111.
3
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 252.
4
F. Moosleitner, 1997, 25.
5
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 253f.
6
G. Walser, Historia Einzelschriften 46, 1984,
7
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 240.
2
68
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Abb. 15a: Die Altwege am Piller Sattel, aufgenommen seit 2001. Nördlich des
Brandopferplatzes konnte ein Abschnitt eines römischen Weges (orange) nachgewiesen
werden.
69
Die Römer auf den
70
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.1.3 Der Fernpass
•
Topographie
Will man, von Landeck kommend, aus dem oberen Inntal das Lechtal und das
bayrische Alpenvorland erreichen, muss man den Fernpass (1216 m) überqueren. Er
ist einer der wenigen Durchgangswege durch die nördlichen Kalkalpen, welche den
inneralpinen Raum vom nördlichen Alpenvorland abtrennen. Der Fernpass ist durch
einen Bergsturz von der Lorea Gruppe im Spätwürm entstanden, der die Furche des
Gurgltales nach Norden hin absperrte1. Der Aufstieg beginnt in Imst (828 m), führt
über das Gurgltal nach Norden, an Nassereith vorbei zur Passhöhe. Das Gebiet
nördlich der Passhöhe wird durch das Lermooser Becken beherrscht. Von der
Passhöhe an bildete sich durch Rückstau eine See- und Moorlandschaft, welche sich
zum Teil bis heute erhalten hat. Vom Lermooser Becken aus kann man in drei
weitere Täler gelangen:
Am wichtigsten für die Römerzeit war sicherlich die Verbindung über die
Zwischentoren nach Nordwesten ins untere Lechtal und weiter nach Foetibus
(Füssen) und schließlich nach Augusta Vindelicum. Hier verlief die Via Claudia
Augusta. Weiters konnte man über das Loisachtal Parthano (GarmischParthenkirchen) erreichen und dort auf die römische Brennerroute treffen2. Der dritte
und wahrscheinlich weniger bedeutende Übergang führte nach Osten, über Ehrwald
ins Gaistal und nach Leutasch.
Abb. 16 Geländeschnitt Fernpass
•
Forschungsgeschichte
Nachdem W. Cartellieri 1926 in seinem Werk über die Alpenstraßen auch den
Fernpass genauer beschrieben hat3, folgte wenige Jahre später I. Mader, der sich
erstmals genauer mit allen Altstraßen auseinandersetzte, die seit der Römerzeit über
den Fernpass geführt hatten4. H. Bulle besuchte den Übergang ebenfalls persönlich
und untersuchte den Fernpass auf Geleisespuren hin. Er beging den von Mader als
1
K. Oeggl, Palynologische Untersuchungen aus dem Bereich des römischen Bohlenweges bei
Lermoos, Tirol, in: E. Walde, Via Claudia. Neue Forschungen (1998) 147.
2
It. Ant. 275, 2.
3
W. Cartellieri, Die römischen Alpenstraßen. Philologus Supp. Bd. XVIII, 1 (1926).45ff.
4
I. Mader, die Fernstraßen. In: THBl 10, 1932, 21-27.
71
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
römisch angesprochenen Weg und verfasste eine Beschreibung von dieser1. In den
50er Jahren führte L. Franz noch einmal ähnliche Untersuchungen durch2.
Die größten Fortschritte in der Erforschung der römischen Hinterlassenschaften am
Fernpass wurden jedoch ab den 90er Jahren des 20. Jhs. gemacht:
In den Jahren 1992 bis 1995 erfolgte die für die alpine Altstrassenforschung Richtung
weisende Ausgrabung des Prügelweges im Lermooser Moos 3.
Der aktuelle Wissensstand zu den gesamten Kleinfunden südlich und nördlich des
Fernpasses wurde zuletzt im Jahr 1998 durch A. Höck vorgelegt4. Seitdem kamen
jedoch durch die Begehungen im Rahmen des Forschungsprojektes „Via Claudia
Augusta“ zahlreiche Neufunde hinzu5. G. Grabherr legte zw. 1998 und 2000
römische Baureste in Biberwier frei, die möglicherweise mit einer mansio/mutatio in
Verbindung stehen doch erst aus Fundberichten bekannt sind6.
Die hier versuchte Zusammenfassung der römischen Hinterlassenschaften entlang
der Fernpassstraße besitzt auf Grund dieser Fülle an neuen, noch nicht
veröffentlichten Arbeiten, nur einen vorläufigen Wert7.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Die römischen Kleinfunde, die aus dem Bereich zw. Imst, als dem südlichen
Ausgangspunkt der Fernpassstrecke, und dem Lermooser Becken stammen,
zeichnen den Straßenverlauf deutlich nach.
In Imst wurde neben einer Münze des Antoninus Pius, die inzwischen verschollen ist
ein spätantikes Körpergrab mit Münzbeigaben gefunden8. Die Münzreihe setzt sich
wie folgt zusammen: Zwei Folles des Constans9, ein Follis des Constantius II. aus
den Jahren 337-340 n. Chr.10, sowie ein Centenionalis und zwei Maiorinae desselben
Kaisers, die erst nach der Münzreform des Jahres 348 geprägt wurden11.
Folgt man dem Gurgltal in Richtung Norden, so gelangt man nach Tarrenz, wo östlich
des Ortes bei km 7.35 in den Jahren 1938/39 durch F. und H. Miltner Grabungen
durchgeführt worden sind12. Das Fundmaterial wird nur sehr allgemein
charakterisiert: Aus zwei durch ein Steinpflaster getrennten Schichten stammen
Eisenfunde, Terra Sigillata und andere Keramik, die Funde umfassen ein Spektrum
von der frühen Kaiserzeit bis in die Spätantike13. Erwähnenswert sind im
1
H. Bulle, Geleisestraßen des Altertums. Sitzungsberichte der bayrischen Akademie der
Wissenschaften philosophisch – historische Klasse (1948) 115f.
2
L. Franz, , Beiträge zur Altstraßenforschung in den Alpenländern. In: Carinthia 146, 1956, 465ff.
3
J. Pöll, Ein Streckenabschnitt der Via Claudia Augusta in Nordtirol. Die Grabungen am Prügelweg
Lermoos/Bez. Reutte 1992-1995. In: E. Walde (Ed.), Via Claudia – Neue Forschungen (1998) 15-130.
4
A. Höck, Römische Kleinfunde im Bereich der Via Claudia Augusta (VCA) zwischen Nauders und
Vils und die römische Siedlung bei Karres. In. E. Walde (Ed.), Via Claudia. Neue Forschungen (1998)
177-221.
5
G. Grabherr, FÖ 40, 2001, 678f.
6
G. Grabherr, FÖ 39, 2000, 689f.
7
G. Grabherr nannte beim Österreichischen Archäologentag 2003 in Graz am 08.12. 2003 die Zahl
von 480 Neufunden aus der Römerzeit, welche im Rahmen von Geländebegehungen mit dem
Metallsuchgerät entlang der Via Claudia Augusta mittlerweile gemacht wurden.
8
Höck 1998, 195.
9
Höck 1998, 184 Nr. A 12-13. Die Stücke datieren 347-48 n. Chr.. Eines stammt aus der Münzstätte
Tier, das andere aus Siscia
10
Höck 1998, 184 Nr. A 14. Münzstätte unbekannt.
11
Höck 1998, 184 Nr. A 15-17. Der Centenionalis wurde in Aquileia geprägt, für die Maiorinae
kommen mehrere Münzstätten zw. Lugdunum und Thessalonica in Frage
12
F. Miltner, Fundberichte aus den Reichsgauen der Ostmark 3, 1942, 72ff. Höck, 1998, 197 Nr. 23.
13
Eine frühaugusteische Münze (ca. 14 v. Chr.), ein Stück Konstantins des Großen (306-337 n. Chr.).
Höck 1998, 197 ebenda.
72
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Zusammenhang dieser Arbeit vier Hipposandalen- Fragmente, die auch aus dieser
Grabung stammen1.
In Tarrenz fanden sich des Weiteren noch zwei Münzen aus dem 1. und 3. Jh. n.
Chr.2. Außerdem wurde bei einem Sondierschnitt im Ortsteil Strad eine trocken
gemauerte Steinsetzung freigelegt, in deren nächster Umgebung sich eine
durchbrochene Scheibenfibel fand. Dies könnte eine kaiserzeitliche Datierung der
Struktur möglich machen3.
Vom Weg von Strad talaufwärts nach
Dormitz sind bereits aus dem 19. Jh. nicht
näher spezifizierte Münzen und andere
Artfakte römischer Herkunft bekannt4. Zu
diesen Altfunden gesellten sich durch die
neuesten Aktivitäten zur Erforschung der
Via Claudia Augusta in der Nähe von
Dormitz weitere Stücke hinzu: Zwei
Fibelbruchstücke, ein Bronzering, das
Fragment einer blauen Glasperle, mehrere
Sigillatabruchstücke und ein Sesterz des
Marc Aurel5. Der Ortsnamen „Dormitz“ legt
natürlich die Herleitung aus dem
lateinischen
dormitium
und
die
Lokalisierung einer mansio oder mutatio
nahe6, archäologische Hinweise darauf
fehlen bisher jedoch weitgehend. Es
besteht die Vermutung, dass von hier aus
eine Straße nach Veldidena abzweigte. Sie
führte über die Bockleite nach Holzleiten,
von wo ein inschriftenloser Meilenstein
stammen soll (Abb. 17) und weiter nach
Telfs7.
Setzt man jedoch seinen Weg in Richtung Abb. 17 Der Meilenstein vom Holzleiten
Nordwesten fort, gelangt man schließlich
nach Nassereith, unmittelbar südlich des Aufstieges zum Fernpass. Hier liegt von der
Ruine Fernstein eine Münze Trajans aus der Zeit zw. 103 und 111 n. Chr. vor 8.
Auf der Passhöhe des Alten Fern wurden im Juli 1998 auf einer markanten
Geländekuppe neben der via publica zwei Sondagen angelegt, die zwar keine
Baureste freilegen konnten, jedoch aus einem römischen Begehungshorizont sechs
Schuhnägel mit Kegelkopf, sowie einen Dupondius des Vespasian und ein As des
1
Höck 1998, 187f. E 4-7.
Ein Stück des Caligula (37-41 n. Chr.) und eines des Gordianus III. (238-244 n. Chr.). Höck 1998,
197 ebenda.
3
G. Grabherr – A. Höck, FÖ 39, 2000, 691ff.
4
Höck 1998, 197 Nr. 24.
5
G. Grabherr, FÖ 40, 2001, 678f. Es handelt sich dabei um eine eingliedrige kräftig profilierte Fibel
vom Typ Cambodunum, aus der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. und um eine kräftig profilierte Fibel in
einer Variante, die im Tiroler Raum zw. dem 2. und der 1. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. vorkommt. Die
Sigillatabruchstücke stammen wahrscheinlich aus südgallischen Töpfereien, bei der Münze handelt es
sich um einen Sesterz des Marc Aurel für Diva Faustina, geprägt zw. 176 und 180 n. Chr.
6
P. Leber, Carinthia 146, 1956, 479f.
7
I. Mader, THBl 10, 1932, 22.
8
Höck 1998, 197 Nr. 25.
2
73
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Hadrian erbrachten1. Die Ausgräber deuten die Münzen wohl zu Recht als
Votivgaben per itu et reditu. Ebenfalls von der Passhöhe stammten des Weiteren
eine Hipposandale und eine Fibel2. Unweit nördlich der Passhöhe, wurde auf halbem
Weg zum Weißensee bei Prospektionen mit dem Metallsuchgerät vor kurzem ein
relativ gut erhaltener spätantiker Kammhelm im steilen Gelände unterhalb der
römischen Straßentrasse gefunden. Er lag in 70 cm Tiefe, scheint ursprünglich in
einem Ledersack eingepackt gewesen zu sein und kann wohl als Verlustfund
angesprochen werden3.
Auf der Nordseite
des
Passes
verdichten sich nun
sowohl Funde, als
auch Befunde aus
römischer Zeit. Aus
dem
Gemeindegebiet
von Biberwier kennt
die
Forschung
mehrere
Hipposandalen. Vier
Stück wurden beim
Bau
eines
Tennisplatzes
am
südöstlichen
Dorfrand entdeckt4,
eine wurde auf dem
Weg zum Fernpass
gefunden5. Daneben
kommt Biberwier in
den letzten Jahren
durch die Freilegung
eines
frühkaiserzeitlichen
Abb. 18 Biberwier: Frühkaiserzeitlicher Holzpfostenbau
Holzpfostenbaues
immer
größere
Bedeutung für die Verkehrsgeschichte des Fernpasses zu (Abb. 18).
G. Grabherr berichtete erstmals für das Jahr 1998 vom Fund mehrerer Münzen auf
diesem Areal6. In den Jahren 1999 und 2000 wurde schließlich eine Fläche von
beinahe 300 m2 systematisch freigelegt7. Zum Vorschein kam ein rechteckiger Bau,
getragen von 22 Pfosten, die in vier Reihen aufgestellt waren. Er überdeckte
ursprünglich eine Fläche von 12.5 x 10 m (Innenmaß 40 x 32 Fuß). Laut Aussage
des Fundmaterials datiert das Gebäude in frühtiberische Zeit und wird als Scheune,
1
G. Grabherr, FÖ 37, 1998, 828f. Der Dupondius wurde 72 n. Chr. geprägt, das As 121/22 n. Chr.
Höck 1998, 207 Anm. 82. Verweist auf die Publikation dieser und weiterer Funde vom Fernpass
durch W. Leitner in den FÖ 35, 1996. Diese ist allerdings nicht erfolgt.
3
G. Grabherr im Referat „in itinere amissa“ Zwei neuentdeckte Militaria aus Tirol. Österreichischer
Archäologentag in Graz am 08.11.2003.
4
Pöll 1998, 18.
5
Höck 1998, 187, E1-3.
6
G. Grabherr, FÖ 37, 1998, 829.
7
G. Grabherr, FÖ 39, 2000, 689.
2
74
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Speicher oder Wagenremise gedeutet1. Zwei Abfallgruben, welche angrenzend
untersucht wurden, lieferten vor allem Material des 1. Jhs. n. Chr. Das Fibelspektrum
(16 Exemplare) reicht von frühkaiserzeitlichen Formen bis hin zu Typen aus dem 3.
Jh. n. Chr. Die 82 geborgenen Münzen der Ausgrabung reichen von
Republiksdenaren der 2. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr.2, bis in die Mitte des 4. Jhs. n.
Chr. Die meisten Stücke gingen im 1. Jh. n. Chr. verloren. Militärische Präsenz zeigt
der Fund eines Geschoßbolzens und ein Ösenknopf3. An Keramik fanden sich
Stücke der in augusteisch-tiberischer Zeit in Oberitalien hergestellten und der Terra
Sigillata ähnlichen Sariusware, die hier erstmals in Nordtirol angetroffen wurde.
Weiters fand sich Sigillata südgallischer Provenienz und zwei Weinamphoren vom
Typ Dressel 43 aus Kreta4. Vom Handel entlang der Via Claudia Augusta zeugt ein
Warenetikett aus Bleiblech, wie es für römische Niederlassungen im frühen Raetien
typisch ist. Es nennt neben den Namen der vermutlichen Händler, den Preis von 4 ½
Denaren5.
Bereits
vor
Abschluss
der
Grabungsarbeiten deutete G. Grabherr
den Befund als Teil einer mansio entlang
der Via Claudia Augusta. Die leicht
erhöhte Lage direkt an der Trasse zw.
dem Lermooser Prügelweg und dem
Aufstieg zum Fernpass macht dies sehr
wahrscheinlich.
Nach
der
Veröffentlichung der für das Jahr 2000
angekündigten
geophysikalischen
Prospektionen wird bestimmt Gewissheit
in dieser Frage herrschen6.
In Biberwier befindet sich ebenso das
sog. „Scharfe Eck“, ein sehr gut
erhaltenes Stück Geleisestraße, das mit
seiner Spurbreite von 1m allerdings ins
Mittelalter datiert7 (Abb. 19).
Vom südöstlichen Dorfrand von Lermoos
zieht nun die Via Claudia Augusta durch
das Lermooser Moor in Richtung
Nordwesten. Hier hat sich ein besonders
wichtiges Zeugnis für die Erforschung des
römischen Straßenverkehrs über die
Alpen erhalten: Der Prügelweg von Abb. 19 Das "Scharfe Eck" in Biberwier
Lermoos 8 (Abb. 20) Unter Luftabschluss
haben sich dort die vollständigen Holzlagen des Unterbaues der via publica
konserviert. Sie gliedern sich in mehrere Bauphasen, die auf Grund
dendrochronologischer Untersuchungen zw. der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. und der 2.
1
G. Grabherr, FÖ 39, 2000, 690.
G. Grabherr FÖ 38, 1999, 871.
3
Grabherr, FÖ 39, 2000, 690.
4
Grabherr, ebenda.
5
G. Grabherr, FÖ 38, 1999, 870.
6
G. Grabherr, FÖ 38, 1999, 871.
7
J. Pöll, Tracce di antiche vie nel Tirolo settentrionale – „i solchi carrai“, in: Attraverso le Alpi, uomini,
vie a scambi nell’antichità (2002) 76f.
8
Pöll 1998, 15ff.
2
75
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Hälfte des 4. Jhs. n. Chr. datieren1. Demnach erbauten die Römer die erste Straße
durch das Moor im Jahre 46 n. Chr.. Zwei V-förmig quer gelegte Stammreihen
bildeten den Unterbau, auf dem eine geschotterte Dammstraße von ca. 7m Breite
aufgesetzt wurde. Zwei Gräben sorgten für die Entwässerung2. Von diesem Datum
an ließen sich kontinuierliche Instandsetzungs- und Neubauarbeiten an der Trasse
bis in die Zeit um 260/70 n. Chr. nachweisen. Größere Arbeiten entlang der ganzen
Strecke wurden etwa im Jahre 102 n. Chr. durchgeführt, eine neue Lage von Hölzern
wurde über der Fahrbahn verlegt und geschottert. Man reagierte damit
wahrscheinlich auf das Absinken der älteren Trasse3. Nach 154 n. Chr. lässt die
Konsequenz bei den Ausbesserungsarbeiten jedoch deutlich nach und es werden
vermehrt Althölzer wiederverwendet. Eine natürlich gewachsene, dünne Torfschicht
Abb. 20 Bohlenlage mit Geleisespuren im Lermooser Moos
über der Fahrbahn zeigt einen Bruch in der Nutzung der Straße zw. ca. 260/70 und
279 n. Chr. an4. Damit beginnt die spätantike Phase, die ca. ein Jahrhundert
andauert. Die Holzlagen dienen nun als direkter Fahrbahnuntergrund. 374 n. Chr.
werden die letzten Arbeiten an der Straße durchgeführt, eine Nachnutzung bis
mindestens ins 6. Jh. n. Chr. ist jedoch wahrscheinlich5.
Das Fundmaterial dieser Straßengrabung ist sehr typisch: Verlustfunde aus dem
Bereich der Transportgefährte, wie z. B. Hipposandalen, Wagenteile, Schuhsohlen,
Nägel und Haken, daneben persönliche Besitztümer, wie Messer, Münzen und ein
Spinnwirtel6.
1
K. Nicolussi, Die Bauhölzer der Via Claudia Augusta bei Lermoos (Tirol) In. E. Walde (Ed.), Via
Claudia. Neue Forschungen (1998) 114ff.
2
Pöll 1998, 53. Diese Bauweise wurde nicht durchgehend angewandt, sondern jeweils an die
Untergrundgegebenheiten angepasst.
3
Pöll 1998, 54.
4
Pöll 1998, 51.
5
Pöll 1998, 55.
6
Pöll 1998, 49.
76
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Wie sich die Straße nordwestlich des Lermooser Mooses genau fortsetzte, ist heute
noch nicht geklärt, die laufenden Forschungen werden jedoch auch hier sicher bald
Ergebnisse erbringen. Die Fortsetzung in Richtung Ehrenberger Klause und weiter
nach Reutte und Foetibus (Füssen) ist aber schon durch zahlreiche Funde
gesichert1.
Neben diesen Zahlreichen Funden und Befunden sind auch Altstraßenreste am
Fernpass bekannt. L. Franz folgte auf der Grundlage der Forschungen von I. Mader
zwei Altstraßen, welche als die Vorgänger der heutigen Fernpassstrasse anzusehen
sind2: Die sog. „Alte Fernstraße“, die südwestlich des Fernsteinsees ihren Ausgang
nimmt, die mittelalterliche Klause durchquert und am Sameranger- und Schanzl- und
Fernbodensee vorbei beim Alten Fernwirt in die moderne Straße nach Biberwier
mündet. Der Bau dieser Trasse war 1543 abgeschlossen worden, dürfte jedoch bis
Abb. 21 Geleisereste bei Fernstein (Aufnahme L. Franz 1955)
ins Mittelalter zurückreichen, zugehörige Geleiserillen scheinen somit aus dieser
Epoche zu stammen3 (Abb. 21).
Die zweite Altstraße, die auf der ÖK als „Römerweg“ eingetragen ist, geht ebenfalls
vom Fernsteinsee aus und steigt zum Samerangersee auf. Von dort aus läuft sie auf
den oberen Schenkel der großen Haarnadelkurve zu, welche von der modernen
Fahrstraße gebildet wird und kreuzt diesen ungefähr in der Mitte4. Bis zu dieser
Stelle haben sich bis zur 1. Hälfte des 20. Jhs. nur wenige Wegspuren erhalten. Der
Weg setzt sich danach gerade in Richtung Alter Fern fort und überschreitet den Pass
auf 1268 m (Abb. 22). Damit erreichte sie ihren Scheitelpunkt nicht auf der
niedrigsten Einsattelung des Fernpasses, sondern rund 60 m höher. Der Abstieg
Richtung Biberwier erfolgt in der Form eines Hohlweges und erreicht schließlich das
Ostufer des Weißensees5.
1
Höck 1998, 198.
L. Franz, Carinhia 146, 1956, 465ff.
3
Bulle, Geleisestraßen, 114.f.
4
I. Mader, THBl 10, 1932, 22f.
5
L. Mader, ebenda. L. Franz, Carinthia 146, 1956, 468.
2
77
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
H. Bulle hat die Trasse genauer beschrieben1: Südöstlich des Weißensees überquert
diese eine Wiese in Form eines niedrigen Dammweges, an anderer Stellen fand sich
noch eine 0.4 m hohe Stützmauer, bei der eine Wegbreite von 2.3 m ermittelt werden
konnte, daneben zeigten Schliffspuren eine Geleisebreite von 1 m an. Der Aufstieg
zur Passhöhe verläuft beinahe gerade, einzelne Abschnitte verfügen über eine mehr
oder weniger große, dafür aber konstante Steigung. H. Bulle wertet dies als Zeichen
für den antiken Ursprung der Trasse. In diesem Bereich wird die Straße
hauptsächlich als Hohlweg geführt. Von der Höhe des Alten Fern abwärts kann sie
noch leicht bis zur Kreuzung mit der modernen Verbindung verfolgt werden,
besondere Merkmale sind jedoch keine erhalten2.
Abb. 22 Hohlweg südlich des Alten Fern
Nördlich und südlich des Fernpasses sind noch an zwei Stellen Geleisereste
zeichnerisch und photographisch von H. Bulle dokumentiert worden: Ein Rest am
1
2
Bulle, Geleisestraßen 116.
Bulle, Geleisestraßen 116f.
78
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Milserberg bei Imst 1 und der bereits erwähnte am „Scharfen Eck“ am nördlichen
Dorfausgang von Biberwier2.
Über das spät- und nachantike Schicksal der römischen Fernpassstrasse hat bereits
die Grabung im Lermooser Moos Auskunft gegeben, erst im Mittelalter erlangte diese
Verbindung zw. Nord und Süd ihre alte Bedeutung zurück, so starb etwa Kaiser
Lothar II. 1137 in Breitenwang auf seiner Rückreise von Rom und mit diesem
Ereignis trat der Fernpass wieder zurück ins Licht der Geschichte3.
1
Bulle, Geleisestraßen 113. Taf. 26 Abb. 62.
Bulle, Geleisestraßen 117 Taf. 26a Abb. 63. Spurweite 1 m.
3
Über die nachantike Verkehrsgeschichte des Fernpasses: I. Mader, THBl 10, 1932, 23ff.
2
79
Die Römer auf den
80
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.2 Der Jaufenpass
•
Topographie
Der 2129 m hohe Jaufenpass bildet einen Gebirgseinschnitt, der die Ötztaler von den
Sarntaler Alpen trennt und über das Passeiertal eine Verbindung zwischen dem
Etschtal und dem oberen Eisacktal darstellt.
Abb. 23 Geländeschnitt Jaufenpass
•
Forschungsgeschichte
Der Frage, ob über den Jaufenpass ein römischer Weg geführt hat, wurde bisher
nicht systematisch im Gelände nachgegangen. Frühe Grabungen am theoretischen
Ausgangspunkt der Straße in der Nähe von Sterzing wurden bereits 1883 von A. B.
Meyer durchgeführt1. In der älteren Literatur war an verschiedenen Stellen von einer
römischen Passstraße über den Jaufen die Rede2, in jüngerer Zeit wurden die
römischen Funde im Passeiertal und im südlichen Wipptal kartiert, ohne jedoch
spezifisch auf den Jaufenpass einzugehen3.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Über die römische Vergangenheit eines Jaufenweges, der von der statio Maiensis,
dem heutigen Mais bei Meran, nach Vipitenum führte, ist fast nichts bekannt. Für
eine Passbegehung seit dem Mesolithikum sprechen mehrere Funde von Geräten
und Pfeilspitzen aus Silex, die auf der Passhöhe und auf den umgebenden Kämmen
gefunden wurden4.
Bereits 1893 hat F. Duhn in seinem Werk über die römischen Alpenpässe auf die
Ähnlichkeit zwischen dem Namen „Jaufen“ und dem lateinischen „Jovis“ hingewiesen
und eine Untersuchung der Passhöhe angeregt. Der Name könnte nämlich ein
Hinweis darauf sein, dass hier, ähnlich wie am Großen St. Bernhard, eine Verehrung
1
A. B. Meyer, Ausgrabungen am Zollwirtshaus bei Sterzing in Tirol. MAG 14, 1884, 99ff.
O. Stolz, Verkehrsgeschichte des Jaufen, Schlern-Schriften 12, 1927, 127-175. R. Heuberger, Klio
27, 1934, 321. E. Sternbach, Der Urweg über den Jaufen, Schlern-Schriften 232, 1965, 26-32.
3
A. Fleckinger, Fundtopographie des südlichen Wipptales (Diplomarbeit Innsbruck 1995). P. Fliri,
Meran und Umgebung in römischer Zeit (Diplomarbeit Innsbruck 1998) 162-167.
4
Fleckinger, 1995, 117ff.
2
81
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
des Juppiter stattgefunden hat1. Bis heute haben sich allerdings keinerlei Hinweise
religiöser Aktivitäten auf der Passhöhe ergeben.
Aus dem Passeiertal gibt es verschiedene römische Funde: Aus Schenna, am
südlichen Eingang des Tales nordöstlich von Meran, sind neben dem Bodenstein
einer spätantiken(?) Handmühle, insgesamt sechs Münzen aus der Zeit zw. dem 1.
Jh. v. Chr. und der ersten Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. gefunden worden2. Als nächstes
folgt talaufwärts ein republikanischer Denar aus Riffian, der zw. 164 und 75 v. Chr.
geprägt wurde3, eine Fibel vom Typ Almgren 68 (Anfang 2. Jh. n. Chr.) aus St. Martin
in Passeier, je eine Münze des Nero und des Trajan aus Jaufenburg bei St.
Leonhard in Passeier, direkt am Beginn des Passaufstiegs, sowie ein drittes
Exemplar aus St. Leonhard, dessen genauer Fundort aber unbekannt ist. Es handelt
sich dabei um einen Follis des Constantius I. Die Fundreihe wird durch einen Denar
des Julius Caesar und durch ein verschollenes, undatiertes Armband aus Passeier
abgeschlossen4. Die Münze des Caesar wurde in Stuls gefunden und weicht somit
schon von der Linie zum Jaufenpass hin ab und wendet sich eher dem Timmelsjoch
zu. Eine römische Besiedlung konnte im Passeiertal bisher nicht nachgewiesen
werden, die bekannten Funde könnten deshalb theoretisch mit der Passbenutzung in
Abb. 24 Blick vom Jaufenpass in Richtung Süden, ins Passeiertal
Verbindung stehen5.
Bevor man den 2129 m hohen Pass überqueren kann, muss man also das Passeierund das Waltental durchwandern. Der Abstieg nach Sterzing ist etwas kürzer,
bemerkenswert ist einzig, dass sich am Ort der Vereinigung des Weges über den
1
F. Duhn, Alpenpässe im römischer Zeit (1893) 70, 89 Anm. 48.
Fliri, 1998, 160f.
3
Fliri, 1998, 162.
4
Fliri, 1998, 163-167.
5
Fliri, 1998, 294.
2
82
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Jaufen mit dem Weg über den Brenner, beim Zollwirtshaus einen Kilometer südlich
von Sterzing, im Jahre 1883 einige Gräber aus der späten Kaiserzeit gefunden
haben1. Der Ausgräber war A. B. Meyer, der in denselben Jahren seine Forschungen
auf der Gurina im Gailtal durchführte. Bei den wenigen Funden, welche bei der
Ausgrabung des Gräberfeldes geborgen werden konnten, handelt es sich
vorwiegend um stark fragmentierte Gebrauchskeramik, einige Sigillatascherben und
Bronzeartefakte, sowie um eine Münze des Probus (276-282 n. Chr.). Das
Gräberfeld wurde anhand dieser Funde ins 3.-4. Jahrhundert n. Chr. datiert2.
Meyer erwähnt im Zusammenhang mit seinen Entdeckungen bei Sterzing
Geleisespuren, die sich anscheinend noch auf der Ostseite der römischen
Jaufenstraße finden lassen3.
Es ist vorstellbar, dass dieser Weg in römischer Zeit solange von gewisser
Bedeutung gewesen ist, solange die Brennerstraße im unteren Eisacktal noch nicht
ausgebaut war und die Nord-Süd Route durch das Etschtal führte. Denn dann konnte
man neben einer Überquerung des Ritten, nur über den Jaufen den Brenner vom
Etschtal aus erreichen4.
Aus dem Mittelalter sind ebenfalls wenige Ereignisse überliefert: Die Überführung der
Gebeine des Heiligen Korbinian von Mais nach Passau im Jahre 765 führte über
diesen Weg5, ebenso einige Jahrhunderte später die Reise von Kaiser Ludwig dem
Bayern mit seinem Gefolge im Jahre 13426.
1
A. B. Meyer, MAG 14, 1884, 99ff.
A. B. Meyer, MAG 14, 1884, 103.
3
A. B. Meyer, MAG 14, 1884, 100.
4
Cartellieri, Alpenstraßen 76. Th. Mommsen, Römische Geschichte V (1894) 19 Anm. 1 lässt
ebenfalls offen, auf welchem Weg die römische Straße von Meran aus nach Norden verlief.
5
H. Schuler, die Stiftskirche des Hl. Laurentius zu Wilten in Vergangenheit u. Gegenwart (1920) 8.
Cartellieri, Alpenpässe 77 Anm. 1.
6
O. Wanka, Die Brennerstraße im Altertum und Mittelalter (1900) 138.
2
83
Die Römer auf den
84
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.3 Passzugsystem Verona-Augusta Vindelicum 2
85
Die Römer auf den
86
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.3.1Der Brennerpass
•
Topographie
Der Brennerpass (1363m) bildet den niedrigsten Einschnitt in den Alpenhauptkamm
im Bereich der Ostalpen. Er ist die Wasserscheide zw. dem Eisack, der nach Süden
abfließt, in die Etsch und ins Adriatische Meer mündet und der Sill, die nach Norden
abfließt, in den Inn mündet und schließlich ins Schwarze Meer entwässert. Der
Brenner trennt die Stubaier Alpen im Westen von den Zillertaler Alpen im Osten.
Der Zugang von Süden ist relativ leicht, der eigentliche Anstieg zum Pass beginnt in
Sterzing (Vipitenum), auf 948 m Höhe. Von dort müssen auf einer Strecke von ca. 14
km etwas mehr als 400 Höhenmeter bis zur Passhöhe überwunden werden. Die
Passhöhe selbst ist ein langgestrecktes Passtal mit flacher Sohle, was zur Bildung
einer moorigen Hochfläche geführt hat, die ursprünglich von mehreren Seen
eingenommen wurde. Von diesen ist der heutige Brennersee als einziger erhalten
geblieben1. Der Abstieg der Sill entlang ist länger, bis Matrei (Matreium) sind es ca.
14 km und 370 Höhenmeter, es folgt die ca. 13 km lange Sillschlucht, die im Westen
umgangen werden muss, bis man schließlich nach Wilten (Veldidena) - Innsbruck
(580 m) gelangt. Ab dort bot sich dem antiken Verkehr die Möglichkeit, über Land
und den Seefelder Sattel oder über Wasser, auf dem Inn, das bayrische
Alpenvorland zu erreichen2.
Abb. 25 Geländeschnitt Brenner
•
Forschungsgeschichte
Die Erforschung der römischen Straße über den Brenner beginnt relativ früh. Im 16.
Jh. lässt Erzherzog Ferdinand von Tirol alle bekannten Meilensteine aus der
Umgebung von Innsbruck sammeln und auf die Burg Ambras bringen3. Dadurch
wurden viele Steine vor der Zerstörung bewahrt, leider aber auch aus ihren
ursprünglichen Fundzusammenhang gerissen. Auf Grund der Tatsache, dass die
Route über den Brennerpass in beiden wichtigen Itinerarien der Antike vorkommt,
setzte sich schon zu Beginn des 19. Jh. die althistorische Forschung damit
1
Cartellieri, Alpenstraßen 130.
P. W. Haider, Tiroler Heimat 54, 1990, 5-24.
3
Cartellieri, Alpenstraßen 133.
2
87
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
auseinender1. In der 2. Hälfte des Jahrhunderts beginnt auch die archäologische
Forschung Spuren der Römer an der Passstraße zu dokumentieren2. Eine der ersten
größeren archäologischen Arbeiten zum Brennerpass stammt von O. Wanka von
Rodlow aus dem Jahre 19003. Es folgt wenige Jahre später eine Monographie von P.
H. Scheffel zum selben Thema4. Nach der Annexion Südtirols durch Italien beginnt
sich auch die italienische Forschung für das Thema zu interessieren5. Zunächst wird
die Diskussion in der Zwischenkriegszeit jedoch durch die Arbeiten H. Cartellieris und
R. Heubergers bestimmt6. Gleichzeitig tauchen erste Altstraßenreste auf der
Passhöhe auf7. H. Bulle befasst sich in seiner Arbeit über römische Geleisestraßen
ebenfalls mit dem Brenner8. Die großen Bauarbeiten an den Verkehrsverbindungen
über den Pass führen zu weiteren Entdeckungen in der Nachkriegszeit.
Zuletzt behandelte G. Grabherr im Zuge seiner Arbeit über die Via Decia den
nördlichsten Abschnitt der Brennerstraße zw. Spielberg und Veldidena9 und A.
Fleckinger die Fundtopographie des südlichen Wipptlales10. In Fleckingers Arbeit
finden sich alle römischen Funde zw. Franzensfeste und der Passhöhe des
Brenners, die bis in die 90er Jahre des 20. Jh. bekannt geworden sind. Mit den
archäologischen Zeugnissen der Verkehrsgeschichte des Eisacktales in römischer
Zeit beschäftigten sich schließlich L. Allavena-Silverio und G. Rizzi im Laufe der
letzten Jahre11.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Bedeutung der römischen Passstraße über den Brenner ist daraus ersichtlich,
dass sie sowohl in das Itinerarium Antonini, als auch in die Tabula Peutingeriana
Eingang gefunden hat.
Im Itinerarium Antonini kommt der Brennerpass zweimal vor: Als Teil der Straße von
Augusta Vindelicorum (Augsburg) nach Verona12, und als Teil des compendium von
Aquileia nach Veldidena13.
Die Tabula Peutingeriana beschreibt ebenfalls die Straße von Augusta Vindelicorum
bis Verona, die Verbindung nach Aquileia fehlt in dieser Quelle jedoch14. Die
Passhöhe des Brenners ist dabei nicht eingetragen, die Alpenkette wurde
fälschlicherweise zw. den Stationen Auodiaco/Abodiaco (Epfach) und Coveliacas
1
V. Pallhauser, Beschreibung der römischen Heerstraße von Verona nach Augsburg (München
1816).
2
Fl. Orgler, Zeitschrift des Ferdinandeums 3. Folge 22, 1878, 62-84.
3
O. Wanka von Rodlow, Die Brennerstraße im Altertum und Mittelalter. (= Prager Studien Heft 7,
1900).
4
P. H. Scheffel, Die Brennerstraße zur Römerzeit (Berlin 1912).
5
A. De Bon, La strada romana del Brennero. In: Athesia Augusta 8, 1940.
6
W. Cartellieri, Die römischen Alpenstraßen. Philologus Supp. Bd. XVIII, 1 ( Leipzig 1926). R.
Heuberger, Die Römerstraße von Vipitenum nach Veldidena. In: THBl 8, 1930, 135ff. Ders., Zur
Geschichte der römischen Brennerstraße. In: Klio 27 (1934) 331ff.
7
L. Franz, Alte Geleisestrassen in Tirol. In: VLMTir 31, 1951, 135ff.
8
H. Bulle, Geleisestraßen des Altertums. Sitzungsberichte der bayrischen Akademie der
Wissenschaften philosophisch – historische Klasse ( München 1948).
9
G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994) 39-44.
10
A. Fleckinger, Fundtopographie des südlichen Wipptales (Diplomarbeit Innsbruck 1995)
11
L. Allavena Silverio, G. Rizzi, La strada romana di Elvas nella viabilità antica della Valle Inarco. In:
FDS 1, 2002, 511-553. G. Rizzi, Una mansio sulla via romana a Bressanone. In: Studi Trentini di
Scienze Storiche LXXXII (2003) 185-204.
12
It. Ant. 274, 8f. Diese führt u. a. über den Seefelder Sattel
13
It. Ant. 279, 2f. , Diese Variante bezieht auch den Plöckenpass und den Gailbergsattel mitein.
14
Tab. Peut. IV, 2-3.
88
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
(Hechendorf?) im bayrischen Alpenvorland eingezeichnet, auch der Innübergang ist
nicht korrekt dargestellt1.
Die beiden Itinerarien liefern unterschiedliche Angaben zu den Stationen im engeren
Einzugsbereich des Brennerpasses:
Von Verona kommend erreicht die Passstraße bei Pons Drusi (Bozen)2 den Eisack,
dem sie bis zur Passhöhe folgt. Im Itinerarium ist diese Station nicht eingetragen. Die
Distanz bis nach Sublavium (Kollmann) beträgt XIII m. p., beide Quellen nennen
diese Station übereinstimmend3.
Es folgt Vipitenum (Sterzing 948 m), XXXII bzw. XXXV m. p. entfernt4. Von hier
beginnt der eigentliche Aufstieg zum Brennerpass. Die Passhöhe ist in den
Itinerarien nicht angegeben. Es fehlt der typische Stationsname „In Alpe“, der u. a.
auch bei zwei Pässen der Ostalpen vorkommt5. Durch den kurzen Anmarschweg von
den letzten Passstationen lässt sich jedoch das Fehlen einer mansio auf der
Passhöhe plausibel erklären, die Existenz einer mutatio wäre hingegen stark zu
vermuten.
Während an der Südseite größtenteils Übereinstimmung zw. beiden Itinerarien
herrscht, gibt es bei den Stationen auf der Nordseite keine gemeinsamen Angaben,
die verglichen werden könnten.
Geht man geographisch vor, trifft man zuerst auf den Ort Matreium (Matrei am
Brenner 990 m), der nur in der Tabula verzeichnet ist und XX m. p. von Vipitenum
entfernt liegt6.
Es folgt die Nennung von Veldidena (Wilten 580 m) an zwei Stellen des Itinerarium
Antonini, mit einer Distanzangabe zu Vipitenum von XXXVI m. p.7. Die Tabula
hingegen nennt Veldidena nicht.
Mit der folgenden Station, die wiederum nur auf der Tabula auftaucht, befindet man
sich bereits im Einzugsgebiet des nächsten Passes, nämlich des Seefelder Sattels.
Es handelt sich dabei um den Ort Vetonina, der möglicherweise mit dem spätantiken
Teriolis (Zirl) gleichzusetzen ist und XVIII m. p. von Matreium entfernt liegt8.
Die Stationsangaben in den jeweiligen Itinerarien spiegeln die unterschiedliche
Bedeutung einzelner Stationen zu verschiedenen Zeiten wider. Zum Zeitpunkt der
Entstehung der Tabula Peutingeriana scheint man beim Passübergang langsamer
vorangekommen zu sein, als zur Entstehungszeit des Itinerarium Antonini, denn die
Tagesetappe zw. Vipitenum und Matreium ist mit XX m. p. (29.5 km) eher
durchschnittlich bemessen. Als das Itinerarium Antonini aufgezeichnet wurde,
mussten die Reisenden von Vipitenum bis Veldidena an einem Tag XXXIV m. p.
(53.2 km) zurücklegen. So viele Meilen im Gebirge an einem Tag zu reisen, war
sicher nur den Benützern des cursus publicus möglich, was bedeutet, dass Matreium
auch zu dieser Zeit für Händler oder Privatleute seine Bedeutung als letzte Station
nördlich der Passhöhe behalten haben wird.
1
Walser, 1983, 34.
Tab. Peut. IV, 3.
3
G. Rizzi, Studi Trentini di Scienze Storiche LXXXII, 2003, 202ff. versucht auf Grund seiner jüngsten
Forschungen im Eisacktal eine Neuinterpretation der beiden Itinerare und verlegt die mansio
Sublavium nach Brixen-Stufles, was aber noch zu beweisen ist.
4
It. Ant. 275, 4. Tab. Peut. IV, 3.
5
Radstädter Tauern: in alpe, Tab. Peut. IV, 5. Birnbaumer Sattel: in alpe iulia, Tab. Peut. IV, 5 – V, 1.
6
Tab. Peut. IV, 2.
7
It. Ant. 275, 3. 280, 4.
8
Tab. Peut. IV, 2. Walser, 1983, 34. Allerdings sollte meiner Einschätzung nach bei der Lokalisierung
der mansio Vetonina auch die Namensähnlichkeit mit Veldidena berücksichtigt werden.
2
89
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Für eine Nutzung des Brennerweges als Verkehrslinie in vorrömischer Zeit, gibt es
bislang nur sehr wenige Hinweise. Ein Lappenbeil aus der mittleren oder späten
Bronzezeit vom Sattelberg, einer Alm über der Westseite der Brennersenke, ist der
einzige Hinweis auf eine vorrömische Begehung, der aus dem nächsten Umfeld des
Passes stammt 1. Deutliche Spuren einer prähistorischen Niederlassung existieren in
Mühlbachl-Matrei. Die Siedlungsfunde reichen dort von der mittleren Bronzezeit bis in
Latène D und in die römische Epoche. Aus einem urnenfelder- und hallstattzeitlichen
Brandgräberfeld stammen Bronzebleche der Situlenzeit und andere Importstücke aus
Italien, die zeigen, dass es schon in prähistorischer Zeit Verbindungen nach Süden
gegeben hat2. Die Bedeutung des Brennerpasses lässt sich jedoch vor allem durch
die Siedlungsgebiete der Fritzens-Sanseno-Kultur sehr deutlich ablesen. Er bildete
den geeignetsten Übergang zw. den beiden Verbreitungszentren nördlich und südlich
des Alpenhauptkammes3.
Die römische Route über den Brennerpass ist aus archäologischer Sicht in erster
Linie durch Meilensteine und Altstraßenreste gesichert, in den letzten Jahren ist es
zudem durch die Kartierung römischer Kleinfunde möglich geworden, Rückschlüsse
auf Straßenverlauf und Nutzungsperioden zu ziehen4. Während jedoch die Datierung
der meist beschrifteten Steine keine Probleme bereitet5, herrscht über die
Zeitstellung der Straßenreste oftmals Uneinigkeit6. Dies ist einerseits auf fehlendes
Fundmaterial aus Straßengrabungen zurückzuführen, andererseits auf die
Schwierigkeit, Geleisestraßen exakt zu datieren7.
Aus der Umgebung von Veldidena, dem nördlichen Ausgangspunkt der BrennerPassstraße, sind bisher sieben Meilensteine bekannt8. Aus Matreium sind zwei
weitere Exemplare erhalten geblieben9, südlich des Passes kennt die Forschung
bisher vier Steine: Ein Stein aus dem historischen Stadtkern von Sterzing, der 1979
unweit seines ursprünglichen Aufstellungsortes gefunden wurde10, ein Stein aus
Freienfeld, südöstlich von Sterzing11, ein unbeschriftetes Exemplar aus Mauls12 und
ein Fragment aus Stufles13. Dazu kommt noch eine Reihe von unbeschrifteten
Steinen, die zw. der Passhöhe des Brenners und Parthano14 (Garmisch1
Fleckinger, 1995, 11.
Lexikon Ur- und Frühgeschichtlicher Fundstätten Österreichs (1965) 168f. s.v. „Mühlbachl-Matrei“
(O. Menghin).
3
A. Lang, U. Schulz, W. Zanier, Eine frührömische Holz-Kies-Straße im Eschenloher Moos. In: E.
Walde (Ed.), Via Claudia (1998) 318.
4
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 76f.
5
Walser, 1983, Nr. 14, 15, 16. S. 72f.
6
H. Bulle, Geleisestraßen des Altertums. SBMünchen (1948) 106ff. L. Franz, VLMTir 31, 1951, 145.
7
G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994) 85f.
8
CIL III, 5980, 5981, 5982, 5983, 5984, 5989. Walser, 1983, Nr. 8-13. S. 66ff. A. Höck, Aspetti del
commercio di epoca tardoromana nel Tirolo, in: Attraverso le Alpi, uomini, vie a scambi nell’antichità
(2002) 220 Abb. 1 zeigt einen Neufund, der 1999 in der Wiesengasse in Innsbruck Pradl ausgegraben
wurde, es handelt sich um einen Stein des Septimius Severus.
9
Walser, 1983, Nr. 14. S. 72. CIL III, 5985.
10
A. Donati, Année Epigraphique 1982, 195. In einer Überschwemmungsschicht gefunden: L.
Allavena Silverio, G. Rizzi, FDS 1, 2002, 545.
11
Walser, 1983, Nr. 16. S. 73.
12
U. Tecchiati, Denkmalpflege in Südtirol 2001, 2002, 243.
13
L. Allavena Silverio, G. Rizzi, FDS 1, 2002, 523f.
14
It. Ant. 275, 2.
2
90
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Partenkirchen) gestanden haben sollen und vielleicht auf die Entstehungszeit der
Straße zurückgehen1.
Das Gros der Meilensteine trägt Name und Titulatur des Septimius Severus. Das
älteste Stück stammt aus Schönberg (südlich von Veldidena), datiert in das Jahr 195
n. Chr. und steht mit dem Marsch severischer Legionen aus dem Osten nach Gallien
in Zusammenhang. Der Kaiser ließ für den Krieg gegen den Usurpator Clodius
Albinus die Straßen in Raetien und Noricum erneuern2. Dies ist der älteste
epigraphische Beleg für eine römische Straße über den Brennerpass.
Wenige Jahre später, im Jahr 201 n.
Chr., erfolgte in Raetien und Noricum
eine großangelegte Sanierung des
Straßennetzes, welche auch für die
Brennerstrecke und deren Zubringer
gut dokumentiert ist. Ein passendes
Vergleichsbeispiel hierfür bilden einige
Meilensteine entlang der Passstraße
über den Radstädter Tauern, die im
selben Jahr aufgestellt wurden3. Mit
sechs Exemplaren ist beinahe die
Hälfte der bekannten Steine zu diesem
Anlass errichtet worden. Es handelt
sich dabei um folgende Denkmäler:
Ein Stein unbekannter Herkunft, der
sich heute im Schloss Ambras
befindet4,
ein
Stein
aus
der
Wiesengasse in Innsbruck-Pradl5(Abb
26), ein Exemplar, das ursprünglich
wahrscheinlich 14 Meilen südlich von
Veldidena
aufgestellt
war6,
ein
7
Fragment aus Matreium , der 1979
gefundene Stein aus Vipitenum8, ein
Stein aus Freienfeld9 und um das
Fragment aus Stufles.
Alle Inschriften der Meilensteine aus
dem Jahr 201 n. Chr. enthielten
ursprünglich den Satz „vias et pontes
restituerunt“10, was bedeutet, dass
Abb. 26 Severischer Meilenstein von
eine ältere Trasse wieder instand
Innsbruck-Pradl
gesetzt wurde. Ob sich diese Stelle
auf die Straße von 195 n. Chr. bezieht oder auf einen älteren Vorgänger, lässt sich
1
Cartellieri, Alpenstraßen 94. Kritisch dazu: L. Franz, Carinthia 146, 1956, 473 Anm. 13. Könnte der
neu entdeckte, unbeschriftete Stein aus Mauls ein Argument für diese Theorie sein?
2
CIL III, 5980. Walser, 1983, 43. Dagegen: R. Heuberger, Klio 27, 1934, 330.
3
Winkler, 1985, Nr. 82, 85, 88, 90, 94, 101, 105, 113.
4
CIL III, 5982. Walser, 1983 Nr. 11. S. 69.
5
A. Höck, Aspetti del commercio di epoca tardoromana nel Tirolo, in: Attraverso le Alpi, uomini, vie a
scambi nell’antichità (2002) 220.
6
CIL III, 5981. Walser, 1983 Nr. 8. S. 66f.
7
Walser, 1983, Nr. 14. S. 72. Nicht mit letzter Sicherheit bestimmt.
8
A. Donati, Année Epigraphique 1982, 195.
9
Walser, 1983, Nr. 16. S. 73.
10
z.B. CIL III, 5981, 5987.
91
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
nicht mit Sicherheit sagen. Die Reparaturen wurden von der Forschung bereits früh
auf eine ältere Fernstraße bezogen, die möglicherweise schon in augusteischer Zeit
über den Pass angelegt wurde1. Jüngste Untersuchungen der nördlichen Fortsetzung
der Brennerstraße im Eschenloher Moos brachten ein Straßenstück zu Tage,
welches zu einer Straße von überregionaler Bedeutung zu gehören scheint und
dessen Erbauung mit Hilfe von Dendrochronologie ins Jahr 43 n. Chr. datiert werden
konnte. Dazu kommt eine Reihe von frühkaiserzeitlichen Kleinfunden, die entlang der
Nordseite der Brennerstraße bekannt sind2. Damit erhärtet sich die Vermutung, dass
die Brennerroute schon während der julisch-claudischen Epoche ausgebaut wurde.
Die Reparaturmaßnahmen des Septimius Severus stellen in diesem Zusammenhang
keine Überraschung dar, wie ein Vergleich mit den Trassen über den Plöcken, den
Mallnitzer-, Korn- und Radstädter Tauern zeigt. Eine Passstraße konnte innerhalb
weniger Jahre erheblichen Schaden nehmen3.
Der nächste Kaiser, der sich um die Brennerstraße gekümmert hat, war Maximinus
Thrax, von dem ein Meilenstein aus Lueg bei Matrei, erhalten geblieben ist4. Der
Stein datiert ins Jahr 236 n. Chr. und war bis ins 16. Jh. im Zollhaus von Lueg
eingemauert. Die Distanzangabe von CXXX m. p. ab Augusta Vindelicorum stimmt
ungefähr mit dem frühneuzeitlichen Aufstellungsort überein. H. Cartellieri sieht darin
einen Anhaltspunkt, dass die Straße im 3. Jh. n. Chr. die Talenge von Lueg passiert
hat5, man darf allerdings nicht vergessen, dass keiner der Meilensteine am Brenner
in situ gefunden wurde und sich somit keine genaueren Hinweise auf den
Straßenverlauf ableiten lassen.
Aus Schönberg stammt das Fragment eines
Meilensteins von Kaiser Decius Trajanus aus
dem
Jahre
250
n.
Chr.6.
Die
Entfernungsangabe bezieht sich nicht auf
Augusta
Vindelicorum,
sondern
auf
Brigantium (Bregenz).
Die jüngsten Exemplare stammen beide aus
der Umgebung von Veldidena und wurden
unter der Regierung von Kaiser Julian im
Jahre 363 n. Chr. aufgestellt7. Wahrscheinlich
beziehen sie sich allerdings nicht auf konkrete
Straßenbauarbeiten an der Brennerroute,
sondern sind vielmehr reine Ehreninschriften
für den Kaiser8.
Von der Südseite des Brenners sind mehrere
Altstraßenreste bekannt: Das besterhaltene
Stück befindet sich auf dem Reiterfeld bei
Franzensfeste, im Bereich der Einmündung des compendium Aquileia-Veldidena9 in
die Brennerstraße. Es handelt sich dabei um aus dem Fels gehauene Geleisereste
Abb. 27 Geleiseplatten am Gasthaus
Blättermühle bei Gossensaß
1
Bereits Cartellieri, Alpenstraßen 94. Bezieht sich auf Strabon IV, 6, 6.
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 76f.
3
Zum direkten Vergleich die Inschrift CIL V, 1863 vom Plöckenpass, die von einer gefährlichen
Brücke und einer neuen Straße spricht.
4
CIL III, 5985.
5
Cartellieri, Alpenstraßen, 133.
6
CIL III, 5989.
7
CIL III, 5983, 5984.
8
Walser, 1983, 50.
9
It. Ant. 279, 2.
2
92
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
am orographisch linken Ufer des Eisack1. Mögliche Spuren der römischen Straße
finden sich darüber hinaus in Mittewald und nördlich von Mauls2. Die Fundorte der
Meilensteine von Freienfeld und Sterzing sind weitere, punktuelle Hinwiese. Reste
von Pflastersteinen eines Geleiseweges südöstlich von Gossensaß, am Gasthaus
„Blättermühle“ sind schon länger bekannt (Abb. 27). Sie sind vor 1952 aus einem
Hohlweg ausgegraben und zu einer Trockenmauer aufgeschichtet worden. Ihrem
Charakter nach entsprechen sie ähnlichen Exemplaren von der Passhöhe3.
Auf der Passhöhe des Brenners wurden bisher dreimal Altstraßenreste freigelegt:
(Abb. 28)
Im Jahr 1935 fand man eine mit großen Granitplatten gepflasterte Trasse, auf der
mehrere parallele Geleise eingetieft waren. Die volle Breite des Straßenkörpers
wurde nicht ermittelt, die Spurweiten der Rillen schwankten jedoch zw. 0.8 m und 1
m. Das Fundmaterial war mittelalterlich und neuzeitlich, darunter Hufeisen und
Nägel, Bronzefragmente sowie Münzen aus der Zeit Maria Theresias 4. Eine
Datierung dieses Straßenrestes in römische Zeit scheint somit auszuscheiden.
15
Jahre
später
wurden
bei
Entwässerungsarbeiten
Platten
mit
eingetieften Rillen aufgedeckt. Diese
konnten jedoch nicht mehr rechtzeitig
dokumentiert
werden.
In
einer
Holzkohleschicht unter der Fahrbahn fanden
sich drei Hufeisen, die offenbar ins 16. und
17. Jh. datieren und somit von der zeitlichen
Stellung mit dem Fund von 1935
übereinstimmen könnten5.
Im Jahr 1967 wurde bei Arbeiten an der
Brenner Autobahn, im Bereich des
Brennersees,
ein
47
m
langes
Altstraßenstück
angeschnitten
und
freigelegt. Die Trasse verlief in Nord-Süd
Richtung, wies eine Steigung von 10.3% auf
und war mit Steinblöcken ausgelegt, die
eine Länge von über 2 m erreichten. Im
Zuge der archäologischen Untersuchungen
entdeckte man darunter außerdem zwei
ältere Straßenkörper, die mit Geleisen
versehen waren und unter Hinweis auf die
Meilensteine entlang der Passstraße in die Abb. 28 Altstraßenreste vom
Mittlere Kaiserzeit datiert wurden. Etwa 250 Brennerpass (heute in Schönberg)
m nördlich dieser Stelle befinden sich westlich der Bahnstation Brennersee drei
Geländestufen, auf welche die gepflasterte Trasse ausgerichtet ist. Bei
Untersuchungen dieser Geländestufe entdeckte man bei den beiden untersten in den
Fels eingetiefte Fahrbahnreste6.
1
A. Alberti, L. Dal Ri, Denkmalpflege in Südtirol 1989/90, 1995, 52f.
Fleckinger, 1995, 50.
3
L. Franz, Carinthia 146, 1956, 469.
4
L. Franz, VLMTir 31, 1951, 135f.
5
L. Franz, VLMTir 31, 1951, 138f.
6
L. Plank, FÖ 9, 1966-70, 85.
2
93
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Setzt man die jüngsten Funde am Brennerpass mit den älteren in Verbindung und
betrachtet man sie zusammen mit den Ergebnissen einer Grabung in Patsch aus
dem Jahr 1994 (Abb. 29) und einiger älterer Grabungen entlang der Ellbögener
Landesstraße1, dann ist es kaum möglich, die bisher am Brenner gefundenen
Altstraßenreste als römisch anzusprechen. Sie scheinen zu einer mittelalterlichneuzeitlichen Trasse zu gehören, die von der römischen Linie Matreium – Schönberg
– Veldidena abweicht und nach Hall in Tirol führt2.
Neben Altstraßenresten gibt es außerdem eine Reihe von römischen Kleinfunden
aus dem engeren Bereich der Passstraße, die einige Aussagekraft besitzen: Bisher
unpublizierte Auerbergtöpfe aus Matrei, Schönberg, Natters und Wilten3, daneben
frühkaiserzeitliche Fibeln aus Mühlbachl und Natters4.
Von der Nordseite des Passes sind weiters nicht genauer bestimmte römische
Münzen aus Schönberg bekannt5, daneben ein Münzschatz aus Navis – Matrei, der
Münzen des Kaisers Probus (276/282 n. Chr.) enthält6.
Abb. 29 Frühneuzeitliche Straßenreste aus Patsch
Seit dem 19. Jh. sind 2 Münzen Galbas vom Brennerbad, ca. 3 km südlich der
Passhöhe bekannt7. Aus Gossensaß stammen mehrere Münzen des Nerva und des
Trajan, außerdem wurden 1909 bei Bauarbeiten ein Krug mit einem Münzhort aus
diocletianischer Zeit gefunden. Es handelt sich dabei um 16 Gold-, 82 Silber- und
341 Kupfermünzen8. Weniger als einen Kilometer von Gossensaß entfernt befindet
1
L. Franz, Carinthia 146, 1956, 469ff.
J. Pöll, THBl 70, 1995, 58. Es wurde ein 14 m langer, gepflasterter Straßenrest mit einer Breite von
2.1 m und einer Spurweite von 1.29 m von Rillensohle zu Rillensohle ausgegraben. Das Fundmaterial
(ca. 80% Metallfunde, 20% Keramik) lässt auf eine Nutzungsphase ab dem 16. Jh. schließen.
3
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 77, Abb. 52, 53.
4
St. Demetz, 1999, 264 Liste XXIV 2.1.1 Nr. 4. A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 76.
5
R. Heuberger, THBl 8, 1930, 138.
6
Der Schatzfund ist entweder um 1300 oder 1772 entdeckt worden. H. Oberrauch, FDS 1, 2002, 863.
Vergl. P.W. Haider, Geschichte des Landes Tirol 1 (1985) 156f.
7
Fl. Orgler, Zeitschrift des Ferdinandeums 3. Folge 22, 1878, 62-84. R. Heuberger, Klio 23, 1929, 34f.
8
Fleckinger, 1995, 64. Fl. Orgler, Zeitschrift des Ferdinandeums 3. Folge 22, 1878, 68.
2
94
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
sich die Ruine Strassberg, wo Kleinfundmaterial und Münzen aus der Kaiserzeit
entdeckt wurden. Daneben gibt es verschiedene römische Zeugnisse aus der
Umgebung von Sterzing: Neben dem Meilenstein handelt es sich vor allem um
Münzen und Gräber, eine Grabinschrift aus dem 2./3. Jh. n. Chr., die in die
Pfarrkirche eingemauert wurde1 und der bekannte Mithras-Altar, der wahrscheinlich
aus dem Gebiet zw. Mauls und Sterzing stammt2.
Die genaue Lage und Ausdehnung von Vipitenum konnte trotz dieser zahlreichen
Spuren bisher dennoch nicht geklärt werden3.
Abb. 30 Römische Brennerstraße nördlich von
Schupfen (Zw. Schönberg und Innsbruck)
Auf
Grund
der
spärlichen
Informationen gibt es für den
genauen
Verlauf
der
Brennerstraße von Vipitenum bis
Matreium
keine
konkreten
Hinweise. H. Cartellieri setzt sie im
Gossensasser Becken mit der
modernen Straße gleich und lässt
sie bei Pontigl (ponticulus?) den
Eisack auf die Sonnenseite des
Tales überschreiten. Dann führt er
sie jedoch nicht über den
Brennersattel, sondern über die
westlich gelegenen Almen nach
Vinanders
und
weiter
über
Nösslach und Steinach. Dabei
handle es sich um den Saumweg
des Drusus, während der Weg
über den Brennersattel erst in der
späteren
Kaiserzeit
angelegt
4
worden
sei .
Die
Theorie
Cartellieris
wurde
von
der
Forschung
aber
nicht
weiterverfolgt und heute herrscht
schweigender Konsens darüber,
dass die römische Straße über den
Brenner, diesen jederzeit an
seinem
niedrigsten
Punkt
überquerte.
Sillabwärts führte die römische Straße wahrscheinlich so wie die heutige
Bundesstraße entlang der schattseitigen Hänge der westlichen Talflanke nach
Norden5. Den möglichen Straßenzug von Schönberg bis zum Kastell von Veldidena
kann man teils als ca. 2.5 m breiten Hohlweg, teils neuzeitlich oder modern überbaut,
verfolgen6 (Abb. 30).
1
CIL VI, 5084.
L. Allavena Silverio, G. Rizzi, FDS 1, 2002, 545f. Anm. 154.
3
Fleckinger, 1995, 56.
4
Cartellieri, Alpenstraßen 130ff. Diese Theorie wurde erstmals von P. H. Scheffel, Die Brennerstraße
zur Römerzeit (1912) aufgestellt.
5
W. Sydow, FÖ 34, 1995, 557.
6
G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994) 39-44.
2
95
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Obwohl aus archäologischer Sicht nur wenige detaillierte Aussagen über die
römische Passstraße am Brenner möglich sind, existiert dennoch eine relativ breite
althistorische Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jhs., die sich mit der Geschichte
der römischen Brennerstraße beschäftigt. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem die
Frage nach der Erbauungszeit, dem Verhältnis zur Via Claudia Augusta und der
historischen Deutung der Meilensteine.
Cartellieri zieht aus seinen Forschungen den Schluss, dass möglicherweise seit
augusteischer Zeit ein Saumweg über den Brenner bestanden haben könnte, dieser
aber bis zur Zeit der Markomannenkriege nur ein „stiller“ Nebenweg der Via Claudia
gewesen sei. Er schreibt den großen Ausbau zur via publica Septimius Severus zu,
basierend auf den Meilensteinen und den veränderten Verkehrsbedürfnissen seit der
Verlegung der Legio III Italica nach Castra Regina im Zuge der Markomannenkriege1.
Auch Heuberger nimmt sich in einer Reihe von Arbeiten dieser Frage an, tritt für eine
kontinuierliche Entwicklung der Straße aus prähistorischen Saumpfaden ein und
wertet die Brennerstraße in ihrer frühen Phase deutlich auf. Er spricht sich gegen
einen plötzlichen Bedeutungszuwachs in severischer Zeit aus2.
Diese Fragestellung bleibt bis in die Gegenwart aktuell, zuletzt nahm G. Rossada
wieder dazu Stellung. Er tritt wie Heuberger für eine wichtige Rolle der Brennerstraße
seit der ersten Romanisierung ein3.
Betrachtet man die von A. Fleckinger zusammengestellte Liste der römischen
Münzen des südlichen Wipptals, zeichnet sich ein Anstieg der Funde ab der Mitte
des 2. Jhs. n. Chr. ab4. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen auch L. AllavenaSilverio und G. Rizzi, die bei ihrer Untersuchung der Verkehrsverbindungen im
Eisacktal eine verstärkte römische Präsenz ab dem 2. Jh. n. Chr. festgestellt haben5.
Durch die kontinuierliche Forschung der letzten Jahre auf dem Gebiet nördlich des
Brenners konnten zu diesen Fragen wichtige neue Erkenntnisse erarbeitet werden,
die darauf hinauslaufen, dass die Brennerstraße nicht erst Ende des 2. Jhs. n. Chr.
von Bedeutung war, sondern bereits in der frühen Kaiserzeit einen Ausbau zur via
publica erfahren hat6.
Leider liegen von zahlreichen Grabungen der letzten Jahre, welche südlich des
Brenners, vor allem im Brixner Becken, durchgeführt wurden, noch keine
Publikationen vor. Deshalb fehlt ein repräsentatives Fundspektrum, an Hand dessen
wechselnde Handelsintensität und Einflüsse durch den Bau der römischen via
publica über den Brenner nachgewiesen werden könnten. Fest steht, dass Ende des
2. Jhs. n. Chr. die Instandhaltung der Via Claudia Augusta stark vernachlässigt
wurde und wenige Jahre darauf die Meilensteine des Septimius Severus entlang der
Brennerstrecke anzusetzen sind7.
In Elvas (Brixen) wurde 1977 ein kleines Gebäude ausgegraben, welches im 1. und
2. Jh. n. Chr. als Werkstatt verwendet wurde. Rätische Bauweise und sehr spärliche
Einflüssen italischer Keramik deuten auf schwachen Einfluss von Süden während der
ersten beiden Jahrhunderte römischer Herrschaft hin8. Aus einer weiteren Grabung
in Waidbruck stammt ein Fundkomplex bestehend aus Terra Sigillata,
1
Cartellieri, Alpenstraßen 94f.
R. Heuberger, Klio 23, 1929, 34f. Ders. Klio 27, 1934, 322f.
3
G. Rossada, FDS 1, 2002, 51.
4
Fleckinger, 1995, 53f.
5
L. Allavena Silverio, G. Rizzi, FDS 1, 2002, 546.
6
A. Lang, U. Schulz, W. Zanier, Eine frührömische Holz-Kies-Straße im Eschenloher Moos. In: E.
Walde (Ed.), Via Claudia (1998) 318. A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 76f.
7
Pöll, 1998, 59.
8
L. Allavena-Silverio, FDS 1, 2002, 468.
2
96
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Lampenfragmenten, rätischer Ware und einer Münze der Iulia Soëmias aus dem Jahr
222 n. Chr.1. Obwohl die Grabung nur auf sehr begrenztem Raum stattfand, ist es
interessant, dass sich die Terra Sigillata nur aus Importstücken aus Rheinzabern,
Westerndorf und Pfaffenhofen zusammensetzt und um die Mitte des 2. Jhs. einsetzt,
während keine gallische oder italische Sigillata vorkommt 2. Vergleicht man die
Befunde mit Grabungen aus den wenige km südlich gelegenen Ortschaften
Neumarkt3 und Leifers4, fällt auf, dass dort ausschließlich italische und gallische
Sigillata gefunden wurde. Beide Orte liegen an der Via Claudia Augusta, unweit
südlich der Abzweigung ins Eisacktal und in Richtung Brennerpass. Die starke
Präsenz italischer Keramik wurde als Beweis für eine frühe Romanisierung
gewertet5. Es sieht so aus, als ob erst im Laufe der 2. Hälfte des 2. Jhs. der südliche
Zugang zum Eisacktal für den Handel geöffnet wurde und die Hauptverkehrslinie bis
dahin vor allem über das Pustertal und den Brenner verlaufen sei.
Abb. 31 M. Junkelmann (Bildmitte) mit seinen Legionären am Südaufstieg zum
Brenner
Der Befund aus dem Eschenloher Moos zeigt jedoch sehr deutlich, dass seit der
Mitte des 1. Jhs. n. Chr. eine gut ausgebaute Straße über den Brenner bestanden
hat. In der Nähe des Nordausganges der Brennerstrecke, auf dem Döttenbichl bei
Oberammergau, der nur wenige Kilometer von Parthanum / Partenkirchen entfernt
liegt, wurden zudem Anfang der 90er Jahre des 20. Jhs. Militaria aus den ersten
Jahren römischer Okkupation gefunden, die darauf hindeuten, dass die Brennerlinie
ein römischer Verkehrsweg der ersten Stunde gewesen ist6.
Dieses Ungleichgewicht im archäologischen Material vom Nord- und Südfuß der
1
P. Veneri, FDS 1, 2002, 703.
P. Veneri, FDS 1, 2002, 723.
3
S. di Stefano, FDS 1,2002, 196. Es handelt sich dabei um ein 29 x 25 m großes Gebäude, welches
von den Ausgräbern als mögliche mansio von Endidae (It. Ant. 276, 6) interpretiert wird.
4
S. di Stefano, I. Pezzo, FDS 1, 2002, 585.
5
S. di Stefano, I. Pezzo, FDS 1, 2002, 591.
6
W. Zanier, Der Alpenfeldzug 15 v. Chr. und die augusteische Okkupation in Süddeutschland, in: L.
Wamser (Hg.), Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer, Ausstellungskatalog Rosenheim 2000, 13ff.
2
97
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Brennerstrecke könnte damit zu erklären sein, dass in der frühen Kaiserzeit der
Brenner hauptsächlich über eine ausgebaute Straße durch das Pustertal erschlossen
wurde1 und erst in severischer Zeit einen direkten Anschluß über das Eisacktal nach
Süden erhielt. Durch die Restaurierungs- und Ausbauarbeiten des Septimius
Severus und durch die politischen und administrativen Umlagerungen in Raetien
scheint der Brenner endgültig überregionale Bedeutung erlangt zu haben.
Der Ausbau der Brennerstraße führte aber möglicherweise auch dazu, dass Einfälle
von germanischen Stämmen im 3. Jh. über den Pass in Richtung Italien vorgetragen
werden konnten. Dabei ist besonders an den Angriff der Juthungen im Jahr 271 n.
Chr. zu denken, der im Augsburger Siegesaltar dokumentiert ist2. Allerdings lässt
sich diese These durch archäologisches Material nicht belegen. Für das 3. Jh. n. Chr.
fanden sich bisher weder in Veldidena, noch in den erforschten Siedlungen an der
Brennerroute Hinweise auf größere Zerstörungen. Die Brennerroute scheint durch
das ganze 3. Jh. hindurch offen und intakt geblieben zu sein3.
Im 4. Jh. vergrößert sich die Bedeutung des Brenners noch einmal, wie die Kastelle
von Veldidena und Teriolis zeigen. Vor allem im Zuge der Anstrengungen
Valentinians, die Reichsgrenzen um 370 n. Chr. noch einmal zu sichern, musste
auch den Verbindungslinien nach Italien wieder vermehrte Aufmerksamkeit
zugewendet werden4. Außerdem zeigt das Vorhandensein von Terra sigillata
africana nördlich den Brenners, dass noch im 5. Jh. n. Chr. rege Handelskontakte mit
Italien und darüber hinaus bestanden, die erst im Laufe des 6. Jhs. langsam zu Ende
gingen5.
Die Brennerstraße behielt jedoch über die Antike hinaus ihre Bedeutung bei. Im
Mittelalter schlugen die Deutschen Könige bei 66 von 144 Alpenüberquerungen (Hinund Rückmarsch) den Weg über den Brenner ein6.
1
Aus Littanum sind bereits relativ reiche Funde aus den ersten Jahrzehnten des 1. Jhs. n. Chr.
bekannt: L. Dal Ri, G. Rizzi, Denkmalpflege in Südtirol 1991-95, 1995, 30.
2
L.Bakker, Germania 71, 1993, 369ff. P. W. Haider, Tiroler Heimat 58, 1994, 8.
3
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 81.
4
M. Mackensen, Die Provinz Raetien in der Spätantike, in: L. Wamser (Hg.), Die Römer zwischen
Alpen und Nordmeer, Ausstellungskatalog Rosenheim 2000, 216.
5
A. Höck, FÖMat, A 14, 2003, 61.
6
H. Nissen I, 164.
98
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
99
Die Römer auf den
100
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.3.2 Der Seefelder Sattel
•
Topographie
Der Seefelder Sattel (1185m) stellt neben dem Fernpass einen weiteren Durchgang
durch die nördlichen Kalkalpen dar. Über ihn kann man vom Inntal ins bayrische
Alpenvorland gelangen. In der Antike gehörte er zum Passzugsystem des Brenners
und ermöglichte, von Italien aus, die Donau zu erreichen.
Ihren südlichen Ausgangspunkt nimmt die Strecke in Zirl Teriolis (622m), ca. 10 km
westlich von Innsbruck. Die 600 Höhenmeter bis zum Scheitelpunkt werden zu einem
großen Teil bereits auf den ersten drei Kilometern, beim Aufstieg auf den Zirler Berg
überwunden. Ab Leithen (1010m) gestalten sich die topographischen Verhältnisse
etwas einfacher. Die Sattelfläche besteht aus ausgedehnten Feuchtgebieten, was
auch Einfluss auf die antike Straßenführung gehabt haben könnte. Die südliche
Passrampe ist insgesamt ca. 8.5km lang.
Auf der Nordseite ermöglicht ein 8km langer Taleinschnitt, nach Scharnitz (964m) zu
gelangen, nach weiteren 5km folgt Mittenwald / Scarbia1 (912m), wo sich das
Gebirge wieder zu weiten beginnt. Den Abschluss der Passstrecke bildete in der
Antike Garmisch-Partenkirchen / Parthanum2 (717m). Die nördliche Passrampe
überwindet somit auf einer Länge von insgesamt ca. 30km eine Höhendifferenz von
rund 500 Höhenmetern.
Abb. 32 Geländeschnitt Seefelder Sattel
•
Forschungsgeschichte
Eine besondere Rolle bei der Erforschung der römischen Straße über den Seefelder
Sattel spielte der Martinsbühel östlich von Zirl. Erste Münzfunde tauchen hier bereits
Mitte des 18. Jh. auf3.
Wie mit zahlreichen anderen Übergängen auch, befasste sich H. Cartellieri 1926 mit
dem Seefelder Sattel. Er konzentriert sich vor allem auf den Martinsbühel, doch er
beschreibt ebenso den vermeintlichen Verlauf der Passtrasse bis nach Parthanum 4.
1
Tab. Peut. IV, 2.
It. Ant. 275, 2.
3
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 10.
4
W. Cartellieri, Die römischen Alpenstraßen. Philologus Supp. Bd. XVIII, 1 (1926) 145-152.
2
101
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
In den 80er Jahren des 20. Jhs. meldete sich A. Planta zu Wort und beschrieb einen
alternativen Aufstiegsweg an der Südseite des Passes1.
Im Zuge seiner Arbeit über die Via Decia aus dem Jahr 1994 verfolgte und beschrieb
G. Grabherr die Altstraßenreste zw. dem Martinsbühel und Seefeld ausführlich und
zeigte alle bekannten und möglichen Linienführungen an der Südseite des Seefelder
Sattels auf2.
Wichtige Beiträge zur Chronologie und zur Infrastruktur dieser Verbindung lieferten
schließlich A. Lang, U. Schulz und W. Zanier mit der Ausgrabung eines Teils der
römischen Straßentrasse im Eschenloher Moos 3, sowie A. Höck, mit seiner Vorlage
der zahlreichen Notgrabungen, welche seit 1993 am Martinsbühel bei Zirl
durchgeführt wurden4.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Wie bereits erwähnt, gehörte der Seefeldersattel in römischer Zeit zur
Brennerstrecke und aus diesem Grund fand er ebenfalls Eingang in die Tabula
Peutingeriana und in das Itinerarium
Antonini.
Beide
Quellen
beschreiben
die
Straßenstationen zw. Augusta Vindelicum
und Verona. Für die Teilstrecke über den
Seefelder Sattel nennen beide Quellen
unterschiedliche mansiones: Das Itinerarium
Antonini beschreibt zwei Wegvarianten, um
nach
Parthanum,
dem
nördlichen
Ausgangspunkt
der
Überquerung
zu
gelangen:
Von
Augusta
Vindelicum
ausgehend5
und
von
Lauriacum
ausgehend6. Entlang der gesamten Strecke
über den Pass werden keine weiteren
Stationen mehr genannt, es folgt sofort
Veldidena / Wilten nach XXX m. p. (44.3
km)7.
Die Tabula nennt im Gegensatz dazu
andere Stationen, die ein etwas genaueres
Bild ergeben8: Von Tartenum-Parthanum
aus gelangt man nach XV m. p. (22.1 km)
nach Scarbia (Mittenwald) und nach
weiteren XVIIII m. p. (28 km) nach Vetonina, Abb. 33 Der unbeschriftete Meilenstein
einer Station, welche nicht mit Sicherheit von Reith
1
A. Planta, VLMTir 62, 1982, 99ff.
G. Grabherr, Die Via Decia. Eine postulierte römische Reichsstrasse. (Diplomarbeit Innsbruck 1994)
49-54..
3
A. Lang, U. Schulz, W. Zanier, Eine frührömische Holz-Kies-Straße im Eschenloher Moos. In: E.
Walde (Ed.), Via Claudia (1998) 315-325.
4
A. Höck, Archäologische Forschungen in Teriola 1. Die Rettungsgrabungen auf dem Martinsbühel
bei Zirl von 1993-1997. Spätrömische Befunde und Funde zum Kastell, FÖMat A 14, 2003.
5
It. Ant. 274,8 - 275,2.
6
It. Ant. 256, 4 – 257,6.
7
It. Ant. 275,3.
8
Tab. Peut. IV, 2.
2
102
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
lokalisiert werden kann und zwischen Teriolis / Zirl und Veldidena / Wilten zu suchen
ist1. Diesem folgt dann Matreium und der Aufsteig zum Brenner.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Die topographisch und archäologisch markanteste Stelle entlang der Route über den
Seefelder Sattel bildet der Martinsbühel, welcher als der südliche Passfußpunkt in
römischer Zeit gelten kann. Ein Schlaglicht auf die dortige Situation in der Spätantike
wirft die Nennung der Garnison Teriolis in der Notitia Dignitatum2. Zwei dort
stationierte Kommandeure werden
erwähnt: Der Praefectus legionis
tertiae
Italicae
transvectioni
specierum deputatae, der für die
Sicherung der Nachschubwege
zuständig war und der Tribunus
gentis per Raetias deputatae. A.
Höck
schätzt,
dass
beiden
Offizieren jeweils etwa 700 Mann
unterstanden haben könnten3.
Durch eine Reihe von Kleinfunden
kann eine erste Besiedlung in
frührömischer Zeit nachgewiesen
werden, sie steht in einer Reihe
mit zahlreichen anderen Orten im
Inntal und an der Brennerroute,
aus welchen frühkaiserzeitliches
Material stammt4. Während der
mittleren Kaiserzeit scheint der
Hügel nicht bewohnt gewesen zu
sein, die Siedlung dieser Phase
erstreckte sich wahrscheinlich auf
dem westlich gelegenen Kirchfeld
bei Zirl5. Erst in der Spätantike
kam es zum Bau eines stark
befestigten, 2.55 ha großen
Kastells, welches in direktem
Sichtkontakt zum nur 10 km weiter
östlich gelegenen Lager von
Abb. 34 Römischer Hohlweg am Zirler Berg
Veldidena
stand.
Von
der
Innenbebauung
des
Lagers
Teriolis ist bisher nur wenig bekannt6: Zwei Hallenbauten (10m bzw. 7.5m breit und
ca. 40m lang) können als Magazine gedeutet werden und finden Parallelen in
1
RE VIII A 2 (1958) 1837f. s.v. Vetonina (E. Pollatschek).
Not.dig. occ. XXXV, 22; 31.(O. Seek) Identifizierung mit Zirl – Martinsbühel: O. Menghin, Forsch. u.
Mitt. zur Gesch. Tirols u. Vorarlbergs 10, 1913, 177-185.
3
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 79.
4
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 76f. Auf eine hallstattzeitliche Besiedlung weist das Randstück einer
Schale/Tasse hin, welches ins 7./6. Jh. v. Chr. datiert. Ebenda 55.
5
Bisher deuten allerdings nur Kleinfunde darauf hin. A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 77. Ders. FÖ 39,
2000, 693.
6
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 79f.
2
103
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
mehreren spätantiken Kastellen1. Auch Reste der hölzernen contubernia konnten
freigelegt werden, sie bestanden in drei Bauphasen während des 4. Jhs. n. Chr. und
waren mit Y-förmigen Schlauchheizungen ausgestattet2.
A. Höck setzt die Erbauung des spätantiken Kastells auf dem Martinsbühel in die Zeit
des Aurelian und des Probus und somit in die erste Phase der Konsolidierung nach
den schweren Germaneneinfällen, die Raetien in den vorangegangenen Jahrzehnten
getroffen hatten. Das mittlere Tiroler Inntal und die Brennerroute scheinen dabei
weitgehend verschont geblieben zu sein und boten einen guten Ausgangspunkt für
Nachschub und Wiederaufbau3. Im 4. Jh. n. Chr. sind die spätkonstantinische und
schließlich die valentinianische Zeit die wichtigsten Perioden des Kastells, als die
Anlage beinahe über den ganzen Hügel ausgedehnt wird. Die Auflassung erfolgte
erst im Laufe des 5. Jhs. n. Chr., der genaue Zeitpunkt kann noch nicht mit Sicherheit
bestimmt werden4.
Dass die römische Brennerstraße
nach der Überquerung des Inn
zwischen dem Kastell und der
unmittelbar nördlich aufragenden
Martinswand verlaufen sein muss,
stand für die Forschung schon seit
langem fest5. Sie setzte sich nach
Westen hin fort und gelangte nach
Zirl, wo sich wahrscheinlich eine
Abzweigung in Richtung Via
Claudia Augusta befunden hat6.
Die Brennerstraße setzte ihren
Weg jedoch über den Zirler Berg,
Seefeld und Scharnitz nach
Garmisch
Partenkirchen
/
7
Parthanum fort .
Über den genauen Verlauf im
Bereich des Zirler Berges herrscht
unter den Altstraßenforschern
Uneinigkeit: Als erster beschrieb
H. Cartellieri einen direkten
Aufstieg von Zirl an der Ruine
Fragenstein vorbei und weiter
nach Leithen und Reith. Für diese
Variante spricht ein Münzfund aus
der Ruine und ein Meilenstein des
Abb. 35 Am Aufstieg zum Zirler Berg
Veldidena, A. Wotschitsky, JÖAI 41, 1954, Sp. 9-10. Abb. 3. Stein am Rhein, W. U. Guyan, HA
22/23, 1975, 46. Rostrum Nemaviae (Goldberg bei Türkheim), I. Moosdorf-Ottinger, MBV 24, 1981,
Beilage 6. Lorenzberg bei Epfach, J. Werner, MBV 8, 1969, 85f., 255ff. Texttafel F, Beilage., Eining,
M. Mackensen, Germania 72, 1994, 503ff.
2
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 80.
3
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 80f.
4
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 81.
5
O. Menghin, Forsch. u. Mitt. zur Gesch. Tirols u. Vorarlbergs 10, 1913, 185.
6
G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994) 47f.
7
Dagegen: H. Koller, die Stadt Innsbruck und ihr ältestes Straßennetz. Innsbrucker historische
Studien 9, 1986, 11ff.
1
104
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Decius aus dem Jahr 250 n. Chr. von wenig oberhalb1. Der Meilenstein wurde 1835
bei Straßenarbeiten gefunden und zeigt damit möglicherweise an, dass sich die
römische und die moderne Trasse entsprechen oder in unmittelbarer Nähe
zueinander befinden.
Eine zweite Möglichkeit schlägt A. Planta vor: Er verfolgt einen Altweg westlich von
Zirl bis nach Eigenhofen. Von dort setzt sich dieser als Hohlweg den Niederbachtobel
entlang in Richtung Norden fort und westlich an Reith vorbei nach Seefeld2.
Eine dritte Variante wird schließlich von G. Grabherr vertreten, er folgt weitgehend
der modernen Straßenführung, entdeckt aber auch Reste eines Hohl- bzw.
Hangweges, der mit einer Breite von bis zu 4.2 m gleichmäßig ansteigt3.
Die von Cartellieri und Grabherr
vorgeschlagenen Straßenverläufe
vereinigen sich spätestens an der
Nordseite des Zirler Berges und
gelangen nach Leithen, von wo ein
unbeschrifteter Meilenstein stammt.
Ein
zweites,
ebenfalls
unbeschriftetes Exemplar stammt
aus Reith4 (Abb. 33). Nördlich der
darauf folgenden Ortschaft Auland
zweigt schließlich die sog. Via
Decia von der Brennerstraße ab.
Man befindet sich an dieser Stelle
praktisch auf dem Scheitelpunkt des
Seefelder Sattels, auf 1185 m5. Wie
aus den Ortsnamen „Seefeld“ und
„Auland“ hervorgeht, ist die Talsohle
in
diesem
Bereich
von
Feuchtgebieten geprägt und aus
diesem Grund wird die Fortsetzung
der Straße am rechten Talrand
vermutet. Cartellieri beschreibt den
weiteren Verlauf bis zur Ruine
Milser, nördlich von Seefeld und
schließlich
entlang
des
Drahnbaches bis nach Scharnitz6.
Aus
Scharnitz
stammt
eine
römische Münze aus augusteischer
Abb. 36 Geleisestraße in der Nähe von Klais
Zeit7.Von dort sind es nur noch ca.
5 km bis nach Scarbia / Mittenwald,
von wo ein heute verschollener, vermutlich unbeschrifteter Meilenstein stammen
soll8. Ein Auerbergtopf und ein gut erhaltenes Stück Altstraße aus Klais (Abb. 36)
1
CIL III, 5988. Cartellieri, Alpenstraßen 149. G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994)
36f.
2
A. Planta, VLMTir 62, 1982, 99ff.
3
G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994) 52f.
4
Walzer, 1983, 65 Nr. 6.
5
G. Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994)
6
Cartellieri, Alpenstraßen 149. Auch aus diesem Bereich stammt ein unbeschrifteter Meilenstein, er
stand bei km 14.2 zw. Seefeld und Scharnitz, ist jedoch heute Verschollen: Walser, 1983, 65, Nr. 5.
7
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 77.
8
Walser, 1983, 34, 65 Nr. 4. CIL III, 5979.
105
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
belegen die frühe römische Präsenz entlang dieser Strecke1. Schließlich gelangt man
nach Parthanum / Partenkirchen, von wo ein ebenfalls verschollener Meilenstein
stammt. Seine Inschrift ist jedoch teilweise überliefert und scheint in das Jahr 201 n.
Chr. zu datieren2.
Der Seefelder Sattel kann während der römischen Epoche in seiner
verkehrsgeschichtlichen Bedeutung nur als Teil der Brennerlinie betrachtet werden.
Deshalb wird für die chronologische Analyse und die Einordnung in das römische
Straßensystem der Ostalpen auf das Kapitel „Der Brennerpass“ verwiesen.
1
2
A. Höck, FÖMat A 14, 2003, 76f. Abb. 53.
CIL III, 5978. Walser, 1983, 64f. Nr. 3.
106
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
107
Die Römer auf den
108
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.4 Kleinere Übergänge auf dem Territorium von Aguntum
•
Topographie
Die von Westen nach Osten verlaufende Linie des Puster- und Drautals bildet das
verbindende Element fast aller Übergänge auf dem Territorium von Aguntum. Diese
beiden Längstäler bilden die Grenze zw. den Südlichen Kalkalpen und den
Zentralalpen und ermöglichen es, durch mehrere Nord-Süd ausgerichtete Quertäler,
nach Norden den Alpenhauptkamm und nach Süden die Dolomiten und die
Karnischen Alpen zu überschreiten. Das Municipium Claudium Aguntum bildet den
östlichen Endpunkt dieser Linie in römischer Zeit, im Westen wird sie durch das
Brixner Becken und die Brennerstraße abgeschlossen.
Durch das Tauferer-Ahrntal, über den Krimmler Tauern (2633 m) und die Birnlücke
(2665 m) ist es möglich, den Alpenhauptkamm zu überschreiten und über das
Krimmler Achental ins Salzachtal zu gelangen.
In dieselbe Richtung zielt der Übergang über den 2481 m hohen Felber Tauern, der
das Lienzer Becken über das Isel-, Virgen- und Tauerntal mit dem Salzachtal
verbindet.
Die folgenden Übergänge sind in Richtung Süden bzw. Südosten ausgerichtet:
Der Kartitscher Sattel (1525 m) verbindet das Pustertal über das Tiroler Gailtal und
das Lesachtal mit dem Oberen Gailtal.
Der Kreuzbergpass (1636 m) ermöglicht, vom Pustertal über das Sextnertal ins
Comelico und das Piavetal zu gelangen.
Schließlich gibt es noch den 2105 m hohen Falzaregopass, der vom Pustertal aus
über das Gadertal zu erreichen ist und ebenfalls ins Piavetal führt.
Neben diesen existieren aber noch zahlreiche weitere Übergänge, die in römischer
Zeit sicherlich vom Lokalverkehr begangen wurden, uns jedoch bisher noch kein
Fundmaterial beschert haben, wie z. B. der Staller Sattel, über den man vom
Antholzer- ins Defreggental gelangen kann oder den Weg durch das Höhlensteintal
nach Corina und ins Piavetal 1.
Es fällt auf, dass die zentralen römischen Siedlungen im Pustertal alle an der
Einmündung von Tälern liegen, welche Zugang zu verkehrsmäßig günstigen Pässen
ermöglichen.
•
Forschungsgeschichte
Hinweise auf eine römische Straße durch das Gadertal und über seine Pässe nach
Süden werden in der Literatur schon im 19. Jh. aufgegriffen2. H. Cartellieri befasste
sich 1926 mit den zahlreichen Abzweigungen von der Pustertaler Strasse zwar nur
am Rande, doch zeichnete er im Großen und Ganzen bereits jenes Bild vor, das sich
bis heute noch kaum verändert hat3. Auf italienscher Seite beschäftigte sich am
Beginn der 40er Jahre A. De Bon mit der Pustertaler Straße und deren Anschlüssen
1
Der Weg durch das Höhlensteintal wird von G. M. Tabarelli, Strade romane nel Trentino e nell’Alto
Adige (1994) 141, als mittelalterlich angesprochen, doch könnte der Fund eines Meilensteins (CIL III,
5706 = 11831) bei der Gratscher Brücke bei Toblach, am Eingang des Hölensteintales, als ein
Hinweis auf eine Abzweigung nach Süden gesehen werden.
2
J. Th. Haller, Das k.k. Landgericht Enneberg in Tirol. Ein historisch-statistisch-topographischer Abriß.
In: Beiträge zur Geschichte, Statististik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg 6, 1831, 6. G.
Loss, Livinallongo e il Castello di Andraz (1858) 344. A. Vittur, Enneberg [=Gadertal] in Geschichte
und Sage (1912) 23.
3
W. Cartellieri, Die römischen Alpenstraßen. Philologus Supp. Bd. XVIII, 1 (1926) 34, 36, 39.
109
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
nach Süden1. Mit seiner ersten Zusammenfassung zu den archäologischen
Hinterlassenschaften Osttirols verdichtete O. Menghin 1949 die Hinweise Cartellieris
und machte es möglich, einen Überblick über die älteren Funde am Zugang zum
Felber Tauern, dem Kartitscher Sattel und dem Kreuzbergpass zu gewinnen2.
1975 brachte St. Karwiese diese Zusammenstellung auf den neuesten Stand der
Forschung3. L. Dal Ri nahm erstmals im Jahr 1988 neuere Grabungsergebnisse aus
Sebatum zum Anlass, die Vermutung zu äußern, es habe eine via vicinalis ins
Gadertal und über die Pässe Campolongo und Falzarego bestanden4.
G. M. Tabarelli schneidet in seiner Monographie über die römischen Straßen in Trient
und Südtirol kurz den Kreuzbergsattel an, setzt sich aber im Zuge der Beschreibung
der Pustertaler Straße auch mit den anderen bekannten Übergangsmöglichkeiten
auseinander5.
Mit den von Sebatum ausgehenden Verkehrswegen hat sich schließlich zuletzt in
kurzer Form R. Constantini befasst6.
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
•
•
Krimmler Tauern / Birnlücke
Bereits
H.
Cartellieri
betonte
die
verkehrsgeographische
günstige
Lage
von
Sebatum und den römischen Einfluss, den die in
den Brunecker Talkessel einmündenden Täler
aufweisen7. Er bezieht sich dabei u. a. auf das
Tauferer Ahrntal, wo es keltische und römische
Funde bis weit in den Norden hinauf gegeben hat:
Münzen aus Aufhofen, Lappach und Luttach,
sowie eiserne Waffen und Geräte bei Sand in
Taufers8. Weiters konnte in der Nähe von Mühlen
in Taufers eine kleine römische Nekropole
aufgedeckt werden9. Dies hat dazu geführt, dass
neben einer via vicinalis ins Gadertal, auch eine
solche Straßenverbindung ins Ahrntal vermutet
wird10.
Abb. 37 Geländerelief Nordseite
Birnlücke
1
A. De Bon, La strada romana della Punteria, Athesia Augusta 6, 1940.
O. Menghin, Archäologische Forschungen in Osttirol 1943 u. 1944. In: Der Schlern 23, 1949, 232ff.
u. 287ff.
3
St. Karwiese, Der Ager Aguntinus (1975).
4
L. Dal Ri, Tracce di manufatti stradali di epoca romana in provincia di Bolzano. In: La Venetia
nell’area Padano-Danubiana. Le vie di comunicazione. Convegno internazionale Venezia 6-10 Aprile
1988. (1990) 613.
5
G.M. Tabarelli, Strade romane nel Trentino e nell’Alto Adige (1994).
6
R. Constantini, Sebatum. In: Città Romane 4, Atlante tematico di topografia antica XII Supplemento
(2002) 120.
7
Cartellieri, Alpenstraßen 39.
8
Cartellieri, Alpenstraßen 39. Anm. 4.
9
R. Lunz, Ur- und Frühgeschichte Südtirols (1973) 21, 73. Anm. 81.
10
Constantini, 2002, 120. Tabarelli, 1994, 184 relativiert diese Theorie sowohl für das Gader-, als
auch für das Ahrntal.
2
110
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Will man nicht annehmen, dass die Straße eine Sackgasse darstellte und bedenkt
man sowohl die Erzvorkommen im hintersten Ahrntal, als auch die wichtige
transalpine Verkehrsverbindung über den Krimmler Tauern (2633m) ins Zillertal,
welche im Mittelalter bestanden hat, kann eine römische Begehung dieser
Übergänge
ohne
weiteres
ins
Auge
gefasst werden. Zu dem
kommt
noch
die
Möglichkeit, über die
Birnlücke (2665m) und
das Krimmler Tal in den
Oberpinzgau
zu
gelangen (Abb. 37/38).
Dort fand sich in Weyer
bei Bramberg, ca. 13km
vom
nördlichen
Passfußpunkt entfernt,
ein römischer Gutshof,
der vielleicht auch mit
dem Übergang über das
Stangenjoch
(1713m)
nach Tirol in Verbindung
stand.
Für
dessen
Datierung kann nur ein
Fragment eines Terra
Sigillata Gefäßes Drag.
37 aus Rheinzabern
herangezogen werden,
Abb. 38 Blick über das Krimmler Tal nach Süden
das einen terminus post
in
spätantoninischseverische Zeit ergibt1. Römische Präsenz beweisen zudem mehrere römische
Münzfunde, darunter je ein Aureus des Otho aus Bramberg und Mühlbach (Gde.
Bramberg) daneben ein Aureus des Vespasian für Titus und ein Sesterz des
Hadrian2.
•
Falzaregopass
Das südlich von Sebatum ausgehende Gadertal bietet verschiedene
Verkehrsmöglichkeiten: Über Fanes oder Fodara Vedla, außerdem über den
Arparora- / Valparola-Pass, kann man ins Ampezzanische, ins Cadore und nach
Friaul gelangen. Von Sebatum aus wäre dieser Weg kürzer, als über Aguntum und
den Plöckenpass, allerdings länger, als über den Kreuzbergpass. Wie auch in
anderen Alpentälern wird im Gadertal und in Buchenstein in der Volksüberlieferung
von einer „strada romana“ gesprochen, die eine Verbindung zur norditalienischen
Ebene herstellte und mit Saumtieren begangen wurde3. Dies muss nicht wörtlich als
„römisch“ übersetzt werden. Höchstwahrscheinlich gab es bereits prähistorische
Wegverbindungen, ähnlich wie über die kleineren Übergänge in den Karnischen
Alpen. Diese könnten von den Römern weiterbenützt und stellenweise ausgebaut
1
N. Heger, PAR 7/28, 1978, 20.
Heger, ebenda.
3
L. Craffonara, Ladinia 22, 1998, 102.
2
111
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
worden sein. Eine via vicinalis könnte somit die Pustertalerstraße mit der Via Claudia
Augusta Altinate verbunden haben1.
Aus dem Gadertal sind einige römische Bodenfunde bekannt: Eine Münze des
Maxentius und eine Öllampe mit dem Stempel Marci stammen aus La Val / Wengen2.
Aus St. Martin de Tor / St. Martin in Thurn stammt eine älter Nachricht, wonach in der
Nähe der Burg mehrmals römische Münzen gefunden worden waren3. Aus
Welschellen gibt es ebenfalls mehrere Münzen des 4. Jhs. n. Chr. (Licinius,
Constantin II., Constans und Constantius II.)4. Zwei Doppelknopffibeln wurden in
Mantëna / Montal und Al Plan / St. Vigil entdeckt5.
Bereits bei älteren Grabungen im Südbereich von Sebatum war ein längerer
Straßenzug aufgedeckt worden,
der in den Jahren 1981-84
weiterverfolgt werden konnte6.
Die ca. 5 m breite Trasse, die
durch Münzen datiert sein soll,
verläuft auf den Eingang des
Gadertales zu und könnte neben
der Funktion als Verbindungsweg
zum Hauptort Sebatum, auch als
saisonaler Übergang über den
1800 m hohen Campolongo-Pass
und den
2100 m
hohen
Falzarego-Pass ins Piave Tal
gedient haben.
Abb. 39 Siedlungen, mit Flur- oder Hofnamen, die
von vicus abgeleitet werden könnten
1
L. Craffonara, Ladinia 22, 1998, 105f. Anm. 189.
R. Lunz, Ladinia 3, 1979, 153.
3
R. Lunz, Ladinia 3, 1979, 154. Allerdings wurde der ursprüngliche Dorfkern im Spätmittelalter durch
einen Felssturz verschüttet, was keine Schlüsse auf ältere Besiedlung zulässt. L. Craffonara, Ladinia
22, 1998, 75.
4
L. Craffonara, Ladinia 22, 1998, 77.
5
R. Lunz, Ladinia 3, 1979, 154.
6
Dal Ri, 1990, 613.
2
112
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Kreuzbergpass
H. Cartellieri traute es sich 1926 nicht zu, zu entscheiden, ob die mansio Littanum bei
Innichen absichtlich am Eingang des Sextnertales und damit am Zugang zum
Kreuzbergpass und ins obere Piavetal angelegt wurde1. Auf alle Fälle sind römische
Funde aus dem Sextnertal bekannt, von dort stammt eine spätantike
Zwiebelknopffibel2.
Im Jahr 1992 wurden in Innichen verschiedene Sondierungen und Grabungen
durchgeführt, welche die bisher ältesten römischen Funde in Littanum zu Tage
brachten. Sie stammen aus den ersten Jahrzehnten des 1. Jhs. n. Chr.3. Damit kann
man die Entstehung einer ersten römischen Verkehrslinie durch das Pustertal
vielleicht schon in die erste Zeit nach dem Alpenfeldzug ansetzen.
Die Bedeutung der Linie Piavetal – Kreuzbergpass – Pustertal – Brenner während
der ersten beiden Jahrhunderte römischer Okkupation könnte auch mit der
anscheinend erst unter Septimius Severus erfolgten Erschließung der Kunterschlucht
zusammenhängen4. In der Forschung wurde bereits angenommen, dass der
Kreuzbergpass in der Frühen Kaiserzeit für den Verkehr von Venetien nach Raetien
von Bedeutung gewesen sein könnte. Die umstrittene Interpretation des Ortsnamens
Sexten, im Sinne von, ad sextum wurde zur Unterstützung dieser These ins Feld
geführt, ebenso wie ein verlorener Meilenstein des Philippus Arabs aus Innichen5.
Während der letzten Jahre wird auf der italienischen Seite des Passes wieder
verstärkt nach Spuren einer römischen Straße gesucht.
•
Der Kartitscher Sattel
W. Cartellieri denkt als erster an die Möglichkeit einer Verbindung die Gail aufwärts
auf den Kartitscher Sattel und ins Pustertal6. St. Karwiese hält dies für sehr
wahrscheinlich, allerdings scheinen sich bisher noch keine römischen Funde entlang
dieser Linie abzuzeichnen7. Lediglich in Strassen, am Fuße des Aufstiegs zum
Kartitscher Sattel vom Pustertal aus, steht ein unbeschrifteter Meilenstein8, der
Volkssage nach soll sich an dieser Stelle eine römische Siedlung mit dem Namen
Messa befunden haben. Unter der Ortschaft befinden sich außerdem nach Auskunft
Einheimischer römische Mauerreste, die mittlerweile jedoch großteils überbaut
worden sind.
•
Felber Tauern
Als erster fasst wiederum H. Cartellieri den Felber Tauern (2481 m) bei seiner
Beschreibung der Pustertaler Straße ins Auge9. Er erwähnt römische Funde in
Oberlienz, Lesendorf, Windischmatrei, Obermauern und Kals. St. Karwiese
beschreibt in seiner Bezirksgeschichte Osttirols eine römische Straße, welche von
1
Cartellieri, Alpenstraßen 36.
O. Menghin, Der Schlern 23, 1949, 292 Nr. 4.
3
L. Dal Ri, G. Rizzi, Denkmalpflege in Südtirol 1991-95, 1995, 30.
4
Gassner - Jilek - Ladstätter, 2002, 94f.
5
G. M. Tabarelli ,Strade romane nel Trentino e nell’Alto Adige (1994) 141f. Dieser soll allerdings Teil
der Pustertaler Straße gewesen sein.
6
Cartellieri, Alpenstraßen 7 Anm. 43.
7
Karwiese, 1975, 49, 60. Wedenig 1986, 31 Anm. 71.
8
Winkler, 1985, Nr. 61. FÖ 9, 1969, 209.
9
Cartellieri, Alpenstraßen 34.
2
113
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Aguntum über das Iseltal in Richtung Norden auf den Felber Tauern zuführt1. Er geht
auch genauer auf die zahlreichen römischen Funde aus dem Isel- und Virgental ein:
Relativ reiche Hinterlassenschaften aus Oberlienz und Lesendorf gehören
topographisch gesehen noch in den Einzugsbereich des Lienzer Talkessels. Hier
sticht besonders die Nachricht über den Fund einer römischen Villa2, sowie
marmorner Architekturfragmente (Türschwellen, Säulentrümmer, Kapitelle, usw.)
südöstlich der Kirche von Oberlienz hervor. Zusammen mit immer wiederkehrenden
Berichten von „Löchern im Boden“, die auf Hypokaustheizungen hindeuten, ergibt
sich für dieses Gebiet eine relativ intensive Besiedlung während der Kaiserzeit3. Die
Spanne der Münzfunde reicht hier von einem As des Claudius bis zu einem Solidus
des Kaisers Marcian (450-457 n. Chr.)4.
Nach zwei Dritteln des Iseltales, welches im engeren Sinne nur bis Matrei reicht,
zweigt in Richtung Westen das Defreggen- und in Richtung Osten das Kalsertal ab.
O. Menghin erwähnt römische Funde im Kalsertal, darunter eine Urne mit mehreren
Münzen (ein Exemplar des Commodus) und angeblich auch eine geflügelte Nike aus
Bronze, welche 1931 bei Kanalbauarbeiten entdeckt worden sein soll. Er bringt diese
Zeugnisse römischer Anwesenheit allerdings nicht mit den Pässen in den Pinzgau
und nach Heiligenblut in Zusammenhang, da er diese für zu hoch hält (über 2500 m),
sondern mit Bergbau5. Mittlerweile wissen wir durch das Beispiel des nahe
gelegenen Hochtors am Großglockner, dass auch Höhen von über 2500 m kein
Hindernis für antiken Passverkehr waren. Die Funde aus dem Kalsertal können somit
ohne weiteres als Hinweise auf die Begehung dieser Übergänge gewertet werden.
Erreicht man Matrei, intensiviert sich die Funddichte merklich: Neben
Fibelbruchstücken und Münzen ohne genauere Ortsangabe wurden von Bauern
immer wieder Münzen auf ihren Feldern aufgelesen, z. B. ein Sesterz, welcher
vermutlich für Faustina d. J. geprägt wurde, 1937 auf dem Acker des Kalserbauern in
Hinteregg gefunden6. Daneben sind von Schloss Weißenstein zwei Bronzemünzen
des Hadrian und eine des Probus bekannt7. Aus Bichl, einem auffallenden Hügel im
Süden von Matrei, stammt eine Chloritschieferstele mit grob gearbeitetem Kopf im
Stil einer Herme, mit der Inschrift POPA / IUS / SENA / TOR, die mit der
Erschließung des Virgentales für den römischen Handel in spätrepublikanischer Zeit
in Verbindung gebracht wird, jedocj vermutlich nicht antik ist8. Der Name Matrei geht
St. Karwiese zu Folge auf das indoeuropäische mater zurück. Er verbindet den
Namen mit der Vorstellung, das an Bodenschätzen reiche Gebirge sei mit einem
Mutterschoß zu vergleichen9.
Wendet man sich von Matrei aus nach Nordwesten, gelangt man auf das Gebiet der
Gemeinde Virgen, wo ebenfalls römische Artefakte zu Tage getreten sind: Mehrere,
in Datierung und Herkunft ungesicherte Objekte, wie z.B. zwei Krughälse, eine
Glocke und eine Hakenfibel, werden von O. Menghin als römisch angesprochen10.
Von der Burg Rabenstein stammen mehrere Münzen, darunter angeblich ein
1
Karwiese, 1975, 17.
O. Menghin, Der Schlern 23, 1949, 240.
3
Karwiese, 1975, 55.
4
O. Menghin, Der Schlern 23, 1949, 240.
5
Ebenda 292.
6
Ebenda 294. Nr. 9.
7
Karwiese, 1975, 53.
8
E. Preuschen, R. Pittioni, Carinthia 143, 1953, 585. Diese Annahme relativieren wohl zu Recht
Karwiese, 1975, 43. E. Weber, RÖ 3, 1975, 281ff. und Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 39 Anm. 44.
9
Karwiese, 1975, 52.
10
O. Menghin, Der Schlern 23, 1949, 295. Nr. b, c, d.
2
114
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Exemplar des Philippus Arabs1. Auf dem Hügel „Burg“ (1404 m), oberhalb von
Obermauern, wird eine Siedlung vermutet, die möglicherweise auch in römischer
Epoche bestanden hat. Diese Funde weisen neben den Bergbauaktivitäten in diesem
Gebiet, auch auf einen Weg von lokaler Bedeutung ins Ahrntal über das 2843m hohe
Umbaltörl hin.
Der Anstieg zum Felber Tauern hingegen beginnt östlich von Matrei, von wo er nach
der Überquerung der die Prosegg-Klamm nach Landschütz (1146 m) führt, dessen
Name auf das slawische Wort (V)lašica = „Gegend der Welschen“ zurückgeführt
wird. Ähnliche Ortsnamen finden sich auch in der Umgebung von Aguntum. Ob
daraus ein römischer Ursprung abgeleitet werden kann2, müssen archäologische
Forschungen erst zeigen. Von Landschütz aus führt der Weg schließlich ins Gschlöß
und auf die Passhöhe.
Auf der Nordseite steigt
man relativ rasch zum
1313m hoch gelegenen
Hintersee ab, gelangt
nach ca. 6km zum
Tauernhausspital
(1169m) und erreicht,
immer dem Felberbach
folgend nach insgesamt
15km Mittersill (788m)
im Salzachtal (Abb. 40),
von wo zwei römische
Grabsteine
bekannt
sind:
Es handelt sich um ein
heute
verschollenes
Relief mit unbekanntem
Fundort, das in Schloss
Mittersill aufgestellt war
und zwei Frauen in
einheimischer
Tracht
zeigte. Es datiert ca. ins
2. Jh. n. Chr.3. Daneben
um eine Grabinschrift
für
den
55-jährig
verstorbenen
Calventius, den Sohn
des
Iutumarius,
die
ursprünglich
in
der
Kirche
von
Felben
bei
Abb. 40 Mittersill (im Vordergrund) Blick nach Süden, auf den
Zugang zum Felber Tauern
Mittersill
eingemauert
war und später nach
Wien überführt wurde4.
In der Umgebung von Mittersill existieren zudem mehrere prähistorische
Höhensiedlungen, von denen mindestens eine, der Steinbichl oberhalb von
1
Ebenda 296. Nr. 6.
Karwiese, 1975, 49.
3
CSIR III/1, 39, Nr. 67.
4
CIL III, 5522.
2
115
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Uttendorf, eine kontinuierliche Besiedlung von der Spätlatènezeit bis in die
Spätantike aufweist1. Diese könnten mit dem Kreuzungspunkt zw. dem Nord-Süd
Passverkehr auf der Linie Kalser- / Felber Tauern – Pass Thurn und dem Ost-West
Verkehr durch das Salzachtal zusammenhängen.
1
Höglinger, 1997, 211.
116
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.5 Passzugsystem Aquileia-Juvavum 1
117
Die Römer auf den
118
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.5.1 Der Plöckenpass
•
Topographie
Der 1360 Meter hohe Plöckenpass formt einen niedrigen Einschnitt in die Karnischen
Alpen und ermöglicht einen leichten Übergang von Venetien ins Innere des
Gebirges. Seiner Form nach handelt es sich um einen Schartenpass.
Die Karnischen Alpen bilden in diesem Bereich eine Wasserscheide zwischen den
Gebieten im Norden, die von der Drau und den Gebieten im Süden, die vom
Tagliamento entwässert werden1.
Wenn man von Süden kommend, über das Tal des But, den Plöckenpass erreicht,
hat man die Möglichkeit, über das Gailtal und den 970 m hohen Gailbergsattel
schnell ins Drautal zu gelangen.
Abb. 41 Geländeschnitt Plöckenpass
•
Forschungsgeschichte
Am Beginn der Neuzeit erfolgten bereits die ersten Nennungen der Inschriften am
Plöckenpass, so die früheste im Jahre 1482 von Marcus Sabellicus, der in seinem
Werk über die Altertümer Aquileias die verschollene Caesar-Inschrift am Plöcken
erstmals erwähnt.
Wenige Jahre später, am 1. Oktober 1485 überquerte der Bischof von Caorle den
Pass und einer seiner Begleiter, Paolo Santonino aus Udine, hielt die Reise in
seinem Tagebuch fest. Er beschreibt den Pass als schwer zu passieren, steil und
felsig, sowie für Mensch und Tier unwegsam und erwähnt auch eine Inschrift, kann
sie jedoch nicht entziffern2.
Mehrere Gelehrte des 16. Jhs. beschrieben diese Inschrift ebenfalls, so auch die
Valentinians-Inschrift3.
Mit der gezielten Erforschung der römischen Hinterlassenschaften am Plöcken wurde
ebenfalls relativ früh begonnen.
Erste genauere Nachrichten stammen aus dem Jahr 1782 von Nicolò Grassi4.
1
Cartellieri, Alpenstraßen 8.
R. Egger, Die Reisetagebücher des Paolo Santonino 1485-1487 (1947) 13.
3
CIL V, pag. 177.
4
N. Grassi, Notizie storiche della Carnia (Udine 1782) 8ff.
2
119
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
1784/85 wurde die Gegend nördlich des Passes erstmals im Zuge der
Josephinischen Landesaufnahme im Maßstab 1:28.800 kartographiert, einige der
Straßenzüge, welche den Archäologen interesieren, sind dort schon verzeichnet1.
1792 und 1806 unternahm Siegmund v. Hohenwart zwei Reisen auf der
Plöckenstrasse, er besichtigte dabei die Inschriften auf der Passhöhe und berichtet
von dem Römerweg, der in kurzer Entfernung südlich der Grenze auf der westlichen
Talseite verlaufen soll. Dort entdeckte er an mehreren Stellen Geleise, teilweise stark
überwachsen, mit einer Breite von 4 Schuh und ½ Zoll (1,3m)2.
Zur gleichen Zeit, im Jahre 1804, folgte auch die erste kartographische Aufnahme
der Südseite des Passes3.
Als nächster berichtete Michael Freiherr v. Jabornegg-Altenfels vom Plöckenpass,
Abb. 42 Die Passhöhe war im Jahre 1910 noch völlig unbebaut
den er im Sommer 1847 überschritt. Er spricht von deutlich sichtbaren
Wagengeleisen im Bereich der Einsattelung und von einer alten Straße, die auf der
italienischen Seite sanft gegen Westen abfällt. Daneben fand er eine im Jahr vorher
angelegte Trasse für den Holzhandel vor, welche die alte Straße auf der Passhöhe
verlässt und am Osthang steil ins Tal verläuft. Dort vereinigten sich beide Straßen
erneut4. Ein weiterer Wanderer bereichert das Bild, welches wir vom Plöckenpass in
der Mitte des 19. Jhs. haben durch seine Tagebuchaufzeichnungen, die einen
Marsch von Kötschach zur Passhöhe beschreiben5.
1
Josephinische Landesaufnahme, Kärnten, BIXa 54 Sektion 79 (1784/85).
S. v. Hohenwart / L. v. Vest, Botanische Reisen (Klagenfurt 1812) II S. 8, 41ff. u. 51
3
Josephinische Landesaufnahme, Friaul, BVIIa 144 Sektion XV.5, XVI.5.
4
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 126b-127b.
5
N. N. Mayer, Aus meinem Tagebuche. Von Kötschach in die Plecken. In: Carinthia 48, 1858, 66.
Wedenig 1986, 25 Anm. 37, 38.
2
120
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. mehren sich die Erwähnungen der Römerstraße.
Besonders interessant ist eine Notiz von Karl Hauser, der ebenfalls von der am
Westhang
südlich
der
Passhöhe
verlaufenden Römerstrasse spricht und
hinzufügt, dass diese (teilweise?) beim Bau
einer modernen Straße gesprengt wurde1.
Die erste genauere topographische Karte,
auf der die Straßen über den Pass
eingetragen wurden, stammt aus dem
Nachtrag zu A. B. Meyers Gurina –
Publikation aus dem Jahre 1885. Dieser
wurde vom Lokalforscher F. C. Keller
verfasst und beschäftigt sich mit den
Altstraßen im Gailtal2. Die Karte im Maßstab
von 1:75.000 bildete die Basis für alle
späteren Forschungen, doch wurde ihre
Authentizität und Genauigkeit später in
Frage gestellt3. Gleichzeitig mit diesen
ersten wissenschaftlichen Begehungen von
österreichischer Seite aus, beschäftigen
sich im 19. und beginnenden 20. Jh. auch
italienische Gelehrte mit dem Plöckenpass4.
Einen
wichtigen
Beitrag
zur
Erforschung und Dokumentation der
Altstraßen über den Pass leistete um 1910
Oliver Klose (Abb. 42/43), der kurz vor der
Erbauung
der
neuen
Straße
auf
österreichischer Seite im Auftrag der K.K.
Zentralkommission
für
Kunst
und
Historische
Denkmale
einen
Lokalaugenschein
durchführte,
Vermessungen
vornahm
und
einige
wertvolle Photographien anfertigte5 (Abb.
42/104).
Er untersuchte vor allem den Bereich
zwischen Plöckenhaus und Passhöhe.
Dabei entdeckte er neben der modernen
Straße ein ca. 30m langes Stück
Dammstraße, das er mit der römischen
Straße über die Radstädter Tauern
vergleicht und einen ca. 470m langen,
geradlinigen Straßenzug. Dieser liegt
unterhalb der modernen Straße, besteht Abb. 43 Skizze der Altstraßenreste am
aus in den Fels gehauenen Stufen und Plöckenpass von O. Klose (1910)
1
K. Hauser, MAG 1886, 62ff. O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 128a.
F.C. Keller, Die alten Straßen des Obergailthals (Dresden 1886). Ein Anhang an: A. B. Meyer, Gurina
im Obergailthal (Kärnthen) (Dresden 1885).
3
Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 135b bemerkte, dass die Straßen meistens einfach auf
der Trasse bereits in der Spezialkarte eingezeichneter Fahr- oder Fußwege eingetragen wurden.
4
z.B. G. Gortani, Monte Croce, le sue strade e le lapidi (1900). P. Sticotti, Archeografo triestino, 1906,
164ff.
5
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 124a Anm. 1.
2
121
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
steigt mit einem Gefälle zwischen ca. 7 und 15% an1. Er deutet diesen als römischen
Saumweg.
Besonders intensiv beschäftigte sich der in Kötschach-Mauthen ansässige
Medizinalrat
Heinrich
Koban
mit
den
venetischen
und
römischen
Straßenverbindungen über den Pass. Er beging die Gegend erstmals bereits in den
90er Jahren des 19. Jhs., forschte vor allem in den 40er und 50er Jahren des 20.
Jhs. und veröffentlichte seine Ergebnisse in mehreren Aufsätzen2. Diese bilden bis
heute eine der Hauptinformationsquellen zu den antiken Hinterlassenschaften am
Plöckenpass (Taf. S. 141f.).
Sämtliche neuere Forschungen im Bereich der Passhöhe und deren Umgebung
leiden jedoch unter den zum Teil massiven Eingriffen in die Landschaft, die durch
den 1. Weltkrieg verursacht wurden. Zahlreiche Bunker, Sperrmauern und befestigte
Transportwege erschweren die Suche nach den römischen Trassen.
Der Bau einer vollständig neuen Straße auf der italienischen Seite in der
Zwischenkriegszeit, die Errichtung von Zollgebäuden, Geschäften und Parkplätzen
auf der Passhöhe sowie eine neue Galerie, welche sich auf österreichischer Seite
von oberhalb des Plöckenhauses bis knapp unter die Grenze ausdehnt, erschweren
bzw. verhindern eine angemessen Neuaufnahme der römischen und prähistorischen
Hinterlassenschaften. Außerdem erodiert das Gestein der Gegend in einer Form, die
Spurrillen zum Verwechseln ähnlich sieht und eine sichere Bestimmung schwierig
macht, wie schon Klose Anfang des 20. Jhs. bemerkte3. Unter diesem Eindruck
stehen die jüngeren Arbeiten zum Plöckenpass, die fast keine neuen Informationen
bieten. Unter diesen ist vor allem auf die wichtige Diplomarbeit von R. Wedenig aus
dem Jahr 1986, auf die Aufsätze von G. Piccotini und R. Wedenig, sowie von M.
Faleschini hinzuweisen4, F. Canali de Rossi beschäftigte sich zuletzt mit der
Valentinians – Inschrift und der letzten Wiederherstellung der Strasse5.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Plöckenstrecke fand bereits am Beginn des 3. Jhs. n. Chr. Eingang in das
Itinerarium Antonini6. Hier ist sie als 215 Meilen langes compendium (Abkürzung)
zwischen Aquileia und Veldidena genannt. Die letzte Station vor der Passhöhe von
Süden kommend ist Iulium Carnicum, darauf folgt die insgesamt 22 Meilen lange
Strecke über den Plöckenpass bis zur mansio Loncium7.
Das Itinerarium Antonini wird in diocletianische Zeit datiert, geht wahrscheinlich aber
bereits auf Quellen vom Beginn des 3. Jhs. n. Chr. zurück8. Unklar ist jedoch, ob die
dort genannten Routen ausschließlich Fahrstraßen mit Meilensteinen sind oder ob
auch Saumwege aufgenommen wurden9.
1
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 131a-132b.
H. Koban, Carinthia 136/138, 1948, 247-266. 144, 1954, 126-131. 147, 1957, 159-162. 155, 1965,
262-265.
3
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 130b.
4
R. Wedenig, Gebirgspässe im südlichen Noricum, eine historisch – topographische
Bestandsaufnahme. (Diplomarbeit Graz 1986). G. Piccotini, R. Wedenig, Antike Passübergänge
zwischen Noricum und der X. italischen Region. AntAlt 28, 1986, 199ff. M. Faleschini, Ipotesi
ricostruttiva del tracciato vario romano da Timau al passo di Monte Croce Carnico. Quaderni dell’
Archeologia del Veneto 13, 1997, 190-195.
5
F. Canali de Rossi, Tyche 14, 1999, 23-28.
6
G. Parthey, M. Pinder, It. Ant. Augusti et Hierosolymnitanum (Berlin 1848).
7
It. Ant. 279, 2f.
8
RE IX 2 (1916) 2337 s.v. Itinerarien (Kubitschek).
9
RE IX 2 (1916) 2338 Anm. 29 s.v. Itinerarien (Kubitschek).
2
122
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Dies ist natürlich eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Plöckenpass von
großem Interesse ist, da entlang der Strecke bisher keine Meilensteine gefunden
wurden. Diese könnten im Laufe der Jahrhunderte durch die starke Erosion verloren
gegangen sein oder sie waren auch ursprünglich nicht vorhanden. Einerseits beweist
die Anbringung von Inschriften durch den Zoll, dass es sich um eine wirtschaftlich
wichtige Strecke gehandelt haben muss, andererseits weist der Ausdruck
compendium möglicherweise auf den sekundären Charakter der Straße hin.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Funde aus der prähistorischen Siedlung Gurina im Gailtal haben gezeigt, wie intensiv
die Beziehungen zwischen Italien und den Alpenbewohnern schon seit dem Ende
der Urnenfelderzeit um 800 v. Chr. waren1.
Dass der Plöcken dabei eine wichtige Rolle spielte, zeigt der Fund zweier
venetischer Felsinschriften in Würmlach2, einer früheisenzeitlichen Fibel3 und die
Spuren eines prähistorischen Saumpfades, dessen Einrichtung auf die Veneter um
400 v. Chr. zurückgeführt wird4.
Dass es einen regen Handelsverkehr über den Pass gegeben hat, zeigte die
Ausgrabung auf der Gurina bei Dellach. Überquert man den Plöcken von Norden
kommend, kann man über das Tal des Tagliamento in die Tiefebene gelangen oder
nach Westen, über Sappada oder den Passo di Mauria ins Piavetal. Dort gibt es in
der Gegend von Pieve di Cadore das Heiligtum von Làgole und weitere venetische
Felsinschriften5.
Abb. 44 Plöckenpass Südseite, Blick von Westen. Deutlich zu erkennen, der steile Felsabbruch,
der das Tal gegen die Passhöhe absperrt.
Das wichtigste Ereignis für die Entwicklung dieser Strecke aus römischer Sicht ist die
Gründung der Kolonie Aquileia im Jahre 181 v. Chr. Mit diesem Datum begann die
schrittweise Erschließung der Ostalpen durch die Römer, die besonders Mitte des 2.
1
Jablonka, 1992, 63.
Cartellieri, Alpenstraßen 8. Theodor Mommsen entdeckte 1857 die sogenannte “Würmlacher
Felseninschrift”, die zweite ist nicht genauer bekannt, da verschollen. Koban (Carinthia 136-138, 1948,
260) berichtet von einem Felssturz im Bereich des sog. Brünig, auf halbem Weg zwischen der
Passhöhe und Mauthen, bei dem die Inschrift begraben worden sein soll.
3
Es handelt sich dabei um eine Fibel aus der Hallstattzeit Periode C/D.
4
H. Koban, Carinthia 147, 1957, 161.
5
Jablonka, 1992, 27.
2
123
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Jhs. v. Chr. einen Aufschwung erlebte, als bei den Tauriskern reiche
Goldvorkommen entdeckt wurden1. Der Aufschwung der ganzen Gegend ab dieser
Zeit schlägt sich nachweislich im Fundmaterial von Gurina nieder. In der
Spätlatènezeit nehmen die Funde von römischer Fein- und Importkeramik dort stark
zu, um im späten 1. Jh. v. Chr. einen Höhepunkt zu erreichen und in die Kaiserzeit
überzuleiten2.
Aquileia war der Ausgangspunkt des römischen Weges über den Plöckenpass,
ebenso wie für die nach Osten abzweigende Straße über den Pontebbapass.
Von Aquileia kommend teilte sich die Straße im Tal des Tagliamento. Der
Plöckenpass hatte von diesen beiden Übergängen in römischer Zeit immer die
geringere Bedeutung, behielt aber seinen Wert durch die Verbindung zu anderen
wichtigen Straßen wie z. B. zu der durch das Pustertal und zum Saumweg über das
Hochtor3.
Die Handelsbeziehungen der Alpenbewohner mit den Römern und die politischen
Kontakte zwischen beiden Seiten führten bis zum Ende der Republik zum weiteren
Ausbau der Straßenverbindungen:
Nach der Niederlage der Römer gegen die Kimbern bei Noreia im Jahre 113 v. Chr.
gründete Aquileia in sullanischer Zeit zum Schutz des Verkehrs ein Kastell bei
Tricesimo, das gleichzeitig als Militärposten und als Handelsniederlassung diente4.
Auf Grund einer Inschrift am Plöckenpaß, die durch mehrere Abschriften aus dem 15.
und 16. Jh. überliefert ist, vermutete man im 19. Jh., dass schon Caesar eine Straße
über den Pass anlegen lies. Zumindest glaubte man, die Reste eines Saumpfades, in
die Zeit der Eroberung datieren zu können und diesen an den prähistorischen Weg
anzuknüpfen5.
Nach der Unterwerfung der Karner im Jahre 35 v. Chr. folgte unter Augustus der
Ausbau der Strecke zu einer Heerstraße, die nach Julius Caesar Via Iulia Augusta
genannt wurde6. Im Zuge dessen erweiterte man das Kastell bei Tricesimo zu einer
Straßenstation und benannte es nach der Meilenzahl (XXX m.p.) der von Aquileia
aus vorbeilaufenden Straße Ad Tricesimum7.
Folgt man der Straße weiter Richtung Norden, liegt am Eingang des Gebirges der Ort
Glemona, aus dem zahlreiche Inschriften erhalten sind und dessen Namen von
Paulus Diaconus gennannt wird. Eine weitere Verbindung, von Iulia Concordia
ausgehend, mündet hier in die Via Iulia Augusta 8.
Von Glemona an verläuft die Strecke durch das Tal des Tagliamento. In der Nähe
des modernen Ortes Stazione per la Carnia, an der Stelle, an der das Fellatal in
östlicher Richtung vom Tal des Tagliamento abzweigt, trennt sich die
1
Strabon IV,6,12 (208). Diese Stelle bezieht sich wahrscheinlich auf die Goldvorkommen in den
Hohen Tauern, welche die Römer kurzzeitig intensiv ausbeuteten, bevor sie von den Einheimischen
wieder vertrieben wurden.
2
Jablonka, 1992, 64f.
3
Cartellieri, Alpenstraßen 11.
4
Die Niederlage bei Noreia überliefert Strabon V,1,8. Eine Bauinschrift anlässlich eines Mauerbaues
aus Tricesimo ist erhalten: R. Egger, Historisch epigraphische Studien in Venetien, ÖJh XXIXXII,1922-1924, 309-313.
5
Cartellieri, Alpenstraßen 13. A. Muchar, Das römische Noricum Bd. I (Graz 1825) 250, erwähnt eine
angebliche Inschrift am Plöckenpaß: CAI. IVL. CAESAR. HANC. VIAM. INVIAM. ROTABILEM. FECIT.
Die Existenz der Inschrift wird von der neueren Forschung bestritten. Winkler, 1985, 38. Außerdem
gibt es keine Anhaltspunkte für eine Datierung des Saumpfades in das 1. Jh. v. Chr..
6
RE X 1 (1917) 105 s.v. Julium Carnicum (H. Philipp).
7
Unter diesem Namen ist die Straßenstation noch im It. Ant. (pag. 279/280) zu finden.
8
Cartellieri, Alpenstraßen 19f. Paulus Diaconus, hist. Lang. IV, 37. Die Strasse von Julia Concordia
nach Glemona ist in ihrem Verlauf nicht geklärt, jedoch durch Meilensteine (CIL V2 7994/99) gesichert.
124
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Pontebbastraße nach Virunum von der Plöckenstraße, die weiter nach Norden, nach
Aguntum führt.
Die Gründung von Forum Iulium Carnicum (Zuglio) an der Plöckenpaßstraße gehört
ebenfalls in das römische Konzept der Alpenerschließung. In claudischer Zeit bringt
es C. Baebius Atticus, ein II vir aus Iulium Carnicum, sogar bis zum Procurator in
Norico1.
Diese Fakten verdeutlichen, dass der Plöckenpaß schon in der frühen Kaiserzeit von
nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen sein muss.
Zu einem kaiserzeitlichen Ausbau der Passstrasse in größerem Stil ist es nicht
gekommen auch Meilensteine fehlen bisher völlig. Dennoch eröffnen drei
Felsinschriften auf der Südseite des Passes einen guten Einblick in die weitere
Geschichte und den Charakter dieser Straße in der Kaiserzeit und Spätantike. Bei
allen dreien geht es um die Instandhaltung der Bergstraße, die durch Naturgewalten
immer wieder in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Die älteste dürfte wohl die sogenannte „Respectus - Inschrift“ sein, die sich etwas
unterhalb der Passhöhe, westlich der Abzweigung der alten von der neuen Straße
befindet2 (Abb. 46).
Respectus T(iti) Iul[i(i)] / Pers[e]i
c(onductoris) p(ublici) p(ortorii)
vecti/gal[is] Illyr(ici) ser(vus) vil(icus) / stat(ionis) [T]im[av]ien[sis/
it]er in[vium ubi iugi]/ter
conme[antes pe]riclitabant[ur / ad
ius]tam stabi[litatem redd(idit)] /
Sex(to) Erbo[nio ... cur(ante)].
Nach R. Egger3
Respectus, Sklave des Titus Iulius Perseus,
des Pächters der öffentlichen Abgabe(n)
des Zolls von Illyricum,
Verwalter der Station Timavum,
hat der unwegsamen Fahrbahn,
wo die Reisenden ständig in Gefahr gerieten,
wieder die richtige Haltbarkeit gegeben
unter der Leitung des Sextus Erbonius...
Nach G. Winkler 4
Die Inschrift enthält mehrere interessante Details: Abb. 45 Respectus
Respectus war in der Zollstation Timavum (Timau, die Inschrift Original und
letzte Ortschaft südlich des Paßanstieges) damit Umzeichnung
beschäftigt, die Zölle an der Grenze zwischen Italien und
dem Zollbezirk Illyricum zu einzuheben, dem auch die Provinz Noricum angehörte1.
1
G. Winkler, Die Reichsbeamten der von Noricum und ihr Personal (1969) 33ff..
CIL V, 1864.
3
Egger, 1962, 198.
4
Winkler, 1985, 39.
2
125
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Er tat dies im Dienste des Titus Iulius Perseus, der dieses Recht vom Staat
gepachtet hatte. Dem Zollposten des Respctus entsprach ein weiterer auf der
Nordseite des Passes im Obergailtal2.
Dieselbe Situation begegnet uns auch auf dem nahegelegenen Pontebbapass, wo
Zollstationen in den Orten statio Plorucensis (Resiutta) und statio Bilachiniensis
(Camporosso/Saifnitz), diesseits und jenseits bzw. auf der Passhöhe, durch
Inschriften bekannt sind3.
Dieser Umstand gibt uns einen terminus ante quem, da ab dem Regierungsende von
Marc Aurel die Zölle direkt von kaiserlichen Beamten eingehoben wurden4. Das
Vorkommen des Titels conductor (Pächter), der noch dem alten System angehört,
gepaart mit dem Titel publicus portorius vectigalis Illyrici lässt vermuten, dass die
Inschrift eben genau aus dieser Zeit des Wechsels stammen könnte5.
Respectus leitete somit als ortskundiger Zöllner die Bauarbeiten, welche in
Zusammenarbeit mit der Gemeinde Iulium Carnicum durchgeführt wurden. Es
scheint also das Gemeindeterritorium bis mindestens zur Passhöhe gereicht zu
haben, denn die an den Alpenübergängen gelegenen Städte Oberitaliens waren an
der Verwaltung der Paßstrassen beteiligt6.
Der private Steuerpächter Titus Iulius Perseus hatte natürlich ein Interesse daran,
dass möglichst viel Handel über den Pass geführt und Zoll bezahlt wurde. Eine
Grundvoraussetzung dafür war eine sichere Straße.
Das bedeutet, dass spätestens um die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. eine römische Straße
über den Plöckenpass bestanden hat, die bereits so alt war, dass sie dringend
repariert werden musste. Dabei muss es sich nicht unbedingt um eine große
Zeitspanne gehandelt haben, da die Kräfte der Erosion und des Klimas innerhalb
weniger Jahre eine Bergstraße unbegehbar machen können7. Ob es sich um einen
Saumweg oder um eine Straße gehandelt hat, geht aus der Inschrift nicht hervor.
1
Cartellieri, Alpenstraßen 14.
CIL III2 4720.
3
CIL V2 8650. (Pontebba). CIL III2 4716. (Saifnitz), Cartellieri, Alpenstraßen 14.
4
Winkler, 1985, 39.
5
Egger, 1962, 198.
6
Egger, 1962, 199.
7
S. von Hohenwart bereiste 1792 erstmals den Plöckenpass. Als er 16 Jahre später, im Jahre 1806
seine 2. Reise unternahm, berichtete er folgendes: „Die schöne Straße, die ich bei meiner ersten
Reise hier antraf,... war schon größtenteils durch Regengüsse und Schneelawinen zu grunde
gerichtet, so dass man jetzt nicht einmal im stande war, mit einem Pferd zu fahren.“ (Nach O. Klose
Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 129b = S. v. Hohenwart / L. v. Vest, Botanische Reisen,
Klagenfurt 1812, S. II 5f.)
2
126
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die zweite Inschrift befindet sich oberhalb der Passhöhe, etwas westlich an einer
Felswand angebracht. Es handelt sich dabei um die sogenannte „Hermia - Inschrift“1.
(Abb. 47)
Abb. 46 Hermia Inschrift: Umzeichnung und Original
[I(ovi) o(ptimo)] m(aximo) / [Triviis Quadri]viis ceterisque dibu[s = diis /
ar]am c[u]m [signo] sollemne votum di[c(avit)] / Hermia succeptor operis
aeterni: / titulum
immanem montem Alpium / ingentem litteris
inscripsit quod saipe (=saepe) / invium, commiantium
(= commeantium)
periclitante / populo ad pontem transitum
non / placuit cura[r]e T(ito) Attio Braetiano / q(uaestore) eorum viro ornato
viam nov(am) / demonstrante
Hermia multa ni/mis fides operisque paratus
una/nimes omnes hanc viam explicuit.
Nach R. Egger2
Übersetzung:
Dem besten und größten Jupiter, den Göttern der Drei- und Vierwege und den
übrigen Göttern hat Hermia, der Vollender eines ewigen Werkes, einen Altar mit
einem Götterbild als feierliches Gelübde geweiht:
Mit Buchstaben schrieb er eine riesige Inschrift auf einen gewaltigen Alpenberg. Weil
man es nicht für gut befand, den oft ungangbaren Übergang, da die Masse der
Reisenden bei einer Brücke in Gefahr geriet, zu erhalten, hat Hermia, als Titus Attius
Braetianus ihr [= der Bürger von Iulium Carnicum] Kassenverwalter, ein geachteter
Mann, eine neue Trasse wies, sehr treu und arbeitsbereit diesen Weg gebahnt,
wobei alle einhellig mithalfen.
Nach G. Winkler 3
1
CIL V, 1863.
Egger, 1962, 200.
3
G. Winkler, 1985, 40.
2
127
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Anhand des Schriftbildes und der Buchstabenform wird diese Inschrift
annäherungsweise an den Beginn des 3. Jhs. n. Chr. datiert. Sie ist rein formal
interessant, da sie aus einer etwas ungeschickten Mischung von Prosa, jambischen
Senaren und einem Distichon besteht. Dadurch wird die Lesung und Interpretation
des Textes etwas erschwert1.
Geweiht ist sie dem Jupiter Optimus Maximus sowie den Weggottheiten der Dreiund Vierwege. Jupiter tritt wahrscheinlich in der Form des blitzeschleudernden Zeus
auf, der den Reisenden in Form von Gewittern und Stürmen während der
Überschreitung des Passes erscheint und gnädig gestimmt werden muss2.
Weihungen an die Wegegötter kommen im römischen Reich häufig vor 3, aus
Noricum gibt es nur ein Beispiel aus Teurnia, wo ein kleiner Altar für die Quadriviae
von R. Egger als Stiftung für den glücklichen Übergang über den Radstätter Tauern
gedeutet wird4. Der Altar, den Hermia zusammen mit seinen Mitarbeitern (cum suis,
Zeile 2) für diese Götter geweiht hat, stand möglicherweise in der kleinen Nische, die
sich rechts neben den ersten Zeilen der Inschrift befindet.
Zum Inhalt: Wiederum handelt es sich um eine Inschrift in Folge von Bauarbeiten, die
durch die anhaltende Gefahr für die Benutzer der Passstraße notwendig geworden
waren. Diesmal wurde die alte Trasse nicht erneuert, sondern überhaupt aufgelassen
und durch eine neue, weniger gefährliche Trasse ersetzt. Es waren nämlich
Reisende immer wieder bei einer Brücke in Gefahr geraten. Die neue Straße wurde
in ihrem Verlauf von Attius Braetianus, einem Beamten aus Iulium Carnicum,
festgelegt und überquerte den betreffenden Fluss offenbar an einer anderen Stelle.
Aus dem Wortlaut der Inschrift ist noch ganz deutlich der Stolz der Erbauer spürbar,
die unter großen Mühen ein „ewiges Werk“ (opus aeternum, Zeile 3) geschaffen und
dieses durch eine Inschrift auf einem „ungeheuren Alpenberg“ (immanem montem
Alpium Zeile 4) dokumentiert haben.
1
Egger, 1962, 200.
G. Walser, Der Jupitertempel auf dem Großen St. Bernhard. In: Studien zur Alpengeschichte in
antiker Zeit. = Historia Enzelschriften 86 (1994) 101f.
3
RE XXIV (1963) 714-720 s.v. quadruviae (Heichelheim).
4
Egger, 1962, S.202 Anm. 8.
2
128
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die dritte und wohl am spätesten zu datierende Inschrift findet sich ca. 300
Höhenmeter unter der Passhöhe, südöstlich gelegen, knapp unterhalb der neuen
Straße bei einem Ort genannt Mercato vecchio1. Ihre Lesung ist im Einzelnen nicht
unumstritten, die Kernaussage ist jedoch klar: (Abb. 48)
Abb. 47 Valentinians Inschrift: Umzeichnung und Original
Munificentia d(ominorum) Aug(ustorum)
/ n(ostrorum) hoc it(e)r ubi homines et /
animalia cum periculo / commeabant
apertum est / curante Apinio Program- /
matio cur(atore) r(ei) p(ublicae) Iul(iensium)
Kar(norum) / d(ominis) n(ostris) Valentiniano / et Valente Aug(ustis) III con(sulibus)
Nach R. Egger2
R. Egger ist in seiner Analyse der ersten Lesung von Th. Mommsen gefolgt, F.
Canali de Rossi kritisiert vor allem die Auflösung des Namens „Apinio Programmatio“
und schlägt statt dessen Apinio proc<u>ran(te) | Matio cur(atore) vor. Das Gentile
Matius ist im Gegensatz zum sonst unbekannten Programmaticus in Venetien häufig
vorkommend3.
Die Übersetzung lautet also nach Canali de Rossi:
Durch den freigiebigen Einsatz unserer Herren und Kaiser
wurde dieser Weg, wo Menschen und
Tiere nur unter Gefahr dahinzogen,
unter der Leitung des Apinius
und unter der Aufsicht des Matius, des Kurators der Stadtgemeinde Iulium
1
CIL V, 1862.
Egger, Felsinschriften, 203.
3
F. Canali de Rossi, Tyche 14, 1999, 24-28.
2
129
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Carnicum, während des 3. Konsulates unserer Herren,
der Kaiser Valentinianus und Valens, eröffnet.
Diese dritte und wahrscheinlich späteste Inschrift am Plöckenpass kann durch die
Kaisertitulatur des Valentinian und des Valens ins Jahr 373 n. Chr. datiert werden.
Wiederum kommt ein Vertreter von Iulium Carnicum als leitender Beamter der
Reparaturarbeiten vor. O. Klose sieht im wiederholten Auftreten von Beamten aus
Iulium Carnicum einen Hinweis darauf, dass es sich bei der Plöckenstrecke nicht um
eine Reichsstraße, sondern um eine via vicinalis gehandelt hat, für deren
Instandhaltung die Gemeinde zusammen mit der nördlich angrenzenden Nachbarin
aufkommen muss1. Das Territorium von Aguntum könnte im Norden bis an die
Passhöhe gereicht haben2. Auch Teurnia kommt in Frage3.
Damit ergäbe sich am Plöckenpass eine ähnliche Situation wie am Radstätter
Tauern, auf dessen Passhöhe die Grenze zwischen den Territorien von Iuvavum und
Teurnia verläuft4.
Theoretisch könnte man also ohne weiteres die Existenz von ähnlichen
Straßenbauinschriften auf der Nordseite des Plöcken annehmen. Diese wären dann
von Beamten und Straßenbaumeistern aus Aguntum oder Teurnia oder den Zöllnern
aus der Zollstation nördlich der Passhöhe aufgestellt worden.
Lokale Kräfte mussten für die Restaurierung der Straße im Jahre 373 n. Chr.
allerdings nicht aufkommen, wie das Wort munificentia eindeutig belegt. Es handelte
sich vielmehr um Mittel, welche aus der Staatskasse zur Verfügung gestellt worden
waren. Nach R. Egger stehen die Arbeiten des Jahres 373 n. Chr. in Zusammenhang
mit dem Grenzschutzprogramm an der Donau, das von Valentinian und Valens
durchgeführt wurde5. Dadurch kann auch den direkten Befehl von Seiten des Kaisers
erklärt werden.
Dies ist bis heute das späteste römische Zeugnis von der Plöckenpassstraße.
Venantius Forunatus, welcher um das Jahr 565 über die Alpen nach Tours reiste und
dabei u.a. durch das Drautal kam, überquerte höchstwahrscheinlich nicht den
Plöckenpass6.
Aus dem Frühmittelalter sind bisher keine Zeugnisse von Passverkehr bekannt
geworden, doch bereits im Jahre 1234 erwähnt ein Vertrag zwischen dem
Patriarchen Berthold von Aquileia und Meinhard von Görz eine „strata que ducit per
Montem Crucis.“7.
•
Die Veneterstraße
Von der ältesten Straße, deren Erbauung den Venetern zugeschrieben wird, finden
sich auf der Südseite des Passes keine Spuren mehr, sie wird wohl von den Trassen
römischer Zeit überlagert8. Auch nördlich des Passes kann ihr Verlauf über weite
Strecken hin nur vermutet werden. (Abb. 48) Die einfachste Variante führt vom
1
Damit ist Klose jedoch sicher im Unrecht, da die Straßenerhaltung generell Sache der Anrainer und
der Städte gewesen ist. M. Rathmann, Beih. BJb 55, 2003, 136ff.
2
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 134b. Basiert vor allem auf: Th. Mommsen, CIL V
pag. 172.
3
Jablonka, 2001, 218.
4
E. Weber, MGSL 112-113, 1972-73, 250. Dagegen: G. Alföldy, BJb 170, 1970, 163ff.
5
Egger, Felsinschriften, 204.
6
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 134a. Anm. 3.
7
J. Ficker, MIÖG 1, 1880, 298.
8
H. Koban, Carinthia 144, 1954, 127.
130
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Übergang (1360m) am westlichen Felsabhang sanft abfallend, ca. zwei Kilometer in
nördlicher Richtung bis hinunter zur Theresienhöhe (1316m) und von dort weiter bis
zur Valentin-Alm (1220m). Hier setzt sich der Weg am linken Ufer des
Valentinbaches bis zu einem „Lagerstatt“ genannten Platz fort, quert dort den Bach
und bleibt bis Mauthen über dessen rechtem Ufer. Dieser letzte Streckenabschnitt ist
im Volksmund als „Heidensteg“, „Rennweg“ oder „Alter Weg“ bekannt1. Koban spricht
diese Trasse ursprünglich als den Venter- und ältesten Römerweg an2.
In seinem „Ergänzungsbericht über den Verlauf der alten Plöckenpaßstraßen“3
revidiert er jedoch seine Ansicht, nachdem er am sogenannten „Leitersteig“ relativ
große Randsteine, Stützmauern und auffällig breite Wegabschnitte gefunden hatte,
Abb. 48 Plöckenpass Nordseite: Orthophoto auf Geländemodell
dazu kam noch die Entdeckung eines grob behauenen Felsblockes mit einer
Mörtellage im Bett des Angerbaches, der als Brückenpfeiler interpretiert wurde. Der
Fund einer künstlich durchschnittenen Felsrippe sowie einer vermeintlichen Radspur
etwas weiter nördlich erhärtete noch diesen Verdacht4. Nach Koban muss es sich bei
diesem Abschnitt um den alten Venetersaumpfad handeln (von den Römern vielleicht unter Cäsar - zu einer Fahrstrasse ausgebaut), da nach der Erbauung der
günstigeren Variante Theresienhöhe – Valentin-Alm (Abb. 49) sicher kein zweiter
Weg über den steilen, unwirtlichen und gefährlichen Leitersteig notwendig gewesen
wäre5. Der sog. Veneterweg würde von der Passhöhe absteigend, dem fast 500 m
1
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 133b.
H. Koban, Carinthia 136-138, 1948, 249-251.
3
H. Koban, Carinthia 155, 1965, 262-264.
4
H. Bulle, Geleisestraßen 82. H. Koban, Carinthia 155, 1965, 262f. Piccotini und Wedenig haben
diese Angaben neurdings kontrolliert, konnen jedoch weder den Brückenkopf, noch die Radspur
wiederfinden. AntAlt 28, 1986, 127 Anm. 30.
5
H. Koban, Carinthia 155, 1965, 264. Allerdings widerspricht sich Koban, der bei seiner ersten
Erwähnung des „Leitersteiges“ diese Passage noch als die „einzige vollkommen lawinensichere
Stelle“ bezeichnet. H. Koban, Carinthia 147, 1957, 160.
2
131
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
langen Straßenstück, das von Klose erstmals dokumentiert wurde, folgen und,
ähnlich der modernen Straße, auf das obere Ende des Leitersteigs zulaufen1.
Zwei weitere Varianten, welche von Meyer und Koban beschrieben werden, kommen
dagegen kaum in Frage: Der bei Meyer eingetragene, steile Hangpfad über die
Himmelbergeralm und eine Variante, die beinahe identisch mit der modernen
Fahrstraße ist2.
Folgt man diesem Weg vom Fuß des Leitersteiges an talauswärts, verliert sich seine
Spur mehrmals, da die Ostseite des Valentintales, vom Angerbach abwärts, auf einer
Strecke von ca. 2 km sehr steinschlag- und murengefährdet ist. Einem Steinschlag in
diesem Bereich scheint auch eine weitere venetische Inschrift zum Opfer gefallen zu
sein, welche um 1880 noch gesehen wurde3. Hat man den gefährdeten
Streckenabschnitt jedoch hinter sich gelassen, kann man dem sog. Veneterweg
leicht folgen. Dieser verläuft bis zu 100 m über dem Valentinbach und wird auf der
Bergseite über lange Strecken von einer 1-1.5 m hohen Stützmauer in kyklopischer
Bauweise vor Erosion geschützt. An einigen Stellen konnte noch ein Straßenbelag
aus einer „harten gelblichen Masse, die fester als Lehm ist“4 festgestellt werden. Am
Ausgang des Valentintals biegt der Veneterweg dann nach Osten ab, läuft an der
Fundstelle der bekannten Würmlacher Inschriften vorbei und in gerader Linie auf die
Gurina zu5. Die Inschriften sind der letzte Anhaltspunkt für den Wegverlauf, denn am
Talboden haben sich durch die regelmäßigen Hochwasser der Gail keine Spuren
erhalten6.
Diese mehr als 14 km lange Strecke zeichnet sich durch geradlinige Führung und
einem durchschnittlich fast gleichbleibenden Gefälle von 5% aus, ausgenommen die
Passage über den Leitersteig. Die oben beschriebene Stützmauer wird neuerdings
nicht mehr in die vorrömische Zeit datiert, sondern um einiges jünger eingeschätzt7.
Ob es sich beim Veneterweg um einen Saumweg oder um eine Fahrstraße
gehandelt hat, ist unklar. Bulle bezeichnet die 1.5 bis 2 m breite Trasse direkt
nördlich der Passhöhe, welche von Klose als römischer Saumweg bezeichnet wurde
(siehe oben), als Fahrweg, auch wenn er keine Spuren von Geleisen finden kann8.
Was spricht gegen eine befahrbare Straße? Der Weg über den Leitersteig hat eine
Steigung von mindestens 20%, gleichzeitig wurden dort keine Geleise oder Stufen
als Steighilfen entdeckt. Die Felsrillen, die etwas weiter nördlich des Leitersteiges
gefunden wurden, sind wahrscheinlich eine natürliche Erscheinung und keine
Wagengeleise9. Mayer bezeichnet den Weg über den Leitersteig in seinem
Tagebuch als „wahre(n) Kniebeiß“10, damit ist hier Wagenverkehr kaum
anzunehmen.
Für eine Befahrbarkeit mit Wagen spricht, dass die Felsstufen, welche von Klose
dokumentiert wurden, nur in der Wegmitte liegen (Breite maximal 40cm) und an ihren
Aussenkanten scharf abgeschnitten sind11. Die Stufen könnten damit den Zugtieren
als Steighilfe gedient haben, ohne den Lauf der Räder zu behindern.
1
H. Bulle, Geleisestraßen 79f.
H. Koban, Carinthia 138, 1948, 265.
3
H. Bulle, Geleisestraßen 81.
4
H. Bulle, Geleisestraßen 86.
5
H. Bulle, Geleisestraßen 89.
6
Wedenig, 1986, 23.
7
G. Piccotini, R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 126 Anm. 29.
8
H. Bulle, Geleisestraßen 79.
9
H. Koban, Carinthia 136-138, 1948, 261.
10
Mayer, Aus meinem Tagebuche. Von Kötschach in die Plecken. In: Carinthia 48, 1858, 66.
11
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 131a-132b. H. Bulle, Geleisestraßen 78.
2
132
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Um sich vom Charakter der Straße in vorrömischer und römischer Zeit ein Bild
machen zu können genügt es nicht nur die erhaltenen Wegreste zu verfolgen,
sondern man muss sich vielmehr fragen, wer die Menschen waren, die diesen und
viele andere Pässe überquerten und vor allem warum sie dies taten.
Für die sogenannte Veneterstraße und den ganzen Zeitraum von der Eisenzeit bis
hinein in das 1. Jh. n. Chr. gibt uns das nahegelegene Handels- und
Bergbauzentrum Gurina im Gailtal wichtige Antworten auf diese Fragen. In diesem
Zusammenhang spielen vor allem die Stichworte „Bergbau und Metallverarbeitung“
sowie „Güteraustausch und Handel“ eine wichtige Rolle1.
Zusammenfassend kann zum Veneterweg folgendes gesagt werden:
Während sich auf der Südseite des Plöckenpasses keinerlei Spuren eines
vorrömischen Weges finden lassen, bietet der Abschnitt zwischen der Passhöhe und
Abb. 49 Der Weg von der Theresienhöhe zur Valentinalm ist deutlich im Gelände zu erkennen
dem Valentintal zwei Möglichkeiten:
Erstens ein sanft absteigender Weg zur Theresienhöhe und dann nach Westen
hinunter zur Valentinalm. (Abb. 50) Etwas weiter talauswärts wechselt der Weg an
den Osthang, wo er durch die dort gefundenen Inschriften sicher mit den Venetern in
Verbindung gebracht werden kann.
Zweitens, der von der Passhöhe in Richtung Plöckenhaus abfallende Felsweg, der in
Form des sogenannten „Leitersteiges“ das Steilstück hinunter in das Valentintal
überwindet und sich dann kontinuierlich an der östlichen Talseite hält.
1
Jablonka 2001, 194.
133
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Für die erste Variante spricht deren relative Einfachheit und Naturgegebenheit, mit
der sie sich für eine Streckenführung anbietet, wie schon Koban betont1. Tatsächlich
verläuft hier die spätere, römische Trasse (siehe unten).
Für die zweite Variante spricht eine Reihe von Straßenresten, welche sich aber in
keinem Fall irgendwie datieren lassen.
Falls man auf der Existenz einer venetischen Fahrstraße beharren will2, so muss
diese, meiner Meinung nach, über die Theresienhöhe geführt haben. Gibt man sich
mit einem venetischen Saumweg zufrieden, kann dieser ohne weiteres den
Leitersteig benützt haben. Eine Entscheidung lässt sich nicht treffen, solange es
keine neuen Funde oder Befunde entlang der Strecke gibt.
•
Die Straßentrassen der Römerzeit
Zu welchem Zeitpunkt der Veneterweg das erste Mal durch die Römer wieder instand
gesetzt bzw. ausgebaut wurde, lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit feststellen. Da,
wie bereits erwähnt, die Existenz einer Straßenbauinschrift Caesars von der neueren
Forschung abgelehnt wird, kann man nur vermuten, dass dieser Handelsweg bereits
während der julisch-claudischen Epoche von den Römern ihren neuen Bedürfnissen
angepasst wurde3. Als terminus ante quem kann der Tod des Claudius gelten, der
sowohl Iulium Carnicum zur Colonia erhoben4, als auch das Municipium Aguntum
gegründet hat. Dies sollte eigentlich die Existenz von guten Verkehrswegen zwischen
beiden benachbarten Städten voraussetzen.
o
Die Respectus-Straße
Parallel zu den drei Inschriften fand Koban auf der Südseite des Passes drei
Wegtrassen, die er mit ihnen in Verbindung brachte. Von der Respectus – Inschrift
ausgehend, folgte
er jenem Weg in
westlicher
Richtung, von dem
bereits die älteren
Quellen berichten
(siehe oben). Nach
ca.
350m
überquert
dieser
Weg
den
Colinettabach, fällt
in
südöstlicher
Richtung über eine
Almwiese ab (Abb.
50) und läuft an
der Ostseite einer,
durch
zahlreiche
Bunker
ausgehöhlten,
Abb. 50 Blick von der befestigten Waldkuppe nach NO, die Altstraße
Waldkuppe
ist deutlich in der Bildmitte zu erkennen
1
H. Koban, Carinthia 136-138 (1948) 249.
So H. Bulle, Geleisestraßen 78,
3
Cartellieri, Alpenstraßen 13. Bulle, Geleisestraßen 77.
4
Cartellieri, Alpenstraßen 21.
2
134
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Richtung Süden (Karte S.138). Die folgenden 300m verlaufen in leichten Kurven
durch Wald und Almwiesen abwärts. Das Ende dieses Streckenabschnittes bildet
eine steil abfallende Felswand, welche die ganze Westseite des oberen
Passplateaus gegen das Tal hin abschließt (Abb. 44).
Auf der ca. 900m langen Strecke zwischen der Passhöhe und dieser Felswand ist die
Straße so günstig angelegt, dass sie leicht von Wagen befahren werden könnte. So
beträgt auf dem ca. 550m langen Teilstück zwischen dem Colinettabach und der
Felswand das durchschnittliche Gefälle ungefähr 9,6%, der Weg ist fast durchgehend
ca. zwei Meter breit.
Ist man am unteren Ende dieses Wegabschnittes angelangt, wird der bereits
erwähnte Felsgürtel durch einen schmalen, relativ engkurvigen Steig mit starkem
Gefälle überwunden. Am Fuß des Felsgürtels setzt sich der Weg sehr schmal in
Richtung Westen fort, wobei er im Verlauf von einigen 100 m bergauf verläuft. Dieser
Abschnitt unterhalb des Gürtels ist sehr erosionsgefährdet, wie mehrere Kegel
großer Felsbrocken zeigen. Verfolgt man den modernen Weg weiter, trifft man auf
die Kehre einer Forststraße, bei der sich ein Hinweisschild für den „Römerstraße“
genannten Wanderweg befindet.
Abb. 51 Zick-Zack aufsteigender Weg unterhal des Felsgürtels, bereits in der Josephinischen
Landesaufnahme verzeichnet
Von hier aus geht ein Weg Richtung Osten abwärts, der durch zahlreiche Kehren den
teilweise sehr steilen Abhang Richtung Talboden bewältigt (Abb. 51). Hat man eine
Höhe von ca. 1150 m erreicht, trifft man wiederum auf eine Forststraße, die in ostwestlicher Richtung am Hang entlang verläuft. Koban beschreibt einen Weg, der von
dieser Stelle in mehreren Kehren noch weiter auf den Talgrund zuläuft und teilweise
Randsteine und Geleisespuren aufweist.1 Einen modernen Steindamm und den
Fluss Chiaula überquerend, lässt Koban die Straße am orograhisch rechten Ufer des
1
H. Koban, Carinthia 144 (1954) 128.
135
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Baches Richtung Timau weiterlaufen. Kurz vor Timau musste die Straße wieder auf
das linke Ufer zurückwechseln, auf dem die moderne Siedlung liegt und sich
wahrscheinlich auch die antike befand. Von dieser gibt es allerdings bisher keine
Bodenfunde1. Da bei Timau der Wildbach bei Hochwasser den ganzen Talboden
überschwemmt, möchte Koban an diese Stelle die gefährdete Brücke setzen, von der
in der Hermia-Inschrift die Rede ist2.
Dieses Teilstück der Plöckenpaßstraße ist schon früh in der Literatur erwähnt und als
Muster einer römischen Gebirgsstraße gewürdigt worden3. Nach Koban handelt es
sich dabei um den alten Veneterweg, welcher durch die Maßnahmen des Respectus
wieder in Stand gesetzt wurde.4
Im Laufe des Jahres 2002 hatte der Verfasser mehrere Male die Gelegenheit, zu Fuß
die Südseite des Plöckenpasses nach römischen Hinterlassenschaften zu
untersuchen. Dabei folgte er den von Koban vorgelegten Beschreibungen und fand
einen Großteil von ihnen bestätigt5.
Einige Ergänzungen sollen an dieser Stelle folgen:
Abb. 52 Künstlich durchbrochene, große Felsrippe
Während sich die sogenannte Respectus-Straße in ihrem oberen Bereich, von der
Passhöhe bis zum Felsengürtel in ihrem Verlauf sehr leicht verfolgen lässt, sind
Spuren einer Altstraße im unteren Bereich teilweise schwerer im Gelände
auszumachen. Dies trifft vor allem für den nach Westen führenden Pfad direkt
unterhalb des Felsengürtels zu. Die römische Straße verlief in diesem Abschnitt
wahrscheinlich leicht abfallend unterhalb des modernen Steiges, querte so den Hang
und lief dann in engen Kehren bergab. Dieser Bereich wurde jedoch
höchstwahrscheinlich durch Erosion zerstört. Ähnliches gilt für den untersten
Wegabschnitt vor der Überquerung des Baches Chiaula. Hier verliert sich der Pfad
relativ bald nach der Überquerung der Forststraße auf 1150 m Meereshöhe.
1
G. Piccotini, R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 129.
H. Koban, Carinthia 144 (1954) 130.
3
A.B. Meyer, Straßenzüge 106. Cartellieri, Alpenstraßen 25.
4
H. Koban, Carinthia 144 (1954) 127.
5
Vor allem H. Koban, Carinthia 144 (1954) 126-131.
2
136
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Von den zahlreichen Geleisespuren, über die seit dem Ende des 18. Jhs. immer
wieder berichtet wurde, konnte der Verfasser leider keine einzige mehr mit
Gewissheit feststellen. An mehreren Stellen hat es den Anschein, als ob sich noch
Spuren von Geleisen finden ließen. Nach genauem Vergleich mit den typischen
Abschliffspuren, welche sich in dieser Gegend überall auf dem Gestein finden lassen,
ist jedoch der Schluss wahrscheinlich, dass diese Spuren natürlichen Ursprungs
sind.
Bemerkenswert
sind im oberen Abschnitt
vor allen zwei künstlich
durchbrochene
Felsrippen. Eine kleinere
im Bereich südlich der
mit Bunkern befestigten
Waldkuppe,
eine
größere, mehrere Meter
hoch, unweit oberhalb
der großen Felswand
(Abb. 52).
Der große Felsgürtel, der
den oberen Bereich der
Passstrasse nach unten
Abb. 53 Ausgemeiselte Stufen am Durchgang durch den
großen Felsgürtel
abschließt,
wird
von
einem Weg durchbrochen,
an dem sich noch mehrere ausgemeißelte
Felsstufen befinden, welche teilweise die
volle Breite des Steiges einnehmen (Abb.
53).
In
diesem
Bereich
wird
ein
Höhenunterschied von etwas weniger als 20
m auf einer Strecke von 60 m überwunden,
was einer durchschnittlichen Steigung von
etwas mehr als 25% entspricht.
Das Teilstück, das ansteigend nach Westen
zieht, ist wahrscheinlich als neuzeitlich
anzusprechen. Der römische Weg ist, wie
bereits erwähnt, eher leicht abwärts und
damit direkt auf den unteren Bereich der
„Respectus-Straße“ zugelaufen. Da der Hang
aber stark in Bewegung ist, finden sich keine
Spuren mehr.
Der nun folgende untere Abschnitt ist noch in
gutem Zustand. Tal- und bergseitige
Stützmauern lassen sich an mehreren Stellen
ausmachen (Abb. 54). Die noch erhaltenen
bergseitigen Mauerreste sind aus grob- oder
unbehauenen Steinen aufgeschichtet und
noch bis zu einem halben Meter Höhe
erhalten. Auf der Talseite haben sich
dagegen nur wenige Spuren erhalten,
meistens aneinander gereihte Randsteine
oder Reste von Stützmauern, jedoch
Abb. 54 Stützmauern im unteren
Abschnitt
137
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
höchstens mit ein oder zwei Steinlagen. Auf einzelnen Passagen lässt sich noch so
etwas wie eine Pflasterung erkennen, an anderen Stellen ragt anstehender Fels aus
der Trasse und erschwert das Durchkommen.
Wagengeleise lassen sich auch hier nirgends mit Bestimmtheit feststellen. Der
heutige Zustand dieses Teilstückes ist wahrscheinlich durch militärische Ausbauten
besonders in der ersten Hälfte des 20. Jhs. entstanden, die Trassenanlage kann
aber durchaus älter sein1. Dies zeigt vor allem auch die franziszeische Karte aus
dem Jahre 1804. In dieser ersten Landesaufnahme der Südseite des Plöckenpasses
ist die Respectusstraße als Steig eingetragen. Der heute noch zu verfolgende, zickzack-förmige Verlauf ist bereits dort aufgenommen worden (Abb. 56). In seiner Art
entspricht er etwa dem Leitersteig auf der Nordseite des Passes2.
Welchen Charakter hat nun diese Trasse? Koban, Bulle und Cartellieri stimmen mit
Verweis auf die älteren Quellen überein, in der sogenannten „Respectus-Staße“
einen römischen Fahrweg zu sehen3. Die Berichte über Wagengeleise einer
Spurbreite von 1.3 m und der, über weite Strecken günstige, Verlauf der Trasse
machen so einen Schluss auf den ersten Blick möglich. Während Koban auf diese
Problematik nicht weiter eingeht, vermutete Cartellieri vor ihm, dass diese Straße in
bescheidenem Ausmaß für zweirädrige Ochsenkarren befahrbar gewesen sein
muss4. Bulle steigert diese Annahme noch, indem er von der 1.3 m breiten Spur auf
einen ungewöhnlich starken Wagentyp zum Holztransport in der Antike schließt5.
Lediglich Klose widerspricht dieser Auffassung, indem er anführt, dass er auf der
Nordseite des Passes keine entsprechenden Geleisespuren finden konnte und dass
die bis dahin entdeckten Reste durchaus auch einem späteren Fahrweg angehören
könnten6.
Piccotini und Wedenig schließen sich in der letzten bisher abgegebenen
Stellungnahme unter Berufung auf die Inschriften und die Altstraßenreste der
Meinung an, es müsse sich bei dieser Trasse um eine Fahrstraße handeln7.
Wenn man die oben beschriebenen Beobachtungen berücksichtigt, muss man zum
Schluss kommen, dass es sich bei der Respectus-Strasse, sollte sie wirklich in dieser
Form verlaufen sein, um keine durchgehende Fahrstrasse, sondern zumindest
streckenweise um einen Saumweg gehandelt haben muss. Es gibt besonders im
obersten Bereich längere Passagen, die ohne weiteres mit Wagen befahren worden
sein könnten, andere jedoch sind mit Bestimmtheit nur mit Saumtieren zu bewältigen.
Koban spricht einen der wichtigsten Gründe gegen die Existenz einer durchgehend
mit Wagen befahrbaren Straße selbst an: Er berichtet, vergeblich nach einem
günstigeren Weg gesucht zu haben, um den Felsgürtel zwischen dem oberen und
dem unteren Streckenabschnitt zu überwinden. Selbst Einheimische erklärten ihm,
dass es keinen anderen Steig als diesen gibt8. Piccotini und Weding, die die
Plöckenpassgegend zuletzt persönlich besucht haben, bezeichnen diese Stelle
ebenso als „unumgänglich“9.
1
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 128.
Wedenig, 1986, 28.
3
Nur Koban verwendet den Begriff „Respectus-Straße“. H. Koban, Carinthia 144, 1954, 127-130. H.
Bulle, Geleisestraßen, 74f. Cartellieri, Alpenstraßen 25.
4
Cartellieri, Alpenstraßen 25.
5
Bulle, Geleisestraßen 74f.
6
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 130b ff.
7
G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 127.
8
H. Koban, Carinthia 144, 1954, 127.
9
G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 127.
2
138
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Auch der untere Bereich weist mit seiner Zick-Zack-Linienführung, seinen ultrakurzen
Segmenten mit konstanter Steigung, mit den engen, spitzwinkligen Kurven und den
Straßenbefestigungswerken einige wesentliche Charakteristika einer Fahrstrasse
auf1. Die durchschnittliche Steigung und jene einzelner Segmente ist jedoch zu hoch
und der Kurvenradius zu eng, um einen Wagen zu wenden. Außerdem ragt immer
wieder anstehender Fels aus der Fahrbahn, welcher das Vorwärtskommen eines
Wagens sehr behindern würde. Eine so angelegte Straße könnte nicht ohne
durchgehende Spurrillen auskommen. Diese sollten aber wegen der Räder, die bei
der Abwärtsfahrt blockiert wurden, noch tiefer ausgeschliffen sein. Nichts dergleichen
ist erhalten.
Wie kann man sich also den Charakter dieser Straße vorstellen?
Die in den modernen Quellen immer wieder vorkommenden Geleisereste deuten auf
einen Wagenverkehr hin. Die heutige Topographie und das Wissen um den Verlauf
der Straße lässt die Annahme einer durchgehenden Befahrbarkeit der RespectusStraße allerdings nicht zu. Dies alles gilt natürlich nur, falls sich das Gelände in den
letzten 1500 Jahren nicht grundlegend verändert hat.
Man kann annehmen, dass es für diese Strecke eine organisierte Form des
Passverkehrs gegeben hat. Erfahrene Säumer und Träger, in Gilden organisiert, die
ihren Dienst von den benachbarten Mansiones aus versahen, sind z.B. für den
Großen St. Bernhard bekannt2. Auch für den Plöckenpass wird angenommen, dass
entlang der Strecke wesentlich mehr Rast- und Versorgungsstationen existierten, als
in den offiziellen Reisehandbüchern verzeichnet sind3.
Falls man für die Respectus-Straße also weiterhin den Charakter einer Fahrstraße
annehmen will, so könnte es sein, dass die unumgängliche Steilstelle zwischen dem
oberen und unteren Abschnitt vielleicht mit Hilfe von Säumern überwunden worden
ist und man oben mit einem anderen Wagen, wiederum von lokal ansässigen
Führern bereitgestellt, weiterfuhr.
Hält man nicht an einer Fahrstrasse fest, sondern nimmt man stattdessen einen
durchgängigen Saumweg an, stellt sich dieses Problem nicht.
1
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 64-67.
G. Walser, Summus Poeninus, Historia Einzelschriften 46 (1984) 24f.
3
G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 130.
2
139
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Abb. 55 Die Karten der 1. Landesaufnahme Venetiens (1804) und Kärntens (1784/85) gemeinsam
georeferenziert, zeigen die Situation am Plöckenpass am Ende des 18. Jhs.
140
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
141
Die Römer auf den
142
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
o
Pässen der Ostalpen
Die Hermia-Straße
Die zweite Straße, von deren Existenz wir durch eine Inschrift wissen, ist die des
Hermia(s) 1. Aus ihr ergibt sich ein Hinweis auf ihren möglichen Verlauf: Eine Brücke,
bei welcher Reisende häufig in Gefahr gerieten, wurde durch eine neue
Abb. 56 Unterer Bereich der Hermia Straße: Behauener Randstein (?)
Streckenführung umgangen. Wie bereits oben erwähnt, vermutet Koban die besagte
Brücke in der Nähe von Timau2. Eine alternative Trasse kann somit nur nördlich des
Flusses am Abhang des Tales entlanggelaufen sein, um schließlich zur Passhöhe
aufzusteigen. Entlang dieser Straße soll noch eine weitere Inschrift existiert haben,
die allerdings verschollen ist3. Die Straße erreicht eine Höhe von ca. 1050 m und
verläuft dann nur noch in mäßiger Steigung weiter westwärts, über den Colinettabach
hinweg und trifft dort auf die Respectus-Straße. Auf deren Trasse steigt sie dann fast
bis zur Passhöhe auf. Kurz vorher, vor der neuerlichen Überquerung des
Colinettabaches, trennen sich die Trassen wieder und die Hermia-Straße gewinnt
noch einige Höhenmeter, bevor sie ebenfalls den Bach überschreitet und auf die
Inschrift zuläuft, die an einer Felswand oberhalb der Passhöhe angebracht ist4. Die
Weihung für Jupiter, die Wege- und andere Götter könnte ein Hinweis auf eine nahe
Kreuzung sein5. Diese wäre wahrscheinlich am südlichen Ende der Passschlucht zu
suchen und würde die gleichzeitige Nutzung verschiedener Passwege
wahrscheinlich machen. Dies kann jedoch nicht bewiesen werden.
1
CIL V 1863.
H. Koban, Carinthia 144, 1954, 130.
3
A. B. Meyer, Gurina im Obergailthal (Kärnthen), (1895) 90f.
4
H. Koban, Carinthia 144 ,1954, 130.
5
G. Piccolini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 128.
2
143
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Koban erklärt diese ungewöhnliche Linienführung damit, dass nach schneereichen
Wintern die Plöckenschlucht bis in den Hochsommer hinein unpassierbar ist,
während der etwa höher liegende Bereich westlich viel früher aper wird1.
Klose sah im Bereich der Inschrift noch einige Spurrillen, die sich heute jedoch nicht
mehr feststellen lassen. Felsstürze scheinen das Bodenniveau in der Zwischenzeit
um einiges angehoben zu haben, denn die letzten Zeilen der Inschrift ragen nur noch
wenige Zentimeter über den Boden heraus. Als A. B. Meyer am 20. April 1894 die
Inschrift besichtigte, befand sie sich noch ca. zwei Meter über dem Bodenniveau 2.
Der untere Bereich der Hermia-Straße wird heute größtenteils durch eine Forststraße
überlagert, auf der sich nur einige undeutliche Spuren, wie zum Beispiel
Pflasterreste, ein bearbeiteter Randstein oder talseitige Stützmauern finden lassen
(Abb. 55). Bei all diesen Hinterlassenschaften fällt eine eindeutige Zuweisung
allerdings schwer. Die Straße ist in diesem Abschnitt durchgehend über zwei Meter
breit und steigt sehr geradlinig und konstant an. Die Linienführung würde römischer
Planung entsprechen, der heutige Zustand lässt allerdings keine Rückschlüsse mehr
auf die Bauart zu. Es kommt hinzu, dass die Hermia-Straße, anders als die beiden
anderen Trassen, in der ersten Landesaufnahme von 1804 nicht eingetragen ist und
somit der, zugegebenermaßen späte, terminus ante quem im 18. Jh. ausfällt.
o
Die Valentinianstraße
Abb. 57 Talseitige Stützmauern im Kreuzungsbereich Hermia - Valentiniansstraße
Die sogenannte „Valentinianstraße“, die von Südosten kommend den Pass erreicht,
ist beim Bau der modernen Straße 1933-35 weitgehend zerstört, bzw. überlagert
1
2
H. Koban, Carinthia 144, 1954, 127.
A. B. Meyer, Gurina im Obergailthal (Kärnthen), (1895) 90.
144
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
worden1. Diesem bisher letzten Ausbau gingen aber bereits andere
Straßenverbesserungsarbeiten voraus, welche die Bestimmung des römischen
Charakters der Strecke schwer machen. Im Jahr 1846 wurde diese Straße für
Gespanne befahrbar gemacht, um den Holzhandel zu erleichtern2.
Mehr als ein halbes Jahrhundert vorher, um 1780, hat N. Grassi die Gegend auf der
Suche nach römischen Straßen bereist. Er erwähnt die „Valentinianstraße“ auf der
Ostseite des Passes als Fußweg, der auch mit einem Pferd noch bequem bewältigt
werden konnte. Er stellt sie der Trasse auf der Westseite gegenüber, welche er durch
das Vorhandensein von Geleisen als Wagenstraße charakterisierte3. Aus diesem
Grund wurde angenommen, dass es sich auch in römischer Zeit bei der
„Valentinianstraße“ nur um einen Saumweg gehandelt hat4. Sie ist auf der ältesten
maßstäblichen Landesaufnahme aus dem Jahre 1804 als enge, teilweise
kurvenreiche Straßenvariante eingetragen.
Die Valentinian-Straße läuft bis kurz unter Mercato vecchio auf der Trasse der
Hermia-Straße, steigt dort aber weiter an und zieht nach zwei Kehren an der Inschrift
des Valentinian vorbei. In diesem Bereich haben sich noch längere Abschnitte von
Stützmauern erhalten (Abb. 57). Sie dürften von der Ausbauphase des Jahres 1846
stammen. Kurz oberhalb der Inschrift wird die Trasse aber erstmals durch die
moderne Straße abgeschnitten. Zwischen den Serpentinen dieser Straße lassen sich
noch vereinzelt Reste starker talseitiger Stützmauern ausmachen, diese verlieren
sich jedoch bald. Nach den Angaben Kobans verläuft die Straße immer auf der
Ostseite der Colinetta, von der letzten Kehre bis zur Passhöhe unter der heutigen
Trasse.
Ob es sich bei der Valentinianstraße um eine Neutrassierung oder um eine
Wiederherstellung gehandelt hat, geht aus der Inschrift nicht hervor. Wenn man den
Hinweis auf eine Kreuzung im Passbereich ernst nimmt, welcher vielleicht aus der
Hermia-Inschrift hervorgeht (siehe oben), dann könnte man annehmen, dass die
Variante auf der Ostseite bereits vor der 2. Hälfte des 4. Jhs. existiert hat.
•
Die Straßen der Nordseite
Reste eines Passheiligtums, einer Raststation oder einer spätantiken Sperrfestung
haben sich auf der Passhöhe nicht erhalten5. Unter den wenigen, ungenau
lokalisierten Streufunden befinden sich einige römische Münzen und zwei Fibeln, von
denen Klose eine für spätantik hält6.
Über den Verlauf der römischen Straßen vom Plöckenpass nach Mauthen gibt es
mehrere Möglichkeiten, die in der Literatur vorgeschlagen wurden7. Während über
die Linie einer älteren römischen Trasse auf der venetischen nur spekuliert werden
kann8, wird für eine spätere Phase die Variante Theresienhöhe – Valentinalm
angenommen. Diese setzte sich dann ungefähr auf der Trasse der heutigen Straße
am linken Ufer des Valentinbaches bis nach Mauthen fort9. Auf diesem letzten
Abschnitt fanden sich noch Überreste einer Straßenstützmauer, sowie eines
1
H. Koban, Carinthia 144, 1954, 131.
M. Freiherr v. Jabornegg-Altenfels, Kärntens römische Altertümer (Klagenfurt 1870) 172.
3
N. Grassi, Notizie storiche della Carnia (Udine 1782) 8f.
4
O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4, 1910, 136b.
5
Cartellieri, Alpenstraßen 27.
6
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 129 Anm. 37. O. Klose, Jahrbuch für Altertumskunde 4,
1910, 136a Anm.4.
7
Wedenig, 1986, 24ff.
8
Cartellieri, Alpenstraßen 27.
9
Zuletzt bei G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 131.
2
145
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
spätantiken Turmes, südwestlich von Mauthen auf einem Hügel bei der Kirche Maria
Schnee1.
Das erste, flache Stück der Trasse über die Theresienhöhe ist noch in der
josephinischen Landesaufnahme von 1784-85 zu finden, es endet allerdings abrupt,
sobald die Straße nach Westen, in sehr erosionsgefährdetes Gelände abfällt. Von
der Klassifizierung her ist dieser Straßenrest der damaligen Plöckenpassstraße
gleichgestellt, was wohl bedeutet, dass es sich Ende des 18. Jhs. in gutem Zustand
befunden haben muss2. Von der Theresienhöhe gelangt man heute über einen
Abb. 58 Die Altstraßen der Nordseite nach Koban
Wanderweg mit geringer Steigung entlang des steilen Nordhanges des Cellon /
Frischenkofel zur Valentinalm, wo der Weg bei der Bachüberquerung kehrt macht
und sich am Nordufer des Valentinbaches talabwärts wendet.
Ob der Plöckenpass während der römischen Kaiserzeit befahrbar war lässt sich
somit nicht mit Gewissheit aussagen. Meiner Meinung nach kommt eine
durchgehende Befahrung der Südseite, besonders der Respectus/Hermias – Trasse
kaum in Frage, die Valentinianstraße könnte für den Wagenverkehr eher geeignet
1
F. C. Keller, Ausgrabungen bei Mauthen im oberen Gailthale. Carinthia 76, 1886, 187f.
Der Weg über den Leitersteig hat als schmalere, stark gewundene Linie ebenfalls Eingang in die
erste Landesaufnahme gefunden.
2
146
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
gewesen sein, ist jedoch modern so stark zerstört, dass wohl auch intensivere
Forschungen keine Entscheidung über diese Frage bringen werden.
Es ist anzunehmen, dass der Großteil des antiken Handels- und Personenverkehrs
mit Saumtieren über diesen Pass geführt wurde.
Abb. 59 Der Plöckenpass. Blick nach NO. Orthophoto auf DEM
147
Die Römer auf den
148
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.5.2 Der Gailbergsattel
•
Topographie
Eng mit der Straße über den Plöckenpass verbunden, ist es die römische Trasse
über den Gailbergsattel, welche die Verbindung ins Drautal und nach Aguntum oder
Teurnia herstellte.
Der 981 m hohe Sattel bildet einen einfachen und relativ breiten Übergang (Abb. 61),
der lediglich beim Abstieg ins Drautal durch einen felsigen Abhang und eine Schlucht
Hindernisse für den Straßenbau bereithält.
Abb. 60 Geländeschnitt: Gailbergsattel
•
Forschungsgeschichte
Die archäologischen Hinterlassenschaften entlang der römischen Straße über den
Gailbergsattel wurden bisher niemals systematisch erforscht. A. B. Meyer und K.
Hauser machten sich jedoch im Zusammenhang mit der Erforschung der Siedlung
Gurina und der Lokalisierung der mansio Loncium bereits in den Jahren 1885 und
1891 Gedanken über den Straßenverlauf auf dem Pass1. Es folgten mehrere
Zufallsfunde im Zuge von Bauarbeiten im Laufe des 20. Jhs. und, seit den 1990er
Jahren, Prospektionen und Grabungen in Oberdrauburg2.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Passstraße über den Gailbergsattel ist, ebenso wie die Straße über den
Plöckenpass, Teil des im Itinerarium Antonini genannten compendium von Aquileia
nach Veldidena3. Lokalisiert man die mansio Loncium bei Mauthen4, so liegt der
Gailbergsattel am Beginn des letzten, 18 Meilen langen Abschnittes zwischen
Loncium und Aguntum.
1
A. B. Meyer, Gurina im Obergailthal (Kärnthen) (1885) 107. K. Hauser, Carinthia 81, 1891, 65ff.
R. Franke, FÖ 37 (1998) 774-776.
3
It. Ant., 279, 2ff.
4
G. Piccotini – R. Wendenig, AntAlt 28, 1986, 129. War in der Forschung von Beginn an nicht
unumstritten, da man die nahegelegene Gurina mit Loncium identifizierte: K. Hauser, Über die Lage
von Loncium an der römischen Plöckenstraße, Carinthia I, 81, 1891, 65ff.
2
149
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Der Straßenverlauf ist, wie im vorigen Kapitel bereits erwähnt, vom Plöckenpass bis
zum spätantiken Turm bei Maria Schnee südlich von Mauthen bekannt. Wo die
Straße die Talsohle und die Gail überquerte, ist wegen der starken Veränderungen
des Flussbettes im Laufe der Jahrhunderte nicht mehr zu rekonstruieren1. A. B.
Meyer beschreibt einen Altweg, welcher von Kötschach ausgeht und einen
künstlichen Felseinschnitt im Bereich des Hauses Nr. 74 aufweist2. Erst bei der 761
m hoch gelegenen Einsiedelkirche, nordwestlich von Kötschach, kann die Spur
wiederaufgenommen werden. Von dieser Stelle an ist die römische Trasse
besonders auf der Südseite des Passes über längere Abschnitte als Feldweg im
Gelände zu verfolgen.3 Dabei nutzt sie einen Felseinschnitt und eine Nord-Süd
verlaufende Geländemulde, um gleichmäßig an Höhe zu gewinnen.
In Laas, wenige Kilometer nördlich von Kötschach, fand man 1894 eine
unbeschriftete Steinsäule, die als Meilenstein gedeutet wurde, inzwischen allerdings
Abb. 61 Der Gailbergsattel. Blick von Mauthen in Richtung N
verschollen ist4.
Oberhalb der Ortschaft Laas verläuft die Trasse an der westlichen Talseite entlang
und unterhalb der Burg Pittersberg vorbei.1 Dort wurden bei Sprengungen 1915 ca.
1
Bis zur Regulierung der Gail im Jahre 1875 wurde die Talsohle regelmäßig überschwemmt: Wedenig
1986, 23.
2
A. B. Meyer, Die alten Straßen des Obergailthals (1886) 107f. Wedenig 1986, 31.
3
Cartellieri, Alpenstraßen 30. A. B. Meyer, Gurina im oberen Gailthal (Kärnthen) (1895) 95.
4
F. Jantsch, Archiv für Vaterländische Geschichte und Topographie 24/25, 1936, 24.
150
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
20 Goldsolidi des Justinian I. gefunden, außerdem sind noch andere Kleinfunde
bekannt. Die Burg liegt strategisch hervorragend auf einem felsigen Hügel, was zur
Annahme geführt hat, dass dort bereits in der Spätantike eine Sperrfestung
bestanden haben könnte. In diesem Fall böte sich das spätantike Kastell auf dem
Hoischhügel bei Maglern, an der Straße von Aquileia nach Virunum, als gutes
Vergleichsbeispiel an2.
In diesem Bereich liegt die Römerstraße unter der modernen Trasse, was dazu
führte, dass eine 1894 bei Straßenbauarbeiten entdeckte Steinsäule als Meilenstein
in situ gedeutet wurde. Dieser ist inzwischen verschollen, er soll aber unbeschriftet
gewesen sein.3
Die Straße bleibt an der westlichen Talseite, etwas höher als ihr modernes Pendant
und erreicht nach etwas weniger als einem Kilometer den Pass.4
Da die Passsenke selbst durch Feuchtwiesen und Moore nur schwer passierbar war,
hielt sich der Weg weiterhin konstant etwas erhöht an den westlichen Abhängen.5
Insgesamt überwindet man etwas weniger als 300 Höhenmeter von Kötschach bis
zum höchsten Punkt der Route.
Es sind einige Passfunde auf dem Gailberg gemacht worden, darunter eine bronzene
Fibel, ebenfalls beim Straßenbau 1894 entdeckt, die vermutlich in das 1./2.
Jahrhundert n. Chr. datiert6, sowie ein Dolchmesser mit Teilen der Scheide, über
welches keine genaueren Informationen bekannt sind.7
Dem Verlauf des Abstieges in Richtung Drautal kann nicht mehr mit Sicherheit
gefolgt werden. Es gibt eine direkte Möglichkeit westlich des Silbergrabens, an der
südlichen Talseite des Drautales entlang und dann nach Aguntum.8 Der Vorschlag
stammt von K. Hauser, der diesen Trassenverlauf annahm, um die zu große
Entfernung zw. Loncium, von Hauser mit der Gurina identifiziert, nach Aguntum zu
verkürzen, die im Itinerarium Antonini 18 Meilen beträgt. Die höchstwahrscheinlich
falsche Gleichstellung von Loncium mit der weiter östlich liegenden Gurina und nicht
mit Mauthen, machte die Annahme dieser kürzeren Linienführung notwendig. Noch
G. Piccotini und R. Wedenig nahmen 1986 diese Variante als die wahrscheinlichere
an, da entlang dieser Strecke, in Flaschberg, ein Bronzeschwert, eine Münze des
Constantius II., sowie frühmittelalterliche Gräber entdeckt worden waren.9
Viel wahrscheinlicher ist aber, dass die Drau direkt nach dem Abstieg an der Ostseite
des Silbergrabens überquert wurde. Hat man nämlich den Talboden des Drautales
erreicht, gelangt man in die heutige Ortschaft Oberdrauburg. Anders als in Mauthen,
gibt es hier zahlreiche römische Funde und Befunde. Nachdem seit dem Beginn des
20. Jahrhunderts immer wieder Streufunde gemacht wurden, wurden ab 1994
Feldbegehungen, geomagnetische Prospektionen und schließlich Grabungen
durchgeführt.10 Diese konzentrierten sich vor allem auf das Schröttelhofer Feld,
nordwestlich der modernen Ortschaft, welches auf einer überschwemmungssicheren
Hochterrasse über der Drau liegt. Die Befunde wurden von den Ausgräbern
1
G. Piccotini (Ed.), archäoloischer Atlas von Kärnten (1989) Nr. 301 S. 53.
Lexikon der ur- und frühgeschichtlichen Fundstätten Österreichs (1965) s.v. „Pittersberg-Ruine“ S.
53.
3
G. Piccotini – R. Wendenig, AntAlt 28, 1986, 131.
4
Cartellierii, Alpenstraßen 30.
5
G. Piccotini – R. Wendenig, AntAlt 28, 1986, 131.
6
K. Hauser, Carinthia 85, 1895, 1. Datierung: A. Lippert- G. Dembski, Archäologisches
Korrespondenzblatt 30, 2000, 265. Nr. 2.
7
K. Hauser, Carinthia 87, 1897, 27 Nr. 2.
8
K. Hauser, Carinthia 81, 1891, 69.
9
K. Hauser, Carinthia 81, 1891, 69 Anm. 1. G. Piccotini – R. Wendenig, AntAlt 28, 1986, 131.
10
H. Stadler - R. Franke - S. Ortisi, Arheološki vestnik 48, 1997, 53ff.
2
151
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
ursprünglich als die Überreste einer Siedlung mit Straßenstation angesprochen1.
Mittlerweile wird der Komplex eher als Teil eines Gutshofes angesehen2. Die ältesten
Strukturen stammen von einer prähistorischen Verteidigungsanlage, deren
zugehörige Siedlung noch nicht vollständig eingegrenzt werden konnte:
Neben Resten einer frühen römischen Besiedlungsphase in Form von Holzgebäuden
(Latène D2 bis 1. Hälfte 1. Jahrhundert n. Chr.), kamen mehrere Steinbauten mit
Mosaiken zu Tage, die aufgrund der Keramik und der Kleinfunde zwischen dem 1.
und dem 3. Jahrhundert n. Chr. in Nutzung gestanden haben müssen. Sie wurden
nach der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. auf den einplanierten Holzgebäuden
errichtet. Die Holzbauphase ist deswegen interessant, weil sich im Fundmaterial der
erste große Importschub italischer Keramik nach Noricum niedergeschlagen hat:
Schwarze Sigillata, Feinware aus augusteischer Zeit, spätpadanische Sigillata und
Amphoren, die hauptsächlich aus Istrien stammen.3 Aus diesen Funden kann auf ein
starkes Ansteigen des Passverkehres auf den südlich gelegenen Übergängen am
Beginn der Kaiserzeit geschlossen werden. Bei den Steinbauten der folgenden
Phase scheint es sich um ein Wohnhaus und einen ummauerten Hof zu handeln, der
für Handwerk und andere wirtschaftliche Tätigkeiten genutzt wurde. Die Besiedlung
setzte sich bis ins 4. Jahrhundert fort, die spätantike Phase kann wegen der
Bodenerosion allerdings nur noch durch Streufunde nachgewiesen werden.4
Die Siedlung in Oberdrauburg fällt vor allem durch ihren großen Reichtum an
qualitätsvollen Metallfunden auf. Neben über 100 Münzen, beginnend mit keltischem
Kleinsilber, bis hin zu römischen Münzen aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts,
kommen vor allem Trachtzubehör und Schmuck im Fundspektrum vor. Eine
fackelförmige Öllampe, welche ursprünglich Teil eines Bronzekandelabers war,
wurde wahrscheinlich aus Italien importiert.5
In Oberdrauburg mündete die Passtrasse in die von Virunum und Teurnia kommende
Straße, die am linken Ufer der Drau verläuft.
1
R. Franke, FÖ 37, 1998, 774.
V. Gassner, S. Jilek, S. Ladstätter, Am Rande des Reiches. Die Römer in Österreich (2002) 96 Anm.
84. Siehe zuletzt: K. Strobl, Die Noreia-Frage. Neue Aspekte und Überlegungen zu einem alten
Problem der historischen Geographie Kärntens. Carinthia I, 193, 2003, 25-71.
3
K. Gosten nik, FÖ 40, 2001, 647.
4
Stadler – Franke – Ortisi, a. O. 56. R. Franke, FÖ 37, 1998, 774f.
5
R. Franke, FÖ 37, 1998, 775.
2
152
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.5.3 Der Iselsberg
Dass der Iselsberg (1117m) in der Antike eine Rolle als Passübergang gespielt hat,
erklärt sich alleine aus seiner geographischen Lage: Er liegt auf der wichtigen NordSüd Verbindung über den Großglockner – Gailbergsattel – Plöckenpass nach Italien,
Abb. 62 Geländeschnitt: Iselsberg
die bereits in vorrömischer Zeit begangen wurde und verbindet das Drautal
(Aguntum) mit dem oberen Mölltal (Winklern). Bei der Gründung von Aguntum wurde
diesem Umstand Rechnung getragen, denn die Stadt (737m) liegt unmittelbar am
südlichen Fußpunkt des Aufstieges zum Pass (Abb. 62/ 63). Auch von der Nordseite
Abb. 63 Der Iselsberg (Einsattelung in der rechten, oberen Bildhälfte) von
Lavant aus. Auf dem Talboden des Drautals (linke mittlere Bildhälfte) liegt
Aguntum
des Passes sind zahlreiche römische Funde bekannt1.
Funde und Befunde, die diese Bedeutung belegen würden, sind indes bisher äußerst
wenige bekannt geworden: Aus Göriach (Gde. Dölsach) stammen eine bronzene
Fibel, sowie Strukturen, die als Ziegelbrennofen angesprochen wurden, zudem sind
verschiedene Altstraßenreste unbekannter Zeitstellung erhalten2.
1
2
Siehe in Kapitel: Das Hochtor am Großglockner.
Karwiese, 1975, 46.
153
Die Römer auf den
154
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.5.4 Das Hochtor am Großglockner
•
Topographie
Die Route über das Hochtor stellt die kürzeste Verbindung zw. dem östlichen
Oberitalien und dem Salzburger Becken dar. Es bildet einen 2576 m hohen
Einschnitt zw. der Glocknergruppe im Westen und dem Hocharn im Osten. Der
Zugang von Süden her erfolgt aus dem Drautal über den Iselsberg ins Mölltal. Der
Aufstieg beginnt bei der heutigen Ortschaft Heiligenblut (1291 m) im hintersten
Mölltal. Der heutige Abstieg nach Norden erfolgt über das Ferleiten- und Fuschertal
ins Salzachtal (Abb. 71), wogegen Funde dafür sprechen, dass in der Antike das
Seidlwinkl- und das Raurisertal begangen wurden.
Abb. 64 Geländeschnitt: Hochtor am Großglockner
•
Forschungsgeschichte
Die archäologische Forschung am Hochtor nahm am 13. September 1933 ihren
Anfang, als beim Bau der Großglockner Hochalpenstraße auf Kärntner Seite eine
18.5 cm große Herkulesstatuette aus massiver
Bronze entdeckt wurde1 (Abb. 66/67). In
folgenden Sommer unternahm M. Silber eine
Grabung oberhalb der Fundstelle, die jedoch
nach zwei Tagen wegen schlechten Wetters
abgebrochen werden musste. Die Statuette
wurde
zusammen
mit
den
Ausgrabungsergebnissen
1939 publiziert2.
1972 tauchten Zweifel an der Originalität des
Fundortes auf, nachdem R. F. Ertl einen
Bericht veröffentlichte, wonach die Statuette
von Ingenieuren der Straßenbaufirma am
Hochtor deponiert worden sei, um ihrem
archäologiebegeisterten Vorgesetzten eine
Freude zu bereiten3. In Folge dessen ging R.
Fleischer diesen Behauptungen nach und kam
Abb. 65 Fundskizze
Herkulesstatuette (1933)
1
F. Jantsch, Carinthia 124, 1934, 12f.
M. Silber, ÖJh 31, 1939, Beibl.5-22.
3
R. F. Ertl, Nachrichtenblatt der Gesellschaft der Freunde Carnuntums 11, 1972, 15.
2
155
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
zum Schluss, dass eine Manipulation des Fundes eher unwahrscheinlich sei, aber
nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne1. E. Walde veröffentlichte 1975 eine
Zeichnung einer Herkulesstatuette aus Lienz, die im Jahre 1756 in einer Handschrift
aus der UB Innsbruck abgebildet ist und ihrer Meinung nach mit dem Stück vom
Hochtor gleichgesetzt werden muss2.
Abb. 66 Die Herkulesstatuette vom Hochtor
H. Kenner zog schließlich 1988 einen vorläufigen Schlussstrich unter die Diskussion,
indem sie die Aussagen der Verantwortlichen Ingenieure analysierte, Waldes These
widerlegte und für die Echtheit des Fundortes eintrat3. 1994/95 wurden erstmals seit
M. Silber wieder archäologische Untersuchungen am Hochtor durchgeführt, die zu
einigen Neufunden führten und die letzten Zweifel an der Echtheit der
Herkulesstatuette ausräumten. F. Moosleitner hat einige davon publiziert4. O. Harl
führte im Sommer 1995 in Zusammenarbeit mit dem Salzburger Museum Carolino
Augusteum Vermessungen, Prospektionen und Grabungen am Scheitelpunkt des
Hochtors durch5. 1997 wurde ein weiterer und vorläufig letzter Suchschnitt unterhalb
der Passscharte eingetieft6. F. Moosleitner hat zuletzt einen ausführlicheren Bericht
über diese Aktivitäten der 90er Jahre vorgelegt7.
•
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
Der Weg über das Hochtor bildet den höchsten Punkt einer Reihe von Pässen, die
die Ebenen Venetiens mit dem Salzburger Becken und dem Donauraum verbinden.
Die nur rund 200 km lange Strecke überquert von Süden her kommend den
Plöckenpass (1357 m), den Gailbergsattel (981 m), den Iselsberg (1117 m), das
Hochtor (2576 m) und den Kniepass (584 m) oder Pass Lueg (552 m). Entlang dieser
Strecke existieren Funde, die eine Frequentierung seit der mittleren Bronzezeit
denkbar machen8.
1
R. Fleischer, PAR 24, 1974 Heft 3-4, 13.
E. Walde, THBl. 50, 1975, 2ff.
3
H. Kenner, SBWien 125, 1988, 61ff.
4
F. Moosleitner, Ein keltisch-römisches Passheiligtum am Glocknerweg (Salzburg). In: Kult der
Vorzeit in den Alpen. Ausstellungskatalog Innsbruck (1997) 25ff.
5
Moosleitner 2002, 679.
6
Moosleitner 2002, 686.
7
F. Moosleitner, Ein keltisch-römisches Passheiligtum am Glocknerweg. In: L. Zemmer-Plank (Ed.),
Kult der Vorzeit in den Alpen 1. Teil, Schriftenreihe der ARGE-ALP (2002) 675-689.
8
H. Kenner, SBWien 125, 1988, 80f. Lippert II, 1993, 157.
2
156
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Im engeren Einzugsbereich des Hochtores handelt es sich dabei um ein
Griffplattenschwert (BZ B) vom Westfuß des Ritterkopfes (Rauris-Bucheben) ca. 7
Abb. 67 Hochtor: Chronologische Verteilung der Fundmünzen
km östlich des Hochtores1, um einen Dolch und ein Randleistenbeil (beide ca. BZ B),
vom Mittertörl bzw. vom Nordeingang des Hochtortunnels2 und um eine
urnenfelderzeitliche Bronzenadel aus Sagritz im Mölltal3.
Es folgen der bekannte Goldtorques von der Maschlalm, im Seidlwinkltal, aus der
jüngeren Eisenzeit (Latène B) 4, und
ein Depot von sechs keltischen
Silbermünzen (Latène D) aus dem
Ortsgebiet von Rauris 5. Auf der
Südseite des Passes sind aus
Heiligenblut Brandgräber mit Bronzeund Eisenfibeln, sowie Eisenmesser
der Periode Latène D bekannt6. Diese
Funde bilden chronologisch bereits
eine gemeinsame Gruppe mit den
ältesten römischen Funden von der
Passhöhe. Es handelt sich dabei um
neun
republikanische
Münzen,
geprägt zw. 211 und 135 v. Chr.
(Latène C).
Das Gros der Münzfunde von den
Abhängen unterhalb der Passhöhe
stammt aus dem 1. Jh. v. Chr. und
wird
von
norischem
und
Abb. 68 Das Hochtor von Westen
tauriskischem Kleinsilber gebildet
7
(147 Stück) . Es handelt sich dabei
um 132 Stück vom Gurina- und Kreuztyp, die in die zweite Jahrhunderthälfte
datieren. Nur ein kleiner Teil des keltischen Kleinsilbers ist nicht norischen oder
tauriskischen Ursprungs: Eine westliche Potin-Münze, zwei Stücke vom Manchinger
Typ und eine Münze vom Velemertyp8. Daneben fand sich u. a. eine spätkeltische
1
M. Hell, ArchA 21, 1957, 6ff. Lippert II, 1993, 148f.
R. Pittioni, ArchA 33, 1963, 108ff.
3
G. Piccotini, Archäologischer Atlas von Kärnten (1989) Nr. 348. Lippert II, 1993, 157.
4
F. Moosleitner, SMBl. 39, 1978, Nr. 2, 13ff. Lippert II, 1993, 158f.
5
Lippert II, 1993, 159f.
6
G. Piccotini, Archäologischer Atlas von Kärnten (1989) Nr. 135. FÖ 8, 1961/65, 77.
7
Es handelt sich dabei um die Summe der keltischen Kleinsilberfunde aus den Jahren 1995 und
1997. Moosleitner 2002, 679, 686.
8
Moosleitner 2002 679.
2
157
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Bronzespange und eine Scharnierfibel1. Laut H. Kenner könnte auch die
Herkulesstatuette in diese Periode datiert werden2.
Aus der Kaiserzeit stammen insgesamt 11 Fundmünzen, daneben eine Spiralfibel
und mehrere Hand- und Beinfragmente von weiteren Bronzestatuetten. Die
Münzreihe der frühen und mittleren Kaiserzeit setzt mit einem As des Augustus ein,
welches im Jahr des Alpenfeldzuges (15 v. Chr.) geprägt wurde. Von Kaiser Claudius
stammen vier Stück, von Kaiser Trajan drei. Das letzte Stück aus dieser Gruppe
bildet ein Denar des Septimius Severus. Aus dem oberen Mölltal kennen wir aus
dieser Zeit zwei kaiserzeitliche Grabinschriften, welche die römische Präsenz am
südlichen Zugangsweg zum Hochtor gut belegen3. Auf der gegenüberliegenden Seite
des Hochtors, aus Bruck, am Nordfuß der modernen Großglocknerstraße, sind fünf
Brandgräber des 1.-3. Jhs. n. Chr. bekannt, welche auf eine römische Siedlung am
Beginn des Aufstieges zum Hochtor während der Kaiserzeit hindeuten4. Auch
entlang des 2. Abstiegsweges, über das
Seidlwinkl- und Rauristal (Abb. 72), sind
römische Funde bekannt, so ein
Münzdepot, Keramikfragmente und
diverse
andere
Kleinfunde
aus
Taxenbach5.
Aus der Spätantike haben sich wieder
mehr Münzen erhalten: Im späten
dritten Jh. setzt die Serie mit 6 Stück
aus der Zeit zw. den Kaisern Gallienus
(260 n. Chr.) und Probus (280 n. Chr.)
wieder ein, der Schwerpunkt stammt
allerdings aus dem dritten Viertel des 4.
Jhs.6 Insgesamt haben sich bisher 45
Münzen dieser Epoche am Hochtor
gefunden (Abb. 68). Deren jüngste
Prägung ist ein Centenionalis des
Theodosius I., gemünzt zw. 383 und
388 n. Chr.7.
Abb. 69 Das Hochtor von Osten
Die
Feststellung
dieses
antiken
Überganges führte zu Untersuchungen,
die klären sollten, ob auf der Passhöhe ein Heiligtum oder eine Raststation existiert
hat. Die erste Grabung wurde 1934 von M. Silber durchgeführt. Er stellte keine
Baureste fest, man fand lediglich das Fragment einer offenen Tonlampe, die
zunächst nicht genauer datiert werden konnte8, sich aber mittlerweile als
wahrscheinlich mittelalterlich herausgestellt hat9. An gleicher Stelle wurden im
August 1995 noch einmal Grabungsschnitte angelegt, die allerdings erneut erfolglos
blieben10.
1
Moosleitner 1997, 25.
H. Kenner, SBWien 125, 1988, 80.
3
CIL III, 4725 aus Döllach. und FÖ 2, 1935/38, 10. s.v. Pockhorn.
4
Höglinger, 1997, 209.
5
Höglinger, 1997, 209.
6
Moosleitner 2002, 680.
7
Moosleitner 1997, 25f.
8
M. Silber, ÖJh 31, 1939, Beibl. 15.
9
Es handelt sich dabei offenbar um eine Tiegellampe, die im Bergbau verwendet wurde: Moosleitner
2002, 677.
10
Moosleitner 2002, 679.
2
158
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die vorläufig letzte Untersuchung im Jahr 1997 galt dem Saumweg unterhalb der
Scharte. Bis in eine Tiefe von 1.5m konnten in dem stark fließenden Abhang noch
Münzen gefunden werden. Außerdem sicherte man einen ca. 1 m langen
Holzpfosten, Fragmente zweier keltischer Eisenfibeln und eine ca. 10 cm langen
Bronzelanze, bei der es sich wahrscheinlich um das Attribut einer der
Götterstatuetten auf der Passhöhe gehandelt hat1.
Durch den Vergleich mit dem Fundkomplex vom Mallnitzer Tauern, wo der Großteil
der Münzen ebenfalls aus dem 1. Jh. v. Chr. stammt2, gelingt es, ein vollständigeres
Bild von der Situation auf dem Hochtor ab dem 1. Jh. v. Chr. zu gewinnen:
Abb. 70 Das Fuschertal - Das nordwestliche Zugangstal zum Hochtor.
Blick nach Süden. Im Vordergrund das Salzachtal
Die Statuetten waren wahrscheinlich in trocken gemauerten oder hölzernen
Schreinen auf der Passhöhe aufgestellt, was auch erklären würde, warum sich keine
Baureste erhalten haben3. Die Statuette des Herkules und die Beinfragmente mit
Fußzapfen vom Hochtor passen in diesem Zusammenhang mit dem Fund zweier
gelochter Steinplatten vom Mallnitzer Tauern zusammen. Herkules wurde hier, wie
auch z.B. in Meclaria – Maglern, am Nordausgang der Route über den
Pontebbapass, als Beschützer der Reisenden verehrt. Am Hochtor ist somit analog
zum Mallnitzer Tauern mit einer Reihe von kleineren Kultschreinen zu rechnen, die
1
Moosleitner 2002, 686.
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 257f.
3
Moosleitner 2002, 686.
2
159
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
entlang des Kammes auf der Passhöhe aufgestellt waren1. Die Münzfunde zeigen,
dass die meisten Opfer auf der kleinen Scharte, dem niedrigsten Einschnitt des
Überganges dargebracht wurden, aber noch bis zu einer Erhebung etwas weiter
östlich, die bereits 15 Höhenmeter über dem Scheitelpunkt des Weges liegt, könnten
die Schreine gereicht haben. F. Moosleitner stellt die Überlegung an, dass dort,
genau in Falllinie oberhalb der späteren Fundstelle, die Herkules-Statuette einst
aufgestellt gewesen sein könnte2.
Das Ende religiöser Kulthandlungen kann aus den Münzreihen, analog zum
Mallnitzer Tauern3, zum Brandopferplatz auf der Pillerhöhe4 oder – u.a. literarisch
überliefert – zum Großen St. Bernhard5, mit dem Verbot der heidnischen Religionen
durch Theodosius im Jahr 395 n. Chr. angesetzt werden.
Abb. 71 Das Rauristal. Der nordöstliche Zugang zum Hochtor. Blick
nach Süden. Im Vordergrund das Salzachtal. Im Hintergrund der
Zentralalpenhauptkamm.
Welche Schlüsse kann man nun aus dem erhaltenen archäologischen Fundmaterial
auf dem Pass und entlang der gesamten Verkehrsroute für die römische Zeit ziehen?
1
Moosleitner 2002, 680f. Bearbeitetes Steinmaterial konnte am Hochtor allerdings trotz intensiver
Suche nicht gefunden werden. Dies hängt einmal mit dem extremen Klima zusammen, andererseits
hat die Erosion die Kammlinie seit der Antike verändert, sie verläuft heute um einige Meter weiter
nördlich.
2
Moosleitner 2002, 682.
3
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 261f.
4
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 240.
5
L. Pauli, ANRW 18.1, 1986, 823. Augustinus, c.d. V, 26, 30.
160
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Das Einsetzen der römischen Funde im 2. Jh. v. Chr. kann analog zu anderen
Pässen, zu einer Vielzahl von Fundorten und zur literarischen Überlieferung mit dem
Aufkommen eines starken Italienhandels in Verbindung gebracht werden1. Die große
Menge keltischen Materials aus dem 1. Jh. v. Chr. ist dazu sicher ein Indiz für einen
entsprechenden Brauch der Niederlegung von Wertgegenständen zur Bitte oder zum
Dank für die glückliche Überquerung.
F. Moosleitner verbindet den darauf folgenden, starken Rückgang der Funde in der
frühen und mittleren Kaiserzeit vor allem mit dem Bau der via publica über den
Radstädter Tauern und der Verlagerung der Verkehrsachse nach Osten2.
In diesem Zusammenhang spielen erneut die Fundkomplexe vom Mallnitzer Tauern,
vom Brandopferplatz auf der Pillerhöhe und vom Großen St. Bernhard eine Rolle:
Überall an diesen Plätzen zeigt sich ein Rückgang der Fundmenge im 1., 2. und in
der 1. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. Zumindest am Großen St. Bernhard kann dieser
Rückgang sicher nicht mit einer Verlagerung der Verkehrswege in Zusammenhang
gebracht werden, ganz im Gegenteil dürfte das Verkehrsaufkommen besonders im 2.
Jh. einen Höhepunkt erreicht haben. Also hängen diese Schwankungen in der
Münzreihe möglicherweise mit Veränderungen im Votivbrauchtum zusammen.
Fest steht, dass es sich bei diesem Weg immer nur um einen Saumweg gehandelt
hat, und somit die erste Fahrtraße hier erst im 20. Jh. errichtet wurde3.
1
Moosleitner 2002, 683.
Moosleitner 2002, 683f.
3
Moosleitner 1997, 25.
2
161
Die Römer auf den
162
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.5.5 Der Pass Lueg
•
Topographie
Der Pass Lueg (552 m) befindet sich an jener Stelle, wo die Salzach die nördlichen
Kalkalpen durchbricht und bei Golling in das Salzburger Becken einfließt (Abb. 73).
Er trennt zusammen mit der Salzach das Tennengebirge im Osten vom
Hagengebirge im Osten und ermöglicht den Durchzugsverkehr von den südlich
gelegenen Pässen am Hochtor, Korntauern und am Radstädter Tauern, nach
Juvavum und an die Donau. Es handelt sich dabei um eine relativ schwierige Stelle,
da die enge Schlucht der Salzach den Verkehr auf das rechte Ufer beschränkt und
dort sehr steile Auffahrtsrampen zu überwinden waren, die heute weitgehend
entschärft sind1. Eine weitere Schwierigkeit stellt das teilweise stark erodierende
Gestein dar, welches immer wieder Sicherungsarbeiten an den Felswänden notwenig
macht.
Abb. 72 Geländeschnitt: Paß Lueg
•
Forschungsgeschichte
Die Forschungsgeschichte zum Pass Lueg ist kurz und vor allem mit dem Namen
Martin Hell zu verbinden, der die Passstrecke über Jahrzehnte hinweg immer wieder
beobachtet hat. Am Rande großangelegter Sicherungsarbeiten entlang der
Bundesstraße 51 in den 60er Jahren des 20. Jhs. gelangen ihm einige
Entdeckungen zum antiken Straßenverlauf, die zusammen mit einzelnen
prähistorischen Funden die Summe der bisher bekannten archäologischen
Hinterlassenschaften auf dem Pass darstellen.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die römische Straße über den Pass Lueg ist in der Tabula Peutingeriana
verzeichnet2. Von der mansio Ani (Altemarkt), am nördlichen Fußpunkt der Straße
über den Radstädter Tauern, gelangte ein Reisender in der Antike nach 17 Meilen
zur mansio Vocario (Pfarrwerfen), dem südlichen Ausgangspunkt der Passage über
den Pass Lueg. Auf der Passhöhe war laut der Tab. Peut. keine Raststation in der
1
2
M. Hell, ArchA 51, 1972, 97.
Tab. Peut. IV, 4.
163
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Größe einer mansio vorhanden, diese folgte erst nach insgesamt 17 Meilen in
Cuculle (Kuchl). Von dort aus war Juvavum nur noch eine Tagesreise weit entfernt.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Die Benutzung dieses Überganges ist bereits für das Neolithikum, die Frühbronzezeit
und die Latènezeit durch Funde belegt1.
Besonders erwähnenswert ist dabei der
sog. „Bronzehelm vom Pass Lueg“ aus der
Urnenfelderzeit
und
ein
kammstrichverzierter
Topf
aus
der
Spätlatènezeit, die beide hoch über der
heutigen Straße gefunden wurden (Abb.
77). M. Hell schloß daraus, dass sich dort
ein prähistorischer Weg auf die Passhöhe
hinauf befunden haben muss, der den
schwierigen Bedingungen in der Schlucht
ausgewichen ist2. Von der Passhöhe
stammen
die
Reste
eines
Kupfergusskuchens, wie er in ganz
ähnlicher Form unmittelbar südlich des
Korntauern gefunden wurde und etwa zw.
der mittleren Bronze- und der frühen
Eisenzeit datiert3. Die 7 km nördlich des
Passes gelegene Höhensiedlung auf dem
Georgenberg bei Kuchl, aus der Periode
Latène C2 (2. Jh. v. Chr.) wird mit der
Abb. 73 Der Paß Lueg.
Kontrolle des Pass Lueg und des Handels
4
Satellitenaufnahme.
darüber in Verbindung gebracht (Abb.
78c).
Dass eine römische Straße über den Pass Lueg geführt hatte, belegten bereits vor
der Entdeckung der ersten Altstraßenreste zwei Meilensteine aus der näheren
Abb. 74 Geleisestraßenreste auf der Südseite
1
M. Hell, ArchA 51, 1972, 104f.
M. Hell, ArchA 51, 1972, 101f.
3
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 252.
4
Th. Fischer, Noricum (2000) 10.
2
164
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Umgebung: Südlich des Passes fand man in Tenneck, einen Meilenstein des
Septimius Severus, der vielleicht von der 26. Meile von Juvavum stammt1.
Nördlich des Überganges folgt ein fragmentierter
Stein aus Golling, der wahrscheinlich in
severische Zeit datiert2. Aus Golling stammen
zudem
die fragmentierten
Reste einer
Geleisstraße, die in der Nähe der Pfarrkirche
aufgedeckt wurden3. Die ersten Altstraßenreste
wurden im Jahr 1962 auf der Südseite des
Passes
entdeckt,
es
folgten
weitere
Trassenfunde in den Jahren 1964 und 1967
(Abb. 74).
Am Beginn des Aufstieges zur Passhöhe
wurden bei Straßenbauarbeiten an drei Stellen
Geleisespuren mit einer Spurbreite von 1.05 m
entdeckt4. Wenige hundert Meter weiter konnte
die Fahrbahn erneut in ihrer vollen Breite
angeschnitten werden. Sie liegt unmittelbar an
der Salzach, rund 5 m über deren Niveau (Abb.
Abb. 75 Die Straßentrasse der
75). Die Fahrbahnbreite beträgt 1.65 m, die
Südseite. Skizze von M. Hell
Spurbreite 1.05 m, an beiden Seiten der
Fahrbahn ist der Fels abgearbeitet
worden: 0.9 m auf der Bergseite und
0.3 m auf der Talseite. Die heute
gefährlich anmutende Nähe zur
Salzach
könnte
auf
spätere
Verlagerungen
des
Flussbettes
zurückzuführen sein5. Etwas weiter
nördlich, nur wenige Meter über dem
rechten Salzachufer fanden sich
weitere Spuren. Es handelte sich
dabei um einen ca. 15 m langen
Straßenabschnitt, der mit einer Breite
von 1.6 m in den Fels eingeschnitten
war 6.
Der letzte bisher bekannte Abschnitt
der römischen Straße über den Pass
Lueg stammt bereits von der
Passhöhe, etwas oberhalb der Kirche
Maria Brunneck. Die Spurbreite
beträgt auch hier konstante 1.05 m7
(Abb. 76).
Diese Altstraßenreste dokumentieren
Abb. 76 Geleisereste von der Passhöhe
erneut den Aufwand, der von den
1
Winkler 1985, 80 Nr. 113. M. Hell, PAR 6, 1956, 37.
Winkler 1985, 80 Nr. 115. CIL III 11840.
3
M. Hell PAR 12, 1963, 25.
4
M. Hell PAR 14, 1964, 27: Die Fundstellen liegen bei km 34,401; 34,417 und 34,424.
5
M. Hell, ArchA 51, 1972, 99. Die Fundstelle liegt bei km 34,442 auf einer Höhe von 487.5 m.
6
M. Hell, PAR 14, 1964, 27.
7
M. Hell, PAR 14, 1964, 35.
2
165
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Römern getrieben wurde, um gefährliche Wegverhältnisse auf einer Passstraße zu
entschärfen und Höhenmeter einzusparen. M. Hell stellt sie dem vermuteten
prähistorischen Weg über den Pass Lueg entgegen, welcher auf einer höheren, aber
dafür weniger gefährlichen Linie verläuft1. Römisches Fundmaterial entlang der
Passtrasse fehlt bisher anscheinend vollständig, trotzdem ist die Datierung der
Straßenreste in römische Zeit sehr wahrscheinlich.
Abb. 77 Latènezeitliche und römerzeitliche Funde und Befunde von der Südseite der Paßhöhe
1
M. Hell, ArchA 51, 1972, 103.
166
Die Römer auf den
a
c
Pässen der Ostalpen
b
d
Abb. 78 Links oben (a): Der Paß Lueg von Süden. Im Mittelgrund Tenneck. Rechts oben(b): Die
Nordseite des Paß’ Lueg: Im Mittelgrund Kuchl, rechts der Georgenberg. Unten links(c): Der aus
interglazialen Konglomeraten bestehende Georgenberg. Unten rechts(d): Blick auf die
Salzachschlucht (Hinter dem bewaldeten Hügel) nach Süden.
167
Die Römer auf den
168
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.6 Kleinere Übergänge über die Karnischen- und Gailtaler Alpen
•
Topographie
In diesem Kapitel werden im Großen und Ganzen jene Übergänge
zusammengefasst, welche zwischen den beiden wichtigen Passlinien Plöckenpass –
Gailbergsattel im Westen und Pontebbapass im Osten liegen und entweder die
Karnischen- oder die Gailtaler Alpen überwinden.
Die Aufzählung beginnt mit den kleineren Übergängen über die Karnischen Alpen: 7
km östlich des Plöckenpasses liegt das Kornhofertörl (1785 m, Passo Pramosio),
welches Timau im Süden mit Dellach im Gailtal verbindet. Nur drei Kilometer weiter
östlich folgen bereits das Zollnertörl (1797 m) und das Findenigthörl (1863 m, auch
Lodintörl genannt). Den Abschluss bildet der Nassfeldpass (1530 m, Passo
Pramollo), der die Ortschaft Pontebba im Kanaltal mit dem Oberen Gailtal verbindet.
In den Gailtaler Alpen liegen zwei kleinere Übergänge, die in diesem Zusammenhang
interessant sind: Der Jaukensattel (1620 m), über den man von Dellach (Gurina) im
Gailtal nach Tratten im Drautal gelangen kann und der Kreuzberg (1074 m), der das
Gailtal über das Gitschtal mit Greifenburg im Drautal verbindet.
•
Forschungsgeschichte
Die Forschungsgeschichte dieser Pässe ist sehr ungleichgewichtig. Zielgerichtete
Untersuchungen fehlen bisher, ein Großteil der Erkenntnisse fiel als „Nebenprodukt“
der archäologischen Erforschung der Siedlung auf der Gurina an. Besonders zu
erwähnen ist dabei A. B. Meyer, der bereits 1886 zu diesen Fragen Stellung
genommen hat1. Seitdem warfen vereinzelte Zufallsfunde verschiedenster Art immer
wieder Schlaglichter auf die Verkehrsgeschichte dieser Pässe und neue Arbeiten zur
Gurina fassten Einzelheiten zusammen2. Die Gesamtheit der Funde und Befunde
wurde aber nie systematisch zusammengestellt. Den besten und jüngsten Überblick
über die archäologische Evidenz lieferten zuletzt R. Wedenig in seiner Diplomarbeit
und G. Piccotini zusammen mit R. Wedenig in ihrem Artikel über die Pässe zwischen
Noricum und der Regio X 3. A. Angerer nimmt in seiner Arbeit aus dem Jahr 2002
auch auf diese Übergänge Bezug, stützt sich aber ausschließlich auf die ältere
Forschung4.
•
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
Nicht nur der Plöckenpass und der Gailbergsattel wurden in der Antike als Übergang
genutzt, allgemein lässt sich bereits für die Eisenzeit sagen, dass sicher auch
sämtliche begehbare Hochtäler und Pässe in der Umgebung begangen wurden:
1
A. B. Meyer, Die alten Straßen des Obergailthals (Dresden 1886)
P. Jablonka, Die Siedlung auf der Gurina im oberen Gailtal ( Diss. Wien 1992) 26f.
3
R. Wedenig, Gebirgspässe im südlichen Noricum, eine historisch – topographische
Bestandsaufnahme. (Diplomarbeit Graz 1986). G. Piccotini, R. Wedenig, Antike Passübergänge
zwischen Noricum und der X. italischen Region. AntAlt 28, 1986, 132-135.
4
A. Angerer, Vom Plöckenpass zur Bernsteinstraße. Römische Verkehrsverbindungen im Alpen-Adria
Raum (Diplomarbeit Klagenfurt 2002).
2
169
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Das Kornhofertörl:
A.B. Meyer beschrieb eine direkte Route zwischen der Gurina und dem Tal des But
über das Kornhofertörl (1785 m, Passo Pramosio), allerdings handelte es sich dabei
nur um einen Saumweg1. Dieser geht vom Dorf Laipacco aus, das einige Kilometer
südlich von Timau liegt. Über einen bewaldeten Höhenrücken steigt er zum
Kornhofertörl auf und zieht am westlichen Kornhofgraben entlang hinunter nach
Weidenburg und Dellach - Gurina2.
•
Das Zollnertörl:
Ebenfalls östlich des Plöckenpasses führt das Zollnertörl nach Süden. Als M.
Hoernes zwischen 1885 und 1887 auf der Gurina eine archäologische Grabung
durchführte, überquerte er das Zollnertörl, um nach Iulium Carnicum zu gelangen,
dabei entdeckte er Reste eines antiken Weges3. Darüber hinaus gibt es keine
Hinweise auf eine antike Begehung, es ist aber „alter“ Bergbau im Bereich der
Zollneralm überliefert4.
•
Das Findenigtörl
Einige Kilometer weiter östlich, am Findenigtörl (1863 m, Cima Val die Puartis), fand
man dagegen unmittelbar am Passweg im Jahre 1968 eine venetische Inschrift,
ähnlich den Inschriften aus Würmlach5. Diese ist nur fragmentiert erhalten, sie nennt
mehrere Personennamen, vielleicht von Pilgern, die mit einem Heiligtum auf der
Gurina in Verbindung stehen könnten. Man kann aus dem Gailtal entweder von
Goderschach über den Fuchsgraben oder vom westlich gelegenen Nölbling über die
Nölblingeralm zum heute unbedeutenden Findenigtörl aufsteigen. Interessant ist,
dass es am Fuß von beiden Wegen Wallanlagen unbestimmter Zeitstellung gibt, die
von J. Viertler eventuell mit Passsicherungsaufgaben in Verbindung gebracht
werden6. Es handelt sich um eine Anlage am Tischboden bei Nölbling und um eine
weitere am Streitberg bei Goderschach. Viertler vermutet einen Saumpfad von hier
zum Törl und dann durch den Incarjograben hinunter nach Paularo. G. Piccotini und
R. Wedenig haben diesen Übergang trotz fehlender römischer Funde in ihre
Aufzählung der Pässe zwischen Noricum und der X. Regio Italiens aufgenommen, da
auch hier, ähnlich wie bei den gerade vorgestellten Pässen verkehrsgeographische
Verbindungen zur Gurina bestehen. Daneben stellt der Saumpfad über das
Findenigtörl die kürzeste und fast genau Nord-Süd verlaufende Linie zw. Friaul und
dem Gailtal dar. Auf Grund von saisonal unterschiedlich leicht benutzbaren
Bergwegen war es sehr vorteilhaft, zwischen mehreren Varianten wählen zu können.
Da man sich diese Routen ausnahmslos als Saumwege vorstellen kann, kostete
diese „Mehrgeleisigkeit des Passverkehrs“ auch keine zusätzlichen Aufwand7.
1
A. B. Meyer, Gurina im Obergailthal (Kärnthen), (1895) 110.
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 132.
3
Jablonka, 1992, 26 Anm. 23.
4
Wedenig, 1986, 22.
5
Fundnachricht: Carinthia 159, 1969, 564 Nr. 16.
6
J. Viertler, Carinthia 160, 1970, 306ff.
7
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 132.
2
170
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Der Nassfeldpass
Damit verlassen wir den unmittelbaren Einzugsbereich des Plöckenpasses und der
Gurina und wenden uns dem Nassfeldpass (1525 m) zu, der ca. 15 km südöstlich der
eben besprochenen Übergänge liegt. Wir befinden uns im Einzugsbereich des
Kanaltales. Das Nassfeld ist der zweitniedrigste Pass in den Karnischen Alpen. das
Hochplateau wird durch eine ebene, moorige Hochfläche gebildet, der Zugang von
Süden her ist schwierig und Schnee liegt bis spät in den Sommer hinein. Diese
schwierigen Geländeverhältnisse könnten erklären, warum es bis auf prähistorische
Keramik, vor dem Mittelalter keine Spuren gibt1. Bei Danz im Gailtal, in der Nähe des
nördlichen Fußpunktes der Straße über den Nassfeldpass, befindet sich eine
rechteckige Wallanlage, „Haidenturm“ genannt, auf dem Zagrad, die bisher nicht
datiert werden kann, aber von ihrer geographischen Lage her gut als Sperre für den
Pass gedient haben könnte2. Die gleiche Funktion könnte eine weitere Wallanlage
bei Danz gehabt haben, sie ist jedoch ebenfalls noch undatiert3. Eine Sperrmauer,
welche das Gailtal westlich von Rattendorf durchquerte und als römisch bzw.
spätantik angesprochen wird, steht wahrscheinlich in keinem Bezug zur Passroute
über das Nassfeld4. Obwohl eindeutige Funde bisher fehlen, kann man annehmen,
dass diese Abzweigung der wichtigen Kanaltalstraße auch in römischer Zeit
begangen wurde und unser Unwissen nur auf dem schlechten Forschungsstand
beruht.
•
Der Jaukensattel:
Keine zwei Kilometer östlich der Gurina (850 m) steigen heute mehrere Wege
Richtung Norden zum Jaukensattel (1607 m) auf. Der eine führt in direkter Linie von
der Gurina zum Pass und läuft am Siegelberghof (1187 m) vorbei, von wo
Hallstattzeitliche Grabfunde bekannt sind. Eine zweite Möglichkeit, die die Siedlung
auf der Gurina nicht respektiert, bietet der etwas weiter östlich gelegene
Finstergraben5.
P. Jablonka beschrieb im Jahr 1992 an der Südseite des Jaukensattels eine
Saumstraße, die vom Gailtal hinaufführt und auf der ÖK als „Römerweg“ verzeichnet
ist6. Ob einer dieser beiden Wege damit gemeint ist, ist unklar. Auf der Drautaler
Seite ist ein weniger starkes Gefälle zu überwinden, dafür behindert die sehr enge
Ochsenschlucht den Abstieg. Der Weg über den Jaukensattel hat bisher kein
römisches Fundmaterial hervorgebracht, er ist weniger als Transitstrecke zu
betrachten, sondern eher im Zusammenhang mit dem Abbau von Bodenschätzen
und seiner unmittelbaren Nähe zur Gurina von lokaler Bedeutung7.
1
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 133.
G. Piccotini, Urgeschichtliche, römerzeitliche und frühmittelalterliche Funde im Bezirk Hermagor. In:
G. Moro (Red.), Hermgor. Geschichte, Natur, Gegenwart (1969) 47f.
3
Zuletzt: M. Fuchs, FÖ 36, 1997, 953.
4
Wedenig 1989, 43.
5
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 132.
6
Jablonka, 1992, 26 Anm. 25. Die “Römerstraße” auf der Südseite des Jaukensattels konnte ich auf
der ÖK 1:50.000 (2001) nicht wieder finden.
7
Wedenig, 1986 22.
2
171
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Der Kreuzberg
Wesentlich bessere Anhaltspunkte bietet der Kreuzberg, der nur 11 km östlich des
Jauken gelegen ist. Geht man von einer römischen Straße durch das Gailtal und von
einem Saumweg über das Nassfeld aus, so würde ein Passweg über den Kreuzberg
bei Hermagor in Richtung Nordwesten abzweigen und das ca. 10 km lange Gitschtal
bis zum Passfußort Weißbriach durchlaufen. Aus Obervellach (Hermagor) stammt
ein Sesterz des Marc Aurel, den man als ersten Hinweis auf die römische Benutzung
des Kreuzbergsattels ansehen kann1. Die Annahme, dass der antike Weg ungefähr
der Gitschtalstraße des 19. Jh. entspricht, wird durch den Fund einer Grabinschrift
auf der Wulzentratten, unweit dieser Straße erhärtet2. Eine spätantike Höhensiedlung
südöstlich von St. Lorenzen im Gitschtal, die auf Grund von Grabungen ins 5./6. Jh.
datiert wird, könnte mit der Passstraße in Verbindung stehen, es gibt allerdings keine
konkreten Anhaltspunkte dafür3.
Es sind bislang keine eindeutigen Altstraßenreste auf der Anstiegsrampe bekannt
geworden, dafür existieren Funde von der Passhöhe: Direkt auf dem Sattel fand man
1948 ein As des Vespasian4, etwas weiter nordwestlich wurden Gebäudereste des
sog. „Haidentempel“ aufgedeckt und weitere 7 Münzen geborgen, die allerdings
ebenso verloren sind, wie ein „Römerstein“ von der nahe gelegenen Franz-JosefsHöhe. Zwei dieser Münzen sollen Prägungen des Nero gewesen sein. R. Wedenig,
der den Pass in den 80er Jahren des 20. Jhs. beging, konnte den „Römerstein“ nicht
mehr auffinden und auch die Lage des „Haidentempels“ nur noch vermuten. In den
vergangenen Jahrzehnten wurde nämlich die Straße und Raststätte im Bereich der
Franz-Josephs-Höhe stark umgebaut5. Von dort abwärts fehlen weitere Spuren,
theoretisch würde die Passstraße in Greifenburg in die Drautalstraße einmünden6.
Über fast alle dieser eben genannten Übergänge lassen sich sogar mehrere Trassen
von Altstraßen oder Wegen feststellen, die von den Bewohnern der Gegend oft
„Römerweg“ genannt werden. Allerdings ist dies nur für die Strecke über den
Plöckenpass auch durch Quellen und Inschriften sicher nachgewiesen7.
Römerzeitliche Begehung lässt sich sicher an Hand der Passfunde nur für den
Kreuzberg feststellen. Auf jenen Übergängen, wo Altstraßenreste ausgemacht
wurden oder prähistorisches Fundmaterial bzw. mittelalterliche Überlieferung
vorhanden ist, würden gezielte Prospektionen, wie sie am Sölkpass erfolgreich
vorexerziert wurden, möglicherweise zu weiteren Ergebnissen führen. Solche
Untersuchungen machen allerdings nur solange Sinn, wie es auf den Passhöhen
nicht zu größeren baulichen Veränderungen kommt.
1
G. Piccotini, Urgeschichtliche, römerzeitliche und frühmittelalterliche Funde im Bezirk Hermagor. In:
G. Moro (Red.), Hermgor. Geschichte, Natur, Gegenwart (1969) 46.
2
Der Ort liegt ca. 3 km südöstlich von Weißbriach. Die Grabinschrift CIL III, 4734 ist heute verloren.
3
F. Felgenhauer, PAR 34, 1984, 3f. G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 134f.
4
H. Dolenz, Carinthia 142, 1952, 173f.
5
Wedenig 1986, 41.
6
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 134f.
7
Jablonka, 1992, 26.
172
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
173
Die Römer auf den
174
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.7 Mallnitzer Tauern / Korntauern
•
Topographie
Der Korntauern (2460 m) und der Mallnitzer Tauern (2450 m) bilden Übergänge über
den Alpenhauptkamm im Bereich des Gebirgszuges der Hohen Tauern. Über diese
beiden Pässe sind das Mölltal im Süden und das Gasteinertal im Norden verbunden.
In das Mölltal gelangt man durch das Drautal, Teurnia liegt fast genau 30 km vom
südlichen Ausgangspunkt der beiden Passstraßen entfernt. Aus dem Gasteinertal
gelangt man in das Salzachtal, weiter nach Juvavum und an die Donau.
Heute verläuft die Grenze zwischen den Bundesländern Kärnten und Salzburg über
beide Pässe, in römischer Zeit waren sie binnennorische Übergänge, die vielleicht
ähnlich den Radstätter Tauern, die Grenze zwischen den Stadtterritorien von
Juvavum und Teurnia bildeten.
Abb. 79 Geländeschnitt: Korntauern und Mallnitzer Tauern
•
Forschungsgeschichte
Die Altstraße über den Korntauern wurde schon zu Beginn 19. Jh. erstmals
beobachtet und als römisch angesprochen1. Im Laufe des 20. Jhs. zogen mehrere
Arbeiten den antiken Ursprung der Straße über den Korntauern in Zweifel und
1
Erste Erwähnung des Korntauern als Römerstraße durch J. E. Koch-Sternfeld, Das Gasteiner Tal mit
seinen warmen Heilquellen im salzburgischen Gebirge (1810) 53. Weiters wichtig: M. F. v. JaborneggAltenfels, Carinthia I 29, 1839, 169f., der selber vor Ort war (Lippert I, 1993, 46 Anm. 7).
175
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
postulierten eine Entstehung in der frühen Neuzeit, gleichzeitig wurden die
Straßenreste von anderen Autoren weiter als römisch angesprochen1. Der
frühneuzeitliche Ansatz wurde durch den Bergbauhistoriker F. Gruber im Jahr 1993
endgültig widerlegt2.
Im Gegensatz zur bereits fast zwei Jahrhunderte zurückreichenden
Forschungsgeschichte des Korntauern, ist die antike Verbindung über den Mallnitzer
Tauern erst in den 80er Jahren des 20. Jh. durch F. Gruber wieder entdeckt und der
der Forschung bekannt gemacht worden3. Von da an ging die Erkundung beider
Passstraßen stets Hand in Hand:
Von 1989 bis 1992 wurde die Passregion und deren archäologische
Hinterlassenschaften im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsprojektes
untersucht und dessen Ergebnisse durch A. Lippert 1993 veröffentlicht4. Es
beinhaltete neben Trassenaufnahmen auch Straßenschnitte, Pollenanalysen,
Bergbaubegehungen und Prospektion mit einem Metalldetektor. 1998 wurden die
Feldforschungen fortgesetzt, es wurden weitere Grabungsschnitte angelegt und der
Münzopferplatz auf der Passhöhe des Mallnitzer Tauern erforscht5.
Abb. 80 Die Gesatorix-Münze vom Mallnitzer Tauern
Diese Aktivitäten machten die römischen Straßen über den Mallnitzer- und
Korntauern zu den einzigen in den Ostalpen, die sich vom Forschungsstand her
gesehen mit den großen Passstraßen der Westalpen vergleichen lassen.
1
Für eine Entstehung im 16. Jh.: P. Reinecke, Germania 17, 1933, 287f. H. Hassinger, Die
Übergänge über die Hohen Tauern vom Frühmittelalter bis ins 19. Jh. In: Die Tauern-Autobahn (1976)
228. Als römisch angesprochen u. a.: Cartellieri, Alpenstraßen 31. N. Heger, Salzburg in römischer
Zeit (1974) 63.
2
F. Gruber, 1993, 283-289. Vgl. Lippert 1999, 206.
3
Tatsächlich gibt es eine vereinzelte Erwähnung des Mallnitzer Tauern als „alter Heidenweg“ aus dem
Jahr 1799 durch F. M. Vierthaler, Reisen durch Salzburg (1799, Nachdruck 1986) 294. Vgl. F. Gruber,
1993, 294 Anm. 100.
4
A. Lippert (ed.), Hochalpine Altstraßen im Raum Badgastein – Mallnitz. (= Böcksteiner Montana 10,
1993).
5
A. Lippert, Neue Forschungen zu den antiken Passstrassen über den Mallnitzer Tauern und den
Korntauern. In: Wissenschaftliche Mitteilungen Nationalpark Hohe Tauern 5 (1999) 205-227. G.
Dembski, A. Lippert, Keltische und römische Münzopfer am Mallnitzer Tauern. In:
Ausstellungskatalog: Gold in den Alpen (Klagenfurt 1999) 37-42.
176
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die Passstraßen und deren archäologische Hinterlassenschaften
•
•
Hinweise auf prähistorische und antike Passbegehungen
Ähnlich wie am benachbarten Hochtor, lassen sich bereits Spuren von
prähistorischen Überquerungen der beiden Tauernpässe nachweisen. Der Fund von
zwei spätneolithischen Lochäxten vom Korntauern datiert diesen Übergang bis ins 4.
Jts. v. Chr. zurück1. Aus der frühen Bronzezeit sind bislang keine Funde aus dem
direkten Einzugsbereich der Pässe bekannt. Im Zuge der gezielten Untersuchungen
im Bereich der Passhöhen fand man jedoch unmittelbar südlich der
Korntauernscharte mehrere Fragmente eines Gusskuchenrandes, der auf Bergbau
zw. der mittleren Bronze- und der frühen Eisenzeit hindeuten könnte. Ein ähnliches
Stück stammt von der höchsten Stelle des Pass Lueg2. Funde und Pollenanalysen
deuten darauf hin, dass das Gasteiner- und Raurisertal ab der mittleren Bronzezeit
von Siedlern erschlossen wurde. Aus der Latènezeit kennen wir, neben den neuen
Funden vom Mallnitzer Tauern, einen republikanischen Denar mit Prägedatum um
104 v. Chr., der 1964 in der Nähe des Wetzelgutes bei Badgastein gefunden wurde.
Der gute Erhaltungszustand der Bildfläche lässt eine kurze Umlaufzeit vermuten3.
Aus derselben Periode (Latène D) stammt auch die Gesatorix-Münze vom Mallnitzer
Tauern4 (Abb. 80/81).
Abb. 81 Der Nordsattel am Mallnitzer Tauern von Südwesten
Mit Beginn der römischen Epoche häufen sich die Funde an den Passstraßen:
1
Lippert II, 1993, 137ff.
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 252. Siehe auch S. 164
3
Lippert II, 1993, 160f.
4
Lippert II, 1993, 159.
2
177
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Eine schwer leserliche Inschrift aus Obervellach, am Eingang in das Mallnitztal1, ein
Dupondius des Commodus (180-192 n. Chr.), gefunden im Jahre 1886 am
Stappitzsee, am Fuß des Anstieges zum Korntauern2, weiters eine Bronzemünze des
Antoninus Pius (Prägedatum 148 n. Chr.), die 1888 „am Korntauern“ gefunden wurde
und heute verschollen ist3. Vom Mallnitzer Tauern stammt eine Maiorina der Söhne
des Constantin I., die zw. 346 und 354 n. Chr. geprägt und im Jahre 1986 aufgelesen
wurde4. Von der Nordseite des Korntauern gibt es ebenfalls römische Münzfunde, die
auf eine Frequentierung des Passes hinweisen können: Zwei Bronzemünzen des
Trajan und des Marcus Aurelius aus Badgastein und Bad Hofgastein, sowie ein
Exemplar des Severus Alexander und ein Antoninian des Maximianus Herculius aus
Badgastein5. Dazu kommt noch eine Fibel vom Typ Gurina aus Bad Hofgastein, die
ins 3. Jh. n. Chr. datiert. Am Ausgang des Gasteinertales, in der sog. Klamm fand
sich außerdem ein Sesterz des Antoninus Pius, der 148 / 149 n. Chr. geprägt wurde
(Abb. 91). Dieser Fund könnte möglicherweise den Verlauf der Straße durch die
Schlucht der Gasteiner-Ache anzeigen. Wenige Kilometer östlich befindet sich
schließlich die latène- und kaiserzeitliche Siedlung von Goldegg, die das Salzachtal
an der Engstelle der Taxenbacher Enge kontrolliert6.
•
Trassenbeschreibung
Die heutige Ortschaft Mallnitz bildete den südlichen Ausgangspunkt für beide
Passstraßen:
Abb. 82 Spitzwinklige Kehren Korntauern Nord
1
G. Piccotini, Archäologischer Atlas von Kärnten (1989) Nr. 279.
G. Piccotini, Archäologischer Atlas von Kärnten (1989) Nr. 233a.
3
Lippert II, 1993, 163f. Carinthia 78, 1888, 196.
4
E. M. Feldinger, FÖ 24/25, 1985/86, 282. Lippert II, 1993, 167.
5
Lippert II, 1993, 161, 166f.
6
M. Hell, FÖ 8, 1961, 80. Ders. ArchA 51, 1972, 184f.
2
178
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Den ersten Abschnitt der Korntauernstrasse bildet möglicherweise ein gerade
verlaufender Altweg von Mallnitz bis zur heutigen Talstation der Ankogel-Seilbahn.
Dort beginnt der Aufstieg in Richtung Passhöhe (Abb. 83). Die Trasse gewinnt in
langen, gleichmäßigen Geraden an Höhe und lässt sich bis zum Tauernsee und der
Korntauernscharte über weite Strecken im Gelände verfolgen. Dabei überwindet sie
1250 Höhenmeter in 42 Kehren auf einer Strecke von 12 km.
Unmittelbar nördlich des Passes ist ein Teil des römischen Straßendammes
Abb. 83 Korntauern Südseite. Geländemodell mit bekannten Straßenabschnitten
besonders gut erhalten geblieben, außerdem haben sich im Bereich des großen
Sumpfbodens längere Trassenteile erhalten. Die Spur der römischen Straße lässt
sich im Norden bis knapp unter die Waldgrenze verfolgen und könnte von dort über
die Radeckalm und das Anlauftal nach Gastein weitergeführt haben.
Die Straße über
den
Mallnitzer
Tauern lässt sich
nordwestlich von
Mallnitz erstmals
auf der Laschalm
als breite, in den
Hang
eingeschnittene
Transversale
feststellen und bis
zum Tauernkreuz
Abb. 84 Spitzwinklige Kehre im Bockhartbereich
179
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
verfolgen. Von dort an, auf den letzten 220 Höhenmetern bis zum Übergang, haben
sich keine Spuren der Straße mehr erhalten. Erst nördlich davon, auf dem oberen
Eselkar, zeichnen sich die langen Transversalen und wenigen Kehren wieder
deutlich am steilen Hang ab. Über die östliche Flanke der Tauernleitern und die
Eggeralm erreicht die Straße schließlich das Nassfeld (Abb. 90), auf dem sich keine
Straßenreste mehr erhalten haben. Erst an dessen Nordseite kann der weitere
Verlauf wieder verfolgt werden: Reste einer Hangstraße führen zum oberen
Bockhartsee und in das Bergbaugebiet am Silberpfennig (Abb. 84), wo sie sich im
stark fließenden Gelände verlieren. Untersuchungen an den westlichen Hängen der
Nassfelder Ache konnten bisher keine Verbindung nach Gastein feststellen, was zur
Annahme führte, dass es sich bei der Straße über den Mallnitzer Tauern um eine
Stichstraße von Süden in das Erzrevier am Bockhart gehandelt hat1.
•
Charakteristik der Straßen über den Mallnitzer und Korntauern
Durch die archäologischen Untersuchungen in den 90er Jahren des 20. Jhs. besitzen
wir neben Einblicken in die antiken Kulttätigkeiten auf der Passhöhe des Mallnitzer
Tauern auch eine Menge an strassenbautechnischen Informationen.
In Anlage und Konstruktion ähneln beide Straßen stark der gut erforschten Trasse
über den Julierpass:
Abb. 85 Vergleichbare Bautechnick am Julierpass und Mallnitzer Tauern
1
Lippert I, 1993, 22f.
180
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Sie nutzen das Gelände so gut wie möglich aus und beschränken sich auf ein
Minimum an Kehren. Die sehr geraden und langen Segmente im steilen Felsterrain
treffen in spitzen Winkeln aufeinander und bieten dort zur Richtungsänderung
verbreiterte Bereiche. In den unteren Bereichen kommen daneben auch relativ kurze
Segmente vor, wie z.B. in den Tauernleitern. Die tiefer gelegenen Streckenabschnitte
wurden in die Berghänge eingeschnitten, das Aushubmaterial talseitig aufgeschüttet.
In den höher gelegenen Felshalden errichtete man Dämme aus großen Felsblöcken,
für die mitunter Stufen aus dem Fels gehauen werden mussten (Abb. 86). Diese
Dämme waren auf ihrer Oberfläche geschottert. Die Straßenbreite der beiden
Trassen beträgt durchschnittlich zw. 3.2m und 4m, die Steigung liegt zw. 9% und
11%. Die relativ große Breite ermöglichte zusammen mit der mäßigen Steigung
sicherlich eine Befahrung durch zweiachsige Wagen1.
Dies wurde durch zwei
Grabungsschnitte im Jahr
1998 bestätigt, die an der
Nordseite der Mallnitzer
Tauern angelegt wurden.
Mit dem ersten Schnitt
untersuchte
man
die
Straße auf den unteren
Tauernleitern und legte
eine ca. 2 m breite
Pflasterung frei. An der
Außenseite waren größere
Platten
verlegt,
innen
kleinere
Platten
und
anderes Steinmaterial. Der
innere Abstand zw. den
Abb. 86 Profilzeichung der Straßentrasse am Bockhart
Außenplatten war mit 1,10
m groß genug, um einen
römischen Wagen mit 1.07/08 m Spurbreite die Durchfahrt zu ermöglichen2. Der
zweite Grabungsschnitt brachte ähnliche Ergebnisse, große Blöcke bilden eine
talseitige Randmauer, flache Steinplatten bildeten den Untergrund der Schotterung3.
Ein auffallendes Charakteristikum beider Straßen ist die direkte Linieführung ohne
Rücksicht auf geologisch und topographisch ungünstige Bereiche. Dies führte dazu,
dass viele Stellen innerhalb von wenigen Jahren durch die Erosion unpassierbar
wurden und wahrscheinlich jährlich ausgebessert werden mussten. Auf Grund dieser
Bauweise können diese Straßen nur relativ kurz in Gebrauch gewesen sein4.
Zusammenfassend zeichnen sich die beiden Straßen durch die wichtigsten jener
Charakteristika aus, die C. P. Ehrensperger in seiner Arbeit über den Julierpass
definiert hat5: Gerade Einzelsegmente, spitzwinklige Kehren und stumpfwinklige
Segmentübergänge, Zick-Zack-Wegführung, begrenzte Steigung, definierte Breite,
Damm- und Terrassenbauweise, Kiesschüttung als Fahrbahnoberfläche und großer
baulicher Aufwand (Abb. 85).
1
Lippert, 1999, 208.
Lippert, 1999, 215.
3
Lippert, 1999, 217.
4
Lippert I, 1993, 42.
5
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 64ff.
2
181
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Keltische und römische Passopfer am Mallnitzer Tauern
Viel zahlreicher als die Altfunde im gesamten Einzugsbereich der Passstraßen waren
die neu entdeckten Artefakte rund um die drei Sättel, die den Mallnitzer Tauern
bilden: Die Archäologen hatten bereits im Vorfeld erwartet, Reste einer Station oder
eines Heiligtums vorzufinden. Tatsächlich konnten zahlreiche Funde gemacht
werden, mit deren Hilfe es möglich war, die Kultpraktiken auf der Passhöhe in
keltischer und römischer Zeit zu rekonstruieren.
Die Funde konzentrieren
sich vor allem auf einen
Bereich
südlich
des
Südsattels, entlang einer
Felsrinne, über die sie im
Laufe der Zeit durch Erosion
verteilt worden waren. Dort
fand sich neben zahlreichen
Münzen auch eine gelochte
Steinplatte, die, zusammen
mit einem zweiten, weiter
westlich
entdeckten
Exemplar, als Basis eines
Kultschreins gedeutet wird
(Abb. 87). Dieser Fund fügt
sich mit jener Herkulesfigur
und
den
anderen
Fragmenten
von
Bronzestatuetten, die am
Hochtor
ausgegraben
wurden, zu einem Ganzen
zusammen1 (Abb. 88).
Abb. 87 Gelochte Steinplatten (4,5), eiserner Stilus (6)
vom Mallnitzer Tauern
Insgesamt stammen vom Mallnitzer Tauern bisher 99 keltische und römische
Münzen,
daneben
die
besagten Steinplatten, ein
kaiserzeitlicher Stilus aus
Eisen und eine Bronzenadel
(Abb. 87). Die angelegten
Grabungsschnitte
konnten
keine Bebauung auf der
Passhöhe feststellen2. Das
Gros der Münzen bilden die
keltischen
Prägungen.
Neben dem Altfund der
berühmten
Hexadrachme
des Gesatorix im Jahr 19043,
stammen 64 Münzen vom
Abb. 88 Rekonstruktion der Kultschreine auf dem
Süd-, sechs vom West- und
Mallnitzer Tauern
1
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 252f. F. Moosleitner, 1997, 25ff.
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 253f.
3
F. Kenner, MZK 4, 1905, 159.
2
182
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
zwei vom Nordsattel. Diesen stehen 13 sicher und sieben wahrscheinlich
kaiserzeitliche Münzen gegenüber, die alle bis auf zwei am Südsattel gefunden
wurden. Unter diesen befinden sich auch sechs verschmolzene Münzen aus der
Spätantike, die vielleicht mit der Zerstörung der Kultschreine in Zusammenhang
stehen könnten1.
Bei den keltischen Münzen handelt es sich fast ausnahmslos um norische
Kleinsilbermünzen, die in zwei verschiedenen Prägeperioden entstanden sind: Die
älteren vor 113 v. Chr. und die jüngeren beginnend einige Zeit vor 64/63 v. Chr..
Demnach wurde der Mallnitzer Tauern im 1. Jh. v. Chr. nur von der lokalen
Bevölkerung begangen, denn Münzen der römischen Republik fehlen völlig.
Die römische Münzreihe beginnt mit einem As des Antoninus Pius aus dem Jahr
153/154 n. Chr. und endet mit 11 Kupfermünzen aus der 2. Hälfte des 4. Jhs.2. Der
gesamte Fundkomplex kann mit ziemlicher Sicherheit mit Opfern beim Überschreiten
der Passhöhe in Verbindung gebracht werden. Das Ende der Kulthandlungen vollzog
sich wahrscheinlich zeitgleich mit den anderen bekannten Passheiligtümern im
Alpenraum.
•
Datierung
Die beiden Passstraßen wurden in keinem Itinerarium überliefert, auf der Tabula
Peutingeriana sind sie nicht eingetragen.
Für eine allgemeine Datierung in römische Zeit sprechen die Art der Konstruktion, die
anderen bekannten
römischen
Bergstraßen
entspricht3,
die
Tatsache, dass die
Trassen
keinen
mittelalterlichen
oder neuzeitlichen
Bauprinzipien
folgen und in keiner
Überlieferung
enthalten
sind,
sowie auch einige
der
Metallfunde,
die im Zuge der
Geländeprospektionen mit
der
Metallsonde
gefunden wurden.
Es handelt sich
dabei
um
das
Abb. 89 Römische Funde von der Straßentrasse Mallnitzer Tauern
Fragment
eines
Süd
flachen
Zeltpflocks aus Eisen mit S-förmig geschwungenem Haken, für den es
Vergleichsbeispiele aus Lauriacum gibt. Er wurde auf der Laschgalm, entlang der
1
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 253f.
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 261f.
3
Julierpass: C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 64ff. Laußnitzhöhe: F. Narobe, MGSL 100, 1960, 16ff.
Allgemein: Lippert, 1999, 221.
2
183
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Passstraße über den Mallnitzer Tauern gefunden1. Weiters eine eiserne Nadel mit
hammerförmigem Kopf und mehrere Mauskopfnägel nach der Art römischer
Sandalenbeschläge2 (Abb. 89).
Da es von der Strecke nur wenige römische Funde gibt, die sich chronologisch
eindeutig festmachen lassen, sind die Datierungsvorschläge hauptsächlich aus
althistorischer Sicht gemacht worden. Man versuchte dabei, die bautechnischen
Auffälligkeiten mit Ereignissen aus der römischen Geschichte Noricums in
Verbindung zu bringen, die dem Ort und der Art und Weise der Erbauung einen Sinn
zu geben vermögen.
Wann war im römischen Noricum ein so aufwendiges, aber offensichtlich nur für eine
kurze Lebensdauer ausgelegtes Projekt notwendig geworden? Vier Vorschläge
wurden bisher gemacht3:
Die Vertreibung des Stammes der
Tigurnier aus Noricum durch Sulla im
Jahre 101 v. Chr., der Aufstand der
norischen Ambisonten im Zuge des
Alpenkrieges 16/15 v. Chr., der
Bürgerkrieg im ersten Vierkaiserjahr
69 n. Chr. und die römischen
Gegenoffensiven
im
Markomannenkrieg 170/171 n. Chr.
Während eine Erbauung der beiden
Passstraßen
anlässlich
der
Vertreibung der
Tigurnier
oder
während des Alpenkrieges als eher
unwahrscheinlich gelten4, müssen die
Argumente für und gegen die beiden
letztgenannten
Ereignisse
gegeneinander abgewogen werden.
P.W. Haider ist in seiner Analyse der
historischen Quellenlage dabei zum
Schluss gekommen, dass die Fakten
eher
für
die
Zeit
der
Abb. 90 Das Naßfeld (unterer Bildbereich) Bilck
Markomannenkriege sprechen, auch,
nach Nordost. Im Hintergrund das Gasteinertal
wenn es sich dabei um eine
unbewiesene Theorie handelt, die erst durch weitere archäologische Forschung beoder widerlegt werden kann5:
Seit Anfang des Jahres 69 n. Chr. standen sich entlang der Grenze zwischen
Raetien und Noricum Truppen der Bürgerkriegsparteien des Vitellius und des
Vespasian gegenüber6. Da damit alle Verbindungen in ost-westlicher Richtung
abgeschnitten waren, vermutet Haider, dass die innernorischen Verbindungsstraßen
in aller Eile ausgebaut werden mussten, um den Kontakt zwischen Italien und dem
Teil Noricums südlich des Alpenhauptkammes einerseits und den Truppen an der
1
Wein, 1993, 115. Taf. 6,2. Lippert 1999, 209.
Wein, 1993, 110f. Taf. 6,1.
3
Haider II, 1993, 249.
4
Haider II, 1993, 249-251.
5
Haider II, 1993, 254.
6
Tacitus Hist. I, 70f.
2
184
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Donau sowie der Front entlang der Grenze zu Raetien andererseits aufrecht zu
erhalten. Eine Straße über den Korntauern ins obere Salzachtal hätte es ermöglicht
schnell von Südnoricum an den Inn zu gelangen1. Der große Zeitdruck in dieser
Situation könnte die sehr direkte Trassenführung erklären.
Haider bietet an dieser Stelle auch an, die Straße über den Mallnitzer Tauern ins
Goldabbaugebiet des Bockhart zeitgleich, auf Grund der enormen Staatsausgaben in
Folge der Bürgerkriege und Aufstände zwischen den Jahren 66 und 70 n. Chr., zu
datieren.
Die
vierte
und
letzte
bisher
vorgeschlagene
Erklärungsund
Datierungsmöglichkeit für die beiden
Passstraßen
ist
die
Zeit
der
Markomannenkriege.
Nachdem der germanische Einfall in Italien
im Jahr 170 n. Chr. zum Stillstand
gebracht worden war, begannen die
Generäle Marc Aurels die Feinde entlang
der Reichsstraßen wieder aus dem
Imperium zurückzudrängen. Der spätere
Kaiser Publius Helvius Pertinax hatte
dabei
Noricum
und
Raetien
als
Aktionsgebiet erhalten.
Haider nimmt an, dass Pertinax die
Germanen aus dem Süden Noricums
zurückdrängte und die Straße über den
Korntauern erbauen ließ, um die auf dem
Radstätter
Tauern
zurückweichenden
Invasoren ungehindert umgehen zu
können. Ähnlich wie anlässlich des ersten
Vierkaiserjahres 68/69 n. Chr. könnte die
schnell erbaute Straße über den Mallnitzer
Abb. 91 Die sog. "Klamm", der Durchbruch
der Gasteiner Ache ins Salzachtal. Blick
Tauern ins Goldabbaugebiet des Bockhart
nach Süden
auf die finanziell prekäre Situation der
Staatsfinanzen seit dem Partherkrieg 166 n. Chr. zurückzuführen sein2.
P.W. Haider schwankt zwischen einer Datierung in das 1. Vierkaiserjahr und in die
Zeit der Markomannenkriege, plädiert schließlich doch für letzteres, wobei erst
Neufunde eine endgültige Klärung bringen können3. A. Lippert folgt ihm darin,
unterstützt durch das Indiz der Münzfunde, die erst in der Mitte des 2. Jhs. n. Chr.
einsetzen4. Kritik an dieser Ansicht kam zuletzt von V. Gassner und S. Jilek, die der
1
Haider II, 1993, 252 spricht davon, „dass man trotz des Bestehens der ausgebauten Reichsstraße
über den Katschberg und den Radstätter Tauernpass“ die Straße über den Korntauern angelegt hat.
Er fragt sich mehrmals, auch in Zusammenhang mit den Markomannenkriegen, wie es zu erklären sei,
dass im Abstand von nur 38 km zwei große Straßen die Alpen überqueren. Dazu ist anzumerken,
dass die Straße über die Laußnitzhöhe (Katschberg) im Allgemeinen erst in severische Zeit datiert
wird (F. Narobe, MGSL 100, 1960, 16ff.). Das bedeutet, dass größere Menschen- oder Gütermengen
im 1. und 2. Jh. n. Chr. von Südnoricum nur über die claudische via publica von Virunum über
Matucaio (Treibach-Althofen), Immurium (Moosham) und in Alpe (Radstätter Tauern) nach
Nordwesten gelangen konnten.
2
Haider II, 1993, 253f.
3
Haider II, 1993, 254.
4
Lippert 1999, 210.
185
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Feststellung Haiders, dass die Straße in großer Eile und in Unkenntnis der Gefahren
trassiert wurde, mit dem Hinweis widersprachen, dass gerade der gute
Erhaltungszustand bis in die Gegenwart für das Gegenteil Zeugnis ablege. Weiters
stellten sie die Frage, ob für einen Feldzug wirklich ein solch groß angelegter Ausbau
notwendig sei und für Truppenbewegungen nicht auch ein Saumpfad genüge1.
Während mir ersterer Einwand durchaus vernünftig erscheint, ist zu letzterem zu
sagen, dass es bei der Überschreitung eines hochalpinen Passes durch ein Heer
nicht nur darauf ankommt, die Soldaten von A nach B zu befördern, sondern dass
der ganze Zug auch ständig Nachschub erhalten muss, da es im Hochgebirge sowie
im ganzen inneralpinen Raum für ein Heer unmöglich war, sich aus dem Land heraus
zu versorgen. Vor diesem Hintergrund sind die Straßen über den Mallnitzer- und
Korntauern keineswegs zu groß dimensioniert. Die zukünftige Forschung wird in
dieser Frage hoffentlich bald neue Ergebnisse erbringen können.
1
Gassner – Jilek - Ladstätter,2002, 96 Anm. 86.
186
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
187
Die Römer auf den
188
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.8 Passzugsystem Aquileia-Juvavum 2
189
Die Römer auf den
190
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.8.5 Pontebba Pass / Sattel von Camporosso
•
Topographie
Der Pontebbapass, eigentlich genauer der Sattel von Camporosso (Saifnitz), ist nicht
mehr der klassische, steile Gebirgspass, vielmehr handelt es sich um eine niedrige
Talwasserscheide (797m), bei deren Überquerung die Schwierigkeiten nicht in den
Höhenunterschieden, sondern mehr in den engen und steilwandigen Zugangstälern
liegen1. Auf diesem Sattel trennt sich die Fella, die in den Tagliamento und
schließlich die Adria mündet, von der Gailitz, die in die Drau mündet, welche in die
Donau und zuletzt in das schwarze Meer abfließt, außerdem grenzen hier die
Karnischen Alpen im Nordwesten und die Julischen Alpen im Südosten aneinander2.
Die Fella prägt den Charakter des von ihr durchflossenen Kanaltales (Canale del
ferro), welches einen problemlosen Wagenverkehr zu jeder Jahreszeit ermöglicht.
Dieser Vorteil gleicht die Länge des Weges noch heute für den Reisenden mehr als
aus, wenn zum Beispiel der Plöckenpass im Winter mehrere Monate lang gesperrt
ist.
Abb. 92 Geländeschnitt: Sattel von Camporosso / Pontebbapass
Deshalb führt heute
Pontebbapass3.
•
eine
Eisenbahnlinie
und
eine
Autobahn
über
den
Forschungsgeschichte
Die Bedeutung der römischen Straße über den Pontebbapass wurde auf Grund ihrer
Erwähnung in den beiden wichtigsten antiken Itinerarien bereits im 19. Jh. erkannt:
Die ersten intensiveren Untersuchungen in Theorie und Praxis veröffentlichten J.
Ficker und K. Hauser am Ende des 19. Jhs.4. Ihnen folgten besonders O. Wanka von
Rodlow, H. Bulle und H. Deringer mit weiteren Forschungen zum antiken
1
G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 135.
O. Wanka v.Rodlow, Prager Studien 3, 1898, 2.
3
Cartellieri, a.O. 10.
4
J. Ficker, Die Alpenstraßen per Canales und per Montem Crucis. MIÖG 1, 1880, 298ff. K. Hauser,
Die Römerstraßen Kärntens. MAG 16 (1886) 63ff.
2
191
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Straßenverlauf1. Mit den Stationen entlang der Straße beschäftigten sich u.a. R.
Egger2 und M. Rigoni3. Die jüngste Zusammenfassung zum Pontebbapass, die
gleichzeitig auch alle anderen Übergänge zw. der X. Regio und Noricum behandelt,
stammt von G. Piccotini und R. Wedenig4.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die via per Canales, wie die Verbindung im Mittelalter genannt wurde5, erlangte von
allen wichtigen Übergängen in den Karnischen Alpen die größte Bedeutung, da in
der Kaiserzeit eine wichtige via publica6 über diesen Pass ging. Deshalb ist sie auch
in der Tabula Peutingeriana und im Itinerarium Antonini verzeichnet7.
Bei der genauen Identifikation der bekannten Stationsnamen ergeben sich allerdings
Probleme, da auf der Tabula zwischen der Station ad Silanos (Artegna, südlich von
Glemona) und Tasinemeti (Fahrendorf bei Velden?8) drei Namen und vier
Entfernungsangaben fehlen. Auch im Itinerarium fehlt eine Station, außerdem
scheinen sich mittelalterliche Kopierfehler eingeschlichen zu haben. Durch die
gemeinsame Berücksichtigung dieser Komponenten, sowie der archäologischen
Zeugnisse entlang der Strecke, konnte jedoch ein genaueres Bild der antiken
Situation rekonstruiert werden9.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Die Trasse über den Pontebbapass zweigt am Fuß der Alpen von Aquileia kommend
nach Nordosten ab und führt in das Gailtal und die norische Kernregion um die
Provinzhauptstadt Virunum.
In der Nähe des modernen Ortes Stazione per la Carnia, an der Stelle, an der das
Fellatal in östlicher Richtung abzweigt und die Fella in den Tagliamento mündet,
trennt sich die Pontebbastraße von der Plöckenstraße, die weiter nach Norden, nach
Aguntum führt.
Bei der Ortschaft Resiutta, im unteren Kanaltal, lag die statio Plorucensis, von der
aus auch eine via vicinalis10 in das Resiatal ausging. Hier befand sich die Zollstation
1
O. Wanka von Rodlow, Der Verkehr über den Pass von Pontebba-Pontafel und den Predil im
Altertum und Mittelalter (= Prager Studien 3, 1898) 1-24. H. Bulle, Geleisestraßen des Altertums.
SBMünchen(1948) 65. H. Deringer, Carinthia 139, 1949, 193ff.
2
R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Noricum. SoSchÖAI IX (1916) 93ff. (Zur
Benfiziarierstation in Meclaria). Ders., Eine römische Straßenstation in Resiutta. In: Römische Antike
und frühes Christentum I (1962).
3
M. Rigoni, Camporosso in Val Canale: Probabile identificazione dell’antica stazione romana sul
tracciato Aquileia-Virunum. Aquileia Nostra 43, (1972) 21ff. Dies., Camporosso: una stazione Romana
tra la Venetia e il Noricum. Aquileia Nostra 48 (1977) 193ff.
4
G. Piccotini, R. Wedenig, Antike Passübergänge zwischen Noricum und der X. italischen Region.
AntAlt 28, 1986, 135-137.
5
O. Wanka v. Rodlow, Prager Studien 3, 1898, 24.
6
Zur Definition einer via publica: Ulpian Dig. 43, 8, 2, 20-24. Sie zeichnet sich durch folgende
Eigenschaften aus: Der Boden auf dem sie verläuft ist öffentlicher Besitz (solum publicum), sie wird
als praetorische oder konsularische Straße tituliert, sie dient dem öffentlichen Verkehr, sie wird nicht
durch Privatmittel finanziert und sie liegt nicht in einer Stadt. (Vgl. M. Rathmann, Beihefte BJb 55,
2003, 5f.
7
Tab. Peut. III, 5 – IV, 2. It. Ant. 276, Aquileia - Lauriaco
8
Winkler, 1985, 25.
9
G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 136. Ältere, abweichende Interpretationen: R. Egger,
SoSchrÖAI IX, 1916, 93ff. H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 174ff.
10
Eine vielzitierte Rechtsform römischer Straßen ist die via vicinalis. Da man darunter im Allgemeinen
eine Nebenstraße versteht, die in Ortaschaften verläuft, kleinere vici miteinander verbindet und zu
192
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
zwischen Italien und dem Steuerbezirk Illyricum, an der das portorium publicum
Illyrici eingehoben wurde1. Die Siedlung ist nur durch den Fund einer Inschrift nahe
der antiken Strasse und durch gestempelte Ziegel, sowie Münzen nachgewiesen 2.
Es folgt Larix, die Grenzstation zwischen Noricum und der X. Region Italiens. Ihr
Name kommt als castellum Larignum auch bei Vitruv vor 3. Da der Grenzverlauf, den
natürlichen Gegebenheiten angepasst, auf der Wasserscheide vermutet wurde,
setzte man die postulierte Grenzstation lange Zeit mit der heutigen Ortschaft
Camporosso (Saifnitz) gleich. Neuere Forschungen, die sich unter anderem auf das
Toponym „Campolaro“ berufen, verlegen Larix aber nach Südwesten, in die Nähe
von Chiusaforte, von wo aus nicht nur der Übergang über den Pontebapass, sondern
auch die Ausweichroute über Canale Raccolana kontrolliert und gegebenenfalls
gesperrt werden konnte4.
Abb. 93 Grabstein aus Camporosso
Folgt man der Straße in Richtung Passhöhe, gelangt man heute in die Ortschaft
Pontebba, die in der Neuzeit als Ausgangspunkt für den Übergang über das Nassfeld
größeren Straßen hinführt (Ulpian Dig. 43, 8, 2, 22: Vicinales sunt viae, quae in vicis sunt vel quae in
vicos ducent), werden viele Straßen im östlichen Alpenraum als viae vicinales angesprochen und in
Gegensatz zu den wichtigen Hauptstraßen, den viae publicae, gesetzt. Dabei handelt es sich jedoch
um eine rechtlich unsaubere Unterscheidung, da Ulpian Dig. 43, 8, 2, 22 feststellt, dass es sich auch
bei Vizinalstraßen um viae publicae handeln kann, falls diese dem öffentlichen Verkehr dienen. Vgl. M.
Rathmann, Beihefte BJb 55, 2003, 5.
1
R. Egger, SoSchrÖAI IX (1916) 95.
2
R. Egger, Eine römische Straßenstation in Resiutta, Römische Antike und frühes Christentum I
(1962) 48.
3
Virtuv, 2,9,15. J. Šašel, Historia 30, 1981, 254ff. Auch: J. Šašel, Opera selecta (1992) 645ff..
4
G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 136f.
193
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
eine Rolle spielt. Ob dies auch in der Antike der Fall war, ist unklar1. Der
Straßenverlauf ist von Resiutta ab nicht genau bestimmt, man weiß nicht einmal, ob
der Weg am rechten oder linken Ufer der Fella verlief oder den Fluss mehrmals
überquerte. Da das Fellatal oberhalb von Resiutta immer enger wird, sind die
Möglichkeiten zur Linienführung ziemlich einschränkt. Es wäre möglich, dass ihre
Trasse
mit
jener
der
modernen
Straße
2
zusammenfällt . Ansonsten könnte man sich am
typischen
Verlauf
römischer
Gebirgsstraßen
orientieren: Überschwemmungssicher erhöht, am
sonnenseitigen oder klimatisch begünstigteren
Talhang3. Da aber bis in die 80er Jahre des 20. Jhs.
keine Straßengrabungen im Kanaltal durchgeführt
wurden, ist man gezwungen deren antiken Verlauf
aus den topographischen Gegebenheiten zu
rekonstruieren. Demnach dürfte sie größtenteils von
Auto- und Eisenbahn überlagert worden sein4.
Folgt man dem Fellatal aufwärts, gelangt man zur
Engstelle von Chiusaforte. Der moderne Ortsname
geht auf eine Grenzfestung zurück, deren älteste
Erwähnung aus dem Jahre 923 stammt5. Sie liegt
etwas östlich der heutigen Ortschaft, wenig oberhalb
der gegenwärtigen Staatsstraße. Damit dürfte sie
auch an der alten Römerstraße gelegen haben6. Aus
der Fraktion Campolaro gibt es Funde von Münzen
und anderen Metallgegenständen aus dem 2. und 3.
Jh. n. Chr7. Von hier aus kann man auf zwei Routen
Tarvis erreichen: Über die valle di Raccolana und
den Sella Nevea Pass oder weiter durch das
Kanaltal nach Norden über Pontebba. Die
strategisch ausgezeichnete Lage in der Talenge
ermöglichte es über Jahrhunderte, den Passverkehr
zu kontrollieren. Die mittelalterliche Festung wurde
erst im Jahre 1826 abgerissen8. Aus diesen
Gründen wird Chiusaforte als Grenzort zwischen der
X. Region Italiens und der Provinz Noricum zur Zeit
Abb. 94 Grabaltar der Avilia
von der jüngeren Forschung den Orten Pontebba
Leda aus Camporosso
und Camporosso vorgezogen9.
Im Kanaltal, zwischen Campolaro und Pontebba, fehlen römische Funde weitgehend,
somit ist eine Rekonstruktion des Straßenverlaufes schwierig. Während die moderne
1
G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 137.
H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 175.
3
RE I,2 (1894) 1607 s.v. Alpes (J. Partsch).
4
Wedenig 1986, 48.
5
C. G. Mor, L’ età feudale I (1952) 107 Anm. 97.
6
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 23.
7
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 35 Anm. 17.
8
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 27. Bietet außerdem einen interessanten Vergleich mit der
Brennerstrecke an, wo auf die Zollstation bei Waidbruck die Festung Klausen folgte, ebenso wie auf
die Zollstation in Resiutta die Festung bei Chiusaforte gefolgt sein könnte.
9
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 26f. G. Piccotini – R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 136f.
2
194
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Straße heute das rechte Ufer der Fella einnimmt, scheint eine ältere Trasse
zumindest teilweise am linken Ufer gelegen zu haben1.
Das Pendant zur Zollstation in Resiutta bildete auf norischer Seite die statio
Bilachiniensis, die nunmehr auf der Passhöhe, unter der heutigen Ortschaft
Camporosso (Saifnitz), lokalisiert wird. Sie ist durch zahlreiche Grabsteine, sowie
Weihealtäre von Zollbediensteten und deren Familienmitgliedern belegt2 (Abb. 93).
Wir begegnen damit auf dieser Passstraße einer ähnlichen Situation wie am Plöcken,
wo ebenfalls die beiden Zollstationen im Einzugbereich der Passstraße bekannt sind.
Besonders der Westteil von Camporosso, der bis zum Ende des 19. Jhs. „Vila“
genannt wurde, förderte römisches Fundmaterial zu Tage. Es existiert die
Vermutung, dass in dieser Bezeichnung noch die statio Bilachiniensis anklingen
könnte3.
Von der Passhöhe ist ein – inzwischen verschollener – Meilenstein bekannt, der mit
Arbeiten in severischer Zeit in Verbindung gebracht werden kann4. Camporosso gilt
als die Ortschaft mit der höchsten Funddichte entlang der Strecke5. Das Material
stammt aus der Zeit zwischen dem 1. und dem 4. Jh. n. Chr. wobei eine besondere
Konzentration im 2. Jh. zu bemerken ist. Die statio Bilachiniensis scheint mehr als
eine einfache Mansio gewesen zu sein, in der die Reisenden Kost und Unterkunft für
sich und ihre Tiere finden konnten. Hier scheint es sich vielmehr um ein Zoll- und
Verkehrszentrum gehandelt zu haben, das, schon auf norischem Territorium
gelegen, Treffpunkt von kulturellen Einflüssen aus Italien und den nördlich und
westlich gelegenen Provinzen war 6. Ein Beispiel dafür ist der Grabaltar mit Medallion
der Avilia Leda, der 1905 entdeckt wurde und in die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. datiert7
(Abb. 94). Es handelt sich dabei um einen Typ, der in Italien weitgehend unbekannt
ist, in Noricum und der Donauregion ab dem Ende des 1. Jhs. jedoch weite
Verbreitung fand. Dieser Altar aus Camporosso ist das am weitesten südwestlich
gefundene Exemplar seiner Art. Unter der Passhöhe sind keine weiteren mehr
bekannt8. Während sich an der rechten Seite ein Relief eines jungen librarius
befindet, wie man ihm in Noricum häufig begegnen kann, ist an der linken Seite eine
Frau in der palla, capite velato, dargestellt, die in dieser Form in Noricum unbekannt
ist, jedoch in Venetien und um Aquileia weite Verbreitung gefunden hat (Abb. 95).
Die Details der Ausarbeitung lassen darauf schließen, dass es sich bei dem Künstler
um einen Einheimischen gehandelt hat, der in der Tradition norischer Bildhauer
stand, aber Einflüssen aus dem Süden ausgesetzt war9.
Wenige Kilometer östlich der Wasserscheide liegt die Ortschaft Tarvis, aus der es
ebenfalls römische Funde gibt: Eine Inschrift10, einige kaiserzeitliche Münzen und ein
großer Altar11, der aber auch aus der statio Bilachiniensis stammen könnte12.
1
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 23.
CIL V, 8650. CIL III, 4712, 4716. Ein Kindersakophag: Egger, SoSchrÖAI IX, 1916, 95.
3
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 32.
4
CIL III, 5703. H. Deringer, Carinthia 143, 1953, 736ff. Nr. 14, 85 .Winkler 1985, 68 Nr. 1.
5
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 35f. Anm. 21.
6
M. Rigoni, AqN XLVIII, 1977, 199.
7
Fundnachricht: A. Jaksch, MZK III, 1906, 59-61. A. Schober, Die römischen Grabsteine von Noricum
und Pannonien (1923) Nr. 307, S. 137, Abb. 159.
8
M. Rigoni, AqN XLVIII, 1977, 201.
9
M. Rigoni, AqN XLVIII, 1977, 202f.
10
CIL III, 11479.
11
CIL III, 4714
12
M. Rigoni, AqN XLIII, 1972, 37. Anm. 22.
2
195
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Folgte man der Straße weiter Richtung Osten, traf man schließlich auf die antike
Siedlung Meclaria, wo auf Grund von 4 Inschriften, die im Bett des Flusses Gailitz,
am Fuße des Hoischhügels gefunden wurden, für das 2. und 3. Jh. eine
Benefiziarierstation angenommen wird. Ein fünfter Altar eines Benefiziariers stammt
aus dem nahegelegenen Seltschach und dürfte ebenfalls dieser Gruppe zuzuordnen
sein.1 Der Siedlungsname Meclaria stammt aus der Historia Langobardorum des
Paulus Diaconus und wird heute mit der Ortschaft Thörl-Maglern gleichgesetzt2. Auf
dem Straßenabschnitt zwischen Tarvis und Meclaria waren Mitte des 20. Jhs. noch
Geleisereste der Römerstraße erhalten geblieben3.
Abb. 95 Frau in der palla und librarius von der linken und rechten Seite des
Grabaltars der Avilia Leda
Die Inschriften datieren zwischen 168 und 215 n. Chr. Sie nahmen Aufgaben an
öffentlichen Straßen wahr, die sich nicht mit letzter Bestimmtheit feststellen lassen.
Sie waren wahrscheinlich dem Zoll zugeteilt oder für Straßenschutz zuständig4. Der
Fundort der Inschriften ist nicht derselbe, an dem die Station vermutet wird, sondern
der weiter östlich liegende Hoischhügel (Abb. 96), auf dem bei Grabungen eine
römische Verteidigungsanlage und eine frühchristliche Basilika entdeckt wurden. R.
Egger datiert die Befestigung in die Zeit der Markomannenkriege und vermutet dort
1
G. Piccotini, Neues aus Alt-Villach 22, 1985, 14. Ders. Die Römer in Kärnten (1989) 77. Ders. Die
Römer in Kärnten (1989) 76. Gegenteiliger Meiung: Ha. Dolenz, Carinthia I 145, 1955, 96ff.
2
Paulus Diaconus, Hist. Lang. IV, 18.
3
Bulle, Geleisestrassen, 41.
4
R. Egger, SoSchrÖAI IX (1916) 98. J. Ott, Die Beneficiarier. Untersuchungen zu ihrer Stellung
innerhalb der Rangordnung des römischen Heeres und zu ihrer Funktion. Historia Einzelschriften 92,
1995, 1ff.
196
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
u.a. ein Heiligtum für Jupiter Optimus Maximus, dem alle 4 Benefiziarieraltäre
geweiht sind1. Die Inschriftensteine könnten aber auch in der Spätantike zum
Mauerbau herangeschafft worden sein und liefern somit keinen direkten Hinweis auf
eine Station oder einen Tempel in der Nähe2. Die Anlage fand bis ins Frühmittelalter
hinein Verwendung, wie der Fund von 15 Solidi aus der Zeit zwischen der 2. Hälfte
des 5. und der 2. Hälfte des 6. Jhs. gezeigt hat3. 1855 wurde in der Nähe von
Maglern eine Inschrift gefunden, welche sich auf die Wiederherstellung eines
Herkules-Tempels bezieht4. Es gibt seit 2001 einen weiteren Fund aus Meclaria,
welche auf die Existenz eines Herkules-Kultes hinweist: Bei Aushubarbeiten wurde
neben anderen Artefakten ein Herkulesbleivotiv geborgen5. Dem Beschützer des
Verkehrs und der Straßen hat man vor Antritt einer Reise Opfer darbracht. In Italien
sind Herkulesheiligtümer an einigen wichtigen Straßenstationen bekannt6.
Aus Meclaria sind im Laufe der Zeit immer wieder römische Reste aufgetaucht, die
unser Bild vom Charakter dieser Siedlung erweitert haben. Meistens geschah dies im
Zuge von Bauarbeiten und den daraus resultierenden Notgrabungen, welche nur
noch ge- oder zerstörte Befunde dokumentieren konnten7. Gebäudereste fanden sich
vor allem im Bereich westlich und auf den Terrassen südlich des Schlossberges von
Straßfried, etwas mehr als einen Kilometer nördlich des Hoischhügels. Dabei
handelte es sich zumindest teilweise um Wohnräume, an die Wirtschaftsbereiche
angeschlossen gewesen sein könnten. Die wenigen, stratifizierten Kleinfunde
datieren die Strukturen in das 2. und 3. Jh. n. Chr. Zahlreiche Haushaltsgeräte und
besonders häufig vorkommende Reste von Metallabfällen, Halbfabrikaten und
Schlacken, deuten auf Buntmetallverarbeitung hin. Diese Streufunde stammen aus
einem Zeitraum zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und der constantinischen Epoche8.
Abb. 96 Baubefunde auf dem Hoischhügel nach R. Egger
Südlich der Ruine Straßfried wurde zudem im Jahre 1872 eine beschriftete Lorica
1
R. Egger, SoSchrÖAI IX (1916) 99.
H. Deringer, Carinthia I 140, 1950, 177ff.
3
F. Glaser, Teurnia (1992) 147f.
4
CIL III, 4718. ILLPRON 593. Befindet sich im Landesmuseum Klagenfurt. Lap. Nr. 12. G: Piccotini,
Die Römersteinsammlung des Landesmuseums für Kärnten (1996) 16.
5
He. Dolenz, FÖ 40, 2001, 644.
6
RE VIII, 1 (1912) 588 s. v. “Hercules” (F. Haug)
7
So geschehen u.a. bei der jüngsten Untersuchung 2001: He. Dolenz, FÖ 40, 2001, 644f. oder bei
größeren Notgrabungen im Jahre 1969: Ha. Dolenz, Neues aus Alt-Villach 9/10, 1972/73, 29f.
8
He. Dolenz, FÖ 40, 2001, 645.
2
197
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
(Grabeinfassung) gefunden, die auf eine nahegelegene Nekropole hindeuten
könnte1.
Auf dem unmittelbar an die Siedlung angrenzenden Burgberg von Straßfried, auf
dem die Reste einer mittelalterlichen Befestigungsanlage zu finden sind, wird die
Existenz eines spätantiken Kastells angenommen, bisher allerdings nur aus
strategischen Gesichtspunkten2. Die Anlagen auf dem Hoischhügel und Strassfried
könnten gemeinsam Teile eines Wach- und Straßenschutzsystems am Zugang nach
Italien gewesen sein3.
Die Nekropole der Siedlung konnte bisher noch nicht entdeckt werden. Einige
Grabrelieffragmente, welche in die Kirche Maria Gailitz eingemauert sind, stammen
jedoch vermutlich aus dem römischen Friedhof von Meclaria4.
In Meclaria trafen zur Römerzeit drei Straßen aufeinander: 1. Die von Osten
kommende, sog. norische Hauptstraße, 2. deren Fortsetzung in Richtung Aquileia
über den Pontebba-Pass und 3. die Straße über das Gailtal in Richtung Gurina Loncium.
Auf Grund dieser besonderen Situation und der zahlreichen Funde wird in Maglern
die Existenz einer kaiserzeitlichen mansio mit angeschlossenem Benefiziarierposten
vermutet5.
Meclaria war für den Reisenden der Antike die letzte Station der Pontebba-Straße in
Richtung Noricum, die sich von hier in östlicher Richtung am Südhang des Gailtales
fortsetzt. Nach der Überquerung der Gail führt die norische Hauptstraße über den
Federauner Sattel zur Napoleonwiese, wo sich die berühmten und sehr gut
erhaltenen Geleisespuren befinden6. Schließlich erreicht man von hier aus Santicum
und damit die Gegend der heutigen Stadt Villach.
Die Geschichte dieser wichtigen Passstrasse ähnelt der Geschichte des
Plöckenpasses. Ihre Bedeutung für die Römer geht bereits auf die republikanische
Zeit zurück und ist aufs engste mit dem Aufstieg Aquileias verbunden. Die Händler
Aquileias hatten auf dem Magdalensberg eine Handelsniederlassung gegründet und
betrieben von dort aus, über diesen Sattel den Verkauf des Ferrum Noricum und
anderer Rohstoffe nach Italien, sowie den Import italischer Waren in den östlichen
Alpenraum7.
Die Pontebbastraße wurde mit der Einrichtung der Provinz Noricum zur
Hauptverbindungsstraße mit Italien. Sie diente sowohl als Militärstraße, als auch der
Handelsverbindung von und nach Virunum8. Ab dem Ende des 2. Jhs. konnte man
von dort aus über die Rottenmanner Tauern und den Pyhrnpass das Legionslager
von Lauriacum erreichen. In den Markomannenkriege und den späteren Kämpfen
gegen die Alemannen erlangte dieser Straßenzug strategisch höchste Bedeutung9.
In der Spätantike hat man diesen Zugangsweg nach Italien durch militärische
Anlagen gesichert; zumindest das Kastell von Larix / Chiusaforte kann in diesem
Zusammenhang gesehen werden, auch wenn es keine Spuren einer Sperrmauer,
ähnlich den vergleichbaren Anlagen in den julischen Alpen, gibt. Vielleicht bildete es
1
CIL III 11480. G.Piccotini, Neues aus Alt-Villach 4, 1967, 161-183 Nr.4.
Ha. Dolenz, Carinthia 145, 1955, 103.
3
Clausura Alpium Iuliarum I (1971) 89.
4
G. Piccotini, FÖ 35, 1996, 483ff.
5
G. Piccotini, Neues aus Alt-Villach 22, 1985, 13.
6
H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 180f.
7
P. Scherrer, Situla 40, 2002, 13ff.
8
Cartellieri, Alpenstrassen, 12-13.
9
R. Breitwieser, A. Lippert, MAG 129, 1999, 128.
2
198
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
zusammen mit den Befestigungen von Meclaria / Maglern einen Teil der Claustra
Alpium Iuliarum1.
Aus den Jahrhunderten nach dem Untergang des Weströmischen Reiches ist nichts
über die Kanaltalstraße bekannt. Auf eine Reihe von Kastellen, wie sie Paulus
Diaconus beschreibt, gibt es keine Hinweise2. Wedenig meint, dass durch den
Rückgang des Wagenverkehrs die Bedeutung anderer Pässe gegenüber dem
Pontebbapass im Frühmittelalter gestiegen sein dürfte3.
1
Claustra Alpium Iuliarum I (1971) 86.
Paulus Diaconus, hist. Lang. IV, 37.
3
Wedenig 1986, 50.
2
199
Die Römer auf den
200
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.8.6 Radstätter Tauern & Laußnitzhöhe
•
Topographie
Der Radstädter Tauern (1739 m) bildet einen Übergang über den Alpenhauptkamm
im Bereich der Niederen Tauern. Er trennt den gleichnamigen Gebirgszug der
Radstädter Tauern im Westen, von den Schladminger Tauern im Osten und
verbindet den Lungau im Süden mit dem Pongau im Norden. Während der Pass
heute keine Grenzfunktion mehr einnimmt, bildete er in der Antike die Grenze der
Stadtterritorien von Teurnia und Juvavum und stellte gleichzeitig den höchsten Punkt
auf der via publica zwischen beiden Städten dar. Seit der Provinzteilung durch
Diocletian verlief an dieser Stelle zudem die Grenze zwischen Noricum ripense und
Noricum mediterraneum.
Die Laußnitzhöhe (1700 m) liegt ca. 25 km südöstlich des Radstätter Tauern im
Norden der Gurktaler Alpen. Über diesen Pass gelangt man, im Süden vom Drautal
ausgehend, über das Liesertal, bis nach St. Margarethen im Lungau, wo die
römische Straße über den Radstätter Tauern ihren Ausgang nimmt. Die moderne
Straße wird nicht mehr über die Laußnitzhöhe, sondern über den ca. 5 km
nordwestlich gelegenen Katschberg geführt.
Abb. 97 Geländeschnitt: Radstädter Tauern & Laußnitzhöhe
•
Forschungsgeschichte
Die Römerstraße über den Radstädter Tauern und durch den Lungau ist eine der am
besten bekannten und erhaltenen Trassen im Ostalpenraum, deren Erforschung
201
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
bereits auf den Beginn des 19. Jhs. zurückgeht1. Neben dem archäologisch –
historisch ausgerichteten Werk von I. v. Kürsinger aus dem Jahre 18532, sind in der
2. Hälfte des 19. Jhs. vor allem A. Prinzinger und S. Pollatschek zu nennen, wobei
besonders letzterer durch seine Geländebegehungen bis heute wertvolle Angaben
lieferte3.
Im 20. Jh. erforschte vor allem F. Narobe die Straße zwischen der Laußnitzhöhe und
dem Radstädter Tauern4. Die Meilensteine entlang dieser Straße zogen vielseitiges
Interesse auf sich und wurden u.a. von E. Weber und zuletzt von G. Winkler
behandelt5.
Die an der Tauernstrecke gelegene Straßenstation von Immurium stellt einen bisher
einmaligen Befund für den Ostalpenraum dar, sie wurde von R. Fleischer bis 1998
untersucht und abschließend publiziert6.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Straße über den Radstädter Tauern bildete einen Teil der via publica von
Virunum nach Juvavum und ist auf Grund der noch lesbaren Meilensteine entlang
der Strecke bereits einige Zeit vor 200 n. Chr. erbaut worden7. Auf Grund ihrer
Bedeutung ist sie in der Tabula Peutingeriana verzeichnet8. Die via publica führte von
Virunum aus nach Norden und gabelte sich bei Matucaio (Treibach-Althofen). Ein
Zweig verband Virunum mit Ovilava, der andere verlief der Gurk aufwärts über die
Fallnitzer Höhe (1470 m), Stadl an der Mur und Ramingstein, durch das Thomatal bis
nach Immurium (Moosham) 9. An dieser Stelle vereinigte sich die Straße mit jener, die
von Teurnia über die Laußnitzhöhe (1700 m) und den Leißnitzgraben das Murtal bei
St. Margarethen erreicht10. Diese Verbindung wird als Neuerschließung des
Septimius Severus angesprochen, während die Straße nach Virunum auf die
claudische Zeit zurückgeht11.
Von Immurium (ca.1100 m) aus, nimmt die via publica schließlich den Anstieg zur
1
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 15. Für den Verlauf der Straße als erster zu nennen: Winkelhofer,
„Carinthia“ 1819.
2
I. v. Kürsinger, Lungau. Historisch, ethnographisch und statistisch aus bisher unbenützten
urkundlichen Quellen dargestellt (Salzburg1853).
3
A. Prinzinger, MGSL 14, 1874 sowie 21, 1881 und S. Pollatschek, Eines alten Soldaten
Römerstudien nach der Natur II. Die Straße Teurnia-Juvavum, (Wien 1882).
4
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 15-27.
5
E. Weber, MGSL 112-113, 1972-73, 245-251. G. Winkler, Die römischen Straßen und Meilensteine
in Noricum – Österreich. Kleine Schriften Aalen 35, 1985.
6
R. Fleischer, die römische Straßenstation Immurium – Moosham im Salzburger Lungau. AS 4, 1998.
7
Die ältesten Steine tragen die Kaisertitulatur des Septimius Severus und datieren in das Jahr 201 n.
Chr. Auf 8 von ihnen (Winkler Nr. 82, 85, 88, 90, 94, 101, 105, 113) weist der Satz:“ MILIARIA
VETVSTATE CONLAPSA RESTITVERVNT“ auf das bereits damals fortgeschrittene Alter der Straße
hin: Winkler, 1985, 48.
8
Tab. Peut., IV, 4 – IV, 5.
9
Bis zu den Grabungen von 1964-1970 wurde die mansio Immurium von der Forschung größtenteils
mit dem einige Kilometer nordwestlich gelegenen Mauterndorf in Verbindung gebracht und die Straße
von dort in östlicher Richtung nach Tamsweg geführt. Eine Bibliographie der unrichtigen
Straßenführungen bei Fleischer AS 4, 1998, Anm. 11.
10
Zahlreiche Meilensteine dokumentieren den Verlauf beider Straßen: 5 von Virunum bis Matucaio
(Winkler, 1985, Nr. 6-10), einer in Stadl an der Mur (Winkler, 1985, Nr. 76) und 8 von Teurnia bis St.
Margarethen (Winkler, 1985, 77-84).
11
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 16, bringt die neue, kürzere Trasse zw. Immurium und Teurnia mit
militärischen Ausbauarbeiten unter Septimius Severus in Verbindung. Fleischer, AS 4, 1998, 10 datiert
die via publica zw. Virunum und Juvavum in Anlehnung an G. Walser, Historia 29, 1980, 438ff. und an
G. Alföldy, Noricum (1974) 103, in die Mitte des 1. Jahhunderts n. Chr.
202
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Passhöhe der Radstädter Tauern (1739 m). Die Station auf der Passhöhe heißt In
Alpe, die Distanz zwischen den beiden mansiones wird mit 14 Meilen angegeben.
Auf der Nordseite des Passes folgen nach 16 Meilen die mansio Ani (Altenmarkt) und
nach weiteren 17 Meilen die Station Vocario (Pfarrwerfen), bevor die Straße den
Pass Lueg überwindet. Im Itinerarium Antonini findet sich diese alpenüberquerende
Verbindung nicht.
•
Die Passstraße über den Radstädter Tauern und deren archäologische
Hinterlassenschaften
Die wichtigsten archäologischen Hinterlassenschaften entlang dieser Passstraße
bilden neben der Ausgrabung von Immurium vor allem die zahlreich erhaltenen
Meilensteine.
Der
Bereich
südlich
des
Überganges
bis Obertauern
gehörte zum
Verwaltungsbe
zirk Teurnia1,
von wo aus die
Zählung
der
Meilen
vorgenommen
wurde.
Die
Distanzen sind
durch die noch
lesbaren
Steine
eindeutig
bestimmt. Um
Abb. 98 Schloß Moosham (rechts). Blick nach Norden. Die römische
von
Teurnia
Siedlung befindet sich auf dem unbewaldeten Hang in der Bildmitte,
überschwemmungssicher über den Murtal. Direkt nördlich beginnt der
auf
die
Zugang zum Radstädter Tauern.
Passhöhe der
Radstädter
Tauern zu gelangen, musste man demnach 45 römische Meilen zurücklegen2. Ein
Meilenstein des Septimius Severus, der um 1880 beim Ausbruch eines Fensters im
Schloss Moosham gefunden wurde, stammt entweder von der 31.oder 32. Meile und
damit aus der unmittelbarer Nähe der mansio Immurium3. Daraus ergibt sich für die
Strecke zwischen Immurium und In Alpe eine Distanz von 13 oder 14 Meilen, entlang
welcher rein rechnerisch 15 Meilensteine zu erwarten wären. Tatsächlich kennt man
16 Steine4, von denen aber einige an derselben Stelle aufgestellt waren.
Von 31. oder 32. Meile a Teurnia stammt der bereits erwähnte Stein aus Moosham.
Es folgt ein unbeschriebenes Exemplar von der 34. Meile, das 1925 in Mauterndorf
1
E. Weber, MGSL 112-113, 1972-73, 250. Dagegen: G. Alföldy, BJb 170, 1970, 163ff.
Winkler, 1985, 78f. Nr. 95-100: a Te(urnia) m. p. [X]LV.
3
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 19 Nr. 11. Winkler, 1985, 76f. Nr. 85. Die Inschrift nennt Septimius
Severus und wird auf das Jahr 201 n. Chr. datiert, die Meilenangabe ist nicht erhalten und wurde
rekonstruiert. Material: Schaidberger Marmor.
4
Winkler, 1985, 76-79 Nr. 85-incl.100.
2
203
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
entdeckt wurde und das in severische Zeit datiert wird1. Aus dem Bereich der 37. und
38. Meile sind zwei Exemplare (CIL III, 5716) erhalten: Ein Meilenstein wurde um
1850 in der Mühlthalerau bei Tweng gefunden, ein zweiter „...eine römische Meile
weiter südöstlich...“. Beide werden wiederum um 200 n. Chr. datiert.2 Auch von der
39. Meile (Fundort: Tweng, vor dem Wirtsstall) gab es einen vermutlich zeitgleichen
Stein, der allerdings verloren ging3. Ebenfalls aus Tweng stammt der Stein von der
40. Meile (CIL III, 5717), der sich heute im Salzburger Museum Carolino Augusteum
befindet. Es folgt der mit einer erhaltenen Inschrift versehene Meilenstein 41 (CIL III,
5718), der Kaiser Philippus Arabs nennt und aus dem Bereich der Ahornlahn am
unteren Ende des Rader Ötzels stammt, wo die Römerstraße entlang der Taurach
auf die Passhöhe zuführt (Abb. 101). Zusammen mit diesem Stein wurde ein weiterer
entdeckt, der ebenfalls beschriftet ist (CIL III, 5719). Er trägt lediglich den Namen des
M. Julius Philippus (Iunior), des Sohnes des Kaisers Philippus Arabs, eine
Meilenangabe fehlt. Bei dem Stein handelt es sich wahrscheinlich um eine Ehrung
und eine Art Loyalitätsbekundung der Provinz anlässlich der Ernennung des Sohnes
zum Mitregenten 247 n. Chr. Die Steine wurden zu diesem Zweck neben denen des
Vaters aufgestellt. Sechs Exemplare dieses Typs sind aus Noricum bekannt.4
Abb. 99 Die Meilensteine von der Passhöhe des Radstädter Tauern
Auch von der 42. Meile ist ein Meilenstein (CIL III, 5720) erhalten. Er wurde nördlich
der „Hohen Brücke“ gefunden und datiert in die Zeit des Septimius Severus.5
1
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 19 Nr. 10. Winkler, 1985, 76f. Nr. 86. Gefunden an der Ecke Putzhaus,
Mauterndorf Nr. 42, Material: Schaidberger Marmor. FÖ 1, 1920-1933, 71. F. Narobe, ÖJh 29, 1935,
Beibl. 267: Sämtliche leserlichen Meilensteine des Septimius Severus, entlang dieser und der
Tauernstrecke, sind aus diesem Material, ebenso weitere Inschriften. Alle Steine anderer Kaiser sind
aus anderen Materialien. Der Steinbruch von Schaidberg liegt an der Tauernstraße.
2
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 19. Nr. 9. Winkler, 1985, 76f. Nr. 87,88. Material beider Steine:
Schaidberger Marmor.
3
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 18f. Nr. 7. Winkler, 1985, 78f. Nr. 86. Gefunden 1925. Material:
Schaidberger Marmor. Datierung: Septimius Severus.
4
E. Weber, MGSL 112/113, 1972-73, 249. H. Wurm, RÖ 1-3, 1973-75, 311f.
5
Winkler, 1985, 78f. Nr. 93 nennt als Fundortort die Breitlahner Brücke unterhalb der Passhöhe. Der
Stein wird im Salzburger Museum Carolino Augusteum aufbewahrt. F. Narobe, MGSL 100, 1960, 19,
Nr. 3.
204
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Der nächste, erhaltene Stein (CIL III, 5715=11835) stammt bereits von der Passhöhe
und wurde von dort nach St. Gertraud bei Mauterndorf verschleppt. Er war
ursprünglich an der Stelle der 45. Meile von Teurnia platziert und unter Septimius
Severus dort aufgestellt worden. Doch er stand dort keineswegs alleine, wie der
Fund von sechs weiteren Steinen im Jahr 1961 gezeigt hat1. Sie wurden ca. 450
Meter südöstlich der Tauernhöhe, auf einer Fläche von 26 mal 12 Metern entdeckt.
An dieser Stelle, etwa 170 Meter nordöstlich der Bundesstrasse, verläuft die
Römerstraße in einer Serpentine über den relativ flachen Boden der Moaralm, und
zwar in zwei Bögen, die möglicherweise auf 2 Phasen der Straße hindeuten2 (Abb.
99/100).
Von den sechs Steinen bestehen drei aus Schaidberger Marmor 3. Sie lassen keine
Spuren einer Inschrift mehr erkennen, können aber mit ziemlicher Sicherheit in
severische Zeit datiert werden.4 Die restlichen drei Steine5 bestehen aus lokalem,
teilweise grünlich gefärbtem Radstädter
Quarzit.
Zwei
von
ihnen
sind
6
beschriftet.
Ebenso, wie vier Meilen zuvor, traf der
antike Reisende auch auf der
Passhöhe auf Meilensteine des Kaisers
Philippus Arabs und seines Sohnes M.
Iulius Philippus (Iunior).
Falls sich die Steine an ihrem antiken
Aufstellungsort befinden und man
annimmt, dass hier die Stadtgrenze
zwischen Teurnia und Juvavum verlief,
könnte auch die mansio In Alpe in der
näheren Umgebung und nicht erst auf
der Passhöhe gesucht werden. Für
eine solche Lokalisierung gibt es bisher
allerdings keine Hinweise.
Wahrscheinlicher ist, dass die römische
Abb. 100 Skizze der Fundsituation der
Straßenstation
direkt
auf
dem
Meilensteine vom Radstädter Tauern
Scheitelpunkt der Straße lag, an
derselben Stelle wie das mittelalterliche Hospiz mit Kirche und Friedhof. Es gibt keine
gesicherten Funde oder Befunde, I. Kürsinger berichtet 1853 von einem römischen
Grab nahe der Friedhofsmauer und F. Narobe skizzierte 1959 einige Mauerzüge, die
er als Reste der mansio anspricht und die heute verschüttet sind7. Die starke
Verbauung der Passhöhe in der 2. Hälfte des 20. Jhs. verhinderte seitdem weitere
Untersuchungen (Abb. 108).
Einen Versuch, die winterliche Überquerung der Ostalpen, wie sie in der Vita Sancti
Severini beschrieben ist, mit der Passhöhe des Radstädter Tauern in
Zusammenhang zu bringen, unternahm F. Narobe8. Für unseren Zusammenhang ist
1
Fundnachricht: M. Hell, PAR 13, 1963, 4f. Erstpublikation: G. Alföldy, Epigraphische Studien 8, 1969,
33f. Nr. 45, 46.
2
M. Hell, PAR 13, 1963, 4.
3
Winkler, 1985, 78f. Nr. 95, 96, 97.
4
E. Weber, MGSL 112/113, 1972-73, 246.
5
Winkler, 1985, 78f. Nr. 98-100.
6
E. Weber, MGSL 112/113, 1972-73, 246.
7
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 24.
8
Eugippus, V. S. Severini 29. F. Narobe, MGSL 123, 1983, 127ff.
205
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
dabei interessant, dass Narobe ein Bestehen der mansio bis über die Mitte des 5. Jh.
n. Chr. hinaus annimmt.
Auf dem Abstieg in Richtung Norden fanden sich auf der Strecke zw. der Passhöhe
und dem Passfußort Untertauern bisher 4 Meilensteine: Der erste stand ursprünglich
3 römische Meilen nördlich des Überganges, an der Abzweigung zum Johannesfall
und stammt von der 61. oder 62. Meile a Iuvavo1. Weiters sind alle drei Steine von
der 59., 58. und 57. Meile erhalten geblieben. Sie dokumentieren den Wegverlauf bis
nach Untertauern, von wo ein Votivaltar für Jupiter und die Weggottheiten stammt2.
Keiner dieser eben genannten Steine ist beschriftet, alle bestehen sie aus
Schaidberger Marmor und können somit wahrscheinlich in severische Zeit datiert
werden.
Im Gegensatz zur modernen Straße ist deren römische Vorgängerin so angelegt,
dass sie allen lawinengefährlichen Stellen auswich und damit so lange wie möglich
im Jahr nutzbar blieb3.
Spuren
von
Geleisen
oder
Stufen lassen sich
vermutungsweise
an
mehreren
Stellen der Stecke
nachweisen,
die
alle
über
gewachsenen Fels
führen. In der Nähe
von
Schaidberg
konnten
Geleise
mit
einer
Spurbreite
von
1.05 m ermittelt
werden, allerdings
können
diese
Reste nicht mit
Sicherheit
in
römische
Zeit
datiert
werden4.
Dass
es
aber
römerzeitlichen
Wagenund
Karrenverkehr auf
dieser
Strecke
gegeben hat, der
das Vorhandensein
Abb. 101 Das Taurachtal. Blick nach Süden. Im Vordergrund der
von
Geleisen
Bereich zw. der 40. und 42. Meile a Teurnia. Im unteren Bildbereich
befindet sich die sog. Hohe Brücke.
1
CIL III, 5721 = 11836. Winkler, 1985, 78 Nr. 101 gibt die 62. Meile als ‚Standort an, F. Narobe MGSL
100, 1960, 18 Nr. 4 gibt die 61. Meile an.
2
Winkler, 1985, 78 Nr. 102, 103, 104. F. Narobe, MGSL 100, 1960, 18 Nr. 3, 2, 1.
3
F. Narobe, MGSL 123, 1983, 127f.
4
M. Hell, PAR 3, 1953, 32. F. Narobe, MGSL 100, 1960, 17: Es handelt sich dabei, neben den Resten
an der Enge südlich von Schaidberg, um eine Stelle oberhalb der Hohlwand und eine dritte am
Kniepass oberhalb der Kesselwand.
206
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
wahrscheinlich macht, zeigt der Fund zweier verkohlter Räder mit Eisenreifen (70cm
Durchmesser) in einem römischen Brandgrab auf dem Ötzengraber, westlich von
Immurium 1.
Während kleinere Bäche wahrscheinlich mit Hilfe von Trittplatten oder durch Furten
überquert wurden, finden sich im Bereich des Radstätter Tauern mindestens sieben
Stellen an denen ein größerer Gebirgsbach, der nur über Brücken zu bewältigen ist,
von der Straße gekreuzt wird. Bisher konnten keine Reste von Steinbrücken entdeckt
werden, was an Holzbrücken denken lässt.2
Die 27 Meilen (ca. 40 km) lange Strecke über den Radstädter Tauern, zwischen der
Laußnitzhöhe im Süden und Untertauern im Norden, durchquert ein schwieriges und
durch Wildbäche und Muren sogar lebensgefährliches Terrain. Dies macht das
Vorhandensein gut funktionierender Einrichtungen und Anlagen für die antiken
Abb. 102 Die Siedlung Immurium. Die mansio (J) liegt etwas abseits im Westen.
Reisenden notwendig: Stationen für Spanndienste (mutationes), Raststätten
(mansiones). Kleinere Siedlungen und Heiligtümer müssen entlang der Strecke
bestanden haben. Mutationes werden für die Orte Tweng, südlich des Passes und
Untertauern, nördlich des Passes angenommen, denn noch bis ins 20. Jh. gab es in
beiden Orten Versorgungspunkte für Gespanne und Passwanderer3.
Ein besonders gutes Beispiel für einen solchen Versorgungskomplex ist die römische
Siedlung und Straßenstation Immurium bei Schloss Moosham, unweit der
Straßenkreuzung Iuvavum, Virunum und Teurnia. (Abb. 102)
1
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 25. Zusammen mit einer größeren Anzahl weiterer Brandgräber,
mehreren Mauerresten und einem völlig zerstörten Gebäude mit Hypokaustum von F. Narobe zw.
1925 und 1930 aufgedeckt. Die Fundstelle liegt westlich der römischen Straße durch den
Schindergraben, ca. auf der Höhe von Meile 31,5 a Teurnia.
2
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 17: Von Norden nach Süden überquert die Straße beim Anstieg zum
Tauernpaß zweimal die Taurach, beim Abstieg weitere fünfmal die südliche Taurach. Wie die Mur und
der Leißnitzbach zwischen Moosham und Sankt Margarethen überwunden wurde, ist bisher unklar.
3
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 24.
207
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Der Großteil unserer archäologischen Erkenntnisse stammt aus einer Grabung, die
zw. 1964 und 1970 durchgeführt wurde und im Zuge derer insgesamt 10 Gebäude
erforscht werden konnten1.
Die Siedlung liegt unüberbaut an einem windgeschützten Südhang auf ca. 1100 m
Meereshöhe, in erhöhter Lage über dem Murtal (Abb. 98). Die Bauten passen sich
dem teilweise steilen Gelände an, unter ihnen befinden sich mehrere Wohnhäuser,
ein Bad, ein Mithräum und ein Stationsgebäude (Abb. 102).
Von den ergrabenen Gebäuden scheint die sog. Mansio J, das älteste zu sein. Es
handelt sich dabei um einen mindestens 32.30 x 22.85 m großen Komplex, bei dem
in typischer Weise Räume und Stallungen um einen zentralen Hof angeordnet sind.
Der Südostteil des rechteckigen Hofes ist seit der Antike abgerutscht. Eine ca. 3 m
breite Einfahrt findet sich im Südwesten. Zwei Räume im Norden der Mansio
verfügen über Hypokaustheizungen. Die bevorzugten Räume werden im Südosten
talseitig rekonstruiert2. Fragmente von Mörtel mit Rutenabdrücken deutet darauf hin,
dass die Fundamente aus Bruchstein aufgehendes Mauerwerk in der Technik des
opus craticium trugen. Es haben sich keine Hinweise auf das Vorhandensein eines
Oberstockes gefunden, ebensowenig gibt es einen Keller. Als Reste der
Innenausstattung haben sich
Fragmente
von
bunt
bemaltem Wandverputz und
blau-grünes
Fensterglas
erhalten. Das Fundmaterial
aus diesem Gebäude ist
sehr aussagekräftig: Es fand
sich dort die größte Anzahl
von Amphorenscherben in
der
ganzen
Siedlung,
darunter die Typen Dressel
6B, die von augusteischer
Zeit bis in die erste Hälfte
des 2. Jhs. datieren und
wahrscheinlich Öl aus Istrien
beinhaltet haben. Außerdem
fanden sich Weinamphoren
des Typs Dressel 2-4, die
bis Ende des 1. Jhs. im
Westen
des
römischen
Reiches produziert wurden3.
Datierende Münzen lassen
daran denken, dass die
Mansio schon im Zuge der
Erbauung der Straße Virunum – Iuvavum errichtet worden ist.
Wie für eine mansio zu erwarten, gibt es im Fundmaterial auch Wagenteile und eine
Hipposandale, die man wahrscheinlich beim Aufstieg auf die angrenzenden Pässe,
den Last-und Zugtieren unter die Hufe schnallte4.
Gute Vergleichsbeispiele, für diesen Gebäudekomplex, finden sich auch auf einigen
Pässen der Westalpen: Auf dem Scheitelpunkt des Kleinen St. Bernhard ist ein Bau
Abb. 103 Sondage auf der römischen Straßentrasse bei
Immurium
1
R. Fleischer, die römische Straßenstation Immurium – Moosham im Salzburger Lungau.= AS 4, 1998
R. Fleischer, AS 4, 1998, 41.
3
V. Moucka-Weitzel, AS 4 1998, 116.
4
V. Moucka-Weitzel, AS 4 1998, 170f.
2
208
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
bekannt, der mit seiner Langseite an der vorbeiziehenden Passstraße liegt. Um einen
Innenhof mit Einfahrt lagern sich zwei Gebäudeflügel, die wahrscheinlich mit Ställen
und Wohnräumen zu identifizieren sind. Ähnliche Befunde gibt es auf den
Passhöhen des Großen St. Bernhard und der Station In Alpe Graia1. Eine
Raststation derselben Größe, Struktur und Entstehungszeit ist schließlich aus Riom,
am nördlichen Zugang zum Julier- und Septimerpass bekannt2 (Abb. 104).
Am Ende des 1. Jhs. scheinen fast alle ergrabenen Bauten in Immurium bereits
bestanden zu haben, das für eine Raststation typische Badegebäude wurde in
flavischer Zeit erbaut3.
Die Siedlung lebte vor allem von der Straße. So wurden in allen Gebäuden außer der
Mansio zahlreiche Eisen- und Schlackenfunde gemacht, auch Bronzeguss und
Abb. 104 Vergleich zw. der mansio von Immurium (li.) und Riom (re.) Im selben Maßstab.
Textilproduktion sind nachgewiesen4. Wie lange die Station in Betrieb war, ob bis ins
4. oder vielleicht sogar ins 5. Jh., lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, da keine
sicheren Befunde aus der Spätantike angetroffen wurden.
Der Verlauf der römischen Straße im Bereich von Immurium lässt sich nicht mehr mit
Sicherheit feststellen (Abb. 103). Ob sich die severische Straße nach Teurnia erst auf
der Südseite des Murtales von der frühkaiserzeitlichen Straße nach Virunum gabelte,
damit nicht zwei getrennte Trassen über den überschwemmungsgefährdeten
Talboden geführt werden mussten, konnte bisher nicht geklärt werden5.
1
H. Bender, Kleine Schriften Aalen 13, 1975, 23.
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 103-196.
3
R. Fleischer, AS 4, 1998, 47.
4
R. Fleischer, AS 4, 1998, 49.
5
R. Fleischer, AS 4, 1998, 51.
2
209
Die Römer auf den
•
Die Passstraße über
Hinterlassenschaften
Pässen der Ostalpen
die
Laussnitzhöhe
und
deren
archäologische
An der eben beschriebenen Kreuzung hat bereits die nächste römische Passstraße
ihren Anfang:
Da die Trasse durch den Leißnitzgraben bereits ausgeprägte Züge einer Bergstraße
trägt und zugleich eine der besterhaltenen Römerstraßen in Österreich ist, soll sie in
die Beschreibung der Radstädter Tauernstraße eingebunden werden1. Diese ist ein
Teil der von Teurnia kommenden Abkürzung durch das Liesertal, über Gmünd und
Rennweg. Weiter läuft der Straßenzug über den Leißnitzgraben hinauf, um am
Abb. 105 Die bekannten Abschnitte der römischen Paßstraße auf die Laußnitzhöhe. Im
Vordergrung das Murtal. Im linken, unteren Bildbereich liegt Immurium.
höchsten Punkt der Strecke, ca. 4 Kilometer südöstlich des heutigen Überganges
über den Katschberg, das obere Ende des Leißnitzgrabens zu erreichen. Der darauf
folgende Streckenabschnitt zwischen der Laußnitzhöhe und St. Margarethen im
Lungau lässt sich allgemein folgend charakterisieren (Abb. 105/106):
Auf einer Strecke von 8800 Metern und einem Höhenunterschied von 725 Metern
verläuft die Straße in sieben Serpentinen von der Passhöhe der Laußnitz hinunter ins
1
R. Fleischer, AS 4, 1998, 11. Die Trasse kann noch heute auf weiten Strecken begangen werden,
sie ist allerdings durch den Bau moderner Forststraßen von der Zerstörung bedroht.
210
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Tal der Mur. Das ergibt eine durchschnittliche Steigung von 8,24 % bei einer
Fahrbahnbreite von ca. 2,5 Metern, die an einigen Stellen auch bis zu 3,5 Metern
betragen kann. Diese auffallend breiten Straßenstücke könnten vielleicht als
Ausweichstellen gedient haben. Spuren der römerzeitlichen Befahrung durch Wagen
oder Karren haben sich ja, wie oben bereits erwähnt, in Form von Rad-Funden auf
der Tauernstrecke erhalten1.
Die Bauweise der Straße variiert je nach Gelände und Untergrund:
An ebenen Stellen besteht sie aus einem leicht gewölbten Damm (20-30cm Höhe),
der aus dem unmittelbar anstehenden Erdmaterial aufgeschüttet und an der
Abb. 106 Luftaufnahme von der Laußnitzhöhe mit Blick nach Norden. Die römische Straße verläuft
über den Leißnitzgraben (bewaldet, vom unteren Bildrand – Mitte in Richtung Talboden) ins Murtal
hinab. Im Bildzentrum Schloß Moosham und Immurium.
Oberkante mit Steinen ausgelegt wurde. Sand und Erde, die als
Ausgleichsmaterialien zwischen die Steine planiert wurden, sind heute größtenteils
ausgeschwemmt.
Verläuft die Straße einem Hang entlang,
ist sie in diesen eingeschnitten und meist
leicht nach außen geneigt, um ein
Abfließen von Wasser zu ermöglichen. An
wenigen Stellen ist noch ein Halbdamm
an der Außenseite erhalten, auch
regelmäßig verlegte, große Steinplatten
oder Blöcke als Randsteine in weiteren
Abständen kommen vor. An der Bergseite
treten ebenfalls Randsteine auf, meistens
zusammen mit einem 1-3 Meter breiten
Straßengraben. Besonders im feuchten
und
sumpfigen
Bereich
des
Leißnitzgrabens sind noch Reste davon
Abb. 107 Drei Meilensteine in situ von der 27.
anzutreffen. Typischerweise beginnt der Meile a Teurnia, vom Wirtsberg im Grainwald
1
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 16.
211
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Straßengraben flach, tieft sich auf 30 bis 70cm ein, um nach kürzerer oder längerer
Strecke wieder zu verflachen und das Wasser entweder durch eine Ableitung oder
über den festen Straßenkörper talseitig abfließen zu lassen.1
Schlitten- oder Radspuren sowie Stufen konnten im Leißnitzgraben bisher nirgends
festgestellt werden2.
Entlang der eben beschriebenen Strecke, die von ihrem Ausgangspunkt Teurnia, bis
zu ihrer Einmündung in die Straße Virunum-Juvavum bei Immurium, weder im
Itinerarium Antonini, noch in der Tabula Peutingeriana verzeichnet ist, wurden
insgesamt 8 Meilensteine gefunden3. Eine Besonderheit stellt der Umstand dar, dass
sich drei dieser Steine, als einzige der zahlreichen Exemplare im Lungau, noch quasi
in situ befinden (Abb. 107). Es sind dies die drei Steine von der 27. Meile a Teurnia,
die 1925 von F. Narobe am Wirtsberg im Grainwald, etwas unterhalb des
Abb. 108 Römische(?) Dammstraße, am Beginn des 20. Jhs. von O. Klose auf der Paßhöhe des
Radstädter Tauern aufgenommen.
Pflegermais, wiederentdeckt wurden4.
Bei der Fundstelle handelt es sich um eine der oben beschriebenen, sumpfigen
Passagen der Strecke, an der Spuren älterer Hangabrutschungen zu erkennen sind.
Überhaupt besteht der ganze Hang entlag der sechs römische Meilen langen Strecke
durch den Groanwald aus weichem Glimmerschiefer, der zu starker Lehmbildung
und Versumpfung neigt5. Aus diesem Grund wird das Vorhandensein von mehreren
1
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 17.
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 17.
3
H. Wurm, RÖ 1-3, 1973-75, 307. Der Stein von Moosham (Winkler, 1985, 76f. Nr. 85) wurde bereits
im Zusammenhang mit der Tauernstrecke genannt und wird deshalb nicht mitgezählt.
4
H. Wurm, RÖ 1-3, 1973-75, 310.
5
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 23.
2
212
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Meilensteinen an einer Stelle mit späteren Reparaturarbeiten in Verbindung
gebracht1. Einer der drei Steine2 ist so stark verwittert, dass eine Lesung nicht mehr
möglich war. Er besteht aus Schaidberger Marmor und wird dem Septimius Severus
zugewiesen3. Damit würde er in die Zeit der Erbauung dieser Straße fallen. Der
zweite Stein4 (Material: Gneis) trägt ebenso wie jener von der 41. Meile (CIL III,
5719) und jener von der 45. Meile5 Namen und Titel des M. Iulius Philippus (Iunior).
Der dritte Stein6 (Material: Dunkler Quarzit) ist wiederum kaum lesbar, trägt aber die
Reste einer Kaisertitulatur, ohne allerdings mit Sicherheit bestimmt werden zu
können7. Vielleicht handelt es sich dabei um einen Meilenstein des Philippus Arabs,
der, wie bereits erwähnt, an der Tauernstrecke auch an zwei Stellen neben dem
seines Sohnes aufgestellt worden war.
Neben diesen vollständig erhaltenen Exemplaren wurden an dieser Stelle noch zwei
Fragmente eines Steines von Kaiser Decius gefunden, die in das Jahr 249 n. Chr.
datiert werden8. Da dieser Stein bereits wenige Jahre nach dem des Philippus Iunior
und des Phiippus Arabs (?) aufgestellt wurde, bleibt es unklar, ob erneute
Rearaturarbeiten oder propagandistische Gründe dafür verantwortlich waren. Man
darf nicht vergesen, dass diese Paßstraße, auch besonders an einer Stelle, die
heute noch mitten im Wald und kilometerweit von jeder menschlichen Siedlung
entfernt liegt9, ein Ort war, an dem die Kaiser sich präsentierten und auf die
Reisenden wirken wollten.
Es folgt der Stein a T(eurnia) m. p. IIXXX (CIL III, 5714), der unter Septimius Severus
aufgestellt und im Groanwald bei „Geschnittene Baumtratten“ aufgefunden worden
war 10.
Die letzten drei Steine aus dem Leißnitzgraben11 stammen alle von unbekannten
Fundorten oder aus sekundärer Verendung im Raum Triegen und werden den
Meilen 29 / 30 und 31zugeordnet und in severische Zeit datiert.
An dieser Stelle, zwischen den Meilen 30 und 31, ergibt sich wieder die Möglichkeit,
einen plastischen Eindruck von den Schwierigkeiten zu bekommen, mit welchen die
Römer beim Bau und Erhalt ihrer Bergstraßen zu kämpfen hatten:
In diesem Abschnitt überquert die Trasse die Leißnitz und die Traun, beide, vor ihrer
Verbauung, Wildbäche mit ständig sich verlagerndem Flussbett und regelmäßigen
Überschwemmungen. Wenn man von den bekannten Standorten von Meilensteinen
ausgeht und die theoretischen Standorte der anderen entlang der Strecke ausmisst,
kommt es zwischen der 30. und 31. Meile zu einer Distanz, die um 300 bis 500 Meter
zu lang ist. Da man davon ausgehen kann, dass die Steine bei ihrer Aufstellung alle
von einem Ausgangspunkt (in unserem Fall Teurnia) gleichmäßig eingemessen
1
F. Narobe, ÖJh 29, 1935, Beibl. 270.
Winkler, 1985, 76f. Nr. 77.
3
F. Narobe, ÖJh 29, 1935, Beibl. 267: Sämtliche leserlichen Meilensteine des Septimius Severus,
entlang dieser und der Tauernstrecke, sind aus diesem Material, ebenso weitere Inschriften. Alle
Steine anderer Kaiser sind aus anderen Materialien. Der Steinbruch von Schaidberg liegt an der
Tauernstraße.
4
Winkler, 1985, 76f. Nr. 79.
5
Passhöhe Radstädter Tauern, Winkler, 1985. 78f. Nr. 99
6
Winkler, 1985, 76f. Nr. 78.
7
H. Wurm, RÖ 1-3, 1973-75, 314.
8
Ersterwähnung: F. Narobe, FÖ 2, 1934-37, 45. Winkler, 1985, 76f. Nr. 80. H. Wurm, RÖ 1-3, 197375, 314-316. Heute in der Kirche von St. Margarethen befindlich.
9
F. Narobe, ÖJh 29, 1935, Beibl. 270. So war die topographische Situation zumindest in den 30er
Jahren.
10
Narobe 1960, 19, Nr. 1. Winkler, 1985, 76f. Nr. 81. Befindet sich heute in Salzburg, Museum
Carolino-Augusteum.
11
Winkler, 1985, 76f. Nr. 82, 83, 84. F. Narobe, MGSL 100, 1960, 19, Nr. 13, 12, 14.
2
213
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
wurden, kann man sich diese überlange Distanz nur dadurch erklären, dass die
Trassenführung zwischen beiden Meilensteinen später verändert wurde1.
Der Meilenstein von der 30. Meile stand ursprünglich wahrscheinlich östlich der
Leißnitz, ungefähr gegenüber von St. Margarethen. Die heute bekannte Trasse
überquert den Talgrund des Leißnitzgrabens von Osten kommend, läuft in einer
großen Serpentine über den Schuttkegel des Leißnitzbaches auf Triegen zu und
führt schließlich auf das andere Ufer der Mur, wo der Stein der 31. Meile aufgestellt
gewesen sein muss. Wenn man die Distanz zwischen den beiden theoretischen
Standpunkten ungefähr geradlinig annehmen würde, käme man wieder auf einen
Abstand von einer römischen Meile und damit auf den Streckenverlauf in severischer
Zeit. Da die Straße aber durch den sumpfigen Talgrund im Bereich des
Zusammenflusses zwischen Leißnitzbach der Mur führte und den Gefahren durch
Hochwasser schutzlos ausgeliefert war, wurde sie auf den besser geeigneten
Schuttkegel der Leißnitz verlegt.
Diese gesamte, unter Septimius Severus neu angelegte Strecke, ist offenbar aus
eben diesen topographischen und geologischen Schwierigkeiten in nachrömischer
Zeit nicht mehr weiter benutzt worden. Man wählt stattdessen den leichteren
Murübergang bei St. Michael am Katschberg2.
Im Gegensatz zur eben beschriebenen, relativ gut bekannten Trasse durch den
Leißnitzgraben, ist die weitere Straßenführung Richtung Süden noch weitgehend
unerforscht. Lediglich im Sattelbereich zwischen Laussnitzhöhe und Schnögelitzhöhe
konnte 1997 im Zuge einer Feldbegehung der Straßenverlauf der Südseite auf einer
Strecke von ca. 800m bestimmt werden3. Um die sumpfigen Quellwiesen des
Laussnitzbaches zu überqueren, welche die Passhöhe schwer passierbar machen,
wurde ein vier Meter breiter Damm aufgeschüttet, der auf einer Länge von gut 150m
erhalten ist. Weiter verläuft die Straße am Südhang des Passes entlang und kann
über eine Länge von ca. 600m verfolgt werden. In diesem Bereich finden sich die
Spuren von berg- und talseitigen Straßenbefestigungen. Diese verlieren sich
allerdings bald, da der Kegel einer großen Mure die Fortsetzung der Römerstraße
überlagert. Das neue Trassenstück hat ein durchschnittliches Gefälle von etwa 8%
und entsprich damit der oben besprochenen Nordseite4. Berücksichtigt man die
Entfernung nach Teurnia und den relativ beschwerlichen und zeitraubenden
Übergang über die Laußnitzhöhe so muss es eine Straßenstation gegeben haben,
die etwa im gleichen Abstand südlich des Passes lag, wie Immurium nördlich. R.
Fleischer vermutet diese Station etwa im Raum von Krems5, von wo der erste
römische Fund stammt, der südlich der Passhöhe bekannt ist. Es handelt sich um
eine Inschrift mit Reliefbüste in der Nähe der Kirche von Krems im Liesertal6.
1
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 23.
F. Narobe, MGSL 100, 1960, 16, 23.
3
A. Huber, FÖ 36, 1997, 839f.
4
A. Huber, FÖ 36, 1997, 840.
5
Fleischer, AS 4, 1998, 11.
6
CIL III, 4728, F. Glaser, Teurnia (1983) 137.
2
214
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.8.7 Der Pass Lueg
Der auch zum Passzugsystem Aquileia – Juvavum 2 gehörende Pass Lueg wurde
bereits in Kapitel 2.2.5.5. behandelt.
215
Die Römer auf den
216
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.2.9 Koppensattel / Pötschenpass
•
Topographie
Im Ausseer Land, an der Grenze zwischen Salzburg und der Steiermark, befinden
sich die einzigen Durchgangsmöglichkeiten vom Hallstätter See und dem nördlichen
Alpenvorland durch die nördlichen Kalkalpen ins Ennstal und weiter über
Koppensattel und Pötschenpass nach Süden.
Der Übergang über den Pötschenpass liegt auf einer Höhe von ca. 1000 m und ist
von hohen Waldabhängen umgeben, im Norden begrenzt durch die Sandlinggruppe,
im Süden durch den der Hohen Sarstein (1975 m). Südlich des Hohen Sarsteins
verläuft in ost-westlicher Richtung das Koppental, dessen höchsten Punkt der
Koppensattel mit 691 m Höhe bildet. Das enge Koppental wird im Süden durch die
Hänge des 1854 m hohen Zinkenkogels flankiert.
Abb. 109 Geländeschnitt: Koppensattel und Pötschenpass
•
Forschungsgeschichte
Die Entdeckung und Erforschung der römischen Straßen über den Koppensattel und
den Pötschenpass begann erst im Jahr 1993, als durch Prospektionen die Straße
und die Siedlung auf dem Michelhallberg entdeckt wurden1. 1995 erfolgte die erste
Ausgrabung eines antiken Gebäudes auf dem Koppensattel, welches im Jahr vorher
1
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 12.
217
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
beim Bau der Koppentalstraße entdeckt worden war1. Die Siedlung auf dem
Michlhallberg und die Straße über den Pötschenpass wurden in den Jahren 1997 bis
1999 archäologisch untersucht, die Publikation der Ergebnisse erfolgte im Jahr 2001
durch G. Grabherr2. Den vorläufig letzten Beitrag zur Erforschung des Koppensattels
lieferte schließlich M. Winholz-Konrad im Jahr 2003, als sie epochenübergreifend
sämtliche Metallfunde entlang der Traun vorlegte und sich dabei vor allem auf neue
Ergebnisse aus Prospektionen des BDA stützen konnte3.
•
Die Passstraßen und deren archäologische Hinterlassenschaften
Dass diese Wege schon früh begangen wurden, zeigen bronze- und römerzeitliche
Funde, die bei Begehungen vom Koppen- und Kainischtraun, vom Mitterndorfer
Becken bis zum Hallstätter See gemacht wurden4. Der erste Begehungsschwerpunkt
liegt dabei bereits in der Urnenfelder- bzw. Frühhallstattzeit, seitdem scheint der Weg
durch das Kainisch- und Koppental häufig begangen worden zu sein, das Gros des
Verkehrs in römischer Zeit lief aber sicher über den Michlhallberg5.
Aus dem Gebiet südlich von Bad Aussee und vom östlichen Anstieg zur Passhöhe
des Koppensattels sind bereits zahlreiche römische Funde bekannt: Besonders
interessant ist u. a. ein Glockendepot, welches am rechten Kainischufer, ca. 3.5 km
südöstlich von Bad Aussee gefunden wurde6. Es setzt sich aus fünf vollständig
erhaltenen Bronzeglocken zusammen, die ihrer Form nach in die römische Kaiserzeit
datieren sollen7. Bedenkt man die Lage ihres Fundortes und vergleicht mit anderen
römischen Artefakten entlang dieser Verkehrsverbindung (vor allem Hipposandalen),
so handelt es sich wahrscheinlich um Tierglocken, wie sie von Saum- und Zugtieren
geschirrt getragen wurden8. Daneben könnten sie natürlich auch Teile eines
Musikinstrumentes gewesen sein oder kultische Funktion gehabt haben9.
Aus dem Bereich zw. Bad Aussee und der Passhöhe kennen wir eine ganze Reihe
von Zeugnissen aus der römischen Zeit: In Unterkainisch sind auf einer Terrasse
über dem rechten Traunufer bereits Anfang der 80er Jahre des 20. Jhs. römische
Gebäudereste lokalisiert worden, die möglicherweise mit einer nahen Furt über den
Fluss in Verbindung stehen10. Seitdem wurden dort 11 Münzen und andere
metallische Kleinfunde entdeckt. Die Prägungen stammen fast ausschließlich aus
dem 2. und 3. Jh. n. Chr., bei den restlichen Funden handelt es sich um das
1
Erstpublikation: B. Hebert, Neue und ältere Funde zur Römerzeit im Ausseerland, Da schau her 1,
1995, 9-16. Ausserdem: B. Herbert, Ein römisches Gebäude im Koppental, Da schau her 4, 1995, 1618. B. Hebert, FÖ 34, 1995, 722.
2
G. Grabherr, Michlhallberg. Die Ausgrabungen in der römischen Siedlung 1997-1999 und die
Untersuchungen an der zugehörigen Straßentrasse, Schriftenreihe des Kammerhofmuseums Bad
Aussee 22 (2001).
3
M. Windholz-Konrad, Funde entlang der Traun zwischen Ödensee und Hallstätter See, FÖMat A 13
(2003).
4
B. Hebert, U. Steinklauber, AÖ 8/2, 1997, 52.
5
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 94f.
6
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 63f. F. Mandl, Mitteilungen der ANISA 21, 2000 74-84. B.
Hebert, FÖ 39, 2001, 140, Anm. 3, Abb 7.
7
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 64. Zur Typologie: W. Nowakowski, Archaeologia Polona
XXVII, 1988, 77ff.
8
Vergleichsbeispiele sind zuletzt u. a. aus dem oberbayrischen Monatshausen bekannt geworden: J.
Garbsch, Arheološki Vestnik 54, 2003, 299-314.
9
Windholz-Konrad, ebenda.
10
D. Kramer, ZHVSt 72, 1981, 217. M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 29.
218
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Fragment einer Kniefibel mit Spiralhülse und um fünf Fragmente von
Hipposandalen1.
Von Unterkainisch aus beginnt schließlich der Aufstieg zum Koppensattel. Die
Prospektionen der letzten Jahre haben auch hier zahlreiche römische Funde zu Tage
gebracht: Neben vier Hipposandalen, zwei Hipposandalenfragmente, eine Kniefibel
mit Spiralhülse, eine Kniefibel mit Kopfplatte und drei doppelt geschweifte
Eisenmesser 2. Auf der Passhöhe selbst wurden die Fundamente eines
Holzgebäudes aus der späten Kaiserzeit ausgegraben. Dieses liegt in der Nähe der
höchsten Stelle der heutigen Koppentalstraße (Kote 691), beinahe genau auf halbem
Weg zwischen Bad Aussee und dem Hallstätter See, mitten in schwer begehbarem
und lawinengefährlichem Gebiet. Auf Grund dieser auffälligen Lage und dem
Vorhandensein einer Quelle, vermutet man, dass es sich dabei um ein antikes
Rasthaus oder eine Schutzhütte auf dem Weg über den
Koppensattel gehandelt haben könnte. Das Fundmaterial
bestand aus Keramik des 2. bis 4. Jhs. n. Chr., zwei
Hipposandalenfragmenten, einem verzierten Blechfragment,
mehreren Eisenteilen und zwei fragmentierten Schleifsteinen3.
Aus der unmittelbaren Umgebung der Hütte stammen zudem
sechs Kniefibeln mit Kopfplatte und drei kräftig profilierte Fibeln.
Etwa 100-150 Meter südlich der Hütte fanden sich zwei weitere
Hipposandalen4.
Längere Altstraßenreste konnten bislang vor allem auf der
Westseite dieser Strecke im Gelände festgestellt werden. Am
linken Traunufer ist noch eine Wegtrasse sichtbar, entlang derer
sich Funde von der Urnenfelder bis zur Neuzeit linear aufreihen.
Sie tritt teils als Hohlweg, teils als eingeschnittene Hangstraße
auf. Der Schwerpunkt des Fundmaterials liegt eindeutig in der
Römerzeit und überrascht mit einer erstaunlichen Typenvielfalt5:
U. a. ein Fingerring mit Gemme, eine kräftig profilierte Fibel,
eine Hipposandale, der Fuß einer Vogelkopffibel und ein KupferFollis des Constantinus I. (329/330 n. Chr.) Vom Rest der
Strecke stammen zudem ein Billion-Antoninian des Probus,
geprägt in Siscia 278 n. Chr., acht fast vollständig erhaltene
Hipposandalen, zahlreiche weitere Fragmente, ein Terra
Sigillata Randstück der Form Dragendorff 32 (2. Hälfte 2. Jh. n.
Chr.), ein Rasiermessergriff, vier Fibeln6 und vier doppelt
geschweifte Eisenmesser.
Am Ende des Koppentales weitet sich das enge Gelände wieder
und am linken Ufer der Traun konnten entlang eines
Nordabhanges wiederum zahlreiche römische Funde entlang
Abb. 110
Hipposandaleneiner Linie aufgelesen werden7. In diesem Bereich nähert sich
Typologie nach
der Verlauf der Traun direkt dem ansteigenden Gelände und
Aubert
schafft eine Engstelle, an der der Verkehr zu allen Zeiten
kanalisiert wurde. Neben einem Sesterz des Hadrian und zwei
1
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 30.
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 33, 35.
3
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 33.
4
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 35.
5
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 36f.
6
Darunter eine ostalpine Tierkopffibel, eine norisch-pannonische Doppelknopffibel und zwei kräftig
profilierte Fibeln.
7
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 37.
2
219
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Assen des Marc Aurel, die sich alle wegen ihres schlechten Erhaltungszustandes
nicht mehr genauer klassifizieren lassen1, fanden sich 21 Hipposandalenfragmente,
eine fragmentierte Kniefibel mit Spiralhülse und eine Kniefibel mit Kopfplatte. Dieses
reichhaltige
Fundspekturm
wird
schließlich
vorläufig
durch
15
Hipposandalenfragmente und eine Ringfibel am Südufer des Hallstätter Sees
abgeschlossen2.
Zusammenfassend kann die römische Präsenz am Koppensattel wie folgt
charakterisiert werden: Von Unterkainisch bis zum Hallstätter See wurde zw. dem 1.
und 4. Jh. n. Chr. ein bereits prähistorisch begangener Weg am linken Ufer der Traun
weiter genutzt. Der Schwerpunkt liegt dabei im 2. und 3. Jh. n. Chr. Am östlichen
Ausgang des Passweges befand sich eine Siedlung bislang unbekannten
Ausmaßes, die wahrscheinlich an
einer Furt über die Traun gelegen
hat. Von der Passhöhe kennen wir
den Grundriss einer sehr einfachen
Gebäudes, welches möglicherweise
als Rasthaus gedient haben könnte.
Die vielen Hipposandalen weisen
auf einen regen Saumtierhandel
hin, welcher sicher mit den Salzund
Kupfervorkommen
der
Umgebung
in
Zusammenhang
steht.
Ein
weiterer,
hochalpiner
Römerweg verläuft nur wenige
Kilometer nördlich von Altaussee
über das Sandlingmassiv zum
Hallstätter See. Es handelt sich
dabei um den antiken Vorgänger
der heutigen Pötschenstraße, der
teilweise gut im Gelände sichtbar ist
und dessen Nachweis auf einer
Strecke von mehreren Kilometern
gelang3. Erste Spuren eines
Hohlweges finden sich bereits
östlich des Passes, in der Nähe von
Oberlupitsch. Diese Spuren lassen
sich nicht durchgehend verfolgen,
doch tauchen weitere Trassenreste
Abb. 111 Trasse südöstlich der Flohwiese
im Bereich der sog. Fischerwiese
und am nordwestlichen Ende des
Hochmoores Habersamerin auf. Das Weggefälle liegt auf diesem Abschnitt zw. 10
und 15%4. Als auf der Fischerwiese über der Trasse ein Schnitt angelegt wurde,
stellte man unter einer neuzeitlichen Befestigung eine zweilagige Schicht von
1
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 65.
M. Windholz-Konrad, FÖMat A 13, 2003, 38.
3
Die bekannte Trasse wurde 1997 durch das BDA eingemessen. Publiziert im Zusammenhang mit
dem Forschungsprojekt „Probleme der Altstraßenforschung, Passübergänge, Höhenheiligtümer“ der
Universität Innsbruck.
4
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 93f.
2
220
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Knüppelhölzern fest, die auf Grund von C14 Analysen in die Zeit zw. 140 und 320 n.
Chr. datiert werden1. Am nordwestlichen Ende des Hochmoores und auf dem
Plateau östlich der Siedlung auf dem Michlhallberg wurden ebenfalls Straßenschnitte
angelegt, welche aber keinen festen Straßenkörper aufdecken konnten. Die
Fortsetzung der Straße im Westen der Siedlung ist durch einen Bergsturz aus dem
Jahr 1920 auf einer Länge von 300 m zerstört, im Anschluss daran tritt sie als 5.5 m
breiter Hohlweg mehrmals in Erscheinung, verliert sich dann jedoch endgültig im
Bereich der sog. Flohwiesen2 (Abb. 111).
Man fand auf der eben beschriebenen Strecke zahlreiche römische Funde, was die
Rekonstruktion des antiken Wegverlaufes untermauert. Besonders hervorzuheben
sind dabei mehr als 145 Hipposandalen und deren Fragmente, die in römischer Zeit
entlang dieser Bergstraße oder in der Siedlung verloren worden sind. Sie sind ein
Beweis für die relativ starke Frequentierung und für die Schwierigkeiten der Strecke.
Von den 145 publizierten Stücken gehören alle bis auf zwei zum Typ Aubert 1. Damit
entsprechen sie dem Bild, welches sich bisher generell im Ostalpenraum
abgezeichnet hat3. Vergleichsbeispiele aus dem Einzugsbereich von ostalpinen
Pässen gibt es in Leermoos 4, Gabromagus 5, Immurium 6 und Ad Pirum7. Da
Hipposandalen wahrscheinlich vor allem für Zug- und Lasttiere verwendet wurden
und dazu dienten, den Huf auf Fels, Geröll, Schnee und Eis vor Abnutzung zu
schützen, können sie als charakteristische Fundgattung auf und an Passstraßen
angesehen werden (Abb. 110).
Entlang der Strecke wurde zudem im Jahre 1760 am sogenannten „Spielstein“ ein
Münzschatz bestehend aus mehreren Hundert römischen Prägungen entdeckt8.
Auf eine stärkere Nutzung dieses Weges in der Spätantike deutet eine Siedlung am
Michlhallberg hin. Sie liegt auf mehreren Terrassen im Hangverlauf an der
Scheitelstelle der Passstraße auf ca. 1000 m Seehöhe. Angelegte Grabungsschnitte
förderten neben zahlreichen Funden auch Baureste zu Tage. Die Anlage wird mit
Salzgewinnung in Verbindung gebracht, wie sie an dieser Stelle für das Mittelalter
belegt ist. Werkzeuge zur groben Steinbearbeitung und Militaria des 3. und vor allem
4. Jahrhunderts erhärten die Annahme. Die zahlreich gefundenen Hufschuhe
könnten dabei beim Abtransport des Salzes zum Einsatz gekommen sein.
Dagegen kommt die Interpretation als vicus im Sinne einer landwirtschaftlich und
kleingewerblich bestimmten Siedlung wegen der Lage kaum in Frage, höchstens
Holzwirtschaft wäre als Erwerbsquelle denkbar9. Der Besiedlungszeitraum lässt sich
durch die Auswertung der Münzreihe (Sesterz des Hadrian – zwei Centenionales des
Theodosius I.) und anderer Kleinfunde (Trachtbestandteile, Keramik) auf die Zeit vom
Ende des 2. Jhs. n. Chr. bis zum Ende des 4. Jhs. n. Chr. einengen10.
1
B. Hebert, U. Steinklauber, AÖ 8/2, 1997, 53.
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 95.
3
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 72. X. Aubert, Rev. Mus. et Collect. Arch. 4, H. 19, 1929, 5ff.
4
J. Pöll, 1998, 13-15.
5
Ch. Schwanzar, Metall-, Glas- und Beinfunde der Grabungen 1984/85, 1995 sowie Altfunde. In: P.
Assmann (ed), 2000, 37.
6
V. Moucka-Weitzel, Die Kleinfunde von Immurium-Moosham. In: AS 4, 1998, 171.
7
U. Giesler, Die Kleinfunde. In: T. Ulbert, Ad Pirum (Hrusica). MBV 31, 1981, 77.
8
R. Noll, Römische Siedlungen und Strassen im Limesgebiet zwischen Inn und
Enns, Der römische Limes in Österreich 21 (1958) 26.
9
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 91.
10
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 92.
2
221
Die Römer auf den
222
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
2.2.10
•
Pässen der Ostalpen
Der Sölkpass
Topographie
Der Sölkpass (1788 m) bildet einen Übergang über den Alpenhauptkamm im Bereich
der Niederen Tauern und verbindet das Ennstal und das Salzkammergut im Norden
sehr geradlinig mit dem Murtal im Süden. Der Pass liegt in der Mitte zwischen den
Radstädter Tauern im Westen und den Triebener Tauern im Osten. Das Sölktal
beginnt bei Stein an der Enns (770 m) und teilt sich wenige Kilometer weiter südlich
in die sog. Kleine - und in die Große Sölk. Über die Große Sölk erreicht man den
Scheitelpunkt der Passstraße, die sog. Sölkerscharte. Beim Abstieg gelangt man auf
das Gebiet des Gemeinden Schöderberg und Bayerdorf (894 m) im Murtal.
Abb. 112 Geländeschnitt: Sölkpass
•
Forschungsgeschichte
Eine umfangreichere Untersuchung der archäologischen Hinterlassenschaften
entlang der Straße über den Sölkpass ist bisher nicht erfolgt. Frühe Fundnachrichten
aus dem 19. Jh. betreffen ausschließlich die Urgeschichte. Den Versuch, auch die
Römerzeit in die Geschichte des Passes mit einzubeziehen, machten erst O.
Fraydenegg-Monzello und A. Ziegerhofer im Jahr 1997, im Zuge ihrer Publikation
über die Geschichte und Entwicklung des Sölkpasses1. Eine Bestärkung ihrer
Vermutung liefert ein römischer Passfund, welcher im Jahr 1999 in den
Fundberichten Österreichs bekannt gemacht wurde2. Er steht im Zusammenhang mit
neuen, systematischen Forschungen durch das BDA unter der Leitung von B.
Hebert, die noch nicht abgeschlossen und vollständig veröffentlicht sind3.
1
O. Fraydenegg-Monzello / A. Ziegerhofer, Der Sölkpass. Vom Saumpfad zur Erzherzog-JohannStraße (1997).
2
FÖ 38, 1999, 53.
3
B. Hebert, Archäologisches rund um den Sölkpass. In: A. Loseries-Leick, Sölkspuren III, 2002, 6875.
223
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
Ähnlich, wie auch auf anderen Pässen, gehen die ersten Funde jedoch schon auf die
Straßenbauarbeiten des 19. Jhs. zurück und deuten auf eine Frequentierung der
Strecke bereits ab dem Neolithikum. Mit Blick auf die mittelalterliche und neuzeitliche
Frequentierung des Passes wird angenommen, dass der Sölkpass seit der Antike vor
allem als Verbindung zwischen dem Murtal und den Salzlagerstätten im Ausseer
Abb. 113 Die Paßhöhe während der Ausgrabung (links)
Land von Bedeutung war1.
Bis zum Fund eines Asses des Domitian im Jahr 1999 war man hauptsächlich darauf
angewiesen, aus den römischen Hinterlassenschaften nördlich und südlich des
Sölkpasses auf eine Frequentierung zu schließen. Genau auf der Passhöhe wurde
im Jahr 1999 ein Brandopferplatz freigelegt, welcher neben zahlreichen
Knochenfragmenten auch Keramik und Metallgegenstände enthielt (Abb. 113). Das
Fundspektrum reicht von Pfeilspitzen aus dem Neolithikum über eine bronzene Nadel
und eine eiserne Fibel aus der Urnenfelderzeit bis zu einer keltischen Münze2 und
einem As des Domitian aus dem Jahr 85 n. Chr., welches im Randbereich des
Brandopferplatzes, in einer rezent gestörten Schicht gefunden wurde3 (Abb. 114).
Auf der Passhöhe wurden mehrere Wegtrassen nachgewiesen, die als römerzeitlich
bzw. mittelalterlich angesprochen werden. Auf der römischen Trasse wurde ein
Schnitt angelegt. Während die mittelalterliche Trasse auf der Nordseite der Passhöhe
in regelmäßigen Kehren an Höhe gewinnt, zieht die als römisch angesprochene Linie
ohne Kurven auf den Scheitelpunkt des Passes zu und setzt sich auch auf der
Südseite fort(Abb. 114a/b).
Der Sölkpass liegt genau in der Mitte zwischen den beiden wichtigsten römischen
Nord – Süd – Fernstraßen Noricums und verbindet mit dem Murtal und dem Ennstal
1
O. Fraydenegg-Monzello / A. Ziegerhofer, Der Sölkpass (1997) 10.
B. Hebert, FÖ 39, 2000, 46.
3
B. Hebert, Mitteilungen der ANISA 1 / 2, 2000,.26.
2
224
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
zwei Regionen, in denen römische Besiedlung gut nachweisbar ist: Im Murtal sind
dabei neben Inschriften und Reliefs aus Pux und Frojach1, vor allem die Villa und das
mittelkaiserzeitliche Gräberfeld von Katsch zu nennen2. Diese Orte liegen entlang der
Verbindung zwischen der Norischen Hauptstraße und der Straße zw. Teurnia und
Juvavum. Nähert man sich dem Südfuß des Sölkpasses, so finden sich Reliefs in
Abb. 114a Die mittelalterliche Wegtrasse mit zahlreichen Kehren, unmittelbar nördlich der
Passhöhe. Der römerzeitliche Weg überwindet diesen Bereich in einer geraden Linie.
Althofen und in St. Peter am Kammersberg3.
Aus Schober, dem südlichen Ausgangspunkt der Passstraße sind einige römische
Münzen bekannt4. Für die Römerzeit ist eher die Existenz eines unbefestigten
Saumweges, als einer Passtrasse wahrscheinlich, auch wenn zu Beginn des 20. Jhs.
von einem aus dem Fels gehauenen Saumweg in der Nähe von Feista (Großsölk)
berichtet wurde, der den Namen „Römerstraße“ 5 trug und von dem man mittlerweile
weiß, dass es sich dabei um eine neuzeitliche Anlage handelt6.
1
FÖ 38, 1999, 585f.
W. Schmid, ÖJh XXV, 1929, BBl. Sp. 97ff.
3
FÖ 38, 1999, 585f.
4
O. Fraydenegg-Monzello / A. Ziegerhofer, Der Sölkpass (1997) 13.
5
O. Fraydenegg-Monzello / A. Ziegerhofer, Der Sölkpass (1997) 13. Vergl. H. Wimbersky, Eine
obersteirische Bauerngemeinde [St. Nikolai im Sölktal] in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung 14981899. Teil I (1907) 31.
6
B. Hebert, Die frühesten Sölkspuren – Archäologisches rund um den Sölkpass. In: A. Loseries-Leick
(Ed.), Sölkspuren III (2002) 69.
2
225
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Im nördlich an den Pass angrenzenden Ennstal fand sich in Pruggern, wenige
Kilometer nordwestlich des Sölktales 1899 ein Grabstein, der aus sog. Sölker
Marmor gefertigt ist1. Darüber hinaus sind die zahlreich nachgewiesenen
Verkehrsweg ins Ausseerland von hier aus leicht zu erreichen. Der Pass steht
Abb. 114 Der Prähistorische Brandopferplatz, an dessen Rand das As des
Domitian gefunden wurde
möglicherweise mit der neuentdeckten römischen Straße vom Ennstal über den
Koppensattel und Pötschenpass ins Salzkammergut in Verbindung2.
Die erste nachantike Erwähnung stammt erst aus dem Jahr 1080, sie bezeugt die
Burg Seliche (Sölk) und weist nach O. Fraydenegg-Monzello und A. Ziegerhofer
darauf hin, dass man den Saumweg über den Pass sichern wollte3.
Die Lage des Sölkpasses, mitten zwischen der Straße über den Radstädter Tauern
und der „via Norica“, zeigt deutlich, dass es sich in römischer Zeit um eine
Verbindung von lokaler Bedeutung handelte. Die intensiven Forschungen der letzten
Jahre haben einen starken Erkenntniszuwachs vor allem zur prähistorischen
Begehung des Passes erbracht, doch konnte durch den Münzfund auf der Passhöhe
römisches Opferbrauchtum nachgewiesen werden, ähnlich, wie wir es sonst in den
Ostalpen nur vom Hochtor und den Mallnitzer Tauern so eindeutig belegt haben4.
1
E. Novotny, Da schau her 3/3, 1982, 7.
G. Grabherr, Michlhallberg (2001) 98, 100.
3
O. Fraydenegg-Monzello / A. Ziegerhofer, Der Sölkpass (1997) 13.
4
Siehe Seite: 158 (Hochtor), 182 (Mallnitzer Tauern)
2
226
Die Römer auf den
227
Pässen der Ostalpen
Abb. 114b Die mittelalterliche Wegtrasse (grün), die römerzeitliche
Linie (blau) und die Grabungsflächen auf der Passhöhe (orange)
Die Römer auf den
228
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
2.2.11
•
Pässen der Ostalpen
Der Pyhrnpass
Topographie
Der Pyhrnpass bildet einen niedrigen Einschnitt zwischen den Ennstaler Alpen im
Osten (Haller Mauern 2244m) und dem Toten Gebirge im Westen (Warscheneck
2388m). Heute verläuft die Grenze zwischen der Steiermark und Oberösterreich auf
der Passhöhe.
Dieser Übergang war nicht wegen seiner geringen Passhöhe (945 Meter) von
Bedeutung, sondern, weil die Linie Pyhrn – Triebener Sattel - Neumarkter Sattel die
kürzerste Verbindung zwischen der norischen Donaugrenze und dem
binnennorischen Raum bildet1.
Abb. 115 Geländeschnitt: Pyhrnpass
•
Forschungsgeschichte
Die archäologische Erforschung der römischen Straße über den Pyhrnpass hängt
sehr eng mit der mansio Gabromagus zusammen, wo es bereits in den Jahren 18681870 zu den ersten archäologischen Grabungen gekommen ist2. Die Ergebnisse
wurden von F. Kenner veröffentlicht3. Seine Publikation bildet bis heute die
Grundlage für alle weiteren Arbeiten zur mansio. Im 20. Jh. beschäftigte sich H.
Deringer im Zuge seiner Arbeit zur Reichsstraße Aquileia – Lauriacum u.a. mit dem
Pyhrnpass4, später H. Krawarik mit dessen historischer Bedeutung5. Die Arbeiten
von Deringer und Jandaurek setzte auch einem zuvor in zahlreichen Beiträgen
ausgefochtenen Streit um die Gleichsetzung von Gabromagus und Windischgarsten
ein Ende6. K. Genser fasste den Forschungsstand zu Gabromagus bis zu den
1980er Jahren zusammen und bezog auch den Pyhrnpass in seine Betrachtungen
1
H. Krawarik, ZHVSt 59, 1968, 65.
K. Genser, JbMusLinz 130 (1985) 15.
3
F. Kenner, Über die römische Reichsstraße von Virunum nach Ovilava und die Ausgrabungen in
Windischgarsten. In: Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften. Philosophisch – historische
Klasse 74, 1873, 421ff.
4
H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 216f.
5
H. Krawarik, Die historische Bedeutung des Pyhrnpasses. ZHVSt 59 (1968) 65-90.
6
H. Jandaurek, Oberösterreichische Altstraßen. Die Straßen der Römer. = Schriftenreihe der OÖ
Landesbaudirektion 10 (1951) 157.
2
229
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
mit ein1. Die jüngste Publikation wurde im Jahr 2000 von P. Assmann
herausgegeben. Verschiedene Autoren widmen sich der Materialpublikation einiger
neuerer Grabungen aus Windischgarsten, die Bedeutung der Passstraße wird dabei
betont2.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Über den Pyhrnpass führt die sog. Norische Hauptstraße, die in Aquileia ihren
Ausgangspunkt hat und in Lauriacum endet. Auf Grund ihrer Bedeutung wurde sie
sowohl in das Itinerarium Antonini aufgenommen, als auch auf der Tabula
Peutingeriana eingetragen. Seitdem weitgehend Einigkeit über die Zuweisung der
Stationsnamen erzielt werden konnte3, identifiziert man die mansio Stiriate mit der
Ortschaft Liezen, wenige Kilometer südlich der Passhöhe und die mansio
Gabromagus mit Windischgarsten im Norden4. Die Länge der Straße über den
Pyhrnpass beträgt 15 Meilen.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Neolithische und reiche bronzezeitliche Funde belegen, dass der Weg schon früh
begangen worden ist5. Nachdem in der Hallstattzeit auf Grund des Salzbergbaues
die Hauptverkehrslinien über die Täler der Traun und Enns verliefen, wird der
Pyhrnpaß durch die keltische Besiedelung wieder stärker frequentiert6. Die keltischen
Ortsnamen „Ernolatia“ und „Gabromagus“ weisen darauf hin7.
In der römischen Kaiserzeit bestimmte vor allem der strategische Faktor den
Umstand, dass die „Via Norica“ über den Pyhrnpaß geführt wurde. Über diese
Militärstraße konnte man auf schnellstem Wege von Aquileia an die Donau gelangen.
Die Straße benützte teilweise vorrömische Hohlwege, wie z.B. nördlich des Pyhrn
und erreichte eine Breite von ca. 1,8 Metern8. An einigen Stellen bildet sie noch
heute die Grundlage der modernen Bundesstraße. Die Straße wird von keltischen
Siedlungen, Poststationen und Raststätten gesäumt, die teilweise deren Namen
übernommen haben, z.B. Stiriate südlich und Gabromagus nördlich des Passes9.
Von Stiriate aus zweigte die Verbindung ins Ausseer Becken und über den
Pötschenpaß ab, die möglicherweise mit dem Salzabbau in Zusammenhang steht10.
Die Straße über die Laußnitzhöhe wurde 201 n. Chr. trassiert, vorher verlief der
Salzburger Weg durch das obere Murtal11. Die „Via Norica“ wurde aber schon unter
Claudius trassiert, was auf ihre besondere Bedeutung hinweist. Durch die
1
K. Genser, Windischgarsten zur Römerzeit. JbMusLinz 130 (1985) 9-38. Bes. 9f. und 34f.
P. Assmann (Ed.), Die römische Straßenstation Gabromagus (Windischgarsten) = Studien zur
Kulturgeschichte von Oberösterreich 9, 2000.
3
K. Genser, JbMusLinz 130, 1985, 12f.
4
Stiriate (Liezen) Tab. Peut. IV, 5. Gabromagus (Windischgarsten) Itin. Ant. 276, 5. Tab. Peut. IV, 5.
5
E. Schmidel, MZK III, 1903, 103f. Kravarik, ZHVSt 69. K. Weinbauer, Heimatkunde des politischen
Bezirkes Kirchdorf an der Krems II, 1937, 138ff.
6
Kravarik, ZHVSt 59, 1968, 69.
7
C. Kriegel, Orts- und Siedlungsnamen der Gerichtsbezirke Windischgarsten, Weyer, Grünburg und
Kirchdorf, Diss. Wien 1967. s.v. „Ernolatia“, „Gabromagus“
8
Deringer, Carinthia I, 140, 1950, 216ff.
9
Kravarik, ZHVSt 59, 1968, 70.
10
Die neu entdeckte Siedlung am Michlhallberg auf dem Scheitelpunkt der Pötschepaßstraße kann
man in diesem Zusammenhang als römische Salinensiedlung ansprechen: G. Grabherr, Michlhallberg
92.
11
H. Klein, Salzburg, ein unvollendeter Passstaat. Vorträge und Forschungen X, Reichenau- Vortäge
1961/62, 278.
2
230
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Markomannenkriege und die Verlegung der Legio II Italica nach Lauriacum erlangte
die Verbindung noch größere Bedeutung für den Nord-Süd Verkehr.
Der Anstieg zum Pass, von Süden kommend, beginnt mit der mansio Stiriate,
nördlich von Liezen am Brunnfeld. Die dortigen Inschriften und Münzen weisen auf
das 1. Jh. n. Chr. und geben durch die Nennung von keltischen Personennamen
einen Einblick in die Zusammensetzung der ansässigen Bevölkerung1.
Von Stiriate aus nimmt die Passstraße ihren Ausgang. Auf der Südseite verläuft die
Straße im Tal des Pyhrnbaches, ohne auf schwierige Passagen zu treffen. Von dort
stammen wahrscheinlich auch einige Münzen, darunter ein Aureus des Gallienus und
„2 Bruchstücke römischer Steinarbeiten“, die bei Straßenarbeiten entdeckt wurden2.
Der Abstieg in Richtung Gabromagus gestaltete sich weniger einfach, denn die
Straße verlief weiter parallel zum sog. Graben und musste eine kurze Strecke mit
starkem Gefälle überwinden. Vom sog. Pflegerturm an verlief die Straße
wahrscheinlich deckungsgleich mit der modernen Trasse über Spital am Pyhrn nach
Windischgarsten3.
Der Fund von über 160 römischen Münzen und Bronzen an der Mausmayerschwelle
bei Spital am Pyhrn führte zur Vermutung, dass sich dort möglicherweise eine
römische Siedlung befunden haben könnte. Eher handelt es sich dabei aber um
einen einzelnen Münzhort4.
Sobald man Spital am Pyhrn hinter sich gelassen hat, gelangt man zur mansio
Gabromagus südwestlich von Windischgarsten, an die eine Siedlung angeschlossen
war. Im Zentrum des Forschungsinteresses stand bisher ein 95 mal 48 m großer
Gebäudekomplex, der von einer Umfassungsmauer umgeben ist und von einem Weg
in zwei Hälften geteilt wird. Es handelt sich dabei um eine mansio, die in ihren
Ausmaßen ungewöhnlich groß ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Gabromagus
am Fuß des Passes, bzw. als erste Station hinter dem Pass für ein erhöhtes
Verkehrsaufkommen gerüstet sein musste. Der Fund von insgesamt 13
Hipposandalen und drei Wagenteilen aus Bronze ist ein deutlicher Hinweis darauf,
dass die Sicherung und die Bewältigung der Passstraße von diesem Ort aus
vorgenommen wurde, die Pferdeschuhe wurden wahrscheinlich für den Hohlweg am
Pyhrn benötigt5. Die Erbauung der Anlage wird unter Berücksichtigung des
Fundmaterials in die 60er- und 70er Jahre des 2. Jhs. n. Chr. datiert6. In einer
zweiten Phase könnte ein Teil der Station auch Militär zur Sicherung des Passes
beherbergt haben, worauf zahlreiche Ziegelstempel der Legio II Italica hinweisen7.
Die gut ausgebaute Reichsstraße von Lauriacum nach Aquileia bot sich in der
Spätantike als Einfallspforte für germanische Stämme an. Gabromagus wurde
möglicherweise um 270 und um 400 von einfallenden Germanen zerstört. Die
Auswertung der Funde aus der mansio hat ergeben, dass die Straße über den
Pyhrnpass ab dem 4. Jh. an Bedeutung verlor und durch Ost – Westverbindungen
abgelöst wurde8. Weder in der mansio Gabromagus, noch in Stiriate kann man bis
heute eine direkte nachantike Ortskontinuität nachweisen: Die mansio wurde im
1
Krawarik, ZHVSt 59, 1968, 70.
H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 216 Anm. 379.
3
H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 216. E. Schmidel, MZK III, 1903, 103f.
4
Krawarik, ZHVSt 59, 1968, 71. H. Deringer, Carinthia 140, 1950, 216f.
5
Ch. Schwanzar, Metall-, Glas- und Beinfunde der Grabungen 1984/85, 1995 sowie Altfunde. In: P.
Assmann (ed), 2000, 37. Zit. Anm. 2 S. 230.
6
Ch. Schwanzar, Gabromagus und die sog. Norische Hauptstraße. In: P. Assmann (ed.), 2000, 14.
7
E. R. Stain, Zu römischen Straßenstationen im Alpenraum mit ausführlicher Quellenanalyse zum
römischen Postwesen. Diss. Wien (1982) 270.
8
Ch. Schwanzar, Gabromagus und die sog. Norische Hauptstraße. In: P. Assmann (ed.), 2000, 15
2
231
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Frühmittelalter als Friedhof benutzt, was auf eine nahegelegene Besiedlung
hindeutet, auch Einzelfunde sind relativ zahlreich. Für den Pyhrnpaß kann eine
Verkehrskontinuität angenommen werden1.
1
Krawarik, ZHVSt 59, 1968, 71-72.
232
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
233
Die Römer auf den
234
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
2.2.12
•
Pässen der Ostalpen
Kleinere Übergänge über die Karawanken
Topographie
Auf die Karnischen Alpen folgen im Osten die Karawanken, die im Norden vom
Rosen- und Jauntal, im Süden vom Savetal begrenzt werden. Die Karawanken sind
ein ca. 120 km langes und bis zu 40 km breites Gebirge mit Gipfeln bis über 2000 m.
Die Südflanke ist meist sanft abfallend, die Nordwestseite eher schroff geformt. Die
Übergänge über die Karawanken verbanden in römischer Zeit die Zentren
Südnoricums mit den östlichen Gebieten der X. Regio Italiens, dem heutigen
Kernbereich Sloweniens. Die Karawanken werden im Westen durch den
Pontebbapass bzw. das Gailitztal von den Karnischen Alpen getrennt. Sie verbreitern
sich zunehmend von Westen nach Osten, bleiben auf den ersten 30 km aber noch
relativ schmal. In diesem Bereich liegt der Wurzenpass (1071 m), der das untere
Gailtal mit dem Savetal verbindet. Er liegt weniger als 10 km östlich des wichtigsten
Durchganges nach Italien, dem Pontebbapass. Auf den Wurzenpass folgt der
Loiblpass, der in der Antike die kürzeste Verbindung zw. Emona, Cranium und
Virunum darstellte. Er ist 1367 m hoch und liegt ca. 40 km in südöstlicher Richtung
vom wurzenpass entfernt. Der letzte und östlichste der hier besprochenen
Karawankenpässe ist der Seebergsattel (1215 m). Er ist 20 km vom Loiblpass
entfernt, verbindet das Jauntal (Iuenna) im Norden mit Carnium (Kranj) und Emona
im Süden, doch stellt er durch enge Zugangstäler die Reisenden vor einige
Schwierigkeiten.
•
Forschungsgeschichte
Ebenso wie bei zahlreichen anderen Pässen der Ostalpen, wurde auch die
Archäologie der Karawankenübergänge bisher nie systematisch erforscht, auch
wenn es teilweise stichhaltige Hinweise für die Existenz von Verkehrsverbindungen
in römischer Zeit gab. Bereits 1885 und 1886 berichtet K. Hauser über einen
Inschriftenfund und von Straßenresten auf dem Loiblpass1. F. Jantsch hat im Jahre
1938 in seinem Werk über die spätantiken und langobardischen Burgen in Kärnten
für den Wurzen- und Loiblpass antike Straßensicherungsanlagen angenommen2.
Von Jo. Šašel stammt eine genaue Beschreibung der Nordseite des Loiblpasses aus
dem Jahr 1955, der sich alle späteren Autoren angeschlossen haben3. Es folgen
einzelne Hinweise für den Loiblpass4 und Wurzenpass5. Alle drei Übergänge wurden
1986 von R. Wedenig in seiner Diplomarbeit beschrieben6 und von G. Piccotini und
R. Wedenig in die Liste der Verbindungen zw. Noricum und der Regio X
aufgenommen. Der Loiblpass wird auf Grund seines Inschriftenmaterials zuletzt bei
P. Scherrer erwähnt7.
1
K. Hauser, MZK 11, 1885, LXXVI f. Nr. 104. Ders. MAG 16, 1886, 70f.
F. Jantsch, MAG 68, 1938, 358, 376.
3
Jošip Šašel, Od Ljubelja do Celovca po rimskih sledeh. In: Koledar Slovenske Koroske 1955, 82ff.
4
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 277ff.
5
H. Dolenz, Carinthia 145, 1955, 98.
6
R. Wedenig, Gebirgspässe im südlichen Noricum, eine historisch – topographische
Bestandsaufnahme. (Diplomarbeit Graz 1986).
7
P. Scherrer, Situla 40, 2002, 36.
2
235
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
•
Die Passwege und deren archäologische Hinterlassenschaften
•
Der Wurzenpass:
Abb. 116 Geländeschnitt: Wurzenpass
Vom Wurzenpass (1071 m) gibt es bisher weder Kleinfunde noch eindeutige
Straßenreste, die auf eine Benutzung in prähistorischer Zeit oder auf die Existenz
einer römischen Straße hindeuten1. Trotzdem lassen sich folgende Hinweise auf eine
römische Nutzung dieses Überganges anführen: Den nördlichen Ausgangspunkt der
vermuteten Wurzenpassstrasse bildet eine Abzweigung von der norischen
Hauptstrasse im Bereich von St. Leonhard-Siebenbrünn, wo diese die Gail überquert.
Von dort stammt ein Benefiziarieraltar, der im Jahre 209 n. Chr. gesetzt wurde2, eine
Grabinschrift3 und eine Bronzemünze des Kaisers Nero4. Die Benefiziarierstation, die
auf Grund dieser Funde in der näheren Umgebung vermutet wird, könnte sich im
Raum St. Leonhard oder bereits in Richtung Krainberg - Wurzenpass befunden
haben. Außerdem rekonstruiert man hier den Beginn eines weiteren Weges, welcher
in den Raum Kanzianiberg-Rosegg geführt haben soll5. Der Benefiziarierposten wird
mit der Sicherung des Wurzenpasses in Zusammenhang gebracht6. Für einen
antiken Weg sprechen weiter: Die Möglichkeit, den benachbarten und in römischer
Zeit gesicherten Eingang ins Kanaltal zu umgehen, der kurze Passweg und der
niedrige Zugang zum oberen Savetal. Dort gibt es zahlreiche römische Spuren, wie
etwa in Potoki, einer für Slowenien bedeutenden Siedlung an der Südseite der
Karawanken, die besonders in der Spätantike blühte und seit der 2. Hälfte des 5.
Jhs. frühchristliche Kontinuität aufweist7. Im nahe gelegenen Moste konnte ein
Höhlenheiligtum nachgewiesen werden, welches während der Römerzeit frequentiert
wurde. Daneben existierten in der Spätantike befestigte Höhensiedlungen am
Südfuß der Karawanken8.
G. Piccotini und R. Wedenig beschreiben die Möglichkeit eines Pfades von Krainberg
auf die Passhöhe, die sich als über einen Kilometer lange, von Gletschern
1
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 138.
CIL III, 14361. P.Leber, Die in Kärnten seit 1902 gefundenen römischen Steininschriften. Aus
Kärntens römischer Vergangenheit 3, 1972, Nr.3.
3
CIL III, 6490.
4
M. Jabornegg-Altenfels, Kärntens römische Alterthümer (1870) 169.
5
G. Piccotini, Neues aus Alt-Villach 22, 1985, 14.
6
Ha. Dolenz, Carinthia 145, 1955, 98.
7
S. Ciglene ki, Arheološki Vestnik 50, 1999, 288f.
8
J. Horvat, Arheološki Vestnik 50, 1999, 227.
2
236
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
abgeschliffene Ebene präsentiert, die bis in die Neuzeit von Sümpfen geprägt war.
Der Abstieg nach Süden erfolgt auf einem 2–4 m breiten Weg, der bis nach
Podkoren, dem südlichen Fußpunkt des Wurzenpasses führt. Dieser Weg zeichnet
sich vor allem durch Geradlinigkeit und mäßige Steigung aus, er ist in den Hang
eingeschnitten und seine Trassierung kann auf den Wiesen noch verfolgt werden1. F.
Jantsch vermutete an der Nordseite eine antike Passsperre zw. Krainegg und
Krainberg, die allerdings nicht lokalisiert ist2.
Solange keine systematische Begehung oder zufällige Neufunde weitere Hinweise
erbringen, können zwar die bisher gewonnenen allgemeinen Erkenntnisse als
gesichert gelten, über einen Straßenverlauf oder eine Datierung kann man jedoch
bestenfalls spekulieren.
•
Der Loiblpass:
Abb. 117 Geländeschnitt: Loiblpass
An der Strasse über den Loiblpass (1367 m) wurden längst wichtige römische Funde
gemacht. Aus dem Einzugsbereich des Überganges stammen drei Inschriften, die mit
dem römischen Verkehr über den Pass in Zusammenhang stehen. In Unterloibl gibt
es einen Weihealtar, welcher der Göttin Belestis von einem Sklaven des Tapponius
Macrinus gestiftet wurde (Abb. 118). Die Reliefs an dessen Seiten zeigen Pflanzen
und Tiere3. Ein Mitglied der gleichen Familie setzte einen weiteren Altar, welcher
nach seiner Beschreibung im CIL III „in confiniis Carinthiae et Carniolae, ad S.
Leonardi in summo monte Loibl in via“ gefunden wurde und ebenfalls der Belestis
geweiht ist4. Eine halbe Stunde unterhalb der Passhöhe fand man im Jahre 1885
einen dritten Weihestein, gestiftet von G. Avilius Respectus5.
Warum erhielt die Göttin Belestis auf dem Weg zum Loiblpass mehrere Weihungen
von der Familie der Tapponii, aus der auch ein IIvir von Virunum bekannt ist6, zu
Recht wurde vermutet, dass die Tapponii etwas mit dem Handel über die Passstraße
nach Emona zu tun gehabt haben müssen und dabei oft den direkten Weg über den
Loiblpass wählten7.
1
Wedenig 1986, 60.
F. Jantsch, MAG 68, 1938, 358.
3
ILLPRON 654.
4
CIL III, 4773.
5
CIL III, 11539. Fundnachricht: K. Hauser, MZK 11, 1885, LXXVI f. Nr. 104.
6
CIL III, 4866.
7
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 278. Dazu auch: G. Piccolini, Die Römer in Kärnten (1989) 153f.
2
237
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die Göttin Belestis ist nur durch die Steine vom Loiblpass bekannt, was dazu geführt
hat, dass sie als Beschützerin von gefährlichen Bergstraßen interpretiert wurde1.
Auch wenn es bisher keine weiteren Anhaltspunkte für diese Theorie gibt, so weisen
zumindest die Reliefs auf einem der Altäre auf den Naturcharakter der Belestis hin.
Der Altar des (G)Avilius wird unterschiedlich gedeutet: Ein C in der ersten Zeile kann
als C(autes) gelesen werden und in Kombination mit der Reliefdarstellung an der
Seite dem Mithras geweiht gewesen sein2. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, das
C als G(enio) zu deuten und im Relief eine Jupiterdarstellung zu erkennen3. Somit
hätte sich der Reisende unter den Schutz mehrerer Götter gestellt, besonders Jupiter
ist als Herr der Pässe im Alpenraum bekannt4. Die dritte Möglichkeit deutet das erste
C als Gaius und zieht das zweite C mit dem Gentilenomen zu Gavilius zusammen5.
Eine spätmittelalterliche Reisebeschreibung aus der Feder desselben Mannes,
welcher schon für den Plöckenpass und den
Gailbergsattel wertvolle Informationen geliefert
hat, kann verdeutlichen, in welcher seelischen
Verfassung sich auch die römischen Reisenden
befanden und was sie dazu veranlasste, so
zahlreiche Weihungen nach glücklicher Reise
zu stiften: Paolo Santonino überquerte am 4.
September 1486 den Pass. Er berichtet von
reißenden
Wildbächen,
zahlreichen
Flussüberquerungen, den Schwierigkeiten zu
Pferd voranzukommen und von der ständigen
Angst der Reisenden6.
Abb. 118 Altar der Belestis aus
Unterloibl
1
H. Kenner, ANRW II, 18.2 891.
G. Piccotini, Carinthia 186, 1996, 259.
3
P. Scherrer, Carinthia 176, 1986, 143f.
4
G. Walser, Der Jupitertempel auf dem Großen St. Bernhard. In: Studien zur Alpengeschichte in
antiker Zeit. = Historia Enzelschriften 86 (1994) 101f. Vgl. auch die Hermia- Inschrift vom Plöckenpass
CIL V, 1863, an Jupiter Optimus Maximus.
5
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 278.
6
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 281f. Eine wörtliche Übersetzung dieser Stelle ist bei Wedenig
1986 65f. zu finden.
2
238
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Anlässlich der Auffindung des (G)Avilius- Altares beging K. Hauser den Loiblpass im
Jahre 1885 und konnte noch längere Abschnitte eines teilweise befahrbaren Weges
erkennen. Er beschreibt ihn als ca. einen Meter breiten Saumweg, der sich
gegenüber der modernen Straße vor allem durch eine ökonomische Linienführung
auszeichnete1. R. Egger klassifiziert diese Verbindung als vollständig ausgebaute
und ständig erhaltene Verbindung zw. Virunum und Emona, welche vor allem
Handelsbedeutung hatte. Er beschreibt den Wegverlauf der
sog. „alten Straße“, die vor dem Ausbau durch Kaiser Karl
VI. bestanden hat und lobt deren kräftesparende Anlage, die
sich dem Gelände anpasst und Höhenverluste vermeidet2.
Eine wesentlich ausführlichere Wegbeschreibung geben G.
Piccotini und R. Wedenig3: Sie verweisen zu Recht darauf,
dass es keine Hinweise auf eine Fahrstraße in römischer
Zeit gibt und sprechen wegen des schwierigen Geländes
von einem Saumweg. Nach der Überquerung der Drau bei
Unterferlach, erfolgte möglicherweise in Unterloibl der
Umstieg von Wagen auf Saumtiere4. Der Saumweg geht
nun von Unterloibl aus und führt entlang der Westflanke des
Loibltales nach Alt- St. Leonhard. Dort hat sich ein
mittelalterliches Hospiz befunden. Auf diesem Abschnitt
seien oberhalb der modernen Straße noch Reste eines
befestigten Altweges zu erkennen. Aus Alt- St. Leonhard
stammt die zweite Belestis- Inschrift. Der Altar des
(G)Avilius, welcher verstürzt unterhalb der Schwarzen Wand
gefunden wurde, ist ein Hinweis auf den Verlauf des
Passwegs
unmittelbar
nördlich
des
Überganges.
Anscheinend überquerte dieser den Scheitelpunkt der
Strecke 500m weiter westlich als in der Neuzeit. Die
Südflanke des Passes entspricht in Steigung und Länge
etwa jener der Nordseite. Als Endpunkt des eigenlichen
Passweges könnte der mittelalterliche Ort Forum Lubelini
gedient haben. Von dort gelangte man zuerst nach Trži
und schießlich nach Cranium (Kranj), wo sich bereits in
augusteischer Zeit eine befestigte Siedlung mit strategischer
Bedeutung befunden hat5.
Leider fehlen bisher gesicherte Funde von den einzelnen
119 Spitze einer
Abschnitten der Straße, die eine Datierung in römische Zeit Abb.
plumbata aus dem
belegen könnten.
Stützpunkt von Ajdna
Im Mittelalter erlangte der Loiblpass erneut große oberhalb von Potoki
Bedeutung für den Verkehr zw. Klagenfurt und Triest. Die
relative Größe der beiden Passfussorte Ferlach und Trži und die Existenz zweier
Hospize legen dafür Zeugnis ab6.
1
K. Hauser, MZK 11, 1885, LXXVI Nr. 104.
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 276f.
3
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 140f. Wedenig 1986, 66ff. Sie beziehen sich dabei für die
Nordseite auf eine ausführliche Wegbeschreibung durch Jošip Šašel, Od Ljubelja do Celovca po
rimskih sledeh. In: Koledar Slovenske Koroske 1955, 82ff.
4
Angerer 2002, 54.
5
J. Horvat, Arheološki Vestnik 50, 1999, 227.
6
Wedenig 1986, 64.
2
239
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Ähnlich wie entlang vieler Passstraßen im Ostalpenraum wurden auch für den
Loiblpass Überlegungen angestellt, ob es ein System von spätantiken Befestigungen
gegeben haben könnte. An der Nordseite bestehen an mehreren Stellen noch
oberflächlich sichtbare Reste von Strukturen, die aber weder erforscht, noch
chronologisch eingeordnet sind1. Entlang der Südflanke der Karawanken existieren
jedoch Hinweise darauf, dass in der Spätantike ein System von Straßenwehrtürmen,
Erdwällen und Gräben angelegt wurde, das an strategisch günstigen Punkten die
Übergänge nach Friaul und Kärnten absicherte. Unter diesen befinden sich z. B.
Gradiš e oberhalb von Pivka bei Naklo, Novi Grad bei Sv. Jakob oberhalb von
Poto e oder Sv. Lorenc oberhalb von Bašelj, sowie weitere befestigte
Höhensiedlungen im Hinterland von Cranium, die teilweise spätantike Militaria in
ihrem Fundmaterial aufzuweisen haben. So z. B. die Spitze einer plumbata, die aus
dem Stützpunkt von Ajdna oberhalb von Potoki stammt2 (Abb. 119).
•
Der Seebergsattel
Abb. 120 Geländeschnitt: Seebergsattel
Hinweise auf die römische Vergangenheit des Seebergsattels (1215 m) sind sehr
spärlich gesät. Es gibt zwar vereinzelte Kleinfunde (prähistorische Beile, röm.
Münzen) im Einzugsbereich des Überganges, es fehlt jedoch bisher jede Nachricht
über Altstraßenreste, die mit einer antiken Nutzung in Zusammenhang gebracht
werden könnten. Das kann mit dem Passanstieg von Norden her zusammenhängen,
der 15 km lang und von Schluchten und Engstellen geprägt ist. Dieser Umstand
konnte dem antiken Verkehr ebenso hinderlich sein, wie die dichte Bewaldung und
Versumpfung der Passhöhe3 Darüber hinaus sind die bisher zu Tage gekommenen
Funde großteils verschollen4. R. Egger wertet den Seebergsattel, im Vergleich zum
Loiblpass, als die bequemere Verbindung zw. Virunum und Emona, die besonders im
Mittelalter wegen des Eisenhandels ganzjährig benutzbar gehalten wurde5. G.
Piccotini und R. Wedenig nahmen den Seebergsattel als dritten wichtigen
Karawankenpass in ihre Liste auf. Sie werten ihn als lokalen Verbindungsweg am
Rande der Jauntalstraße von Virunum nach Celeia, den man sich als Saumweg und
1
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 279.
A. Vali , Arheološki Vestnik 48, 1997, 267f.
3
Wedenig 1986, 73.
4
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 141.
5
R. Egger, Carinthia 136-138, 1948, 276.
2
240
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
nicht als ausgebaute Fahrstraße vorstellen muss1. Am Südausgang der Passlinie
befindet sich die bereits genannte Straßenbefestigung Novi Grad bei Sv. Jakob
oberhalb von Poto e2.
Wie bei fast allen bisher vorgestellten Pässen, muß auch hier lediglich auf die bisher
fehlenden Detailforschungen hingewiesen werden.
1
2
G. Piccotini - R. Wedenig, AntAlt 28, 1986, 142.
A. Vali , Arheološki Vestnik 48, 1997, 267.
241
Die Römer auf den
242
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
2.2.13
•
Pässen der Ostalpen
Der Birnbaumer Sattel
Topographie
Am Übergang zwischen den Ausläufern der Südostalpen und dem sog.
jugoslawischen Karst bildet eine nord-südlich verlaufende Gebirgsformation eine
Scheide zwischen dem oberen Adriaraum und den Binnenländern Südosteuropas.
Die höchsten Erhebungen dieser Landschaft steigen bis über 1000 m an und sind
heute mit großflächigen Nadelwäldern bedeckt. Dieses Gebirge besteht aus
Klakstein und ist in Form von schroffen Felsen und tief eingeschnittenen Tälern
ausgebildet. Für den Verkehr stehen nur wenige bequeme Durchgangsmöglichkeiten
zur Verfügung1.
Ad Pirum summas Alpes2 lautet der Name der Station, welche sich auf dem höchsten
Punkt der römischen Straße über dieses Gebirge befindet. An der Verbindung
zwischen Aquileia und Emona, 882 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, bildet
diese Straße den wichtigsten Übergang über die Alpes Iuliae und verbindet den
mittleren Donauraum über die östlichen Gebiete der Regio X (dem heutigen Westteil
Sloweniens) mit Italien.
Abb. 121 Geländeschnitt: Birnbaumer Sattel
•
Forschungsgeschichte
Die systematische Erforschung der Passstraße über den Birnbaumer Sattel, in
dessen Namen sich das antike Ad Pirum spiegelt, hängt eng mit den Claustra Alpium
Iuliarum zusammen, mit denen man sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals
archäologisch beschäftigte: P. Hitzinger und P. Kandler nahmen erstmals
ausgedehnte Begehungen und Bauaufnahmen vor und publizierten diese in
mehreren Aufsätzen3.
Während sich bis zum 1. Weltkrieg vor allem österreichische Forscher mit dem
Thema beschäftigten, taten sich in der Zwischenkriegszeit vor allem die italienischen
Gelehrten G. Brusin4, und A. Degrassi1 hervor. Gestützt auf grundlegende
1
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 4.
Itinerarium Burdigalense 560, 4.
3
U.a. P. Hitzinger, Mitteilungen des historischen Vereins für Krain 5, 1850, 5. Vgl. die
Zusammenstellung aller Aufsätze in Ulbert, ad Pirum 12, Anm. 19ff.
4
G. Brusin, Limes-Studien (1957) 39ff.
2
243
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Quellenstudien2 begannen in den frühen 70er Jahren schließlich Grabungen in den
militärischen Anlagen an der Passstraße und im Kastell Ad Pirum. In den letzten
Jahrzehnten führten slowenische Archäologen zahlreiche Grabungen in den
Siedlungen entlang der Passstraße durch und erweiterten den Wissensstand zur
Frühzeit der römischen Besiedlung, sowie zur Spätantike und zum Frühmittelalter3.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Die Herkunft des Pass- und Stationsnamens ist umstritten: Während die römische
Bezeichnung Ad Pirum in den modernen Ortsbezeichnungen „Birnbaumerwald“,
italienisch „Selva Piro“ und slowenisch „Hrušica“ (von hruška – Birne) weiterlebt,
bringt man den Namen nicht nur mit dem lateinischen pirus – „Birnbaum“ in
Verbindung, sondern auch mit der illyrischen Wurzel pir – „Bergspitze, höchster
Abb. 122 Die Paßstrasse über den Birnbaumer Sattel und ihre Stationen
Punkt eines Gebirgsüberganges“4. Weiter leitete man den Namen in der älteren
Literatur von Wirtshauszeichen oder –schildern ab, die zur Benennung von Stationen
herangezogen wurden5. Auf der Tabula Peutingeriana findet man als Bezeichnung
der Station den Namen In Alpe Iulia6.
1
A. Degrassi, Il confine nord-orientale dell’Italia romana (1954).
Claustra Alpium Iuliarum I, Fontes (1971).
3
N. Osmuk, Ajdovš ina – Castra. Arheološki vestnik 48, 1997, 119-130. V. Fab i , Versuch einer
modularen Rekonstruktion der spätrömischen Befestigung Castra. Arheološki vestnik 48, 1997, 131142.
4
K. Miller, Itineraria Romana (1916) XLVIII Anm. 8.
5
Nissen II, S. 59. führt daneben noch die Stationsnamen ad Joglandem, ad Malum und ad Pinum als
Beispiele für diese Tradition an.
6
Tab. Peut. V, 1.
2
244
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Die Straße von Aquileia nach Emona findet sich außer auf der Tab. Peut. noch im
Itinerarium Antonini und Itinerarium Burdigalense. Die Angaben ergänzen sich
einerseits, andererseits gibt es auch Widersprüche, die durch Kopierfehler in den
verschiedenen Handschriften entstanden sind. Es ist jedoch gelungen, einen
glaubwürdigen Gesamtverlauf aus den verschiedenen Quellen abzuleiten1:
Die Tabula Peutingeriana nennt zwischen Aquileia und der Passhöhe des
Birnbaumer Waldes nur die Station Pons Sonti, 14 Meilen von der Stadt entfernt. Die
Distanz von dort, bis zur Passhöhe, fehlt auf der Karte.
Unser Bild vom Streckenverlauf wird vor allem durch das Itinerarium Burdigalense
ergänzt: Auf Aquileia folgt nach elf Meilen die mutatio Ad Undecimum und nach
weiteren 12 Meilen die mutatio Ad Fornolus 2 südöstlich von Görz, die mit der
Existenz von Ziegelöfen in Verbindung gebracht wird. Ab 1884 kamen dort römische
Funde zu Tage und noch während des 1. Weltkrieges bestanden Ziegeleien in der
Umgebung3.
Im Itinerarium Antonini erscheint nun ein Eintrag namens Fluvio Frigido4, der 36
Meilen von Aquileia entfernt liegt und wahrscheinlich jenen Ort bezeichnet, an dem
die Straße den Fluvius Frigidus erreichte oden überquerte. Die dort angelegte Station
ist mit der mutatio Castra aus dem Itinerarium Burdigalense gleichzusetzen5. Sie wird
mit der heutigen Ortschaft Ajdovš ina (Haidenschaft) gleichgesetzt. Zu dieser Stelle
vermerkt das Pilgerreisebuch, dass von dort an die julischen Alpen beginnen6. Bis
zur Passhöhe sind es nur noch 9 Meilen und in der Tat beginnt unmittelbar östlich
der modernen Ortschaft der Aufstieg ins Gebirge7.
Hat man den Scheitelpunkt der Strecke überwunden, trifft man nach 5 Meilen auf die
mansio Longaticum, die in allen drei Hauptquellen erscheint8.
Es folgt die in der Tabula Peut. verzeichnete mansio Nauportus (Vrhnika) 9. Strabon
erwähnt, dass sie an der Stelle einer keltischen Siedlung errichtet wurde10.
Inschriften belegen, dass bereits in spätrepublikanischer Zeit römische Kaufleute hier
anwesend waren und Handel trieben11. Tacitus berichtet vom Wohlstand dieser
Straßenstation, der sowohl auf deren Lage an der wichtigen Handelsstraße, als auch
auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der gleichnamige Fluss Nauportus
(Ljublanica) ab hier schiffbar war. Auf dem Wasserweg wurden Waren von Osten
herantransportiert, gelagert und auf Saumtiere oder Wagen verladen, um schließlich
über den Birnbaumer Sattel nach Italien gebracht zu werden12. Dass der Wasserweg
von mehr als wirtschaftlicher Bedeutung war, zeigt eine Inschrift zur religiösen
Verehrung des Neptun13. Obwohl die Stadt nur unweit der wesentlich bedeutenderen
colonia Iulia Emona lag, war sie ein wichtiger Handelsknotenpunkt mit mansio und
Flusshafen.
1
O. Cunz, ÖJh V, 1902, 141ff.
Itinerarium Burdigalense 559,14. 560,1.
3
K. Miller, Itineraria Romana. (1916) 453.
4
It. Ant. 128, 7.
5
Dagegen die Gleichsetzung von Castra mit Ad Pirum bei O. Cunz, ÖJh V, 1902, 148.
6
Itinerarium Burdigalense 560, 2f: inde surgunt Alpes Iuliae
7
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 5f.
8
Tab. Peut. V,1 Itinerarium Antonini 129,1 Itinerarium Burdigalense 560,5.
9
Tab. Peut. V,1
10
Strabon IV, 6, 10.
11
ILS 4876, CIL III, 3777; 3780. Der Neue Pauly 8 (2000) 756 s.v. Nauportus [1] (J. Burian)
12
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 8.
13
Tacitus annales I, 20, I. nennt die Siedlung:municipii instar – einem Municipium ähnlich. Die
Inschrift: CIL III, 3778.
2
245
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Das Itinerarium Burdigalense erwähnt noch 9 römische Meilen vor der civitas Emona
die nicht weiter bekannte mutatio ad Nonum1.
Emona kann als Endpunkt der Passstraße über den Birnbaumer Sattel gelten. Die
Stadt liegt 12 Meilen in nordöstlicher Richtung von Nauportus entfernt und gründet
ihre Bedeutung ebenfalls auf ihrer verkehrsgünstigen Lage an der Bernsteinstraße
und der Verbindungslinie zum Balkan2.
•
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Die Straße über den Birnbaumerwald gilt als römische Abkürzung des
prähistorischen Weges über die Ocra, der gleichzeitig auch den letzten Abschnitt der
Bernsteinstraße bildet. Auf den Meilensteinen wird sie deshalb als via gemina
(Parallelstraße) zur älteren Trasse bezeichnet3.
Dieser ursprüngliche Weg über die Ocra führte, von Aquileia kommend, aus der
Gegend von Ajdovš ina nach Südosten und vereinigte sich bei der Ortschaft Razdrto
mit einer Straße, die von Tergeste (Triest) ausging (die südlichste Route in Abb. 122)
. Von Razdrto überquerte die nunmehr vereinte Trasse an der bequemsten Stelle
zwischen Postojna und Planina das Gebirge und trafen schließlich auf die antike
Siedlung Nauportus. Diese Straße gilt als die ursprüngliche Hauptverbindung
zwischen Italien und Illyrien und verläuft außerdem entlang der Südostgrenze der
Alpen4. Sie wurde zwar durch den römischen Neubau über den Birnbaumer Wald
weitgehend abgelöst, da dieser fast um die Hälfte kürzer war, blieb aber
wahrscheinlich von Bedeutung, da der Pass mit 609 m Meereshöhe wesentlich
niedriger und klimatisch begünstigter war. Die höher und exponierter gelegene
Straße über den Birnbaumer Sattel ist noch heute im Winter unpassierbar5.
Der Ausgangspunkt der römischen Straße ist derselbe wie der aller anderen
wichtigen Verkehrsadern im östlichen Alpenraum: Die Stadt Aquileia, für die dieser
leichteste Zugang von Nordosten nach Italien bereits in republikanischer Zeit große
Handelsbedeutung gehabt haben muss6. Die Römer gründen ihre Stadt 181 v. Chr.
genau am Endpunkt dieses transkontinentalen Verkehrsweges, der, neben dem Weg
über die Alpes Graiae, zur Zeit Strabons als einziger Alpenübergang mit Wagen
befahrbar war7.
Der Verkehr zwischen Venetien und den nordöstlich gelegenen Gebieten nahm mit
der Eroberung Pannoniens und dem Bau der Straße über den Pass deutlich zu. Ihre
Errichtung wird dem Augustus zugeschrieben, wie sich aus einer Stelle des Rufius
Festus mit ziemlicher Gewissheit ableiten lässt: „sub Octaviano Caesare Augusto per
Alpes Iulias iter factum est, Alpinis omnibus vicits Noricorum provinciae
accesserunt“8. Sie führte über Emona bis nach Carnuntum und verband Italien mit
den Truppenstandorten am Donaulimes.
Die Bergstraße durch die julischen Alpen wurde seit ihrer Erbauung von einer Kette
von Siedlungen gesäumt, die vor allem den Reisenden als Unterkunft und
Raststationen dienen sollten. Dort war zudem das im Gebirge häufiger notwendige
Auswechseln der Zug- und Tragtiere möglich.
1
Itinerarium Burdigalense 560, 6f.
Der Neue Pauly 3 (1997) 1011 s.v. Emona (H. Graßl)
3
CIL V, 7989. 7990.
4
RE XVII, 2 (1931) 1775f. s.v. Ocra (2) (B. Saria)
5
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 9.
6
Reallexikon der Germanischen Altertumskunde I (19732) 196 s.v. Alpenpässe (H. Callies)
7
Strabon IV, 6, 11.
8
Festus, Breviarium VII 51, 10-13. Tacitus ann. I 20, 1 deutet vielleicht ebenfalls darauf hin.
2
246
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Reste dieser Siedlungen, deren Namen wir bereits kennen gelernt haben, finden sich
noch heute entlang des Weges:
In Ajdovš ina, dem antiken Fluvio Frigido der mutatio Castra, fanden sich bei
Ausgrabungen in den Jahren 1965-1968 Hinweise auf eine kontinuierliche
Besiedlung seit dem 1. Jahrhundert n. Chr., was wahrscheinlich mit der Existenz der
bekannten Straßenstation seit der Erbauung der Straße in Zusammenhang stehen
wird. Im Westen der Siedlung sind zwei Gräberfelder bekannt, ein Brandgräberfeld
aus der Zeit zwischen dem 1. Jahrhundert v. Chr. und dem Ende(?) des 2.
Jahrhunderts n. Chr., sowie Körpergräber, die ins 4. Jahrhundert datiert werden1. Da
das Fundmaterial nur in Auszügen bekannt ist, können bislang noch keine weiteren
Schlüsse gezogen werden2.
Verfolgt man den Straßenverlauf der eigentlichen Bergstraße von Fluvio Frigido /
mutatio Castra ausgehend in Richtung der Passhöhe, bewegt man sich auch heute
noch weitgehend auf der antiken Trasse, wie der Fund eines Meilensteines im ersten
Abschnitt dieser Strecke belegt3. Nach der Durchquerung der Ortschaften Col und
Podkraj stößt die Straße in schwieriges, bewaldetes Gelände vor und führt bis zum
Sattel, wo eine weitere Verbindung von Tergeste (Triest) aus Südwesten kommend
in sie einmündet.
Diese Abkürzungsstraße von Tergeste nach Emona zweigte beim bereits oben
erwähnten Dorf Razdrto von der Straße über den mons Ocra ab und führte, heute
zum Großteil von der modernen Straße überlagert, an der spätantiken
Abb. 123 Die Poststation auf der Passhöhe. Befunde der Grabung Schmids von 1916
Höhensiedlung Predjama vorbei zur Passhöhe des Birnbaumer Sattels hinauf.
Der letzte Straßenabschnitt im Bereich des Scheitelpunktes ist besser erhalten und
bietet einiges an Information: Die Breite der Straße lässt sich aus den
ausgeschliffenen Wagengeleisen auf etwas mehr als 1.5 m bestimmen, mehr war in
1
N. Osmuk, Arheološki vestnik 48, 1997, 130.
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 5.
3
CIL III, 11315. T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 6
2
247
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
dem schwierigen Gelände auch kaum möglich. Kurz vor der Einmündung in die von
Westen herankommende Hauptlinie der Straße konnte eine Ausweichstelle für den
Gegenverkehr festgestellt werden. Von diesen gibt es mehrere erhaltene Beispiele
entlang des bekannten Abschnittes. Sie weisen auf einen regen Verkehrsfluss in
römischer Zeit hin1.
Auf der Passhöhe selbst ist die Existenz eines Beneficiarierpostens durch einen
Weihealtar für das frühe 3. Jahrhundert nachgewiesen, ältere Grabungen konnten
möglicherweise sogar die Poststation freilegen2 (Abb. 123). Es handelt sich dabei um
ein ca. 15 x 6.5 m großes Gebäude im Südwesten des spätantiken Kastells, das sich
jedoch durch keine eindeutigen Funde oder Befunde als Poststation zu erkennen
gibt. Es wurden bei den letzten Grabungen auch geringe Mengen an Fundmaterial
aus dem 1. und 2. Jahrhundert geborgen, bei dem es sich einheitlich um
einheimische Produkte handelt, die seit der Mitte des 2. und vor allem im 3.
Jahrhundert durch importierte Ware ergänzt wurden3. Besonders im 4. Jahrhundert
zeigt sich in der Keramik eine Tendenz, die für den ganzen Raum östlich des Passes
typisch ist4: Die Menge der Importkeramik nimmt weiter zu, vor allem afrikanische
Sigillaten, von denen wir annehmen dürfen, dass sie fast ausschließlich über den
Birnbaumer Sattel nach Nordosten transportiert wurden.
Da das felsige Gelände auch östlich des Passes kaum andere Möglichkeiten bietet,
wird dort ebenfalls eine weitgehende Übereinstimmung des antiken und modernen
Straßenverlaufes auf den ersten 5-6 Kilometern vermutet. Erst dann, auf einer Flur
namens Laniš e, gehen die antike und die moderne Trasse wieder getrennte Wege5.
Ebenso wie in Ajdovš ina, gibt es auch hier bisher unveröffentlichte Funde, die auf
eine zivile Besiedlung seit der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. hindeuten6.
In der Antike setzte man den Abstieg für weitere 6-7 Kilometer Richtung Nordosten
fort, bis man auf das Hochplateau der heutigen Ortschaft Logatec gelangt, in deren
Namen ganz deutlich das antike Longatico nachklingt. Hier wurde, den Ergebnissen
einer Grabung aus dem Jahre 1963 zu folge, vom 2. Jahrhundert n. Chr. an
gesiedelt7.
Die Bergstraße endete wenige Kilometer weiter, im nahegelegenen Vrhnika, dem
antiken Nauportus. Der antike Straßenverlauf zwischen beiden Siedlungen ist
weitgehend gesichert8. Das ursprünglich tauriskische Nauportus wurde
wahrscheinlich in caesarischer Zeit in ein römisches Emporium umgewandelt, in dem
Waren, welche aus Italien über die Ocra und den Birnbaumer Sattel auf Wägen
herantransportiert worden waren, auf Schiffe umgeladen wurden. Ein großer Platz,
umgeben von bis zu 25 m langen Tavernen, welche als horrea gedeutet werden,
unterstreicht die Bedeutung, welche Nauportus für den römischen Handel besessen
hat9.
Betrachtet man sämtliches Fundmaterial der Kaiserzeit entlang dieser Bergstraße vor
dem Hintergrund der historischen und epigraphischen Quellen, so lässt sich etwa
folgendes Bild skizzieren:
1
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 11.
In. It. X4, 348. W. Schmid, ÖJh 27, 1932, Beiblatt 206f.
3
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 157.
4
I. Mikl Curk, Roman Frontier Studies 1995 (1997) 440.
5
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 6f.
6
P. Petru, Studien zu den Militärgrenzen Roms I, Beiheft BJb 1967, 124.
7
P. Petru, Studien zu den Militärgrenzen Roms I, Beiheft BJb 1967, 125.
8
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 5 Abb. 2.
9
Gassner - Jilek – Ladstätter, 2002, 42.
2
248
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Seit der Trassierung der Straße Aquileia – Emona in augusteischer Zeit und
besonders seit dem 2. Jahrhundert n. Chr., nahm das Verkehrsaufkommen über den
Birnbaumer Sattel immer weiter zu. Die älteren Siedlungen, die entlang der Strecke
lagen, wurden in das römische Straßenversorgungssystem integriert und zu
mansiones oder mutationes ausgebaut. Zusätzlich musste für eine militärische
Straßensicherung gesorgt werden, da die vielen Kilometer in unwegsamem Gelände
und durch dichte Wälder den Reisenden schutzlos Räubern und Wegelagerern
auslieferte. Ein Grabstein aus Fluvio frigido verdeutlicht dies:
Antonio Va(len)tino, princi(pi) leg(ionis) XIII
Gem(inae), int(er)fecto a latro(ni)bus In Alpes
Iul(ias), loco quod appellatur Scelerata, Antonius
Valentinus filius pat(ri)…1
In Krisenzeiten wurden die militärischen Einheiten entlang der Straße verstärkt
gefordert, denn ein reibungsloser Verkehr von Italien zur Donau war äußerst wichtig.
Aus diesem Grund kann man damit rechnen, dass zivile und militärische
Einrichtungen stets in gutem Zustand gehalten wurden. Kleinfunde, welche bei den
Grabungen auf der Passhöhe gemacht wurden, zeigen, dass die Siedlung bis ins 4.
Jahrhundert jedoch im Wesentlichen zivilen Charakter behielt2. Außerdem tauchen in
den Quellen – ausgenommen die Markomanneneinfälle - auch kaum Ereignisse auf,
die auf eine stärkere Militärpräsenz hindeuten würden3.
Besonders in der Spätantike erlangte diese Passstraße über die julischen Alpen
große strategisch-militärische Bedeutung. Diesem Umstand trägt auch der
Forschungsstand Rechnung. Durch mehrjährige Untersuchungen der Universität
München in Zusammenarbeit mit slowenischen Archäologen, konnten vor allem
Erkenntnisse über die spätantiken Befestigungsanlagen entlang der Straße
gewonnen werden.
Auf der höchsten Stelle entstand als Teil der Claustra Alpium Iuliarum eine große
Passbefestigung, die dazu diente, die natürliche Gebirgsbarriere durch Abriegelung
des offenen Sattels zu verstärken.4 Es handelte sich bei diesem Sperrsystem nicht
um einen durchgehenden Limes, sondern um eine Kette von einzelnen, mit Türmen
verstärkten Mauerabschnitten und Festungen, die ihren Anfang im Süden, an der
Küste bei Tarsatica (Rijeka) nahm und in nördlicher Richtung alle von Natur aus nicht
genügend geschützten Stellen verstärkte5.
Die Straße über den Birnbaumer Sattel wurde ihrer Bedeutung entsprechend nicht
nur mit einer Festung auf dem Sattel, sondern mit einer ganzen Reihe von Kastellen
und Sperrmauern im Vorfeld und Hinterland gesichert:
In Nauportus gibt es Reste eines unregelmäßig polygonalen Kastells mit
vorspringenden Türmen. Etwas weiter südwestlich, schon in ansteigendem Gelände
gelegen, kann man heute noch die Spuren einer 10 km langen, mit Türmen
1
In. It. X4, 339.
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 41.
3
Herodian 2, II, 8 nennt eine kurzzeitige Sperrung der Alpenpässe für das Jahr 193 und berichtet 8, I,
ff. von der problemlosen Überquerung der Alpen durch Maximinus Thrax. Vergl. Claustra Alpium
Iuliarum I 23f. Nr. 6, 7.
4
Der Begriff Claustra Alpium Iuliarum stammt von Ammianus Marcellinus XXXI, 11, 3, er nennt ihn im
Zusammenhang mit Ereignissen des Jahres 352.
5
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 4.
2
249
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
verstärkten Sperrmauer erkennen, die in einem weiten Bogen das ganze Tal
abschließt, durch welches sich die Bergstraße hinaufwindet1.
Es folgt ein Kleinkastell mit unregelmäßigem Grundriss, an welches eine Sperrmauer
angeschlossen ist. Dieses befindet sich in der Umgebung der mansio Longatico /
Logatec, und wurde 1963 archäologisch untersucht. Durch das Fundmaterial konnte
seine Belegungszeit grob von der zweiten Hälfte des 3. bis zum Ende des 4.
Abb. 124 Die spätantike Befestigung bei Logatec
Jahrhunderts datiert werden2 (Abb. 124).
In Laniš e, dem exponiert gelegenen Gabelungspunkt zwischen der antiken und der
modernen Straße, befindet sich ein 20 x 20 m langes Kleinkastell mit
angeschlossenen Mauern zum Flankenschutz, die ursprünglich eine Länge von über
7 Kilometern gehabt haben sollen, jedoch nicht mehr in ihrer vollen Dimension
nachgewiesen werden können3. Die Anlage ist für einen Beobachtungsposten ideal
gelegen, wurde wahrscheinlich nachträglich in die Sperrmauer eingesetzt und wird
an Hand von Münzen und Kleinfunden, die bei Grabungen zu Tage kamen, ebenfalls
ins 4. Jahrhundert datiert1 (Abb. 125).
Es folgt die ebenfalls spätantike Passfestung Ad Pirum, der das Hauptaugenmerk der
bisherigen archäologischen Aktivitäten galt (Abb. 126/130).
Abb. 125 Die spätantike Befestigung von Laniš e
1
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 8.
P. Petru, Studien zu den Militärgrenzen Roms I, Beiheft BJb 1967, 125.
3
A. Puschi, Archeografo Triestino 24, 1902,140.
2
250
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Von der Form her handelt es sich bei der Anlage um ein unregelmäßiges Oval,
dessen Außenmauern dem stark abschüssigen Gelände angepasst sind. Die Länge
des Kastells beträgt ca. 250 m, die Stärke schwankt zwischen 42 m im Süden und 86
m im Norden. Ungefähr in der Mitte wird die Festung durch eine Quermauer in einen
Nord- und einen Südteil getrennt. Während der Nordteil in ansteigendem Gelände
liegt, befindet sich ungefähr in der Mitte des Südteiles die tiefste Stelle der Anlage,
Abb. 126 Paßbefestigungen ad Pirum: Gesamtplan
an der sie von der Ost-West verlaufenden Straße durchschnitten wird. Der südlichste
Teil liegt wieder auf leicht erhöhtem Gelände.
Die Stärke der Mauern, die heute noch bis zu einem Meter hoch erhalten sind,
beträgt im unteren Bereich 2.7 m. Sie sind einheitlich in einer Zweischalentechnik
errichtet, der Mauerkern besteht aus Steinen unterschiedlicher Größe, die mit viel
Mörtel verbunden sind (opus cementicium). Auf dem höchsten Punkt innerhalb der
Befestigung befindet sich ein großer quadratischer Turm, von dem aus man die sich
von Osten nähernde Straße auf einer weiten Strecke einsehen konnte. Weitere
Türme befinden sich an den Außenmauern, der Zwischenmauer in der Mitte und an
1
P. Petru, Studien zu den Militärgrenzen Roms I, Beiheft BJb 1967, 123f.
251
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
den Flanken des monumentalen Osttores, von dem sich noch die antike Pfanne der
angel für eine der beiden Türen erhalten hat (Abb. 127).
Die einheitliche Planung und Ausführungstechnik, sowie das weitgehende Fehlen
von Baufugen, deutet darauf hin, dass die Festung in einem Zuge errichtet wurde1.
Im Inneren des Kastells fanden sich bei den Grabungen nur wenige
Bebauungsspuren. Die gesamte Oberburg, sowie der nördliche Teil der Unterburg
sind zu steil dafür, es konnten in diesen Bereichen weder Kleinfunde gemacht, noch
Befunde festgestellt werden. Dagegen kamen im Südteil bereits bei Altgrabungen
Reste von Steinbauten zu Tage2. Eine große Funddichte und einige
Siedlungsbefunde
wiesen
damals vor allem den Bereich
zwischen Straße und Südmauer
als Siedlungsschwerpunkt aus3.
Flankenschutz
gaben
dem
Kastell
ausgedehnte
Sperrmauern im Norden und im
Süden,
deren
Stärke
durchschnittlich 2 m beträgt und
die noch bis zu 2 m hoch
erhalten sind. Im Süden stoßen
diese bis zu einem Kilometer weit
vor und riegeln die gesamte
Passhöhe ab. Entlang der
Mauern finden sich weitere
Türme sowie zwei befestigte
Abb. 127 Das Osttor der Paßfestung, durch das die
Tore, durch welche die von
Via Publica verlief. An der Ostseite sind stärkere
Tergeste ausgehende Straße
Fortifikationen zu beobachten
geführt wurde (Abb. 128).
Bei Grabungen im Bereich der östlichen dieser beiden Toranlagen konnte eine
ursprüngliche Mauerhöhe von mindestens 3 m ermittelt werden. Das Tor selbst wird
auf Grund der ergrabenen Befunde als oben offenes Walltor mit hölzernem
Wehrgang rekonstruiert. Die Toröffnung nach Nordosten war wesentlich stärker
ausgebaut, ein Charakteristikum, welches an verschiedenen Punkten der gesamten
Verteidigungsanlage immer wieder auftritt. Zwei Brandschichten deuten auf zwei
Zerstörungen des Torbaues hin, die zweite bedeutete gleichzeitig das Ende der
Nutzung4.
Beispiele für derartige spätantike Fortifikationen lassen sich im Alpenraum einige
finden. Durch die besondere Geländesituation von Ad Pirum können ebenso
befestigte Höhensiedlungen vergleichend in Betracht gezogen werden. Neben den
Anlagen von Vemania / Isny5, Caelius mons / Kellmünz6 und Turicum / ZürichLindenhof7 sind es Höhensiedlungen wie Duel oder der Hoischhügel8 in Kärnten, die
1
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 17.
W. Schmid, ÖJh 27, 1932, Beibl. 206f.
3
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 20.
4
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 34f..
5
J. Garbsch, Der spätrömische Donau-Iller-Rhein-Limes (1970) Abb. 8
6
H.-J. Kellner, Das spätrömische Kellmünz (1957) M. Mackensen, Das spätromische Grenzkastell
Caelius Mons in Kellmünz an der Iller (1995).
7
J. Garbsch, Der spätrömische Donau-Iller-Rhein-Limes (1970) 14 Abb. 18.
8
Zu Duel: R. Egger, ÖJh 25, 1929, Beibl. 159ff. Abb. 85. U. Steinklauber, Die Kleinfunde aus der
spätantiken befestigten Siedlung vom Duel-Feistritz a.d. Drau (Kärnten) (Diss. Graz 1988) Zum
Hoischhügel: Ders., SoSchr ÖAI 9, 1916, 97ff.
2
252
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
zudem im engeren Interessensgebiet dieser Arbeit liegen. Einzelne Bauelemente,
wie z. B. das Straßentor, haben Entsprechungen in alpinen Anlagen wie Veldidena /
Wilten1, Zürich-Lindenhof oder Schaan / Liechtenstein2.
Das Befestigungssystem entlang der Straße über den Birnbaumer Sattel findet mit
der Festung auf der Passhöhe zwar seinen Höhepunkt, wird aber erst durch ein
letztes Kastell in Ajdovš ina abgeschlossen, welches in der Form eines
unregelmäßigen Vieleckes mit 16 Rundtürmen ein Wohnareal umschloss und auf
Grund seiner Mauertechnik und Anlage in die konstantinische Zeit datiert wird3 (Abb.
129). Diese Datierung wurde in der jüngeren Literatur auf Grund von Münzfunden
nach unten korrigiert und wird jetzt mit den 70er Jahren des 3. Jahrhunderts
angegeben4. Das Kastell wurde wahrscheinlich über einem Teil einer älteren
Siedlung errichtet. Spuren eines orthogonalen Rasters konnten im Inneren des
Lagers festgestellt werden5.
Es ist wahrscheinlich, dass all
diese
Anlagen
einem
gemeinsamen, groß angelegten
Verteidigungsprojekt zugehören,
für dessen Datierung es einige
Anhaltspunkte gibt:
Die Grabungen im Kastell Ad
Pirum gewannen aus einer
Abfallschicht, welche unmittelbar
auf den Erbauungshorizont der
Außenmauer
folgte,
im
Allgemeinen Fundgut aus dem 4.
Jahrhundert.
Ein
leicht
abgenutzter Follis des Licinius aus
den Jahren 312/13, geprägt in
Thessalonike, gilt als vorsichtiger
terminus ante quem für die
Kastellmauer. Da mit einer
Verzögerung durch die Umlaufzeit
Abb. 128 Toranlage auf der Paßhöhe. Kontrollierte
gerechnet wurde, setzte man die
die Straße nach Tergeste
Erbauung der Anlage um 320 n.
Chr. an6. Diese Annahme wird durch die Notitia dignitatum ergänzt, aus der die
Aushebung dreier neuer Legionen unter Diokletian abzulesen ist: Die Iulia Alpina I
(pseudocomitatensis in Italia), die Iulia Alpina II (pseudocomitatensis in Illyrico) und
die Iulia Alpina III (comitatensis in Italia)7. Die Ausgräber von Ad Pirum vermuten,
dass diese Legionen den Auftrag hatten, das Sperrsystem in den julischen Alpen zu
errichten, was durch die Größe und besondere Schwierigkeit der Aufgabe bis in die
1
J. Garbsch, Der spätrömische Donau-Iller-Rhein-Limes (1970) Anm. 61, 13f. Abb. 16.
J. Garbsch, Der spätrömische Donau-Iller-Rhein-Limes (1970) 13f. Abb. 16.
3
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 5.
4
N. Osmuk, Arheološki vestnik 41, 1990, 198.
5
V. Fab i , Arheološki vestnik 48, 1997, 133.
6
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 43 Anm. 101; 149.
7
Notitia dignitatum II occ. V 257, 258, 99 = 248 (Hrsg. O. Seeck 1876). E. C. Nischer, The Army
Reforms of Dioceltian and Constantine and their Modifications up to the Time of the Notitia Dignitatum,
JRS 13, 1923, 7, 31. D. Hoffmann, Das spätrömische Bewegungsheer, Epigraphische Studien 7/I u. II,
1969-70, Kapitel 6, Anm. 622.
2
253
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
frühkonstantinische Zeit gedauert haben könnte1. Eher werden sie aber als
Besatzung für die Sperranlagen der Claustra Alpium Iuliarum hierher gelegt worden
sein.
Diese allgemeine Datierung der Claustra Alpium Iuliarum in frühkonstantinische Zeit
wird vor dem Hintergrund der neueren Ergebnisse aus Ajdovš ina2, sowie einer
Neuanalyse des Münzumlaufs von Ad Pirum, die durch zahlreiche Neufunde
notwendig geworden war3, von der jüngeren Literatur in Frage gestellt.
Eine Zurückdatierung des Kastells Ad
Pirum in die 70er Jahre des 3.
Jahrhunderts n. Chr. gilt als sehr
wahrscheinlich. Darüber hinaus gibt es
inzwischen numismatische Hinweise,
dass die Kastelle von Laniš e und
Longatico
möglicherweise
erst
zwischen 360 und 380 n. Chr.
entstanden sind4.
Die Claustra Alpium Iuliarum tauchen
im Verlauf des 4. Jahrhunderts in
verschiedenen
Schriftquellen
auf.
Kaiser Julian berichtet vom Krieg
zwischen Constantius II. und dem
Usurpator Magnentius, der sich im
September des Jahres 352 im Bereich
zwischen dem Festungsgürtel und
Aquileia abgewickelt hat5:
Abb. 129 Das Kastell in Ajdovš ina / Fluvius
frigidus
Magnentius ließ auf seinem Rückzug in
Richtung Aquileia die „alten Mauern“
wieder in Stand setzen und die Festungen bemannen, um den Kaiser aufzuhalten.
Dieser durchbricht jedoch in einem überraschenden Angriff die Claustra und schlägt
den Usurpator6.
Im Sommer des Jahres 388 gibt es erneut militärische Aktivitäten auf dem
Birnbaumer Sattel7:
Wie Orosius berichtet, lässt der Usurpator Magnus Maximus durch seinen Feldherrn
Andragathius die Kastelle in den Julischen Alpen bemannen und wiederherstellen,
um den von Osten anrückenden Kaiser Theodosius aufzuhalten. Es kommt jedoch zu
einem vorzeitigen Rückzug seiner Truppen aus ihren Stellungen und Theodosius
kann die Claustra ohne Gegenwehr durchqueren.
In diesem Fall widersprechen sich literarische, archäologische und numismatische
Quellen8:
Speziell für die Periode zw. 383 und 388 n. Chr. gibt es ein erhöhtes
Münzaufkommen in den Kastellen entlang der Passstraße, was mit den Berichten
von einer Wiederherstellung / Ausbau übereinstimmen könnte. Im Kastell von
1
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 43f.
N. Osmuk, Arheološki vestnik 41, 1990, 198.
3
P. Kos, Situla 24, 1986, 198ff.
4
P. Kos, Situla 24, 1986, 203.
5
Flavius Claudius Iulianus, 3.17, 20-24(Claustra Alpium Iuliarum I 24ff. Nr. 9)
6
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 45. deutet die Quelle ausführlicher.
7
Paulus Orosius, Hist. advers. pag. 7. 35, 3-5 (Claustra Alpium Iuliarum I 35f. Nr. 24) Ebenso
Zosimus, Hist. nov. 4.46.2. (Claustra Alpium Iuliarum I 39 Nr. 31)
8
P. Kos, Situla 24, 1986, 203ff.
2
254
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Longatico fand man in einer Brandschicht zusammen mit einer prägefrischen Münze
des Magnus Maximus aus dem Jahr 387/388 einen Klumpen von 200-250
verschmolzenen Centenionales, die nach 364 geprägt wurden. Ähnliche Befunde gibt
es auch aus dem Kleinkastell von Laniš e. Somit scheinen beide möglicherweise
beim Vorstoß des Theodosius im Jahr 388 zerstört worden zu sein.
Auf alle Fälle enden mit dem ausgehenden 4. Jahrhundert die Funde in den Anlagen
von Laniš e und der mansio Longatico. Ob bei den Ereignissen von 388 auch die
Festung Ad Pirum in Mitleidenschaft gezogen wurde, geht weder aus den antiken,
noch aus den archäologischen Quellen eindeutig hervor.
Abb. 130 Die Paßfestung auf dem Birnbaumer Sattel. VRML-Modell
Zusammen mit der dritten literarischen Erwähnung setzen die Ausgräber auch das
Ende der Festung Ad Pirum an. Funde, Münzreihen und Grabungsbefunde ergaben
einen deutlichen Bruch der Sielungskontinuität für das Ende des 4. Jahrhunderts. Die
Grabung am oben beschriebenen östlichen Walltor konnte zwei Brandhorizonte
nachweisen. Der jüngere, der das Ende der ganzen Anlage markiert, hängt
wahrscheinlich mit der Erstürmung des Kastells durch Truppen des Theodosius am
5. September 394 zusammen1. Zahlreiche antike Autoren berichteten darüber2.
Wieder nähert sich Theodosius von Osten, um den neuen Usurpator Eugenius zu
bekämpfen. Dieser verlegt Truppen in die Festungen der julischen Alpen und
erwartet den Angriff. Es scheint schwere Kämpfe gegeben zu haben, davon legen u.
a. zahlreiche Geschossspitzen Zeugnis ab, welche in der letzten Brandschicht des
östlichen Walltores gefunden wurden3. Schließlich gelingt jedoch der Durchbruch und
der Kaiser verbringt die Nacht vor der entscheidenden Schlacht betend auf der
1
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 46.
Zusammenstellung in: Claustra Alpium Iuliarum I Nr. 15, 22, 25-27, 29, 32-34, 38-40, 43, 44, 46.
3
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 46.
2
255
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Passhöhe1. Am folgenden Tag kommt es am Fluvius Frigidus zur
Entscheidungsschlacht, in der das Heer des Theodosius siegt2.
Entgegen dieser Theorie wurde in der Literatur auch angenommen, dass es im Jahr
394 zu keiner vollständigen Zerstörung der Festung Ad Pirum gekommen ist,
sondern dass sich das Ende erst mit dem Einfall der Westgoten unter Alarich
ereignet hat3, der 401 auf diesem Weg nach Italien einfiel, aber keinen
nennenswerten Widerstand mehr angetroffen hat4.
Aus der archäologischen Evidenz ließ sich, an den bisher untersuchten Plätzen
entlang der Passstraße, obwohl sie sicherlich weiter begangen wurde und es auch
weiterhin Handel gab, keine Siedlungskontinuität in das Frühmittelalter feststellen,.
Es scheint so, als ob die Gebiete, die im östlichen Einzugsbereich der Claustra
lagen, noch bis in die Hunnenzeit mit Italien verbunden blieben, während die
Verbreitung von neu errichteten Höhensiedlungen und die Verschiebung der
ethnischen Grenzen im frühen Mittelalter darauf hindeutet, dass die Claustra ihre
Rolle weitgehend eingebüßt hat5. Die Menschen, die für fast 400 Jahre in den
mansiones und mutationes entlang der Straße vom Verkehr gelebt hatten, hatten
durch den politischen Zusammenbruch ihre Lebensgrundlage verloren. Lediglich im
offener gelegenen und landwirtschaftlich nutzbaren Ajdovš ina fanden sich slawische
Besiedlungsspuren aus dem Frühmittelalter.
Auf der Passhöhe setzen die Funde erst um 1200 wieder ein, als die Grenze
zwischen Aquileia und Triest dort verlief und der Fernhandel langsam wieder
zunahm6.
1
Paulus Orosius, Hist. advers. pag. 7. 35. 4-5.
Zur Schlacht: M. Springer, Die Schlacht am Frigidus als quellenkundliches und
literaturgeschichtliches Problem. In: R. Bratož (Hgb.), Westillyricum und Norditalien in der
spätrömischen Zeit, Situla 34, 1996, 54-93.
3
P. Kos, The monetary circulation in the southeastern Alpine Region ca. 300 B.C. A.D. 1000, Situla
24, 1986, 207.
4
Turranius Rufinus, Hist. eccl.,pologus (Claustra Alpium Iuliarum I 33 Nr. 21.)
5
I. Mikl Curk, Roman Frontier Studies 1995 (1997) 443.
6
T. Ulbert, Ad Pirum, MBV 31, 1981, 49f.
2
256
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
257
Die Römer auf den
258
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
2.3 Ein Vergleichsbeispiel: Die römische Straße über den Julier
•
Topographie
Der 2284 m hohe Julierpass liegt im heutigen Schweizer Kanton Graubünden. Er
verbindet in einer Ost-West verlaufenden Passage das Oberengadin mit dem
Oberhalbstein und dem Hinterrhein. Der Julierpass bildet zusammen mit dem MalojaPass ein Passzugsystem, über das man von der Poebene und dem Comer See ins
Abb. 131 Geländeschnitt: Julierpaß
Rheintal und an den Bodensee gelangen kann.
Der Aufstieg zum Julierpass nimmt seinen Anfang im 720 Einwohner zählenden Ort
Silvaplana (1810 m) im Oberengadin. Bis zur Passhöhe sind 447 Höhenmeter auf
einer Strecke von 5 km zu überwinden. Westlich der Passhöhe trifft man nach 12 km
auf den 223 Einwohner zählenden Ort Bivio (1790 m). Der Ort bildet den westlichen
Fuß der Passstrasse in engerem Sinne. Wie der Name schon andeutet, befindet sich
hier eine Abzweigung: Von Norden kommend, besteht die Möglichkeit, nach Süden
den Septimerpass zu nehmen oder in Richtung Osten den Julierpass zu überqueren.
Beide Wege führen letztlich nach Oberitalien, wobei der Septimer den Nachteil
besitzt, an der Südseite beschwerlicher als der Julier und stark lawinengefährdet zu
259
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
sein1. Der Weg über den Julier war insgesamt fast 25 km länger, als der über den
Septimer, doch er war im Gegensatz zu diesem für Wagenverkehr geeignet. Wegen
seiner Ost-West Lage hat der Julier im Laufe des Jahres mehr Sonneneinstrahlung
als der Septimer, wodurch er auch lawinensicher ist und früher schneefrei wird2. In
Bivio schwenkt der Fluss Tgavretga nach Norden und mündet in die Gelgia/Julia.
Das Tal der Gelgia kann jedoch ohne weiteres noch zum nördlichen Passanstieg der
Septimer-/Julierroute dazugerechnet werden, da hier ein Höhenunterschied von rund
600 Höhenmetern über mehrere Höhenstufen in einem relativ engen Tal zu
überwinden ist.
•
Forschungsgeschichte
Deutliche Spuren römischer Präsenz auf der Passhöhe des Julier haben über
Jahrhunderte das Interesse von Reisenden und Gelehrten erregt. „Der Marmelstein
uf dem Julierberg“ – die berühmten Juliersäulen - wurde bereits in einer Urkunde von
1396 erwähnt3 (Abb. 132). Die erste Zuweisung zu den Römern geht auf Ulrich
Campell zurück, der in
seiner
topographischen
Beschreibung der rätischen
Alpen aus dem Jahre 1572
von Resten einer alten
Strasse,
sowie
von
Karrengeleisen
und
römischen
Funden
4
berichtet .
Die
wissenschaftliche
Erforschung der Altstraßen
über den Julierpass setzt
hingegen am Beginn des
19. Jhs. ein: Den Anfang
machte C. U. v. Salis
Marschlins im Jahre 18055.
Immer wieder beschäftigten
sich seitdem Autoren mit
den Karrengeleisen entlang
der
Passstraße
und
Abb. 132 Der Jullier-Berg in Bündten“ von J. Meyer 1655datierten diese in römische
1712.
Zeit, u.a. H. Meyer (1861),
P. C. Planta (1866), S. Bavier (1878), J. Naeher (1888) und R. Reinhard (1903) 6.
Andere Autoren erwähnten zwar die römischen Funde und die archäologischen
1
Drack, Fellmann, 1988, 368f. Trotzdem wurde der Septimer in römischer Zeit begangen, wie u.a.
Funde von arretinischer Terra Sigillata, Ziegeln und einer republikanischen Münze aus dem Jahre 48
v. Chr. gezeigt haben.
2
Planta, 1986, 123f.
3
F. Stähelin, Die Schweiz in römischer Zeit2 (1948) 382 Anm. 2.
4
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 41. U. Campelli, Raetiae alpestris topographica descriptio (1572)
112f.
5
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 41 Anm. 9. C. U. v. Salis Marschlins, Über die Notwendigkeit, die
Landstraßen in Bünden in bestmöglichsten Zustand zu stellen (1805).
6
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 41 Anm. 10-14: H. Meyer, MAGZ 13, 1861, II 4. P. C. Planta, Die
Bündner Alpenstraßen historisch dargestellt (1866). S. Bavier, Die Straßen der Schweiz (1878). J.
260
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Untersuchungen auf dem Pass während der 2. Hälfte des 19. und der 1. Hälfte des
20. Jhs., gingen aber nicht genauer auf den Straßenverlauf ein1. 1934-1939 kam es
zu punktuellen archäologischen Untersuchungen auf der Passhöhe durch H. Conrad,
der möglicherweise Reste eines Passheiligtums freilegen konnte2.
Die Zuweisung der Altstraßenreste am Julier in römische Zeit wurde allerdings
auch in Zweifel gezogen: H. Bulle vertritt 1948 in seinem Werk über die
Geleisestraßen des Altertums die Ansicht, dass diese bereits prähistorischen
Ursprungs seien3.
Die wichtigsten Arbeiten zur römischen Strasse über den Julier wurden in der
2. Hälfte des 20. Jhs. verfasst: F. E. Koenig fasste den Wissensstand bis in die 70er
Jahre zusammen und analysierte die Fundmünzen von der Passhöhe4. A. Planta und
C. P. Ehrensperger führten am Beispiel dieser Verbindung ihre exemplarischen
Studien zum Charakter römischer Bergstraßen in den Alpen durch und letzterer
gewann dabei eine Reihe von neuen, allgemein gültigen Erkenntnissen zur Planung
und Bautechnik solcher Anlagen5. Einen wichtigen Beitrag zur Handelsgeschichte
und Infrastruktur entlang der Julierroute lieferte zuletzt R. Matteotti. Er veröffentlichte
den Befund einer als mansio / mutatio anzusprechenden Anlage in Riom,
nordwestlich der Passhöhe6.
•
Die Passstraße in den antiken Itinerarien
Der römische Name für den Übergang über den Julier ist nicht überliefert, auch auf
der Tabula Peutingeriana ist dieser Verkehrsweg nicht eingetragen. Die römische
Strasse über den Julierpass ist jedoch möglicherweise im Itinerarium Antonini
verzeichnet. Sie bildet den höchsten Punkt der Verbindung von Brigantium nach
Mediolanum. Ab Curia (Chur) teilt sich die Strasse in zwei Arme: Der westliche Arm
führt über den Splügenpass, sowie über die Stationen Travessedum (Campodolcino)
und Clavenna (Chiavenna) nach Süden7, der östliche Arm erreicht nach XX m. p. die
mansio Tinnetio (Tinzen), überquert den Julier oder den Septimer, führte nach XV m.
p. zur mansio Murus (Castelmur) und nach weiteren XX m. p. nach Summus Lacus
(Samolaco) an der Nordspitze des Comer Sees 8. Somit konnte diese Strecke in drei
Tagesetappen zurückgelegt werden. Aus der relativ kurzen Distanzangabe von XV
m. p. (ca. 22.5 km) zw. Tinnetio und Murus muss, sofern die Benennung der beiden
Orte richtig ist, geschlossen werden, dass das Itinerarium eher den Weg über den
Septimer im Sinne eines Botenweges für den velox cursus beschreibt9.
Naeher, Die römischen Militärstraßen und Handelswege in der Schweiz und in Südwestdeutschland,
insbesondere in Elsass-Lothringen2 (1888). R. Reinhard, Pässe und Straßen in den Schweiz Alpen
(1903).
1
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 41 Anm. 16-19: G. Bener, Studie zur Geschichte der Transitwege
durch Graubünden (1906). C. Camenisch, Engadiner Bergpässe (1921). W. W. Hyde, Memoirs of the
American Philosophical Society 2, 1935, 116-184. F. Stähelin, Die Schweiz in römischer Zeit2 (1948)
381ff.
2
Drack, Fellmann, 1988, 367. O. Schultheß, JbSGUF 26, 1934, 72.
3
H. Bulle, Geleisestraßen des Altertums, SBMünchen(1948)
4
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 77-99.
5
A. Planta, HA 7, 1976, 1ff. Ders., Verkehrswege im alten Rätien 2 (1986) 19ff. C. P. Ehrensperger,
HA 21 ,1990, 34ff.
6
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 103-196.
7
It. Ant. 278, 3ff.
8
It. Ant. 277, 4ff.
9
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 71.
261
Die Römer auf den
•
Pässen der Ostalpen
Die Passstraße und deren archäologische Hinterlassenschaften
Spuren einer vorrömischen Begehung des Julierpasses finden sich auf der Passhöhe
selbst (Abb. 133): Unter den zahlreichen Münzfunden befinden sich auch zwei
ostgriechische Prägungen des 2. und 1. Jhs. v. Chr., die auf spätlatènezeitlichen
Handel hindeuten könnten1.
Die römische Passstraße über den Julierpass ist durch eine breite Datenbasis
nachgewiesen: Zum einen gibt es entlang der Anmarschwege zahlreiche römische
Funde und Befunde2, zum anderen sind auf der Passhöhe selbst seit langem
Architekturreste und Kleinfunde römischer Zeitstellung bekannt3. Diese lenkten
schließlich die Aufmerksamkeit auf zahlreiche Altstraßenreste und Geleiserillen, die
westlich und östliche des Passes im Gelände sichtbar sind.
Abb. 133 Die Paßhöhe des Julier
Zunächst zu den Funden im Einzugsbereich des Julierpasses: Auf der Südseite,
nahe der modernen Ortschaft Bondo, wurden zw. 1921 und 1928 Reste einer
Wegtrasse ausgegraben, an deren Nord- und Südseite parallel zum Straßenverlauf
mehrere römische Gebäude lagen. Auf der Südseite stand ein nicht näher
bestimmbarer Bau mit einer ca. 12 m langen Frontseite. An der Nordseite lag eine
kleine Therme, sowie ein mindestens 23 x 12 m großes Gebäude, welches vielleicht
als mansio anzusprechen ist. Auf dem Gelände dieser Fundstelle wurden in den
Jahren 1939 und 1958 außerdem zwei Weihealtäre für Mercurius Cissonius
1
L. Pauli, ANRW II 18,1 (1986) 838.
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 105. Karte 3.
3
F. Stähelin, Die Schweiz in römischer Zeit2 (1948) 381f.
2
262
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
entdeckt1. Der Gebäudekomplex ist nicht datiert, in Bondo gehen die römischen
Spuren jedoch bis in die frühe Kaiserzeit zurück. Da die römischen Baureste in der
Nähe einer mittelalterlichen Straßensperrmauer liegen, die in ihren Fundamenten
wahrscheinlich in die Spätantike datieren, wurde der Ort mit der Station Murus aus
dem Itinerarium Antonini gleichgesetzt2.
Folgt man dem Tal aufwärts nach Nordosten und
überquert den Malojapass, gelangt man an den Lej da
Segl. An dessen Ausfluss, in der Nähe der Ortschaft
Segl Baselgia, wurden in den 70er Jahren des 20. Jhs.
drei Votivaltäre aus Speckstein gefunden. Planta
vermutet, dass sie beim Umladen beschädigt wurden
oder im Zuge eines Transportes über Wasser oder Eis
im See versunken sind3.
Auf dem Scheitelpunkt der Julierstrasse ist ein
Passheiligtum durch Funde und Befunde gesichert4:
Neben den beiden „Juliersäulen“(Abb. 134), die
ursprünglich Trommeln einer einzigen Säule waren,
wurde in deren unmittelbarer Umgebung ein 5 x 5 m
großes Mauergeviert ausgegraben, dessen Quader
von
in
Blei
gefassten
Eisenklammern
zusammengehalten wurden5. Dort fanden sich
profilierte Gesimsstücke, ein rechter Oberarm sowie
ein linkes Knie einer lebensgroßen männlichen Statue6
Abb. 134 Eine der
und
ein
Säulentrommeln auf der
Inschriftenfragment,
Paßhöhe
das
in
einer
fraglichen Lesung als Weihung an die Alpen
interpretiert wurde: Al[pibus] Re[gio] [Iulia](?)7
(Abb. 135).
Die Säulenfragmente wurden zusammen mit den
Statuenresten als ursprünglich ca. 4.2 m hohes
Säulenmonument interpretiert, auf dessen Spitze
ein Jupiter mit Lanze und Blitzbündel gestanden
haben könnte, das Mauerviereck als die
dazugehörigen Reste eines Altars oder eines
Sockels8. Es könnte sich aber auch um einen mit
Steinplatten gedeckten Tempel gehandelt haben,
denn die Zusammengehörigkeit von Säule, Statue
und Grundmauern, ist nicht nachweisbar. Zuletzt
1
Drack, Fellmann, 1988, 372.
Abb. 135 Fragment einer Steintafel
Drack, Fellmann, 1988, 371.
mit dem Inschriftenrest: Al[pibus]
3
A. Planta, 1986, 27.
Re[gio] [Iulia] (?)
4
Stähelin,1948, 381.
5
O. Schultheß, JbSGUF 27, 1935, 65f. R. Laur-Belart, JbSGUF 28, 1936, 79.
6
R. Laur-Belart, JbSGUF 29, 1937, 99.
7
R. Laur-Belart, JbSGUF 30, 1938, 121. Taf. XV, Abb. 1. Drack, Fellmann, 1988, 371. Andere
Ergänzung: F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 83.
8
Stähelin,1948, 381. Interpretation des Ausgräbers H. Conrad (R. Laur-Belart, JbSGUF 28, 1936, 79.)
Daneben hat R. Laur-Belart, JbSGUF, 29, 1937, 99, eher an die Aufstellung in der Aedicula einer
kleinen Kapelle gedacht. Für diese Säule gibt es ein passendes Vergleichsbeispiel vom Kleinen St.
Bernhard. L. Pauli, ANRW II 18,1 (1986) 838.
2
263
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
wurden die beiden Trommeln als Teile eines einfachen Monumentes angesprochen1.
Welche Gottheit auf der Passhöhe verehrt wurde, lässt sich nicht mehr bestimmen,
die Statuenfragmente lassen nur vermuten, dass es sich um einen männlichen Gott
gehandelt hat.
Neben den Architektur- und Skulpturfunden bilden Münzen die dritte wichtige
Gattung archäologischen Materials von der Passhöhe des Julier:
Im Zuge von Straßenbauarbeiten wurde im Jahre 1854 ein Hort bestehend aus über
200 Münzen aus dem Zeitraum zw. der Frühen Kaiserzeit und der Mitte des 3. Jhs. n.
Chr. gefunden, 63 Stück sind heute noch bekannt2.
Abb. 136 Geländemodell Julier-Septimer-Maloja (Schrägansicht, Blick nach SW)
Von diesen zu trennen sind 53 Streumünzen, die seit den 40er Jahren des 19. Jhs.
durch Zufall oder bei oberflächlichen archäologischen Untersuchungen geborgen
wurden. Die Fundstellen konzentrieren sich dabei vor allem auf die Umgebung der
beiden Säulen. Da bisher keine Reste einer Straßenstation auf der Passhöhe
lokalisiert werden konnten, gelten diese Münzen bis auf weiteres als absichtlich
deponierte Votivgaben3.
19 Stück davon, aus dem 3. und 4. Jh. n. Chr., sind bei den Ausgrabungen in den
30er Jahren auf der Passhöhe zu Tage getreten, die jüngsten Prägungen stammen
1
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 83.
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 84.
3
L. Pauli, ANRW II 18,1 (1986) 838.
2
264
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
dabei von Constantius II (324-361 n. Chr.)1. Vergleicht man beide Komplexe,
ergeben sich keine nennenswerten Unterschiede in der Zeitstellung2: Die Münzen
setzen mit Tiberius und besonders ab der Mitte des 1. Jh. n. Chr. ein und fallen damit
in die Periode des claudischen Straßenbauprogramms. Im 2. Jh. gibt es einen
deutlichen Rückgang, der sich auch im Münzspektrum des Großen St. Bernhard
widerspiegelt3, ein ähnliches Phänomen zeigt sich auch im Heiligtum auf der
Pillerhöhe4. Die Funddichte nimmt im 3. Jh. wieder zu und erreicht beinahe den
Stand des 1. Jhs. Ins 4. Jh. fällt der Höhepunkt in der Funddichte und im späten 4.
Jh. endet das römische Münzspektrum mit einem Stück des Gratian, das zw. 378
und 383 n. Chr. geprägt wurde5. Den chronologischen Anschluss ins Frühmittelalter
bildet ein Exemplar des Geiserich (439-477 n. Chr.). Damit sind die Fundmünzen
Abb. 137 Die mansio von Riom
vom Julierpass hinter denen aus Chur die zweitgrößte Gruppe im Kanton
Graubünden6.
Außer diesen wichtigsten Fundgattungen sind antike Reste auf der Passhöhe bisher
nur sehr spärlich zu Tage gekommen: Einige Keramik- und Glasfragmente, sowie
1
R. Laur-Belart, JbSGUF 28, 1936, 79.
L. Pauli, ANRW II 18,1 (1986) 838 Anm. 86.
3
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 85.
4
Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 238.
5
Drack, Fellmann, 1988, 368.
6
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 86.
2
265
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
eine größere Zahl Scherben von Lavezgefäßen und ein trommelförmiger Spielstein.
Fibeln sind bisher keine gefunden worden1.
Beginnt man den Abstieg von der Passhöhe ins Oberhalbstein, trifft man zuerst auf
den modernen Ort Bivio, der keine römischen Funde aufweist2, obwohl sich hier die
Abzweigung zw. Julier und Septimer befindet. Weiter talabwärts verdichten sich
jedoch die römischen Hinterlassenschaften3: In der Talsenke der Ortschaften
Tinizong (Tinnetio), Savognin und Padnal sind Münzen und Gräber gefunden
worden.
Aus Riom, wenige Kilometer weiter nördlich gelegen, stammt der bisher am besten
erforschte und publizierte Befund entlang der nördlichen Zufahrtsstraße zum Julier
(Abb. 137). Zw. 1972 und 1983 ist es östlich des Dorfzentrums zu mehreren
Grabungen gekommen, die verschiedene Gebäudekomplexe freilegen konnten4. U.
a. handelt es sich um einen 30 x 20 m großen Steinbau, der als Hauptgebäude
angesprochen wird (A), ein min. zweiphasiger Komplex östlich davon (B), zwei
Nebengebäude mit Hypokaustheizungen (C, D), eine Werkstatt (E) und mehrere
Holzgebäude (F, G, H) von
denen eines älter als das
Hauptgebäude zu sein scheint
(G), und eines vermutlich aus
dem Frühmittelalter stammt (H).
Das Hauptgebäude liegt auf ca.
1200 m Meereshöhe an einem
Osthang mit ca. 11% Steigung
und besteht aus drei Trakten,
die um einen zentralen Hof Uförmig angeordnet sind. Im
Laufe der Zeit kam es zu
zahlreichen Veränderungen an
der Bausubstanz, sodass die
Entwicklung der Anlage von den
Ausgräbern in acht Phasen
unterteilt wurde. Die frühesten
römischen
Strukturen
entstanden im 2. Viertel des 1.
Jhs. n. Chr., in Form eines
Holzbaues (G). Das sog.
Hauptgebäude wurde um die
Mitte des 1. Jhs. n. Chr. über
dem Holzbau in Steinbauweise
errichtet. Es wurde in der Folge
mehrere Male umgebaut und
Abb. 138 Die mansio auf dem Kleinen St. Bernhard.
Rekonstruktion und Grabungssituation
1
brannte Mitte des 2. Jhs. n. Chr.
teilweise ab, blieb aber in seiner
Grundstruktur bis ins 4. Jh.
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 83.
A. Planta, 1986, 123 weist darauf hin, dass es in Bivio immer wieder zu Geschiebeablagerungen
kommt, welche es schwierig machen, eventuelle archäologische Hinterlassenschaften zu entdecken.
3
R. Wyss, HA 8, 1977, 3f. Karte S. 4.
4
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 106f.
2
266
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
erhalten. Im späten 4. und 5. Jh. verfiel die Anlage und wurde schließlich einplaniert,
um frühmittelalterlichen Holzbauten Platz zu machen (H)1 (Abb. 137).
Auf
Grund
bautypologischer
Vergleiche
und
durch
die
besondere
verkehrsgeographische Position dieser Anlage liegt eine Deutung als Straßenstation
nahe. U-förmige Anordnung von Wohntrakten und Ställen um einen Innenhof gelten
als allgemeine Charakteristika von römischen Rasthäusern2. Von Größe und
Aufteilung her betrachtet ähnelt die Anlage von Riom besonders dem Haus J, der
mansio, von Immurium 3. Dieses wurde spätestens in claudischer Zeit errichtet4 und
könnte somit zeitgleich oder zumindest in nahem zeitlichen Abstand zur Anlage von
Riom stehen.
Weiter kommen noch die Rasthäuser auf dem Kleinen St. Bernhard – In Alpe Graia als engere Vergleichsbeispiele in Frage5 (Abb. 138).
Die wirtschaftsgeschichtlichen Erkenntnisse, welche sich aus dem Fundmaterial
gewinnen ließen, werden am Ende dieses Kapitels zusammenfassend besprochen.
Abb. 139 Altstraßenreste am Julier
Verfolgt man den Talverlauf des Oberhalbsteins weiter nach Norden, trifft man in
Motta Vallac und Mon wiederum auf römische Siedlungsspuren und Gräber. Motta
Vallac könnte in der Spätantike als befestigter Platz zur Verkehrskontrolle gedient
haben. Den Abschluss bildet Tiefencastel, wo auf dem Kirchhügel eine römische
1
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 135f.
H. Bender, Kleine Schriften Aalen 13, 1975, 22ff.
3
R. Fleischer, AS 4, 1998, 41ff.
4
R. Fleischer, AS 4, 1998, 47.
5
L. Pauli, ANRW II 18,1 (1986) 839f.
2
267
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Siedlung vermutet wird1. Ein weiterer typischer Fund entlang von römischen
Passstraßen stammt ebenfalls aus Tiefencastel, dem nördlichen Ausgangspunkt der
Julierroute: H. Conrad fand dort 1941 bei Aushubarbeiten eine gut erhaltene
Hipposandale2.
•
Altstraßenreste im Einzugsbereich des Julierpasses:
Nachdem nun die römischen Hinterlassenschaften entlang der Julierpassstrasse
kurz vorgestellt wurden, wird im Folgenden versucht, einen Überblick über die
Erforschung der Altstraßenreste am Julier zu geben. Vor allem A. Planta und C. P.
Ehrensperger haben sich mit diesen beschäftigt und sind zu Aussagen gekommen,
die für den ganzen Alpenraum Gültigkeit haben (Abb. 139).
Nach Plantas Erkenntnissen steigt die römische Strasse von Segl Baselgia am linken
Talrand über dem Lej da Silvaplana in Richtung Julier Hochtal auf. Auf halbem Weg
zweigt die Verbindung nach Silvaplana und ins Engadin ab. In diesem Bereich
konnte Planta einen ca. 2 m breiten Fahrweg ergraben, der geschottert war und
durch einfache Stützmauern und Ableitungen geschützt wurde. Außerdem haben
sich hier 1.07 m breite Geleise erhalten3. Der Weg nimmt keine Rücksicht auf die
neuzeitlichen Gemeindegrenzen, was auf sein hohes Alter hindeutet4.
Abb. 140 Römische Fahrstraße oberhalb von Bivio
1
R. Wyss, HA 8, 1977, 3f. Karte S. 4.
R. Laur-Belart, JbSGUF 32/33, 1940/41, 144.
3
Planta, 1986, 30.
4
Planta, 1986, 39.
2
268
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Zwischen der Vallun – Schlucht, oberhalb von Silvaplana und der Passhöhe des
Julier haben sich in der breiten Talsohle kaum eindeutige Altstraßenreste erhalten.
Erst rund 500 m westlich des Scheitelpunktes, in der Nähe des Hospizes La Veduta,
tauchen erneute Spuren im Gelände auf. Planta dokumentierte in diesem Bereich
eine Reihe paralleler Wegspuren, welche er als römische Geleiserillen deutete. Sie
entstanden durch Benutzung und wurden durch Abnutzung der talseitigen Radspur
immer wieder verlegt. Die vermutlich jüngsten dieser Fahrspuren wurden nach dem
Abb. 141 Markiersteine und Fluchtlinien
Ende des Wagenverkehrs mit Bachschotter gefüllt, um Saumtieren die Benutzung zu
ermöglichen1.
Zwischen La Veduta und Bivio konnte Planta noch einige weitere Reste von
Hohlwegen mit einer Steigung von 12%, sowie Radschleifspuren entdecken2. Er
charakterisiert die Strasse über den Julier und mit ihr alle römischen Fahrstraßen
1
2
Planta, 1986, 33ff.
Planta, 1986, 124f.
269
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
über die Alpen, insgesamt als bescheidenen Fahrweg, der nicht mit der Via Appia
verglichen werden kann1.
C. P. Ehrensperger hat Plantas Beobachtungen ergänzt aber ihm in einigen seiner
Schlussfolgerungen widersprochen: Er untersuchte die Anschlusswege an die
Wagengeleise unterhalb von La Veduta und entdeckte parallele Trassenreste, die
durch Befahrung der Almwiesen geformt worden waren. Da diese offenbar ohne
jeden baulichen Aufwand entstanden sind, deutet Ehrensperger sie als gewachsene
Wege und folglich als nicht römischen Ursprungs2. Er nennt dafür noch weitere
Gründe, u. a. das Fehlen von geradlinigen Trassen und die Mehrfachführung an
unpassierbar gewordenen Stellen, die er als unrömisch bezeichnet3. Zu letzterem ist
zu sagen, dass es am Korntauern und Mallnitzer Tauern an einigen Stellen Spuren
von Mehrfachführung gibt4, auch wenn diese Strassen durch ihre scheinbar kurze
Benützungszeit nicht direkt mit dem Julier verglichen werden können. Eine weitere
Stelle dieser Art existierte auf der Passhöhe des Radstädter Tauern5.
Ehrenspergers Beobachtungen stützten sich stark auf die Auswertung von
Luftbildern, auf denen er mehrere ältere Wegabschnitte auf der West- und Ostseite
des Passes entdeckte6. Diese decken sich teilweise mit der modernen Strasse, die
eine Verbreiterung der Kommerzialstrasse von 1820-26 darstellt. Es entsteht der
Eindruck, dass die neuzeitliche und moderne Trasse über weite Strecken der
römischen Linienführung gefolgt ist7. Zw. Bivio und Silvaplana existieren insgesamt
acht ältere Abweichungen von der modernen Straße (Abschnitte A – H, Abb. 139),
die alle wieder auf diese zurückführen und sich durch folgende Charakteristika
auszeichnen8:
Alle Abweichungen setzen sich aus geradlinigen Segmenten zusammen, die
zw. wenigen Metern und 615 m Länge schwanken. Die Kronenbreite hält sich
konstant um die vier Meter, gemessen an verschiedenen Stellen, an denen noch
beidseitig Stützmauern erhalten waren. Jedes Segment verfügt in sich über eine
konstante Steigung, die sich am Übergang zum nächsten Segment immer verändert
(Abb. 140). Die Segmente treffen in spitzen oder stumpfen Winkeln mit kleinen
Kurvenradien aufeinander, die Kurven sind zu Plattformen erweitert. Besonders
interessant ist die Beobachtung, dass an zwei Kurven im Abschnitt A offenbar
Markierungssteine aufgestellt waren (Abb. 141), über deren Verbindung die Linie des
Hangböschungsfußes oder der Böschungskrone anvisiert werden konnte9. Die
absolute Steigung bestimmte den Streckenverlauf, sie wurde außerdem durch
Einschnitte ins Gelände und durch teilweise hohe Stützmauern niedrig gehalten. Die
Strasse ist durchgehend als Dammstrasse mit einer mittleren Höhe von 0.3-0.7m
angelegt und wird durch Böschungen und Stützmauern begrenzt. Ehrensperger hat
durch Vermessung eine Liste von Wegbreiten, Segmentlängen und Steigungen
erstellt10.
1
Planta, 1986, 41.
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 44ff.
3
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 46.
4
Lippert, 1999, 209.
5
M. Hell, PAR 13, 1963, 4.
6
Eine solche Vorgehensweise stellt in den Ostalpen seit langem ein Desiderat dar. Siehe: Winkler,
1985, 34.
7
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 48.
8
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 49f.
9
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 54. 56. Abb. 29.
10
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 51. Abb. 19, 20.
2
270
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Er vergleicht diese Beobachtungen mit ähnlichen Befunden von der Stane
Street, die Londinium mit Noviomagus im Süden Britanniens verband. Geradlinigkeit,
Segmentbauweise, übergangslose Richtungsänderungen und spitzwinklige Kurven
mit engen Kurvenradien zeichnen diese römische Fernverbindung aus1. Er leitet
daraus folgende Hinweise auf den römischen Ursprung der Altstraße über den Julier
ab2:
• Geradlinige, segmentierte Linienführung,
• enge Kurven im spitzen Winkel und übergangslose Richtungsänderungen in
stumpfem Winkel,
• Zick-Zack-Linienführung,
• Begrenzung der durchschnittlichen Steigung,
• konstante Steigung aller Segmente bis zu 100 m Länge,
• definierte Breite,
• Damm- und Terrassenbau,
• gestampfter / gewalzter Kies als Fahrbahnuntergrund,
• einheitliche Umgehung von Hindernissen,
• Brücken, Furten und Kreuzungen bei Segmentwinkeln,
• einheitliche Bauweise der gesamten Strecke,
• qualitativ hoch stehende Bauweise und großen Bauaufwand.
Aus diesen Gründen schließt Ehrensperger eine mittelalterliche Datierung dieser
Fahrstraße aus. Weiters widerspricht er Plantas Annahme, die von diesem
beschriebenen Geleisereste am Julier und südwestlich von Silvaplanan (Siehe S.
269f.) seien römischen Ursprungs und datiert diese in prähistorische Zeit3.
Ehrensperger rekonstruiert den Gesamtverlauf der römischen Fahrstraße über den
Julier von Bivio bis Silvaplana aus den noch sichtbaren Altstraßenresten und den
dazwischen liegenden Teilen der modernen Straße.
Obwohl diese Erkenntnisse in sich schlüssig sind, sich gut mit den römischen
Trassenresten auf dem Mallnitzer und Korntauern vergleichen lassen und
möglicherweise Beispielcharakter für römische Fahrstraßen in den Alpen besitzen,
bleiben sie solange Hypothese, bis durch Grabungen auf den Altstraßensegmenten
und unter der modernen Passstraße über den Julier Beweise gefunden werden
können.
Eine weitere Frage, die an zukünftige archäologische Forschungen geknüpft ist und
bisher noch nicht gestellt wurde, ist die der Datierung der Julierstraßen innerhalb der
römischen Epoche. Sowohl Planta, als auch Ehrensperger nehmen zu dieser Frage
nicht Stellung, obwohl sie von äußerster Wichtigkeit wäre. In Anlehnung an die
Straßen in den Hohen Tauern, welche bislang allerdings nur auf der Basis von
Indizien in die Zeit der Markomannenkriege datiert werden4, könnte man eine
mittelkaiserzeitliche Erbauung erwägen.
In den Ostalpen konnten bislang keine weiteren Vergleichsbeispiele solcher
Trassenführung nachgewiesen werden. Pässe von ähnlicher Bedeutung für den
antiken Verkehr in den Ostalpen, bei denen eine Fahrstraße nach der Art des Julier
zu erwarten wäre, sind theoretisch der Birnbaumer Sattel, der Pontebbapass, die
Laußnitzhöhe, der Radstädter Tauern, der Pyhrnpass, der Pass Lueg, der Brenner,
der Reschenpass und vielleicht der Fernpass. Der Seefelder Sattel war als
Fortsetzung der Brennerstraße zwar für Wagen befahrbar, zeigt, nach den
1
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 36f.
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 64ff.
3
C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 47.
4
Lippert 1999, 210.
2
271
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Forschungen von G. Grabherr zu urteilen, aber keines der am Julier festgestellten
Elemente1.
Die wirtschaftliche Bedeutung des Julierpasses in römischer Zeit:
•
Die Menge an römischen Funden und Befunden im näheren und weiteren
Einzugsbereich des Julierpasses verdeutlicht, welche Bedeutung diese
Verkehrsverbindung in der Antike besessen haben muss. Aus dem Fundkomplex von
Riom lassen sich zusammen mit anderen, südlich und nördlich des Passes
gelegenen Fundorten wichtige Aussagen zur Wirtschaftsgeschichte des Julier und
des Septimer treffen.
Die Terra Sigillata der frühen und mittleren Kaiserzeit wurde vor allem aus Mittel- und
Oberitalien, sowie aus Südgallien ins Oberhalbstein und nach Curia – Chur geliefert2:
Bis um die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. herrschten überall italische Sigillaten vor, dann
begannen sich Riom und Curia unterschiedlich zu entwickeln: Während sich in Riom
der Anteil der Importe aus dem Süden bis ins frühe 2. Jh. n. Chr. bei 40% hielt, brach
er in Curia zu Gunsten südgallischer Ware fast vollständig zusammen. Dieser
Unterschied wird durch marktwirtschaftliche und wirtschaftspolitische Phänomene zu
erklären versucht: Curia wurde von
Italien aus über die Pässe mit
Feinkeramik versorgt, was kostspielig
und nur in relativ kleinen Mengen
möglich war. Die somit teurere
italische Ware konnte in den
Absatzgebieten nördlich der Alpen
nicht mit südgallischen Produkten
konkurrieren, denn diese wurden
massenweise
über
die
ostfranzösischen Flüsse, sowie über
Rhein und Donau nach Norden
verhandelt. Umgekehrt bremsten die
Pässe auch den
Handelsfluss
gallischer
Sigillata
an
die
Alpensüdseite. Da Riom an einer
Handelsstrasse zu Italien und
gleichzeitig abseits der großen
Handelswege gallischer Sigillata lag,
könnte dies den Unterschied im frühen 2. Jh. erklären. Als zweiter Grund könnten
noch Zollgrenzen den Import über die Pässe beeinflusst haben. Falls mit der
Gründung der Provinz Raetia in claudischer Zeit ein Zollposten in Curia errichtet
wurde, war es für italische Händler nur mehr bis dorthin lukrativ, ihre Waren über die
Pässe zu bringen3.
Diese Phänome sind deshalb von besonderem Interesse, weil sich im Ostalpenraum
ähnliches beobachten lässt: Im 2. Jh. herrscht dort die südgallische Ware zwar am
Donaulimes vor, im Landesinneren scheint die Versorgung aber eher über die von
Italien ausgehenden Strassen erfolgt zu sein und sich zudem an Zollgrenzen
Abb. 632 Die mansio von Riom. Rekonstruktion
des Zustandes im 2. Jh. n. Chr.
1
Grabherr, Via Decia (Diplomarbeit Innsbruck 1994) 49ff.
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 142f.
3
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 143.
2
272
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
orientiert zu haben1. Es sieht so aus, als ob alle Alpenregionen, welche nicht an den
großen Handelswegen für südgallische Sigillata gelegen haben, über die Straßen mit
italischer Ware versorgt worden sind2.
Außer der Terra Sigillata können im 1. Jh. n. Chr. noch halbkugelige Töpfe mit
abgesetzter Halszone nördlich und südlich des Julier und der Septimer gefasst
werden. Da aber ihre Produktionsstätten unbekannt sind, bleibt die Handelsrichtung
unklar. Im Laufe des 2. Jhs. n. Chr. begann der Handel mit Lavezstein aus dem
Bergell über die Bündener Pässe nach Norden langsam an Bedeutung zu gewinnen.
Fibeln rheinländischer und gallischer Typen bildeten die einzigen Produkte, welche
nachweislich von Norden über den Alpenhauptkamm nach Italien gelangten3. Andere
Exportsgüter nach Italien waren wahrscheinlich jene typischen Erzeugnisse alpiner
Wirtschaft, welche in den antiken Quellen belegt sind4.
Ab der Mitte des 2. Jhs. bilden reliefverzierte Schüsseln aus Mittel- und Ostgallien,
sowie aus Obergermanien das Gros der Terra Sigillata, wohingegen italische Ware
nicht mehr nachzuweisen ist5. In dieser Zeit ist Lavezstein das einzige, archäologisch
fassbare Handelsgut, welches über den Julier und den Septimer transportiert wurde6.
Der Lavezhandel gewann bis ins 4. Jh. n. Chr. immer mehr an Bedeutung und Lavez
machte schließlich 65% der Geschirrfunde in den spätantiken Schichten von Riom
aus7. Überhaupt wurde der Italienhandel in der Spätantike wieder wichtig: Neben
Lavezgefäßen und nordafrikanischer Terra Sigillata, wird dies vor allem durch
Zangenfibeln und relativ viele Fundmünzen aus den Prägestätten von Mediolanum
und Ticinum deutlich8. Auch die Münzreihe von der Passhöhe des Julier zeigt ein
ähnliches Bild: Die Funddichte nimmt nach dem 1. Jh. n. Chr. stark ab9, was vielleicht
tatsächlich mit dem Rückgang der Terra Sigillata Importe aus Italien
zusammenhängen könnte. Der absolute Höhepunkt wird schließlich im 4. Jh.
erreicht, vor allem mit Münzen aus südlichen und östlichen Münzstätten, allen voran
Rom. Daraus wurde abgeleitet, dass der Julier vor allem für den Handel von Süden
nach Norden benutzt wurde10. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage
Plantas, dass am Maloja, oberhalb von Silvaplana und am Hospiz auf dem Julier, die
Wagengeleise an abschüssigen Stellen in Richtung Norden auffällig tiefer sind, als
jene, die in Richtung Süden abfallen. Dies könnte ebenfalls auf ein stärkeres
Verkehrsaufkommen von Italien aus über die Pässe hinweisen11.
1
D. Gabler, RCRF 21/22, 1982, 51ff.
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 143.
3
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 151.
4
Siehe im Kapitel „Die Ostalpen in den antiken Quellen“.
5
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 161.
6
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 162.
7
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 157.
8
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 160.
9
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 85.
10
F. E. Koenig, JbSGUF 62, 1979, 86.
11
Planta, 1986, 26ff.
2
273
Die Römer auf den
274
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
3. Abschluß
3.1 Zusammenfassung / Beantwortete und offene Fragen
Unser Wissen über die menschlichen Aktivitäten in den Alpen, während der fast 500
Jahre dauernden römischen Einflussnahme, basiert vor allem auf zwei
Quellengattungen:
Der literarischen Überlieferung antiker Autoren zu Geographie, Wirtschaft und
politischer Geschichte des Alpenraumes, unter Berücksichtigung der darauf
aufbauenden, althistorischen Forschung, sowie den materiellen Hinterlassenschaften
der römischen Zivilisation.
Ohne Zweifel bildet das antike Wissen, welches sich in schriftlicher Form bis in die
Gegenwart erhalten hat, nur einen kleinen Teil dessen, was den Gelehrten
ursprünglich über das wichtigste Gebirge Europas bekannt war. So kann man aus
griechischen Schriftquellen des 5. und 4. Jhs. v. Chr. nur noch in ungenügender
Weise rekonstruieren, woher die ältesten Nachrichten über die Alpen stammen und
wie sich der Wissensstand seit dem Beginn der griechischen Kolonisation im
Westen, stetig vergrößert hat. Ebenso ist die Herkunft und Bedeutung des Namens
Alpen umstritten, bereits in der Antike wurde er unterschiedlich gedeutet.
Im Zuge der römischen Expansion in den Norden der Apenninenhalbinsel und vor
allem durch den 2. punischen Krieg, beginnen sich die Quellen allmählich zu
verdichten.
Von großer Bedeutung für die Schriftgeschichte zu den Alpen ist die
Alpenüberquerung des Polybios im Jahre 151 v. Chr. und die daraus resultierende
Beschreibung
Durch die Lektüre verschiedenster Autoren zw. republikanischer Zeit und Spätantike,
von denen sich nur wenige eingehender mit den Alpen beschäftigt haben, gelingt es,
Rückschlüsse auf die antike Vorstellung von Gestalt und Ausdehnung der Alpen zu
gewinnen: Strabon und Plinius beschreiben die Gestalt des Gebirges völlig richtig als
Bogen, bzw. als halbmondförmig1. Auch was Länge und Breite betrifft, haben die
antiken autoren recht gute Vorstellungen: Caelius Antipater und Timagenes2 geben
rund 1000 Meilen (1480 km) Länge an, tatsächlich sind es rund 1540 km auf
Kammhöhe. Plinius spricht von einer Breite zw. 70 (104 km) und über 100 Meilen
(148 km) 3, heute gibt man 172 km für die breiteste Stelle an.
Neben diesen allgemeinen Angaben zu den Alpen, können spezifischere
Informationen zur Geographie der Ostalpen herausgearbeitet werden:
Der unterschiedliche Charakter des Gebirges im Vergleich zu den Westalpen, die
Namen der wichtigsten Höhenzüge, der allgemeine Landescharakter sowie die
Namen der wichtigsten Siedlungen und Flüsse.
Politische Ereignisse, die sich in den Ostalpen während der Jahrhunderte römischer
Herrschaft abspielten oder dieses Gebiet beeinflussten, sind ebenfalls überliefert:
Beschränkt man sich dabei auf jene Ereignisse, die auf direktem oder indirektem
Weg Einfluss auf den Passverkehr genommen haben, kann man eine Zeitspanne,
beginnend mit der überaus wichtigen Gründung Aquileias im Jahre 186 v. Chr.4, bis
1
Strabon, II, 5, 28. Plinius, n. h. III, 38.
Plinius, n. h. III, 132.
3
Plinius, ebenda.
4
Livius XXXIX, 22, 6f; 45, 6.
2
275
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
ans Ende des 4. Jhs. n. Chr., mit der Aufgabe der Passfestungen in den Julischen
Alpen1, eingrenzen.
Zusätzlich zur Landesnatur und den politischen Rahmenbedingungen beeinflussten
wirtschaftliche Faktoren die Verkehrsgeschichte dieser Region. Auch zu diesem
Thema bieten antike Autoren wichtige Informationen, vor allem nennen sie jene
Rohstoffe und Erzeugnisse, die der antike Mensch im Gebirge förderte, herstellte, auf
Straßen transportierte und verhandelte2.
Auf welchen wichtigen Pässen die Alpen überquert wurden und wie sich eine Reise
abspielte, kann schließlich ebenfalls in den Quellen nachgelesen werden. Polybios
beschreibt in den Ostalpen einen nicht näher bekannten Pass auf dem Gebiet der
Räter 3, Strabon nennt die Passstrasse über den mons Ocra4. Zu ihnen gesellen sich
noch weitere Autoren, die vor allem die Gefahren und Mühen einer
Alpenüberquerung schildern5.
Auf der Basis dieser Quellen konnte die althistorische Forschung das Alpenbild der
Römer, das langsame Hineinwachsen des Alpenraumes in das politische
Bewusstsein der Führungsschichten in Rom und die Rolle der Religion als Schutz für
das Individuum in einer lebensfeindlichen Umgebung herausarbeiten.
In den meisten Beschreibungen der Alpen wird vor allem deren Gefährlichkeit und
Unwirtlichkeit betont, besonders in der Lyrik bediente man sich zu diesem Zweck
zahlreicher Topoi und Anekdoten6. Dies ist leicht zu verstehen, blieb ja die
Überquerung der Alpen bis in die Spätantike, und auch darüber hinaus, ein
Unternehmen, bei welchem der Reisende den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert
war und sich deshalb der Hilfe der Götter zu versichern suchte. Literarische und vor
allem epigraphische Quellen von Passhöhen und Anmarschwegen aus dem
gesamten Alpenraum legen dafür Zeugnis ab.
Nur in ihrer Funktion als Schutzwall Italiens werden die Alpen teilweise positiv
bewertet7. Es gilt dabei zu berücksichtigen, dass die meisten dieser Textstellen aus
der Feder von Menschen stammen, die im mediterranen Klima und der damit
verbundenen Kultur und Lebensweise verwurzelt waren und die dem Lebensraum
Alpen verständlicherweise kaum Sympathien entgegenbrachten. Dieses Phänomen
beeinflusste vielleicht sogar zu einem gewissen Teil die Entwicklung, im Zuge derer
der Ostalpenraum ins politische Bewusstsein der römischen Führungsschichten
hineinwuchs. Die wirtschaftliche Erschließung der Ostalpen blieb jedoch davon
weitgehend unbeeinflusst. Während die offizielle Interessensphäre der römischen
Politik bis ins späte 1. Jh. v. Chr. entlang des Kammes der Karnischen und Julischen
Alpen festgelegt wurde8, stießen römische Händlerfamilien seit der 1. Hälfte des 2.
Jhs. v. Chr. nach Norden vor und bauten lebhafte Handelsbeziehungen auf, die über
die Pässe zw. Noricum und der X. regio Italiens liefen. Der durch diese neu
gewonnene Reichtum schlug sich nicht nur in den Schriftquellen, sondern auch in
den materiellen Hinterlassenschaften der Ostalpen und der nördlichen Gebiete bis
zur Donau nieder. Die Siedlung auf dem Magdalensberg ist das beste Beispiel für
diese Entwicklung, die schließlich zur römischen Eroberung der Alpen, zum Bau
1
Paulus Orosius, Hist. advers. pag. 7. 35, 3-5. Zosimus, Hist. nov. 4.46.2.
Strabon IV, 6, 9. Plinius n. h. XVIII, 69; XXXI, 43; XXXIII, 66ff.
3
Polybios bei Strabon IV, 6, 12.
4
Strabon IV, 6, 10.
5
Ammianus Marcellinus XV, 10, 4ff. Claudius Claudianus, bell. get. 340ff. Strabon, IV, 6, 6.
6
Tibullus IV, I, 109. Lucanus I, 183. Ovid, am. II, 16, 19. consol. ad Liviam 15. Apollinaris Sidonius,
carm. VII, 525. Petronius, sat. 122. Juvenalis, X, 166. Lucretius 5, 200ff. 1, 404f. 5, 1370ff.
7
Cato der Ältere bei Servius, Aen. X, 13.
8
G. Dobesch, Die Kelten in Österreich (1980) 317.
2
276
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
erster Bergstraßen1 und etwa drei Generationen später zur Eingliederung Noricums
ins römische Staatsgebiet unter Claudius führte. Mit ihm beginnt die erste, groß
angelegte Erschließung der Alpen durch Straßen und Wege, die auch zu einem
wirtschaftlichen Aufschwung führte. Norische Erzeugnisse und Rohstoffe, allen voran
das norische Eisen, wurden hauptsächlich über den Sattel von Camporosso nach
Aquileia transportiert und gelangten von dort bis nach Kleinasien und Mauretanien.
Im Westen nahm die Brennerlinie den Hauptverkehr von und nach Raetien auf, und
im Osten führte die Bernsteinstraße über den Birnbaumer Sattel nach Italien.
Daneben wurde durch die militärische Befestigung der Donau die Errichtung und
Pflege eines gesicherten Verkehrsnetzes zw. Italien und den Garnisonen und
Verwaltungszentren in der Grenzregion nötig. All diese Entwicklungen erreichten um
die Mitte des 2. Jhs. n. Chr. ihren Höhepunkt und erlebten mit den
Markomannenkriegen tiefgreifende Veränderungen. Dem wachsenden innen- und
außenpolitischen Druck begegneten die Herrscher, vor allem die Severer Septimius
Severus und Caracalla, sowie Maximinus Thrax (der letzte Straßenbaukaiser 2), mit
reichsweiten Ausbesserungsarbeiten und Neutrassierungen, die sich in zahlreichen
Meilensteinen und Inschriften entlang der ostalpinen Bergstraßen niederschlugen.
Die allgemeine Reichskrise konnte damit jedoch nicht aufgehalten werden und es ist
als symptomatisch für den ganzen Ostalpenraum anzusehen, daß die Via Claudia
Augusta um 260/270 n. Chr. einen mehrere Jahre andauernden Bruch in ihrer
Nutzung aufweist3.
Mit der Neuorganisation des Reiches in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht unter
Diocletian
beginnen
sich
die
Bedeutungsschwerpunkte
der
östlichen
Alpenübergänge zu
verschieben.
Diese werden
in
das
militärische
Verteidigungssystem einbezogen. Entlang von zahlreichen Pässen sind spätantike
Kastelle oder befestigte Siedlungen überliefert, ergraben oder werden vermutet.
Zudem wandelte sich das römische Heer in der Spätantike ja hin zu einem mobilen
Heer, für dessen Einsatz intakte Straßen Voraussetzung waren. Mit dieser
Konsolidierung geht ein neuerliches Erstarken der Wirtschaft einher, das sich vor
allem am Import nordafrikanischer Sigillata ablesen lässt, die im Laufe des 3. Jhs.
über Italien in die Region gelangte und in Ufernoricum bis ins 5. Jh., in
Binnennoricum sogar bis ins 7. Jh. n. Chr. angekauft wurde4.
Politisch gesehen hielt dieser Zustand relativer Stabilität bis zum Tod Valentinians I.
375 n. Chr., der sich noch einmal durch die Stabilisierung der Donaugrenze hervortat
und deshalb auch den östlichen Alpenübergängen seine Aufmerksamkeit schenkte.
Die Niederlage bei Adrianopel (378 n. Chr.) leitete aber den endgültigen Niedergang
der römischen Herrschaft im Ostalpenraum ein und im Laufe der folgenden
Jahrzehnte kamen die verschiedensten Völker über die Pässe nach Italien. Die
Eroberung und Zerstörung Aquileias durch die Hunnen im Jahre 452 n. Chr. kann
hier als eines der letzten Ereignisse von negativer Bedeutung für den Verkehr im
Ostalpenraum gesehen werden.
Auf Grund der Materialbasis, die sich aus dem Studium der archäologischen
Hinterlassenschaften entlang von rund 30 Passrouten in den Ostalpen ergeben hat,
können einige der folgenden Forschungsfragen beantwortet werden:
• Auf welchen Pässen überquerten die Römer die Ostalpen?
• Welche waren die Hauptrouten, welche hatten nur lokale Bedeutung?
1
CIL V, 8003.
Walser, 1983, 15f.; Winkler, 1985, 16.
3
Pöll 1998, 51.
4
S. Ladstätter, CarnuntumJb 1998, 1999, 60ff.
2
277
Die Römer auf den
•
•
•
•
•
Pässen der Ostalpen
Gibt es ältere Wege, die weiterverwendet wurden oder handelt es sich um
Neuanlagen?
Wie wurden Straßen über die Pässe angelegt?
Welche materiellen Hinterlassenschaften gibt es entlang der Passstraßen?
Welche Aussagen können auf Grund des Fundmaterials über die
römerzeitlichen Aktivitäten auf den Pässen der Ostalpen gemacht werden und
wo liegen die Grenzen der Aussagemöglichkeiten?
Gibt es den „Normalfall“ eines Passes in den Ostalpen während der römischen
Epoche?
Um die Frage zu beantworten, auf welchen Pässen die Römer die Ostalpen
überquerten, muss man berücksichtigen, dass sich der Begriff Römer im Laufe der
Jahrhunderte stark gewandelt hat. Versteht man unter einem Römer der
republikanischen Epoche und frühen Kaiserzeit nur einen mit dem römischen
bürgerrecht ausgestatteten Bewohner der mediterranen Regionen Italiens, so
schließt dies einen beträchtlichen Teil der inneralpinen Bevölkerung aus, die in
abgeschlossenen Täler für längere Zeit latènezeitlichen Lebensweisen verhaftet
blieb, jedoch für einen Großteil der lokalen Passüberquerungen verantwortlich war.
Wenn Angehörige dieser Gruppen als römisch bezeichnetes Material als Votivgaben
auf einer Passhöhe deponierten, bedeutet dies dann, dass der Pass von Römern
begangen wurde? Folgt man dieser Definition für die Zeit zw. dem 2. Jh. v. Chr. und
dem Ende des 1. Jhs. n. Chr., beschränken sich die von Römern verwendeten Pässe
im Großen und Ganzen auf die Hauptlinien zwischen wichtigen Siedlungen,
Militärstützpunkten oder Rohstoffabbaugebieten.
Die enge Definition des Terminus Römer beginnt sich mit fortschreitender
Romanisierung zu weiten und kann spätestens seit der constitutio Antoniniana 212 n.
Chr. auf alle Bewohner des römischen Territoriums ausgedehnt werden. Damit
vergrößert sich im Laufe der Zeit die Zahl jener Pässe, die als von Römern begangen
bezeichnet werden können, obwohl sich an deren absoluter Zahl im Laufe der
Jahrhunderte kaum etwas geändert hat. Im Prinzip kommen alle Pässe für eine
Begehung in Frage, jedoch lässt sich diese nur in einigen Fällen auch archäologisch
nachweisen. Besonders der Lokal- und Regionalverkehr dürfte die verschiedensten
Übergänge meist bereits in prähistorischer Zeit begangen haben und über die
Römerzeit hinaus auch eine mittelalterliche Kontinuität aufweisen.
Somit können folgende römerzeitliche Haupt- und Nebenrouten sowie lokale
Verkehrsverbindungen über die Pässe der Ostalpen unterschieden werden:
Die wichtigsten Hauptverbindungen gingen von Verona und Aquileia aus.
Von Verona gelangte man über die Linie Reschenpass – Fernpass (Via Claudia
Augusta) oder die Linie Brenner – Seefelder Sattel in die raetische Provinzhauptstadt
Augusta Vindelicum, ab dem Ende des 2. Jhs. n. Chr. auch zum Legionsstandort
Reginum / Castra Regina. Von Aquileia aus ging eine Fernstraße über den Sattel von
Camporosso nach Virunum und von dort aus in zwei Varianten, entweder über den
Radstädter Tauern und den Pass Lueg nach Juvavum, oder, ab dem Ende des 2.
Jhs. n. Chr., über den Triebener- und Rottenmanner Tauern sowie den Pyrhnpass
zum Verwaltungszentrum Ovilava und dem Legionsstandort Lauriacum.
Die südöstlichste und gleichzeitig bedeutendste Fernstraße, die von Aquileia
ausging, war die sog. Bernsteinstraße, die den Birnbaumer Sattel überquerte und am
Südostrand der Alpen entlang nach Carnuntum führte.
Zu den wichtigsten überregionalen Nebenrouten zählte das compendium Aquileia –
Veldidena, das über den Plöckenpass und den Gailbergsattel an die Brennerlinie
278
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
angeschlossen war. Von dieser Linie zweigte ein Weg über den Iselsberg und das
Hochtor ab, der über das Salzachtal mit Juvavum verbunden war. Die von Teurnia
ausgehenden Straßen über den Korntauern sowie über die Laußnitzhöhe, ebenfalls
mit Anschlüssen nach Juvavum, zählen ebenso zu dieser Kategorie, wie der
Verkehrsweg über den Loiblpass, der für den Handel zw. Emona und Virunum von
Wichtigkeit war
Nebenrouten von vorrangig wirtschaftlicher Bedeutung führten über den Mallnitzer
Tauern ins Erzabbaugebiet am Bockhart, über den Koppensattel nach Hallstatt und
über den Pötschenpass zur Bergbausiedlung auf dem Michlhallberg.
Zu diesen gesellt sich eine ganze Reihe von lokalen oder regionalen Pässen mit
einem sehr heterogenen Erscheinungsbild: Die Pillerhöhe, die vor allem von
kultischer Bedeutung war, der Jaufenpass, die kleineren Übergänge auf dem
Territorium von Aguntum, die kleineren Übergänge über die Karnischen Alpen, der
Wurzenpass, der Seebergsattel oder der Sölkpass. Diese Liste könnte man noch um
einige Namen erweitern, die aber aus Mangel an konkreten Anhaltspunkten für eine
römerzeitliche Begehung nicht miteinbezogen wurden.
Wie bereits kurz angesprochen, weisen viele dieser Übergänge schon Spuren
prähistorischer Begehung auf. Das Heiligtum auf der Pillerhöhe entstand in der
mittleren Bronzezeit und besaß während der Latènezeit einen Wirkungsradius vom
heutigen bayrischen Alpenvorland bis nach Norditalien. Damit ist eine vorrömische
Nutzung des Reschen- und Fernpasses ebenfalls belegt. Auf dem Jaufenpass
wurden mesolithische Werkzeuge und Waffenreste gefunden, auch der Brennerpass,
der seit dem Ende des 6. Jhs. v. Chr. als zentraler Verbindungsweg der FritzensSanzeno-Kultur gelten kann, besitzt eine vorrömische Tradition. Zahlreich sind die
prähistorischen Funde entlang fast aller Übergänge, die von den Römern verwendet
wurden: Venetische Felsinschriften am Plöckenpass und am Findenigtörl, Funde von
der mittleren Bronze- bis zur Spätlatènezeit am und um das Hochtor und den
Mallnitzer Tauern, spätneolithische Lochäxte und bronze- oder eisenzeitliche
Gusskuchen am Korntauern, der Bronzehelm vom Pass Lueg aus der
Urnenfelderzeit, sowie latènezeitliche Keramik, eine Fülle von verschiedensten
Objekten seit der Urnenfelderzeit entlang des Weges über den Koppensattel, der
Brandopferplatz am Sölkpass oder prähistorische Keramik am Nassfeld. All diese
Funde zeigen, dass es nicht die Ausnahme, sondern wohl eher die Regel war, wenn
römischer Verkehr ältere Saumrouten weiterbenützte oder diese zu Fahrstraßen
ausgebaut wurden. Diese Beobachtung fügt sich auch ins Bild der Schriftquellen,
denn wenn Einheimische im 1. Jh. v. Chr. mit der Errichtung von Straßen und
Brücken beauftragt wurden1 oder als Bergführer und Säumer an den Pässen tätig
waren2, werden sie sich meist an altbekannte und in ihren Gefahren einschätzbare
Wege gehalten haben.
Auf welche Weise römische Bergstraßen angelegt wurden, lässt sich besonders gut
am Beispiel des Korntauern und Mallnitzer Tauern beschreiben: Geradlinige,
segmentierte Linienführung, enge Kurven im spitzen Winkel und übergangslose
Richtungsänderungen in stumpfem Winkel, Zick-Zack-Linienführung, Begrenzung der
durchschnittlichen Steigung, konstante Steigung aller Segmente bis zu 100 m Länge,
definierte Breite, Damm- und Terrassenbau, gestampfter / gewalzter Kies als
Fahrbahnuntergrund, einheitliche Umgehung von Hindernissen; Brücken, Furten und
Kreuzungen bei Segmentwinkeln, einheitliche, qualitativ hoch stehende Bauweise.
1
2
Strabon IV, 6, 7.
Ammianus Marcellinus XV, 10, 4ff.
279
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Solche Befunde konnten sonst an keinem Pass der Ostalpen beobachtet werden und
sind wohl grundsätzlich nur auf den Hauptverkehrsverbindungen zu erwarten, die
nicht schon über ein stark vorgeprägtes, prähistorisches Wegnetz verfügten. Leider
sind die meisten der in Frage kommenden Strecken bis in die Gegenwart von größter
Bedeutung geblieben und entsprechend stark überbaut, allen voran der Brenner und
der Sattel von Camporosso, aber auch der Radstädter Tauern. Die Mehrheit der
Pässe verfügte sicher nur über weiterverwendete Saumwege aus vorrömischer Zeit,
die bei Bedarf umgelegt oder repariert wurden, wie das Beispiel Plöckenpass zeigt.
Die materiellen Hinterlassenschaften aus römischer Zeit sind im Einzelnen sehr
heterogen und lassen sich in einem ersten Schritt grob in Funde und Befunde aus
religiösem und profanem Kontext unterteilen.
Zu den Funden und Befunden aus religiösem Kontext zählen alle Arten von
Votivgaben auf Passhöhen, Inschriften sowie Reste von heiligen Schreinen und
Heiligtümern auf und entlang der Anmarschwege zu den Pässen. Die Menge an
Materialien ist hierbei beachtlich: Von der Passhöhe des Alten Fern stammen zwei
Münzen des 1. Jhs. n. Chr., sowie eine Fibel. Eine dort ebenfalls gefundene
Hipposandale muss meiner Einschätzung nach nicht unbedingt in einem kultischen
Kontext zu sehen sein. Das Heiligtum auf der Pillerhöhe stellt in dieser Kategorie
einen Grenzfall dar, da es nicht nachweislich mit der Via Claudia Augusta in
Zusammenhang steht. Auf dem Hochtor am Großglockner ist hingegen eindeutig ein
Zusammenhang zwischen Passverkehr und Religion nachweisbar, Reste von
Götterstatuetten und zahlreiche Münzen zeichnen ein eindeutiges Bild, das durch die
Funde vom Mallnitzer Tauern noch ergänzt wird: Dort konnten neben keltischen und
römischen Votivmünzen, einem kaiserzeitlicher Stilus aus Eisen und einer
Bronzenadel, auch zwei gelochte Steinplatten geborgen werden, die als
Bodenplatten von Kultschreinen anzusprechen sind. Die Funde beider Passhöhen
ergeben zusammen ein repräsentatives Bild eines hochalpinen Heiligtums in den
Ostalpen. Kleine Kultschreine entlang des Weges scheinen vorzuherrschen, ein
monumentales Passheiligtum, wie wir es vom Großen St. Bernhard kennen, konnte
durch Grabungsschnitte auf dem Scheitelpunkt von Hochtor und Mallnitzer Tauern
nicht nachgewiesen werden. Zusätzlich sind von anderen Passhöhen weitere
Einzelfunde bekannt, die als Votivgaben per itu et reditu gesehen werden können:
Ein Münzfund vom Korntauern, mehrere Fibeln und Münzen von der Passhöhe des
Plöckenpasses und des Kreuzbergsattels, wo auch von Bauresten eines sog.
Haidentempels auf der Passhöhe berichtet wird. Dazu kommt noch ein eindeutig am
Rand eines prähistorischen Brandopferplatzes deponiertes As des Domitian vom
Sölkpass.
Epigraphische Zeugnisse vom Loibl- und Plöckenpass bereichern unser Wissen um
die religiöse Komponente von Passüberquerungen noch zusätzlich: Von der
nördlichen Passrampe des Loiblpasses stammen drei Weihealtäre, von denen zwei
der sonst unbekannten Göttin Belestis geweiht sind und der dritte vielleicht zu Ehren
des Mithras oder des Jupiter gestiftet wurde. Die Göttin Belestis wurde auf Grund der
Darstellungen an den Seiten eines Altares als Naturgottheit und auf Grund der
Fundlage der Steine als Beschützerin auf Bergstraßen interpretiert. Besonders
letzterer Interpretation sollte man jedoch vorsichtig begegnen, um keinem
Zirkelschluss zu erliegen. Die Deutung des dritten Steines als Weihung an Jupiter
wird sowohl durch eine Straßenbauinschrift von der Passhöhe des Plöckenpasses
unterstützt1, in der ebenfalls Jupiter angerufen wird, als auch durch das wichtigste
1
CIL V, 1863.
280
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Passheiligtum der Alpen, das dem Jupiter Poeninus auf dem Großen St. Bernhard
geweiht war. Neben Jupiter werden auf der Inschrift vom Plöckenpass auch die
Götter der Drei- und Vierwege angerufen.
Vom nördlichen Passfußpunkt des Sattels von Camporosso, Meclaria (Maglern)
stammt eine Inschrift1, die sich auf ein Herkulesheiligtum bezieht, bei einer Grabung
wurde dazu passend ein Herkulesbleivotiv gefunden. Eine weitere Inschrift vom
Danielsberg im Mölltal, am südlichen Zugangsweg zum Mallnitzer- und Korntauern,
belegt dort ebenfalls indirekt ein Herkulesheiligtum. Als Beschützer des Verkehrs und
der Straßen war es üblich, dass man der Gottheit vor Antritt einer Reise ein Opfer
darbrachte, in Italien sind Herkulesheiligtümer an einigen wichtigen Straßenstationen
bekannt. Vielleicht steht das Mithräum, das in der Nähe der mansio Immurium, am
südlichen Ausgangspunkt der Strasse über den Radstädter Tauern, gefunden wurde,
auch in einer solchen Kulttradition.
Die Funde und Befunde aus dem profanen Bereich können grob in die Bereiche
zivile Infrastruktur (Straßen-, Wegkörper, Meilensteine, Rast-, Schutzhäuser und
mansiones), militärische Infrastrutur (Kastelle, Sperranlagen) und Verlustfunde
getrennt werden.
Die erste Kategorie ziviler Infrastruktur, die Altstraßenreste, bietet das breiteste Feld
für wissenschaftliche Kontroversen, bei gleichzeitig geringster Wahrscheinlichkeit auf
eine Lösung der vielen unbeantworteten Fragen in absehbarer Zeit. Straßen- oder
Wegbeschreibungen existieren für fast alle untersuchten Pässe, wobei es sich
vielfach nur um unbelegte Vermutungen oder Rekonstruktionen des
wahrscheinlichsten Verlaufes handelt. Reguläre Straßengrabungen, im Zuge derer
aufschlussreiche Befunde untersucht werden konnten, gab es bisher nur wenige,
dafür sind diese von größter Wichtigkeit. Zu nennen sind die Untersuchungen im
Lermooser- und Eschenloher Moos, die Antworten zur Chronologie der Via Claudia
Augusta und der Brennerstrecke erbrachten, außerdem eine Grabung auf der
Fischerwiese südöstlich der Siedlung auf dem Michlhallberg. Gemeinsam ist allen
dreien, dass sie ihre Aussagekraft vor allem Bauhölzern verdanken, die sich in
feuchter Lagerung unter Luftabschluss erhalten und teilweise auf das Jahr genaue
Datierungen geliefert haben. Wo sich keine derart günstigen Verhältnisse boten,
haben Straßengrabungen bisher kaum konkret verwertbare Ergebnisse zur
Chronologie erbracht. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang z. B. Schnitte
entlang der Straßen über den Korn- und Mallnitzer Tauern, am Hochtor, am
Michlhallberg, im Zuge der Erforschung der sogenannten Via Decia oder auf dem
Piller Sattel. Lediglich am Brennerpass konnten aus dem Zusammenspiel mehrerer
Grabungen auf der Passhöhe, an der Ellbögner Landesstraße und in Patsch
ungeklärte chronologische Fragen beantwortet werden.
Die von A. Lippert untersuchten Altstraßenreste im Raum Badgastein-Mallnitz stellen
für die Ostalpen eine Ausnahme dar, da sich dort über weite Strecken Trassenreste
in unüberbautem Gelände verfolgen ließen und klare Parallelen zu römischen
Passstraßen in der Schweiz gezogen werden konnten.
Die problematischste Form von Altstraßenresten sind Geleisespuren, die schon seit
dem 19. Jh. immer wieder in der Literatur erwähnt und ebenso lange diskutiert
werden. Wie schwierig es ist, Trassenbeschreibungen und Nennung von
Geleiserillen aus der älteren Literatur heute im Gelände zu verfolgen, musste der
Autor während mehrerer Begehungen am Plöckenpass persönlich feststellen. Durch
1
CIL III, 4718.
281
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
langjährige Forschungsarbeit am Malojapass, am Julier, Septimer und entlang der
Via Claudia Augusta, ist es zumindest gelungen, eine mittlere Spurbreite von ca.
1.07m für römische Geleisestraßen zu ermitteln. Bestätigt wurde diese Theorie durch
den Fund eines Straßengeleises dieser Breite auf einer Bohlenschicht der Mitte des
2. Jhs. n. Chr. im Lermooser Moos. Die Unterscheidung von prähistorischen,
römischen und nachantiken Altstraßenresten und Wagengeleisen bleibt dennoch,
besonders bei Altfunden, in vielen Fällen schwierig. Neuere Arbeiten am Pillersattel1
lassen aber hoffen, dass sich der Forschungsstand in Zukunft schrittweise
verbessern wird.
Die zweite Kategorie ziviler Infrastruktur, Meilensteine und Bauinschriften, ist eine der
wichtigsten archäologischen und althistorischen Informationsquellen. Beschriftete
Meilensteine sind entlang der Straßen über den Reschenpass, den Brennerpass und
Seefelder Sattel, den Radstädter Tauern und die Laußnitzhöhe, dem Pass Lueg,
sowie am Sattel von Camporosso und am Birnbaumer Sattel bekannt oder erhalten.
Dazu kommen noch unbeschriftete Exemplare vom Gailbergsattel, vom
Holzleithensattel, vom Pass Lueg, vom Seefelder Sattel und vom Reschenpass. Drei
Bauinschriften sind am Plöckenpass erhalten geblieben.
Unbeschriftete Meilensteine können wertvolle Hinweise für die Rekonstruktion von
Straßenverläufen geben, obwohl diese, leicht wiederverwendbaren Denkmäler nur
selten in situ gefunden werden. Dasselbe gilt für beschriftete Steine, doch diese sind
darüber hinaus auch als historische Quelle im engeren Sinn zu betrachten. Während
im 1. und 2. Jh. n. Chr. der Kaiser im Nominativ als Bauherr der Straßen, meist in
Verbindung mit einem Verb wie fecit oder munivit, auftritt und sich aus diesen
Angaben leicht Rückschlüsse auf Bau- oder Reparaturphasen ziehen lassen, beginnt
sich das Meilensteinformular im 3. Jh. n. Chr. zu wandeln und entwickelt sich bis zum
4. Jh. zu reinen Dedikationen an die Herrscher, die nicht mehr mit Arbeiten an
Passstraßen in Zusammenhang stehen müssen.
So lässt sich neben der Errichtung der Via Claudia Augusta, bezeugt durch die
Meilensteine aus Feltre und Rabland2, eine rege Bautätigkeit am Brenner, am
Radstädter Tauern und eine Neutrassierung über die Laußnitzhöhe unter Septimius
Severus nachweisen. Die Passstraßen über den Radstädter Tauern und die
Laußnitzhöhe bieten gleichzeitig auch Beispiele für Loyalitätsbekundungen an
Kaiser, in deren Auftrag kaum Reparaturen oder Neutrassierungen durchgeführt
wurden3. Als reine Dedikationen dürften zwei Meilensteine des Flavius Claudius
Julianus (360-363 n. Chr.) nördlich des Brenners anzusprechen sein, während die
jüngste Bauinschrift vom Pökenpass zwar Straßenbauarbeiten unter Valentinian und
Valens im Jahr 373 n. Chr. nachweist, diese aber von der lokalen Gemeinde
durchgeführt und sicher auch finanziert wurden.
Die dritte Kategorie ziviler Infrastruktur bilden schließlich die Überreste von
mansiones und mutationes, die, den antiken Reiseverzeichnissen zufolge, in
regelmäßigen Abständen zu erwarten sind. Hier verfügen wir im Einzugsgebiet
mehrerer ostalpiner Pässe über Befunde mit unterschiedlicher Aussagekraft: Allen
voran die mansio von Immurium / Moosham am Südfuß des Radstädter Tauern, die
Altgrabung der mansio Gabromagus / Windischgarsten auf der Nordseite des
Pyrhnpasses, die unvollständige Untersuchung der mansio Ad Pirum auf dem
Birnbaumer Sattel und neuere Befunde aus Biberwier, die sich auf der Basis der
bisher veröffentlichten Daten nicht eindeutig als mansio / mutatio identifizieren
lassen. Ein ausgezeichnetes bautechnisches und chronologisches Vergleichsbeispiel
1
J. Pöll, FÖ 40, 2001, 74-79.
CIL V, 8002 und 8003.
3
CIL III, 5718, 5719. Philippus Arabs und sein Sohn Philippus Junior.
2
282
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
bietet die mansio von Riom, nördlich des Julierpasses in Graubünden. Von den drei
Stationen, die der Tabula Peutingeriana und dem Itinerarium Antonini zufolge auf
Passhöhen der Ostalpen existierten (In Alpe – Radstädter Tauern, Bilachinium –
Sattel von Camporosso, In Alpe Iulia – Birnbaumer Sattel) konnten nur Reste des
Stationsgebäudes auf dem Birnbaumer Sattel nachgewiesen werden. Sondagen am
Hochtor und am Mallnitzer Tauern, mit dem Ziel, eine mansio und ein Passheiligtum
zu finden, blieben erfolglos.
Die zweite Gruppe von Befunden profanen Ursprungs stellen solche militärischer
Infrastruktur dar, die hauptsächlich ab der 2. Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. auftreten. Die
wichtigsten Reste sind am Birnbaumer Sattel erhalten geblieben, wo neben einer
starken Passfestung, mehrere hundert Meter lange Sperrmauern mit Toranlagen
dokumentiert werden konnten. Vergleichsbeispiele sind Vemania / Isny, Caelius
mons / Kellmünz und Turicum / Zürich-Lindenhof. Einzelne Bauelemente, wie z. B.
das Straßentor auf der Passhöhe des Birnbaumer Sattels, haben Entsprechungen in
alpinen Anlagen wie Veldidena / Wilten, Zürich-Lindenhof oder Schaan /
Liechtenstein. Im Vorfeld und Hinterland der Passfestung befinden sich gestaffelt
Kastelle und Sperrmauern in Nauportus, Logatec, Laniš e und Ajdovš ina.
Ergänzend zu diesen Bauresten fand sich im Zuge der Grabung auf der Passhöhe
eine ganze Reihe von militärischen Kleinfunden. Zudem wurden historische
Ereignisse rund um den Festungsgürtel von mehreren antiken Autoren beschrieben.
Diesem einzigartigen Befund kann in den Ostalpen nur das Festungspaar Veldidena
– Teriolis zur Seite gestellt werden, das den Abstieg vom Seefelder Sattel bzw. den
Nordzugang zum Brennerpass überwachte und ebenfalls Eingang in diverse
Schriftquellen gefunden hat: Veldidena ist im Itinerarium Antonini1 verzeichnet,
Teriolis fand zusammen mit den dort stationierten Kommandanten Eingang in die
Notitia Dignitatum2. Demnach hatten beide Kastelle nicht nur Sperrfunktion, sondern
waren u. a. auch für den Nachschub nach Norden zuständig. Möglich wären zudem
Funktionen wie Steuer- und Zollposten, kontrollierte Abfuhr von in den Alpen staatlich
geförderten Rohstoffen oder Straßenaufsicht im „polizeilichen Sinne“.
Spätantike Wachtürme sind schließlich von der slowenischen Seite der Karawanken
bekannt, mit deren Hilfe die kleineren Übergänge von Noricum her (Wurzen-,
Loiblpass und Seebergsattel), sowie der Zugang zum Kanaltal überwacht werden
konnten.
Neben diesen, sicher nachgewiesenen militärischen Anlagen treten die
verschiedensten befestigten Plätze im Einzugsbereich von Pässen auf, deren
Datierung und Funktion nicht sicher geklärt ist: Die Burg Pittersberg am
Gailbergsattel, zwei Anlagen bei Danz im Gailtal, die zusammen mit einem Sperrwall
bei Rattendorf den Nassfeldpass von Norden her absichern und das Gailtal
abriegeln, sowie die Anlage auf dem Hoischhügel bei Maglern, die den Zugang zum
Kanaltal überwacht.
Ergänzend zu den militärischen Baubefunden kennt man noch vereinzelte Stücke
von Militaria, die ebenfalls mit Passbegehungen zusammenhängen, so z. B. einen
Zeltpflock und Schuhnägel vom Mallnitzer Tauern, einen spätantiken Kammhelm
vom Fernpass oder einen Geschoßbolzen aus Biberwier3.
Den dritten Teil materieller Hinterlassenschaften profanen Ursprungs bilden
schließlich die zahlreichen Verlustfunde, die entlang fast aller Passstraßen auftreten
1
It. Ant. 275,3.
Not.dig. occ. XXXV, 22; 31.(O. Seek)
3
G. Grabherr, FÖ 39, 2000, 690.
2
283
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
und deren repräsentativste Gruppe sicherlich die Hipposandalen darstellen.
Einzelexemplare gibt es an und auf zahlreichen Pässen im Ostalpenraum: Leermoos
- Fernpass, Gabromagus - Pyrhnpass, Immurium – Radstädter Tauern, Ad Pirum –
Birnbaumer Sattel. Besonders große Fundkomplexe sind entlang der Wege über
Koppensattel und Pötschenpass zu Tage gekommen. Beide Strecken sind
besonders auf Verlustfunde untersucht worden (Metallsuchgerät). Am Pötschenpass
wurden 145 Stücke, am Koppensattel ca. 40 Stücke und Fragmente aufgelesen. Die
Mehrzahl gehört zum Typ Aubert 1, der als typisch für den Ostalpenraum gelten
kann. Leider ergeben sich aus der Typologie keine datierenden Hinweise. Mit zu den
häufigsten Verlustfunden zählen neben Hipposandalen vor allem Fibeln und Münzen,
die sich nahezu an allen untersuchten Pässen der Ostalpen gefunden haben.
Verlorene oder weggeworfene Gegenstände organischer Natur, wie sie sich für die
Bronzezeit in so spektakulärer Art und Weise im Hochgebirge erhalten haben
(Similaun, Rieserfernergruppe), sind bisher mit Ausnahme der Reste eines
Ledersackes, in dem der Kammhelm vom Fernpass verpackt war, nicht erhalten.
Welche Aussagen können nun auf Grund des Fundmaterials über die römerzeitlichen
Aktivitäten auf den Pässen der Ostalpen gemacht werden?
Das Gros des Verkehrs zu allen Zeiten machte ohne Zweifel der Transportverkehr
aus. Dabei sollte man großteils von Saumtierkarawanen ausgehen, da diese im
Gebirge viel flexibler eingesetzt werden konnten und kaum weniger
Transportkapazität besaßen, als Karren oder Wagen. Die Altstraßenforschung hat
aber jahrzehntelang ihr Interesse großteils auf Geleisestraßen gerichtet und dabei
entstand der Eindruck, man wolle die Beudeutung einer Verbindung am Grad ihrer
Befahrberkeit mit Wagen messen1. Typische Beispiele von Wirtschaftswegen können
am Pötschenpass, Koppensattel und Mallnitzer Tauern nachgewiesen werden, die
wichtigste Handelsader war aber ohne Zweifel die Straße nach Aquileia durch das
Kanaltal. Reisten die Menschen nicht auf den Hauptrouten des cursus publicus,
standen wohl nicht immer Rast und Wechselstationen zur Verfügung. Die Grabung
auf dem Scheitelpunkt des Koppensattels hat gezeigt, in welch primitiven Hütten
Unterkunft und Schutz gesucht wurde, ähnlich den Almhütten des 19. Jhs. Vielfach
wurde wohl während des Sommers auch im Freien kampiert, worauf der Zeltpflock
vom Mallnitzer Tauern hindeuten könnte. Die zahlreich verlorenen Hipposandalen
zeigen, wie stark Trage- und Zugtiere beim Auf- und Abstieg belastet wurden.
Entlang des cursus publicus existierte eine besser ausgebaute Infrastruktur, mit
mansiones in regelmäßigen Abständen und an verkehrstechnisch wichtigen Punkten:
Die Tabula Peutingeriana2 zeigt den Übergang über den Radstädter Tauern, wo auf
der Südseite nach dem Übergang über die Mur die mansio Immurium errichtet
wurde. Nach ca. 14 Meilen (20,7 km) und 700 Höhenmetern, befindet sich die
mansio In Alpe auf der Passhöhe. Wenn die Reisenden am folgenden Tag ihren Weg
fortsetzten, mussten sie auf 16 Meilen (23.7 km) rund 900 Höhenmeter absteigen, bis
sie zur mansio Anisus (Altenmarkt) am Ennsübergang gelangten. Dass das
Stationsnetz sich im Laufe der Zeit ändern konnte, bzw. dichter war, als in den
Quellen verzeichnet, dürfte das Beispiel des Brennerpasses zeigen.
Die Pässe der Ostalpen erlebten neben dem Handelsverkehr und der öffentlichen
Post aber auch mehr als einmal durchziehende Heere, die die Kapazitäten des
Straßennetzes sicher bis auf das äußerste gefordert haben. Zu denken wäre hierbei
vor allem an die Markomanneneinfälle, im Zuge derer die gut ausgebauten
1
Siehe die vergebliche Suche nach Geleiseresten im Kapitel „Der Plöckenpass“ oder die letztendlich
mittelalterlich datierenden Geleisereste vom Brennerpass.
2
Tab. Peut. IV,4-5.
284
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Passstraßen nach Italien eher negativ als positiv gewirkt haben, daneben vor allem
an mehrere Feldzüge gegen Usurpatoren unter Septimius Severus und an Einsätze
spätantiker Bewegungsheere, die immer wieder von Norditalien aus an die
nördlichen Grenzen in Marsch gesetzt wurden.
Ein besonders lebendiges Bild ergibt sich von den religiösen Vorstellungen und
Bräuchen der Menschen, die die Ostalpenpässe überquerten. So zeigt der Vergleich
der Münzspektren vom Großen St. Bernhard, vom Pillersattel und vom Hochtor, dass
nach einer starken Phase in spätrepublikanischer Zeit (zusammen mit keltischen
Prägungen) überall ein deutlicher Rückgang der Fundmenge im 1., 2. und in der 1.
Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. zu verzeichnen ist. Im Falle des Hochtors wurde dies auf
die Verlagerung der Hauptverkehrsroute zum Radstädter Tauern zurückgeführt.
Zumindest am Großen St. Bernhard kann dieser Rückgang sicher nicht auf diese
Weise begründet werden, ganz im Gegenteil dürfte das Verkehrsaufkommen
besonders im 2. Jh. allgemein einen Höhepunkt erreicht haben. Also hängen diese
Schwankungen in der Münzreihe entweder mit Veränderungen im Votivbrauchtum
oder mit einem verminderten religiösen Bewusstsein in Zeiten des Wohlstandes
zusammen1. In der Spätantike steigt die Menge der niedergelegten Münzen nämlich
wieder sprunghaft an, um dann am Ende des 4. Jhs., wohl mit der Erhebung des
Christentums zur Staatsreligion, schlagartig abzubrechen. Lediglich auf der
Passhöhe des als Vergleichsbeispiel herangezogenen Julierpasses konnte bisher
eine jüngere Münze entdeckt werden2. Neben Münzen treten vor allem Fibeln als
Passfunde auf, daneben wurden aber auch verschiedene andere Gegenstände
niedergelegt, von denen sich leider nur jene aus Metall oder anderen anorganischen
Stoffen erhalten haben. Ein Fundkomplex wie auf dem Großen St. Bernhard konnte
in den Ostalpen bisher nicht entdeckt werden. Interessant zu beobachten ist der
Zusammenhang zwischen exponierter, hoher Lage der Passübergänge und der
dortigen Konzentration an Votivfunden. Natürlich kann dies auch mit nachantiker
Überbauung zusammenhängen, aber es ist nicht abzustreiten, dass die
Gefährlichkeit eines Passweges mit den Weihungen per itu et reditu
zusammenhängt. Insofern sind auf Pässen wie dem Loiblpass, dem Mallnitzer und
Korntauern, dem Hochtor, dem Plöckenpass, dem Brenner oder dem Reschen auch
in Zukunft noch weitere Votivfunde zu erwarten, wohingegen am Scheitelpunkt des
Birnbaumer Sattels, des Sattels von Camporosso, des Gailbergsattels oder am
Seefelder Sattel kaum größere Ansammlungen von Schreinen und Votivgaben zu
erwarten sein werden. Dass jedoch eine Art von Marterl aus Holz oder Stein, auf
jedem häufiger frequentierten Pass gestanden hat, ist beinahe sicher.
Wie auf den letzten Seiten gezeigt wurde, bieten die archäologischen Funde und
Befunde auf den Pässen der Ostalpen, in Verbindung mit den antiken Schriftquellen,
eine ganze Reihe von Aussagemöglichkeiten zu Wirtschaft, Kultur, Religion, Politik
und Technik.
Auf der Basis des heutigen Wissensstandes und mit Hilfe technischer Methoden
können sicher noch weitere Erkenntnisse gewonnen werden.
Die Grenzen des Möglichen werden jedoch Tag für Tag durch moderne Zerstörungen
enger gezogen und dies trifft leider besonders für die wichtigsten Passrouten der
Römerzeit zu. Dies betrifft auch die Möglichkeit, alte Weg- und Straßentrassen im
Gelände zu verfolgen, eine Tätigkeit, der unzählige Forscher mit ungebrochener
Faszination nachgehen. Meiner Meinung nach bewegt man sich hierbei zu oft auf
1
2
Siehe allgegenwärtige Phänomene in Mitteleuropa ab der 2. Hälfte des 20. Jhs. n. Chr.
Ein Exemplar des Geiserich (439-477 n. Chr.).
285
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
unsicherem Boden und ist auf bloße Spekulationen angewiesen. Ob großflächige
Prospektionen mit dem Metallsuchgerät hierfür Verbesserungen bringen können,
möchte ich bezweifeln. Mehr wäre sicher durch physikalische Prospektionen auf
Passhöhen oder im Bereich von mansiones zu erwarten1, zudem wird der
Luftbildarchäologie eine immer größere Bedeutung zukommen, da die ersten
Befliegungen schon fast 50 Jahre zurückliegen und diese Bilder unschätzbaren Wert
bei der Rekonstruktion antiker Wegverläufe haben können.
Wenn diese Arbeit einen Nutzen gehabt hat, so ist es meiner Meinung nach der,
dass dem Fundort Pass etwas von seiner Faszination und Besonderheit genommen
wurde, er in Zukunft, im Sinne der archäologischen Siedlungs- und Wegeforschung,
als „normaler“ Fundort behandelt werden muss und in seiner Lage nicht überbewertet
oder mystifiziert werden darf.
1
Wie z. B. am Fernpass geschehen: G. Grabherr, FÖ 38, 1999, 871.
286
Die Römer auf den
3.2.
Pässen der Ostalpen
Summary
The present study describes the history and the archaeological evidence of the
passes and mountain roads in the eastern Alps from the beginning of Roman
influence in the 1st half of the 2nd century BC to late antiquity. Based on ancient
literary sources, which describe the Alps, their geography, their economic system and
their political history, this study is an extension of research by ancient historians, who
explored the slow expansion of the Roman Empire into the eastern Alps, and the
special relationship between ancient human beings and the hostile environment of
the high alpine regions.
Ancient writers handed down the knowledge of their time about the extension, the
height and form of the Alps. In addition to that, we have the names of the most
important passes, mountain ranges and rivers, as well as descriptions of the typical
products of the alpine regions from cheese to ferrum Noricum. There are also
descriptions of the harsh climate and various dangers that faced travellers willing to
make the journey over the Alps. These dangers effected special religious behaviour
and rites on top of the passes in hopes of attaining the mercy of the gods.
While Roman trade relations had already expanded from Aquileia since the 1st half of
the 2nd century BC into the eastern Alps, the leading political groups in Rome showed
little interest in that area and pushed ahead a very defensive policy which tried to
define the Roman border along the first mountain ranges of the Carnian and Julian
Alps. That policy was changed only near the end of the 1st century BC and between
15 BC and the middle of the 1st century AD, when the eastern Alps were integrated
into the Roman Empire. From that moment, the first big street building programs
were carried out, beginning with the renowned Via Claudia Augusta. Until the first
Marcomannic invasions 160-180 AD, a heavy road net was build, mainly determined
by economic considerations. During this period, not only are there archaeological
traces on the most important passes used by the cursus publicus, but also on many
smaller passes used by local traffic. Unfortunately, the fully developed Roman road
system allowed access to the Germans, who invaded as far as northern Italy,
crossing the pass Ad Pirum in the Julian Alps. Nevertheless, emperors like Septimius
Severus carried out new road building projects and renewed the old traffic lines in
Raetia and Noricum, until c. 270 AD, when the Roman Empire fell into general crisis
and certain important roads were deserted and not maintained for many years.
In late antiquity, with the reforms of Emperor Diocletian, the situation stabilized for
many decades. A new phenomenon can be observed along different passes: the
building of fortification systems and walls to protect the entrances to Italy. At the end
of the 4th century AD, the final deterioration of the roman road system begins and
Roman traffic came to a nearly complete end with the destruction of Aquileia in 452
AD.
From numerous passes in the eastern Alps we have Roman evidence and small
finds: stations along the most important connections like Immurium under the
Radstädter Tauern pass (Salzburg), several milestones, well preserved remains of
Roman road constructions as on the Korntauern and Mallnitzer Tauern, exact dated
streets like in the Via Claudia Augusta in the Lermooser Moos (Tirol), street building
inscriptions like on the Plökenpass (Venetia – Carinthia), sanctuaries and shrines
287
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
with small cultic statues in high alpine regions like at the Hochtor under the
Großglockner (Salzburg) or large fortification systems like on the pass Ad Pirum
(Slovenia).
This evidence shows a very diverse picture of Roman life in the highest areas of the
eastern Alps and it can be compared easily with the much more famous evidence
from the passes of the western Alps.
288
Die Römer auf den
3.3.
Pässen der Ostalpen
Résumé
Les Romains et les cols dans les Alpes de l’Ouest.
Un sujet qui se repose sur trois sources. Les écrits antiques sur les Alpes, sur leur
géographie, sur leur vie économique et sur leur histoire politique constituent une
première source, complétée par la recherche sur l’histoire antique. Cette dernière
s’intéresse à la lente absorbtion de la partie est des Alpes par l’Empire romain et à
une certaine sensibilité naturelle de l’homme antique pour l’environnement hostile
des montagnes. Enfin, l’héritage matérielle laissé durant l’antiquité le long des voies
et dans les cols constituent un matériel de recherche important.
Les écrivains antiques ont transmis une mine d’informations sur les conceptions
d’alors concernant l’étendue, l’altitude et sur la forme des Alpes. Les noms des cols
et des chaines de montagne les plus importants s’ajoutent à ceci. On y trouve aussi
des descriptions des produits typiques de l’espace alpin, allant du fromage au ferrum
Noricum, en passant par le caractère rude de l’espace naturel et les nombreux
dangers liés à un périple au travers les montagnes.
Ces obstacles naturels conduirent au développement d’une relation
exeptionnellement forte entre les hommes et l’univers des dieux dans les régions
montagneuses.
Alors que les activités commerciales commencent à s’étendre d’Aquileia vers
l’intérieur des Alpes orientales dès le début du IIe s. av. J-C, l’intérêt politiques des
classes dirigentes romaines demeure centré sur la défense et les frontières se
maintiennent jusqu’à la fin du Iier s. av. J-C au niveau des premières chaines de
montagne des Alpes carniques et juliennes.
Après le rattachement complet et définitif à l’Empire romain, entre 15 av. J-C et la
première moitié du Ier siècle, commencent les premiers grands projets de
construction de voies par delà les cols des Alpes orientales, avec la Via Claudia
Augusta au premier rang. Jusqu’au guerres marcomaniques un réseau dense de
voies de communcation s’est développé, et de nombreux autres cols étaient utilisés
par le réseau local, à coté des viae publicae . Les premières invasions germaniques
vers l’Italie dans les années 60 et 70 du IIe s. se produisirent par le passage du
Birnbaumer Sattel (Forêt des poiriers) : le système de voierie se révèle ainsi être un
talon d’Achile pour l’Empire. D’importants travaux de rénovation et d’amélioration au
niveau des cols noriques et rétiques eurent cependant lieu sous Septimus Severus,
avant que des voies importantes soient laissées à l’abandon durant quelques
années lors de la crise de l’Empire vers 270. Avec la réforme de Dioclétien, dans la
Haute Antiquité, entre en vigueur une consolidation qui commence par les voies les
plus importantes qui sont renforcées par des castels et parfois aussi des remparts. À
la fin du IVe s. commence le déclin du système de voierie, et la majeur partie du trafic
romain au travers des Alpes se termine avec la destruction d’Aquileia en 452.
Des vestiges et des découvertes ont été faits sur de nombreux cols des Alpes
orientales : des relais comme Immurium sous le Radstädter Tauern, de nombreuses
bornes milliaires, des restes de voies en bon état de conservation, comme
Korntauern et Mallnitzer Tauern des tronçons de voie batties sur un plancher de
rondins (dans les zones marécageuses) qui l’ont peut dater à l’année, comme dans
le Lermooser Moos, des inscriptions comme au Plöckenpass, des lieux sacrés dans
les zones d’altitude, avec des offrandes et des statuettes cultuelles., comme Hochtor
près du Großglockner ou des importantes forteresses et remparts, comme au
Birnbaumer Sattel.
289
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Toutes des découvertes dépeignent une image variée de la vie romaine jusqu’aux
plus hauts sommets des Alpres orientales, qui n’ont pas à craindre la comparaison
avec les découvertes faites dans les Alpes occidentales.
290
Die Römer auf den
3.4.
Pässen der Ostalpen
Sommario
I Romani sui passi delle Alpi orientali.
Il lavoro si basa su tre tipi di fonti: documenti letterari antichi, studi moderni e reperti
archeologici. Le fonti letterarie antiche, considerate nel presente studio, riguardano la
geografia, l’economia e la storia politica del territorio alpino (orientale); i risultati della
ricerca storica moderna hanno recentemente gettato nuova luce sul fenomeno
dell’espansione, lenta ma continua, dell’impero romano sulle Alpi orientali e sulla rete
di relazioni tra uomo antico e ambiente alpino, spesso ostile e pericoloso. Infine la
terza fonte è rappresentata dalle strutture archeologiche ed dai numerosi reperti
venuti alla luce lungo le strade alpine, sui valichi e sui passi montani.
Gli scrittori antichi hanno tramandato molte informazioni circa l’idea che la cultura
dell’epoca si era fatta sulle dimensioni, sull’altezza e sulla forma delle Alpi; in diversi
brani, inoltre, vengono citati i nomi di alcuni dei valichi, dei fiumi e delle catene
montuose più importanti. Esistono numerose descrizioni relative a diversi aspetti del
mondo alpino: dai prodotti tipici ( dal formaggio fino al ferrum Noricum) al paesaggio,
dal clima ai vari pericoli che un viaggio in montagna comportava. Proprio tali pericoli
erano, probabilmente, alla base del legame straordinario che veniva a crearsi tra
l'uomo antico e la sfera del divino in ambiente montano, come dimostrano i molti
reperti trovati.
Quando, con la fondazione di Aquileia nella prima metà del secondo secolo a.C.,
cominciarono a svilupparsi le attività commerciali di Roma sulle Alpi orientali, l’elite
politica romana si tenne molto sulla difensiva e fissò il limite dell’area di influenza
dell'Urbe ai piedi dei primi versanti delle Alpi Carniche e Giulie. Questa situazione
non cambiò fino alla seconda metà del primo secolo a.C. Dopo l’integrazione delle
Alpi orientali all'impero, tra il 15 a.C. e la metà del primo secolo d.C., iniziarono i
grandi progetti di costruzione di strade alpine, primo fra tutti quello relativo alla
stesura della Via Claudia Augusta. Fino alle guerre con i Marcomanni venne
sviluppata una fitta rete stradale nella quale, accanto alle viae publicae, si
affiancavano molte strade e sentieri secondari, per il traffico locale, che
permettevano la frequentazione di nuumerosi passi alpini. Durante le prime invasioni
germaniche, negli anni sessanta e settanta del 2. secolo d.C., gli invasori sfruttarono
le strade romane per penetrare in Italia, in particolare si servirono della via publica
passante per Selva Piro: in questo modo gli sforzi di Roma per costruire una rete
stradale completa ed efficientesi si dimostravano fatali. Ancora all'epoca di Settimio
Severo l'imperatore si preoccupò di riparare le vecchie vie e di costruirne di nuove
sulle Alpi orientali; pochi decenni dopo, con la crisi dell’impero degli anni attorno al
270 d.C., alcune delle strade più importanti vennero abbandonate ed andarono in
rovina. Nel tardo antico con le riforme di Diocleziano si riuscì a stabilizzare e
consolidare la situazione dell'impero e lo stato romano diede avvio alla costruzione di
fortificazioni, allo scopo di controllare le strade ed i valichi più importanti delle Alpi
orientali.
Verso al fine del quarto secolo d.C. comincia il declino della rete stradale alpina: con
la distruzione di Aquileia nel 452 d.C. anche il traffico ed il commercio romano nella
regione orientale andò a spegnersi quasi completamente.
Si conoscono notevoli strutture e numerosi reperti romani provenienti da vari passi
delle Alpi orientali. In questo contesto diverse sono le evidenze archeologiche: dalle
291
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
mansiones, come Immurium sotto il passo Radstädter Tauern (Salisburgo/Carinzia),
ai numerosi miliari; dai resti di tracciati stradali, quali ad esempio quelli del
Korntauern e del Mallnitzer Tauern (Salisburgo/Carinzia), a sentieri di legno, scavati
e databili ad annum, come nel caso del Lermooser Moos (Tirolo). Esistono, inoltre,
iscrizioni rupestri che si riferiscono alla stesura di alcuni assi stradali, come sul Monte
Croce Carnico; sono state ritrovate strutture edificate collocate in altura e relative a
santuari dotati di tesoretti, di statuette di culto e di reperti votivi, come quello
dell'Hochtor sotto il Großglockner, o relative a vaste fortificazioni o a mura, come per
esempio sulla Selva Piro.
Tutte queste evidenze mostrano un quadro molto vivace ed eterogeneo della vita
romana fino alle quote più alte delle Alpi orientali e non temono affatto il paragone
con le strutture e ed i reperti dei passi più importanti delle Alpi occidentali.
292
Die Römer auf den
3.5.
Pässen der Ostalpen
Ressümé
293
Die Römer auf den
294
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
3.6.
Pässen der Ostalpen
Povzetek
Pri ujo e delo opisuje zgodovino in arheološke dokaze o prelazih in gorskih cestah
na podro ju vzhodnih Alp od za etkov rimskih vplivov v 1. pol. 2. stol. pr. n. št. do
pozne antike.
Glede na anti ne pisne vire, ki opisujejo Alpe, njihovo geografijo, ekonomski sistem
in politi no zgodovino, je ta študija nadaljevanje raziskav anti nih zgodovinarjev, ki so
prou evali širjenje Rimskega imperija v vzhodne Alpe in poseben odnos anti nih ljudi
do surovega alpskega okolja.
Anti ni pisci so posredovali znanje svojega asa o obsegu, višini in obliki Alp. Poleg
tega poznamo anti na imena najpomembnejših prelazov, gorskih verig in rek ter
opise tipi nih alpskih izdelkov, od sira do noriškega železa (ferrum Noricum).
Opisana je tudi ostra klima in razli ne nevarnosti, ki so pretile tistim, ki so bili
pripravljeni pre kati Alpe. Te nevarnosti so vplivale na posebno religiozno vedenje in
rituale na vrhu prelazov v upanju pridobiti si usmiljenje bogov.
Medtem ko je rimsko trgovanje iz Akvileje od 1. pol. 2. stol. pr. n. št. že napredovalo v
vzhodne Alpe, pa vodilne politi ne skupine v Rimu niso pokazale zanimanja za ta
prostor. Vztrajali so pri zelo obrambni politiki, ki je poizkušala dolo iti rimsko mejo na
prvih gorskih grebenih Karnijskih in Julijskih Alp. Ta politika se je spremenila šele
proti koncu 1. stol. pr. n. št., med letom 15 pr. n. št. in sredino 1. stol. so bile vzhodne
Alpe priklju ene Rimskemu imperiju. S tem so se za eli izvajati prvi veliki projekti
izgradnje cest, za enši z znamenito Vio Claudio Augusto. Vse do prvih
markomanskih vpadov (160 – 180) je bila zgrajena mo na cestna mreža, dolo ena
predvsem z ekonomskimi oziri. Iz tega obdobja so arheološki ostanki tako z
najpomembnejših prelazov, ki jih je uporabljal cursus publicus, kot tudi s številnih
drugih manjših prelazov, ki so bili v uporabi za lokalni promet. Na žalost je razvit
sistem rimskih cest omogo al prehod Germanom, ki so prek prelaza Hrušica (Ad
Pirum) v Julijskih Alpah vdrli vse do severne Italije. Kljub temu so cesarji, kot npr.
Septimij Sever, gradili nove ceste in obnavljali stare prometne povezave v Reciji in
Noriku do okoli leta 270, ko je Rimski imperij zajela splošna kriza in so bile nekatere
pomembne ceste opuš ene in precej let nevzdrževane.
Z Dioklecijanovimi reformami so se razmere v pozni antiki za nekaj desetletij
stabilizirale. Na razli nih prelazih pride do novega pojava: izgradnje sistema utrdb in
zidov z namenom varovanja vhodov v Italijo. Ob koncu 4. stol. se za ne kon ni
razpad rimskega cestnega sistema. Z uni enjem Akvileje leta 452 se rimski promet
skoraj popolnoma ustavi.
S številnih prelazov v vzhodnih Alpah imamo rimske ostanke in drobne najdbe:
postaje ob najpomembnejših povezavah, npr. Immurium pod prelazom Radstädter
Tauern (Salzburg), nekaj miljnikov, dobro ohranjene ostanke konstrukcij rimskih cest,
npr. na Korntauernu in Mallnitzer Tauernu, natan ne datacije cest, kot npr. Via
Claudia Augusta v Lermooser Moosu (Tirolska), epigrafske napise o gradnji cest, npr.
na prelazu Plökenpass (Bene ija – Koroška), svetiš a in oltarje s kultnimi kipci visoko
v gorah, kot npr. pri Hochtorju pod Velikim Klekom (Großglockner) ali obsežni sistemi
utrdb, npr. na prelazu Ad Pirum (Slovenija).
Iz vsega je razvidno, da je bilo rimsko življenje na podro ju vzhodnih Alp zelo
raznoliko in ga lahko primerjamo z veliko bolj znanimi najdbami s prelazov v
zahodnih Alpah.
295
Die Römer auf den
296
Pässen der Ostalpen
Die Römer auf den
3.7.
Pässen der Ostalpen
Comprehensio
Indicia Romanorum in faucibus Alpium quae ad orientem spectant
Requirentibus fontes praebentur tres: primum quae auctores Romani et Graeci de
Alpibus eorumque situ et victu cultuque incolarum tradiderunt ; deinde quae scientia
historiarum antiquarum de imperio Romano In Alpes ad orientem spectantes
progrediendo et de incolis in foeditate Alpium viventibus collegit ; tertium denique
quae testimonia Romani ipsi praeter itinera vel in faucibus reliquerunt.
Quomodo antiquis temporibus et amplitudo et altitudo et species Alpium cogitata vel
ficta sit, permulta apud scriptores legimus. Ex eorum scriptis etiam de nominibus
praecipuorum adituum et transituum vel fluminum certiores facti sumus. Exstant
adhuc descriptiones variarum rerum ad regiones Alpinas pertinentium sicut casei vel
ferri Norici eodemque modo terrae asprae ac incultae et praecipue periculorum,
quibus itinera trans montes facienda fuerunt.
Molestiis vitae adducti homines validissimam cum numinibus caelestibus religionem
excoluerunt.
Cum commercia Romanorum iam a secundo a.Chr.n. saeculo ab Aquilea manantia
In Alpes ad orientem spectantes dispanderent, duces ipsi ad defendendas tantum
res Romanas animadverterunt. Usque ad supremum a.Chr.n. saeculum primum
senatores proxima iuga Alpium Carnicarum et Iuliarum confinia imperii populi Romani
voluerunt.
Iis regionibus ab anno XV a.Chr.n. usque ad medium p.Chr.n. saeculum primum a
Romanis occupatis amplae viae trans iuga Alpium ad orientem vergentium factae
sunt, imprimis Via Claudia Augusta. Proeliis ab imperatore Marco Aurelio Antonio in
Marcomannos confectis itinera eo loco aucta et ut sic dixerim completa et praeter
vias publicas etiam itinera trans iuga privata incolis usui fuerunt.
Cum primae Germanorum in Italiam irruptiones a LX usque ad LXX anno alterius
p.Chr.n. saeculi per iugum Ad Pirum factae sint, Romanis viae et itinera manu
ipsorum facta detrimento fuisse primo apparet. Imperatore Septimio Severo transitus
Norici Raetiaeque denuo refecti et emendati sunt, antequam circiter anno CCLXX
p.Chr.n. rebus Romanis vacillantibus viae praecipuae multos annos desertae fuerunt.
Annis subsequentibus, quibus auctore Diocletiano imperium Romanum denuo
instaurari coepit, itinera Romana ubique confirmata, immo multi et magni aditus et
transitus castellis muniti et partim etiam vallis tuti redditi sunt.
Exeunte IV p.Chr.n. saeculo viae et itinera dilapsa sunt et Aquilea anno p.Chr.n.
CDLII deleta frequentia commerciorum Romanorum in Alpibus ad orientem
vergentibus magna ex parte dissoluta est.
Multarum faucium quae ad orientem spectant reperta ac indicia nota sunt: mansiones
sicut Immurium in Tauris Radstattensibus, permulti lapides milliarii, reliquiae viarum
admodum bene conservatae sicut in Tauris Cornensibus ac Malnicensibus, itinera
per paludes e ligno in asseribus exstructa ( quorum dies accuratissime in litteris
ascribenda est) sicut in palude Lermosensi, inscriptiones ad vias faciendas
pertinentes sicut in strata quae ducit per Montem Crucis (Plöckenpass), fana in
altitudinibus posita et devotis statuisque exornata sicut in Altiportis in monte
Magnicampano (Hochtor am Großglockner) vel angustiae longe munitae et
praeclusiones sicut in iugo Ad Pirum, sed etiam permulta reperta et indicia per
plerasque valles obliquas Alpium ad orientem vergentium sicut in valle Aurinensi et in
valle Badiensi, quae transitus ac commercia in vallem Salzachensem vel meridie
trans iuga Campolongensia aut Falzaregensia indicant.
297
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
Omnia haec inventa vitam variam usque ad summos vertices Alpium ad orientem
vergentium confirmant et omni modo cum inventis et indiciis Alpium ad occidentem
spectantium comparari possunt.
298
Die Römer auf den
Pässen der Ostalpen
4. Anhang
4.1.
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Die Römer auf den
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Pässen der Ostalpen
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Abbildungsverzeichnis
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Tschurtschenthaler, Wein, 1998, 226-259. Abb. 02.
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Attraverso le Alpi (2002) 73-83. Abb. 03.
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G. Grabherr, Sul legno e sulla pietra: la via romana CLAUDIA AUGUSTA
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O. Klose, Die Römerstrasse über den Plökenpass, in: Jahrbuch für
Altertumskunde 4, 1910, 124ff. Taf. VI Abb. 2.
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O. Klose, Die Römerstrasse über den Plökenpass, in: Jahrbuch für
Altertumskunde 4, 1910, 125a Abb. 10.
R. Gietl
R. Gietl / Winkler, 1985, 39.
R. Gietl / Winkler, 1985, 39.
R. Gietl / Winkler, 1985, 40.
R. Gietl
R. Gietl / Josephinische Landesaufnahme BIXa 54 Sektion 79 (1784/85) +
BVIIa 144 Sektion XV.5 (Copie) (1804).
Rupert Gietl
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R. Gietl
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R. Gietl (AMAP 3D)
H. Kenner, AnzWien 125, 1988, 61-83. Abb. 5.
H. Kenner, AnzWien 125, 1988, 61-83. Abb. 1-4.
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ARGE-ALP (2002) 675-689. Abb. 2-4.
L. Beckel – F. Zwittkovits (Hrsg.), Landeskundlicher Flugbildatlas Salzburg
(1981), Blatt 52 Abb. 3.
L. Beckel – F. Zwittkovits (Hrsg.), Landeskundlicher Flugbildatlas Salzburg
(1981), Blatt 53 Abb. 4.
R. Gietl (AMAP 3D)
L. Beckel – F. Zwittkovits (Hrsg.), Landeskundlicher Flugbildatlas Salzburg
(1981), Blatt 112 (Detail).
M. Hell, ArchA 51, 1972, 97-103. Abb. 3/4.
Winkler, 1985, S. 66.
M. Hell, ArchA 51, 1972, 97-103. Abb. 2.
L. Beckel – F. Zwittkovits (Hrsg.), Landeskundlicher Flugbildatlas Salzburg
(1981), Blatt 73 Abb. 1. Blatt 92 Abb. 1. Blatt 91 Abb. 1. Blatt 92 Abb. 6.
R. Gietl (AMAP 3D)
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 251-268. Abb. 06.
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 251-268. Abb. 08.
Lippert I 1993 Abb10.
R. Gietl
Lippert I 1993 Taf. 23 oben.
Lippert I 1993 Taf. 23 oben. + C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 34ff. Abb.
23.
Lippert I 1993, 59, Planaufnahme 7.
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 251-268. Abb. 04.
G. Dembski, A. Lippert, AKorrBl 30, 2000, 251-268. Abb. 01.
Lippert 1999, Abb. 2.
L. Beckel – F. Zwittkovits (Hrsg.), Landeskundlicher Flugbildatlas Salzburg
(1981), Blatt 54 Abb. 3/1.
R. Gietl (AMAP 3D)
M. Rigoni AQN 43, 1972, 27 Abb. 1.
M. Rigoni AQN 48, 1977, 198 Abb. 2.
M. Rigoni AQN 48, 1977, 198 Abb. 3+4.
R. Egger, Frühchristliche Kirchenbauten im südlichen Noricum, in: SoSchr
ÖAI IX (1916) 93ff. Abb. 94.
R. Gietl (AMAP 3D)
R. Fleischer, AS 4, 1998, Abb. 03.
E. Weber, MSGL 112-113, 1972-73, 249 Abb1/5.
L. Beckel – F. Zwittkovits (Hrsg.), Landeskundlicher Flugbildatlas Salzburg
(1981), Blatt 59 Abb. 3.
L. Pauli, Die Alpen von Frühzeit bis Mittelalter (1980) 141.
R. Fleischer, AS 4, 1998, Abb. 51.
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R. Gietl (Aus: Pauli 1980, 141 + R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 103-196.
Abb. 4)
R. Gietl
L. Beckel – F. Zwittkovits (Hrsg.), Landeskundlicher Flugbildatlas Salzburg
(1981), Blatt 58 (Detail).
Winkler, 1985, Abb. 30.
O. Klose, Die Römerstrasse über den Plökenpass, in: Jahrbuch für
Altertumskunde 4, 1910, 124ff. Taf. VIII 2.
R. Gietl (AMAP 3D)
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R. Gietl (AMAP 3D)
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Wegzeiten, FÖMat 4, Sonderheft 1, 2004, 17
R. Gietl (AMAP 3D)
R. Gietl (AMAP 3D)
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R. Gietl (AMAP 3D)
A. Valic, Arheološki vestnik 48, 1997, 266, Abb. 1.
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R. Gietl
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von J. Meyer 1655-1712.
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www.picswiss.ch/Land03/gr-I3-02.html (03.06.2004)
R. Laur-Belart, JbSGUF 30, 1938, 121, TafXV Abb. 1.
R. Gietl (Interaktiver Atlas der Schweiz)
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 103-196. Abb. 04.
R. Chevallier, Les voies romaines (1997) Abb. 184b-c.
R. Gietl (Interaktiver Atlas der Schweiz)
R. Gietl (Aus: C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 34ff. Abb. 22, 35.
R. Gietl (Aus: C. P. Ehrensperger, HA 21, 1990, 34ff. Abb. 26, 29.
R. Matteotti, JbSGUF 85, 2002, 103-196. Abb. 42.
Alle Tafeln R. Gietl, auf der Grundlage der AMAP 3D, mit Ausnahme der Tafeln S.
53, 85, 117, 189 (R. J. A. Talbert, Barrington Atlas of the Greek and Roman
World(2000) Karte 19/20), S. 118, 141, 143 (Orthophoto gerechnet auf der
Grundlage eines Stereobildpaares des BEV Nr. 5/8398 5/8399 (Oktober 1998),
aufgenommen mit einer RC10 150mm), S. 191 (Satellitenaufnahme, Auflösung 10m,
Download: http://geoengine.nima.mil) S. 10 (Digitales Geländemodell 100m,
Download: http://geoengine.nima.mil) S. 242 (Kartengrundlage: Inter-Aktivni Atlas
Slovenije). S. 258 (Interaktiver Atlas der Schweiz) Die Übersichtskarte am Ende der
Arbeit basiert auf einer Satellitenaufnahme der Alpen (Maßstab 1:1.000.000) der
Firma Geospace.
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Lebenslauf des Autors
Geboren am 24. November 1978 in Bruneck – Südtirol.
1984 – 1992 Grund- und Mittelschule in Welsberg – Südtirol.
1992 – 1997 Humanistisches Gymnasium – Klassische Fachrichtung
„Nicolaus Cusanus“in Bruneck – Südtirol.
1997 Matura mit 51/60 Punkten abgelegt.
WS 1997/98 Immatrikulation an der Universität Wien in den Fächern
„Klassische Archäologie“ und „Geschichte“. Besuch von Lehrveranstaltungen
am Institut für Ur- und Frühgeschichte, Schwerpunkt „GIS Applikationen in der
Archäologie“, „Vermessung“, „Luftbildarchäologie“ und „Photogrammetrie“,
daneben Datierungsmethoden am Atominstitut der Universität Wien und
Neugriechisch am Institut für Byzantinistik. Lehrgrabung in Lauriacum,
daneben Grabungsteilnahmen in Zeiselmauer und Klosterneuburg.
WS 1999/2000 Einreichung des 1. Diplomprüfungszeugnisses für „Klassische
Archäologie“ und für „Geschichte“.
SS 2000 Zuerkennung des „Dr. Hans Franzen“ – Stipendiums des Rotary Clubs Wiesbaden.
WS 2000/01 und SS 2001 Studium an der Johannes Gutenberg Universität in
Mainz. Lehrveranstaltungen am Institut für Klassische Archäologie und Alte
Geschichte, am Institut für Vor- und Frühgeschichte und in Zusammenarbeit
mit dem RGZM am Institut für Mineralogie. Am Zentrum für Datenverarbeitung
Besuch mehrerer Lehrveranstaltungen über digitale Bildverarbeitung, am
Sprachenzentrum, Mitarbeit am Katalog der Prinz Johann Georg-Sammlung
des Landesmuseums Mainz.
März - April 2001: 4 Wochen Vermessung, photogrammetrische Aufnahme
und digitaler Dokumentation einer Thermenanlage in Grumentum (Basilicata –
Süditalien). Referat zur römischen Stadt Grumentum vor dem Rotary – Club
Wiesbaden.
August – Oktober 2001: Grabungskampagne in Grumentum als Assistent der
Grabungsleitung.
Akademisches Jahr 2001/02: Rückkehr nach Wien, Beginn der Diplomarbeit
zum Thema „Die Römer auf den Pässen der Ostalpen“, Betreuung durch Prof.
Hannsjörg Ubl.
Teilnahme am Sienceweek - Projekt der Universität Wien, in Zusammenarbeit
mit der Stadtarchäologie Wien, erstes digitales Oberflächenmodell des
Legionslagers Vindobona erstellt.
Juli 2002: Teilnahme an der photogrammetrischen Aufnahme der Burg
Greifenstein in Südtirol, in Zusammenarbeit mit dem Landesvermessungsamt
Südtirol.
August – Oktober 2002: Weitere Grabungskampagne in Grumentum als
Assistent der Grabungsleitung.
Seit WS 2002/02: Beginn des Studiums als Mitbeleger am Institut für
Photogrammetrie und Fernerkundung der Technischen Universität Wien.
Schwerpunkt: Photogrammetrische Gebäudemodelle, photogrammetrische
Feldpraxis und Auswertungsmethoden. November 2002: Teilnahme am
Workshop 8 „Computer & Archäologie“ in Wien. Weitere Arbeit am digitalen
Geländemodell des Legionslagers Vindobona in Zusammenarbeit mit der
Stadtarchäologie Wien und dem Stadtmagistrat für Vermessung. Aufbau eines
319
Die Römer auf den
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Pässen der Ostalpen
dreidimensionalen Modells des Legionslagers Vindobona. Vermessung und
photogrammetrische Aufnahmen in der Laurentius-Basilika in Lorch –
Lauriacum.
8. bis 11. April 2003: Teilnahme an der internationalen Konferenz „CAA 2004 Enter the Past“ im Rathaus Wien. Mit M. Mosser und M. Kronberger Referat
zum Thema: „3D surface reconstruction in ancient Vindobona“.
August – Oktober 2003: Weitere Grabungskampagne in Grumentum als
Assistent der Grabungsleitung.
WS 2003/04: Auswertung der photogrammetrischen Feldübung. Schwerpunkt
Gebäudemodellierung.
Seit Dezember 2003: Mitarbeiter der Firma „No Limits – Geodata“.
Laserscannerund
Photogrammetriedokumentation.
Aufgaben:
Projektbearbeitung im Bereich der Stadtmodellierung, Baudenkmalpflege und
Archäologie.
Seit März 2004: Im Wettbewerb um den Förderpreis der Stadt Wien.
13.-17. April 2004: Teilnahme an der „CAA“ Konferenz „Beyond the artifact“ in
Prato (Italien). Referat zum Thema „Open source applications in Archaeology“.
Publikationen:
• R. Gietl, M. Kronberger, M. Mosser, Rekonstruktion des antiken Geländes in
der Wiener Innenstadt, Forum Archaeologiae 28 / IX / 2003 (http://farch.net)
• R. Gietl, M. Kronberger, M. Mosser, Site Reconstruction of Ancient Vindobona,
in: [Enter the Past] The E-way into the Four Dimensions of Cultural Heritage,
BAR International Series 1227, 2004, 329-332.
• R. Gietl, M. Kronberger, M. Mosser, Antikes Gelände- und
Rekonstruktionsmodell von Vindobona, Fundort Wien 7, 2004.
Wien, im März 2004
320
Rupert Gietl
Die Römer auf den
4.5
Pässen der Ostalpen
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