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Übersetzungskritik. Modelle, Perspektiven, Didaktik

2016, Übersetzungskritik. Modelle, Perspektiven, Didaktik. Poznan: Wydawnictwo Naukowe UAM 2016, ISBN: 978-83-232-3112-7

Im vorliegenden Band werden die wichtigsten translationswissenschaftlichen Ansätze und die daraus entwickelten Modelle für die Übersetzungskritik dargestellt und einer kritischen Revision unterzogen. Dabei wird dem Wandel Rechnung getragen, der sich derzeit in der Übersetzungslandschaft anbahnt und die Translatkritik vor neue Herausforderungen stellt. Ziel ist es, das Thema Evaluierung in einer Form anzusprechen, die es den Praktikern erlaubt, Modellbildungen und Resultate auf ihre Arbeit zu beziehen, um so die Qualität von übersetzerischen Leistungen zu verbessern. Übersetzungsqualität wird zuallererst mittels übersetzungsdidaktischer Anstrengungen gesteigert. Deshalb werden die den einzelnen Modellen innewohnenden Möglichkeiten didaktischer Applizierbarkeit erwogen und Fragen nach ihrem Stellenwert in der universitären Lehre aufgeworfen.

tät Poznań. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Kunst, Fotograie und Film sowie literarische Form anzusprechen, die es den Praktikern erlaubt, Modellbildungen und Resultate wohnenden Möglichkeiten didaktischer Applizierbarkeit erwogen und Fragen nach Ü e setzu gsk itik Modelle, Perspektiven, Didaktik UNIWERSYTET IM. ADAMA MICKIEWICZA W POZNANIU BEATE SOMMERFELD Ü e setzu gsk itik Modelle, Perspektiven, Didaktik POZNAŃ 6 Recenzent: prof. dr hab. Julian Maliszewski © Beate Sommerfeld 2016 This edition © Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu, Wydawnictwo Naukowe UAM, Pozna 2016 Publikacja dofinansowana przez Rektora Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza w Poznaniu oraz Wydział Neofilologii UAM Wydano na podstawie maszynopisu gwarantowanego Projekt okładki: Ewa Wąsowska Łamanie komputerowe: Eugeniusz Strykowski ISBN 978-83-232-3112-7 WYDAWNICTWO NAUKOWE UNIWERSYTETU IM. ADAMA MICKIEWICZA W POZNANIU UL. FREDRY 10, 61-701 POZNA www.press.amu.edu.pl Sekretariat: tel. 61 829 46 46, faks 61 829 46 47, e-mail: wydnauk@amu.edu.pl Dział Promocji i Sprzedaży: tel. 61 829 46 40, e-mail: press@amu.edu.pl Wydanie I. Ark. wyd. 7,75. Ark. druk. 8,625 DRUK I OPRAWA: UNI-DRUK, LUBO , UL. PRZEMYSŁOWA 13 I halts e zei h is EINLEITUNG UND PROBLEMAUFRISS ........................................................................................ 9 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK ......................................................... 13 Das Konzept der translatorischen Äquivalenz und seine Erweiterungen ............... Der texttypologische Ansatz von Katharina Reiß ....................................................... Pragmatische Ansätze der Übersetzungskritik – Wittgenstein und die Folgen ...... Das pragma-linguistische Modell von Juliane House ................................................. Covert and overt translation ..................................................................................... Heidrun Gerzymisch-Arbogast – von der „Auffälligkeit“ zur Aspektmatrix ......... Das Konzept übersetzerischen Handelns von Justa Holz-Mänttäri und seine Auswirkungen ................................................................................................................. Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann ......................................................... Die Rolle des Modell-Lesers ...................................................................................... Die Scenes-and-frames-Semantik ............................................................................. Die hermeneutischen Ansätze – Radegundis Stolze ................................................... Kognitive Zugänge .......................................................................................................... Der Ansatz von Sigrid Kupsch-Losereit ....................................................................... Antoine Bermans Konzept des Übersetzungsprojekts ................................................ Der Beitrag der Descriptive Translation Studies ......................................................... Cees Koster, Lance Hewson ....................................................................................... Semiotische Zugänge ...................................................................................................... 13 17 21 26 28 33 35 38 42 43 50 55 59 63 68 73 80 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK – NEUE HERAUSFORDERUNGEN ........................................................................................................... 89 Audiovisuelle Übersetzung ............................................................................................ Audiodeskription ............................................................................................................. 97 102 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK ............................................................ 111 BIBLIOGRAFIE ........................................................................................................................... 126 6 „Eine Theorie des Übersetzens muss sich an ihrer Theorie der Übersetzungskritik und allgemein an ihrer Theorie der Bewertung von Übersetzungs- und Dolmetschleistungen messen lassen. Allzu weit sind wir bei diesen Fragen noch nicht gekommen.“ (Ammann 1990, 211). 8 Ei leitu g u d P o le auf iss Die vorliegende Arbeit setzt sich zum Ziel, einen Beitrag zur Lösung eines Problems zu leisten, mit dem sich die Translationswissenschaft und insbesondere ihre Teildisziplin, die Übersetzungskritik, sich bereits seit längerem beschäftigt, und zwar der Frage nach einem zuverlässigen Maßstab für die sachgerechte Bewertung übersetzerischer Leistungen. Der stetig anwachsende Bestand an einschlägigen Untersuchungen lässt es angeraten erscheinen, den Stand der Forschung von Zeit zu Zeit kritisch zu hinterfragen und eine Zwischenbilanz zu ziehen. Dies soll in den folgenden Ausführungen versucht werden. Eine theoretisch fundierte Übersetzungskritik begann sich in den 70er Jahren nach einer Phase weitgehend unreflektierter Kritik von Übersetzungen allmählich innerhalb der Übersetzungswissenschaft herauszubilden (vgl. Kaindl 1998, 373). Das Verdienst, als erste die Funktionen und Zielsetzungen der sich etablierenden Übersetzungskritik formuliert zu haben, gebührt Katharina Reiß (1971, 7): – Verbessern der Qualität von Übersetzungen in unserer Gesellschaft, – Wecken des Verlangens nach besseren Übersetzungen in der Öffentlichkeit und – Schärfen des Sprachbewusstseins und Erweiterung des sprachlichen und außersprachlichen Horizonts (v.a. in der Übersetzerausbildung). Von diesen Zielen scheinen wir jedoch immer noch weit entfernt zu sein: „Ähnlich weitverbreitet wie die Auffassung, Übersetzen könne jeder, weil er es seit der Schule schon immer getan habe, ist auch die Sicherheit, jeder könnte sich zur Qualität einer Übersetzung äußern. Und so wie es schwierig ist, jemanden davon zu überzeugen, dass der Terminus „Übersetzen“ zwar für eine bestimmte Tätigkeit in der Schule verwendet 10 Einleitung und Problemaufriss wurde (und wird), er sich aber weder auf diese eine Art der Tätigkeit beschränken lassen muss noch über die Jahrhunderte hindurch immer Gleiches bezeichnet hat, so schwierig scheint es für viele, zu verstehen, dass auch die Kritik an einer Übersetzung auf anderer Basis als der reinen Intuition und persönlicher Vorliebe beruhen kann.“ (Ammann 1993, 433) Trotz zunehmender Professionalisierung der Übersetzungskritik gilt immer noch der Befund von Albrecht (1998, 231), dass die von der Übersetzungswissenschaft entwickelten Kriterien zur Übersetzungsevaluation von den Literaturkritikern offenkundig nicht zur Kenntnis genommen werden. Stattdessen bewerten die Kritiker oft nur sehr global „Sprache und Stil“ der Übersetzung (Kuhn 199ń, 73), wobei die Bewältigung der Übersetzung an den subjektiven Qualitätsmaßstäben des Literaturkritikers gemessen wird und eigene Vorstellungen vom Übersetzen gegen die des Übersetzers ausgetauscht werden, ohne zu erklären, warum die eigenen Maximen dem Original besser gerecht werden (vgl. Reinart 2014, 21). Deshalb kann es vorkommen, dass die Übersetzung desselben Textes aufgrund der Subjektivität der Bewertungskriterien sowohl positiv als auch negativ ausfallen kann (vgl. Kuhn 1996, 71-73). Breuner (1986, 42) wagt den Befund, die feuilletonistische Kritik gehe häufig über das Niveau von Zeitungskritiken nicht hinaus. Die Beurteilung von übersetzerischen Leistungen ist auch deswegen nach wie vor ein aktuelles Thema, weil die seit Jahrzehnten angestellten Bemühungen um eine objektive Bewertung translatorischer Qualität immer wieder an den divergierenden Auffassungen darüber scheitert, worin diese eigentlich bestehen soll (vgl. Thome 2012, 309). Zur Feststellung der Qualität einer Übersetzung bedarf es eines tertium comparationis, in Gestalt semantischer, sprachlicher oder formaler oder auch funktionaler Kategorien als Vergleichsgrößen, mittels deren sich ermitteln lässt, in welchem Maße der als qualitatives Ziel gesetzte Bezugspunkt erreicht worden ist. Was also von einer fundierten Translatkritik erwartet werden darf, ist das Aufstellen klarer Kriterien und das Transparentmachen der eigenen Wertmaßstäbe. Dies wird von der Übersetzungskritik seit langem eingefordert: „Die notwendige Subjektivität (der Übersetzungskritik, B.S.) findet ihre Relativierung durch ein Vorgehen, das auf der Grundlage bestimmter theoretischer Prämissen durchgeführt und methodisch begründet wird. Die Prämissen sind bei jeder Kritik anzugeben.“ (Ammann 1990, 213) Um die angebotenen Übersetzungslösungen in einem Zieltext „nicht rein subjektiv, sondern argumentativ und intersubjektiv nachvollziehbar“ bewerten zu können – wie es bereits Reiß (1989, 72) fordert – muss also zunächst Einleitung und Problemaufriss 11 ein übersetzungstheoretischer Rahmen abgesteckt werden (vgl. Ammann 1990, 213f; House 1997, 1f). Die wichtigsten translationswissenschaftlichen Ansätze und die daraus entwickelten Modelle für die Übersetzungskritik sollen im Folgenden dargestellt und diskutiert werden. Dabei werden die bestehenden Modelle einer kritischen Revision unterzogen, gerade auch im Hinblick auf den sich gerade in neuerer Zeit anbahnenden Wandel der Übersetzungslandschaft, die die Translatkritik vor neue Herausforderungen stellt. Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, ein in Forschung, beruflicher Praxis und Lehre gleichermaßen applizierbares Instrumentarium zur Bewertung von Übersetzungsleistungen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang muss auf die vermittelnde Rolle verwiesen werden, die der Übersetzungskritik zwischen Translationstheorie und Übersetzungspraxis zukommt. Mit ihr ist ein Anspruch verbunden, an dem sich die einzelnen Modelle messen lassen müssen. Hönig (1998, 378) formuliert das Postulat, „das Thema Evaluierung in einer Form (anzusprechen), die es den Praktikern erlaubt, Modellbildungen und Resultate auf ihre Arbeit zu beziehen“. Die wissenschaftliche Übersetzungskritik muss sich daher die Frage gefallen lassen, wieviel von dem, was in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet wurde, in der Praxis ankommt. Von der anderen Seite scheint die übersetzerische Praxis Anforderungen an die Translatkritik zu stellen, die die Theorie weiterhin übersieht. Es muss also gefragt werden, in wieweit das in der Übersetzungskritik entwickelte Instrumentarium auf die konkrete Praxis anwendbar ist, oder ob nicht vielmehr ein theoretischer Überbau entwickelt wurde, der in der konkreten Arbeit am Text nur wenig hilfreich ist. Stößt die Übersetzungstheorie an ihre Grenzen, wenn beim Übersetzen pragmatische Entscheidungen getroffen werden müssen? Im Hintergrund der kritischen Revision der übersetzungskritischen Modelle steht daher die Frage, in wieweit sie in der sich derzeit darbietenden Übersetzungslandschaft geeignet sind, die Qualität von übersetzerischen Leistungen zu verbessern. Die Qualität von Übersetzungen wird zuallererst mittels übersetzungsdidaktischer Anstrengungen innerhalb der universitären Lehre gesteigert. Auch hier ist die Übersetzungskritik gefordert. Deshalb sollen die den einzelnen Modellen innewohnenden Möglichkeiten didaktischer Applizierbarkeit erwogen und die Frage nach ihrem Stellenwert in der universitären Lehre gestellt werden. Es geht dabei nicht so sehr um fertige Modelle oder didaktische Entwürfe, vielmehr sollen – von übersetzungskritischen Modellen ausgehend – Anregungen zu ihrer didaktischen Umsetzbarkeit formuliert werden. 12 Einleitung und Problemaufriss 1 Modelle u d A sätze de Ü e setzu gsk itik Das Ko zept de t a slato is he Ä ui ale z und seine Erweiterungen Das Äquivalenz-Konzept ist der Bezugspunkt, mittels dessen die translationswissenschaftliche Forschung einen Zugang zum Problemfeld der Übersetzungsqualität sucht. Der Begriff der Äquivalenz wurde in den Ń0-er Jahren zuerst von Casagrande (1954, 338) und Nida (1959, 11ff) in translatorischem Zusammenhang verwendet. Äquivalenz bezeichnet allgemein die zwischen Vorlage und zielsprachlichem Text bestehende Beziehung (vgl. House 1997, 24; 2004c, 709), eine zwischen ihnen gegebene größere oder geringere Übereinstimmung, die von Identität bis zu Abweichung reichen kann. Der Äquivalenzgrad wird in seinem Vorkommen am konkreten Original und seiner Übersetzung als Repräsentanten zweier unterschiedlicher Sprachsysteme ermittelt. Daraus ergibt sich, dass die frühen Untersuchungen primär linguistisch ausgerichtet sind. Sie weisen eine systemlinguistische Orientierung auf und suchen die zwischen ausgangs- und zielsprachlichen Einheiten bestehenden Relationen zu erfassen. Die so geprägte sprachenpaarorientierte deskriptive Übersetzungswissenschaft bestimmte über lange Zeit hinweg die Diskussion um die Übersetzungsbewertung. Sie lief – wie Neubert (2004, 336ff) kritisch ausführt – auf das Sammeln von korrespondierenden Elementen und Äquivalenzrelationen hinaus und stellte somit eine Fortführung kontrastlinguistischer Überlegungen dar. Die Favorisierung des Äquivalenzparadigmas zeugt vom Optimismus hinsichtlich der Möglichkeit, Übersetzungsleistungen objektiv bewerten zu können, der in der Mitte des 20. Jahrhunderts vorherrschte, als das linguistische Paradigma in der Übersetzungsforschung seine Blütezeit erlebte: 14 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK „In the scientific and technological athmosphere of the early and midtwentieth century, there was for a time a feeling that linguistic theory had provided a ‚scientific‘ basis for grounding translation in a way that should eliminate subjective evaluations of ‚accuracy‘ and transfer meaning.“ (Fawcett / Munday 2009, 139). So steht das Bestreben nach größtmöglicher Objektivierung der Übersetzungskritik im Zusammenhang mit der Ausklammerung des Problemfaktors Subjektivität bei der Evaluierung von Übersetzungsleistungen, vor deren Gefahren bereits Nida (1974, 1054) warnte. Bis heute wird seitens der Übersetzungswissenschaft immer wieder angeraten, eine intuitive Herangehensweise an das Translat möglichst zu vermeiden (vgl. Eyckmans 2009, 75f; Lee-Jahnke 2001, 206). Das bekannteste Äquivalenz-Modell stammt von Werner Koller (1992, 38ff). Es werden drei Arbeitsschritte vorgesehen: Textkritik, Übersetzungsvergleich und Übersetzungsbewertung. Im Rahmen der Textkritik wird zunächst der Ausgangstext auf seine funktionalen, inhaltlichen, sprachlich-stilistischen, formal-ästhetischen und pragmatischen Merkmale hin untersucht. Die Analyseergebnisse sind Basis für eine Hierarchie von Äquivalenzanforderungen, die als denotative, konnotative, textnormative, pragmantische und formal-ästhetische definiert weren. Zugleich sind sie Ausgangspunkt für den Textvergleich in Bezug auf die lexikalisch-semantischen, syntaktischen und textuellen Faktoren. Die Ergebnisse der Analyse fließen in die abschließende Bewertung ein, deren Skalierung von adäquat bis nicht adäquat reicht. Wenn Koller allerdings in Bezug auf die von ihm veranschlagte formal-ästhetische Äquivalenz vorsichtig von „Gleichwertigkeit“ als von „Gleichheit“ spricht, ist dies als Hinweis auf die Grenzen seines ÄquivalenzModells für literarische Texte zu werten. Wenn auch der epistemologische Nutzen einer objektiven Bewertbarkeit auf der Hand liegt, ist somit zu fragen, in wieweit das Äquivalenzkriterium für die Evaluation der Übersetzung literarischer Texte als ausreichend angesehen werden kann. Das Äquivalenz-Modell induziert eine weitgehend punktuelle Herangehensweise an den Text (vgl. Sommerfeld 2015), der Übersetzungsvergleich kann allerdings nur dann seine Aufgaben objektiv und angemessen erfüllen, wenn er einen holistischen Blick auf die Texte wirft und sich nicht nur auf die punktuelle Analyse ausgewählter Problemstellen konzentriert (vgl. Albrecht 2004, 172), denn besonders beim übersetzerischen Umgang mit Stilphänomenen, soziolektalen Markierungen oder anderen Sprachvarietäten oder auch sprachspielerischen Elementen kommt Das Ko zept de t a slato is he Ä ui ale z u d sei e E eite u ge 15 häufig die Strategie der Kompensation bestimmter ästhetischer Merkmale an anderen Stellen zum Tragen. So wurde das Äquivalenz-Konzept denn auch im Zuge der Translationswissenschaft Stück um Stück relativiert bzw. eingeschränkt oder entkräftet. Während Koller (1992) von der Möglichkeit der Umkodierung sprachlicher Zeichen ausgeht, sprechen Reiß/ Vermeer (1984) von der Übertragung des „Informationsangebots“ einer Ausgangssprache in ein „Informationsangebot in der Zielsprache. Baker (1992, 5f) verwendet den Begriff der Äquivalenz im Rahmen ihres translationsdidaktisch, d.h. auf die Vermittlung von übersetzungsrelevantem, sprachwissenschaftlich-kontrastlinguistisch ausgerichteten Ansatzes aus einer praktischen Perspektive: „(…) the term equivalence is adopted in this book fort he sake of convenience – because most translators are used to it rather than because it has any theoretical status“. Dazwischen ist der Ansatz von Nida (1964) anzusiedeln, der Äquivalenz als Reproduktion einer Botschaft in das „closest natural equivalent“ der Zielsprache auffasst. Nida will so der systemlinguistischen Erstarrung der Übersetzungswissenschaft entgegenwirken: „no translation in a receptor language can be the exact equivalent oft he model in the source language“ (Nida 1959, 13). Sein Konzept einer dynamischen Äquivalenz trägt den unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten in Ausgangs- und Zielkultur Rechung, die eine flexible Handhabung der Äquivalenzanforderung erforderlich machen, um ein natürlich klingendes Translat zu erstellen: „A translation of dynamic equivalence aims at complete naturalness of expression, and tries to relate the receptor to modes of behaviour relevant within the context of his own culture“ (Nida 19ń4, 1Ń9). Damit rückt der Übersetzungsvorgang bereits bei Nida als ein kommunikativer Akt in den Blick. Catford (1965, 27) spricht von dem äquivalenten „Ersatz“ eines Textmaterials von einer Sprache in die andere und bringt den Terminus der textuellen Äquivalenz ins Spiel, die er von formalen Korrespondenzen unterscheidet. Textuelle Äquivalenz sieht er als gegeben an, wenn ausgangs- und zielsprachliche Texteinheiten in den jeweils gleichen situativen Kontexten die gleiche semantische Funktion ausüben (ebd., 3ń). Indem die kommunikative und situative Bedingtheit in den Blick genommen wird, soll der Formalismus des Äquivalenz-Konzept überwunden werden. Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt zum Konzept der kommunikativen Äquivalenz, wie es von den Vertretern der sog. Leipziger Schule entwickelt wurde, das sowohl sprachliche und textspezifische, als auch soziolinguistische und psychologische Faktoren umgreift (Kade 1980, 85ff). Erklärtes Ziel ist es, den im A-Text enthaltenen kommunikativen Wert an 16 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK den zieltextlichen Rezipienten weiterzutragen. So sieht Kade (1968, 9) Äquivalenz als erzielt an, wenn „der für den kommuniaktiven Erfolg relevante gemeinsame Durchschnitt von Effekten bei L1-Empfängern und Effekten bei L2-Empfängern erreicht wird“. Trotz seiner Beschränkungen bildet das Äquivalenz-Konzept in seinen Ausdifferenzierungen die methodologische Basis weiterer übersetzungskritischer Modelle, insbesondere der integrativen Ansätze, die für Sach- und literarische Texte gleichermaßen entwickelt wurden. De te tt pologis he A satz o Katha i a Reiß Der Ansatz von Reiß geht den bereits von Nida und Catford beschrittenen Weg weiter, indem sie mit ihrer übersetzungsrelevanten Texttypologie der situativen bzw. kommunikativen Einbettung von Texten Rechnung trägt. In ihrer Studie Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzungskritik (1971) legt sie den ersten systematischen Grundstein zu einer fundierten Übersetzungskritik. Ausgangspunkt für ihren übersetzungskritischen Ansatz, der in Deutschland besonders richtungsweisend wurde (vgl. Nord 1996; Lauscher 2000), ist eine übersetzungsrelevante Texttypologie. Neben den sprachlichen Merkmalen berücksichtigt Reiß auch die textexternen Determinanten (Situations-, Sach-, Zeit-, Orts- und Empfängerbezug), die die „sprachliche Gestaltung“ von Original und wie Übersetzung entscheidend beeinflussen (Reiß 1971, ń9ff), so dass sie „in ihrer Auswirkung auf semantischer, lexikalischer, grammatischer und stilistischer Ebene berücksichtigt werden müssen“ (ebd., 56). Für Reiß gilt zwar als Bewertungsmaßstab die Äquivalenz – es gilt die Maxime: „Keine Kritik ohne Vergleich mit dem Original“ (Reiß 1971, 17), das Novum liegt darin, dass Reiß – wie im Anschluss Wills (1974, 1977) oder Newmark (1988, 1991) – aus den inhaltlichen und sprachlich- stilistischen Merkmalen der Vorlage den Maßstab für die Bewertung deren zielsprachlicher Wiedergabe gewinnen. Äquivalenz ist demnach erzielt, wenn im Translat die charakteristischen Gegebenheiten des Ausgangstextes respektiert werden. Das von Reiß entwickelte übersetzungskritische Modell beginnt demnach mit einem holistischen Blick auf das Textganze. Im Rahmen ihres Modells erarbeitet Reiß somit drei Kategorien der Übersetzungskritik, in Bezug auf welche eine Äquivalenz erzielt werden soll: – die literarische (übersetzungsrelevante Texttypologie), – die sprachliche (innersprachliche Instruktionen) und – die pragmatische (außersprachliche Determinanten), wobei die Reihenfolge der drei Kategorien das Aufeinanderfolgen der Arbeitsschritte vorgibt. Eine Übersetzungskritik ist somit nur als schgerecht zu beurteilen, „wenn ihre Kriterien den Kategorien des Texttyps und der 18 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK textimmanenten innersprachlichen Instruktionen und der außersprachlichen Determinanten entnommen sind“ (1971, 11Ń). Die übersetzungsrelevante Texttypologie differenziert Texte nach ihrer jeweils in ihnen dominierenden kommunikativen Funktion. Sie geht dabei von Karl Bühlers (1934, 1978) Unterscheidung der drei Hauptfunktionen der Sprache aus: der Darstellung, des Ausdrucks und des Appells. Die von Reiß veranschlagten Typen sind – der inhaltsbetonte Texttypus, – der appellative (operative) Texttypus, – der expressive (formbetonte) Texttypus. Wird der Texttyp ermittelt, so bietet dies die Grundlage „die Methode des Übersetzens und die Rangfolge des in der Zielsprache (ZS) zu Bewahrenden“ (ebd., 34) festzulegen. Die erste der von Reiß veranschlagten Kategorien der Übersetzungskritik ist somit die Anpassung der übersetzerischen Methode sowie der Hierarchie der Invarianzforderungen an den zu übersetzenden Texttyp: bei inhaltsbetonten Texten ist in erster Linie die Bewahrung der informativen Elemente geboten, bei formbetonten, expressiven Texten sollte vor allem die Analogie der Form gewahrt bleiben und bei appellbetonten Texten ist es besonders wichtig, beim Übersetzungsvorgang auf den außersprachlichen Effekt zu achten, auf den der Text abzielt (ebd., 52f). Außer diesen Texttypen bestimmt Reiß noch einen weiteren, den multimedialen, auf den im weiteren Teil der Arbeit eingegangen wird. Wenn der Kritiker mit der Ermittlung des Äquivalenzgrades die literarische Fundierung seines Urteils abgeschlossen hat, kann er zur sprachlichen Kategorie übergehen und als zweite übersetzungskritische Kategorie die „innersprachlichen Instruktionen“ überprüfen (ebd., 54). Damit sind die semantischen, lexikalischen, grammatischen und stilistischen Merkmale des Ausgangstexts sowie ihre Wahrung im Zieltext gemeint: „In bezug auf diese innersprachlichen Instruktionen untersucht nun der Kritiker bei den semantischen Elementen die Äquivalenz, bei den lexikalischen die Adäquatheit, bei den grammatikalischen die Korrektheit und bei den stilistischen die Korrespondenz“ (ebd., 68f). Die beiden Kategorien sind jedoch nicht isoliert zu betrachten: aus der Ermittlung des Texttyps ergeben sich Hinweise darauf, in welcher Abfolge und Gewichtung die innersprachlichen Instruktionen beachtet werden sollten (vgl. ebd., 69). Aus ihrer Missachtung ergeben sich im Bereich der Semantik beispielsweise die „Verkennung von Polysemien oder Homonymien, mangelnde Deckungsgleichheit zwischen ausgangs- und zielsprachlichen Übersetzungseinheiten, Falschinterpretationen und eigenmächtige Änderungen am Original“ (ebd., 58). Die lexikalische Ebene betrifft Probleme wie De te tt pologis he A satz o Katha i a Reiß 19 die entsprechende Abstufung von Fachsprachlichkeit, Homonymie, Metaphern u.s.w. Im Bereich der grammatikalischen Instruktionen wird die übersetzerische Wiedergabe grammatischer Strukturen im Hinblick auf die semantisch und stilistisch relevanten Aspekte untersucht. Zu den stilistischen Faktoren gehören Faktoren wie der Personal- oder Epochenstil, Stilmischungen, Stilbrüche u.ä. Die dritte von Reiß etablierte Kategorie der Übersetzungskritik umfasst die pragmatische Ebene der zu übersetzenden Texte. Zu den außersprachlichen Determinanten, die auf die sprachliche Gestaltung des Translats Einfluss haben, gehört zunächst der engere Situationsbezug (beispielsweise im Rahmen einer Romanhandlung). Eine adäquate Übersetzung kann nur zustande kommen, wenn sich der Übersetzer in die Situation der sprechenden Figuren hineinversetzt (vgl. ebd., 72). Neben dem Situationsbezug ist dem Sachbezug (die für eine Übersetzung notwendige Sachkenntnis) sowie dem Zeitbezug und Ortsbezug eines Textes in ihren Auswirkungen für die Übersetzung Rechnung zu tragen. Mit letzterem meint Reiß vor allem die Kulturspezifik. Ebenfalls in die Kategorie der außersprachlichen Bedingungen fällt der Empfängerbezug eines Textes, die Sprecherabhängigkeit (d.h. die außersprachlichen Faktoren, die die Sprechweise von Autor und seinen Figuren bzw. Erzählinstanzen beeinflussen) sowie die affektiven Implikationen, die über die Sprache vermittelt werden. Das Modell von Katharina Reiß besticht zunächst durch seine Einfachheit und Übersichtlichkeit, indem bei der Übersetzungsevaluation von der Möglichkeit der Zuordnung des Textes zu einigen wenigen Texttypen ausgegangen wird. Gerade durch diese Grobmaschigkeit des von Reiß als übersetzungsrelevant veranschlagten Texttypenrasters macht sich das Modell aber auch angreifbar. So werden wichtige Textfunktionen im Modell von Reiß außer Acht gelassen, wie z.B. die phatische Funktion, die sich auf die Art und Weise bezieht, wie im Text der Kontakt zwischen Sender und Empfänger gestaltet ist (vgl. dazu Nord 2011, 185ff). Auch in literarischen Texten vollzieht sich ein Kontakt zwischen Sender (Autor bzw. Erzählerfunktion) und Rezipienten, der in der Übersetzung berücksichtigt werden muss und mit den von Reiß postulierten Texttypen nicht zu greifen ist (vgl. KupschLosereit 1991, 80f). Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Grundannahmen, auf denen Reiß’ Typologie basiert. Reiß geht davon aus, dass in jedem Text eine der drei Grundfunktionen von Sprache vorherrschend ist. Gerade dies kann aber bezweifelt werden. So vertritt bereits Friedmar Apel (1983, 9) die Auffassung, dass „kaum ein Text denkbar ist, für den der Primat des Inhalts gegenüber der Form ausschließlich gilt“. Nord (1991, 24) geht vom Normalfall 20 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK aus, dass nahezu jeder Text mehrere Funktionen zugleich erfüllt, weshalb sie Übersetzungsevaluationen, die auf Texttypologien beruhen, ablehnt. Gerade der Einwand von Nord zeigt, aus welcher Richtung das texttypologische Modell der Übersetzungskritik meist kritisiert wird. Indem Reiß davon ausgeht, dass den zu übersetzenden Texten jeweils eine Basisfunktion immanent ist, verkennt sie, dass der Übersetzung ja erst im Übersetzungsprozess eine Funktion zugeschrieben wird, eine Grundüberzeugung, auf der die funktionsorientierte Schule des übersetzerischen Handelns basiert. Dies wird deutlich, wenn sie zwar neben den genannten Kategorien eine weitere, von ihr so genannte funktionale Kategorie der Bewertung von Übersetzungsleistungen aufführt. Diese beinhaltet zwar eine Veränderung der Zieltextfunktion gegenüber der Funktion des Ausgangstextes, stellt jedoch – im Gegensatz zu Vermeers scopos keine wirkliche vom Übersetzer zu wählende Option dar, sondern vielmehr eine Nichteinhaltung der Übersetzungsvorgabe (vgl. Reiß 1971, 93ff). Mit ihrem in den 70-er Jahren erstellten Modell lässt sich die Praxis modernen Übersetzens nicht mehr greifen, in der Übersetzungsaufträge ja zunehmend häufig auf dem Erstellen von Resümees oder Inhaltsangaben, Rohübersetzungen, Popularisierungen, Adaptationen und Bearbeitungen beruhen (vgl. Schreiber 2006, 388), bei denen sich die Funktion vom Ausgangstext zum Translat verschiebt. Dies wird von Prunč (2003, 27) hervorgehoben: „Zusammenfassungen, Auszüge, Texterweiterungen, freies Nach- und Neuvertexten von anderssprachigem Informationsmaterial für verschiedene Zielgruppen, kulturelle Anpassung von Werbetexten und Webseiten gehören immer häufiger zu den selbstverständlichen Tätigkeitsfeldern aktiver TranslatorInnen“. Solche funktionsvarianten Übersetzungen klammert Reiß aus ihren Überlegungen aus (Reinart 2014, 48f). Ihr texttypologischer Ansatz orientiert sich am Ausgangstext und nicht am Zieltext. Aber auch, wenn man dies in Rechnung stellt, können weitere Einwände formuliert werden, denn das grobe Raster der zur Disposition gestellten Texttypen verstellt den Blick auf die Komplexität des Ausgangstexts und kann ganz gewiss nicht eine genauere übersetzungsrelevante Textanalyse ersetzen. Gerade im Hinblick auf literarische Texte betont Jörn Albrecht: „Übersetzungskritik kann nur in Abhängigkeit von Textanalyse betrieben werden“ (Albrecht 1998, 232). P ag atis he A sätze de Ü e setzu gsk itik – Wittgenstein und die Folgen 21 Prag atis he A sätze de Ü e setzu gsk itik – Wittgenstein und die Folgen Mit ihrer Öffnung für die kommunikativen bzw. funktionalen Implikationen bereiten Nida (1964), Catford (1965) und auch der texttypologische Ansatz von Reiß (1971) die Erweiterung des Äquivalenzkonzepts um die pragmatische Perspektive vor, die dann beispielsweis in das Äquivalenz-Modell von Werner Koller aufgenommen wurde, der neben der denotativen, konnotativen, textnormativen und formal-ästhetischen auch von einer pragmatischen Äquivalenz spricht (Koller 1992, 214ff).1 Die Definition von Pragmatik besagt: Der Gebrauch entscheidet über den Referenten des Zeichens, oder anders: Die Gebrauchsbedingungen sind Teil der Bedeutung (Albrecht 2009, 33). Damit ist das Terrain vorbereitet für die Sprechakttheorie, einen der Bereiche der linguistischen Pragmatik. Von der linguistischen Pragmatik her gedacht bedeutet dies: Es muss das berücksichtigt werden, was zu einer Äußerung hinzukommt: Sprechsituation, Hintergrundwissen, also der Kontext in einem allgemeinen Sinn (Albrecht 2005, 216).2 Mit der Hervorhebung der pragmatischen Ebene der Übersetzung geht das Hintanstellen der für Äquivalenz bis dahin geltende semantischen Relation zwischen Vorlage und Übersetzung – ja, bei entsprechender Verabsolutierung – des Originals überhaupt einher. Dieses wird von dem mit Jäger (197Ń) einsetzenden und von Forschern wie Hönig/ Kussmaul (1982), Reiß/ Vermeer (1984) und Kussmaul (199Ń) weitergeführten funktionalistischen bzw. handlungstheoretischen Ansatz in der Translationswissenschaft als zweitrangig betrachtet, da hier der kommunikative Zweck der Übersetzung das Hauptkriterium für deren Bewertung angesehen wird. Nur die Funktion ________________ Jäger (19ń8, 38; 197Ń, 87) spricht von funktioneller Äquivalenz. Vgl. dazu die von Catford (19ńŃ, 34) eingeführte Unterscheidung von „co-text“ und „context“. 1 2 22 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK unter Berücksichtigung der besonderen Kommunikationssituation bestimmt die übersetzerischen Entscheidungen. Wittgenstein legte seinen Begriff von Sprache anhand zahlreicher selbstformulierter Sprechsituationen dar, und bezeichnete es als die Hauptaufgabe der Sprachphilosophie, die „Alltagssprache und ihre Regeln zu untersuchen“ (Wittgenstein 1984, §§ 122-132). Wenn man sprachliche Ausdrücke auf ihre konkreten Verwendungen hin untersucht, dann muss man diese Verwendung auch als Teil ihrer Bedeutung ansehen. Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.“ (ebd., § 43) Wittgenstein fasst den Zusammenhang zwischen Sprechen und Handeln unter den Begriff des „Sprachspiels“: „Ich werde auch das Ganze der Sprache und der Tätigkeiten, mit denen sie verwoben ist, das ‚Sprachspiel‘ nennen.“ (Ebd., § 7) Das Sprachspiel wird also als ein Komplex verstanden, in dem Sprechen und Handeln wechselseitig aufeinander bezogen sind. „Worte sind auch Taten“ (1984, § 546). Verstehen heißt also für Wittgenstein, den Gebrauch eines Ausdrucks über die Grenzen der verschiedenen Sprachspiele hinweg zu kennen, in denen er vorkommt. Seinen Gebrauch kennen heißt, über die Fähigkeit zu verfügen, die Regeln für die Verwendung des Ausdrucks in diesen verschiedenen Sprachspielen zu befolgen. Eine Regel zu befolgen bedeutet zudem, die Praxis der Regelbefolgung selbst zu verstehen. Verwirrungen entstehen aus dem Missbrauch der Sprache oder aus Missverständnissen über ihre Natur. Mit einer falschen Auffassung der Arbeitsweise der Sprache laufen wir Gefahr, in Verwirrung zu geraten. Wir verwenden irrtümlich einen Ausdruck ohne Rücksicht auf den Kontext, in dem er normalerweise seine Aufgabe erfüllt. Regelbefolgung ist kein innerer Prozess, in dem so etwas wie ein Kalkül begriffen wird, der etwa objektive Richtigkeitsstandards vorgeben würde, sie wird vielmehr als eine Praxis begriffen, die in die Gebräuche und Übereinstimmungen innerhalb einer Gemeinschaft eingebunden ist. Damit ist das Verstehen als Regelbefolgung eine öffentliche, keine private Angelegenheit. Möglich sind Regeln nur, weil sie auf Übereinstimmung gründen, eine Regel korrekt zu befolgen heißt, sich an die vorgegebenen Praktiken der Gemeinschaft zu halten. Kurz gesagt, ist die Sprache Teil des Gewebes einer umfassenden Lebensform. Unter der Lebensform versteht Wittgenstein den zugrundeliegenden Konsens in sprachlichem und nichtsprachlichem Verhalten, in Annahmen, Praktiken, Traditionen und natürlichen Neigungen, die Menschen als soziale Wesen miteinander teilen. Damit ist die Lebensform der Bezugsrahmen, in dem wir uns zu bewegen lernen, wenn wir die Sprache unserer Gemeinschaft erlernen, diese Sprache zu lernen heißt somit, die Einstellungen, Überzeugun- P ag atis he A sätze de Ü e setzu gsk itik – Wittgenstein und die Folgen 23 gen und Praktiken lernen, mit denen diese Sprache untrennbar verbunden ist und von welcher her ihre Ausdrücke erst Sinn bekommen. Der Begriff der Lebensform ist eng mit der wesentlich öffentlichen Natur der Sprache nach Wittgenstein verknüpft. In den Philosophischen Untersuchungen (§ 243-363) behandelt Wittgenstein die Frage der Möglichkeit von Privatsprachen als Sprachen, die ein einzelner Mensch konstruieren könnte, mittels derer er sich mit sich selbst über sein prinzipiell für andere unzugängliches Innenleben und seine Empfindungen unterhalten könnte (ebd., § 356). Gegen diese Konzeption einer logisch privaten Sprache wendet sich Wittgenstein in den erwähnten Punkten der Philosophischen Untersuchungen: Das Verstehen einer Sprache bedeutet, die Fähigkeit zu besitzen, die Regeln ihrer Verwendung zu befolgen, eine private Befolgung einer Regel kann es aber nicht geben. Wenn man davon ausgeht, dass das Sprechen einer Sprache die Teilhabe an einer Lebensform ist, dann heißt dies, dazu erzogen zu werden, und eine solche Erziehung muss ganz offensichtlich in einer Öffentlichkeit vor sich gehen, denn sonst wäre sie gerade keine Erziehung zur Teilhabe an der Lebensform, die der Sprache erst Bedeutung verleiht (vgl. ebd., § 244, § 2Ń7, § 283) Das Konzept der Sprachspiele aus der Spätphilosophie Wittgensteins bildet die Grundlage der Sprechakttheorie. Deren Relevanz für die Übersetzungsforschung wurde bereits erwiesen (vgl. Albrecht 2006, 214ff). Das Konzept erweist sich für die übersetzungskritische Betrachtung als fruchtbar, weil es zumindest für einen Teil der Sprachverwendungen erklärt, warum an der Sprachoberfläche korrekt übertragene sprachliche Einheiten von zielsprachlichen Empfängern nicht unbedingt in der intendierten Weise verstanden werden. Die Einzelsprachen unterscheiden sich oft darin, welche Sprechakte in welcher Kommunikationssituation bevorzugt verwendet werden. Da aber ein Sprechakt nur dann die intendierte kommunikative Funktion erfüllen kann, wenn die Regeln für seine Ausführung bekannt sind, kommt es beim Nichterkennen der Regeln zu einem „Bedeutungskurzschluss“, denn das Gemeinte kann nicht erschlossen werden. Sprechakte stellen also deshalb für den Übersetzer eine besondere Herausforderung dar, weil „der Indikator der illokutionären Rolle einzelsprachlich spezifisch kodiert wird und somit für den unerfahrenen Übersetzer nicht unmittelbar zu erkennen ist“ (Albrecht 200Ń, 21ń). Für die Übersetzungskritik bedeutet dies, dass überprüft werden muss, ob der Übersetzer die Informationen, die sich ihm an der Textoberfläche darbieten, von der Bedeutung, die ihnen im Text zukommt, zu unterscheiden imstande ist, und ob er in der Zielsprache adressatengerechte Vertextungsmittel findet. 24 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Der Übersetzer muss die Sprachspiele der jeweiligen Sprachgemeinschaften beherrschen. Verstehen heißt im Übersetzungsprozess, die Gebrauchsarten zu verstehen. Falsches Übersetzen wäre demnach, irrtümlich einen Ausdruck ohne Rücksicht auf den Kontext zu verwenden, in dem er normalerweise seine Aufgabe erfüllt. Er muss sich aber auch über die Natur der Sprache im Klaren sein, die in der Regelbefolgung von Sprachspielen besteht. Fehlübersetzungen oder Missverständnisse beim Übersetzen entstehen demnach aus dem Missbrauch der Sprache oder aus Missverständnissen über die Natur der Sprache. Das Konzept der Lebensform bezeichnet die Grundschwierigkeit des Übersetzens. Übersetzende sind wie alle Mitglieder einer Gemeinschaft in die Lebensform hineinverwachsen, sie können sie nicht transzendieren. „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.“ – so pointiert Wittgenstein diesen Sachverhalt. Diese Schwierigkeit, eine Meta-Position gegenüber den Sprachspielen einzunehmen, betrifft natürlich auch den Übersetzungskritiker. Wittgensteins Sprachphilosophie erweist ihre Fruchtbarkeit für die Übersetzungswissenschaft und Übersetzungskritik insbesondere, wenn man seine in den Philosophischen Untersuchungen angestellten Überlegungen zur Möglichkeit von „Privatsprachen“ ergänzend heranzieht. Dann gewinnt man ein Beschreibungsmodell für die grenzüberschreitende Dynamik literarischer Texte. Gerade literarische Texte bewegen sich im Spannungsfeld von Privatsprache und öffentlich geregeltem Sprachgebrauch. Sie sind einerseits durch idiosynkratische Abweichungen von den in einer Sprachgemeinschaft etablierten pragmatischen Regeln für den Sprachgebrauch gekennzeichnet, anderseits blieben sie diesen jedoch verhaftet – andernfalls wären sie unverständlich. Dieser Balanceakt muss vom Übersetzer erkannt und entsprechend in der Übersetzung nachvollzogen werden. Das Konzeptwerkzeug Spiel (Stolze 2015, 92) liefert damit ein Modell menschlichen Handelns, soweit dessen dynamische Struktur durch menschliche Interaktion entsteht, diese aber auch zugleich beherrscht und verändert. Alle Spiele beruhen auf regelhaften Strukturen, doch diese unterliegen durch die Interaktion mit anderen Spielern einem beständigen Wandel. Die dynamischen Strukturen von Spielen liefern uns ein Modell für die beständige Überschreitung von Sprachregeln und –normen, wie es in der literarischen Übersetzung geschieht, gleicht doch, wie Stolze (ebd., 93) schreibt, „die Beweglichkeit der Regeln der Sprachspiele jenen durchlässigen Strukturen und Wertesystemen von Kulturen, und hier finden wir ein Modell, das die Interaktion zwischen Kulturen zu erklären hilft“. In einem verwand- Das pragma-linguistische Modell von Juliane House 25 ten Sinne kann Paepcke (1981, 121) vom „Übersetzen zwischen Regel und Spiel“ schreiben. Damit verweist uns ein Rückblick auf Wittgensteins Sprachphilosophie nicht nur auf die kommunikative Verfasstheit von Sprachhandeln, sondern auch auf die Dynamik von Regel und Regelüberschreitung, die literarische Texte auszeichnet. 26 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Das pragma-linguistische Modell von Juliane House Eine Verbindung von pragmatischen und linguistischen Parametern versucht sas übersetzungskritische Modell von House, das sie sechs Jahre nach dem texttypologischen Ansatz von Reiß entwickelte (A Model for Translation Quality Assessment, House 1977) und später ausbaute (Translation Quality Assessment: A Model Revisited, House 1997). House’s Ansatz ist wie das Reißsche Modell im Wesentlichen auf den Ausgangstext hin orientiert. House gewichtet im Unterschied zu Reiß stärker den pragmatischen Aspekt des Übersetzens, indem sie die situativen Faktoren der Kommunikation und die Einbettung eines Textes in eine bestimmte Kultur integriert, wobei sie jedoch die von Reiß angenommene Gleichsetzung von Sprachfunktion und Textfunktion bzw. Texttyp (vgl. House 1997, 36) kritisiert. Den linguistisch ausgerichteten Teil ihres translationsevaluativen Ansatzes ergänzt sie durch Anregungen und Erkenntnisse aus der Sprechakttheorie bzw. Diskursanalyse, aus denen sie die für sie zentralen Dimensionen des Sprachverwenders und der Sprachverwendung herleitet. In einer pragmalinguistischen Analyse des Ausgangstextes soll ein Diskursprofil erstellt werden, das Grundlage der Bewertung der Übersetzungsleistung ist. Sprache bzw. Text werden dabei in drei übersetzungs- und übersetzungskritisch relevante Bereiche unterteilt: Register, Genre und individuelle Textfunktion (vgl. ebd., 108). Alle drei Bereiche werden im Rahmen der Textpragmatik bestimmt. Das Register bezieht sich darauf, inwiefern der situative Kontext auf die sprachliche Realisierung Einfluss nimmt und fokussiert damit den Handlungszusammenhang, in dem der Ausgangstext entsteht (vgl. ebd., 105). House unterteilt das Register in drei Unterkategorien „field“, „tenor“ und „mode“: – field meint die inhaltlich-thematische Ausrichtung des Textes mit seinem jeweiligen Fachlichkeitsgrad, – tenor meint die situativen Faktoren der Kommunikationsteilnehmer, das emotionale Verhältnis zwischen Autor und Adressat, die zeitliche, Das pragma-linguistische Modell von Juliane House 27 geographische und soziale Situation des Senders sowie seine Einstellung zum Thema und seine kommunikative Intention, – mode meint das Kommunikationsmedium in seinen Manifestationen Mündlichkeit/ Schriftlichkeit, Involviertheit/ Informationsorientiertheit, Explizitheit/ Situationsabhängigkeit, Abstraktheit/ Konkretheit, sowie die Anzahl der Kommunikationsteilnehmer (monologisch vs. dialogisch). Dabei werden einfache Realisierungsformen (wenn ein geschriebener Text gelesen werden soll) von komplexen Darbietungskonstellationen unterschieden (wenn beispielsweise ein geschriebener Text zur mündlichen Präsentation gedacht ist). Diese drei Subkategorien des field sollen auf mehreren Ebenen (lexikalischer, syntaktischer, textueller) analysiert werden. Neben dem Register unterscheidet House als weitere Kategorie der Übersetzungskritik das genre, womit die Zugehörigkeit zu einer Textsorte gemeint ist. Definition: „genre is a socially established category characterized in terms of occurence of source and a communicative purpose or any combination of these“ (ebd., 107). Die beiden Kategorien Register und Textsorte ergeben gemeinsam die von House so genannte individuelle Textfunktion, die wiederum in Anlehnung an Halliday (1973; vgl. Atayan 2010, 16ff) in eine referenzielle, inhaltsbezogene und eine interpersonelle, beim Leser Reaktionen hervorrufende Funktion unterteilt wird (House 1997, 35). Wie das Modell von Reiß ist auch das von House entwickelte integrativ und umfasst sowohl Sachtexte als auch die Literaturübersetzung. Es werden entgegen den in der Literaturwissenschaft etablierten Begrifflichkeit übergreifenden Kategorien wie des Texttyps (Reiß) oder Genre (House) entwickelt. Dies erscheint berechtigt, da zugleich auch andere mediale Formen wie der Film in diesen Kategorien mit aufgehoben sind. So ist ja in der Filmwissenschaft herausgebildete Aufgliederung in Subgattungen nicht unbedingt mit der literaturwissenschaftlichen deckungsgleich. Bei der Ü-Bewertung sollen folgende Schritte eingehalten werden: – Analyse des A-Textes und Ermittlung seiner Funktion – Vergleich von A- und Z-Text – Feststellung der Qualität. Nach dem Durchführen der pragmalinguistischen Analyse des A-Textes sollen in einem Beim zweiten Schritt die Nichtübereinstimmungen (mismatches) zielsprachlicher Lösungen mit der Art der von ihr auf textanalytischem Wege in der Vorlage als maßgeblich ermittelten inhaltlichen, sprachlichen und interpersonalen Kategorien herausgefiltert werden. Diese werden als covertly erroneous errors gekennzeichnet und von den offensichtlichen fehlerhaften Entscheidungen des Übersetzers unterschieden, die overtly erroneous 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK 28 errors, unter die beispielsweise denotative Abweichungen oder Verstöße gegen das zielsprachliche System gefasst werden. Eine Unterscheidung, die einleuchtend erscheint und nochmals auf die übergeordnete Rolle des scopos in der Übersetzungskritik abhebt. Kritisch anzumerken ist, dass das Modell recht komplex ausfällt, die einzelnen von House eingeführten Kategorien jedoch sehr grobmaschig sind. In diesem Sinne ist die Kritik von Frank (1986, 339) zu verstehen: „While developing an overwhelmingly complex analytical machinery, House has lost sight of the inner differenciations of a literary work. Treating as she does a work as a linguistic field, she fails to notice such literary features as changes in the narrator’s perspective, differenciation between narrator’s and character’s utterances, forms of structural irony, or the interplay of different styles.“ Die hier formulierte Kritik zielt allerdings auf alle integrativen übersetzungskritischen Modelle. Die Schwierigkeit, gemeinsame Parameter für Fachübersetzen und literarische Texte zu entwickeln, führt auch der Integrative Approach von Snell-Hornby (1994, 16ff) vor Augen, der mittels der Zwischenkategorie gemeinsprachliches Übersetzen die methodologische Kluft von Fach- und literarischer Übersetzung überwinden will. Positiv zu bewerten ist mit Sicherheit die in etwa gleiche Gewichtung von linguistischen und pragmatischen Parametern, wobei House auf Halliday (1973) zurückgreift, der einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die moderne Übersetzungspragmatik ausübte und später – wie noch zu zeigen ist – auch in den semiotischen Ansätzen fruchtbar gemacht wird. Covert and overt translation Besonders innovativ ist die von House eingeführte Unterscheidung von „overt translation“ und „covert translation“ (House 1997, 111-115), die den Typ der Übersetzung bestimmen hilft, der wiederum einen Bezugsrahmen dafür bietet, welche Bereiche und Kategorien in der Übersetzung äquivalent gehalten werden sollen. Die verdeckte Übersetzung charakterisiert sich dadurch, dass sie nicht als Übersetzung erkennbar wird und in der Zielkultur den Status eines Originals erhält. Man könnte diesen Übersetzungstyp damit in etwa mit der von Lévy (1969, 31f) postulierten „illusionistischen“ Übersetzung vergleichen: Das pragma-linguistische Modell von Juliane House 29 „Der illusionistische Übersetzer verbirgt sich hinter dem Original, das er gleichsam ohne Mittler dem Leser mit dem Ziel vorlegt, bei ihm eine übersetzerische Illusion zu wecken, die Illusion nämlich, dass er die Vorlage lese. In allen Fällen handelt es sich um eine Illusion, die sich auf ein Einvernehmen mit dem Leser oder mit dem Zuschauer stützt. Der Theaterbesucher weiß, dass das, was er auf der Bühne sieht, nicht die Wirklichkeit ist, er verlangt jedoch, dass es wie die Wirklichkeit aussehen soll; der Romanleser weiß, dass er eine gedachte Geschichte liest, aber er fordert, dass der Roman sich an die Regeln der Wahrscheinlichkeit hält. So weiß auch der Leser einer Übersetzung, dass er nicht das Original liest, aber er verlangt, dass die Übersetzung die Qualität des Originals beibehalte.“ Damit dies funktionieren kann, müssen beim Typus der verdeckten Übersetzung häufig „kulturelle Filter“ (House 1997, 115) eingebaut werden, damit aber bedarf es einer „interkulturellen pragmatischen Analyse“ (ebd., 31): „Verdeckte Übersetzungen unterscheiden sich in ihren Strukturen, inhaltlichen Gewichtungen und in ihrer Berücksichtigung der Erwartungsnormen der Adressaten vom Original, weil im Zuge der kulturellen Filterung die Verwendung lexikogrammatischer und textueller Mittel verändert wird, um den Vertextungskonventionen und kommunikativen Präferenzen der Zielsprache(nkultur) gerecht zu werden“ (House 2002). Eine „verdeckte Übersetzung“ kreiert damit ausschließlich ihre eigene Diskurswelt im Kontext der Zielsprache. Im Falle der „covert translation“ muss daher der Bereich eingegrenzt werden, in dem die ansonsten von House als Grundlagenkriterium veranschlagte Äquivalenzforderung noch gilt. Das Erreichen von Äquivalenz ist hier nur im Bereich des genre und der Textfunktion möglich, wohingegen auf der Ebene des register und der language/ text häufig Änderungen erfolgen müssen. „Für die Übersetzung eines Textes als Covert Translation kommen demgegenüber alle Texte in Frage, die an keine bestimmte Kultur, an kein spezifisches historisches (…) Ereignis gebunden sind. Hier kann und muss die Funktion des Ausgangstextes erhalten bleiben. Für die Erstellung verdeckter Übersetzungen muss nun (…) der Einsatz eines „kulturellen Filters“ erwogen werden, wozu es (…) interkultureller pragmatischer Analyse bedarf.“ (House 1997, 31, Hervorhebung im Original, B.S.) 30 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Die der anti-illusionistischen bzw. verfremdenden Übersetzungsstrategie entsprachende overt translation gibt sich hingegen als Übersetzung zu erkennen. Das Original ist erkennbar in der Ausgangskultur verwurzelt, womit es unmöglich wird, die ursprüngliche individuelle Textfunktion zu erhalten. Der Ausgangstext dient nur noch dazu, „Zugang zu der Funktion zu ermöglichen, welche der Originaltext in seinem Bezugsrahmen und seiner Diskurswelt hat / gehabt hat“ (House 2002a, 106). Während also bei der covert translation die Funktion des Ausgangstextes mit den Mitteln der Zielkultur auch im Zieltext erreicht: der „cultural filter“, d.h. die Perspektive, das Wissen und die Konventionen der Zielkultur werden berücksichtigt (vgl. House 1997, 29ff), erlaubt es die overt translation dem Leser, die Funktion des Ausgangstextes in seinem ursprünglichen Kontext zu erkennen. „Overt Translation soll angewendet werden in Fällen, in denen der Ausgangstext wesentlich an die ausgangssprachliche Kultur gebunden ist, sei es durch den Status des Textautors oder des Textes als historischem Dokument oder literarisch-ästhetischem Kunstwerk. Der Übersetzer kann dann nicht ambitioniert sein, ein zweites Original zu schaffen. (…) Die Adressaten des Translationstextes werden in solchen Fällen nicht direkt angesprochen, d.h. die Funktion des Ausgangstextes kann nicht adäquat erhalten bleiben.“ (ebd., 31) In der covert translation können Sprachebene und Register äquivalent sein, der Kontext jedoch nicht, denn die Übersetzung muss stets auf den Originaltext bezogen bleiben. Bei einer overt translation dagegen, die häufig als eine Art Neuschaffung oder Rekonstruktion eines Originals betrachtet wird, können Sprache und Register sich ändern, damit die Funktion erhalten bleibt bzw. in der Zielkultur kommuniziert wird (vgl. ebd., 112ff). In Bezug auf alle anderen Bereiche gilt jedoch bei diesem Übersetzungstyp die Äquivalenzforderung als Bewertungsmaßstab der Übersetzung. Dieses Verhältnis muss bei der abschließenden Bewertung der Übersetzung berücksichtigt werden. Mit der Gegenüberstellung von „overt“ und „covert translation“ knüpft House an Schleiermachers verfremdende bzw. einbürgernde Übersetzung an (1997, 161, 163, 166; 2001, 249f). Das Konzept overt translation scheint besser als die älteren Termini der verfremdenden bzw. anti-illusionistischen Übersetzung (Levý 1969) auf Strategien anwendbar, die dem Übersetzer einen weitgehend autonomen Status gegenüber dem Original zugestehen und damit der vielbeschworenen „Unsichtbarkeit“ des Übersetzers (Venuti 1995) entgegenwirken. Dies trifft nicht nur auf diskurskritische Ausprägun- Das pragma-linguistische Modell von Juliane House 31 gen übersetzerischer Praxis zu wie z. B. der gender translation (Flotow 1997; Hagemann 2004) oder queer translation wie auch postkolonialer Ausrichtungen in der Übersetzung, sondern auch auf Konzepte postmodernen Übersetzens. Gerade die postmoderne Übersetzung setzt sich in ihrer Eigenständigkeit gegenüber dem Original ins Recht (Preda 2001, 69) und pocht auf die Möglichkeit kreativen Leistungen des Übersetzers. Aus einer ironischen Haltung gegenüber dem Original – ja gegenüber der Idee des Originals – heraus verfolgt sie eine Poetik des Recycling und des Zitats. Als eine Form des „Zitierens“, die ihren eigenen Zitatcharakter ausstellt, definiert bereits Balcerzan (1998, 174ff) die Übersetzung, und Hermans (2007, 7ń) begreift postmoderne Übersetzungspraxis als „direct speech contaminated by indirect speech, an impure mix of direct and indirect discourse“, als „echoic translation“. In ihrer intertextuellen Ausrichtung nimmt sie eine Metaposition gegenüber dem Original ein (bereits bei Popowič 1973, 107-126) und öffnet dieses für multiple Lesarten. Dabei bringen postmoderne Übersetzungskonzepte nicht nur ihr Misstrauen gegenüber essentieller Bedeutung ins Spiel, sondern verabschieden die Idee von Übersetzung als einer Repräsentation des Originals und lassen sie nur noch als Aushandlungszone von Differenzen gelten. Die Spannung zwischen Original und Übersetzung – auf der sämtliche übersetzungskritische Modelle beruhen – wird damit in den allumfassenden Intertext hinein aufgelöst. Übersetzungsstrategien, die solchermaßen die Hierarchien von Original und Translat umstoßen, mit den Relationen von Signifikat und Signifikant jonglieren und selbstreflexiv auf ihren eigenen Status verweisen, sind mit den in der Übersetzungskritik etablierten Modellen nur schwer zu greifen. Die Gegenüberstellung von covert und overt translation gibt hier zumindest erste Anhaltspunkte zu einer angemessenen Bewertung und ist inzwischen angesichts einer zunehmend relativierenden, ironischen und autoreferentiellen Übersetzungspoetik weitergedacht worden. So wurde für translatorische Verfahren, die die grundsätzlich allem Übersetzen eigene Heterogenität als solche sichtbar hält, anstatt sie zu verschleiern, in neuerer Zeit der Begriff der „hybriden Übersetzung“ ins Spiel gebracht (Bohnenkamp 2004, 9-26). Die von den Prämissen der Postmoderne bestimmte Übersetzungspraxis scheint einen Paradigmenwechsel in der Übersetzungskritik zu erfordern, wie er am hellsichtigsten in den semiotischen Ansätzen angedacht wurde, die von einer allumfassenden Semiose ausgehen, in die sowohl Übersetzer als auch Kritiker involviert sind. Sie sollen an späterer Stelle besprochen werden. 32 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Ein weiterer Gewinn des Modells scheint mir darin zu liegen, dass es seine eigenen Grenzen im Blick behält und damit die Reflexion über die generellen Möglichkeiten von (objektiver) Übersetzungskritik anstößt. House verweist insbesondere auf die Selbsttransparenz von Übersetzungskritik, die sich ihrer eigenen Normen bewusst sein muss: „My approach to translation quality assessment is thus not ‘absolutely evaluative’. (…) In the type of detailed comparison and evaluation of source and translation texts provided for in the model, the evaluator is not put in a position to give easy judgments of ‘good’ or ‘bad’ in translation. Rather, the model prepares the ground for the analysis of a large number of evaluation cases that would, in any individual case, not be totally predictable, however. This is so because, in the last analysis, any evaluation depends on a large variety of factors which condition social evaluation judgments. (…) I consider the concept of ‘quality’ in translation problematical if it is meant to refer to value judgments alone. It is problematical especially if one does not know anything about, or does not take in account (…), the ideals and ideas about translation quality the translator, reviewer, or researcher entertains. It is difficult to pass a ‘final judgment’ of the quality of a translation that fulfil the demands of objectivity” (House 1997, 118 f. ). Um die Veränderlichkeit und historische und kulturelle Geprägtheit inbesondere der literarischen Normen und dessen, was Literatur zu leisten vermag zu integrieren, hat der linguistisch-pragmatische Ansatz von House keine Instrumente entwickelt. Dies ist die Domäne der Deskriptive Translation Studies, auf die an späterer Stelle eingegangen wird. Das pragma-linguistische Modell von Juliane House 33 Heidrun Gerzymisch-Arbogast – o de „Auffälligkeit“ zu Aspekt at i Die vor allem in Deutschland unter Einbeziehung sowohl linguistischer als auch funktionaler Perspektiven geführte Äquivalenzdiskussion wird von Gerzymisch-Arbogast (1994, 1997) fortgesetzt. Auch in ihrem übersetzungskritischen Konzept werden die Analyseparameter jeweils in Abhängigkeit vom Einzeltext und seiner Übersetzung bestimmt. Als Ausgangspunkt gilt der Zieltext, der „wie ein Original“ (ebd., 148) gelesen wird, wobei auffällige Stellen inhaltlicher oder formeller Art ermittelt werden. Diese Auswahl hängt von der Fähigkeit des Lesers ab, Besonderheiten des Textes zu erkennen. Da der Kritiker somit eine stichprobenartigen Auswahl trifft, ist diese explizit anzugeben. Aus den gewählten Stellen werden nun übergeordnete „Aspekte“ wie die Erzählerperspektive, der Thema-Rhema-Gliederung, Realisierung der Referenz oder Metaphernwiedergabe entwickelt. Die so entstehende „Aspektmatrix“ bildet die Grundlage des systematischen Vergleichs von Ausgangs- und Zieltext und stellt die Basis für die Übersetzungsevaluation dar (ebd., 148ff). Es wird geprüft, ob die Auffälligkeiten mit dem Original übereinstimmen oder ob sie vom Übersetzer stammen. Im nächsten Schritt werden Aspekte ermittelt, die sich daraus ergeben, dass „Unauffälligkeiten“ im Original „unauffällig“ übersetzt werden. Sie werden durch einen Blick auf das Textganze, seiner künstlerischen und sprachlichen Gestaltung erkennbar. Voraussetzungen einer sachlichen Bewertung sind: – Explizites Angeben der bewerteten Textstelle(n) – Formulieren klarer, einheitlicher Kriterien (Aspekte) zur Begutachtung, – Offenlegen der Prädikate, nach denen die Übersetzung beurteilt wurde (ebd., 150). Gerzymisch-Arbogast bezeichnet ihre Translatkritik auch deshalb als „sachlich“ (ebd., 148), weil kein Pauschalurteil gefällt, sondern nur die Um- 34 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK setzung einzelner Aspekte bewertet wird. Da keine Übersetzung in der Lage sei, in sämtlichen Aspekten ideal auszufallen, müsste vom Übersetzer erwartet werden, offenzulegen, auf welche er sich jeweils konzentriert habe (beispielsweise in einem Vorwort oder Kommentar). Tue er das nicht, bestehe die Aufgabe der Übersetzungskritik darin, dies nachzuholen und aufzudecken, welche Aspekte er vorrangig im Zieltext gestalten wollte und von welchen er abstrahiert hat (ebd., 150). Den Orientierungsrahmen für die Bewertung hat damit im Modell von Gerzymisch-Arbogast der Übersetzer selbst zu liefern, denn dessen Präferenzen zeigen erst, welche Stellen für den Kritiker relevant sind. Eine kritische Bewertung, die an einer (irrelevanten) Stelle ansetzt, an der der Übersetzer bewusst beschlossen hat, zu abstrahieren, wäre unsachgemäß. Man hat ein wenig den Eindruck, dass hier die Rollen umgekehrt werden und vor allem der Kritiker und seine Fähigkeiten einer Bewertung unterliegen. Dies mag daher rühren, dass das Modell auch im Hinblick auf die Übersetzungsdidaktik entwickelt wurde und daher auf einen Lerneffekt beim Analysierenden selbst abzielt. Neben dieser ASPEKTRA-Methode wird die Verfahrensweise REALTRA (1997, 2001) entwickelt, bei der insbesondere Kohärenzerscheinungen (etwa Thema/Rhema-Muster oder Isotopien) im Sinne miteinander vernetzter Relationen in einem Text als wesentliche Parameter für die Ermittlung der translatorischen Äquivalenzen in den Blick genommen und optisch dargestellt worden (vgl. Sommerfeld 2015, 35ff). Die in Original und Zieltext erfassten und miteinander konfrontierten Kriterien ermöglichen einen differenzierten Einblick in die unterschiedliche Wahrung der angenommenen Parameter im Zieltext und vermitteln einen nachvollziehbaren Eindruck in die Qualität des Translats. Dabei werden kultur- oder auch funktionsbedingte Varianten oder Anpassungen als notwendig angesehen. Beide in ihrer Ausrichtung auf Textkohärenz semantisch ausgerichtete Modelle, die von den Mikrostrukturen ausgehend, sich konzentrisch zu einer Gesamtbewertung „hocharbeiten“, bestechen durch die Übersichtlichkeit der Parameter und akribische Ausgefeiltheit. Gerade die Feindifferenzierung der Kohärenzerscheinungen erscheint allein schon für die Textanalyse von hohem epistemologischen Wert. Ins Hintertreffen tritt gegenüber den textinternen Faktoren die Berücksichtigung textexterner Parameter – die die Arbeit des Übersetzers bestimmenden Bedingungen und seine Zielsetzung finden nur spärlich Erwähnung (Gerzymisch-Arbogast 1994, 150), womit pragmatische oder funktionalistische Gesichtspunkte nur ansatzweise mit in die Bewertung einfließen. Das Ko zept ü e setze is he Handelns von Justa Holz-Mä ttä i u d sei e Aus i ku ge Es soll an dieser Stelle auf die Arbeiten von Holz-Mänttäri (1984, 198ń) verwiesen werden, ohne die der Paradigmenwechsel in der Übersetzungswissenschaft und Übersetzungskritik hin zu handlungsorientierten Ansätzen nicht denkbar gewesen wäre. Sie ist eine der ersten, die die bis dato etablierten Grenzen der Übersetzungswissenschaft überwinden will, indem Übersetzung in eine allgemeine Handlungstheorie eingebettet wird (vgl. Behr 2012, 87). Insofern ist die Arbeit wegweisend und hat in nicht unbeträchtlichem Maße zu einer Aufweichung der bis dahin stark linguistisch ausgerichteten Übersetzungstheorie (und -kritik) beigetragen. Die Studie hält wichtige Ansatzpunkte für die Übersetzungskritik bereit, auch wenn deren Grundlagen zunächst ausgehebelt werden. Indem die Erkenntnisse der Systemtheorie fruchtbar gemacht werden, rückt der Übersetzungsprozess als äußerst komponentenreiches und komplexes Gefüge ins Licht, der sich daher auch einfacher und eindeutiger Bewertung entziehen muss (vgl. Stolze 2001, 200). Die gängigen Wertmaßstäbe wie Objektivität und Messbarkeit können somit nicht an die Übersetzung herangetragen werden. Zu den den Translationsprozess mitbestimmenden Faktoren gehören: – die konkrete Kommunikationssituation, die von den Beteiligten und deren Verständnis der eigenen Rolle sowie der Rolle der anderen (z.B. des Übersetzers) bestimmt wird, – Fragen nach dem skopos des Translats, – Fragen nach Auftraggeber und Zielrezipient, – Fragen nach den translatorischen Kriterien, z.B. mögliche Vorgaben des Verlags oder Rezipientenerwartungen. In diesen translatorischen Handlungsrahmen fallen unter anderem Handlungen, welche im Vorfeld des Übersetzens stattfinden: 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK 36 a) die Produktspezifikation mit Angaben zum Zweck des Produktes, zum Rezipienten, zur Situation, zum Layout, zur Korrektur und zur Lieferfrist; b) die Segmentierung, d.h. die Aufschlüsselung des Sachverhaltes und der verschiedenen Handlungsrollen anhand von „Segmentierfragen“; c) die Recherche, bei der auf zusätzliches Material zurückgegriffen wird, um einerseits den (lückenhaften) Wissensstand des Translators und seiner Kooperanten zu erweitern und um andererseits die (unzureichende) Produktspezifikation zu vervollständigen; und als abschließende Vorhandlung d) das Evaluieren, bei dem die durch Segmentierung abgespaltenen Elemente weiter analysiert werden (Holz-Mänttäri 1984, 97ff u. 114f). „Im Rahmengefüge translatorischen Handelns werden mit den Segmentierfragen alle Handlungsrollen erfragt und erfasst: Wer bestellt den Text? Wer erstellt den Ausgangstext? Wer rezipiert den Zieltext? Wann, wo, unter welchen Umständen und zu welchem Zweck wird der Zieltext vorgetragen? usw. Auf dieselbe Weise werden die Sachverhalte in Texten (Translationsbeitrags-, Ausgangs-, Ziel-, Recherchiertexte) erfragt und erfasst: Die Fragen WER (TUT) WAS?, WEM (GESCHIEHT) WAS?, WAS (EREIGNET SICH)?, WAS (IST)? usw. ergeben die Grundaussage des Textes, WOZU, WIE usw. ergeben die Ergänzung dazu, also z.B. die Strategien.“ (ebd., 99) Die Auffassung des Translationsprozesses als eines komplexen und aspektreichen Handlungsgefüges bringt einen Blick auf den Translator mit sich, der zu einem Kooperationspartner und gleichberechtigten Experten avanciert. Der Übersetzer wird als Teil einer arbeitsteiligen Gesellschaft verstanden. Holz-Mänttäri beleuchtet die Rahmenbedingungen, das komplexe Handlungsgefüge, in dem er in der Praxis agiert. Dies beinhaltet nicht nur eine Aufwertung des Übersetzers, sondern bedeutet auch, dass der Übersetzer für sein Produkt verantwortlich ist und seine Arbeit und alle getroffenen Entscheidungen jeder Zeit rechtfertigen können muss (vgl. Ortner 2003). Die Arbeiten von Holz-Mantääri haben Eingang in die Skopos-Theorie gefunden (Reiß/ Vermeer 1984; Vermeer 1990; Nord 2011; Schippel 2006, 2008; Nord, zuletzt 2011, vgl. Risku 1998), die Übersetzen als einem Zweck untergeordnetes Sprachhandeln konzeptualisert und auf die Loyalität (Nord 2011, 29ff) gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet.3 In jüngerer Zeit wird ________________ 3 Vermeer (1990) bezeichnet die Skopos-Theorie als eine Teiltheorie der Theorie translatorischen Handelns. Das Ko zept ü e setze is he Ha del s o Justa Holz-Mä ttä i u d sei e Aus i ku ge 37 das Konzept unter dem Label der Translationskultur weiterentwickelt (Schippel 2008; Prunč1997, 2000, 2008; Krysztofiak 2010) und folgendermaßen definiert: „Unter Translationskultur sei das historisch gewachsene Subsystem einer Kultur verstanden, das sich auf das Handlungsfeld Translation bezieht und das aus einem Set von gesellschaftlich etablierten, gesteuerten und steuerbaren Normen, Konventionen, Erwartungshaltungen und Wertvorstellungen aller in dieser Kultur aktuell oder potentiell an Translationsprozessen beteiligten Handlungspartner besteht.“ (Prunč 1997, 107). Auch hier wird von einer partnerschaftlichen Beziehung von Übersetzer und Übersetzungskritiker ausgegangen, Prunč (2008, 30) spricht von einer „grundsätzlichen, jedoch durch das Kriterium der Kompetenz zu differenzierenden demokratischen Gleichberechtigung aller Handlungspartner“. Nur wenn das von Prunč geforderte Kriterium der Kooperativität erfüllt ist, können beide Seiten – Kritiker und Übersetzer – in den Prozess der Qualitätssteigerung von Übersetzungen eingebunden werden.4 Die Übersetzungskultur als einer der Faktoren, die auf die Übersetzungsentwürfe einzelner Übersetzer Einfluss nehmen, als der Übersetzung zugrunde gelegte Vorstellung vom Übersetzen, wird alternativ (oder zumindest ergänzend) zum Normbegriff ins Spiel gebracht. Besonders groß scheint mir die Tragweite des Konzepts für das Selbstverständnis des Kritikers selbst zu sein, ermöglicht es ihm doch eine Distanznahme und eine Relativieren der vorgenommenen Evaluierungen, denen jeweils Prämissen zugrunde liegen, die kritisch mitzureflektieren sind. Die Handlungsform der Translationskultur stellt die Übersetzungskritik damit in einen übergreifenden Rahmen, innerhalb dessen die Bedingtheit und kulturelle Verfasstheit von Übersetzungsnormen diskutiert werden können. Aufgrund seiner konzeptuellen Offenheit birgt der Begriff der Translationskultur das Potenzial in sich, eine Art Metakritik der Übersetzung anzuregen (vgl. Reinart 2014, 398f). ________________ 4 Wills (1977, 287) fordert darüber hinaus die Möglichkeit, Rückfragen an den Kritiker zu stellen. Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann Ohne diesen handlungstheoretischen Unterbau wäre das übersetzungskritische Modell von Amman (1990) nicht denkbar gewesen. Den theoretischen Rahmen, von dem das Modell ausgeht, bilden die Skopostheorie und die Theorie des translatorischen Handelns, die eine Fokussierung der zielsprachlichen Seite des Übersetzungsprozesses nach sich ziehen, wie bereits Reiß und Vermeer (1984, 113) postulieren: „Zu beurteilen ist einmal (und in den meisten Fällen wahrscheinlich in erster Linie) das Translat per se. In zweiter Linie ist ein Translat als Translation eines AT zu beurteilen.“ Das Translat wird dabei als eigenständiger Text rezipiert (vgl. Ammann 1990, 21Ń), der „als gleichberechtigt neben dem Ausgangstext“ (ebd., 219) steht. Eng verbunden ist das Konzept mit dem von Nord herausgestellten Qualitätskriterium der Loyalität, zu der ein Übersetzer gegenüber seinen Handlungspartnern (einschließlich des Ausgangstextautors) verpflichtet ist. Ammann stellt also den funktionalen Aspekt der Übersetzung ins Zentrum ihrer Überlegungen und begreift Translation als eine kommunikative Handlung, für deren erfolgreiche Realisierung der scopos grundlegend ist (vgl. Nord 2006, 15f). Aufgabe der Übersetzungskritik ist es festzustellen, welcher skopos dem Translat zugrunde liegt und ob die verfolgte Übersetzungsstrategie diesem gerecht wird: „Es gilt aufzuzeigen, wie Skopos und gewählte Strategie zusammenhängen. Dann gibt es keine ‚schlimmen‘ Fehler, sonder nur Texte, die dem zugrundeliegenden Skopos nicht gerecht werden, oder Texte, deren Funktion in einem gegebenen System kritisiert werden kann.“ (Ammann 1993, 440f) „Es wird im Allgemeinen postuliert, es sei möglich ausgangstextuelle Merkmale auch in einer anderen Umgebung beizubehalten, ohne dass sie sich durch die neue kulturelle Einbettung veränderten. Es wird nicht berücksichtigt, dass die einzelnen Merkmale in einem größeren Zusammenhang stehen – Z.B. zusammen das Merkmal ‚Literarizität‘ ergeben -, Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann 39 dass dies jedoch in einer anderen Kultur nicht mehr stimmen muss. Und das kann dann auch heißen, dass das, was als ‚Besonderheit‘ eines bestimmten Texts ausgemacht wurde, in einer anderen kulturellen Umgebung (z.B. einer anderen literarischen Tradition) nicht als ‚Besonderheit‘ erkannt werden kann“ (Ammann 1990, 219). Ammann untersucht also nicht die Vergleichbarkeit beider Texte, sondern die Wirkung auf deren jeweilige Rezipientengruppe: „Der Bezugspunkt selbst kann nicht im Text (Ausgangstext oder Translat) liegen. ‚Treue‘, ‚Nähe‘ oder ‚Ferne‘ können als mögliche Relationen zwischen (mindestens) zwei Texten gesetzt werden, verständlich werden sie jedoch nur in Relation zu einem übergeordneten Skopos. Z.B.: Die Funktion eines Translats sei die Vorstellung eines fremdkulturellen literarischen Werks. Von dieser Bestimmung aus lassen sich jetzt, gleichsam als Verfeinerung dieser Bestimmung, die Relation zwischen Ausgangstext und Translat ausarbeiten.“ (ebd., 214) Der Terminus „Übersetzungskritik“ ist für den so entfalteten komplexen Zugriff auf das Translat eigentlich zu eng geworden. Dem begegnet Ammann, indem sie zwischen einer „allgemeine(n) Kritik des translatorischen Handelns (als Prozess)“ und einer „allgemeine(n) Translatkritik (als Produktkritik)“ unterscheidet (Ammann 1993, 434). Die Kritik des jeweiligen translatorischen Handelns lehnt sich an HolzMänttäri an und betrifft die Kommunikationssituation, den skopos des Translats, Auftraggeber und Zielrezipient, translatorische Kriterien wie Vorgaben des Verlags oder Rezipientenerwartungen (vgl. ebd., 439). Um Ammanns Konzept der „Produkt- oder Translatkritik“ nachvollziehen zu können, muss ihr Textverständnis berücksichtigt werden. In Anlehnung an Ammann / Vermeer versteht sie unter Text „(…) jede als situationelle Einheit aufgefaßte Äußerung (verbal oder nonverbal, schriftlich oder nicht), der ein Rezipient Bedeutung zumißt“ (Ammann/Vermeer 1991, 251). Dieselbe Situationsgebundenheit betrifft nun auch die übersetzerischen Bewertungskriterien. Jedes Bewertungskriterium gehört einem bestimmten System an und darf nicht isoliert davon betrachtet werden. Soll zum Beispiel die „Äquivalenz der Semantik“ oder die „Korrespondenz im Stil“ zwischen Ausgangsund Zieltext bewertet werden, so verweisen diese beiden Bewertungskriterien auf das Ausgangstextsystem. Wird die „Adäquatheit der Lexik“ und die „Korrektheit der Grammatik“ untersucht, so beziehen sich diese auf das zielkulturelle System. Wie die einzelnen Bewertungskriterien zusammen- 40 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK spielen, ist abhängig vom skopos des Originals und des Translats. In einer Translatkritik sollte das spezifische Gewicht der Funktion auf den verschiedenen Ebenen deutlich gemacht werden. (Ammann 1993, 439) Abhängig von der Funktion des Zieltextes wird entschieden, welche Bewertungskriterien für das zielkulturelle System relevant sind. Auch im Rahmen der Produktkritik plädiert Ammann (1990, 212) für eine eindeutige zieltextorientierte Methode der Translatkritik und gliedert den übersetzungskritischen Prozess in fünf Phasen: 1) Als erster Schritt wird die Funktion des Translats festgestellt. Dabei wird, entsprechend der Skopostheorie, eine Funktionsänderung zwischen Ausgangs- und Zieltext nicht ausgeschlossen (vgl. ebd., 212). Wenn der skopos einen Funktionswechsel vorsieht, kann nicht mehr Äquivalenz zum Ausgangstext gefordert werden, sondern Adäquatheit hinsichtlich des skopos. Treue zur Ausgangsoberfläche lässt unter Umständen aufgrund der Veränderung der zielkulturellen Situation einen mit dem Ausgangstext nicht mehr zu vergleichenden Text entstehen (ebd., 216). Ammann plädiert daher dafür, das Translat als eigenständigen Text zu rezipieren (ebd., 215f). Es gehe nicht darum Fehler aufzuzeigen, die sich aus einem Vergleich der Oberflächenstrukturen der Texte ergeben. Es gelte aufzuzeigen, wie skopos und gewählte Strategie zusammenhängen (vgl. Ammann 1993, 440). Dann gebe es keine „Fehler“ oder falsche Übersetzungen, sondern nur Texte, die dem zugrundeliegenden skopos nicht gerecht werden, oder Texte, deren Funktion in einem gegebenen System kritisiert wird. 2) Im zweiten Schritt soll die intratextuelle Translatkohärenz überprüft werden. Diese bezieht sich auf die Kohärenz innerhalb des Translats, aus der Sicht des Rezipienten. Ist der Sinn in sich kohärent/verständlich? Ist die Form kohärent? Und sind Sinn und Form miteinander kohärent? Im Sinne der Scopos-Theorie ist damit das Textverständnis aus einer bestimmten Situation heraus angesprochen: „Eine Nachricht gilt als ‚verstanden‘, wenn sie vom Rezipienten als in sich hinreichend kohärent und als hinreichend kohärent mit seiner (Rezipienten-) Situation interpretiert werden kann bzw. wird.“ (Reiß/ Vermeer 1984, 109) Verstehen bedeutet in diesem Zusammenhang: etwas in die eigene Situation, in das eigene Vorwissen, einordnen zu können (vgl. Reiß/ Vermeer 1991 109). Bei der praktischen Anwendung des Modells von Margret Ammann wird die Kohärenz des Textes mithilfe des Konzeptes der Scenes-and-Frames-Semantik überprüft. Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann 41 3) Nachdem das Translat (als eigenständiger und ein dem Original gleichwertiger) Text für sich untersucht wurde, geht man zum Ausgangstext über. Es gilt als dritten Schritt der Übersetzungskritik die Funktion des Ausgangstextes festzustellen (vgl. Ammann 1990, 212). Bei literarischen Texten lässt sich die Funktion aus verschiedenen Aspekten herausarbeiten. Einerseits anhand des intendierten Zielpublikums. Für wen hat der Autor die Geschichte geschrieben? Welche Zielgruppe hatte er im Auge? Andererseits baut der Verlag, in dem das Werk erscheint, Erwartungen beim Leser auf. 4) Wenn die Funktion des Ausgangstextes festgestellt wurde, geht man, wie beim Translat, zur Überprüfung der intratextuellen Kohärenz des A-Textes über (vgl. ebd., 212). Hier wird überprüft, ob der Text in sich stimmig ist und ob Sinn und Form eine Einheit bilden. 5) Als fünfter und letzter Schritt wird das Translat dem Ausgangstext gegenübergestellt und untersucht, inwieweit die beiden Texte intertextuell kohärent sind. Erst an dieser Stelle wird das Translat als Translation eines Ausgangstextes beurteilt. „Zuerst muss ein Translat als Text in sich verständlich (‚stimmig‘) sein; erst ein verstehbarer Text kann auf seine Entstehungsbedingungen hin untersucht werden.“ (Reiß/ Vermeer 1991 114) Inwieweit intertextuelle Kohärenz besteht, hängt davon ab, wie der Ausgangstext vom Translator verstanden wurde und welcher skopos dem Translat zugrunde liegt. Ein Grund dafür, warum Inkohärenzen zwischen Ausgangstext und Translat entstehen, ist z.B. das unterschiedliche Vorwissen der Ausgangs- und Zielkultur (vgl. ebd., 112). Der Translator rezipiert und interpretiert den Ausgangstext üblicherweise aus der Sicht der Zielkultur. Wenn er etwas Kulturspezifisches, aufgrund fehlender oder mangelhafter kultureller und sprachlicher Kompetenz, falsch deutet, kommt es zu intertextueller Inkohärenz zwischen Ausgangstext und Translat. Sehr weit gefasst ist der Terminus der Kohärenz: Darunter wird sowohl die innere Stimmigkeit des Inhalts oder Sinns, als auch die Stimmigkeit der Form sowie die Stimmigkeit zwischen Inhalt bzw. Sinn und Form verstanden. Dem Einwand, dass das Form- und Sinnprinzip eines Textes ja auch gerade auf Inkohärenzen und Brüchen beruhen kann, begegnet Ammann, indem sie den Begriff Kohärenz auch auf intendierte Inkohärenz ausweitet (vgl. Ammann1990, 212). Damit versucht sie der inhärenten Offenheit literarischer Texte gerecht zu werden, für deren Übersetzungsbewertung das Modell vorrangig gedacht ist. Indem jedoch eine Bewertungskategorie eingeführt wird, die sich gleich wieder selbst aushebelt, erweist sich das Ungenügen der zugrunde gelegten Kriterien. 42 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Die Rolle des Modell-Lesers In allen Analysephasen wird in Ammanns skoposorientiertem, funktionalistischem Ansatz der Instanz des Adressaten eine wichtige Rolle eingeräumt. Sowohl die intra- und intertextuellen Relationen als auch die Translatfunktion kann nur über den Adressatenbezug ermittelt werden. Den Adressaten beschreibt sie als denjenigen, „der aufgrund einer Lesestrategie zu einem bestimmten Textverständnis kommt.“ (Ebd., 225)5 Eine den Rezipienten-Blick in den Text projizierende Lektüre hilft dabei, alle Textmerkmale zu fokussieren, die eine bestimmte Lesart suggerieren oder ein bestimmtes Lektüremuster entwerfen. Amman gibt dafür das Beispiel an, dass ein Roman als spannende Unterhaltungsliteratur gelesen werden kann oder aber als Kenntnisquelle über das Leben in einer bestimmten Epoche (vgl. ebd., 223). Als Ausgangspunkt jeden translatorischen Handelns bestimmt Ammann (1990, 209) somit den Rezipienten: „Ohne Rezipient sind Funktion und intraund intertextuelle Relationen nicht feststellbar. Ein Text realisiert sich erst in der Rezeption.“ (ebd., 217) Um die Texterfassung beim Lektürevorgang genauer zu fokussieren, bedient sich Ammann des Konzeptes des sogenannten „Modell-Lesers“ von Eco (1985): „(E)inen Text hervorbringen, bedeutet, eine Strategie zu verfolgen, in der die vorhergesehenen Züge eines Anderen miteinbezogen werden“ (Eco 1987, ńŃf). Zu diesen „vorhergesehenen“ Zügen werden unter anderem das Vorwissen des Lesers, seine Lesestrategien, Vorlieben und an den Text herangetragenen Erwartungen gezählt. Der Modell-Leser ist somit jener Leser, der aufgrund einer Lesestrategie zu einem bestimmten Textverständnis kommt. Diese Betonung der Rolle des Lesers für die Textkonstitution tritt in Ammanns funktionalistischem Ansatz so deutlich wie in keinem anderen Modell der Übersetzungskritik in den Fokus der Überlegungen. Durch diese Einbeziehung rezeptionsästhetischer Erwägungen in die Übersetzungskritik werden nicht nur die Originale, sondern auch das Translat vor dem Hintergrund der historisch-sozialen Situation betrachtet, in der sie entstanden bzw. rezipiert werden. Wenn Ammann herausstellt, dass Rezeption (und Interpretation) von Literatur auch von den literarischen Traditionen einer Kultur bestimmt sind und „kulturspezifisch, diachronisch und synchronisch unterschiedlich sind“ (Ammann 1990, 224), so greift sie damit Anregungen aus dem polysystemischen Ansatz der Descriptive Translation Studies auf (vgl. ebd., 221). Rezeption wird damit als dynamischer Prozess veranschlagt: „Unterschiedliche Rezeptionsbedingun________________ 5 In Isers hermeneutischem Ansatz, wie er in Der Akt des Lesens (1976) entwickelt wurde, würden wir dementsprechend vom „impliziten Leser“ ausgehen. Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann 43 gen sind beim translatorischen Handeln – auch bei der Übersetzung literarischer Texte – mitzuberücksichtigen.“ (ebd., 220) Die starke Fokussierung auf den Zieltext und die textkonstitutive Rolle des „Modell-Lesers“ wirft allerdings die Frage auf, ob es auch unzulässige Interpretationen eines Ausgangstextes geben kann. Gerade im Einklang mit den Prämissen der Skopos-Theorie müsste davon ausgegangen werden, dass die Dominante jeglicher Übersetzung deren Zweck ist, und ist somit gezwungen, sämtliche der Übersetzung vorausgehenden Texterfassungsstrategien als gleichermaßen legitim anzusehen wären. Dem begegnet Ammann, indem sie die Textinterpretation konsequent an den Text rückbindet. Wie ein Text interpretiert wird, sei nicht frei wählbar, denn der Text gibt selbst immer gewisse Interpretationsmöglichkeiten vor und zweitens gibt es bestehende Traditionen der Interpretation (vgl. ebd., 224). Wenn der Leser also „‚konsequent‘ jene Merkmale beachtet, die es ihm erlauben, den Roman als spannende Unterhaltungsliteratur zu lesen, dann ergibt sich daraus ein Muster, oder, wenn man will, ein Modell.“ (ebd., 223) Der Translator muss mit diesen Interpretationsgrenzen arbeiten, er müsse sich auch überlegen, wie er mit den Leerstellen im Text umgeht. Ein Werk besteht ja nicht nur aus Wörtern, sondern auch aus einem Teil des „Nicht-Gesagten“ (Eco 1987, 62), des Verschwiegenen oder Implizierten, das erst vom Leser ergänzt werden muss. Zu diesem Zweck bedarf es bei einem Text – entschiedener als bei jeder anderen Nachricht – der aktiven und bewußt kooperativen Schritte des Lesers. Der Übersetzer muss sich also überlegen, welche Unbestimmtheitsstellen er offen lässt und wie wo er der „interpretativen Mitarbeit“ (Ammann 1990, 224) des Modell-Lesers nachhelfen will. Stolze (2003, 144) spricht von einer hermeneutischen Warte aus über das Phänomen, dass Translatoren dieses Implizite, gerne ausfüllen und das Implizite funktional explizitieren und damit die Bedeutungsfülle des Textes einschränken. Die Scenes-and-frames-Semantik Um das Text-Verständnis des Modell-Lesers interpersonell nachvollziehbar zu machen, greift Ammann auf den Scenes-and-Frames-Ansatz zurück, der ursprünglich von Charles J. Fillmore (1977) entwickelt wurde. Fillmore’s Konzept basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch die Bedeutung eines Wortes aus dem Gesamtzusammenhang einer Situation erfährt und erlernt. Von dieser Situation ausgehend, lernt er zu abstrahieren und die Wortbedeutung auf neue Situationen anzuwenden. Dazu führt er folgendes Beispiel an: 44 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK „A child might first associate the word pencil, for example, with the experience of himself sitting in a particular room with his mother drawing circles; later on he becomes able to identify and label isolable parts of such an experience.” (Fillmore 1977, 62) Der Frame, als linguistische Kodierung, wäre in diesem Beispiel also „pencil“, und die Scene jene Szene, die sich bei dem Kind aufbaut, wenn es das Wort hört. In der Definition von Fillmore umfasst die Bezeichnung scene „not only visual scenes but familiar kinds of interpersonal transactions, standard scenarios, familiar layouts, institutional structures, enactive experiences, body image; and, in general, any kind of coherent segment, large or small, of human beliefs, actions, experiences, of imaginings.“ (Fillmore 1977, 3) Frame bezieht sich auf „any system of linguistic choices (the easiest cases being collections of words, but also including choices of grammatical rules or grammatical categories – that can get associated with prototypical instances of scenes.“ (ebd., 63) Eine scene ist also eine Art „Bild von Welt“ im Kopf eines Rezipienten, das frame der bereitstehende Ausdruck dafür. Scenes und frames aktivieren einander gegenseitig und in unterschiedlicher Komplexität, eine bestimmte sprachliche Form ruft eine szenische Assoziation hervor, diese wiederum aktiviert andere Formen bzw. erweckt neue Assoziationen. Scenes und frames können sich also wechselseitig evozieren, d-h. ein frame kann eine bestimmte scene auslösen, ein mentales Bild dagegen kann mit einem bestimmten sprachlichen Ausdruck verbunden werden. Während die frames statisch sind, stellen die Scenes dynamische Szenen im Sinne eines (typischen) Ablaufs einer Kommunikationssituation dar. Die vom Sprecher aktualisierte sprachliche Auswahl aktiviert bestimmte Vorstellungen beim Rezipienten, im weiteren Verstehensverlauf fügen diese sich zu größeren Komplexen zusammen, wobei Leerstellen ausgefüllt werden, Perspektiven festgelegt werden, der Leser ist also in einem Interpretationsprozess aktiv und stützt sich dabei auf sein Weltwissen. Mithilfe der Kategorien scenes und frames können also gezielt Textwelten aufgebaut werden, wobei nicht die außertextliche Welt den Bezugsrahmen darstellt, sondern die imaginationssteuernde Potenzialität literarischer Texte im Zentrum steht. Fillmore‘s Konzept wurde von Mia Vannerem und Mary Snell-Hornby (1986, 182-198, 1988, 79ff) und weiter von Hans J. Vermeer/ Heidrun Witte Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann 45 (1990) und Vermeer (1992), Stolze (1992, 116-121), Hönig (1998), Kussmaul (2000, 114ff) aufgegriffen und für die Translationswissenschaft fruchtbar gemacht. Vermeer und Witte (1990, Ń1) verstehen unter „scenes“ „die sich im Kopf eines Menschen aufbauende (…) mehr oder minder komplexe Vorstellung aufgrund von Wahrnehmungen“, wohingegen „frame“ als „jegliches wahrnehmbares Phänomen (Vorkommen), das als informationshaltig aufgefasst wird“ (Vermeer / Witte 1990, ńń) aufgefasst wird. „Scenes“ und „frames“ werden dabei nicht nur auf der inhaltlichen Ebene, also textuell, sondern auch auf der formbetonten Ebene, also metatextuell aufgebaut (vgl. Ammann 1990, 226). Mithilfe der Scenes-and-Frames-Semantik kann der Vorgang des Übersetzens umfassend als kognitiver Vorgang erklärt werden. Beim Verstehen von Text A geht der Übersetzer von einem vorgegebenen frame aus, nämlich dem Text und seinen linguistischen Komponenten. Dieser Text nun wurde von einem Autor erstellt, der dabei von seinem eigenen Erfahrungshintergrund, seinem Repertoire an z.T. prototypischen Szenen ausging. Der Gesamt-frame des Textes (und alle größeren und kleineren frames innerhalb des Textes) lösen kognitive scenes in der Vorstellung des Lesers aus (Vannerem/ Snell-Hornby 1986, 189). Ob die vom Autor gewählten frames nun adäquat und verständlich für die Vermittlung seiner Intention sind, hängt nicht nur von der Sprachkompetenz des Lesers, sondern auch von der des Autors ab. Dem Übersetzer, der gleichzeitig auch Leser und Kommunikationsteilnehmer ist, kommt die Aufgabe zu, ausgehend von seinem eigenen Erfahrungshintergrund und den aus dem Text erfassten scenes die passenden Frames in der Zielsprache zu suchen, welche wiederum die gewünschten Szenen bei den Zieltextempfängern hervorrufen sollen (vgl. ebd., 190f). „Nach dem Scenes-and-frames-Ansatz ist die Übersetzung also ein schöpferischer Prozeß, der sich innerhalb eines Synthese-zentrums abspielt, dem Denken des Übersetzers.“ (ebd., 192) Die Scenes-and-Frames-Semantik findet in Ammanns Modell ihre Anwendung, wenn es um die Feststellung der intratextuellen Kohärenz des Translats sowie des Ausgangstexts und die intertextuelle Kohärenz zwischen Translat und Ausgangstext geht. Im Zieltext muss eine der szenischen Struktur der Vorlage entsprechende Stimmigkeit der erzeugten Vorstellungsbilder erzielt werden. Es wird ein Leser postuliert, der die einzelnen scenes aufbaut und sie nach der Lektüre des Buches in seinem Kopf zu einer Gesamtszene zusammenfügt. Die Übersetzungskritik ist somit ein Vergleich von zwei Lesestrategien, der des Translators und der des Zieltextrezipienten (vgl. Ammann 1990, 226). 46 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Für die Übersetzungskritik bietet die Scenes-and-frames-Semantik insofern Anhaltspunkte, weil frames im Zielbereich auch divergierende scenes evozieren können (diese entsprechen dann den sog. „falschen Freunden“ im Bereich der Semantik) (vgl. Vermeer/ Witte 1990, 71; Vermeer 1992). Es besteht die Gefahr, dass beim Übersetzer, als Nicht-Muttersprachler, nicht dieselben Vorstellungen aktiviert werden wie vielleicht bei einem Muttersprachler, denn die von einem frame aktivierten scenes hängen eng mit der Soziokultur des betreffenden Sprachbenutzers zusammen (vgl. Vannerem/Snell-Hornby 1986, 190). Da der Übersetzer gleichzeitig auch Rezipient ist, kann es außerdem zu einer zu subjektiven Textinterpretation kommen. Dem kann nur durch ständige Rücksprache mit dem Text vorgebeugt werden, d.h. die scenes dürfen sich nicht verselbständigen. Als wichtiger Faktor muss in die Evaluation ergänzend der Scopos aufgenommen werden, der mitbestimmend ist für die richtige Wahl der sprachlichen Rahmen und der damit evozierten Bilder (vgl. Snell-Hornby 1994): soll etwa in der Übersetzung eher die ausgangskulturelle Vorstellung dem Zieltext-Rezipienten nahe gebracht werden, oder durch eine zielkulturelle scene ersetzt werden? Vom Übersetzer müsste also erwartet werden, ob er in der Lage ist, entsprechend dem Übersetzungsauftrag die frames auszuwählen. Während Ammann vor allem die kohärenzbildende Dimension der Scenes-and-frames-Semantik herausstellt, heben andere Forscher das imaginationsbildende Potenzial der evozierten Szenen hervor. So machen Vannerem/ Snell-Hornby (198ń) den Ansatz fruchtbar, um „kreative Vorgänge der zielsprachlichen Neugestaltung“ zu erklären (ebd., 184; ähnlich Kußmaul 1994, 1995). Stolze betont die Unterspezifiziertheit (Stolze 2015, 184) der evozierten Szenen, die Leerstellen ausbilden, welche im Translat nicht aufgefüllt werden müssen, indem beispielsweise die Situation in allen Einzelheiten ausbuchstabiert wird. Verlangt wird vom Übersetzer also ein sorgfältiges Abwägen des Grades der Expliziertheit des Translats, um das imaginative, „szenische“ Potenzial des Textes nicht zu schmälern. Abschließend kann festgestellt werden, dass Ammanns übersetzungskritisches Modell wohl die meisten Ansatzpunkte für die Bewertung der Übersetzung literarischer Texte bietet. Einer weiteren Präzisierung bedarf allerdings das Kriterium der Stimmigkeit, das nicht auf jedes ästhetische Werkkonzept anwendbar ist. Zudem muss sich das Modell den kritischen Fragen stellen, die immer wieder bezüglich der Applizierbarkeit der Skopos-Theorie auf literarische Übersetzungen gestellt werden. Von den Kritikern wird besonders eingewendet, dass nicht jede Handlung eine bestimmte Intention habe und insbesondere literarisches Überset- Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann 47 zen völlig zweckfrei sei (vgl. Nord 1997, 109ff), Vermeer (1996, 17) dagegen erklärt, dass diese Kritik für „intentional“ im Sinne von „consciously doing some-thing“ zuträfe, im Sinne von „goal-oriented“, also zweckgerichtet, aber nicht. Sicherlich ist – auf einer textontologischen Ebene abgehandelt – der literarische Text ein Eigenwert und keinem Zweck untergeordnet, als kommunikatives Faktum richtet sich jeder Text jedoch an mehr oder weniger explizit gemachte Adressaten (ganz abgesehen von den Verlagsinteressen, die sehr wohl den Texten eine gewisse Funktionalität zuschreiben). Sowohl Nord als auch Vermeer betonen, dass dies nicht möglich sei; jeder Textproduzent, Autor oder Translator hätte „a vague or fuzzy notion of whom they are addressing or at least a rather clear notion of whom they are not addressing” (Nord 1997, 111). Vermeer drückt es folgendermaßen aus: „Es gibt keine Textproduktion-zur-Verwendung ohne bewußte oder unbewußte Vorstellung von potentiellen Lesern. Auch der Romanautor stellt sich Leute seines Schlages vor, der Groschenromanautor eben – auftragsgemäß – das Lieschen Müller des gängigen Clichés. Aber das ist dann eben eine Vorstellung; der Rezipient existiert in der Erwartung und Einschätzung des Produzenten.“ (Vermeer 1986. 43) Andererseits öffnen funktionalistisch ausgerichtete Modelle die Augen dafür, dass es weder ein allgemeingültiges Übersetzungsideal noch die ideale Übersetzung eines bestimmten Textes geben kann. Dazu vermerkt Coseriu (1994, 47): „Ein allgemeingültiges Übersetzungsideal ist eine contradictio in adiecto, denn eine allgemeingültige optimale Invarianz für das Übersetzen kann es ebensowenig geben, wie es ein allgemeingültiges Optimum für das Sprechen überhaupt gibt. (…) Auch die ‘beste Übersetzung’ schlechthin für einen bestimmten Text gibt es aus demselben Grund nicht: Es gibt nur die beste Übersetzung dieses Textes für bestimmte Adressaten, zu einem bestimmten Zweck und in einer bestimmten geschichtlichen Situation”. (Hervorhebungen im Original, B.S.) Die funktionale Äquivalenz einer Übersetzung ist nicht ein für alle Male gegeben, sondern muss innerhalb eines variablen Feldes von Faktoren immer wieder neu ausgehandelt werden. Besonders ergiebig sind funktionalistische Ansätze daher im Falle von Neuübersetzungen, da man hierbei zum einen den neu formulierten skopos und zum anderen eine Auseinandersetzung mit früheren Übersetzungen berücksichtigen muss. Kritisch angemerkt wurde zu funktionalen Translationstheorien immer wieder die Überbetonung funktionsvarianter Übersetzungsaufträge. Albrecht (1998, 2Ń9) stellt die Anwendbarkeit der Skopostheorie, insbesondere für 48 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK literarische Übersetzungen, aus diesem Grund in Frage: „Man hat bei der Lektüre skopostheoretischer Arbeiten den Eindruck, als werde Funktionskonstanz zwischen Ausgangs- und Zieltext eher als Ausnahme denn als Regel gesehen. Damit läßt sich meines Erachtens eine Übersetzung nicht mehr von einer Bearbeitung unterscheiden.“ Nord (1997, 120) erwidert, dass Funktionskonstanz zwischen dem Ausgangtext und Zieltext nicht immer erforderlich bzw. erwünscht sei. Die „Charakteristika des Originals“ sind auch bei einer Übersetzung mit Funktionswechsel vorhanden, wenn auch nur als „simulierendes Informationsangebot“ (Reiß/ Vermeer 1991, 80). Schwerwiegender erscheint der Vorwurf der Beliebigkeit, der häufig mit einer Überbetonung der Translatfunktion einhergeht. So schreibt Prunč (2003 178): „Aus dem Prinzip der freien Definierbarkeit des Skopos ergibt sich die logische Notwendigkeit, grundsätzlich die Herstellung jeder beliebigen Beziehung zwischen AT und ZT zuzulassen und das Produkt einer solchen Transformationshandlung als Translat zu bezeichnen.“ Am gravierendsten scheint mir folgender Problempunkt zu sein: Bei einem funktionsorientierten Vergleich von Ausgangstext und Zieltext wird außer Acht gelassen, dass in Ausgangs- und Zielsprache die jeweilige Translatfunktion u.U. mit unterschiedlichen sprachlichen Mitteln realisiert wird und die im AS-Text ermittelten Besonderheiten nicht umstandslos im ZS-Text reproduziert werden können. Der eigentliche neuralgische Punkt beim Übersetzen wird somit in der vergleichenden Textanalyse ausgeblendet. Besonders problematisch ist wie bei allen funktionalistisch ausgerichteten Modellen der Begriff der Translatfunktion selbst, der gewiss im Hinblick auf Gebrauchstexte ergiebig sein kann, in Bezug auf literarische Texte jedoch immer ein wenig vage bleiben muss. Dies erweist sich in Ammanns Modell, wenn sie beispielsweise die Funktion eines Textes als „literarischer Text“ angibt (vgl. Ammann 1990, 244). Wenn der „Funktionalität“ einer Übersetzung bereits Genüge getan ist, wenn aus einer literarischen Vorlage in der Übersetzung wiederum einen literarischen Text entstehen zu lassen, so stellt dieses Kriterium keine ausreichenden Parameter für eine graduierbare Evaluierung von Übersetzungsleistungen bereit. Einer solchen Aufweichung des Skopos-Begriffs kann durch die Etablierung einer Skopostypologie entegegengewirkt werden, wie sie etwa von Prunč (1997) vorgeschlagen wird. Ergiebiger und der Spezifik literarischer Texte angemessener scheinen die in das Modell integrierten rezeptionstheoretischen Erwägungen: Ausgehend von Reiß/ Vermeer (1984) werden Texte von Ammann als Informationsangebote begriffen, deren Textsinn erst situativ, d.h. in der (übersetzerischen) Rezeption realisiert wird. Nicht der übergeordnete Skopos, sondern Der funktionale Ansatz von Margaret Ammann 49 die rezeptionssteuernden Merkmale des Textes rücken so in den Fokus. Damit wird Übersetzungskritk zum einen am Text überprüfbar, und zum anderen tritt der kommunikative Aspekt übersetzerischen Handelns in den Vordergrund, der sich an den Verstehensprozessen des Rezipienten ausrichtet. Die he e eutis he A sätze – Radegundis Stolze Die Verstehensprozesse des Lesers stehen im Zentrum der hermeneutischen Ansätze, die das Verstehen als Grundvoraussetzung des Übersetzens begreifen: „Grundlage des Übersetzens ist das Verstehen“, schreibt Stolze (1986, 134), und bereits für Klöpfer (19ń7, ń0) ist „Übersetzen nicht vom Verstehen zu trennen.“ Verstehen wird im Sinne der modernen Hermeneutik als Prozess konzeptualisiert, in dem sich die Wahrheit eines Textes dem informierten, aber unvoreingenommenen Leser erschließt, und impliziert damit eine Haltung der Offenheit. Vor allem der Übersetzer wird also im hermeneutischen Modell zu einem verstehenden Leser des Ausgangstextes Daher wird von Paepcke (1986b, 106) die Forderung erhoben, der Übersetzer und sein je spezifisches Textverstehen müssten im Mittelpunkt der Übersetzungstheorie stehen. Für Stolze (2008, 206) bedeutet Translation: „Eine übersetzende Person ist konfrontiert mit einem schriftlichen Text in einer Sprache, den sie zunächst verstehen muss, um ihn dann in einer anderen Sprache möglichst vollständig wieder zu präsentieren. So ist Translation ein kognitiver Vorgang, bei dem eine Textmitteilung zu einer mentalen Repräsentation führt, welche dann in zielsprachliche Sprachform übergeht.“ Das adäquate Verstehen eines Textes resultiert in einer kognitiven Repräsentation einer Mitteilung im Translator. Deren Ausformulieren im Zieltext geschieht durch ein emphatisches Identifizieren mit dem Text, um dann so zu formulieren, als ob es sein eigener Text wäre. Aufgabe der Übersetzung ist es damit, den Geist des Textes zu verstehen, den Rhythmus zu erkennen, die Melodie zu erspüren und in der eigenen Sprache wiederzugeben. Das „Einfühlungsvermögen ist die unhintergehbare Voraussetzung des Verstehens.“ (Kohlmayer/ Pöckl 2004, 23) Aufgrund der beim Überset- Die he e eutis he A sätze – Radegundis Stolze 51 zen aktivierten Intuition wird die Übersetzung zur Kunst. So sehen bereits Friedrich und Schadewaldt in der literarischen Übersetzung ein Zusammenspiel von Kunst und Hermeneutik (vgl. Schadewaldt 1966/67, 851). Bei Friedrich gewinnt die Literaturübersetzung den Status einer literarischen Gattung und heißt nun Übersetzungskunst (vgl. Friedrich 19ńŃ, Ń). Der hermeneutische Prozess des Verstehens soll im Übersetzen eine Sprache finden, „die im Ringen mit dem Sprachdämon des Originals und nach dessen Maßgabe im deutschen Wortlaut neu errichtet wird.“ (Schadewaldt 19ń3, ń09). Es liegt auf der Hand, dass ein so verstandener subjektzentrierter Übersetzungsbegriff den Subjektivitätsfaktor nicht ausklammern kann. Entscheidend für das Verstehen ist der jeweilige Horizont, aus dem ein Phänomen betrachtet wird. Da dieser veränderlich und variabel ist (Stolze beschreibt diesen Sachverhalt als Multiperspektivität), ist, kann auch Verstehen als Prozess nie abgeschlossen sein. Schon für Paepcke (198ńb, 109) ist Übersetzen ein „formal … unabgeschlossener Prozess“, und Friedrich (19ńŃ, 10) schreibt von einem „tastend approximative(n) Übersetzen“. Unterschiedliche individuelle Deutungen oder Auslegungen eines Textes sind ja möglich, weil zu unterschiedlichen Zeiten jeweils andere Sinnbezüge ins Licht treten, die später übersehen oder nicht mehr verstanden werden. Jeder Leseakt ist eine der möglichen Konkretisierungen, deren Gesamtzahl unbegrenzt ist, und die immer wieder neue kaleidoskop-artige Schüttungen von Sinn, Abschattungen (Husserl) der Bedeutung eines Textes hervorbringen. Für Klöpfer ist das Übersetzen demgemäß eine „Weiterführung des Erkentnisprozesses und des ins Offene führenden Deutungsversuchs von Dichtung“ (vgl. Salevsky 2002, 400). Für den Übersetzer kommt es nun darauf an, den eigenen subjektiven Horizont aufzubrechen und lernend in fremde Horizonte, z.B. andere Kulturen einzutreten. Dies geschieht im Erweitern der Grenzen des eigenen Wissens (vgl. Stolze 2016). Indem durch Kenntnisgewinn der eigene Horizont aufgebaut ist, ist Verstehen als „Horizontverschmelzung“ (Gadamer 19ń0, 289) als Verschmelzung des Lesenden mit dem Text möglich. Dem im Verstehen aktiven Leser tritt der Text mit seinem unerschöpflichen, „überschüssigen Bedeutungspotential“ (Stolze 2003, 1ń1) entgegen. Indem die hermeneutische Sicht auf den Text darauf abhebt, das bereits Bekannte durch das Neue aus dem Text verstandene zu potenzieren, setzt sie sich von der kognitivistischen Übersetzungswissenschaft ab, wo der Verstehensprozess darauf abzielt, „Unbekanntes auf Bekanntes zu reduzieren“ (Wills 1988, 113). Im hermeneutischen Zirkel miteinander verbunden, entfaltet der Text seine Bedeutungsvielfalt in dem Maße, wie der Leser sein Verständnis vom im Text dargebotenen steigert. Aufgabe der Übersetzungskritik ist es, die 52 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK individuelle Weise nachzuvollziehen, in der sich der Übersetzer den fremden Text aneignet (vgl. Stolze 2001, 276f). Auch die hermeneutischen Ansätze der Übersetzungskritik überschreiten damit die Bindung an Äquivalenznormen. Die Forderung nach Äquivalenz wird abgelöst durch die Kategorie der Stimmigkeit (vgl. Stolze 1992, 72; Stolze 2001, 247) von Ausgangstext und Translat. Damit wird der Blick des Kritikers fortgelenkt von den einzelnen Textstellen, in deren direktem Vergleich das Verhältnis der Stimmigkeit nur bedingt nachweisbar ist. Vielmehr rückt die Wirklichkeit hinter den Texten in den Fokus, die aufgrund der divergenten kulturellen Normerwartungen und sprachlichen Asymmetrien jeweils unterschiedlich gestaltet werden muss. Entscheidend ist die Wirkung des Textganzen, und die Kritik kann sich nur darauf beziehen, ob sie trotz der Asymmetrie einzelner Textstrukturen in Vorlage und Translat erzielt wurde (Stolze 2001, 247). Auch eine Hierarchisierung der Übersetzerentscheidungen wird damit hinfällig, denn der Blick aufs Ganze, in dem die einzelnen Textelemente verknüpft sind und von dem her sie gedacht werden müssen, erlaubt eine Unterteilung in wichtige und weniger wichtige Aspekte nicht. Hermeneutisches Denken impliziert somit einen holistischen Blick auf den Text. Problematisch sind die etwas vage gefassten Kategorien der Stimmigkeit und der Wirkung (vgl. House 1998, 197). Deshalb betont Stolze die Wichtigkeit der Rückbindung von Textverstehen an die textlinguistische Basis. Übersetzen erfordere „die Fähigkeit zu raschem, ganzheitlich-synthetischem, überblicksartigem Erfassen von Zusammenhängen und Situationen, dessen Ergebnisse jederzeit auf ihre Genauigkeit und Adäquatheit hin überprüft und geändert werden können“ (Stolze 1992, 27). Das originär intuitive Verstehen müsse stets wieder an den Text rückgekoppelt werden, um Texttreue in der Übersetzung zu gewährleisten und sollte daher in Analyse und Bewertung als wichtiger Faktor in Rechnung gestellt werden. Das Verstehen eines Textes als Vorbereiten für das Übersetzen wird in vier Aspekte gegliedert, die sie als die „translatorischen Kategorien des Verstehens“ (Stolze 2003a, 7Ńf) festlegt: – Kontext (Land, Kulturgemeinschaft, zeitliche Einordnung, Hrsg., Autor, Vermittlungsart, Genre, Historie, Quelle, Medientechnik) – Diskursfeld (Diakultur) (Textsorte, gesellschaftlicher Ort, Intention des Autors, Milieu, Ideologie, Domänenspezifik, Kommunikationsrelation) Die he e eutis he A sätze – Radegundis Stolze 53 – Begrifflichkeit (Semantik) (Überschriften, Wortnetze, Schlüsselwörter, kulturspezifische Assoziationen, Metaphorik, thematische Längsachsen, Wiederholungen, Realienbezeichnungen, Namen, Terminologie, Begriffsbildung) – Aussagemodus (Stil) (Sprecherperspektive, Satzsubjekte, Verbzeiten, Fokussierung, Sprachregister, Deixis, Idiolekt, Ironie, Intertextualität, Zitate Reimgestalt, Sprachrhythmus, Lautmalereien, Satzkonstruktion, Sprechakte, Formeln, Textbausteine, Passiv, Verweis auf Abbildungen, Fußnoten) Der wichtigste Ertrag der hermeneutischen Ansätze der Übersetzungskritik scheint in ihren Grundvoraussetzungen zu liegen, dass vor allem literarische Texte vielfältig interpretierbar sind und eine dynamische Einheit bilden, die nur subjektiv und nicht über ein Regelwerk zu erfassen ist. So schreibt Paepcke (198ń, Ńń) vom Übersetzen als einem „Interpretationsvorgang zwischen zwei Sprachen“. Schon Gadamer (1963, 342) schreibt über die Unhintergehbarkeit der Interpretation im Übersetzungsprozess: „Vorverständnis, Sinnerwartung und damit allerhand Umstände, die nicht im Text als solchem liegen, spielen ihre Rolle für die Auffassung des Textes. Das wird vollends deutlich, wenn es sich um die Übersetzung aus fremden Sprachen handelt. (…) Da ist die Beherrschung der fremden Sprache bloße Vorbedingung. (…) Jede Übersetzung, selbst die sogenannte wörtliche Wiedergabe, ist eine Art der Interpretation.“ Dieses dynamische, interpretative Zeichenverständnis will Stolze (1982, 103) durch linguistische Textanalyse mit hermeneutischem Verstehen vermitteln: „Durch den Verzicht auf einen statischen Zeichenbegriff zugunsten eines dynamischen ist es dennoch möglich, die oft betonte Unvereinbarkeit zwischen linguistischer Textanalyse und hermeneutischem Verstehen in dialektischen Sinnbezügen wenn nicht aufzugeben, so doch zu lockern. Die Textanalyse besteht dann in der nachträglichen kontrollierenden Rechtfertigung des bereits Verstandenen, und insofern ist sie keinesweg willkürlich und kann keineswegs zu beliebigen Ergebnissen gelangen.“ Mit der Kategorie der „Übersummativität“ literarischer Texte geht Stolze aber über die Grenzen der Textlinguistik hinaus: Der Bedeutungsüberschuss eines Textes erklärt sich daraus, dass das Ganze immer mehr ist als 54 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK die Summe seiner Teile. Mit Schleiermachers „Zirkel des Verstehens“ wird Verstehen modelliert als: „die Einheit des Ganzes aus den einzelnen Teilen und den Wert der einzelnen Teile aus der Einheit des Ganzen verstehen“ (Schleiermacher 1938, 187). Die Kategorie der Übersummativität wird in Wolfgang Isers (2013) Emergenz-Konzept noch einmal virulent. Das von Iser an Texten der klassischen Moderne beobachtete Umspringen der Einzelelemente in ein qualitativ neues Ganzes kann gewinnbringend für die Übersetzungskritik fruchtbar gemacht werden (vgl. Sommerfeld 2016). Grundsätzlich bedenklich an hermeneutischen Ansätzen ist die Vernachlässigung der Zieltextproduktion, bleibt doch das Textverstehen der einzige Gradmesser für die Qualität der Übersetzung (Siever 2010, 123). Auf den Punkt gebracht wird dies bereits von Paepcke (198ń, 92): „Das Verstehen des Textes ist das oberste Kriterium für das Übersetzen und die Bewertung einer Übersetzung. (…).“ Für Stolze wird die Produktion des Zieltextes nicht als Konstruktionsprozess konzeptualisiert, sondern als „allmähliche(s) Finden von Formulierungen“ (201Ń, 134) Aufgrund des grundsätzlich solipsistischen Standpunkts sind hermeneutische Methoden nur schwer objektivierbar und operationalisierbar und in übersetzungskritische Überlegungen zu überführen. Trotzdem ist hermeneutisches Denken in übersetzungskritische Ansätze eingeflossen, wie die folgenden Kapitel erweisen werden. Kog iti e Zugä ge Um das Übersetzen als Verstehensprozess in den Blick zu nehmen, ist es nötig, sich in angrenzende Disziplinen wie Psychologie, Neurowissenschaft oder Kognitionswissenschaft zu begeben. Hilfreich ist die kognitive Psychologie, in der „die menschliche Kognition als ein System mentaler Strukturen und Prozesse angesehen und im Rahmen von Modellen beschrieben (wird), welche die Komplexität mentaler Aktivitäten berücksichtigt“ (Schwarz 1992, 12) oder auch wahrnehmungstheoretische Ansätze wie der von Risku (1998, 111-138). Einen Überblick über die Herausbildung der kognitionswissenschaftlichen Paradigmen und ihren Einfluss auf die Translationwissenschaft, die von der Informationsverarbeitung über den Konnektionismus bis zur sog. situativen Kognition reichen, gibt Risku (1998). Aus einer solchen interdisziplinären Perspektive wird ersichtlich, dass der Leser bzw. Übersetzer eine aktive Instanz ist, die textgeleitete Verarbeitungsschritte vollzieht. So leitet sich für die Kognitionspsychologie Verstehen aus dem Ineinandergreifen von Prozessen Top-down-Prozessen und Bottom-up- ab, wobei letztere sich auf die Verarbeitung der vom Text gelieferten Informationen beziehen und erstere Verstehensmechanismen beschreiben, in denen der Leser sein verinnerlichtes, im Gedächtnis gespeichertes Wissen aktiviert und an den Text heranträgt (vgl. Hörmann 1980, 25-28). Damit wird Verstehen zu einem „schöpferischen, konstruktiven Vorgang“ (ebd., 2ń).6 Hörmann (1981) erhellt den Vorgang des Verstehens, indem er Hypothesenbildungen, Plausibilitätsprüfungen im Verlauf der Textrezeption sowie Inferenzieren, d.h. das Schließen von bereits Bekanntem auf Unbekanntes ins Spiel bringt. Damit ist die Abkehr von der Vorstellung verbunden, Verstehen sei ein linear ablaufender, stringenter Prozess, der vom Text gesteuert wird, vielmehr tritt es als zirkelförmiger Vorgang hervor, der ________________ 6 Ähnlich nimmt Coseriu (1994, 37f) an, dass Textverstehen durch das Korrelieren von sprachlichem Gehalt und nichtsprachliches Wissen zustande kommt. 56 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK mit dem Zugriff auf die eigenen Bewusstseinsgehalte verbunden ist (vgl. Reinart 2014, 137f). Diese Erkenntnisse sind auf die Translationsforschung übertragen worden. So schreibt Kautz (2000, ń3), „dass jeder Schritt vorwärts gleichzeitig mit einem Blick zurück verbunden wird, dass jede neue Erkenntnis im Laufe des Analyse- und Verstehensprozesses gleichzeitig auch zurückwirkt auf vorherige Erkenntnisse, die dadurch bestätigt oder aber korrigiert werden“. Um die gewonnenen Erkenntnisse jedoch für die Analyse der Verstehensprozesse in konkreten Einzeltexten (und damit für die Übersetzungskritik) operationalisierbar zu machen, ist das Wissen über Verstehensprozesse jedoch bislang noch zu rudimentär. Zudem laufen neben den kognitiv gesteuerten auch unbewusste, assoziative Prozesse ab, die nur schwer zugänglich sind, gerade aber bei literarischen Texten besonders wichtig sind. Die Versuche, die dem Übersetzungsprozess zugrunde liegenden mentalen Zustände und Prozesse ans Licht zu bringen (z.B. Lörscher 1991), erhellen zwar die Mechanismen, die bei übersetzerischen Entscheidungsprozessen zum Tragen kommen, eine umfassende Theorie der Bewusstseinsinhalte steht aber noch aus (vgl. Wills 1988). Daher wäre es verfehlt, die Translationswissenschaft auf eine bestimmte Kognitionstheorie zu verpflichten, dazu sind die Möglichkeiten einer Integrierung von Sprachwissenschaft, Kommunikationstheorie und Psychologie noch zu wenig erschlossen. So ist es natürlich reizvoll, nach Anschlüssen zwischen Kreativitätsforschung (Kandel 2012) und Übersetzungswissenschaft zu suchen, da damit jedoch die bei der Übersetzung ablaufenden Prozesse nur zum Teil abgedeckt werden können, wird dies wohl noch eine Weile Zukunftsmusik bleiben müssen. Am weitesten gediehen ist bei den Einblicken in die black box des Übersetzers das Scenes-and-frames-Konzept, dass zudem den pragmatischkommunikativen Aspekt von Verstehensprozessen berücksichtigt. So weist Kußmaul (2007, 33) darauf hin, dass das Textverstehen für den Übersetzer „nie so unverbindlich bleiben (kann), wie dies bei einem normalen Leser (oder Hörer) möglich ist“, da der Rezeptionsvorgang immer mit Hinblick auf den Leser der Übersetzung verläuft, und Präsuppositionen vorgenommen werden müssen, d.h. eventuelle Reaktionsweise der Adressaten vorauszukalkulieren sind. Die daraus ableitbaren Forderungen an den Übersetzer sind also mehrere: – ein möglichst genaues und umfassendes Verständnis des Textes, – eine pragmatische Treffsicherheit in Bezug auf Adressatenwissen und – reaktion, – und schließlich eine Reformulierungsarbeit, die dasselbe Verständnis beim Rezipienten sicherstellt. Kog iti e Zugä ge 57 Der Gewinn kognitiver Zugänge ist eine Sensibilisierung für die nichtsprachlichen Faktoren beim Verständnis eines Textes sowie dafür, dass das Übersetzen keinen rein sprachlichen Vorgang darstellt, sondern dem Aktivieren von Wissen und Erfahrungen und der Konstruktion von Konzepten verbunden ist. Diese Einsichten sind in der kognitiven Grammatik von Fouconnier (1994) sowie der Theorie der Re-Konzeptualisierung von Langacker (2008) verarbeitet worden. Fouconnier geht von der Grundannahme aus, dass die Interaktion zwischen Sprache und Wirklichkeit nicht unmittelbar abläuft, sondern durch die Konstruktion mentaler Räume, die wiederum in Prozessen begrifflicher Integrierung zum Tragen kommen. Die Übersetzung kann ebenfalls als ein sich aus mehreren Zyklen von Re-Konzeptualisierungen der Originalbotschaft bestehender Prozess aufgefasst werden, im Zuge deren das im Geist des Übersetzers konstruierte mentale Bild in die Zielsprache übertragen wird, wobei bei jeder Re-Konzeptualisierung die Elemente von Ausgangs- und Zielsprache miteinander und mit den Bewusstseinsinhalten der Sprachnutzer integriert werden. Mit der Hinwendung zu kognitiven Ansätzen ist nicht nur ein Schwenk von der produktorientierten hin zur prozessorientierten Übersetzungsforschung vollzogen (Siever 2010, 173), mit der „Übersetzen als komplexer mentaler Prozess erkannt (wird), in dem der Translator sich verstehend einen AT zu eigen macht“ (Kupsch-Losereit 1999, 158), sondern auch das Konstruktivitätsprinzip angenommen, wonach Textverstehen eine konstruktive Leistung ist, die als kreatives Erstellen von Sinn auf der Basis der kongitiven Verarbeitung der materialen Textgestalt durch den jeweiligen Rezipienten zu begreifen ist. Damit ergeben sich für die Übersetzungskritik, zweierlei Probleme. Zum einen ist, wenn Textverstehen ein rezipientenabhängiger Prozess ist, der über individuelle Sinnkonstruktionen zu einem subjektiven Textverständnis führt, die Überprüfung der Angemessenheit des individuellen Textverständnisses anhand objektiver Kriterien nicht mehr möglich. Die Schwierigkeiten in der Operationalisierbarkeit sind somit ähnlich gelagert wie im Falle hermeneutischer Ansätze. Zum anderen hängt der Übersetzungsprozess, besonders wenn man sich kognitionspsychologische Grundannahmen zu eigen macht, von einer Vielzahl von Faktoren ab, die für die jeweilige Kommunikationssituation wesentlich sind, neben der sprachlichen Ebene gehören zu ihnen das Wissen des Übersetzers, sein psychischer und emotionaler Zustand, seine persönlichen Präferenzen, Intentionen u.s.w. Daraus folgt wiederum, dass Erkenntnisse und Erfahrungen innerhalb eines und desselben sprachlichen Kodes auf unterschiedliche Art und Weise verbalisiert werden können, wobei 58 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK je nach situativem Kontext auch subjektive Entscheidungen des Übersetzers zum Tragen kommen, die sich aber kaum systematisieren lassen. Noch problematischer ist es, „einen Zusammenhang von Textverstehen und übersetzerischen Entscheidungen“ (Kupsch-Losereit 1996, 217) zu unterstellen, wie es die kognitionsorientierten Ansätze tun. Dem begegnet Wills (1988), indem er ein „Informationsverarbeitungsmodell“ (ebd., 42) entwirft und den Übersetzungsvorgang als wissensbasierten Textverarbeitungsprozess (Wills 2005) konzeptualisert. Die solcherart eröffneten Einblicke in die beim Übersetzen zum Tragen kommenden Mechanismen haben allerdings deskriptiven Wert und sind wie alle prozessorientierten Ansätze nur schwer für übersetzungskritische Modellbildung fruchtbar zu machen. Der Ansatz von Sigrid Kupsch-Losereit Dem Zusammenhang von Textverstehen und übersetzerischen Entscheidungen gilt das Hauptinteresse von Kupsch-Losereit (1996, 217). Sie steht insofern den hermeneutischen Ansätzen nahe, die sie im Laufe der Zeit um Erkenntnisse der Kognitionswissenschaft erweitert und in eine funktionalistische Theorie integriert. Verstehen ist für Kupsch-Losereit (1993, 205) aber nicht das Dekodieren einer „semantischen Struktur“, sondern ein „Prozess der Sinnkonstruktion“. Wenn Übersetzen als Sinngebungsprozess konzeptualisiert wird, so wird damit die hermeneutische Vorstellung verabschiedet, nach der der AT ein „statischer, finiter und sinnkonsistenter Text“ ist (Kupsch-Losereit 1996, 226) und die hermeneutische Frage nach dem Textverstehen als einem Auffinden oder Auslegen von Sinn durch die kognitivistische Frage nach der Konstruktion von Sinn als Ergebnis von kognitiven Interpretationsprozessen abgelöst. Der Übersetzer ist damit gehalten, „eine Sinnkonstruktion zu leisten, die er im ZT geformt, renoviert und transformiert weiterträgt.“ (ebd., 222). Der Übersetzer „reproduziert, rekonstruiert und modifiziert in kognitiven Verarbeitungsprozessen den AT, bevor er den ZT imaginiert und formuliert“ (ebd., 227). Mit diesem zweiphasigen Prozess, bei dem „Sinnkonstruktion in der Verstehensphase und Sinngebung in der Übersetzungsphase“ untrennbar verbunden sind (Kupsch-Losereit 1993, 215), avanciert der Übersetzungsprozess zu einer kreativen, strategischen Leistung eines Translators (Kupsch-Losereit 1999, 158), ist somit nicht mehr – wie in der Hermeneutik üblich – als eine textgeleitete, sondern eine schemageleitete Operation aufzufassen (ebd., 169). Zu der kognitivistischen kommt die funktionalistische Perspektive – Kupsch-Losereit (199ń, 217) begreift Übersetzen als Sprachhandeln, das dazu dient, die „Verständigung zu ermöglichen zwischen Menschen mit verschiedener Sprache und Kultur“, wobei Kommunkation als intentionale, 60 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK situationsbedingte, intra- bzw. interlinguale und intra- bzw. interkulturelle Interaktion (ebd., 79) sehr weit gefasst wird. Mit der Konzeptualisierung des Übersetzungsvorgangs als hochkomplexe kommunikative Interaktion rücken auch die interagierenden Partner verstärkt in den Fokus: „Die kommunikative Interaktion wird noch komplexer, wenn man den sozialen Aspekt der Partner berücksichtigt: ihre Kompetenz, Sozialisation, emotionale Regungen, Interessen, ihr status- und rollenspezifisches Verhalten etc., die je nach Gesellschaft und Kulturraum stärker oder schwächer bei der sprachlichen Formulierung miterfasst werden. Die verstehende Anerkennung der anderen/fremden Identität ist der Schlüssel zu Verständigungsprozessen ganz allgemein, da sie erst die geteilten Situations-, Handlungs- und Sprachmuster ermöglicht.“ (KupschLosereit 1991, 78) Kupsch-Losereit entwickelt die differenzierteste Aufstellung der Dispositionen der Kommunikationspartner, die auf die angewandte Übersetzungswissenschaft im Bereich der Übersetzungskritik zu beziehen sind: – Die Kommunikationspartner: Sender/Empfänger bzw. Sprecher/Hörer – Deren Beziehung als Interaktionspartner untereinander: bekannt, anonym, Status (Laien, Experten, Kinder), Rollenverständnis etc. – Soziale Eingebundenheit: Status, Rolle, Bildung etc. – Historische und gesellschaftliche Bedürfnisse, Wertungen, erworbene Praktiken, handlungsrelevante Unweltinterpretation und –orientierung etc. – Abhängigkeiten und Praktiken sprachlicher und nichtsprachlicher Kommunikation, z.B. gleichrangige Sprachvarianten, Registerverwendung etc. – Kulturspezifisches Vorverstehen und eingeschätztes kulturelles Hintergrundwissen etc. – Antizipierende Erwartungen und Einschätzungen, Rezeptionsgewohnheiten etc. – Annahmen über Wissen, Erfahrung, Erleben des Adressaten – Aktuelle Disposition etc. – Kommunikationssituation – Nichtverbaler Handlungsrahmen, aktuelle Umstände, Ort und Zeit der Textabfassung – Gemeinsamer Wahrnehmungsraum – Angenommenes gemeinsames Bezugssystem von Erfahrungen Der Ansatz von Sigrid Kupsch-Losereit 61 – Voraussetzungssituation: historische und geographische Sachverhalte – Soziokultureller Bezugsrahmen, wozu v.a. gehören: Gebrauchsnormen, Wertesysteme, Konventionen Traditionen, regelgeleitetes alltägliches und ritualisiertes Verhalten, Institutionen etc. – Intention und Wirkungsabsicht – Die Mitteilungsabsicht trifft Entscheidungen über Diskurstypen (literarisch/wissenschaftlich etc.), Redetypen (narrative/expositorische etc.), welche die Texterzeugung direkt beeinflussen – Zielvorstellungen und Wirkungsabsicht, deren Realisierung in der thematischen Tiefenstruktur, z.B. in Illokutionen, erfolgt (vgl. ebd., 80f). Geht man von diesen Prämissen aus, so ist es einleuchtend, dass in der Bewertung von Übersetzungen zunächst vor allem funktionale bzw. kommunikativ ausgerichtete Kriterien zugrunde gelegt werden. So sind denn auch von den Bewertungsparametern, mittels deren Kupsch-Losereit versucht, „allgemeine, für alle Bereiche gültige Parameter der Bewertung aufzustellen, die für die Qualität einer Übersetzung entscheidend sind“ (Kupsch-Losereit 2008, 201), vier kommunikativ ausgerichtet, und vier weitere sprachlich. Die kommunikativ ausgerichteten Kriterien sind: – Funktionsgerechtigkeit, – kulturspezifische Texterwartungen, – Textsorte und Gebrauchsnormen, – Zielmedium bzw. Medienabhängigkeit, zu den sprachlichen Parametern gehören: – Textkohärenz, – Textdynamik, – Kontextwechsel, – sprachliche Konventionen (Kupsch-Losereit 2007, 333ff). Das Kriterium der Funktionsgerechtigkeit ist vor dem Hintergrund des vorformulierten Übersetzungsauftrags sowie unter Berücksichtigung der Rezipientenerwartungen zu betrachten. Bei den kulturspezifische Texterwartungen, Textsorten und Gebrauchsnormen gilt in Bezug auf literarische Texte primär, den kreativen Umgang zu untersuchen, die Entwicklung von originellen, unverwechselbaren Formen, Genres, Sprachen und Ausdrucksweisen, die mitunter auch bewusste Regelverstöße und Fehler implizieren. Mit Zielmedium und Medienabhängigkeit sind die Bedingungen und Konventionen des jeweiligen Mediums gemeint, in dem der Text dem Rezipienten entgegentritt. Textkohärenz und Textdynamik sind traditionelle linguistische Kategorien, mit denen die Mikrostruktur des Textes charakterisiert werden kann, 62 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK die aber von den kulturspezifischen Texterwartungen gesteuert werden. In Bezug auf die sprachliche Konvention wird literarischen Texten das Recht auf einen kreativen Umgang mit den Sprachnormen zugestanden. Mit dem Kriterium des Kontextwechsels trägt Kupsch-Losereit der doppelten kontextuellen Bindung von Original und Übersetzung Rechnung (vgl. auch Salevsky 2002, 390) und begreift sie als die Aufgabe, „die Intentionszuschreibung des ursprünglichen Kontextes zu vernachlässigen – da dieser für die aufnehmende Kultur meist irrelevant ist – und durch einen Kontextwechsel neue sinnstiftende Relationen herzustellen“ (Kupsch-Losereit 2008, 208). Die Übersetzung erweist sich für Kupsch-Losereit somit als komplexer Aushandlungsprozess von individuellen sozialen und kulturellen Verankerungen von Wissens- und Erfahrungsbeständen. Dem Übersetzer kommt die Aufgabe zu, die etwaige Kluft zwischen den Intentionen des Autors und der – vom situativen Kontext und den Erwartungshaltungen geprägten – Informationsaufnahme zu überbrücken (vgl. Kupsch-Losereit 1991, 77ff). Aus den von Kupsch-Losereit veranschlagten Evaluierungskriterien ergibt sich eine pragmatisch erweiterte Erfassung von Übersetzungsfehlern, wie sie bereits bei Reiß und Nord zu finden ist (Kupsch-Losereit 1986, 12-1ń). Verstöße werden in einer nach Schwere und Bedenklichkeit hierarchisierten Folge von Verletzungen konzeptualisiert, und zwar solchen der Funktion des Translats, der Kohärenz des Zieltextes, mit dem Ausgangstext und innerhalb des Zieltextes, der Textsorte bzw. Textform, der sprachlichen Konventionen sowie der kultur- bzw. situationsspezifischen Bedingungen. Textexterne, pragmatische Gesichtspunkte erfahren somit eine ähnlich starke Gewichtung wie textinterne Faktoren. Der Ansatz von Kupsch-Losereit gehört mit Sicherheit zu den komplexesten Modellen der Übersetzungsevaluierung. Die Verbindung der hermeneutischen, kognitivistischen und funktionalen Perspektive lässt ein einleuchtendes Regelwerk für die Bewertung literarischer Übersetzungen entstehen, da hier prozessorientierte mit produktorientierten Ansätzen intergriert werden, die sich generell leichter übersetzungskritisch operationalisieren lassen. Vor allem aber kommt in den von ihr veranschlagten Parametern die Tiefenstruktur literarischer Texte mit der sinnstiftenden Dimension der Übersetzung zusammen. Indem der Übersetzungsprozess einen Verhandlungsspielraum zu neuer Sinnkonstitution eröffnet (vgl. KupschLosereit 2012), kommt der Sinn der Übersetzung zum Tragen, „Realität auf einen neuen Sinn hin (zu) überschreiten“ (Kupsch-Losereit 2008, 210). A toi e Be a s Ko zept des Ü e setzu gsp ojekts Das Konzept des Übersetzungsprojekts, wie es von Antoine Berman (199Ń) entwickelt wurde, vermittelt die hermeneutische Perspektive mit einer Fokussierung des Zieltextes. Bermans übersetzungskritische Überlegungen wurden von Irène Kuhn der deutschen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Begriff des Übersetzungsprojekts fußt im Wesentlichen auf den Überlegungen Paul Ricoeurs und Hans Robert Jauß. Die Übersetzungskritik soll die „Wahrheit“ (vérité) einer Übersetzung hervortreten lassen, dazu ist der Horizont, aus dem sie erwachsen ist, ebenso zu ermitteln wie das Projekt des Übersetzers und dessen Position (vgl. Berman 199Ń, 13-14). Aber Bermans Bezugsrahmen ist nicht die unendliche Sinnfülle des literarischen Textes, sondern die jeweils gewählte Lesart des Übersetzers: Er nennt sie sein Übersetzungsprojekt, aus dem sich die für die jeweilige Übersetzung festgelegten Invarianten ergeben. Berman richtet seinen Blick also auf den Übersetzer, fragt nach dessen Horizont und Position, Übersetzen wird als ganzheitlicher Verstehensprozess konzeptualisiert, der das gesamte Umfeld eines Textes miteinbezieht. Vor dem Vergleich von Original und Übersetzung steht die Darstellung des literarischen Umfelds beider Werke und genaue Einzelanalysen. Mit ihrer Hilfe soll dann nicht der „Übersetzungsprozess“ wie ein deterministischer Ablauf hergeleitet, sondern die Entscheidungen des Übersetzers als handelndes Subjekt mit seinen Freiheiten und Beschränkungen herausgearbeitet und so seine Autonomie gestärkt werden. Ziel der Kritik ist es zunächst, die Wesensmerkmale einer Übersetzung als eines eigenständigen Werks in der Zielsprache herauszustellen. Grundlegendes Kriterium ist die Stimmigkeit, die ja auch in anderen übersetzungskritischen Modellen eine wichtige Rolle spielt (in den neohermeneutischen Ansätzen, bei Stolze oder Ammann). Diese nimmt zunächst die intratextuelle Translatkohärenz ins Visier, um erst anschließend nach der intertextuellen Kohärenz von Translat und Vorlage zu fragen. Auch bei Berman steht das Kriterium der Stimmigkeit damit in einem Spannungsver- 64 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK hältnis zur „Achtung vor dem Original“, die er als ethische Verantwortung konzeptualisiert. Berman optiert für ein close reading des Zieltextes, bevor der Ausgangstext einer Betrachtung unterzogen wird. Auf diese Weise soll der kompulsive Textvergleich vermieden werden und festgestellt werden, ob die Übersetzung an sich – losgelöst von der Vorlage – gewissen Standards genügt. Der Zieltext soll damit als eigener Text in den Blick treten (vgl. ebd., 65). Problematisch ist das von Berman angesetzte Kriterium der Stimmigkeit. Auch bei Berman stellt sich die Frage nach der Bewertung von intendiert unstimmigen, heterogenen Texten. Wenn der Zieltext im Fokus der Kritik steht, sind in erster Linie die sprachlichen und ästhetischen Normen der Zielkultur der Bezugsrahmen für die Übersetzungskritik. Innovative Entscheidungen des Übersetzers werden damit tendenziell als die Stimmigkeit des Translats störende Faktoren negativ bewertet. Es stellt sich nunmehr generell die Frage, ob eher den ausgangstextorientierten oder den zieltextorientierten Modellen der Übersetzungskritik der Vorzug gegeben werden soll. Orientiert sich die Kritik einseitig am Ausgangstext, ist damit eine tendenziell negative Bewertung verbunden, die vor allem die Mängel der Übersetzung im Verhältnis zur Vorlage herausstellt, wird jedoch der Zieltext in den Fokus gestellt, wird das Original im Extremfall bis zur Irrelevanz herabgewertet. Eine solche Ansicht wird in Toury’s Formel festgeschrieben: „translations are facts of one system only: the target system“ (Toury 198Ń, 19). Eine Verabsolutierung des Zieltexts in der Bewertung scheint jedoch problematisch, denn die „Entthronung“ des Ausgangstextes (vgl. Zybatov 2009, 258) bedingt das Aufheben der Grundspannung zwischen Vorlage und Translat, in der sich die Übersetzungskritik bewegt und aus der sie sich speist. Die Übersetzung muss in ihrem doppelten Status ernst genommen werden: Sie ist eine Repräsentation des Originals und erscheint unter dem Namen dessen Autors, und führt zugleich ein eigenes, autonomes Leben in einem neuen sprachlichen und kulturellen Umfeld. Problematisch erscheint das in Bermans Modell der Übersetzungskritik zugrunde gelegte Übersetzungsprojekt (vgl. Berman 199Ń, 74f). Es kann nämlich nicht zwingend angenommen werden, dass der Übersetzer in seinen Entscheidungen und grundlegenden Strategien in völliger Unabhängigkeit agiert, vielmehr wird das Konzept einer Übersetzung oftmals nicht vom Übersetzer eigenverantwortlich erarbeitet, sondern muss mit den Vorlagen des Verlags abgeglichen werden. Die Autonomie des Übersetzers, die in Bermans Modell betont wird, kann somit schon aufgrund übersetzungsexterner Faktoren nicht vorausgesetzt werden. Es stellt sich zudem die Frage, ob von der Prämisse ausgegangen werden kann, dass jeder Übersetzer einem klaren und fest umrissenen Konzept folgt. A toi e Be a s Ko zept des Ü e setzu gsp ojekts 65 So verweist Krysztofiak (2011, 82-142) zwar auf die Möglichkeit der Gestaltung individueller Qualitätsparameter der literarischen Übersetzung auf der Grundlage der Äußerungen von Übersetzern selbst, lässt dies jedoch nur unter der Einschränkung gelten, dass nicht alle Übersetzer in der Lage – oder willens – sind, das eigene Übersetzungskonzept zu formulieren (vgl. ebd., 161). Ungeklärt bleibt in Bermans übersetzungskritischem Modell, wie das Übersetzungsprojekt eruiert werden soll. Soll man die – etwa in Paratexten wie dem Vorwort bzw. Nachwort niedergelegten – Erläuterungen und Deklarationen des Übersetzers als Ausgangspunkt nehmen und aus ihnen ableiten, dass sie an jeder Stelle des Textes konsequent umgesetzt wurden? Die Frage ist zentral, denn die Annahmen des Kritikers über die Existenz bzw. Nichtexistenz eines Übersetzungsprojekts haben weitgehende Auswirkungen auf die Vorgehensweise bei der Bewertung. Geht man von der Existenz eines solchen Projekts aus, so kann weiter angenommen werden, dass das Translat in relativ hohem Grade eine interne Konsistenz aufweist. In diesem Falle würde es ausreichen, eine geringe Anzahl von Textpassagen herauszugreifen, an denen die der Übersetzung zugrunde liegenden Strategien exemplifiziert werden können. Wenn jedoch nichts dafür spricht, dass der Übersetzer nach einem klaren Konzept gearbeitet hat, wird das Herausgreifen einzelner Passagen zur Analyse selbst zu einem Interpretationsakt. Damit ist eine grundlegende Frage nicht beantwortet: Wie kann die Makro-Struktur der Übersetzung über die Analyse auf der Mikro-Ebene eruiert werden? Ein Grund dafür, dass dieses Problem wohl gesehen, aber nicht gelöst wurde, scheint zu sein, dass dem Kritiker angeraten wird, zur Ermittlung der grundlegenden Strategien auf Para- oder Peritexte zurückzugreifen. Damit kommen wir zu einem fundamentalenen Problem der Übersetzungsevaluierung: dem Auspendeln des übersetzungskritischen Blicks zwischen der punktuellen Analyse einzelner „Problemstellen“ auf der Mikroebene und dem holistischen Blick auf das Textganze. Nur der Fokus auf das Ganze des Textes lässt das ästhetische Werkkonzept hervortreten und macht beispielsweise Parameter wie den Stil erkennbar. Und in Bezug auf das Translat macht nur ein ganzheitlicher Blick (vgl. Albrecht 2004, 172) ersichtlich, inwieweit die Strategie der Kompensation Anwendung fand, die bei nur schwer zu realisierenden Textmerkmalen – wie sprachspielerische Elemente oder ein besonders kreativer Umgang mit der sprachlichen und ästhetischen Norm im Individualstil des Autors – häufig zum Tragen kommt. 66 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Auch Albrecht (1990, 33ff) plädiert für ein translationsevaluatives Konzept, das sich bewusst auf eine vom Kritiker getroffene Auswahl relevanter Kriterien beschränkt, und bringt dabei die Intuition des Evaluators im Umgang mit Texten und Textmodellen in Anschlag. Solche Ansätze müssen sich natürlich die Frage gefallen lassen, wie denn eine solche Festlegung dieser jeweils als für die Qualität wesentlich postulierten Merkmale zustande kommt. Dem Vorwurf der Willkür sucht Albrecht zu begegnen, indem er die Invarianzforderungen sehr komplex angeht und neben der Invarianz des Inhalts auch dem pragmatischen Bereich zur Geltung bringt und einen evtl. Übersetzungsauftrag und Translatfunktion berücksichtigt (vgl. ebd., 71ff). Zum anderen bindet er die Invarianzforderungen an die Entscheidungen des Übersetzers zurück und bezieht dessen Übersetzungsprojekt in die Bewertung ein. Als Parameter dessen, was nach der Meinung des Übersetzers invariant zu halten ist, nennt er Inhalt, Stil und Wirkung auf den Empfänger (ebd., 75f). Aufgabe der Übersetzungskritik ist es also zunächst einmal, die übersetzerische Makrostrategie zu bestimmen und die Invarianzkriterien zu ermitteln, die der Übersetzer sich auferlegt, um diese in die Bewertung zu integrieren. So argumentiert Albrecht, wenn er für eine zweiphasige Übersetzungskritik plädiert, in der zunächst die Übersetzungsmaximen eruiert werden, um in einem zweiten Schritt deren Umsetzung kritisch zu überprüfen (ebd., 7Ń). Eine angemessene Übersetzungskritik sollte also immer zunächst versuchen zu rekonstruieren, welche Strategie der Übersetzer verfolgt hat und dann erst prüfen, ob die konkret angewendete Übersetzungstechnik dem angestrebten Ziel entspricht oder nicht. Mit anderen Worten: Die Wahl der Strategie und deren Ausführung sind in getrennten Schritten zu untersuchen. So kann der Kritiker die Hierarchie der Invarianzforderungen für angreifbar halten, und dennoch befinden, dass sie gut umgesetzt wurden, oder aber mit der Strategie konform gehen, aber Kritik an ihrer Realisierung üben. Die Verlagerung der Kritik auf zwei Phasen bedeutet immerhin einen Zuwachs an Objektivität und Nachvollziehbarkeit. Mit dem Konzept des Übersetzungsprojekts, wie es in die hermeneutischen Ansätze integriert oder von Albrecht formuliert wurde, wird dem Übersetzer ein weitgehend autonomer Status zugestanden, wird er mit seinen Entscheidungen ernstgenommen und damit seiner „Unsichtbarkeit“ (Venuti 1995) entgegengewirkt. Er wird zum Partner in einem translatorischen (und translatkritischen) Handlungsprozess (Holz-Mänttäri 1984). Den Übersetzer an seinen eigenen Ansprüchen zu messen, bedeutet nicht nur, dass er als Partner im kritischen Prozess ernstgenommen wird, es bringt auch ein gutes Stück weit ein Abrücken von der normativen Ausrichtung A toi e Be a s Ko zept des Ü e setzu gsp ojekts 67 von Übersetzungskritik überhaupt mit sich. Damit stellt sich die Frage, ob eine Kritik, die die Angemessenheit der gewählten Strategie nach dem Grundsatz „anything goes“ gar nicht mehr stellt, sich nicht selbst aushebelt. Dem Übersetzer also in der Übersetzungskritik die Interpretationsfreiheit zu geben kann nur funktionieren, wenn die gewählten Interpretationen immer wieder am Text überprüft werden. Mit der Forderung, das gesamte Umfeld sowohl von AT als auch ZT zu untersuchen, greift Berman bereits Anregungen aus der Historisch-Deskriptiven Übersetzungswissenschaft, die im Folgenden dargestellt werden sollen. Der Beitrag der Descriptive Translation Studies Mit den Descriptive Translation Studies, die sich traditionell nicht mit der Bewertung, sondern der Beschreibung von Übersetzungen beschäftigen, hat sich parallel, aber in Abgrenzung zu den linguistischen Ansätzen ein Paradigmenwechsel vollzogen. Bei der Etablierung einer dezidiert historischdeskriptiven Übersetzungsforschung ging es weniger um eine Theorie der Übersetzung, als vielmehr um die Erforschung der Rezeption von literarischen Übersetzungen. Es haben sich im Wesentlichen zwei Ansätze herausgebildet: der systemtheoretische, zieltextorientierte, wie er von Forscherteams in Belgien und den Niederlanden vertreten wird, und der transferorientierte Ansatz des Göttinger Sonderforschungsbereichs „Die literarische Übersetzung“ (198Ń1996). Die Beschreibende Übersetzungswissenschaft versucht neben den linguistisch orientierten und den hermeneutischen, literaturwissenschaftlich angelegten Ansätzen einen dritten Weg einzuschlagen. Sie stehen den funktionalistischen Ansätzen insofern recht nahe, als sie die Wertigkeit einer Übersetzung zuallererst an ihrer Funktion bzw. ihrem Status in der Zielkultur bemisst, wohingegen das Original in den Hintergrund der Betrachtung rückt. Allerdings steht hier anders als beim Pragmatismus der SkoposTheorie im Zentrum die Funktion der Übersetzung in der Zielkultur. Ziel ist es, einen theoretischen Rahmen zu erarbeiten, um „to historizise actual translated texts and see the temporal nature of certain aesthetic presuppositions which influence the progress of translation“ (Gentzler 1993, 107). Grundlegend für den systemtheoretischen Ansatz war das von EvenZohar (1978) entwickelte Theorem des Polysystems, in dem Werke in ihren besonderen Merkmalen nur im Zusammenhang mit dem Stellenwert begreifen, den sie innerhalb des Systems besitzen, also über ihre „Differenzqualität“. Der polysystemische Ansatz sieht die Literatur in einer gegebenen Kultur als ein Polysystem an, in dem Genres, Schulen und Strömungen miteinander und aufeinander wirken und sich in unaufhörlichem Der Beitrag der Descriptive Translation Studies 69 Wandel befinden (vgl. van den Broeck 1985, 122ff; vgl. Heilbron/ Sapiro 2007; Hermans 1999). Er wird von Toury (1980) um seinen Normbegriff erweitert, den er auf die nicht-obligatorischen Abweichungen vom A-Text bezieht. Toury unterscheidet drei Normenkomplexe, die dem Übersetzer Handlungsspielraum eröffnen und Abweichungen begründen können: – Die preliminary norms, die in der Zielkultur vorherrschen und so den Übersetzungsbegriff determinieren – Die initial norms, worunter die Norm der Adäquatheit gegenüber dem A-Text und die Norm der Akzeptabilität in der Z-Kultur verstanden wird – Die operational norms, die konkreten, nicht durch Systemreferenzen gesteuerten übersetzerischen Entscheidungen. Übersetzungen definieren sich gerade dadurch, dass sie die Norm der Akzeptabilität verletzen, indem sie fremde Strukturelemente in der Zielsprache bewahren (vgl. Lorenz 1996, 567). In der konkreten Übersetzungsanalyse wird denn auch Adäquatheit nicht in Bezug auf die Eigenschaften des A-Textes bestimmt, sondern über die Abweichungen des Zieltextes von seiner Umgebung. Erst vor diesem Hintergrund wird der A-Text in den Blick genommen, um so die Differenzqualität des Zieltextes als vom A-Text verursacht zu bestimmen (ebd.). Der Göttinger Ansatz versteht sich als transferorientiert, es geht hier um die Übersetzung als einen Text, der zwischen den Sprachen, Literaturen und Kulturen vermittelt. Auch Frank und die Arbeitsgruppe im Göttinger Sonderforschungskreis setzten sich damit weniger die Übersetzungskritik zum Ziel, als die Erarbeitung einer Kulturgeschichte der literarischen Übersetzung. Sie unterschieden zwischen einer externen und einer internen Geschichte der Literaturübersetzung, erstere nimmt die Umstände und Institutionen in den Blick, die auf die literarische Übersetzung Einfluss nehmen und konzentriert sich auf die Übersetzer. Die zweitere betrachtet die Texte selbst und nimmt die im Zuge der Übersetzung zustande kommenden Modifikationen und Differenzen ins Visier: „the texts themselves, with work, author, period and styles, with the modifications and deviations that the works have undergone in translational transfer, and hence with the resultant differences that exist between the potential for imaginative experience which the source text offers to its readers and which the translations offer to theirs.“ (Hermans 1999, 9) 70 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Der Fokus des Göttinger Sonderforschungskreises liegt damit zum einen auf den die Übersetzungen determinierenden Bedingungen in der Zielsprache und – kultur, und zum anderen auf den Möglichkeiten deren Bereicherung durch die von den Übersetzungen aktivierten Interpretationen des Ausgangstexts: „… a literay translation incorporates the translator’s interpretation oft he work he has translated and, in turn, invites new acts of understanding under the new conditions oft he target language, literature and culture – conditions that are, of course, subject to historical change“ (Frank et al. 1986a, 323). Die in der kritischen Analyse konstatierten Abweichungen werden somit nicht als Fehler qualifiziert, sondern als Einblicke in Aspekte des Ausgangstexts, die ohne diese unerreichbar blieben. Auch Toury (1995, 84) lehnt jede schon vorab negative Bewertung von shifts ab: „totally negative kind of reasoning required by any search for shifts, which (…) would encompass all that a translation could have had in common with ist source but does not“ (Hervorhebungen des Autors, B.S.). Die Übersetzung tritt damit als Resultat eines Kompromisses, ein Ausbalancieren von Normen in den Blick: „one might describe a literary translation as the result of a compromise which a translator has found between „demands“ originating in four norm areas: the source text as understood by the translator, the source literature, language, and culture as implicated in the text, the state of translation culture (which includes concepts of translation, previous translations oft he same and of other texts, etc.), and the target side (for instance in the form of publisher’s policies, local theater conventions, censorship, etc).“ (Frank 1986, 12) Übersetzungskritik soll also das Verhältnis von AT und ZT erfahrbar machen und die vielfältigen Spannungen zwischen Vorlage und Übersetzung offenlegen – das Übersetzungsprodukt ist insofern zu bewerten, als es das Verhältnis von AT und ZT widerspiegelt (vgl. Apel 1983, 35). Trotz ihrer deskriptiven Ausrichtung gingen auch von den DTS wichtige Impulse für die Evaluierung von Übersetzungsleistungen aus. Allerdings hat lediglich van den Broeck (1985) versucht, einen polysystemischen übersetzungskritischen Ansatz zu entwickeln, welcher einen strukturellen Übersetzungsvergleich sowie die anschließende Übersetzungsbewertung umfasst. Das von van den Broeck entwickelte Modell ist äquivalenzorientiert. Es sieht eine komparatistische Analyse von Ausgangsund Zieltext vor, die sich auf die Texteme bezieht, also die Textelemente, die Der Beitrag der Descriptive Translation Studies 71 eine textuelle Funktion besitzen und deren Äquivalenz bestimmt wird (Broeck 198Ń, Ń8). Umfasst „phonetic, lexical, and syntactical components, languages varieties, figures of rhetoric, narrative and poetic struktures, elements of text convention (text sequences, punkctuation, italicizing, etc.) thematic elements and so on“ (ebd.). Die Bestimmung der Äquivalenzen zwischen Ausgangs- und Zieltext wird stets in den größeren Zusammenhang des jeweiligen Polysystems der Ausgangs- bzw. Zielkultur gestellt. So ist es denn auch nicht in erster Linie die kritische Bewertung einer Übersetzungsleistung, auf die van den Broecks Modell abzielt, sondern die Erhellung der den übersetzerischen Entscheidungen und Strategien zugrundeliegenden Produktions- bzw. Rezeptionsnormen. Damit rückt es die sozialen und kulturellen Hintergründe der übersetzerischen Entscheidungen in den Blick. Shifts (sofern sie nicht durch die Sprachsystemunterschiede erzwungen sind) und Differenzen werden im Einklang mit den Prämissen der DTS als kreative Interpretationen des A-Textes aufgefasst, die potenziell die Zielkultur bereichern. Auch hier handelt es sich um ein dreistufiges Modell. Van den Broeck geht dabei von einer komparativen Analyse von AT und ZT aus, auf deren Grundlage eine evaluative und kritische Beurteilung der Übersetzung erfolgt. E r s t e S t u f e: Hypothetische Rekonstruktion der textuell-internen Relationen und Funktionen des AT (= adequat translation, tertium comparationis für Vergleich mit ZT). Hier werden Texteme, Elemente mit textuellen Funktionen identifiziert. Es findet ein Vergleich der ZT-Elemente mit den Textemen des AT statt. Hierbei sind shifts zu beachten, bei denen zwischen den durch die sprachlichen und kulturellen Regeln der Zielsprache erzwungenen obligatorischen Transformationen (shifts) und den optionalen, die aus der Entscheidung des Übersetzers resultieren, unterschieden wird. Daran schließt sich die Beschreibung der Unterschiede zwischen AT und ZT auf der Grundlage der Texteme an. Diese Beschreibung muss aber in den größeren Zusammenhang des jeweiligen Polysystems der Ausgangs- und Zielkultur eingebettet sein. Z w e i t e S t u f e: An die Analyse schließt sich die Auswertung der Ergebnisse an. Dabei sind die Normen des Übersetzers, die Übersetzungsmethode und die Übersetzungsstrategien besonders zu beachten. 72 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK D r i t t e S t u f e: Diese ist die Bewertung der Übersetzung (vgl. ebd., 54-62) Trotz einer beindruckenden Anzahl von extensiven Fallstudien hat der Göttinger Sonderforschungsbereich „as a whole did not develop a coherent theoretical or methodological framework, preferring instead to devote their energy to extensive and detailed case studies“ (Hermans 1999, 1Ń3). Auch angesichts einer Fülle von greifbaren Analyseegebnissen konnte keine generellere Applizierbarkeit oder übersetzungskritische Modelle entwickelt werden. Auch Tourys (1995) Auffassung und Typologie der Normen, die entgegen dem allgemeinen Verständnis keine Beurteilungsmaßstäbe sind, sondern gerade den Untersuchungsgegenstand bilden, vermochte keine übersetzungskritische Methodologie auszubilden. Diese ist allerdings auch nicht das Ziel der Descriptive Translation Studies. Trotzdem hat die deskriptive Translationswissenschaft den Blick auf die Übersetzung unwiderruflich erweitert und auch die Übersetzungskritik auf einen neuen Weg gebracht. So können Apel/ Kopetzki (2003, 65) neben der Aufgabe, Aufschlüsse über die Übersetzungsmethoden, Verfahren und Strategien sowie über Kommentare des Übersetzers (soweit vorhanden) zu seinen translatorischen Prinzipien und Entscheidungen liefern, von drei Mindestanforderungen an die Übersetzungskritik ausgehen: – eine Charakterisierung des Ausgangstextes im Zusammenhang der Literatur der Ausgangssprache; – eine Charakterisierung der Übersetzung als Text im Zusammenhang der Zielsprache; – leserorientierte Informationen darüber, unter welcher Rezeptionseinstellung die Übersetzung als Text aufgefasst werden sollte. Beidseitige genaue Kontextualisierungen erlauben es, die vielfältigen Spannungen zwischen AT und ZT offenzulegen. Diese Fokussierung des Dazwischen der Texte steckt zugleich den Rahmen für die Ü-Kritik ab, die das Produkt nur insofern bewertet, als es das Verhältnis von AT und ZT widerspiegelt – und dabei stets die Differenzqualität beider Texte in Relation zu den sprachlichen, kulturellen und ästhetischen Normen im Blick behält. Das größte Verdienst der DTS scheint es zu sein, bewusst zu machen, dass man als Kritiker nicht im luftleeren Raum agiert, sondern in seinen Wertmaßstäben von den Normen der eigenen Kultur bestimmt wird. So schreibt Hermans (1991, 1ń3): „(…) we could say that ‘translational norms’ are the social reality of concepts of translational correctness; this social reality secures the coordination concerning form and use of translational means in socio-cultural community. (…) correctness notions are culturally determinded; they are culture-bound“. Der Beitrag der Descriptive Translation Studies 73 Die Forscher der DTS plädieren für eine selbstreflexive, auch sich selbst gegenüber kritische Übersetzungskritik, die die eigenen Wertmaßstäbe hinterfragt, und begegnen so der Versuchung, die eigenen Normen denjenigen der Übersetzer einfach überzustülpen. Vielmehr müssen die Normen des Kritikers miteinbezogen und mit den Normen (oder besser dem Normengeflecht) verrechnet werden, innerhalb deren der Übersetzer agiert: „Only if the reviewer recognizes the initial norm adopted by the translator, will his critical account have any objective value.“ (Broeck 1985, 61) Die Grundvorstellungen und Normen, die in Bezug auf das Übersetzen gelten, müssen somit als Variablen in den Prozess der Übersetzungskritik einbezogen werden. Angesichts der zunehmenden Migrationsbewegungen erscheint allerdings die systemtheoretische Ausrichtung der Deskriptiven Übersetzungsforschung auf die einzelnen Nationalliteraturen etwas überholt. Die Texte von Autoren mit Migrationshintergrund sind nicht einmal mehr mit den Kategorien der Multi- bzw. Interkulturalität zu greifen, vielleicht noch am ehesten als Transkulturalität beschreibbar (vgl. Heilbron/ Sapiro 2007, 94). Die Bewertung von Übersetzungen solcher hybriden Texte macht einen neuen methodologischen Zugriff erforderlich. Cees Koster, Lance Hewson Innerhalb der DTS verdient der Utrechter Übersetzungswissenschaftler Cees Koster eine gesonderte Besprechung. Ausgehend vom Differenz-Theorem der Deskriptiven Übersetzungswissenschaft folgt er der Grundannahme, dass Übersetzen als ein Akt der Interpretation aufgefasst werden kann und untersucht „the way in which one can describe a target text in its status as an interpretation of a corresponding source text“ (Koster 2000, 17). Der Ansatz Kosters gehört damit im weiteren Sinne zu den hermeneutischen. Er geht von einem holistischen Verstehen (top-down-Verstehen) des Ausgangstextes aus: „Koster is critical of the rigid, bottom-up charakter of the procedure (he prefers the metaphore of the hermeneutic circle)“ (Hewson 2011, 8). Aus dieser Sichtweise erfolgt die Notwendigkeit der Änderung der übersetzungskritischen Terminologie. So schlägt Koster (2000, 121f) vor, den implizit normativ geprägten Begriff der Abweichung (vgl. Toury 1995) und des shifts (Catford 19ńŃ) durch den der Änderung („change“) zu ersetzen. Gerade der Terminus shift suggeriert ja, dass es eine richtige Übersetzung gäbe, von der der Übersetzer abirre, die rezeptionsästhetische oder konstruktivistische Perspektive bejaht hingegen, dass jeder Leseakt (auch der der Übersetzers) andere Bedeutungen hervorbringt bzw. eine neue Konkretisierung des Textes (Mukařowský 19ńń, 19ń7) darstellt, mögen die Differenzen auch minimal sein. 74 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Die Übersetzung kann somit als die Interpretation des Ausgangstexts durch den Übersetzers betrachtet werden, zugleich aber auch als ein eigener Text, der seinerseits neue Interpretationen durch weitere Leser initiiert. Der Kritiker hat es also mit einem Zieltext zu tun, der seine eigene Dynamik in der Zielkultur entwickelt, zugleich aber den Ausgangstext mit dem darin angelegten Interpretationspotenzial repräsentiert. Somit müssen die interpretativen Potenziale beider Texte miteinander verglichen werden. Übersetzungskritik kann damit als das Auffinden der durch beide Texte initiierten Interpretationen konzeptualisiert werden. Anders als in den ausgangstext-orientierten Ansätzen nimmt die Kritik aber in einer Analyse des Zieltexts ihren Ausgang. Dazu ist es zunächst notwendig, preliminary data zum Text zu sammeln, bevor die eigentliche kritische Arbeit einsetzt. Diese schließen ein: – Informationen zu den Paratexten der Übersetzung, – die Art der Publikation, – die Person des Übersetzers und seine bislang übersetzten (oder als Autor verfassten) Texte – historisch-bibliografische Informationen zum A-Text. Der Z-Text kann nicht isoliert betrachtet werden, der A-Text muss als ein Bezugsrahmen für die Beschreibung der Z-Textelemente herangezogen werden, um das bedeutungsbildende Potenzial der Vorlage ins Spiel zu bringen (Koster 2000, 126). Anschließend wird die „Textwelt“ des Z-Texts rekonstruiert, indem ein „semantisch-pragmatisches Gerüst“ erstellt wird. Dazu werden Deixis, Personen, und die Relationen der Elemente der Textwelt, die raumteitliche Lokalisierung, die wichtigsten Prozesse, Handlungen und Geschehnisse analysiert. Dieses Gerüst wird dann mit dem A-Text konfrontiert und dient zu einer komparatistischen Analyse, wobei traditionelle Parameter wie Lexik, Prosodie, Rhetorik und Intertextualität untersucht werden. Zu Kosters Ansatz kann einiges kritisch angemerkt werden: Die von ihm geforderte Etablierung des „pragmatisch-semantischen Gerüsts“, das als Bezugsrahmen der kontrastiven Analyse dienen soll, ist bereits ein verdeckter interpretativer Akt, und das auf diesem Wege etablierte Konstrukt ist eine selektive Paraphrase, die auf der subjektiven Auswahl der Parameter seitens des Kritikers beruht. Z.B.: die Kategorie der wichtigsten Figuren und Objekte (vgl. ebd., 171) setzt eine Hierarchisierung voraus, die notwendigerweise ein Konstrukt des Übersetzers sein muss und auf einer persönlichen Interpretation beruht. Für Frank wie für Koster ist allerdings eine Übersetzungsanalyse ohne Interpretation undenkbar, es ist „hard to see how Der Beitrag der Descriptive Translation Studies 75 any meaningful target text – source text comparison is possible without somehow taking into account the question of interpretation“ (Koster 2002, 29). Es kann mit Koster hinsichtlich der Unhintergehbarkeit von Interpretation eine Parallele gezogen werden zwischen Übersetzer und Kritiker (er nennt ihn, um die im Terminus impliziten negativen Konnotationen zu vermeiden und seine Distanz zu präskriptiven Modellen zu markieren, den „describer“ (ebd., 29): „the describer is in competition with the translator precisely because she also performs a translational interpretation“ (ebd., 29). Der Übersetzer kann nicht allen Interpretationspfaden nachgehen, ist gezwungen, im Rahmen eines Selektionsvorgangs manche von ihnen auszuschließen und damit das Bedeutungsangebot des Ausgangstexts zu reduzieren, indem andere Bedeutungsebenen wiederum aktiviert werden (vgl. Levý 1981). Dabei ist zu bedenken, dass der Übersetzer nicht mit einer bereits fertigen Interpretation an den Text herangeht, die dann von anderen Lesern im Text entdeckt wird. Vielmehr gibt der Text selbst Anlass zu einer Vielzahl von möglichen Interpretationen, die dem Plausibilitätsgrad nach skalierbar sind. Aufgrund des breit angelegten Bedeutungsspektrums literarischer Texte kann nicht eine Interpretation den Anspruch erheben, als die einzig wahre zu gelten. Für den Übersetzungskritiker bedeutet dies, dass nicht ein interpretativer Akt vonnöten ist, der den „wahren“ Bedeutungsgehalt von Ausgang- oder Zieltext identifiziert, sondern immer auch alle anderen, ebenfalls möglichen und schlüssigen Übersetzungen und damit von ihnen angestoßenen Interpretationen berücksichtigt werden müssen, um vor diesem Hintergrund die Interpretationsleistung des Übersetzers bewerten zu können. Die Position des Kritikers könnte also komplexer nicht sein. Im Herausstellen der interpretativen Arbeit des Übersetzers (und Übersetzungskritikers) baut Hewsons (2011) Ansatz im Wesentlichen auf Koster auf. Ziel ist es, „to examine ways in which a literary text maybe explored as a translation, not primarily to judge it, but to understand where the text stands in relation to its original by examining the interpretative potential that results from the translational choices that have been made.“ (ebd., 1). Die Sicht des Übersetzungsvorgangs als einer Interpretation der Vorlage zieht eine Abkehr von der normativen Ausrichtung der Übersetzungskritik nach sich und begreift Übersetzungskritik als ein Nachvollziehen der interpretativen Arbeit des Übersetzers. Hewsons Ansatz sieht sechs Stufen der Übersetzungskritik vor (vgl. ebd., 24f): Ähnlich wie die Vertreter der Descriptive Translation Studies, Koster oder Berman optiert Hewson für eine sorgfältige Zusammenstellung von Ausgangsinformationen zu Vorlage und Übersetzung innerhalb des jeweiligen literarischen Systems: 76 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK 1. Das Sammeln von Basisinformationen über den Ausgangstext (die Editionsgeschichte, Informationen über den Autor oder die Autorin, und ihrer bisherigen Werke). 2. Die Berücksichtigung einzelner Parameter des Zieltexts (wurde der Text zum ersten Mal übersetzt oder existieren bereits frühere Übersetzungen, wurde der Text in andere Sprachen übersetzt, und wenn ja, welche Rezeption hat er erfahren, handelt es sich um die Bearbeitung einer bereits existenten Übersetzung, wie wurde diese rezipiert) 3. Informationen über den Übersetzer (sprachlicher und kultureller Hintergrund, andere Übersetzungen oder eigene literarische Werke) 4. Para- oder Peri-Texte zu Ausgangs- und Zieltext, die Einfluss auf die Interpretation nehmen können (Titelseiten, Illustrationen, Vor- oder Nachworte, Klappentext, Anmerkungen der Übersetzer) 5. Das Heranziehen eines eventuell bereits existierenden kritischen Apparates, um den Interpretationsrahmen abzustecken und den „Ort“ von Ausgangstext und Übersetzung in der jeweiligen Kultur zu ermitteln (dazu gehören neben literaturwissenschaftlichen Arbeiten auch Rezensionen von Vorlage und Übersetzung). Handelt es sich um einen neuen Text, der noch nicht zum Literaturkanon gehört, obliegt es dem Kritiker, das Interpretationspotenzial ohne die Hilfe des literaturkritischen Diskurses zu ermitteln. 6. Als letzten Vorbereitungsschritt schlägt Hewson eine Sichtung der Makrostruktur beider Texte vor (wie sind die Texte gegliedert, welche Struktur haben Kapitel und kleinere Texteinheiten). Nach dieser Vorarbeit wird zur Etablierung des textanalytischen Rahmens (critical framework) übergegangen (ebd., 26f), der Ausgangstext wird in einem interpretativen Rahmen platziert, der zu einer Orientierung für die Analyse auf der Ebene der Mikrostruktur dient. Hier sollen zum einen die wichtigsten stilistischen Merkmale ermittelt werden, und zum anderen die im Text angelegten Interpretationsmöglichkeiten ermittelt werden. Der Ausgangstext wird also auf sein „interpretatorisches Potenzial“ hin abgeklopft und dabei die Stellen herausgefiltert, die eine Interpretation herausfordern. Es soll dabei nicht eine letztgültige Interpretation des Textes festgelegt werden, sondern die Textelemente identifiziert werden, die ein besonderes interpretatives Potenzial besitzen, deren Behandlung durch den Übersetzer also in besonderer Weise relevant erscheint. Werden diese Elemente vom Übersetzer in irgendeiner Weise modifiziert, überprüft der Kritiker, ob und in welcher Richtung divergierende Interpretationen ausgelöst werden. Am Ende steht mithin nicht eine Bewertung der Interpretation, die in der Über- Der Beitrag der Descriptive Translation Studies 77 setzung zu Wort kommt, vielmehr sollen die Modifikationen des im Text angelegten interpretativen Potenzials ermittelt werden (ebd., 7). Um sein Konzept gegen subjektive Willkür abzusichern und die Bewertung nicht ausschließlich auf die Interpretation des Kritikers zu stützen, nimmt Hewson zum einen deskriptive Ansätze hinzu, indem er ein sorgfältiges Sammeln von preliminary data fordert und nimmt zum anderen Interpretationen in seinen textanalytischen Rahmen auf, die sich bereits in der Forschung etabliert haben, wobei auf andere veröffentlichte Texte und sonstige Interpretationshinweise zurückgegriffen wird. In den Ansätzen von Koster und Hewson wird besonders deutlich, wie weitgehend die DTS die Ersetzung des äquivalenz-bzw. funktionale Paradigmas durch das Interpretationsparadigma in die Wege leiten. Sowohl Übersetzer als auch Übersetzungskritiker werden jedoch nicht als eigentlich Interpretierende einbezogen, ihnen wird vielmehr eine Metaposition im Verhältnis zu den möglichen Interpretationen eines Textes zugeschrieben, die teils aus bereits bestehenden Interpretationsansätzen bezogen, teils vom Kritiker selbst eruiert werden. Ob damit der Problemfaktor der Subjektivität von Übersetzungskritik (Bittner 2014) ausgeklammert werden kann, steht allerdings zu fragen, ist doch bereits die Auswahl der Elemente mit besonders großer interpretatorischer Reichweite ein interpretatorischer, interessensgeleiteter Akt. Wenn Hewson die stilistischen Merkmale als übersetzungsrelevant betrachtet, insofern sie eine interpretationssteuernde Funktion besitzen, fällt der Übersetzungskritik, zu die Frage zu beantworten, welche Auswirkungen die stilistische Ausprägung des Translats auf die Lesart des Textes, seine Interpretation mit sich bringt (vgl. Hewson 2011, 19). Es bleibt jedoch unklar, in welches Verhältnis Stil und Interpretation zueinander gesetzt werden.7 Obwohl nachvollziehbar ist, dass, wenn etwas durch eine von der Norm abweichende, besondere Art und Weise ausgedrückt wird, dies durch eine singuläre und partikulare Sichtweise motiviert ist, steht zu fragen, ob ein so umrissener Stilbegriff für die Übersetzungskritik operationalisierbar gemacht werden kann. Es ist kein Zufall, dass gerade die Deskriptive Übersetzungswissenschaft sich besonders eingehend mit Stilfragen beschäftigt, kann doch am persönlichen Stil eines Autors das Spannungsverhältnis zwischen den in einer Kultur geltenden ästhetischen Normen und eigenem Ausdruckswillen festgemacht werden. Die DTS definieren Stil demgemäß als Abweichung von geltenden sprachliche und ästhetischen Normen, seine Wahrung in der ________________ 7 Zum Problembereich Stil und Bedeutung vgl. die weiterführende Arbeit von Boase-Beier (2006). 78 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Übersetzung wird im Spannungsfeld von Adäquatheit und Akzeptabilität verortet (vgl. Greiner 2004). Der Übersetzer steht in einem komplexen Normengeflecht, muss den Stil vor den sprachlichen und ästhetischen Normen der Ausgangskultur betrachten und mit den Normen der Zielkultur abgleichen. In diese Konstellation tritt der Übersetzer mit seinem eigenen Individualstil. Innerhalb der Deskriptive Translation Studies ist von Schultze (2008) der Begriff der Individualästhetik eingeführt worden. Als „Beobachtungsort“ der Übersetzungsanalyse kommt ihm vor allem eine rein deskriptive Wertigkeit zu, übersetzungskritische Implikationen kommen ihm nur im Sinne des Postulats zu, den individuellen Stil eines Autors zu wahren. Gerade aber, weil Stil individuell geprägt ist, müssten die Kriterien für jeden Autor einzeln neu bestimmt werden. Aus einer so konzeptualisierten Individualästhetik können demnach nur schwer kategorisierbare Kriterien für die Übersetzungskritik abgeleitet werden. Gerade in ihrer Bereitschaft, sich mit der Stilproblematik auseinanderzusetzen, erweisen die DTS noch einmal die Ratlosigkeit der Übersetzungskritik angesichts der Ungreifbarkeit von Stilphänomenen. Dabei muss in der Übersetzungskritik der Stilfrage eine herausragende Bedeutung eingeräumt werden. Der Status der Vorlage als Sprachkunstwerk impliziert, dass die formal-ästhetischen Qualitäten gleichrangig neben den Inhalt treten. Da die sprachliche Form in literarischen Texten stets auch Eigenwert besitzt, erscheint die Auseinandersetzung mit den individuellen Präferenzen eines Autors, der Art und Weise, wie er mit den Vorlieben seiner Leserschaft spielt, unabdingbar. Dies wird in neueren Arbeiten durchaus gesehen. So unterstreicht Boase-Beier (2006, 114) die Bedeutung von Stilfaktoren für die Literaturübersetzung, für ihn ist diese „the translation of style because it is the style of a text which allows the text to function as literature“. Baker (2000, 245) gibt eine recht weit gefasste Definition von Stil im Kontext der Literaturübersetzung: „In terms of translation, rather then original writing, the notion of style might include the (literary) translator’s choice of the type of material to translate (…) and his or her consistent use of specific strategies, including the use of prefaces or afterwords, footnotes, glossing in the body of the text, etc. More crucially a study of a translator’s style must focus on the manner of expression that is typical of a translator, rather than simply insistances of open invention. It must attempt to capture the translator’s characteristic use of language, his or her individual profile of linguistic habits, compared to other translators.“ Der Beitrag der Descriptive Translation Studies 79 Baker ist es weniger um übersetzungskritische Problemstellungen zu tun, sie nimmt die Frage der Ermittlung des Individualstils von Übersetzern in den Blick. Ihr Artikel liefert jedoch eine Reihe von interessanten Einsichten in die oftmals unbewusst gewählten sprachlichen Besonderheiten, sie fokussiert „quite subtle, unobtrusive linguistic habits which are largely beyond the conscious control oft he writer and wich we, as receivers, register most subliminally“ (Baker 2000, 24ń). Mit der Frage, welche vom Übersetzer gewählten Lösungen bewusst oder unbewusst gewählt werden, bewegen wir uns freilich auf dem Gebiet des Spekulativen, sie kann damit auch nicht Gegenstand der Übersetzungskritik sein. Die Objektivierbarkeit bei der Etablierung der Stilmerkmale eines Autors oder Textes versuchen die linguistischen Ansätze wie der von Leech/ Short (1981) durch Quantifizierung zu gewährleisten. Zunächst wird die Frequenz bestimmter Stilmerkmale ermittelt, um auf dieser Grundlage das stilistische Profil des Textes zu erstellen. Wenn wir allerdings mit den Hermeneutikern davon ausgehen, dass ein (nicht nur literarischer) Text immer mehr ist als die Summe seiner Elemente, ist dieses Verfahren keine ausreichende Grundlage für die Erarbeitung von Bewertungsparametern mit Blick auf die Literaturübersetzung. Die Unwägbarkeiten in der Beurteilung von Stil und interpretativen Zugriffen auf literarische Texte werden in den semiotischen Ansätze ins Zentrum gestellt, indem die Unhintergehbarkeit von Interpretation an der interpretativen Grundstruktur von Zeichen festgemacht wird. Damit ist die Abkehr sowohl vom Äquivalenzparadigma als auch vom funktionalen Paradigma in der Übersetzungskritik endgültig vollzogen. Se iotis he Zugä ge Um die ganze Tragweite dieses Paradigmenwechsels ermessen zu können, muss zunächst auf die Vorläufer der historisch-deskriptiven und semiotischen Ansätze in der Translationswissenschaft zurückgeblickt werden, unter denen dem in den 30er Jahren von Mukařowský (19ńń, 1967) begründete semiotische Strukturalismus der Prager Schule eine besondere Rolle zukommt. Maßgeblich für die hier nachgezeichneten Entwicklungen ist die Postulierung der sich im Bewusstsein des rezipierenden Subjekts vollziehenden Konkretisationen eines Werkes. Diese Gedanken werden von Levý (19ń9) in den Zusammenhang der Übersetzung gestellt und weitergeführt. Grundlegend ist auch für ihn der Gedanke, dass ein Kunstwerk erst dann realisiert wird und als Kunstwerk wirken kann, wenn es gelesen wird. Auch der Übersetzer wird zunächst als Leser des Kunstwerks verstanden, Levý (ebd., 32) fokussiert also nicht die Erhaltung des Werks an sich, sondern „die Wahrung seines Wertes für den Aufnehmenden“. Von anderen Lesern unterscheidet sich der Übersetzer dadurch, dass er eine Konzeption des Werkes erarbeiten und diese für andere Leser in Sprache fassen muss. Im dreistufigen Rezeptionsmodell der Übersetzung, die sich daraus ergibt, stellt der Akt des Lesens damit die dritte subjektive Transformation des Textes dar. Levýs Modell stellt sich wie folgt dar: – Die Umgestaltung (Konkretisierung) der Wirklichkeit durch den Autor in seinem Werk, – die Auffassung des Übersetzers vom Original und ihr Niederschlag in der Übersetzung, – die Konkretisierung des Lesers bei der Lektüre der Übersetzung. Das im Sinne verallgemeinbarer übersetzungskritischer Modelle Innovative von Levýs Ansatz liegt in der Betonung der interpretativen Freiheit des Übersetzers, die darauf beruht, dass er eine neue Sicht auf das Werk eröffnen kann, indem er einen bestimmten Aspekt betonen oder enthüllen kann (Levý 1969, 53). Wenn er eine anti-illusionistische Übersetzungsstrategie Se iotis he Zugä ge 81 wählt, ist er gefordert, seinen Interpretationsstandpunkt mit Blick auf den Leser zu bestimmen, er kann dann: „von der übersetzerischen Illusion abschweifen, indem er seinen Beobachtungsstandpunkt enthüllt, nicht ein Originalwerk vortäuscht, sondern es kommentiert, bzw, indem er den Leser mit persönlichen und aktuellen Anspielungen ‚anspricht‘“ (ebd., 32). Daraus ergibt sich die positive Bewertung der von ihm vorgenommenen shifts. Levýs Konzept einer das Original durch kreative Abweichungen weiterführenden Übersetzung, die auf die aufnehmende Kultur abstrahlt, ist besonders von den DTS rezipiert worden. Für die Übersetzungskritik ergeben sich aus Levýs konstruktistischen Prämissen weitgehende Implikationen. Bei Levý avanciert die literarische Übersetzung zu einer eigenen Kunstgattung, die zwischen der reproduzierenden und der schöpferischen Kunst angesiedelt ist, wobei das schöpferische Moment darin besteht, die die im einzelnen Werk latent angelegten ästhetischen und ideellen Werte zu aktivieren. Der Übersetzer ist also gehalten, das jeweilige ästhetische Werkkonzept zu berücksichtigen, womit sich seine Leistung objektivier Bewertung entzieht. Statt universeller Kriterien, mit denen in Bezug auf literarische Texte oft weder wissenschaftliche Objektivität noch Vergleichbarkeit erzielt werden kann, optiert Levý für individuelle, an die Poetik des einzelnen Texts angepasste Beurteilungsmaßstäbe. Die Einsicht in den konstruktiven Charakter von Rezeption und Übersetzung sind seit langem im übersetzungswissenschaftlichen Diskurs präsent. Schon von Reiß stammt das Diktum: „Jede Übersetzung ist notwendigerweise auch Interpretation“ (Reiß 1971, 107, Hervorhebung im Original, B.S.), denn der Ausgangstext muss über Wahrnehmung, Identifikations- und Sinnzuschreibungsprozesse erschlossen werden (Siever 2010, 262). Wenn der Interpretationsvorgang ein definitorisches Element des Übersetzens ist (vgl. auch Schreiber 1993, 43), ist damit der Weg zu einer semiotischen Herangehensweise an die Übersetzung geebnet, insbesonder der Peirce’schen Semiotik, die die Notwendigkeit der Interpretation in der Natur des Zeichens selbst verankert sieht. Eine Rezeption semiotischer Konzepte ist in der Translationswissenschaft seit späten 70-er Jahren zu verzeichnen (vgl. Wilss 1980, 7-9). In dieser Zeit etablierte sich die Semiotik in den als Metawissenschaft und ist in der Philologie inzwischen zu einer Art Leitwissenschaft geworden (vgl. Albrecht 2005, 33). In der Übersetzungswissenschaft wurd sie als „die Gesamtheit aller Wissenschaften, die Vorgange untersuchen, an denen Zeichenprozesse beteiligt sind“ (Posner 1977, 4f), fruchtbar gemacht. Bereits Otto Kade (1973, 184) hatte die Übersetzungswissenschaft als „linguo-semiotische Disziplin“ 82 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK in den Blick genommen und damit den Zeichenwissenschaften zugeschlagen.8 Der in den 30er Jahren von Mukařowský (19ńń) begründete semiotische Strukturalismus der Prager Schule sowie die semiotische Schule von Tartu und Moskau (vgl. Grzybek 1989) haben in den Descriptive Translation Studies (Toury 1994) ihren Niederschlag gefunden. Bassnett hat 1980 (13) die Übersetzungswissenschaft der Semiotik zugeordnet. Eine fundierte semiotisch orientierte Übersetzungstheorie, die auf der Semiotik von Peirce basiert, wurde von Gorlée (1994, 1998, 2004, 2012, 2015) vorgelegt. Im deutschen Sprachraum wurde der semiotische Ansatz insbesondere von Wills (1977, 1980, 1981), Prunč (1988), Nöth (2000) und Siever (2010) aufgegriffen und weiterentwickelt (vgl. Kohlmayer 1997; Stecconi 2000, 2007; Stolze 2003, 2015; Černý 2012, 2013)9, in Polen von Balcerzan (zuletzt 2013). Heute kann mit Fug und Recht von einer Semiotisierung der Übersetzungswissenschaft gesprochen werden (vgl. Siever 2010, 25ff). Grundlage des Eingang semiotischen Denkens in die Translationswissenschaft ist die Auffassung, dass jedes Zeichen eine dynamische Relation zwischen einem materiellen Zeichen (Repräsentamen), einem Objekt und einem Interpretans bildet (vgl. Peirce 1955, 99). Wird ein Zeichen durch ein anderes dargestellt, wird es zum Interpretanten des ersten Zeichens, ein prinzipiell unabschließbarer Vorgang der Semiose. Das Zeichen wird damit als ein „Denkelement“ aufgefasst, „das vermittelt, indem es mental repräsentiert“ (Stolze 201Ń, 148), es steht für ein Objekt, „aber das, was im Geist erzeugt wird – also der Interpretant – ist zugleich eine Deutung der Idee, die der Interpretant aus dem Objekt herleitet.“ (Černý 2012, 243) Menschliches Denken wird somit in der Semiotik als Zeichenprozess verstanden, in dessen Zuge ein Zeichen mit Sinngebung angereichert wird und dadurch erst zu seiner vollen Entfaltung gelangt (vgl. Prunč 2003, 123). Damit aber stellt sich – folgt man Peirce – das Denken als ein permanenter Übersetzungsvorgang dar, der sich in triadischen Schritten vollzieht und nie zuende gebracht werden kann. In der basalen Einsicht in die interpretatorische Grundstruktur des Zeichens ergeben sich Berührungspunkte von Semiotik und Translationswissenschaft. Der Bezugsrahmen für den semiotischen Zugriff auf die Übersetzung ist der interpretatorische Abstand von Interpretant und dem Zeichen, das er substituiert. Im semiotischen Konzept von Translation werden Original und Übersetzung beide als komplexe Zeichen verstanden, die der Inter________________ 8 Nöth (2000, 323) fasst Sprach- und Übersetzungswissenschaft als Schwesterdisziplinen auf, als deren Grundlagenwissenschaft die Semiotik fungiert. 9 Zum Problembereich Semiotik und Übersetzen vgl. auch Albrecht 200Ń, 173ff. Se iotis he Zugä ge 83 pretation offenstehen und dabei in die Semiose der jeweiligen Kultur integriert sind. Die prinzipielle Unabschließbarkeit der Bedeutungsbildung greift also auf die Übersetzung über, die ebenfalls als offener und dynamischer Prozess gedacht wird. So verstanden, beruht auch die Übersetzung auf einer infiniten Bedeutungsbildung, „in deren Verlauf Verstehen und Übersetzen emergieren.“ (Siever 2010, 2ńŃ) Bereits Eco (198Ń, 13) schreibt: „Die Peircesche Idee der Semiose ist die Idee eines unendlichen Interpretationsprozesses“ (vgl. ebenfalls Eco 2006a, 272; 1998). Prunč (1998; 2003, 124) fasst die Übersetzung als ein „Wachsen der Zeichen durch Semiose und deren kreative Neuinterpretation in jedem Akt der Translation“ auf. Von dieser Warte aus ist das semiotische Konzept an übersetzungstheoretische Überlegungen anschließbar – im Grunde sind beide Begriffe sogar miteinander identisch, ist doch der Interpretant bereits bei Peirce „a fully semiotic translation“ (Gorlée 2004a, Ń8), womit er einen sehr weiten Begriff von Übersetzung ins Spiel bringt. Gorlée (ebd., 59) entwickelt, um den Übersetzungsprozess zu bezeichnen, den Begriff der „semiotranslation“. Mit diesem Terminus soll herausgestellt werden, dass die Peirce‘sche Auffassung der Semiose einerseits ein Paradigma für die (Zeichen-)Übersetzung bereitstellt und andrerseits die Übersetzung den Vorgang der Semiose veranschaulicht. Für die Übersetzungskritik hat der semiotische Zugriff dreierlei Folgen, die wiederum auseinander herzuleiten sind: 1) er zieht eine grundlegend andere Auffassung von der Relation zwischen Ausgangstext und Zieltext nach sich, die nicht mehr nach Äquivalenzen sucht, sondern nach interpretatorisch relevanten Differenzen zwischen Original und Translat, 2) die Übersetzungskritik selbst kann als Fortführung der interpretatorischen Bedeutungsbildung (der Semiose) aufgefasst werden 3) der semiotische Ansatz bedingt ein Hinausgreifen der Übersetzungskritik über reine Textgebilde. Ersteres beinhaltet weitreichende Implikationen für den Bewertungsrahmen der Übersetzungskritik, zielt sie doch nicht auf ein fertiges Produkt, sondern auf eine Arretierung der unendlichen Semiose. Zum anderen ergibt sich daraus ein grundlegend anderes Verständnis von Kritik und Bewertung, denn indem er auf der interpretativen Grundstruktur der Zeichen aufbaut, erzwingt der semiotische Ansatz in der Übersetzungskritik eine Abkehr vom Äquivalenzparadigma.10 Der semiotische Ansatz wird ge________________ 10 Zwar verwendet Gorlée den Begriff Äquivalenz, allerdings in einem sehr umfassenden Sinne (vgl. Gorlée 2004a, Ń4). 84 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK nutzt, um auf einem interpretativen Raum abzuheben, der sich zwischen Original und Zieltext auftut: „In the process of metaphorical translation, the proposed equivalence between original and likeness does not stay the same. The replicas are semioticized and resemioticized in time and space – whatever remains is but an alogical shade of fidelity“ (Gorlée 2012, 219). Damit kommt es bei der Translation auf das Wachsen der Zeichen durch Semiose und deren kreative Neuinterpretation in jedem Akt der Translation an, nicht aber auf die Herstellung von Äquivalenzbeziehungen zwischen Ausgangs und Zieltext. Die im Translat enthaltenen Informationen werden nicht in ihrer Äquivalenz, sondern ihrer Differenz zum Ausgangstext bestimmt und bewertet, damit werden Äquivalenzen nicht nur dynamisiert, sondern als Bewertungsrahmen von konstruktiven, d.h. interpretativen Differenzen abgelöst. Die für die Übersetzung grundlegende Differenz wird als „temporal, spatial and communicative displacement“ bestimmt (Gorlée 2004a, ń0). Die zeitliche Differenz rührt daher, dass die Übersetzung immer zeitlich nach dem Ausgangstext entsteht, die Sprachdifferenz entsteht dadurch, dass eine andere Sprache verwendet wird, und die Kontextualisierungsdifferenz bezeichnet das Faktum, dass der Zieltext sich in einer anderen Kultur und zu einem anderen Zeitpunkt an einen anderen Adressaten wendet (vgl. Siever 2010, 263). In dieser Forderung schlägt die Übersetzungskritik einen Bogen zu der von Jakobson formulierten Einsicht, das sprachliche Grundproblem sei „equivalence in difference“ (Frawley 1984a, 1ń9). Die Idee einer unheilbaren Differenz ist nun freilich im Nachdenken über Übersetzung nichts Neues. Sie kommt bereits in Schlegels Theorem der „unendlichen Annäherung“ zum Tragen und wird dort sowhl interlingual als auch intralingual aufgefasst. Der Rezipient einer Aussage – so Schlegel – kann sich der Identität der von ihm interpretierten Bedeutung mit der vom Sprecher gemeinten Bedeutung nie ganz sicher sein, sondern bleibt darauf angewiesen, sich in seinen fortlaufenden Interpretationen der sprecherseitig intendierten Bedeutung anzunähern (vgl. Siever 2010, 27Ńf). Von Derrida (1967) wurde diese Position bekanntlich zur These der unendlichen Sinnverschiebung radikalisiert. Während der dekonstruktivistische Ansatz von Derrida und de Man letztlich im Postulat der Unübersetzbarkeit mündet (vgl. Zima 1994), da die Wörter aufgrund der den Wortbedeutungen inhärenten Ambivalenz nie auf einen Sinn fixiert werden können (vgl. Stolze 2001, 36), liegt dem semiotischen Ansatz die Annahme der prinzipiellen Übersetzbarkeit von Zeichen zugrunde. Diese wird auch von Gorlée veranschlagt und im Diktum festgeschrieben: „the translatibility comes first“ (Gorlée 1994, 1Ń3). Se iotis he Zugä ge 85 Die semiotische Sicht auf die Übersetzung verabschiedet das Konzept von Kritik als einem auf ein fertiges Proodukt gerichtetes Handeln, sondern versucht sie in ihrer Vorläufigkeit zu erfassen, die mit der Unabgeschlossenheit der Übersetzung korrespondiert. Gerade aufgrund der angenommenen allumfassenden Semiose, in der die einzelnen Texte nur vorläufige Arretierungen darstellen, sind semiotische Ansätze für die Übersetzungskritik nur schwer operationalisierbar. Wenn jede Übersetzung als Etappe des Semiose-Prozesses aufgefasst werden kann, impliziert der semiotische Ansatz überdies auch die Idee eines Fortschritts, den jede Neuübersetzung gegenüber bereits vorhandenen Übersetzungen darstellt: „a translation is never finished and can always be improved upon“ (Gorlée 2004a, Ń9). Gorlées Ansatz stellt damit den kreativen, innovativen Aspekt von Übersetzungen heraus. Insofern ist der terminologische und epistemologische Kurzschluss von Semiose und Übersetzung problematisch, da es nicht immer der Fall ist, dass neue Übersetzungen zweifelhafte, missverständliche oder falsche Übersetzungslösungen ablösen. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass schwer zu präzisieren ist, wann eine Übersetzung im Sinne des semiotischen Ansatzes als gelungen zu bewerten ist. Gorlée (1994, 14) ordnet Übersetzungen als semiotisch äquivalent ein, wenn ihre interpretatorische Analyse weitgehend kongruent ist und nur eine Semiose zulässt. Dieses Bewertungskriterium ist allerdings etwas unscharf und gibt vielen Unwägbarkeiten Raum. Folgenschwer für übersetzungskritisches Denken scheinen mir weitere Implikationen des semiotischen Ansatzes zu sein: Indem Zeichen als „Denkelemente“ (Stolze 201Ń, 148) aufgefasst werden, die nicht nur vermitteln, sondern den Gegenstand auch mental repräsentieren, wird nicht nur Bedeutungsbildung dynamisiert, vielmehr wird im Übersetzungsprozess auch die Grenze zwischen Text und Metatext (Popowič 197Ń, 30ff) verflüssigt. Dieses Schwenken auf die Metaebene, in dem der Übersetzer seine interpretative Freiheit nutzt, um von der übersetzerischen Illusion abzuschweifen und seinen Beobachtungsstandpunkt zu enthüllen oder das Originalwerk zu kommentieren, wurde bereits von Levý (19ń9, 32, Ń3) als anti-illusionistische und House (1997) als offene Übersetzung benannt. Tymoczko (2007, 33f) und Balcerzan (1998, 174f, 179) ordnen das Kommentieren und Zitieren der Vorlage, das seinen eigenen Zitatcharakter ausstellt, der modernen und postmodernen Übersetzung zu (vgl. Preda 2001, 7Ń). Wenn also Gorlée (201Ń) von der „glassy essence of intersemiosis“ schreibt, mit der es der Übersetzungskritiker angesichts dieser relativierenden, ironischen, autoreferentiellen Übersetzungspraxis mit ihrer intertextuellen Abundanz und 86 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK proliferierenden Bedeutung zu tun bekommt, so kennzeichnet sie ein Phänomen, das schon Steiner (1975, 253) umriss: als Übersetzung „of imitation, recreation, variation, interpretative parallel. It covers a large, diffuse area, extending from transpositions of the original into a more accesible idiom all the way tot he freest, perhaps only allusive orparodistiv echoes …“. Wie Steiner – aber von ihrer semiotischen Warte her – schreibt sie es dem ontologischen Status von Übersetzungen zu. Gerade postmoderne Übersetzungskonzepte greifen sowohl essentielle Bedeutung als auch den ontologischen Status von Übersetzung an, indem sie Übersetzung nur noch als Aushandlungszone von Differenzen, nicht aber als Repräsentation des Originals gelten lassen (vgl. Gorlée 2004, ń0). Die Grundspannung von Original und Übersetzung, aus der sich die Übersetzungskritik speist, wird damit in den allumspannenden Intertext hinein aufgelöst. Damit vollziehen die semiotischen Ansätze einen Paradigmenwechsel in der Übersetzungskritik, der insbesondere durch die von der Postmoderne kontaminierte Übersetzungspraxis erzwungen wird. Zweiteres hat Auswirkungen für das Selbstverständnis der Übersetzungskritik und die daraus ableitbare Relation zwischen Kritiker und dem zu bewertenden Translat. Der semiotische Ansatz erlaubt es, beide in einem begrifflichen Rahmen zu integrieren – Übersetzung und Übersetzungskritik werden als Miteinander und Ineinander von prinzipiell unabschließbaren Interpretationsprozessen aufgefasst. Indem beide als in den Prozess der Semiose eingebunden verstanden werden, stehen Übersetzung und Kritik einander nicht mehr in Opposition gegenüber, sondern werden auseinander entfaltet. Insofern ist in den semiotischen Ansätzen ein partnerschaftliches Verständnis von Übersetzungskritik angelegt. Die Kehrseite ist jedoch, dass beide – Übersetzer und Kritiker – in denselben Prozess der Bedeutungsbildung involviert sind – es gibt also für die Evaluierung sozusagen keine Außenposition – Übersetzer und Kritiker agieren beide im offenen Raum der Bedeutungen, der „glassy essence of intersemiosis“ (Gorlée 201Ń). Von daher erklärt sich Gorlées (2012) Affinität zu Wittgenstein (1984, 67) – auch für den Semiotiker sind die Grenzen der Sprache (als Sprachspiel) die Grenzen der Welt. Weitreichende Konsequenzen für das Selbstverständnis der Translationswissenschaft und die Translatkritk hat dritteres, die Ausweitung des Gegenstandsbereichs, die sich aus den Prämissen der Semiotik ergibt. Hier bietet Jakobsons (1959/66) Trias von intralingualer, interlingualer und intersemiotischer Übersetzung einen ersten theoretischen Rahmen. Als intersemiotische Übersetzung fasst Jakobson Medienwechsel wie beispielsweise die Umsetzung eines Textes in einen Film. Sie nimmt visionär die Einsicht Se iotis he Zugä ge 87 voraus, dass ein umfassender Translationsbegriff nicht auf wort- (oder text)basierte Transferprozesse bezogen werden kann, sondern auch andere Zeichensysteme miteinbezieht. Toury (1986) erweitert Jakobsons Typologie und unterscheidet zwei Translationstypen: die intrasemiotische und die intersemiotische. Die intersemiotische Translation heißt Translation aus einer Sprache in eine Nichtsprache (language to non language), die intrasemiotische Übersetzung wird unterteilt in intersystemische, d.h. interlinguale und intrasystemische Translation, d.h. intralinguale Translation (Hochsprache, Dialekt). Obwohl Tourys Konzept für viele intersemiotische und intersystemische Translationen weiter ausgearbeitet werden kann, grenzt seine Definition der Translation „Translating is a series of operations whereby one semiotic entity is transformed into, and replaced by, another entity, pertaining to another (sub-)code or semiotic system“ (Toury 1986, 1112), polysemiotische Texte aus. Intersemiotische Übersetzungen sind mit dem äquivalenztheoretischen Paradigma nicht zu greifen, denn für die Linguistik stellt beispielsweise der Film und seine bildbasierte Filmsprache keine Sprache im eigentlichen Sinne dar. Die Semiotik hingegen stellt textbasierte und bildbasiere „Sprachen“ als gleichwertige Zeichensysteme einander gegenüber. Daher ist die semiotisch orientierte Translationstheorie, die intersemiotische Übersetzungen in denselben begrifflichen Rahmen stellt wie den Sprachentransfer, der einzige übersetzungstheoretische Ansatz, der den Herausforderungen der neuen Medienrealität gerecht zu werden vermag. Gerade in den angesprochenen Bereichen werden semiotische Ansätze daher gerne aufgegriffen. Der semiotische Ansatz beschränkt sich damit nicht auf Übersetzungsprozesse zwischen natürlichen Sprachen. Darüber, dass das linguistische Paradigma den modernen Übersetzungsproblemen nicht mehr angemessen ist, besteht in der Translationswissenschaft – auch von linguistischer Seite – weitgehend Konsens. So schreibt beispielsweise Albrecht (1998, 6), die Forschung habe „längst eingesehen, dass Übersetzen weit mehr als ein rein sprachlicher Vorgang ist und dass folglich die Sprachwissenschaft nur zum Teil für die Lösung der theoretischen und praktischen Probleme der Übersetzung zuständig sein kann.“ Die Semiotisierung der Übersetzungswissenschaft als umfassende Translationwissenschaft bringt daher eine beträchtliche Ausweitung des Übersetzungsbegriffs mit sich. Der Übersetzungsvorgang wird als Relation zwischen Zeichen verstanden, es werden weder Wörter, Sätze noch Texte übersetzt, sondern Zeichen unterschiedlicher Komplexitätsstufen und verschiedener Zeichensysteme. Auf die Gefahr einer Entgrenzung des Gegen- 1. MODELLE UND ANSÄTZE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK 88 standsbereichs der Übersetzungswissenschaft weist Erich Prunč (2001, 30ń) hin und plädiert für eine Eingrenzung des Translationsbegriffs auf rein sprachlichen Transfer.11 Eine solche Selbstbescheidung nimmt es allerdings in Kauf, dass Bereiche wie die medial gebundene Formen des Übersetzens wie die Synchronisation oder Untertitelung von Filmen oder beispielsweise das die Audiodeskription oder das Gebärdendolmetschen, das sich durch den Transfer von natürlich-sprachlichen Zeichen und Gestenrepertoire auszeichnet, aus dem Gegenstandsbereich des Übersetzens herausfallen. Insgesamt gesehen, wird mit einer solchen Eingrenzung die gegenwärtige Tendenz verleugnet, dass im Übersetzeralltag nicht mehr nur sprachbasierte, sondern zunehmend auch multimediale Texte übersetzt werden (vgl. Kohlmayer/ Pöckl 2004). ________________ 11 Vgl. ebenfalls Prunč (1998, 200ń, 122-125). 2 Die Aus eitu g des Gege sta ds e ei hs de Ü e setzu gsk itik – eue He ausfo de u ge Die Ausweitung des Gegenstandsbereichs der Übersetzungskritik durch neue mediale und ästhetische Formen und Praktiken stellt die Übersetzungswissenschaft vor nicht unbeträchtliche neue Herausforderungen. Bedenken wir, dass wir „Zeugen einer Revolution (sind), die auf einer Vorherrschaft des Auges über das Ohr dringt“, auf einer zunehmenden Dominanz der Bilder über Texte beruht (Flusser 1987, 29; 1997). Nach Flusser (1987, 141) drängen die digitalen Bildercodes der neuen Medien nicht nur Texte und Buchstaben als solche, sondern auch „das sich aufs Alphabeth stützende Denken“ zurück. Dieser Befund muss in Bezug auf die Übersetzungswissenschaft ernst genommen werden, impliziert er doch durch die Bilderflut bedingte neue Weisen der Bedeutungskonstituierung: Texte werden in Bilder „übersetzt“, von Bildern durchdrungen, interagieren mit ihnen, es entstehen hybride Botschaften, die nicht über die Texte allein decodiert werden können. Es erscheint offensichtlich, dass das Problem mit der Einführung des audiomedialen Texttyps durch Reiß (1971) nicht fassbar und schon gar nicht für die Übersetzungskritik operationalisierbar gemacht werden konnte. Der von Reiß eingeführte (und danach wieder zurückgezogene) Typus, der Medium und Modus in eins setzte, stiftete mehr Verwirrung, als bei der Entwicklung von Parametern hilfreich zu sein (vgl. Reinart 2014). Allerdings bezog sich Reiß’ Modell auf ganz andere mediale Gegebenheiten und eine im Verhältnis zu heute völlig andere Übersetzungslandschaft. Heute gewinnt im Zuge der modernen Medienentwicklung der Aspekt der Medialität stark an Bedeutung. Die Entwicklung neuer Technologien wirken sich in Form, Inhalt, Struktur und Medialität auf die Übersetzungsformen aus: Die moderne Translationswissenschaft hat es zunehmend mit Formen zu tun, in denen sich mehrere Zeichensysteme, Darbietungsweisen 90 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK (Modi) und Medien überlagern und miteinander interagieren. Beispiele für multimedial überlagerte Formen der Übersetzung mit einer starken Technologiekomponente sind die Lokalisierung oder Übersetzung von nichtlinearen Hypertexten und Web- oder Internetseiten, die Hörfilmerstellung für Blinde oder Sehbehinderte, das „Re-Voicing“ von Live-Untertitelungen oder die Anpassung von Video-Games an die zielkulturellen Erfordernisse und Gegebenheiten. Semiotischen Grenzüberschreitungen begegnen wir im Film, in Museen und Ausstellungen, und zunehmend auch im Theater. Die Übersetzung für Theater und Oper sowie die Kinderliteratur sind hier noch die traditionellsten Formen, verkomplizieren sich allerdings durch neue mediale Gegebenheiten: Übertitelung und Audiodeskription fürs Theater, Verfilmung von Kinderliteratur, die dann wiederum zur Grundlage neuer Buchausgaben mit neuen, dem Film entnommenen Illustrationen werden, der relativ neue Bereich der Comicübersetzung sowie das Übersetzen von Internetgames, Übersetzen von Netzliteratur – dies sind nur einige Beispiele für mediale und modale Mischformen. Formen der Translation, die in ihrer mündlichen und schriftlichen Form vermischt und medial überlagert sind, stellen eine besondere Herausforderung an die Übersetzung (und damit auch die Übersetzungskritk) dar (vgl. Gerzymisch-Arbogast 200Ń). Mit der herkömmlichen, auf Jakobsons (1959/ńń) Übersetzungstrias ist die Berufspraxis heutiger Übersetzer kaum mehr zu greifen, in der sich diese klassischen Grenzziehungen verwischen und eine eindeutige Zuordnung von Translationsaufgaben nach intra-, interlingualen bzw. intersemiotischen Kategorien nicht mehr möglich ist. „Eindimensionale Translationsszenarien (...) konvergieren heute zu mehrdimensionalen Kommunikationsszenarien mit multilingualen, multimedialen, multimodalen und polysemiotischen Aspekten, deren Bewältigung neben einem entsprechenden Problembewusstsein und Differenzierungsvermögen überaus komplexe, interdisziplinäre Qualifikationen im sprachlichen und technischen Bereich erfordern.“ (Gerzymisch-Arbogast 2005, 23). Mit der zunehmend diskutierten Medialität der Texte steht die Auflösung des Textbegriffs in engem Zusammenhang, die in besonderer Weise in Hypertexte, interaktiven Texten, wie der Netzliteratur zum Tragen kommt (vgl. Prunč 2000, 3-74), in denen auch die Autorfunktion an Bedeutung abnimmt. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die Übersetzungskritik zur Folge, die bislang kaum abzusehen sind. Es ergibt sich somit das Bild einer zerklüfteten, heterogenen Translationslandschaft, die sich kaum mit einer verallgemeinerbaren Methodologie Die Ausweitung des Gege sta ds e ei hs de Ü e setzu gsk itik – neue Herausforderungen 91 erfassen lässt. Auf diese durch die moderne Technik induzierten Veränderung der medialen Dimension von Artefakten richtet sich die Übersetzungswissenschaft nur langsam ein. Zunehmend werden aber die neuen Herausforderungen erkannt, die sich daraus für die Translationswissenschaft und Übersetzungskritik ergeben. Konsens besteht hinsichtlich der Erfordernis, an einer gemeinsamen konzeptuellen Grundlage zu arbeiten (vgl. Gambier 1996, 2). Dabei setzt sich die Auffassung durch, dass der sich derzeit vollziehenden Öffnung der Berufs- und Tätigkeitsfelder des Übersetzens mit einem weiten Translationsbegriff begegnet werden muss. Dieser muss jedoch – wenn er einen applizierbaren Bezugsrahmen für die Evaluierung von Übersetzungsleistungen liefern soll – klar umrissen sein. Von Gerzymisch-Arbogast (2009) wird für hybride Übersetzungsformen der Begriff der „Multidimensionalität“ ins Spiel gebracht, der den semiotischen (auf Zeichensysteme bezogenen) und den medialen Aspekt integriert. Translation bezeichnet also eine Handlung: „bei der das in einem Medium 1 verfasste Original (des geäußerten Anliegens des Sprechers/Hörers) über ein Medium 2 oder mehrere andere Medien in ein anderes Zeichensystem 2 oder mehrere Zeichensysteme übertragen wird. Wesentlich ist dabei, dass ein Anliegen oder Interesse in geäußerter Form vorliegt, dass der Transfer zweckgebunden erfolgt und einen Medien- und Zeichensystemwechsel implizieren kann.“ (Gerzymisch-Arbogast 2005, 25) Ähnlich die Definition von Mudersbach (1985, nach: ebd.): Eine Übersetzung hat das Ziel, das Anliegen eines Sprechers/Schreibers, das mithilfe des Zeichensystems 1 im Medium 1 formuliert wurde für einen Hörer bzw. Leser untereinem bestimmten Zweck mithilfe eines Zeichensystems 2 im Medium 2 verstehbar zu machen. Diese Definitionen erlauben eine Integrierung von semiotischen (als Zeichensystemwechsel, auch die Kombination von sprachlichen und visuellen bzw. akustischen Zeichen) und medialen (Medienwechsel bzw. Medienkombination), und berücksichtigen dabei die Translatfunktion. 92 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Ob sich die multidimensionale Übersetzung als eine eigenständige Disziplin entwickeln wird, oder ihren Platz in der Übersetzungswissenschaft finden wird, ist derzeit noch ungewiss. Die Erschwernisse weit angelegter Forschungen sind im interdisziplinären Charakter der Untersuchungsgegenstände begründet, da auch Studien aus dem Bereich der Medienwissenschaft, Literatur-und Kulturwissenschaft, Linguistik, Soziologie, Psychologie einbezogen werden müssen. Forschungsbedarf besteht bereits hinsichtlich der Ausleuchtung des Grenzbereichs von Übersetzung und Adaptierung – hier sind die Grenzziehungen aufgrund der polysemiotischen Natur der Untersuchungsgegenstände und der nötigen vorgenommenen Änderungen bei ihrer Übertragung diffus. Bis zur Aufstellung von zufriedenstellenden Evaluierungsmodellen scheint es ein weiter Weg zu sein: So betont Zybatow (2009, 202): „Es gibt bis jetzt keinerlei Qualitätskataloge oder Normen für die multimediale Translation“. Im Bestreben, ein generalisierbares systematisches Beschreibungs- und Analyseinstrumentarium für die Untersuchung multimodaler Texte und ihrer Übersetzungen zu entwickeln, sind jedoch in Einzelbereichen Teilergebnisse zu verzeichnen. So setzt sich in der Translationswissenschaft allgemein die Forderung nach einer sorgsamen Beachtung bildlicher, oder typografischvisueller Bestandteile multimedialer Werke durch (vgl. Oittinen 1900, 1993, 1998, 2000, 200ń, 94; O’Sullivan 2006, 113; Thome 2005, 2012, 195ff). So erprobt etwa Kaindl (2004) einen semiotischen Zugriff auf multimediale Formen wie Comic und Oper, Thome (200Ń, 2012) plädiert für einen semiotisch erweiterten interlingualen Textvergleich in der Bewertung der Übersetzungen von Kinderliteratur. Dass es sich hierbei um eine relativ neue Tendenz handelt, belegt der Rückblick auf House (1997, 125), die noch die (sowohl translatorische als auch translatologische) Unerheblichkeit des Bildmaterials konstatiert. Vom Übersetzer ist also zu erwarten, im Einklang mit den verbalvisuellen Relationen der Vorlage zu arbeiten, und für die Translatkritik ergibt sich die Forderung, nicht nur die Transformation von Texten in Bilder begrifflich zu erfassen und systematisch zu behandeln (Siever 2010, 344), sondern auch das Zusammenwirken von Text und Bild (die häufigste Medienkombination) in übersetzungstheoretische Überlegungen einzubeziehen. In der Forschung sind diese bereits recht gut aufbereitet: Wort-BildFiguren können rhetorisch beschrieben werden oder im Hinblick auf die Wechselbeziehungen des ikonischen und symbolischen Codes (vgl. Kloepfer 1976, 41-47). Diese Klassifizierungsversuche (vgl. zusammenfassend Kaindl 2004, 258ff) operieren allerdings auf einem recht hohen Abstraktionsniveau und scheinen für die übersetzungskritische Analyse nur allgemeine Anhaltspunkte zu bieten. Die Ausweitung des Gege sta ds e ei hs de Ü e setzu gsk itik – neue Herausforderungen 93 Operationalisierbarer ist die von Riedemann (1988, 255-258) vorgestellte funktionale Typologisierung des Wort-Bild-Zusammenhangs: Er unterscheidet – visuell-verbale Kompatibilität (Informationen von Sprache und Bild sind miteinander vereinbar) – visuell-verbale Kongruenz (Informationen sind weitgehend deckungsgleich) – visuell-verbale Inkompatibilität (Informationen sind unvereinbar) – visuell-verbale Inkongruenz (Informationen auf beiden Ebenen sind zwar nicht deckungsgleich, stehen aber auch in keinem Spannungsverhältnis). Dieses Raster stellt einen guten Ausgangspunkt für die Analyse dar, ist aber etwas zu grobmaschig und lässt wichtige Aspekte außer Acht, zum einen die Dominanzbildung zwischen Bild und Text, und zum anderen die wechselseitige Funktionsübernahme, wobei der sprachliche Textteil etwa durch Typografie die Semantik visualiert oder der bildliche Teil von ikonische in symbolische Zusammenhänge überführt wird. Allerdings sind gerade die wechselseitigen Determinierungen (gegenseitige Eingrenzung oder Ambiguisierung, Ironisierung u.ä.) zu vielfältig, um exhaustiv darstellbar zu sein. Der kurze Überblick macht deutlich, wie schwierig es ist, die Formen und Arten der Verbindungsmöglichkeiten und die dabei ablaufenden Zeichenprozesse in einem für die Übersetzungskritik relevanten und operationalisierbaren Kategorienkatalog zu erfassen. Als zusätzliche Schwierigkeit kommt hinzu, dass die Klassifizierung auch auf narrative Text-BildFormationen (Theaterstück, Oper, Comic, Kinderliteratur) applizierbar sein muss. Kaindl (2004, 2Ń9f) entwickelt deshalb für den Comic folgender übersetzungsrelevanter Klassifikation von „narrativ-funktionalen“ Text-BildRelationen: – visuell-verbale Parallelität – visuell-verbale Bestätigung – visuell-verbale Ergänzung – visuell-verbale Fokussierung – visuell-verbaler Widerspruch – visuell-verbale Identität. Thome (2012, 195) spricht noch expliziter vom „narrativen Muster“, das von Text und Bild gemeinsam konstituiert wird. Ein schlüssiges Beschreibungsmodell für die Analyse bildlicher und sprachlicher Präsentationsweisen und ihrer Verbindungen stellen Kress/ Van Leeuwen (1996, 2006) bereit. Das in Grammar of Visual Design Inventar 94 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK zeichentheoretischer Charakteristika bezieht nicht nur mediensemiotische Ansätze ein, sondern auch den sozialen Kontext, wie er beispielsweise in der Sprachverwendung im konkreten Austausch von Sprecher bzw. Schreiber und Hörer bzw. Leser zum Tragen kommt (Kress/ van Leeuwen 2006, 114ff). Damit wird der wichtige Aspekt der Leistungsfähigkeit von Bildmaterial in der kommunikativen Interaktion sowie der für sie gültigen Konventionen hinzugenommen. Das Modell fußt auf der von Halliday (1978) getroffenen Unterscheidung von drei sprachlichen Funktionen, die sie als darstellend-repräsentativ, kommunikativ-interaktional und textuell beschreiben (Kress/van Leeuwen 2006, 41f). Beim darstellend-repräsentativen Funktionstyp wird zwischen einer narrativen (die Verbindungen der Elemente sind als prozesshafte Ereignisse beschreibbar) und einer konzeptuellen Variante (bestehend aus statischen, zeitlosen Elementen) differenziert. Die interaktive Funktion bezeichnet die Fähigkeit zur Kommunikation, Ausdruck und Verständnis von Einstellungen und Empfindungen, sowohl von Autor und Rezipient, als auch der visuell bzw. textuell dargestellten Akteure (vgl. ebd., 114f). Zwischen ersteren etablieren sich beim Rezipieren direkte oder indirekte Relationen, die als „demand“ oder „offer“ gekennzeichnet werden (ebd., 118f). Die textuelle Funktion bezieht sich auf die Organisation der dargestellten Figuren und der Prozesse, an denen sie teilnehmen. Sodass sie eine in sich kohärente Komposition bilden (ebd., 175ff). Das Konzept kann aus mehreren Gründen als hilfreich für Beschreibung multimodaler Texte gelten: zum einen trägt es den Wechselwirkungen von lingual-symbolischen Codes und ikonischen Zeichen Rechnung, die beide sowohl statisch als auch dynamisch organisiert sein können, zum anderen bezieht es die pragmatisch-funktionalen Konstellationen mit ein, die beispielsweise im Falle der Kinderliteratur konstitutiv für die Rezeption ist. Die Situation des Vorlesens für die jüngere, des Lesens nicht mächtige Rezipientengruppe bedingt nicht nur den „mode“ der mündlichen Darbietung und bringt somit die Notwendigkeit der Erzeugung „fingierter Mündlichkeit“ (Koch/ Österreicher 198Ń, 1990) in der Figurenrede mit sich, sondern wird darüber hinaus durch die Text-Bild-Relationen modelliert. Das Vorlesen legt sich als eine Art Meta-Funktion um das mediale Gefüge des multimedialen Textes, erzwingt explizite Text-Bild-Verweise, erzeugt Spannungen, die mal vom Bild, dann wieder vom Text aufgelöst werden. In diesen performativen Subtext passt sich das Umschlagen der Seiten genauso ein wie – oftmals auf das Bild bezogene – Sprechakte wie Fragen, Aufmerksamkeitsfokussierungen oder an den kindlichen Rezipienten gerichtete Handlungsanweisungen. Diese Konstellativität der Rezeption ist in der Übersetzung zu berücksichtigen. Die Ausweitung des Gege sta ds e ei hs de Ü e setzu gsk itik – neue Herausforderungen 95 Dieses Erzählen in Text und Bild (Oittinen 2006) stellt aber nicht das einzige – wenn auch aus übersetzungskritischer Sicht weitaus interessanteste – Problemfeld der Übersetzung von Kinderliteratur und Comics dar. Hinzu kommt die Notwendigkeit des cultural filtering, dessen Schwierigkeit durch das Text-Bild-Gefüge potenziert wird. Einen weiteren Problemkomplex stellen die in Rechnung zu stellenden Normen der Zielkultur dar, wobei zu den sprachlichen und ästhetischen sittliche und ethische Normen im Sinne einer political correctness hinzutreten, die wiederum in präskriptive Vorstellungen (als Metanormen) davon eingebettet sind, was Kinderliteratur zu leisten hat – ob ihr eine edukative (auch im Sinne einer subversiven Erziehung wie häufig in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur) oder unterhaltende Funktion zukommt. Die wahrscheinlich am wenigsten konkretisierbare Bewertungskategorie für die Übersetzung von Kinderliteratur ist die Anpassung der verbalen Ebene an den Stil der Zeichnungen, die meines Wissens in der übersetzungswissenschaftlichen oder übersetzungskritischen Literatur überhaupt keine Erwähnung findet. Dies zeugt m.E. davon, dass wohl die Illustrationen, nicht aber) der Illustrator eines Kinderbuchs als gleichberechtigter Akteur wahrgenommen wird, der seine eigene Strategie verfolgt und Stillage des Textes (einen ironischen, munteren oder „gefühligen“, archaisierenden Grundton) entscheidend mitgestaltet. Es sei an dieser Stelle erlaubt, das Beispiel von Enzensbergers (201Ń) Neuübersetzung des Kleinen Prinzen von Antoine de St. Exupéry zu erwähnen, deren burschikoser, forciert moderner und forscher, subversiver Grundton nicht recht zu den zarten, anspielungsreichen Zeichnungen des Autors passen will. Der Neuübersetzung von Sloterdijk (2015) sind Zeichnungen des Comic-Zeichners Nicolas Mahler beigefügt, die in ihrem reduzierten Charakter sehr gut dem Abstraktheitsgrad des Textes entsprechen (vgl. Sommerfeld 2016a, im Druck). Thome verfolgt in der übersetzungskritischen Analyse von Kinderliteratur einen semiotischen Ansatz. Eine adäquate Untersuchung illustrierter Kinderbücher erfordert eine umfassende Perspektive, die verbale und nonverbale Komponenten – einschließlich Farbe und Typografie (vgl. Thome 2012, 190) – als gleichwertig betrachtet. Semiotisch ausgedrückt werden sie als Zusammenspiel linear-sequenzieller symbolischer und ganzheitlichsimulataner ikonischer Zeichen verstanden, die sich wie in allen multimodalen Texten „je nach den ihnen zugedachten Leistungen zu einer stets ganz besonderen Darstellungsform verknüpfen, bei der sich im Idealfall linguale und piktoriale Anteile stützen oder einander ergänzen und so zu einem kohärenten Gesamtkommunikat verschmelzen“ (Thome 200Ń, 1f). In semiotisch erweiterten interlingualen Textvergleichen führt sie vor, dass das in 96 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK der Vorlage bestehende Verhältnis von Bild und Text gestört wird, wenn es zur Wahl mit der nonverbalen Darstellung nicht konformer Benennungen kommt, was wiederum irritierende Verletzungen des ausgangstextuell vorgegebenen narrativen Musters zur Folge hat. Solcherlei übersetzerische Verstöße sind aus semiotischer Sicht besonders gut greifbar (vgl. Thome 2012, 195). Thome (ebd., 211) regt dazu an, die Erfahrungen mit Kinderbuchübersetzungen für die angemessene Wiedergabe auch anderer als SprachBildverbindungen angelegter Textformen zu nutzen und diese gleichfalls einer fundierten Qualitätsbeurteilung anhand auch semiotischer Kriterien zu unterziehen. Daraus ergibt sich die Forderung, über den in der Übersetzungskritik erarbeiteten Katalog der durch die Gegenüberstellung von Ausgangs- und Zieltext gewonnenen pragmatischen und sprachlichen Äquivalentindikatoren hinaus auch zeichentheoretische Gesichtspunkte in die Bewertung einzubeziehen. Audiovisuelle Ü e setzu g Während insgesamt hinsichtlich der Übersetzung multimedialer und multimodaler Texte Theoriebedarf besteht, ist die Übersetzung von Filmen ein bereits recht gut erschlossenes Forschungsfeld (Gambier 1996, 2001; Reinart 2009, 2014. 261ff; Pisarksa/ Tomaszkiewicz 1998, Korycinska-Wegner 2008, 2011, 2012). Bereits bei anderen Formen der audiovisuellen Übersetzung wie beispielsweise der Übertitelung im Theater sieht die Forschungslage weit dürftiger aus (vgl. Bunk 2014, 231; Griesel 2007, 9). Dies mag verständlich sein, geht man davon aus, dass vor allem die Untertitelung im Film in der Übersetzungspraxis verbreiteter ist als andere Formen. Hier ist in den vergangenen Jahren ein immer größerer Markt entstanden, auch in Deutschland, und dies, obwohl Deutschland generell eher der Synchronisationsländern zugeordnet wird (vgl. Vögel 1977, 121). Ein eigener, sich dynamisch entwickelnder Bereich der audiovisuellen Übersetzung ist die Untertitelung von Filmen für Gehörgeschädigte oder – lose (vgl. Reinart 2009, 152). Diese Art von Untertitelung wird nicht nur bei der interlingualen Übersetzung benötigt, sondern auch bei einheimischen Produktionen und sind speziell auf die Bedürfnisse dieser Gruppe abgestimmt. So müssen neben Dialogen auch Geräusche verschriftet werden und die Sprecher (z.B. durch unterschiedliche Farben für die Akteure) kennlich gemacht werden. Als Versprachlichung nicht-sprachlicher Kodes sind ist die Untertitelung für Gehörlose daher als eine Form der intersemiotischen Übersetzung einzustufen. Bei der interlingualen Untertitelung hingegen tritt die Darbietungsform (der Wechsel von Mündlichkeit zu Schriftlichkeit) in den Fokus, der von House (1997) als „mode“ in ihr übersetzungskritisches Modell einbezogen wird. Der Wechsel des Modus liegt allerdings nicht in demselben Maße vor, wenn dem Übersetzer ein Dialogbuch vorliegt, das dem Konzept nach als gesprochensprachlich angelegt ist. Hurt/ Widler (1998, 2ń1) definieren Untertitel als „die gekürzte Übersetzung eines Filmdialoges, die synchron mit dem entsprechenden Teil des 98 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Originals auf dem Bildschirm bzw. auf der Leinwand zu sehen ist“. Mit dieser Definition werden bereits die wichtigsten Anforderungen an die Untertitelung umrissen: – Kürze bzw. Kompaktheit, – Synchronität, – Gesprochensprachlichkeit bzw. Mündlichkeit. Wird eine Untertitelung bewertet, so wird zumeist die Erfüllung dieser zunächst durch die medialen Dispositive des Films bedingten Kriterien zugrundegelegt. Die Notwendigkeit der Reduktion ergibt sich daraus, dass beim Erstellen von Untertiteln eine Transposition von gesprochener in geschriebene Sprache erfolgt, in der Regel aber Gehörtes schneller verstanden als Verschriftetes gelesen werden kann. Zudem können im Orignal Bild und akustisches Signal gleichzeitig verarbeitet werden, während die graphischen Informationen der Untertitel und die visuellen Informationen des Bildgeschehens über den gleichen Kanal verarbeitet werden und somit zeitversetzt rezipiert werden. Daher ist die Linearität der Wahrnehmung entscheidend für die Anforderungen an die Textlänge (vgl. Reinart 2009, 153). In Rechnung gestellt werden muss also die Fremdbestimmtheit der Rezeption, denn der Zuschauer kann das Lesetempo – anders als beim Buch – nicht selbst regeln. Zu der zeitlichen Restriktion kommt die Notwendigkeit der flächenrestriktiven Übersetzung, denn auf dem Bildschirm steht nur ein begrenzter Platz für den Untertitel zur Verfügung. Die Synchronisation zwischen Bildgeschehen und Text ist eine Grundanforderung an eine gelungene Untertitelung, da ein größerer zeitlicher Abstand es unmöglich macht zu erkennen, welchem Sprecher ein Dialogpart zuzuordnen ist. Der Notwendigkeit von Kürzungen und Kondensierungen fallen oftmals gerade die Eigenarten gesprochener Sprache zum Opfer, indem insbesondere Abtönungspartikeln weggelassen werden, sodass nur der semantische Kern der Äußerungen erhalten bleibt. Gerade in einer partikelreichen Sprache wie dem Deutschen hat dies fatale Folgen für die Schaffung der Illusion gesprochener Sprache. Damit geraten oftmals die filmtechnisch bedingten Restriktionen in einen Widerspruch zu dem Kriterium der Gesprochensprachlichkeit. Es ist deutlich geworden, dass das Erzielen von inhaltlicher Invarianz bzw. konnotativer Äquivalenz besonders stark mit den pragmatischen Bedingtheiten der audiovisuellen Übersetzung verknüpft ist. Daher wird die Kritik in dieser Art der Übersetzung weitgehend an den technischen Aspekten festgemacht. Es erscheint zwar gerechtfertigt, diesen in der Bewertung bei technisch bestimmten Übersetzungsarten wie der Filmübersetzung Audio isuelle Ü e setzu g 99 einen hohen Stellenwert einzuräumen. Die Translatkritik sollte sich allerdings keineswegs darauf beschränken. Die ausschließliche Fokussierung auf den wahrnehmungsorientierten, pragmatischen Aspekt der Filmübersetzung verstellt den Blick darauf, dass nicht alle übersetzerischen Entscheidungen durch die technischen Bedingtheiten des Filmmediums diktiert sind. Wie bei allen Ausprägungen der interlingualen Übersetzung hat der Übersetzer die Möglichkeit fakultativer shifts, also qualitative Veränderungen am Ausgangstext vorzunehmen, indem er Kernaussagen nicht nur (medienbedingt) semantisch verdichtet, sondern auch abschwächt, eliminiert oder in anderer Form bewusst modifiziert. Hier ist der Übersetzungskritiker zum einen gefordert, zwischen den durch den Modalitätswechsel bedingten Verschiebungen und bewussten stilistischen Eingriffen des Übersetzers zu differenzieren, und zum anderen dazu aufgerufen, Position zu beziehen und seinen Bewertungsmaßstab offenzulegen. Nicht nur in der Wortwahl, sondern auch der Selektion bestimmter Elemente kommen interpretative Eingriffe in die Vorlage zum Tragen, die in der Bewertung entsprechend gewichtet werden müssen. Um aus der Position der Übersetzungskritik heraus zu entscheiden, ob solche Veränderungen in der audiovisuellen Übersetzung zulässig oder wünschenswert sind, ist der Rückgriff auf die von House (1997, 2002) in die Übersetzungskritik eingebrachte Gegenüberstellung von covert und overt translation hilfreich. Während die Synchronisation eine substituierende Methode der Übersetzung darstellt, die das Original gleichsam „verschwinden“ lässt, handelt es sich bei der Untertitelung um ein additives Verfahren, bei dem das Original unangetastet neben der Übersetzung stehen bleibt (vgl. Reinart 2014, 2ń7). Betrachten wir die Untertitelung als „offene“ Übersetzung, so schafft dies Bewertungsspielraum für eigenwillige, nicht unbedingt durch das Medium diktierte Entscheidungen und Strategien des Übersetzers, denn die Qualifizierung als overt translation gesteht dem Untertiteler Freiraum für eigenverantwortliche Eingriffe in die Vorlage zu, die auf der Makroebene Rückschlüsse auf seine Einstellung gegenüber der Vorlage oder auch seinen bewussten Umgang mit den (filmästhetischen) Normen der Zielkultur zulassen. Das Zugestehen optionaler shifts steht allerdings den heute praktizierten, recht restriktiven Anweisungen gegenüber, die in der Praxis in den Style Sheets der Untertitelungsfirmen den Untertitelern an die Hand gegeben werden. Hier werden sie beispielsweise explizit dazu aufgefordert, Schimpfoder Fäkalwörter, ordinär wirkende Redewendungen zu vermeiden und durch Euphemismen zu ersetzen (vgl. ebd., 27ńf). Begründet wird dies damit, dass deren Wirkung in der gschriebenen Sprache eine andere sei als in der gesprochenen. Dies ist allerdings ein Übersetzungsproblem, mit dem wir 100 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK es nicht nur in der audiovisuellen Übersetzung zu tun haben, vielmehr muss der Verschiebung der Wirkungsintensität beim Transfer von als gesprochen konzeptualisierter Sprache ins Schriftmedium bei der Übersetzung zahlreicher (literarischer) Texte Rechnung getragen werden (vgl. Sommerfeld 2015, 111). In vielen Aspekten deckt sich die audiovisuelle Übersetzung somit mit der Übersetzung literarischer Texte im allgemeinen. Daher können bereits bestehende Konzepte aufgegriffen und um die technische Komponente erweitert werden. Hier ist die konzeptuelle Mündlichkeit zu nennen, wie sie im Ansatz von Koch/ Österreicher (1985, 1990; vgl. Sommerfeld 2015, 106ff) entwickelt wird. Auch im Film gehört die betonte Oralität in der Sprache der handelnden Personen zu den künstlerischen Mitteln, um einen Dialog authentisch wirken zu lassen. Der übersetzerische Umgang mit Sprachvarietäten, darunte Soziolekte, als Stilmittel mit ästhetischer Funktion ist ebenfalls für alle Arten der literarischen Übersetzung ein relevantes Bewertungskriterium. Entscheidend für eine gelungene Untertitelung ist, in wieweit der Übersetzer der Multisemiozität der Filmvorlage Rechnung trägt. Zum einen ist diese ein wichtiger Faktor bei den Entscheidungen des Übersetzers darüber, welche verbalen Informationen entfallen können, da sie über den visuellen oder akustischen (Musik, Geräusche) Kanal vermittelt werden. Dies ist jedoch nur einer der Aspekte gelungener Übersetzung innerhalb des multimodalen Felds, wie es das Filmkunstwerk entfaltet. Der Übersetzungskritiker muss dem Umstand Rechnung tragen, dass im Film die Sinnkonstitution nicht allein auf der Basis der Textübersetzung erfolgt. Reinart (2014, 279f) zählt die folgenden Elemente und Faktoren auf: – die weiterhin hörbare Stimme der Protagonisten im Film, – die Artikulation, Tonhöhe, Prosodie der Äußerungen, – die Filmmusik, – die Geräuschkulisse, – andere auditive Merkmale wir zu- oder abnehmende Lautstärke, – Kameraführung, die das Auge des Betrachters lenkt und so ein Gegenstück zur Deixis im Text bildet, – Das Bildgeschehen mit Auftreten, Mimik und Gestik der Schauspieler. Das Zusammenspiel dieser Zeichensysteme hat zur Folge, dass das Kriterium der Kohärenz in der Filmübersetzung nicht allein auf Textebene erzielt werden muss, sondern nonverbale oder parasprachliche Elemente zusammenwirken. Der multisemiotische Charakter des Films beeinflusst damit die übersetzerischen Entscheidungen auf mikro- und makrotextueller Ebene. Audio isuelle Ü e setzu g 101 In der beständigen Interaktion der Zeichensysteme bildet sich der Stil des jeweiligen Filmkunstwerks heraus. Genauso wie eine fundierte Übersetzungskritik literarischer Texte sich auf literaturwissenschaftliche Kenntnisse, muss der Kritiker in der audiovisuellen Übersetzung in der Filmästhetik sattelfest sein, um entsprechend werten zu können, welches Element der Filmsprache welche Wirkung entfaltet. Der Film wirkt als Ganzes, und jedes Elemente muss im Einklang mit dem Filmganzen übersetzt werden. Neben semiotischen Ansätzen können deshalb auch hermeneutische zu relevanten Resultaten führen (vgl. KoryciĦska-Wegner 2008, 2011, 2012). Es soll im Folgenden deshalb ein vierstufiges Modell zur Bewertung von Untertiteln zur Disposition gestellt werden, wobei zu jeder der Bewertungsstufen Leitfragen gestellt werden: 1. Tut die Übersetzung den medienspezifischen Anforderungen an die Rezeption Genüge? (Einblendezeit, Anpassung des Textumfangs der Untertitel an die Lesegeschwindigkeit des Publikums) 2. Ist eine inhaltsgetreue Übersetzung erzielt worden? (Beschränken sich die Komprimierungen auf das erforderliche Maß?) 3. In wieweit ist es gelungen, natürlich klingende Dialoge zu schaffen? 4. Wie geht der Übersetzer Entscheidungen mit dem multisemiotischen Charakter des Filmkunstwerks um? (Trifft er die richtigen Entscheidungen zu Kürzungen oder Auslassungen, die durch das Bild- oder Tongeschehen kompensiert werden? Übersetzt er im Einklag mit dem Bild oder der akustischen Ebene des Films? Mit den filmästhetischen Mitteln?) Audiodeskription Bei der Audiodeskription liegt ein Wechsel des semiotischen Systems vor, indem für Sehbehinderte nicht zugängliche optische Informationen – bei Filmen und Theaterstücken also Handlung, Aussehen der Personen, Gesichtsausdruck, Ausstattung und Kostüme – zusammengefasst verbalisiert und in die Dialogpausen eingeblendet werden, ohne dabei wichtige Ton- und Musikpassagen zu übersprechen. Diese Form der intersemiotischen Übersetzung hat sich in der Praxis zunehmend etabliert, trotzdem muss zuweilen immer noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, um der Audiodeskription innerhalb der Translationswissenschaft den ihr gebührenden Platz einzuräumen. Forschungsbedarf besteht auch im Bereich der Audiodeskription von Werken der bildenden Kunst, einer Form der intersemiotischen Übersetzung, die in der Praxis zunehmend Anwendung findet, sich in der Forschung allerdings noch nicht als eigener Problembereich etabliert hat. Die Audiodeskription von Kunstwerken, die für Museen erarbeiteten und übersetzten Audio-Guides sowohl für Sehende als auch Sehbehinderte stellen auch für die Übersetzungskritik ein Terrain bereit, das bislang noch wenig beschritten wurde. Derzeit wird an in der Audiodeskription von Filmen an der Entwicklung von europäischen Richtlinien für Hörfilme gearbeitet. Ein Katalog von Evaluierungskriterien wurde bislang nicht erstellt. Insgesamt ist die Übersetzungskritik in der Bewertung der Übersetzungsleistungen oft hilflos. Dies wird dadurch verstärkt, dass es in diesen Betätigungsfeldern oft an Professionalisierung mangelt – ein Umstand, der wiederum auf ein fehlendes Problembewusstsein für diese Bereiche und damit auf den mangelnden theoretischen Unterbau verweist. Ein Problem ist auch, dass das kritische Feedback seitens der Rezipienten fehlt, die weit weniger als sensorisch nicht Eingeschränkte in Internetforen aktiv werden. Das Feuilleton nimmt sich nur in Ausnahmefällen der Audiodeskription (und dann auch nur bei Filmen) an, sodass fast der gesamte kri- Audiodeskription 103 tische Response wegbricht, der die Qualitätssicherung immer wieder anstößt. Audiodeskriptoren beklagen oft, dass sie nicht wissen, wie ihre Arbeit von den Rezipienten angenommen wird. Es wird zwar – zumindest ist dies in Deutschland Standard – mit Blinden zusammengearbeitet, die zwar im Deskriptionsprozess wichtige Rückmeldungen über die Verständlichkeit und Kohärenz der Beschreibungen geben, und auch die Redakteursposten bei den Rundfunkanstalten sind zum Teil mit Blinden oder Sehbehinderten besetzt, diese treten damit dann allerdings aus der Position eines Kritikers heraus und werden zu Akteuren im Produktions, sprich: (Translations-)prozess. Die Übersetzungskritik ist in der Audiodeskription somit bislang – wie ich aus Gesprächen mit Audiodeskriptoren der Deutschen Vereinigung der Filmbeschreiber Hörfilm e.V. erfahren habe – praktisch nicht existent. Vonnöten ist eine engere Verzahnung von Theorie und Praxis. Hier sind Workshops und Fachseminare sinnvoll, wie das Seminar „Obraz słowem malowany” (Bilder mit Worten gemalt), das vom 4.–6. Mai 2016 im Institut für Germanischen Philologie der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan stattfand. Im Dialog von Praxis und Theorie und länder- und sprachenübergreifend arbeiteten deutsche und polnische Audiodeskriptoren und Translationswissenschaftler gemeinsam an der Erarbeitung von Qualitätsstandards. Auch in der Audiodeskriptionsforschung ist eine starke Konzentration auf medientechnische und pragmatische Aspekte zu verzeichnen, womit sich Vergleichspunkte insbesondere mit der Untertitelung von Filmen ergeben. In Bezug auf die räumlichen und zeitlichen Restriktionen ist die Audiodeskription der Untertitelung in etwa vergleichbar, denn da die auditive Vermittelung der visuellen Informationen in die Dialogpausen eingepasst werden muss, ergibt sich eine medientechnisch bedingte Notwendigkeit der Informationsselektion bzw. -kondensierung (vgl. Benecke 2014). Der Notwendigkeit der Selektion, Kürzung und Kondensierung steht die durch den Medienwechsel bedingte Erfordernis der Informationsanreicherung und Explizitierung gegenüber. Zwischen diesen beiden Polen muss der Filmbeschreiber – ähnlich wie der Untertiteler – abwägen. Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Krierien für die Kondensierung bzw. Selektion von Informationen. Während bei der Untertitelung Auslassungen in jedem Moment durch die nonverbalen Elemente des Filmganzen aufgewogen werden können, besteht bei der Audiodeskription das Problem der Auswahl relevanter Information zum Aufbau eines notwendigen kontinuierlichen Textzusammenhangs bei den Rezipienten, die wohl akustische, aber nicht visuell dargebotene Informationen aufnehmen können. Daraus folgt, dass bei der Audiodeskription die Selektion der Informationen nach Kohärenzgesichtspunkten vor sich gehen muss. Wie bei allen 104 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Arten der audioviesuellen Übersetzung muss das Kriterium der Kohärenz nicht allein auf Textebene erzielt werden, vielmehr spielen nonverbale (Geräusche, Musik) oder parasprachliche Elemente bzw. Faktoren (Tonhöhe oder Intonation, Lautstärke, Prosodie) zusammen. Aus der Multisemiotizität des Filmmediums ergibt sich die Forderung nach der Stimmigkeit des eingesprochenen Textes mit den übrigen semiotischen Systemen. Zu den pragmantischen Faktoren der Filmbeschreibung gehört dazu in ganz besonderem Maße die Präsupposition in Bezug auf Erfahrung und Wissen der Rezipienten – dazu gehören neben dem Aussehen von Personen und Gegenständen auch Vorstellungen von Raum, Entferung und Perspektive, die bei Blinden und Sehbehinderten oft nur rudimentär vorhanden sind. So muss einem von Geburt an Blinden die Deixis oder die Perspektive anders beschrieben werden als einem Menschen, der über das Wissen verfügt, dass Menschen aus der Ferne betrachtet, „kleiner“ werden. Um auf der pragmatischen Ebene adäquat zu sein, muss die Audiodeskription also um ein Vielfaches mehr an Kontext liefern. Beschreibungen oder Vergleiche laufen oft am Rezipienten vorbei, wenn sie nicht mit dessen internen Bilderund Vorstellungsfundus übereinstimmen. Das Problem wird bei der Audiodeskription für Geburtsblinde oder blinde Kinder besonders virulent. Die Kontextualisierung von Wahrnehmungsinhalten muss jedoch nicht nur in Bezug auf ein allgemeines „Weltwissens“ erfolgen, sondern auch im Hinblick auf das Formenrepertoire des Films und dessen spezifische Art zu erzählen (vgl. Kargl 2006). Wenn in der Audiodeskription das Visuelle lediglich sprachlich „abgebildet“ wird, ohne zugleich im Rahmen der Sprache des Films zu „übersetzen“, bleiben die pragmatischen Erfordernisse auf der Strecke. Wenn beispielsweise die Kamera einen Menschen von oben erfasst, so muss der Rezipient verstehen, dass dies ein kleiner Mensch ist. Ein gravierendes Problem für den Filmbeschreiber ist es zu entscheiden, welche von diesen oftmals subtilen, implizit mitgelieferten Informationen explizit zu machen sind. Soll z.B. ein Kameraschwenk in den Himmel als metaphysischer Handlungsbezug namhaft gemacht werden? In der Filmbeschreibung potenziert sich damit ein Problem, das der literarischen Übersetzung insgesamt inhärent ist: die Frage des Ausbuchstabierens impliziter Bezüge und Botschaften. Letztendlich ist damit auch hier die Frage angesprochen, in wieweit dem Übersetzer das Recht auf die Interpretation der Vorlage zukommt. Bei der Audiodeskription stellt sich in ganz besonderer Weise das Problem der Subjektivität des Translators, das bereits in der Auswahl der deskribierten Elemente zum Tragen kommt: Gerade wenn eine Filmszene eine Vielzahl von Informationen beinhaltet, ist bereits die Selektion der Einzelin- Audiodeskription 105 formationen ein Akt subjektiver Interpretation, denn jeder Betrachter wird wahrscheinlich etwas anderes als auffällig und wesentlich wahrnehmen. Die Frage der Subjektivität betrifft nicht zuletzt das Recht des Audiodeskriptors, subjektiv gefärbte Ausdrücke zu wählen, die der filmischen Szenerie mehr Plastizität verleihen. Das Primat der Anschaulichkeit lässt sich aus den pragmatischen Gegebenheiten der Audiodeskription ableiten. In der Wahl der Formulierungen sollte das Potenzial des Vor-Augen-Stellens der Sprache so weit als möglich ausgereizt werden, um beim Rezipienten entsprechende Vorstellungsbilder entstehen zu lassen. Andererseits aber beinhalten stark konnotierte Benennungen partikulare Bewertungen des Beschreibers und greifen so der Interpretation seitens der Rezipienten vor bzw. engen sie ein. Die bisher geltenden Guidelines für Audiodeskriptoren optieren für eine weitgehend neutrale Sprachverwendung. Einen Hinweis bietet bereits die Berufsbezeichnung. Als „Filmbeschreiber“ sollte er an der Oberfläche des filmischen Bildes bleiben, beschreiben bzw. erzählen, was über den visuellen Kanal vermittelt werden soll. Der Audiodeskriptor sollte sich von Selbstverständnis und Tätigkeitsprofil her der Interpretation oder auch nur des Kommentierens enthalten. Semiotisch ausgedrückt: Der Audiodeskriptor liefert die Zeichen, die Interpretation wird den Rezipienten überlassen. Natürlich ist dies eine problembehaftete Vorstellung, die viele Fragen offen lässt. Gerade die Peirce’sche Semiotik lehrt uns, dass jedem Zeichen bereits eine interpretative Struktur inhärent ist. Auch für die Audiodeskription gilt daher die von Reiß (1971, 107) formulierte Einsicht: „Jede Übersetzung ist notwendigerweise auch Interpretation“. Die Forderung, auf interpretative Eingriffe in die Vorlage zu verzichten, zeugt somit von einem sehr verflachten Verständnis des Translationsprozesses und ist mit Hinblick auf moderne translatologische Erkenntnisse nicht haltbar. Weiterführender wäre das von Gorlée (1994, 14) ins Spiel gebrachte Qualitätskriterium, die interpretatorische Analyse solle weitgehend kongruent sein und nur eine Semiose zulassen. Mit Levý (19ń9, Ń1) kann dann vom Übersetzer gefordert werden, seinen Interpretationsstandpunkt mit Blick auf den Rezipienten zu bestimmen und die eigene, individuelle Lesart und Relevantsetzung sowohl für die Rezipienten als auch den Kritiker transparent und intersubjektiv nachvollziehbar zu machen. Translatologische Ansätze können allerdings nur unter der Voraussetzung fruchtbar gemacht werden, dass die Audiodeskription in aller gebotenen Konsequenz als Form der Übersetzung in den Fokus der Forschung tritt, was m.E. bisher nicht der Fall ist. In einen gemeinsamen translationsanalytischen und methodologischen Bezugsrahmen mit der Literaturübersetzung kann die Audiodeskription nur dann gesetzt werden, wenn die Vorlage (der Film) als Kunstwerk in den Blick genommen wird. Die Forschung konzentriert sich bislang auf 106 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK die technischen und pragmatischen Aspekte (vgl. beispielsweise Reinart 2014), filmästhetische Aspekte bleiben weitgehend ausgeblendet. Ähnlich wie in der Übersetzungsanalyse literarischer Texte literaturwissenschaftliche Kenntnisse vonnöten sind, sind zumindest Ansätze aus der Filmästhetik und Geschichte der Kinematographie Voraussetzung einer angemessenen Bewertung von Filmbeschreibungen (vielversprechende Ansätze bei KorycinskaWegner, 2016). Die „Sprache“ des Films (Kargl 2006) muss verstanden werden, um die Problemstellungen nicht aufs rein Technische zu reduzieren. Folgende Kriterien der Bewertung können in der Audiodeskription von Filmen veranschlagt werden: – Erfolgt die sprachliche Umsetzung unter den für die Audiodeskription geltenden zeitlichen Restriktionen? Wurden die Beschreibungen so eingeblendet, dass die akustischen Wahrnehmungsmöglichkeiten der Rezipienten nicht überfordert werden? – Wurde der multisemiotische Charakter des Films angemessen berücksichtigt, indem z.B. visuelle Informationen weggelassen wurden, die durch identifizierbare Geräusche kompensiert werden? – Ermöglicht die Selektion der Einzelinformationen es, dem Filmgeschehen zu folgen und als ein kohärentes Ganzes zu rekonstruieren? – Genügen die sprachlichen Formulierungen den Kriterien der Anschaulichkeit? Sind sie in der Lage, beim Rezipienten prägnante Vorstellungsbilder zu evozieren? – Wurde dem Weltwissen der Rezipienten und ihrer Kenntnis filmästhetischer Mittel in angemessener Weise Rechnung getragen? – Sind die Formulierungen so gewählt, dass eigene Interpretationen nicht unnötig eingeengt werden? Wurde ein angemessener Grad an Explizitheit erreicht? – Ist die eigene Interpretation und die Relevantsetzung nachvollziehbar, d.h. ist Transparenz im Sinne intersubjektiver Nachvollziehbarkeit erreicht worden? Es stellt sich nunmehr die Frage, ob für Translationsarten mit einer starken technologischen Komponente ein eigenes übersetzungskritisches Modell entwickelt werden sollte oder Kategorien aus bereits etablierten Ansätzen der Übersetzungskritik übertragen werden können. Wie gezeigt werden konnte, müssen pragmatische Aspekte in der Untertitelung oder der Audiodeskription stärker gewichtet werden als in anderen Formen der Übersetzung. Hier würde zumindest das pragma-linguistische Modell von House wertvolle Ansatzpunkte bieten. Das gleiche gilt für kognitivistische Ansätze – auf die kognitive Komplexivität im Rezeptionsprozess von Filmbeschreibungen verweist Fix (2005, 11) und stellt insbesondere die Sche- Audiodeskription 107 mabildung und Kompensationsproblematik bei Blinden sowie die Verknüpfungsproblemtaik von visuellem und auditiven Kanal heraus. Beneckes Beschreibungsmodell ADEM (2014) basiert auf dem Kommunikationsmodell von Bühler (1934) und den von Gerzymisch-Arbogast entwickelten Methoden ASPEKTRA (1994) und REALTRA (1997, 2001). Zudem wird das Konzept der „Multidimensionalität“ (Gerzymisch-Arbogast 2009) herangezogen. Wenn also Kohärenzerscheinungen (etwa Thema/Rhema-Muster oder Isotopien) im Sinne miteinander vernetzter Relationen in den Blick genommen werden, so werden dabei der (inter)semiotische und mediale Aspekt integriert. Wie die Modelle von Gerzymisch-Arbogast zeichnet sich Beneckes klar strukturiertes Beschreibungsmodell dadurch aus, dass er sich hervorragend für die didaktische Arbeit eignet. Der evaluative Aspekt bleibt im Hintergrund, es wurde eher aus der Perspektive eines Praktikers als Kritikers entworfen. Die hermeneutisch orientierte Übersetzungswissenschaft hat sich bislang nur zögerlich mit dem medialen Aspekt der Übersetzung auseinandergesetzt. Gerade der Evaluierungsparameter der Stimmigkeit kann jedoch für die Bewertung multimedialer Texte fruchtbar gemacht werden, muss allerdings für diese Formen der Übersetzung neu konzeptualisiert werden. Die Ansätze von Stolze, die Multiperspektivität und Übersummativität herausstellen, lassen sich besonders gut auf multimediale Formen beziehen (vgl. KoryciĦska-Wegner 2008). Vielversprechend ist die kognitive Translationswissenschaft, z.B. die Fruchtbarmachung der Scenes-and-frames-Semantik wie sie in Ammanns übersetzungskritisches Modell einbezogen wird. Bisher wurde die Scenesand-frames-Semantik nicht für die übersetzungstheoretische Erfassung und Bewertung der Übersetzung multimodaler und multimedialer Texte herangezogen, obwohl sie interessante Ansatzpunkte bietet. Sie betreffen nicht nur die implizite Bildlichkeit von Sprache, d.h. ihre Potenzialität, Vorstellungsbilder zu evozieren, wie sie in der kognitiven Literaturwissenschaft untersucht werden, sondern auch die im Scenes-and-frames-Konzept veranschlagten, über die Sprache hinausgehenden Möglichkeiten der Repräsentation von Vorstellungsbildern (vgl. Kadrić/ Kaindl/ Cooke 2012, 89): „Unter „scene“ kann man dabei das mentale Bild verstehen, das im Kopf des Rezipienten auf Grund einer Wahrnehmung entsteht. Eine solche Wahrnehmung kann durch verbale Elemente ausgelöst werden – durch ein Wort, einen Satz, einen Text, aber auch durch nonverbale Mittel, z.B. ein Musikstück, einen Geruch etc. (…) Mit „frame“ ist gewissermaßen der Rahmen für unsere Vorstellungen gemeint. Es ist der kommunikative 108 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Ausdruck für eine „scene“. Sprache (…) ist dabei nur eines der möglichen Kommunikationsmittel, auch eine Geste, ein Klang etc. kann ein „frame“ sein. „Frames“ können somit alle wahrnehmbaren Phänomene sein, die von einem Rezipienten als informationshaltig interpretiert werden.“ Nicht nur die sprachlichen Formen, sondern auch die nonverbalen Elemente können als Frames konzeptualisiert werden, die sich zu den Scenes (prototypischen Vorstellungsbildern, die beim Rezipienten evoziert werden) stimmig verhalten müssen. Genauer gesagt: die zielsprachlichen Frames müssten vom Übersetzer so gewählt werden, dass sie nicht mit den in den non-verbalen Textelementen evozierten Scenes kollidieren, sondern in ein Verhältnis der Stimmigkeit treten. Bewertungskriterium wäre also hier die von Ammann (1990) entworfene Kategorie der Kohärenz. Es müssen Rahmen gefunden werden, die die entsprechenden Szenen wachrufen, semantische Längsachsen ausgebildet und Isotopieebenen geschaffen werden, um auf der holistischen Ebene das Verknüpfen der Einzel-scenes zu Gesamtszenen zu ermöglichen. Das Scenes-and-frames-Konzept scheint somit bestens geeignet, das komplexe Ineinandergreifen von Texten und anderen Medien in künstlerischen Artefakten zu greifen. Scenes-and-frames birgt damit ein hohes Potential für die Übersetzungskritik, dessen theoriebildenden Implikationen noch nicht ausgeschöpft wurde, und stellt Grundlagen für die Übersetzungsevaluation multimedialer Gebilde bereit. Die Scenes-and-frames-Semantik bietet darüber hinaus Anschlussmöglichkeiten an die Intermedialitätsforschung. Ein wichtiges Desiderat wäre eine konzeptuelle Zusammenführung von Translationswissenschaft und diesem sich seit nunmehr als zwei Dekaden dynamisch entwickelnden Forschungsfeld. Die Intermedialitätsforschung hat ein breit angelegtes Instrumentarium gerade auch zur Erforschung von Text-Bild-Bezügen erarbeitet (vgl. zusammenfassend Zemanek 2012), das für die übersetzungswissenschaftlichen Fragestellungen und die Entwicklung übersetzungskritischer Ansätze fruchtbar gemacht werden könnte. Die in der Intermedialitätsforschung erarbeiteten Beschreibungsparameter und dort angestellten funktionalen Überlegungen können gewinnbringend in die Übersetzungskritk einbezogen werden. Sprache, Musik und Bild treten nicht nur als Systeme von bedeutungstragenden Zeichen in eine Interaktion, sondern nehmen auch als Medien mit den jeweils eigenen Dispositiven aufeinander Bezug. Oftmals überlagern sich die intermedialen Bezüge: So nimmt der Comic in vielen seiner Ausprägungen auf die Filmästhetik Bezug. Einen umfassenden Kriterienkatalog zu erarbeiten, stellt sich aufgrund der schier unendlichen Vielfalt der denkbaren Medienkombinationen und intermedialen Audiodeskription 109 Konfigurationen als schwierig, wenn nicht unausführbar dar. Anzusetzen wäre vielmehr beim Begriff des Mediums und der Medienleistung. Eine Übersetzung wäre also beispielsweise dann als gelungen einzustufen, wenn gemäß den medialen Dispositiven übersetzt wird, wenn also erkannt wird, was Text, Bild oder Musik zu leisten imstande sind. Im konkreten Fall wäre zu untersuchen, wie die dem jeweiligen Medium eigenen Möglichkeiten der Repräsentation, Deixis, Perspektivierung, Bewusstseinswiedergabe u.s.w ins Spiel gebracht werden, oder wie das jeweilige Medium thematisiert wird. Wie macht der Text z.B. als sprachliches Medium auf sich aufmerksam? Stellt er seine klanglichen Qualitäten aus oder seine Linearität in Frage (beispielsweise durch bewusst eingesetzte Konstellativität)? Analysieren könnte man, wie die Medien miteinander verzahnt, Medienleistungen amalgamiert oder gegeneinander ausgespielt werden. Herbei käme Subdisziplinen wie der Synästhesieforschung (Rieger 2008) eine Schlüsselrolle zu.12 Hierüber hinaus stellt sich die Frage, ob den Medienrelationen eine kompetitive Dimension verliehen (Stichwort Paragone-Diskurs) wird – wenn ja: welche Hierarchien werden aufgestellt? Während die Intertextualitätsforschung sowohl auf textanalytischer als auch textontologischer Ebene recht gut in die Translationsforschung integriert ist (vgl. Sommerfeld 2015, 160ff), ist hier einiges an Grundlagenforschung nachzuholen. Gerade in Bezug auf die Präzisierung der Analyseparameter hätte die Intermedialitätsforschung der Translatkritik einiges zu bieten. Aber auch die Erzählforschung ist gefordert, sind doch Opern, Comics, Theater, Kinderliteratur Formen „polyphonen“ Erzählens (Bachtin). Gerade in der Audiodeskription von Kunstwerken wird deutlich, dass eine Zusammenführung mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen vonnöten sind, um diese bei der Audiodeskription ablaufenden Übersetzungsprozesse in ihrer Komplexität zu erfassen (zu einem Problemaufriss vgl. Kęsicka 2016). Neben semiotischen, kommunikationstheoretischen und und kognitiven Zugängen wäre hier die Bildwissenschaft zu nennen. Zudem wäre eine Annäherung an die Literaturwissenschaft wünschenswert. Die in der Literatur etablierte Tradition der Ekphrasis beispielsweise könnte ein deskriptives Instrumentarium liefern, wenn auch selbstverständlich die pragmatische Konstellation eine grundlegend andere ist – ist die Ekphrasis doch an Sehende gerichtet, während der Audiodeskriptor für Menschen arbeitet, die sensorisch zumindest stark eingeschränkt sind. Aber Berührungspunkte gibt es doch: in der Ekphrasis wird das Bild als abwesendes gedacht, sie ist daher in ihrem Impuls kompensativ, und versucht das nicht präsente Bild durch Sprache zu substituieren, wobei das Potenzial der Sprache, etwas vor Augen ________________ 12 Zu einer Fruchtbarmachung der intermodalen Kategorie des Rhythmus (Lommel 2008) in der Übersetzungskritik vgl. Sommerfeld (2014). 110 2. DIE AUSWEITUNG DES GEGENSTANDSBEREICHS DER ÜBERSETZUNGSKRITIK zu stellen, ausgereizt wird. In den klassischen Formen der Bildbeschreibung soll im Medium der Sprache eine Evidenz erzielt werden, dabei ist gerade das kompetitive Moment, die mediale Konkurrenz zum Bild, der treibende Faktor (in den modernen bzw. postmodernen Ekphrasen verhält es sich natürlich nicht mehr so einfach, hier wird gerade die Anschaulichkeit von Text – und Bild – durchkreuzt). Um den sich stetig wandelnden Gegebenheiten der medialen Landschaft Genüge zu tun und neuen Herausforderungen an Übersetzung und Übersetzungskritik gerecht zu werden, scheint es somit unabdingbar, sich über die Grenzen der etablierten Wissenschaftsdsziplinen hinauszubewegen. Dem kommt der seit Anbeginn transdisziplinäre Charakter der Translationswissenschaft entgegen. Mit der hermeneutischen und Deskriptiven Translationswissenschaft wie auch in den semiotischen Ansätzen sind die Prämissen bereitgestellt, um dem Übersetzer das Recht auf eigene Sichtweisen und Interpretationen, Entscheidungen und Übersetzungsprojekte zuzugestehen. Damit sind die Grundlagen geschaffen, den Übersetzer in den Prozess der Translatkritik einzubeziehen, wie es die Theorie translatorischen Handelns und das Konzept der Translationskultur einfordert. Zunehmend sind es die Übersetzer selbst, die die vielbeschworene Unsichtbarkeit des Übersetzers (Venuti 199Ń) durchbrechen, indem sie selbst das Wort ergreifen und ihre Arbeit kommentieren und reflektieren. Damit wird nicht nur dem Übersetzungsfach zur Geltung verholfen, sondern auch der Schritt von der Theorie zur Praxis (bzw. von der Praxis zur Theorie) getan – die Übersetzer werden zur Schaltstelle, an der die akademische Übersetzungskritik mit der Übersetzungspraxis vermittelt wird. So hat Esther Kinsky, Übersetzerin aus dem Russischen, Polnischen und Englischen, mit Fremdsprechen. Gedanken zum Übersetzen (2013) einen Essay vorgelegt, in dem sie – ausgehend von der eigenen Übersetzungspraxis – einen Blick auf übersetzungstheoretische Konzepte wirft. Der Essay wird dabei als Diskursivierungsform von Übersetzungstheorie erprobt. Als subjektiv-reflexive Form bietet er den Raum, die eigenen Erfahrungen mit dem Übersetzen mit übersetzungstheoretischen Positionen zu vermitteln und abzugleichen, und stellt die Form bereit, in der Kinsky ihr Programm des Übersetzens nicht nur reflektiert, sondern in Form figurativ inszenierter Gedankenspiele ebenso diskutiert wie literarisch umsetzt – die übersetzerischen Problemfelder werden in einer suchenden Textbewegung weniger in Begrifflichkeit aufgelöst als in suggestive Bilder übersetzt. Kinskys Essay führt damit exemplarisch die Option einer Theoriebildung von „unten“ vor, und tut in dieser Weise dem Wunsch einer engeren Anbindung der Theorie an die Praxis Genüge, wie sie von der Übersetzungskritik geleistet werden soll. 3 Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik Die Qualitätssteigerung von Übersetzungen wird zuallererst mittels der Übersetzungsdidaktik innerhalb der universitären Lehre gesteigert. Dem Literaturübersetzen wird indes an deutschen (und polnischen) Übersetzerausbildungsstätten ein geringer Stellenwert zugemessen, so dass man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, das Übersetzen literarischer Texte werde als etwas Irrelevantes betrachtet, mit dem man sich nicht weiter abgeben müsste. Werfen wir einen Blick in die einschlägige Literatur: Im Handbuch Didaktik des Übersetzens und Dolmetschens von Ulrich Kautz (2000) finden das Literaturübersetzen praktisch nur ein einziges Mal Erwähnung, wenn der Verfasser schreibt, es sei ihm nicht einsichtig, warum zum einen das Literaturübersetzen als nicht didaktisch vermittelbar gelte, und zum zweiten, warum für das Übersetzen literarischer Texte andere didaktische Maximen gelten sollten als für Fachtexte (ebd., 7Ń). Weiterhin wird der Spezifik des literarischen Übersetzens kein Raum eingeräumt. Folgenden Argumente scheinen dahinterzustehen: – Verglichen mit dem Übersetzen von Fachtexten mache das Literaturübersetzen nur einen verschwindend geringen Anteil am Auftragsaufkommen aus, – Vom Literaturübersetzen könne deshalb niemand leben, und man wolle keine falschen Hoffnungen nähren bzw. Vorstellungen wecken, – Literarisches Übersetzen lasse sich nicht beibringen (vgl. Pöckl 200Ń, 159f). Gerade die letztgenannte These wird, obwohl nur selten explizit formuliert, häufig zum Hemmschuh bei den Versuchen der Didaktisierung des Literaturübersetzens. Es wird stillschweigend angenommen, die Fähigkeit zum Übersetzen, ja zum Verstehen und Bestimmen der besonderen Regula- 112 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK ritäten, die sich in literarischen Texten niederschlagen und deren spezifischer Wirkung sei einfach ein angeborenes Geschick. So merkt Pöckl (ebd., 1ń4) an, die „poetische Kompetenz“ (Bierwisch 1965, 50f) sei ein nur schwer operationalisierbares Lehrziel. Das geringe Prestige, das dem Literaturübersetzen an akademischen Bildungsstätten zuteil wurde, hängt also vermutlich auch damit zusammen, dass ein methodologisch durchdachtes didaktisches Konzept bislang aussteht. Als 1988 an der philologischen Fakultät der Universität Düsseldorf der Studiengangs Literaturübersetzung eingerichtet wurde, sprach der Iniziator Fritz Nies (1989, 24) bei den Gründungsfeierlichkeiten den fundamentalen Zweifel an der Lehrbarkeit von Literaturübersetzen an, dieser entbinde jedoch nicht von der Notwendigkeit einer qualifizierten Berufsausbildung für Literaturübersetzer: „Begnadete Übersetzer lassen sich so wenig vermittels von Ausbildungsgängen herstellen wie begnadete Schauspieler, Dirigenten oder Pianisten. Doch ebenso unbestritten ist für solche künstlerisch-reproduzierenden Berufe, daß ihnen die gezielte Ausbildung an Akademie oder Musikhochschule meist ausgesprochen gut bekommt. Was sogar Gebäudereinigern und Waldarbeitern fraglos konzediert wird, darf also nicht einzig Literaturübersetzern vorenthalten bleiben: eine geregelte und überprüfbare Ausbildung.“ Seit dieser Zeit ist einiges getan worden, aber immer noch bietet die Forschungslage in der Didaktisierung des Literaturübersetzens ein heterogenes Bild (Thome 2012). Auch neuere übersetzungsdidaktische Konzepte (vgl. Wills 1996, Fleischmann/Kutz/Schmitt 1997) erwecken den Eindruck des Fragmentarischen. Bereits recht früh wurde der Nutzen der Übersetzungskritik in der Ausbildung angehender Übersetzer erkannt. Schon Katharina Reiß (1971, 7f) betont den hohen Stellenwert, welcher der Übersetzungskritik im Rahmen der Übersetzerausbildung gebührt. Indem ihr die Aufgabe zugewiesen wird, das Sprachbewusstsein zu schärfen und den sprachlichen und nichtsprachlichen Horizont zu erweitern, kommt ihr eine breit verstandene didaktische Funktion zu, die weit über die sprachliche Ausbildung hinausreicht und in die kulturellen Dimensionen der Übersetzerausbildung zielt. So behauptet die Translatkritik in der Übersetzungsdidaktik seit Jahrzehnten einen wichtigen Platz und gilt als effiziente Art und Weise der Übersetzerausbildung (vgl. Reinart 2014, 367ff). Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik 113 In der Praxis ist immer noch die Tendenz vorherrschend, die Übersetzungsdidaktik an universitären Einrichtungen als Fehlerbewertung handzuhaben. Didaktische Überlegungen verknüpfen sich demzufolge mit der Frage der Übersetzungsfehler und deren Gewichtung. Hönig (1995, 131) bezeichnet die Fehlerbewertung, ein zentrales Feld der Übersetzungskritik, als „das wichtigste didaktische Konzept bei der Vermittlung übersetzerischer Kompetenz“ überhaupt (vgl. auch Nord 2006, 24). Noch Thome (2012, 319, Ń4ń) plädiert dafür, die Kategorie des Übersetzungsfehlers nicht der Fremdsprachendidaktik zu überlassen und erachtet die genaue Bestimmung von Fehlleistungen als einer unverzichtbare Bedingung für die translatologische Festlegung dessen, was die Qualität von Übersetzungen letztlich ausmacht. Wie in der akademischen Übersetzungskritik steht bei der Erarbeitung von Korrektur-Richtlinien das Ziel der Objektivierbarkeit im Raum – je ausdifferenzierter das Bewertungssystem von Übersetzungsfehlern, desto weniger angreifbar verspricht die Evaluierung zu sein, womit natürlich die Frage der Quantifizierbarkeit von Fehlern im Raume steht. Eine (von vielen möglichen) Fehlergraduierungen könnte etwa folgendermaßen aussehen: – Rechtschreibfehler als ½, – Grammatikfehler als 1, – Idiomatikfehler als 1, – Semantik, bzw. Sinnfehler als 2 Fehler. Eine solche direkte Zuordnung von Fehlertyp und Gewichtung ist natürlich verführerisch. Es scheint jedoch problematisch, bestimmte linguistisch beschreibbare Fehlerarten mit einem Quantifizierungsschema zu gewichten, denn so wird beispielsweise nicht die Tragweite eines Fehlers bemessen, und die kann u.U. bei einem Rechtschreibfehler genauso erheblich sein wie einem Idiomatikfehler. Kussmaul (1986, 1995, 127-148, 2007, 171) schlägt daher eine Fehlergraduierung nach dem Prinzip der Reichweite vor. Mit der Reichweite von Übersetzungsfehlern ist die textuelle Dimension angesprochen, die mit einer stets nur punktuell verfahrenden Fehleranalyse nicht zu greifen ist. Ein weiterer Problempunkt betrifft die Frage, was eigentlich einen Übersetzungsfehler ausmacht und ob sprachlich-textuelle Fehlerbestimmungen ausreichend sind. Von Reiß (1971) und Nord wurde bekanntlich die Einbeziehung des pragmatisch-funktionalen Aspekts in die Fehlerbestimmung angebahnt. Der in Nords Studie Textanalyse und Übersetzen (1988, 2009) erarbeitete Ansatz wurde für die Übersetzungsdidaktik entwickelt, und nähert sich der Frage nach der Evaluierung von Übersetzungsleistungen auf diesem Wege an. Zentral ist für Nords evaluativen Ansatz eine Didaktisierung 114 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK des systematischen Umgangs mit der Textvorlage. Der Maßstab für die Übersetzungsbeurteilung wird aus der übersetzerischen Beachtung der unter Berücksichtigung textinterner wie auch textexterner Faktoren erarbeiteten Charakteristika der Vorlage hergeleitet. Im Einklang mit der Skopostheorie von Reiß/Vermeer (1984) bildet der Auftrag den Bezugspunkt für die Bewertung einer Übersetzungsleistung. Damit avanciert für Nord zum obersten Bewertungskriterium die „Loyalität“ gegenüber dem Übersetzungsauftrag (Nord 2011, 29ff). Übersetzungsfehler definiert Nord als „jede Nicht-Erfüllung des Übersetzungsauftrags“ (Nord 2006, 17). Übersetzungsleistungen können also nur in Bezug auf ein vorgegebenes funktionales Übersetzungsziel sachgerecht eingeschätzt werden (Nord 1994, 366). Folglich stehen in ihrer Fehler-Hierarchisierung pragmatische Verstöße im Zusammenhang mit Textfunktion und Kulturspezifik, Sender, Empfänger, Ort, Zeit und Medium an erster Stelle. Erst im Anschluss werden die textinternen Fehlerfaktoren in der Nicht-Einhaltung zielsprachlicher Gebrauchsnormen bezüglich Inhalt, Syntax, Lexik und suprasegmantaler Segmente (Nord 2006, 18ff, 2009, 182-193, 2010, 178-182) festgelegt. Ihre Staffelung der Übersetzungsfehler ist am Grundsatz ausgerichtet: „Pragmatische Funktionalität ist (…) in der Ausbildungsphase höher zu bewerten als sprachlicher Perfektionismus, auch wenn natürlich das letzte Ziel die Kohärenz sprachlicher und pragmatischer Ziele sein sollte“ (200ń, 27, vgl. 2011, 229ff). Es ergibt sich folgende Hierarchisierung: – Pragmatische Übersetzungsfehler (PÜF) – Kulturelle Übersetzungsfehler (KÜF) – Sprachliche Übersetzungsfehler (SÜF), Diese lassen sich noch in Fehlerklassen und ggf. in Fehlersorten untergliedern (vgl. Nord 2006, 385-386).13 Vom funktionalen Ansatz aus gedacht, lassen sich Fehler also nicht punktuell, ohne Rücksicht auf das Textganze und die ihm zugeschriebene Funktion bestimmen. Daher steht auch bei Nord am Anfang der Übersetzungsbewertung eine übersetzungsrelevante Textanalyse, die nach dem Qualitätskriterium der Loyalität ausgerichtet ist. Damit realisiert Nords Vorschlag einer übersetzungsrelevanten Textanalyse die Einbeziehung der Translatfunktion: „Gerade weil es die Aufgabe der übersetzungsrelevanten Textanalyse ist, die übersetzungsrelevanten von den –irrelevanten Textdaten ________________ 13 Außerdem sei auf Hönig (1998) sowie auf das Kapitel „Übersetzungsbewertung“ in Kautz (2000, 277-286) verwiesen. Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik 115 zu trennen, muss die Textanalyse eine Definition der Funktion des ZS-Textes vorausgehen. Relevanz kann immer nur in Bezug auf eine definierte Funktion bewiesen werden.“ (Hönig 1994, 232) In dem von Nord entwickelten Textanalysemodell soll der Ausgangstext nach den folgenden Fragen analysiert werden: – Wer übermittelt – wozu – wem – über welches Medium – wo – wann – warum einen Text mit welcher Funktion? – worüber sagt er – was – (was nicht) – in welcher Reihenfolge – unter Einsatz welcher nonverbalen Elemente – in welchen Worten – in was für Sätzen – in welchem Ton? – Mit welcher Wirkung? (Nord 1998b, 41) Mit diesem Fragenkatalog wandelt Nord die sog. „Laswell-Formel“ (Laswell 1948) für die Anforderungen der übersetzungsrelevanten Textanalyse ab. Die Analyse des Ausgangstexts vermittelt Nord mit der funktionalistischen Perspektive, indem sie – ebenfalls auf der Grundlage der „Laswell-Formel“ – den Übersetzungsauftrag und die Erwartungen an den Zieltext in einem Soll-Profil für den Zieltext zu erfassen sucht, wobei dieser Schritt der Erstellung des Ist-Profils zeitlich vorauszugehen hat. Die entsprechende Formel für den Zieltext lautet: „Wer soll wozu wem wann wo und warum einen Text mit welcher Funktion übermitteln? Worüber soll er was (was nicht) in welcher Reihenfolge unter Einsatz welcher nonverbalen Mittel in welchen Worten in was für Sätzen in welchem Ton mit welcher Wirkung sagen?“ (Nord 1998, 351) Ein Vergleich zwischen dem Ist-Zustand (dem Ausgangstext) und dem Soll-Zustand (dem Zieltext) ermöglicht es, die Problemstellen in der Übersetzung herauszufiltern (ebd.). Erst nach dem Durchlaufen dieser Schritte erfolgt der eigentliche Übersetzungsvorgang. 116 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Für Nord (1998) erfolgt aufgrund der durch ihre Nähe zur SkoposTheorie (Reiß/ Vermeer 1984) motivierten der Zieltextfunktion zugeschriebenen Vorrangigkeit die Einschätzung der Äquivalenz zwischen Original und Übersetzung vom Resultat des Übersetzungsvorgangs her. Ausgangspunkt der Bewertung ist dementsprechend der Zieltext, auf den die auf die textinternen und textexternen Faktoren ausgerichteten Kriterien des von ihr entwickelten Analyseverfahrens angelegt werden. Die umgekehrte Reihenfolge der Analyse, also vom Ausgangstext zum Zieltext, lässt Nord allerdings gelten, sofern der Übersetzer seine Strategien mitgeteilt hat und diese nicht erst erschlossen werden müssen. Mit der Fokussierung des Zieltextes aus einer funktionalen Perspektive wendet sich Nord von der bislang vorherrschenden Tendenz in der Übersetzungskritik ab, als Ausgangspunkt der Analyse den Ausgangstext in den Blick zu nehmen. So schreibt beispielsweise Reiß zwar (1971, 23), dass „die Beurteilung einer Übersetzung allein aufgrund des zielsprachlichen Textes unter ganz bestimmten Voraussetzungen durchaus sinnvoll sein kann“, insgesamt stellt für sie die auf den Ausgangstext ausgerichtete Übersetzungskritik „den eigentlichen ausschlaggebenden Weg zur Beurteilung einer Übersetzung“ (ebd., 23) dar. Problematisch am Analysemodell von Nord ist zum einen der beträchtlichen Aufwand, der zum Erkenntnisertrag in einer Schieflage steht (Stolze 1992, 90). Auch Hönig (1994, 233) bemängelt, die Textanalyse könne nur dann eine Arbeitserleichterung beim Übersetzen darstellen, wenn sie nicht „mehr Zeit beansprucht, als der Übersetzer für die Übersetzung zur Verfügung hat.“ Zweckdienlich ist die von Nord vorgeschlagene Analyse wohl vor allem in der Übersetzungsdidaktik (für die das Modell ja auch ursprünglich konzipiert wurde), weniger im Berufsalltag von Übersetzern. Kritisch anzumerken ist auch die Vermischung von textexternen mit textinternen Faktoren – dies ist allerdings eine Schwierigkeit, die bei funktionalistischen Ansätzen immer gegeben ist. Mit der von Nord vorgeschlagenen Umkehrung des Analyseverfahrens, indem zuerst das Soll-Profil erstellt wird und erst danach die Analyse des Ausgangstext vorgenommen wird, profiliert sich ihr Modell gegenüber der ausgangstextverhafteten Texttypologie als funktionalistisch. Wie jedoch die Erstellung des Soll-Profils vonstatten gehen soll, ohne vorher den Ausgangstext analysiert zu haben, bleibt unklar (vgl. Stolze 2003, 202). Die Vorteile einer genauen übersetzungsrelevanten Textanalyse liegen allerdings ebenfalls auf der Hand: zum einen erlaubt sie einen gezielten Zugriff auf im konkreten Text erscheinende Übersetzungsprobleme, zum andern berücksichtigt Nords Ansatz funktionsvariante Übersetzungsaufträge. Neben der Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik 117 Einbeziehung textexterner Faktoren liegt ein nicht zu vernachlässigender Vorteil von Nords Ansatz in seiner didaktischen Umsetzbarkeit. Im Grunde wird die Übersetzungskritik als umgekehrter Übersetzungsprozess betrachtet. Die Wichtigkeit der übersetzungsrelevanten Textanalyse hebt auch Thome (2012, 388f) hervor und fordert eine Analyse des Originals im Hinblick auf seine inhaltlich-sprachlichen, kommunikativ-pragmatischen und funktionalen Eigenschaften. Das von Thome vorgeschlagenes Modell sieht folgende Parameter vor: A. Inhaltlich-sprachlicher Bereich 1. Textuelle Mittel 1.1 Kohärenzmittel 1.1.1 Thema-Rhema-Verteilung 1.1.2 Isotopien 1.2 Kohäsionsmittel 1.2.1 Anaphern 1.2.2 Kataphern 1.2.3 Konnektoren 1.2.4 Proformen 1.2.5 Rekurrenzen 2. Syntaktische Mittel 2.1 Gestalt der Sätze (einfach bzw. komplex) 2.2 Art der Gliedsätze 2.3 Form der Syntagmen 3. Lexikalische Mittel 3.1 Fachvokabular 3.2 Wertende, ästhetische, ironische, vertrauliche u.ä. Elemente 4. Stilistische Mittel 4.1 Rekurrente sprachliche Muster 4.2 Formen der klassischen Rhetorik (Bilder, Hyperbeln, Metaphern, Parallelismen u.ä.) B. Kommunikativ-pragmatischer Bereich 1. Autor-Einstellung zum Sachverhalt 2. Beziehung Autor – Leser 3. Beziehung Autor – Handlungsbeteiligte im Text (In allen 3 Punkten zu belegen durch textuelle, syntaktische, lexikalische, stilistische Mittel) C. Textfunktion (Appell, Darstellung, Information, Wertung) Das Analysemodell berücksichtigt damit ebenfalls nicht nur eine Analyse auf der Makroebene, sondern auch funktionale Aspekte. 118 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Um die Scopos-Theorie in der Übersetzungsdidaktik fruchtbar zu machen, können neben der übersetzungsrelevanten Textanalyse weitere Didaktisierungsmethoden realisiert werden. Möglich ist, den Studierenden zum jeweiligen Text ein Übersetzungsauftrag zu erteilen. Um zu überprüfen, ob die angefertigten Übersetzungen auf der pragmatischen bzw. funktionalen Ebene stimmig sind, könnten die folgenden methodologischen Schritte realisiert werden: – Vergeben des Übersetzungsauftrags mit Hinblick auf eine bestimmte Rezipientengruppe (z.B. Übersetzen Sie den Text für Kinder, für eine fachlich vorgebildete Adressatengruppe, ausgangskulturell interessierte Leser, für den mündlichen Vortrag, eine bestimmte Verlagsserie u.ä.), – Festlegen der Invarianzhierarchien, – Formulierung der Übersetzungsstrategien, – Ausführen der Übersetzung, – Erproben des Translats an der jeweiligen Zielgruppe, – Evaluierungsgespräch innerhalb der Studierendengruppe. Ideal wäre eine kulturell gemischte Studierendengruppe: Ob die Übersetzungen „funktionieren“, könnte hier gleich am Adressaten aus der jeweiligen Zielkultur überprüft werden. Auf diese Art und Weise wird den Auszubildenden ersichtlich gemacht, dass erst mit der Rezeption des Translats der Übersetzungsvorgang abgeschlossen ist. Für den Übersetzungsdidaktiker bietet das Vorgeben eines bestimmten, funktionalen Übersetzungsziels die Möglichkeit, festzulegen, „was in einer bestimmten Kontrollsituation als „Übersetzungsfehler“ gewertet werden soll und was nicht“ (Nord 200ń, 17). Damit ist aber ein weiterer Aspekt einer sich an Übersetzungsfehlern ausrichtenden Evaluierung noch nicht angesprochen. Naturgemäß sind der Bezugsrahmen für Fehlerbestimmung die Normen der Zielsprache. Vor dem Hintergrund übersetzungskritischer Überlagungen muss aber fraglich erscheinen, ob eine Fehlerbestimmung nach den zielsprachlichen Normen oder der Äquivalenz ausreichend für die Evaluierung literarischer Übersetzungen sind, selbst wenn pragmatische oder funktionale Aspekte berücksichtigt werden, oder ob nicht vielmehr eine Verabsolutierung der zielsprachlichen Normen am Ziel der Übersetzerausbildung vorbeiführt. Vielmehr soll den Studierenden die Freiheit gelassen werden, Übersetzungen zu erstellen, bei denen es durch den Einfluss einer fremden Sprache und Kultur auch zu Abweichungen von der zielsprachlichen Norm kommen kann, wie die Historisch-deskriptive Übersetzungswissenschaft herausstellt, die untersucht, wie übersetzte Literatur zu dem sich in jeder Sprache vollziehenden Sprachwandel beitragen kann, denn generell wandelt sich die Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik 119 Sprache unter dem Einfluss der gegen sie gerichteten Verstöße. Zu ihnen gehören innovative Stilelemente, Normverstöße gegen das sprachliche Regelsystem, die mit der Zeit in das Arsenal des Normalen eingehen und zur allseits akzeptierten sprachlichen und ästhetischen Norm werden (vgl. Zybatov 2009, 2ń4). Wenn der Übersetzer die Besonderheiten, den persönlichen Stil und die Normverstöße eines Autors von vorneherein einebnet und an die Normen der Zielsprache anpasst, beraubt er die Zielsprache und – kultur dieser Entwicklungsmöglichkeit. Es ist also anzuraten, bei den Studierenden das Bewusstsein für den sprachlich-kulturellen Transfer zu schärfen, den Übersetzungen nolens volens ausmachen. Eine übersetzungsrelevante Textanalyse wie die von Christiane Nord vorgeschlagene könnte also durchaus als Grundlage dienen, sollte aber um literaturwissenschaftliche und literaturhistorische Aspekte erweitert werden. Dazu müsste beispielsweise danach gefragt werden, in welchem Verhältnis der Text zu den in der Ausgangssprache und – kultur geltenden Normen steht, inwiefern er innovativ ist. Didaktisches Ziel wäre also die Vermittlung von Überlegungen zum Kontext literarischer Übersetzungen, wie sie in der Historisch-beschreibenden Translationwissenschaft angestellt werden. In der Übersetzungsdidaktik könnte überdies mit dem Konzept der verdeckten bzw. offenen Übersetzung aus dem übersetzungskritischen Modell von House (2007, 14) gearbeitet werden. Diese schärft bei den Studierenden das Bewusstsein dafür, dass sich nicht jede Übersetzung automatisch an dem Anspruch messen will, als verdeckte Übersetzung ihren eigenen Status als Übersetzung zu verleugnen und so gestaltet zu sein, dass sie sich nahtlos in die Zielsprache und – kultur einpasst. Eine offene Übersetzung, die sich als solche zu erkennen gibt, bewahrt den Übersetzer vor dem Opportunismus gegenüber den in der Zielsprache existierenden Normen und lässt ihn zu einem echten Sprachschöpfer werden, indem er aufgrund eines umfassenden Verständnisses des Ausgangstexts mit seinen Eigentümlichkeiten einen adäquaten poetischen Text schafft. Den Studierenden sollte man das Recht geben, innovativ zu werden. Zu überlegen wäre, wie Zybatov (2009, 2ńŃ) vorschlägt, nicht nur den Übersetzungsunterricht nicht von einer eingehenden literaturwissenschaftlichen und -historischen Ausbildung abzukoppeln, sondern auch mit Unterricht in kreativem Schreiben zu verbinden. Dass eine solche Herangehensweise an die Übersetzungsdidaktik nicht mit einer Übersetzungsevaluierung konform geht, die auf dem Auflisten von Fehlern beruht, versteht sich von selbst. Sie zielt vielmehr darauf, offensichtliche sprachliche Mängel von kreativen Eigenleistungen zu unterscheiden. 120 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Der Übersetzungsunterricht sollte die Studierenden dafür sensibilisieren, dass das Spezifikum literarischer Texte darin besteht, dass er für viele Interpretationen offen ist. Eingeübt werden muss also zunächst die Einschätzung des interpretatorischen Potenzials der zu übersetzenden Texte und das Identifizieren der Stellen, an denen der Text zur Interpretation einlädt. Die Aufgabe des Übersetzers beruht darauf, die gleichen bzw. ähnliche Interpretationen beim Zieltext-Leser zu ermöglichen. Es geht also nicht darum, eine einzige Interpretation auszubuchstabieren, sondern die semantische und strukturelle Offenheit des Textes soweit wie möglich zu erhalten, um die interpretatorische Offfenheit der Texte nicht zu schmälern. Zugleich geht es darum, die Unhintergehbarkeit von Interpretation im Laufe des Übersetzungsprozesses zu akzeptieren. Die Studierenden sollten dazu ermutigt werden, den eigenen Interpretationsstandpunkt zu formulieren. Auch dem angehenden Übersetzer sollte das Recht nicht vorenthalten werden, sich als solcher zu erkennen zu geben und mit seiner Lesart des Textes ins Spiel zu bringen. Der Unsichtbarkeit des Übersetzers (Venuti 1995) kann so bereits in der Übersetzerausbildung entgegengewirkt werden. Dies bedeutet allerdings nicht, jede Interpretation nach dem Grundsatz des „anything goes“ unbefragt zu akzeptieren. Vielmehr müssen eigene Lesarten am Text für Dritte (Bewertende, Mitstudierende) nachvollziehbar gemacht werden. Es muss demnach fraglich erscheinen, ob eine objektive Evaluierung von studentischen Übersetzungsleistungen für literarische Texte möglich, ja erstrebenswert ist. Die Bewertung erfolgt vielmehr als Aushandlungsprozess über denkbare Interpretationen und Übersetzungslösungen. Hierbei ist ein holistischer Blick aufs Textganze hilfreich, wie er von den hermeneutischen Ansätzen ins Feld geführt wird. Dabei werden Bottom-up-Prozesse aktiviert und mit Top-down-Prozessen ausbalanciert, eigenes gespeichertes Wissen abgerufen und mit den zu übersetzenden Texten abgeglichen (vgl. Hörmann 1980, 2Ń-28). Indem textgenaues Verstehen eingeübt wird, kann der hermeneutische Ansatz in der Übersetzungsdidaktik gewinnbringend eingesetzt werden, auch wenn er keine übersetzungskritischen Modelle bereitstellt (vgl. Stolze 2015). In einem an die Hermeneutik angelehnten Unterrichtsmodell würde die Rolle des Didaktikers darauf beruhen, die Studierenden beim Monitoring der eigenen Verstehensprozesse anzuleiten. Dabei können Hypothesenbildungen, Plausibilitätsprüfungen im Verlauf der Textrezeption sowie Inferenzieren, d.h. das Schließen von bereits Bekanntem auf Unbekanntes thematisiert werden (vgl. Hörmann 1981). Eingeübt wird so Textverstehen als zirkelförmiger Vorgang, der mit dem Zugriff auf die eigenen Bewusstseinsgehalte verbunden ist Dabei sollten Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik 121 die eigenen Wissensgrenzen thematisiert und sukzessive erweitert werden (vgl. Stolze, 2016; Wills 2005). Während der hermeneutische Ansatz dabei hilft, die eigenen Verstehensprozesse zu strukturieren, bieten die kognitiven Ansätze insofern wertvolle Anhaltspunkte für die Übersetzungskritik im didaktischen Rahmen, als sie die Studierenden bei den Prozessen der Deverbalisierung und Reformulierung begleiten. Hierbei kommen die von Hönig (1990) entwickelten Protokolle lauten Denkens als methodologische Instrumente in Frage. Bereits recht gut in die Übersetzerausbildung integriert ist die Scenesand-Frames-Semantik (vgl. Kußmaul 2007, 141ff), mit deren Hilfe das für angemessene Übersetzungslösungen notwendige Deverbalisieren eingeübt und an konkreten Stellen im Text verifiziert werden kann. Dabei wird der pragmatisch-kommunikative Aspekt von Verstehensprozessen berücksichtigt, da der Rezeptionsvorgang immer mit Hinblick auf den Leser der Übersetzung verläuft, und Präsuppositionen über das Wissen und die kulturell geprägten Vorstellungshintergründe der Rezipienten vorgenommen werden müssen. Dadurch lässt der didaktische Einsatz der Scenes-and-framesSemantik die Studierenden ein Bewusstsein vom eigenen Status als Sprachund Kulturmittler gewinnen und fördert zudem kreative Übersetzungseinfälle. Dabei ist darauf zu achten, sich nicht in weitschweifigen Diskussionen über einzelne Vorstellungsbilder zu verlieren, sondern ihrem Verknüpfen zu Gesamtscenes Rechnung zu tragen. Das Verhaftet-Sein an einzelnen Textstellen, das einen Schwachpunkt von Kußmauls didaktischem Konzepts ausmacht (198ń, 2007, 171), scheint daher zu rühren, dass die von Kußmaul vorgeschlagene Evaluierung auf der Fehleranalyse basiert. Zwar sieht sie auch Bonus-Punkte für innovative Lösungen vor, die von der Summe der Fehler abgezogen werden, um auf diese Weise auch kreative Lösungen zu quantifizieren – um die Studierenden jedoch in Hinsicht auf den Gesamttext kreativ werden zu lassen, ist es nötig, sie zunächst von der „Fehler-Leine“ zu lassen. Während Übersetzungsanfänger ihre kognitiven Strukturen erweitern, gehen die Lernenden im Laufe der Ausbildung zur bewussten Anwendung kognitiver Strategien über, sie machen sich bewusst, dass Übersetzen mit der Konstruktion von Konzepten verbunden ist, und lernen die im Text auffindbaren mentalen Bilder von den eigenen zu differenzieren und in den Kontext der aufnehmenden Kultur einzubetten (vgl. Kupsch-Losereit 1991, 77ff). Erst dann kann die Übersetzung als ein Aushandlungsprozess von Wissens- und Erfahrungsbeständen begriffen – und gehandhabt – werden. Um die Eigenständigkeit und Kreativität der Auszubildenden zu fördern, erscheint es mir sinnvoll, die Studenten dazu zu ermutigen, eigene 122 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK Übersetzungsprojekte zu formulieren. Nach der Ausformulierung des Projekts müsste ein Gespräch darüber erfolgen, ob die vom Übersetzer gewählte Hierarchie der Invarianten dem Ausgangstext gerecht wird. Der Evaluierungsprozess sollte in Form von Diskussionen über die Folgen der getroffenen übersetzerischen Entscheidungen ablaufen. Verhalten sie sich zum Übersetzungsprojekt stimmig? Wie beeinflussen sie die Interpretation des Ausgangstextes? An welchen Stellen der Übersetzung wird Vieldeutigkeit eingeebnet und das interpretatorische Potenzial des Textes eingeschränkt? Indem sie dazu angehalten werden, eigene Übersetzungsprojekte abzustecken, kann die Autonomie der angehenden Übersetzer gestärkt und die Übersetzerausbildung zum Teil einer partnerschaftlich orientierten Übersetzungskultur werden. Damit sind wir beim nächsten Aspekt der Übersetzungsevaluierung angelangt, und zwar ihren Rahmenbedingungen. Hierzu bietet die Kritik translatorischen Handelns, wie sie von Holz-Männtäri (1984) angebahnt wurde, wichtige Ansatzpunkte. Hier ist zuallererst die Transparenz der Korrektur zu nennen, die bereits von Nord (1998a) gefordert wird und vor allem das Offenlegen der Bewertungskriterien meint, sodass die Bewertung für die Studierenden nachvollziehbar wird. Dies ist ein Maßstab, an dem sich – wie aus den vorherigen Kapiteln hervorgegangen ist – Übersetzungskritik in all ihren Ausprägungen messen lassen muss. Auch in der Übersetzerausbildung gilt, was Ammann (1990, 213) für die Translatkritk fordert – das Aufstellen klarer Kriterien und das Transparentmachen der eigenen Wertmaßstäbe: „Die notwendige Subjektivität (der Übersetzungskritik, B.S.) findet ihre Relativierung durch ein Vorgehen, das auf der Grundlage bestimmter theoretischer Prämissen durchgeführt und methodisch begründet wird. Die Prämissen sind bei jeder Kritik anzugeben.“ Kurz gesagt: In der Übersetzerausbildung sollte der Didaktiker zum Übersetzungskritiker werden. Schon in der Ausbildung können die Maximen der Kritik translatorischen Handelns umgesetzt werden, indem Studierende durch flexible und demokratische Bewertung an eine partnerschaftlich ausgerichtete Translationskultur herangeführt werden. Kooperatives Vorgehen ist also gefragt, indem Übersetzer und Bewertender sich gemeinsam in den Dienst einer Qualitätsmaximierung stellen. So sollte die Übersetzungsevaluierung nicht von der Warte des allwissenden Kritikers (Lehrenden) aus geübt werden, sondern im Gespräch. Das Verfahren extensiver Analysearbeit in der Gruppe kann langwierig sein, bietet jedoch bedeutende Vorteile. Die Studierenden erleben sich als Teil eines Handlungsgefüges, in dem sie für ihr Produkt einstehen und ihre Arbeit und alle getroffenen Entscheidungen jederzeit rechtfertigen können müssen (vgl. Ortner 2003). Geübt werden kann und Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik 123 muss somit zweierlei: das adäquate Formulieren von Kritik ebenso wie der souveräne Umgang mit Kritik an eigenen Übersetzungen. Eine der Methoden, um translatorisches Handeln transparent werden zu lassen, ist das Anfertigen kommentierter Übersetzungen (vgl. Reinart 2014, 23). Hierdurch können die Studierenden das Bewusstsein für die eigenen translatorischen Entscheidungen schärfen, Strategien explizit machen und in ihren Konsequenzen überdenken. Mittels extensiven Besprechens der gewählten Lösungsoptionen finder eine Verschiebung von der produktorientieren auf die prozessorientierte Translatkritik statt (vgl. Ammann 1993). Beide von Ammann veranschlagten Herangehensweisen müssten dann in einer abschließenden Bewertung zusammengebracht werden. Wenn die von den Studierenden angefertigten Übersetzungen kommentiert, korrigiert und analysiert werden, so sollte dies stets im Hinblick auf ihre Implikationen für zukünftige Übersetzungsaufträge geschehen (vgl. Reinart 2014, 3ń8). Es geht in der Übersetzungsdidaktik darum, ein „Konzept zur Bewältigung translatorischer Standardsituationen“ (Prunč 1997, 105) zu entwickeln, die dann auf andere Übersetzungssituationen übertragen werden können. In diesem Zusammenhang schreibt Nord (2001, 1): „An einem Text, der im Unterrricht oder im Selbststudium übersetzt wird, interessiert nicht das Individuelle dieses speziellen Textes, sondern vielmehr das Allgemeine, das Verallgemeinerbare“. Indem sie dazu anleiten, strategische Entscheidungen und Lösungsmöglichkeiten zu begründen, kommt somit auch den Lehrenden an universitären Einrichtungen eine wichtige Rolle bei der Etablierung einer fundierten Übersetzungskritik zu, die das Methodenbewusstsein und die Autonomie der Studierenden stärkt und sie mit den Voraussetzungen ausstattet, als Übersetzer professionell und selbstbewusst agieren zu können. Vorrangiges Bestreben der Translatkritk ist somit auch in der Übersetzerausbildung nicht nur, die Qualität von Übersetzungen zu verbessern, sondern sie auch nachweisbar zu machen und damit bis in den Berufsalltag hinein „die Qualitätsstandards einer begründet guten Übersetzung“ (Hönig 1997, 197) zu vermitteln. Zu einer Kompetenzsteigerung in diesem Sinne können auch bereits bestehende Literaturübersetzungen nutzbar gemacht – und damit Übersetzungskritik im engeren Sinne betrieben werden – unter der Voraussetzung, dass dabei einem klaren Konzept gefolgt wird. Eine Möglichkeit zur schrittweisen Erlangung übersetzungskritischer Kompetenz im didaktischen Rahmen ist eine Übersetzungsanalyse, in der zunächst einzelne Problembereiche der literarischen Übersetzung fokussiert werden. Hierbei werden zunächst die im Ausgangstext zum Tragen kommenden Problemfelder für die Übersetzung identifiziert, um dann deren Bewältigung im Translat zu 124 3. DIDAKTISCHE ASPEKTE DER ÜBERSETZUNGSKRITIK analysieren. Ist es der idiosynkratrische Stil des Autors, die kulturelle Einbettung des Textes, die Erzeugung von Mündlichkeit, das feingewobene Netz der Isotopien, die eigenwillige Metaphorik oder die intertextuellen Bezüge zu anderen Texten? Ein solches Einüben der Bewertung von Übersetzungen, die sich an einzelnen Übersetzungsproblemen orientiert, bringt natürlich einen großen Arbeitsaufwand mit sich. Hilfreich sind entsprechende Unterrichtswerke mit didaktisierten Übersetzungsanalysen. Ein problemorientiertes Lehrwerk zur Bewertung von literarischen Übersetzungen erschien unter dem Titel Problemfelder der literarischen Übersetzungsanalyse. Ein Lehr- und Übungsbuch für Studierende und Lehrende der Translationswissenschaft (Sommerfeld 2015). In didaktisch durchdachten Arbeitsschritten und Übungen wird Hilfestellung beim Einstieg in die eigenständige literarische Übersetzungsanalyse geleistet. Indem in den einzelnen Unterrichtseinheiten jeweils ein Problemfeld der literarischen Übersetzungsanalyse fokussiert wird, sollen die Studierenden zu einer problembewussten Praxis der Übersetzungskritik angeleitet und dazu angeregt werden, literarische Texte auf die Probleme hin zu scannen, die sie für den Übersetzer bereithalten. Dadurch sollen die Studierenden dazu in die Lage versetzt werden, ähnlich gelagerte Übersetzungsprobleme auch in anderen Texten zu identifizieren – vom übersetzungsdidaktischen Standpunkt interessiert an den Texten also „nicht das Individuelle dieses speziellen Textes, sondern vielmehr das Allgemeine, das Verallgemeinerbare“ (Nord 2001, 1). Ausgangspunkt der praktisch vorgeführten Analysen ist jeweils ein Problemaufriss innerhalb der Gesamtproblematik der literarischen Übersetzung. Dabei werden literatur-, sprach- und translationswissenschaftliche Konzepte dargelegt und problematisiert. In einem weiteren Schritt werden die Möglichkeiten des übersetzerischen Umgangs mit dem vorskizzierten Problem dargelegt. Aus der Erörterung der Verfahren und Strategien und den Konsequenzen der jeweiligen Lösungen für das Endprodukt werden Kriterien zu ihrer Bewertung entwickelt. Anhand konkreter Fallbeispiele aus literarischen Texten und ihrer Übersetzung wird in einer vergleichenden und übersetzungsrelevanten Analyse aufgezeigt, wie einzelne Übersetzer das jeweilige Problem zu lösen versuchten, und eine Bewertung der übersetzerischen Leistung versucht. Die Analyse vollzieht damit die grundlegenden Schritte der Übersetzungskritik nach: vom Definieren einer translatorischen Problemstellung, über die Bewusstmachung der möglichen Strategien und Verfahren bei der Lösung des Problems, bis hin zur Bewertung der Adäquatheit der gewählten Lösungen. An die Fallbeispiele schließen sich Übungstexte zur literarischen Übersetzungsanalyse an. Hier werden markante Textbeispiele zusammengestellt, Didaktis he Aspekte de Ü e setzu gsk itik 125 in denen das jeweils im Zentrum stehende Problemfeld zum Tragen kommt. Kurze Einführungen in den jeweiligen Text kontextualisieren den gewählten Textausschnitt im Gesamttext gegebenfalls Oeuvres, liefern Informationen zu AutorIn und ÜbersetzerIn, preliminary data zu Veröffentlichung, Rezeption u.ä. und machen auf zentrale sprachliche und ästhetische Merkmale aufmerksam. Hilfsfragen zur Übersetzungsanalyse leiten hier noch einmal gezielt bei der analytischen Arbeit an. Zugleich mit dem Fokus auf mikrotextuelle Übersetzungslösungen wird der Blicks aufs Textganze und die Übersetzungstrategien auf der Makroebene eingeübt. Jedes Kapitel wird mit einem Verzeichnis weiterführender Literatur zum jeweiligen Problemfeld der literarischen Übersetzungsanalyse abgerundet, das zur vertiefenden Beschäftigung mit den angerissenen Problemfeldern oder auch praktischen Umsetzung – etwa in einer Diplomarbeit – der im Laufe der Arbeit mit dem Lehrwerk gewonnenen Erkenntnisse anregen soll. Das Unterrichtswerk versteht sich damit als Anleitung zum problem- und methodenbewussten Umgang mit literarischen Übersetzungen, die die Studierenden zu einer eigenverantwortlichen und fundierten Übersetzungskritik befähigt. Als Fazit ergibt sich aus den oben angestellten Überlegungen die Erfordernis, Querverbindungen zwischen Translatkritik und Übersetzungsdidaktik herzustellen. Es ist zwar richtig, dass die Übersetzungsbewertung als zusammenfassendes Fazit der Übersetzungskritik, in dem die relevantesten Vor- und Nachteile zu nennen sind und eine abschließende Beurteilung des Translats durch den Übersetzungskritiker auf Grund nach den zuvor dargelegten und begründeten Kriterien erfolgt, von didaktischen Evaluierungsansätzen zu unterscheiden ist, bei denen dieser Begriff hauptsächlich als ein Mittel zur Beurteilung der translatorischen Leistung von angehenden Übersetzern während der Ausbildung gilt (Nord 2009, 189-193, 2011, 267-280). Die in der wissenschaftlichen Übersetzungskritik entwickelten Ansätze und Modelle lassen sich jedoch in vielen Punkten für die Übersetzungsdidaktik fruchtbar machen. Innerhalb der akademischen Lehre sollte also die translatologischen Theorie durchaus ihren Platz finden. Vor allem das Vermitteln übersetzungskritischer Konzepte und Modelle kann die Übersetzungsdidaktik sinnvoll ergänzen, die traditionellerweise schwerpunktmäßig im Bemühen um eine Steigerung translatorischer Kompetenz mittels praktischer Übungen bestanden hat (Hönig/ Kussmaul 1996; Nord 1988; Thome 2012, 369). Nur indem übersetzungstheoretische Überlegungen in die Übersetzerausbildung integriert werden, kann Sorge getragen werden, dass translatologisches Wissen nicht nur in der beruflichen Praxis „ankommt“, sondern auch in der Übersetzerausbildung, wo in allererster Linie über die Qualität (zukünftiger) Übersetzungen entschieden wird. 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Ziel ist es, das Thema Evaluierung in einer Form anzusprechen, die es den Praktikern erlaubt, Modellbildungen und Resultate auf ihre Arbeit zu beziehen, um so die Qualität von übersetzerischen Leistungen zu verbessern. Übersetzungsqualität wird zuallererst mittels übersetzungsdidaktischer Anstrengungen gesteigert. Deshalb werden die den einzelnen Modellen innewohnenden Möglichkeiten didaktischer Applizierbarkeit erwogen und Fragen nach ihrem Stellenwert in der universitären Lehre aufgeworfen.