Das Gerücht vom Tod des Herrschers im
frühen und hohen Mittelalter
von Florian Hartmann
I. Einleitung: Die Kraft des Gerüchts
„Es war im Jahr 1134“, so Alexander von Telese, ein Benediktinermönch aus
der Nähe von Neapel, „dass König Roger schwer erkrankte. Aber während er,
mit Gottes Hilfe, schnell genas, wurde bald auch seine Gemahlin, die Königin
Elvira, befallen und verschied. […] Der König wurde nach ihrem Tod von tiefer
Trauer ergriffen, schloss sich mehrere Tage in seinem Zimmer ein und zeigte
sich allenfalls seinen engsten Vertrauten. So geschah es, dass sich bald, nah
und fern, das Gerücht verbreitete, er sei gestorben. Auf dieses Gerücht hin
kam Graf Robert, der zuvor nach Pisa geflohen war, mit bewaffneter Schar
nach Neapel […]. Auch Graf Ranulph wurde von diesem Gerücht getäuscht,
glaubte, der König sei tatsächlich tot […], freute sich gewaltig und hoffte, nach
dem Tod des Königs nun Capua, das ihm der König entzogen hatte, zurückzuerlangen.“ 1
Den gemeinsamen Sohn Rogers II. und seiner Frau Elvira, Wilhelm, ereilte, selbst
König geworden, ein ähnliches Schicksal:
„Im Jahre des Herrn 1155 wurde Wilhelm, der König von Sizilien, von einer
schweren Krankheit befallen, die von September bis Weihnachten anhielt.
Deswegen hielten ihn schon alle in seinem Land für tot. Währenddessen
erhoben sich die meisten Städte, Kastelle und Borghi gegen den König und
seine Söhne; ebenso ganz Sizilien und all seine verfeindeten Verwandten. […]
Erst als der König von seiner Krankheit genesen war, fürchteten sie ihn wieder; er stellte ein Heer auf, eroberte in drei Monaten ganz Sizilien zurück und
besiegte all seine Feinde in Sizilien.“ 2
1 Alexander von Telese, Ystoria Rogerii regis Siciliae, Calabrie atque Apulie. Ed. Ludovica De Nava. (Fonti
per la Storia d’Italia, 112.) Rom 1991, III, 1–2, 59f.
2 Annales Pisani. Ed. Michele Lupo Gentile. (Rerum Italicarum Scriptores2, 6/2.) Bologna 1936, ad annum
1156, 15. Vgl. auch Hugo Falcandus, La „Historia“ o „Liber de Regno Sicilie“ e la Epistola ad Petrum Panormitane Ecclesie Thesaurarium di Ugo Falcando. Ed. Giovanni B. Siragusa. (Fonti per la storia d’Italia, 22.) Rom
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Nicht nur diese Beispiele lehren: Das bloße Gerücht vom Tod eines Königs versetzte Heere in Bewegung und ganze Reiche in Unruhe. Keiner hat die Kraft des Gerüchts besser beschrieben als Vergil in seiner Aeneis:
„Fama, das schnellste aller Übel, zieht ihre Kraft aus der eigenen Geschwindigkeit, wird im Gehen immer stärker; in den ängstlichen Anfängen noch klein,
erhebt sie sich schnell in die Lüfte, marschiert am Boden und birgt ihr Haupt
in den Wolken; […] ein schauerliches Monstrum ist sie, hat so viele Federn wie
Augen, und ebenso viele Zungen, Münder und Ohren. Nachts fliegt sie zwischen Himmel und Erde; niemals schließt sie die Augen; am Tage sitzt sie
wachend auf des Daches Spitze, auf Türmen, um mächtige Städte zu erschrecken, und stets begierig, Erfundenes und Niederträchtiges aufzusaugen…“ 3
Wortgewaltig und treffend bringt der Dichter aus Mantua die Kraft von Gerüchten auf den Punkt. Er wusste, wovon er sprach. Eine im Wesentlichen auf oraler
Kommunikation basierende Gesellschaft mit sehr begrenzten Kommunikationsmitteln ist anfällig für die Verbreitung von Gerüchten. 4 Denn in Gemeinwesen, in
denen Informationen selten und ein hohes Gut sind, wird derjenige, der über einen
Informationsvorsprung verfügt, dieses Kapital zu seinem Nutzen und Prestige ein-
1897, 13f.: „Der König zog sich für sehr lange Zeit aus der Öffentlichkeit zurück. Er zeigte sich nur noch dem
Admiral Maio und dem Erzbischof Hugo. Dieses Verhalten gab Anlass dafür, dass er von den meisten für
tot gehalten wurde. Es gab sogar Leute, die sagten, der Admiral habe ihn vergiftet, was auch nicht unglaubwürdig war, weil man schon lange von solchen Machenschaften des Admirals sprach. Und viele, die aus allen Teilen Apuliens an den Hof kamen, um – wie gewohnt – den König zu treffen, schenkten, da ihnen ein
Treffen verwehrt wurde, diesem Gerücht Glauben und bestätigten, was ihnen zuvor nur als Gerücht bekannt war.“
3 Vergil, Aeneis, IV, 174–188.
4 Zu den Grenzen und Möglichkeiten mittelalterlicher Kommunikation auch über weitere Distanzen
hinweg wurden in den letzten Jahren zahlreiche Studien publiziert, vgl. etwa Hannah Vollrath, Lauter Gerüchte? Canossa aus kommunikationsgeschichtlicher Sicht, in: Stefan Weinfurter (Hrsg.), Päpstliche Herrschaft im Mittelalter. Funktionsweise – Strategien – Darstellungsformen. (Mittelalter-Forschungen, 38.)
Ostfildern 2012, 159–198, hier 162; Thomas Wetzstein, Europäische Vernetzungen. Straßen, Logistik und
Mobilität in der späten Salierzeit, in: Bernd Schneidmüller/Stefan Weinfurter (Hrsg.), Salisches Kaisertum
und neues Europa. Die Zeit Heinrichs IV. und Heinrichs V. Darmstadt 2007, 341–370; Martin Gravel, Distances, rencontres, communications. Réaliser l’Empire sous Charlemagne et Louis le Pieux. Turnhout 2012;
Volker Scior, Bemerkungen zum frühmittelalterlichen Boten- und Gesandtschaftswesen, in: Walter Pohl/
Veronika Wieser (Hrsg.), Der frühmittelalterliche Staat – Europäische Perspektiven. (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, Denkschriften, 386; Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, 16.) Wien 2009, 315–329; vgl. auch den gesamten Band von Karel Hruza (Hrsg.), Propaganda, Kommunikation und Öffentlichkeit (11.–16.Jahrhundert). (Österreichische Akademie der Wissenschaften,
Phil.-hist. Klasse, Denkschriften, 307; Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, 6.) Wien 2002.
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setzen. Dieser Vorsprung hat auch eine zeitliche Dimension. Wenn nur der, der als
erster eine überraschende Information weitergibt, Prestige gewinnt, dann gilt es, diese Information möglichst schnell – und daher ohne Prüfung der Richtigkeit – weiterzugeben. Diesem allgemein menschlichen Antrieb schuldet das Gerücht seine
von Vergil beschworene Geschwindigkeit. 5 Der Drang, Neuigkeiten schnellstmöglich weiterzugeben, gilt für wahre und bestätigte ebenso wie für unbestätigte und
daher unter Umständen falsche Nachrichten, denn der Wahrheitsgehalt ist nicht
allein entscheidend für die Verbreitung von Nachrichten; wichtiger ist die Relevanz
des Berichteten.
Das gilt insbesondere für Nachrichten wie die einleitend zitierten: Mittelalterliche Quellen berichten auffallend häufig von fälschlich totgesagten Königen, davon,
dass Könige irrtümlich oder sogar verleumderisch für tot erklärt werden und insbesondere davon, dass übelmeinende Konkurrenten durch die gezielte Verbreitung
dieses Gerüchtes beabsichtigt hätten, ihren Rivalen aus dem Rennen zu werfen. Zu
den Opfern zählen unter anderen so prominente Herrscher wie die Kaiser Ludwig II.,
Otto der Große und Friedrich II., zudem König Boleslaw Chrobry in Polen 6 und Robert Guiskard in Apulien 7; und nicht nur Könige waren betroffen, auch beispielsweise die Markgräfin von Canossa oder Herzog Roger Borsa von Apulien, um nur einige zu nennen.
Über die hohe Zahl solch makabrer Gerüchte muss man sich allerdings dann
nicht wundern, wenn man den Quellenautoren und Berichterstattern dieser Gerüchte Glauben schenkt. Denn angesichts der von diesen wiederholt unterstellten
5 Vgl. aus der reichen Literatur zum Gerücht aus soziologischer Perspektive Gordon W. Alport/Leo Postman, Psychology of Rumor. New York 1947; Tamotus Shibutani, Improvised News. A Sociological Study of
Rumor. Indianapolis 1966; Jean-Noël Kapferer, Gerüchte. Das älteste Massenmedium der Welt. Berlin 1996;
Florian Altenhöner, Kommunikation und Kontrolle. Gerüchte und städtische Öffentlichkeiten in Berlin/
London 1914/1918. (Veröffentlichungen des DHI London, 62.) München 2008, 11, deutet Gerüchte als den
kollektiven Versuch, „der Welt eine akut vermisste und fehlende Ordnung zurückzugeben“; mit konkretem Bezug auf das Mittelalter Heike Johanna Mierau, Exkommunikation und Macht der Öffentlichkeit. Gerüchte im Kampf zwischen Friedrich II. und der Kurie, in: Hruza (Hrsg.), Propaganda, Kommunikation und
Öffentlichkeit (wie Anm.4), 47–80.
6 Außer Boleslaw Chrobry werden alle Fälle im Folgenden noch erörtert, dort auch jeweils weitere Angaben; zu Boleslaw Thietmar, Chronicon. Ed. Robert Holtzmann. (MGH SS rer. Germ. N.S., 9.) Berlin 1935, VI,
c. 11, 288, zum Jahr 1004.
7 Amatus von Montecassino, Storia de’Normanni volgarizzata in antico francese. Ed. Vincenzo de Bartholomaeis. (Fonti per la storia d’Italia, 76.) Rom 1935, VII, c. 8, 298.
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Vorteile, die Konkurrenten unter geschickter Ausnutzung der Umstände aus dem
vermeintlichen Tod eines Rivalen schlugen, müsste man sich eher darüber wundern, dass solcherlei Gerüchte nicht noch häufiger aufkamen. Schließlich war selbst
den Königen durchaus die Gefahr bewusst, in der sie aufgrund ihrer ständigen Reisen und Kriegszüge schwebten.
Vor allem früh- und hochmittelalterliche Herrscher waren, zum Teil in Ermangelung einer Residenz, nicht nur oft und lange unterwegs, sie ließen auch wenig von
sich hören. 8 Kam infolge längerer „Funkstille“ das Gerücht vom Ableben eines römisch-deutschen Königs auf, musste es sehr lange dauern, ehe selbiges bis zu ihm
drang – insbesondere wenn der Herrscher in Italien weilte – und ebenso lange, bis
sich das entsprechende Dementi im Reich verbreiten konnte. Denn die Reisegeschwindigkeit eines mittelalterlichen Boten lag durchschnittlich bei etwa 50 km am
Tag, in Extremfällen auch bei bis zu 70 km; die Reisegeschwindigkeit eines Königs
mit Gefolge dagegen bei rund 30 km pro Tag. 9 Aus Rom nach Sachsen gelangten
Nachrichten über die Via Francigena und in der Regel über den Brenner. Das sind
rund 1800 km; selbst Eilboten brauchten dafür im Mittelalter nach der überwiegenden Forschungsmeinung mindestens 3 Wochen!
Bis ins späte Mittelalter hinein gab es zudem kein institutionalisiertes Kommunikationssystem, Boten oder Gesandte waren nur ad hoc in konkreter Mission un-
8 Vgl. zu den Konsequenzen des Reisekönigtums und den Ursachen der Mobilität frühmittelalterlicher
Herrscher insgesamt grundlegend Carlrichard Brühl, Fodrum, Gistum, Servitium Regis. Studien zu den
wirtschaftlichen Grundlagen des Königtums im Frankenreich und in den fränkischen Nachfolgestaaten
Deutschland, Frankreich und Italien vom 6. bis zur Mitte des 14.Jahrhunderts. (Kölner Historische Abhandlungen, Bd. 14/1 u. 2.) Köln/Graz 1968, bes. 768ff.; vgl. auch Andrea Stieldorf, Reiseherrschaft und Residenz, in: HJb 129, 2009, 147–177.
9 Johannes Fried, Der Pakt von Canossa. Schritte zur Wirklichkeit durch Erinnerungsanalyse, in: Wilfried
Hartmann/Klaus Herbers (Hrsg.), Die Faszination der Papstgeschichte. Neue Zugänge zum frühen und hohen Mittelalter. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte der Regesta Imperii, 28.) Wien/Köln/Weimar 2008, 133–197, hier 167 Anm.63. Eine Ausnahme bildet dabei der Leichenzug
Ottos III., der die 450 km zwischen Viterbo und Verona in 7 Tagen bewältigte, also 65 km täglich absolvierte; vgl. zu Ottos III. Tod ausführlich Stephan Freund, Kommunikation in der Herrschaft Heinrichs II., in:
ZBLG 66, 2003, 1–32, 2 mit Anm.5; vgl. aber auch die jüngste, wohl zu optimistische Kalkulation von Bern-
hard Bachrach, Charlemagne’s Early Campaigns (768–777). Diplomatic and Military Analysis. Leiden/
Boston 2013, 21f., der die maximale Distanz, die Eilboten zur Zeit Karls des Großen binnen 24 Stunden zurücklegen konnten, auf 300 bis 330 Kilometer schätzt; vgl. zur reichen Literatur über die Reisegeschwindigkeit und Leistungsfähigkeit von Gesandtschaften und Boten die Angaben bei Wetzstein, Europäische
Vernetzungen (wie Anm.4), 348f. mit Anm.26.
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terwegs, waren also immer an einen unmittelbaren Auftrag gebunden. 10 Nur sporadisch wurden Briefe Reisenden, Händlern oder anderen Legationen mitgegeben. 11
Boten waren teuer, das Senden von Briefen kostspielig, weil man seine Schreiben
ohne Boten in Ermangelung eines Postwesens gar nicht an den Mann bringen konnte. Deswegen blieb der Brief als verlässlichstes Mittel der Informationsübermittlung
auch der reichen Oberschicht vorbehalten. 12 Das Volk war gewissermaßen auf die
fama angewiesen. Es ist bezeichnend, wenn die fama im Mittellateinischen, anders
als etwa im geflügelten Wort Vergils, nicht volat (fliegt), sondern vulgat (im Volk
umhertreibt).
Die verlässlichsten Informationen fand man deswegen allenfalls im engsten Umfeld des Hofes. Aber auch der Elite des Reiches waren nicht alle Informationen zugänglich. Einhard, der Biograph Karls des Großen, der ja durch sein epochales Werk
seine Nähe zum Hof demonstrierte, war bisweilen selbst in grundlegenden Fragen
schlecht informiert. In den Jahren 829/30, beispielsweise, war die Lage im Reich
höchst verworren: Lothar, der Sohn Ludwigs des Frommen, hatte, gegen dessen Willen, aus Italien kommend die Alpen überquert und begonnen, die Opposition gegen
seinen Vater anzuführen. In einem kurzen Schreiben wendet sich der offensichtlich
ratlose Einhard an einen Bischof 13:
„Obwohl es insgesamt viele Fragen gibt, die mir derzeit Sorge bereiten könnten, beschäftigen mich derzeit zwei ganz besonders: 1. Wann und wo ist
eigentlich diese Reichsversammlung (generalis conventus) und 2. Musste sich
Kaiser Lothar nach Italien zurückziehen oder kann er bei seinem Vater bleiben? […] Diese beiden Fragen sind mir besonders wichtig, weil davon abhängt,
was ich tun soll, wenn Gott überhaupt möchte, dass ich irgendetwas nützlich
tun kann. Ich hoffe, liebster Freund, Dich bald gesund wiederzusehen.“ 14
10
Fried, Der Pakt von Canossa (wie Anm.9), 159.
11
Volker Scior hat das Botensystem jüngst einer detaillierten Studie unterzogen und dabei Grenzen ver-
lässlicher Informationsübermittlung gerade für das frühe und hohe Mittelalter verdeutlicht. Bis zur Publikation seiner Habilitationsschrift vgl. einstweilen Volker Scior, Veritas et certitudo, in: Mittelalter 11,
2006, 110–131.
12
Vollrath, Lauter Gerüchte (wie Anm.4), 162.
13
Zur Position Einhards in diesen Jahren vgl. jetzt Steffen Patzold, Ich und Karl der Große. Das Leben des
Höflings Einhard. Regensburg 2013, 229–246.
14
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Einhard, Briefe. Ed. Karl Hampe. (MGH Epp. V.) Hannover 1899, Nr.17, 119.
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Ähnliche, wenn auch weniger prominente Beispiele bezeugen die große Schwierigkeit, verlässliche Informationen zu erhalten. 15
Diese kurz skizzierten Defizite in der Kommunikation bereiteten den Nährboden
für Gerüchte aller Art. Die unverbürgte Nachricht vom Tod eines Herrschers ist da
nur ein prominentes, wenn auch besonders folgenreiches Beispiel. Denn gerade das
Ableben eines Königs zwang zu ganz bestimmten Handlungssequenzen und setzte
eine Kette neuer Kommunikationsschübe in Gang. 16 Daraus erklärt sich die Häufung solcher Gerüchte. Die dahinterstehenden Motive und Deutungen sollen im
Folgenden anhand dreier Fragen analysiert werden:
1. Welche Konsequenzen und Wirkungen hatte die Nachricht vom Tod des Königs? Und welches politische Wissen prägte den Umgang mit dieser Nachricht?
2. Woher kamen die Gerüchte, wer verbreitete sie, wann kamen sie auf?
3. Wie ist zwischen Ursache und Wirkung der Gerüchte auf Grundlage der Quellen zu unterscheiden?
Der Beitrag beschränkt sich auf Fälle vom 9. bis zum 13.Jahrhundert. Um diese
Fragen zu beantworten, sind in einem ersten Schritt einige typische und prominente
Fälle vorzustellen, die das Spektrum und die situative Vielfalt der Gerüchte vom toten Herrscher zu illustrieren vermögen.
II. Prominente Fälle
1. Ludwig II.
Im Jahr 871 wurde Karl dem Kahlen berichtet, sein Neffe Ludwig sei in Benevent
ermordet worden. 17 Ludwig hatte als Sohn Kaiser Lothars I. dessen Kaiserwürde geerbt und residierte im damals sehr unruhigen Italien. Er versuchte seine Herrschaft
auch weiter im Süden, in Benevent durchzusetzen. Bei diesem Versuch wurde er 871
15 Vgl. die Beispiele bei Vollrath, Lauter Gerüchte (wie Anm.4), passim.
16 Vgl. Brigitte Kasten, Zur Dichotomie von privat und öffentlich in fränkischen Herrschertestamenten,
in: ZRG GA 121, 2004, 158–199; dies. (Hrsg.), Herrscher- und Fürstentestamente im westeuropäischen Mittelalter. (Norm und Struktur, 29.) Köln u.a. 2008. Dazu demnächst auch die Tagungsakten des Konstanzer
Arbeitskreises: Matthias Becher (Hrsg.), Die mittelalterliche Thronfolge im europäischen Vergleich. (VuF.)
Ostfildern, voraussichtlich 2016.
17 Zu diesem Komplex vgl. Achim Thomas Hack, Alter, Krankheit, Tod und Herrschaft im frühen Mittelalter. Das Beispiel der Karolinger. Stuttgart 2009, 252f.
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von Beneventanern und ihrem Herzog Adelchis angegriffen und gefangengesetzt.
Drei Tage lang verschanzte sich der Kaiser in einem Turm. 18 Genaueres wusste man
von ihm offenbar nicht. In solchen Situationen entstehen Gerüchte. So wird man
keinem der Boten einen bösen Willen unterstellen können, die sofort zu Karl dem
Kahlen reisten, um ihn vom vermeintlichen Tod des Kaisers und von der Notwendigkeit zu unterrichten, zur Sicherung karolingischer Herrschaftsansprüche nach
Italien zu eilen.
Karl der Kahle brach mit einem Heer gen Italien auf und war sich zugleich bewusst, dass die Information noch einer Überprüfung bedurfte. Auf halbem Weg, in
Besançon, wurde ihm die Nachricht überbracht, dass sich der vermeintlich tote Ludwig bester Gesundheit erfreute. Jetzt, da der Neffe doch noch lebte, erübrigte sich die
Reise und Karl brach den Heereszug unverrichteter Dinge ab. 19
Karl der Kahle wusste um das Problem derartiger Gerüchte. Deswegen erließ er,
als er 877 zum zweiten Mal nach Italien zog, im Kapitular von Quierzy folgende Bestimmung:
„Sollte zu irgendeiner Gelegenheit unserem Sohn oder unseren Getreuen von
unserem Tod berichtet werden, dann darf dem nicht einfach Glauben geschenkt werden – non facile credatur –, sondern es sollen unsere Getreuen zusammenkommen und vernünftig nach dem Willen Gottes alles so beschließen, wie es von mir für den Fall vorbereitet worden ist.“ 20
Darauf folgen bindende Bestimmungen etwa darüber, wer nach Karls Tod Almosen erhalten solle und wer seine Bücher erben dürfe. 21 Im Fall des Gerüchtes über
den Tod Ludwigs II. hat also eine unüberschaubare Situation zu einer Falschmeldung geführt. Karl versuchte, das dadurch entstandene Machtvakuum zu füllen,
nicht ohne die Nachricht überprüfen zu lassen. Ein solcher Fall ist nicht untypisch.
Anders verhält es sich dagegen bei Otto dem Großen.
18
Annales Bertiniani. Ed. Georg Waitz. (MGH SS rer. Germ., 5.) Hannover 1883, ad annum 871, 118.
19
Zum Fall vgl. auch Philippe Depreux, Rumeur, circulation des nouvelles et gouvernement aux temps ca-
rolingiens, in: Maité Billoré/Myriam Soria (Eds.), La Rumeur au Moyen Âge. Du mépris à la manipulation
Ve–XVe siècle. Rennes 2011, 133–147, 134f.; anders Eric J. Goldberg, Struggle for Empire. Kingship and Conflict under Louis the German 817–876. Ithaca/London 2006, 307–309, der Ludwig dem Deutschen ähnliche
Pläne zu einem Italienzug unterstellt wie Karl dem Kahlen.
20
Capitulare Carisiacense. Eds. Alfred Boretius/Victor Krause. (MGH Capit. II.) Hannover 1897, Nr.281,
355–361, 358.
21
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Ebd.358; vgl. auch Hack, Alter (wie Anm.17), 252f.
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2. Otto der Große
Auch er musste 972 angeblich einem gleichlautenden Gerücht entgegentreten.
Die Verzögerung während seines letzten Italienzuges hatten in Sachsen einige Störenfriede genutzt, um sich Kirchengüter anzueignen, für deren Schutz der König
verantwortlich war. Otto war damals bereits sechs Jahre ununterbrochen in Italien 22, so dass in dem im Wesentlichen personal strukturierten Herrschaftsverband
die Autorität des Königs in seiner Heimat zu schwinden begann. In diesem Kontext
usurpierte Ottos bis dahin treuer Stellvertreter in Sachsen, der procurator Hermann
Billung, die unantastbare Stellung des Königs. Ausgerechnet in Magdeburg, in dem
gerade erst von Otto gegründeten Erzbistum, ließ sich Hermann vom Erzbischof wie
ein König in die Stadt geleiten, um anschließend am königlichen Platz zu tafeln, ja
danach gar in dessen Bett zu schlafen, wie Thietmar von Merseburg berichtet. 23 Man
kann diesen Akt wohl als deutlichen Kommentar der Großen Sachsens zur langen
Abwesenheit des Kaisers deuten. Unzufriedenheit machte sich breit. Widukind von
Corvey berichtet in dieser Zeit von dem Gerücht, wonach viele Sachsen rebellieren
wollten. 24
Otto reagierte, kehrte schneller als geplant zurück über die Alpen. Dort wurde er
mit weiteren Vergehen konfrontiert. Der Bischof von Osnabrück beklagte Übergriffe des Abtes von Corvey auf seine Besitzungen. Der Bischof führte weiter aus, der Abt
habe für seine Machenschaften eine Vielzahl Anhänger gewinnen können, indem er
sie mit Lehen bedachte. Otto schlichtete den Streit. Erklären konnte er sich dieses
unmögliche Gebaren und die Vergabe von Lehen ohne seine Zustimmung nur unter
Verweis auf ein Gerücht. In der – wenn auch im 11.Jahrhundert verfälschten 25 – Urkunde heißt es lapidar zur Erklärung der Unrechtmäßigkeiten: „Denn damals wurde
verbreitet, wir seien aus dem Leben geschieden.“ 26
22 Zu diesem Aufenthalt Matthias Becher, Otto der Große. Kaiser und Reich. Eine Biographie. München
2012, 238–251.
23 Thietmar, Chronicon (wie Anm.6), II, 28–30, 72–77; vgl. zur Deutung Gerd Althoff, Das Bett des Königs
in Magdeburg. Zu Thietmar II, 28, in: Helmut Maurer/Hans Patze (Hrsg.), Festschrift für Berent Schwineköper. Zu seinem 70. Geburtstag. Sigmaringen 1982, 141–153, 142ff.; Becher, Otto der Große (wie Anm.22),
252f.
24 Widukind, Rerum gestarum Saxonicarum libri tres. Ed. Paul Hirsch/H.-E. Lohmann. (MGH SS rer.
Germ., 60.) Hannover 1935, III, 75, 151–153.
25 Althoff, Bett (wie Anm.23), 148.
26 Die Urkunden Konrads I., Heinrichs I. und Ottos I. Ed. Theodor Sickel. (MGH DD regum et imperatorum
Germaniae, 1.) Hannover 1879, 421, 575: „[...] aecclesiam suam a Corbeiense abbate et Herifordense abba-
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Unter Verweis auf dieses durch keine weitere Quelle belegte Gerücht erklärt der
Verfasser der Urkunden, wie sich jemand erdreisten konnte, königliche Schutzverpflichtungen zu ignorieren. Dieser Sichtweise schließt sich auch die Forschung an.
In gängigen Überblicksdarstellungen wird aus all den Einzelteilen eine schlüssige
Geschichte konstruiert:
„In Sachsen waren Gerüchte aufgetaucht, Otto der Große sei gestorben und es
stehe deshalb eine Rebellion bevor. Herzog Hermann von Sachsen hatte deshalb eine Art […] Heeresversammlung nach Magdeburg anberaumt, und dort
empfing ihn Erzbischof Adalbert mit besonderen Ehren.“ 27
Nicht nur in diesem Fall wird das Gerücht zum Auslöser einer ganzen Handlungskette erklärt, auch wenn es überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass
der königsgleiche Empfang Hermanns in Magdeburg seinen Ursprung darin fand,
dass der Kaiser für tot gehalten wurde.
Das Gerücht von Ottos Tod verleiht also unerklärbarem Verhalten in Sachsen
endlich einen Sinn. Es ist der vermeintlich tote Kaiser selbst, der von diesem Gerücht
berichtet. Allerdings fehlt dem Gerücht ein auslösendes Ereignis wie im vorherigen
Fall die lange Gefangennahme des Königs in Benevent. Diesem Fall dagegen vergleichbar ist der vermeintliche Tod der Markgräfin Mathilde von Canossa.
3. Mathilde von Canossa
Ihrem Biographen Donizo verdanken wir den singulären Bericht von einem
gleichlautenden Gerücht: Die auf Autonomie erpichten Bewohner Mantuas, seit jeher Feinde der Markgräfin, glaubten einem wenige Jahre vor Mathildes Tod 1115
verbreiteten Gerücht vom Tod der Markgräfin ebenso schnell wie bereitwillig 28 und
forderten Einlass in die 5 km westlich von Mantua gelegene markgräfliche Burg
Rivalta. Die verängstigten Wachen der Markgräfin zweifelten zwar am Wahrheitsgehalt des Gerüchtes, so Donizo weiter, gaben der Meute gegenüber aber nach, unter
der Bedingung, dass im Lebensfall Mathildes die Burg wieder in deren Besitz übergehe. „Aber Bürger sind es nun mal gewohnt“, so Donizo wörtlich, „völlig treulos zu letissa suisque fautoribus temeraria presumptione depredatam esse et multos acceptis inde beneficiis – nam
nos de hac vita decessisse apud illos diffamatum est – in eorum adiutorium coniurasse“.
27 Johannes Laudage, Otto der Große. (912–973). Eine Biographie. Regensburg 2001, 286.
28
In Anlehnung an Donizo so dann auch Elke Goez, Mathilde von Canossa. Darmstadt 2012, 174f.; ähn-
lich Michèle K. Spike, Tuscan Countess. The Life and Extraordinary Times of Matilda of Canossa. New York
2004, 258f.
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ben“ 29, und deswegen brannten sie das castrum nieder, als sie erfahren mussten, dass
die Markgräfin doch noch am Leben war. Dem Überbringer dieser Nachricht, dem
örtlichen Bischof, habe in dieser Situation allein seine hohe Abkunft das Leben gerettet.
Donizo gibt selbst einen deutlichen Hinweis, wie er die Geschichte verstanden
wissen will: Denn unmittelbar bevor er auf das Gerücht zu sprechen kommt, malt er
in einer seiner vielen panegyrischen Passagen düster an die Wand, welche unmittelbaren Konsequenzen der Tod Mathildes haben werde: Ausbeutung der Bedürftigen,
Plünderung der Kirchen und ein blühendes Aufleben von Raub und Mord. Den echten Tod seiner Heldin berichtet Donizo nicht mehr – schließlich will und wird er ihr
das Werk noch zu Lebzeiten überreichen – und so wird dieses letzte Kapitel gewissermaßen zum Bericht ihres Todes vor ihrem eigentlichen Tod. Zuerst schildert Donizo hypothetisch, was nach ihrem Tode geschehen wird; dann wird er konkreter
und schildert, was schon das Gerücht von ihrem Tod auslöst, um schließlich zu zeigen, dass durch die Genesung und Wiederkehr der Markgräfin aller Unfriede beseitigt werden konnte: „Facti sunt eius amici.“ 30
Mathilde, so lernen wir, war die Garantin für Frieden und Sicherheit; mit ihrem
Tod musste diese glückliche Zeit enden; Donizos Erzählung verlangte diesen Fluchtpunkt. Ob seine Geschichte von dem verleumderischen Gerücht, das die Mantovaner verbreitet hätten, nun wahr ist oder nicht: Das Gerücht deutet auf ein Verstehensmuster, wonach dem Tod eines Herrschers oder einer Herrscherin unkontrollierbare Handlungssequenzen folgen.
Auch der letzte Fall, den ich noch skizzieren möchte, spielt in Italien. Er betrifft
Kaiser Friedrich II.
4. Friedrich II.
Auch ihm waren das Gefahrenpotential und die Geschwindigkeit von Gerüchten
bekannt. Fünf Tage nach der siegreichen Schlacht bei Cortenuova im Jahr 1237
schrieb der Kaiser einen Brief an Papst Gregor IX., um ihm den Sieg über die Lombarden mitzuteilen:
29 Donizo, Vita Mathildis. Ed. Luigi Simeoni. (Muratori, Rerum Italicarum Scriptores, 5/2.) Bologna 1931/
1940, v. 1300.
30 Ebd.v. 1351f.
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„Eine für alle Fürsten der Erde gemeinsame, doch für die Mutter Kirche besondere Freude möchten Wir Eurer Kenntnis nicht weiter verheimlichen,
obwohl unseres Erachtens das Gerücht schneller als der Brief unsere Nachricht vorweggenommen hat.“ 31
In etlichen Briefen und Urkunden lässt sich erkennen, „dass sowohl die Päpste als
auch Friedrich II. als Gegenmaßnahmen gegen unsicheres Gerede ein dichtes Informationsnetz aufgebaut haben“. 32 Üblich sind Briefanfänge Friedrichs II. wie der folgende: „Damit nicht übles Gerede (mali fama) vorauseilend gegen die Wahrheit Eure
Herzen verunsichern kann, möchten wir, dass … usw.“, oder: „Damit nicht das flüchtige Gerücht der Unsicherheit (varietatis fama volatilis), das immer wieder den guten
Willen der Zuhörer auf die gegensätzliche Seite treibt, aus dem, was neulich geschehen ist, irgendwelche Lügen in die Herzen einiger Gläubiger einpflanzt, teilen wir
mit, dass …“ 33
In dieser durch Misstrauen und Lügen geprägten Situation verwundert es zunächst nicht, dass auch Friedrich II. fälschlich für tot erklärt wurde. Der stauferfreundliche Propst Burchard von Ursberg weiß, ut asserant homines – also seinerseits
auch nur durch ein Gerücht: „Während dies in den jenseits des Meeres gelegenen
Ländern geschah, ließ der Papst mit seinen Komplizen, wie die Leute versichern, in
Apulien das Gerücht verbreiten, dass der Kaiser tot sei. Deshalb beschlossen die Städte, die bislang dem Kaiser folgten, sich der Herrschaft des Papstes zu unterwerfen.“ 34
Von dort fand diese päpstliche List Erwähnung in allen modernen Biographien
Friedrichs II.: „Aufgestachelt“, so jüngst Hubert Houben, „von Gregor IX., der das Gerücht verbreitet hatte, Friedrich sei auf dem Kreuzzug ums Leben gekommen, hatten sich viele Städte dem Papst unterstellt.“ 35
31
Jean Louis Alphonse Huillard-Breholles, Vie et correspondance de Pierre de la Vigne ministre de l’empe-
reur Frédéric II avec une étude sur le mouvement réformiste au XIIIe siècle. Paris 1865, V, 1, 142–145, hier
142: „Communem omnium principum terre leticiam, sed matris Ecclesie specialem, vestram ulterius latere notitiam non volentes, quamquam ut firmiter opinamur insinuationis nostre cursum celerior literis
fama preripuit.“
32
Vgl. zu dem reichhaltigen Material über Gerüchte im Kampf zwischen Friedrich II. und Gregor IX. die
detaillierte Studie von Mierau, Exkommunikation (wie Anm.5), 67.
33
Eduard Winkelmann, Acta imperii inedita seculi XIII. Urkunden und Briefe zur Geschichte des Kaiser-
reichs und des Königreichs Sicilien, I. Innsbruck 1880, Nr.397 und 398.
34
Burchard von Ursberg, Chronicon. Eds. Oswald Holder-Egger/Bernhard von Simson. (MGH SS rer.
Germ, 16.) Hannover 1916, 126.
35
350
Hubert Houben, Kaiser Friedrich II. (1194–1255). Herrscher, Mensch und Mythos. Stuttgart 2008, 53.
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Mit Friedrich II. endet dieser schlaglichtartige Überblick über einige Fälle vermeintlich toter Herrscher. Anhand der einleitend genannten Leitfragen ist dieses
verbreitete Phänomen nun zu deuten: Zum einen geht es darum, welche Konsequenzen die Autoren an den Tod eines Herrschers knüpfen. Sodann gilt es nach den Urhebern der Gerüchte zu fragen und anschließend, wie zu eruieren ist, was Ursache
und was Wirkung war.
III. Folgen und Wirkungen – Der König ist tot, und nun?
Ganz offensichtlich waren diese Gerüchte erzählenswert. Was aber verknüpfen
die Quellenautoren mit diesem Gerücht? Wie sahen die Konsequenzen aus, wenn
das Gerücht aufkam? Im Kern nennen die Quellen zwei übliche Handlungsketten.
Die erste Handlungsoption zur Reaktion auf die noch unbestätigte Nachricht
vom Tod eines Herrschers ist ein zunächst und im Kern verständlicher, aber von Seiten der legitimen Herrschaft ungebührlicher Aktionismus. Dahinter steckt die – bisweilen auch nur vorgeschobene – Argumentation, die im Jahr 1024 von den Bürgern
der Stadt Pavia vorgebracht wurde, die nach dem Tod Kaiser Heinrichs II. das kaiserliche palatium in der italienischen Königsstadt zerstört haben. 36 Angeklagt von
Heinrichs Nachfolger Konrad II., fragten die Pavesen laut dem Chronisten Wipo:
„Wen haben wir denn angegriffen?“, und fahren fort: „Wir haben unserem Kaiser
Treue und Ehrerweisung bis zu seinem Lebensende geleistet. Da wir aber nach seinem Tod keinen König mehr hatten, können wir nicht angeklagt werden, das Haus
unseres Königs zerstört zu haben.“ 37
Hinter dieser berühmten Passage stehen die Überlegung und das verbreitete politische Wissen, dass sich mit dem Tod des Königs das politische Feld neu öffnet 38,
36 Vgl. zum Ereignisablauf Herwig Wolfram, Konrad II. 990–1038. Kaiser Dreier Reiche. München 2000,
81.
37 Wipo, Gesta Cuonradi imperatoris. Ed. Harry Breslau. (MGH SS rer. Germ., 61.) Hannover 1915, VII, 30:
„Quem offendimus? Imperatori nostro fidem et honorem usque ad terminum vitae suae servavimus; quo
defuncto cum nullum regem haberemus, regis nostri domum destruxisse non iure accusabimur.“
38 Grundlegend zu dieser Passage in Hinblick auf die Entwicklung transpersonaler Staatsvorstellungen
Helmut Beumann, Zur Entwicklung transpersonaler Staatsvorstellungen, in: Das Königtum. Seine geistigen
und rechtlichen Grundlagen. (VuF, 3.) Lindau/Konstanz 1956, 185–224, 185–187; kritisch Franz-Reiner Erkens, Konrad II. (um 990–1039). Herrschaft und Reich des ersten Salierkaisers. Regensburg 1998, 66f.; vgl.
auch Wolfram, Konrad II. (wie Anm.36), 81.
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dass die Spielregeln neu ausgehandelt werden müssen. 39 Diese in unseren Augen etwas naive Vorstellung 40 hat offensichtlich zahlreiche Handlungen nach der Nachricht vom Tod eines Herrschers motiviert. Jedenfalls konnte man sich und hat man
sich auf dieses Erklärungsschema berufen – oder anders gesagt: Die Chronisten,
auch jene, die dem vermeintlich toten König nahestanden, schienen dieses Erklärungsmuster heranzuziehen und in Maßen zu akzeptieren. Burchard von Ursberg
versteht den Abfall apulischer Städte als – wenn nicht legitime, dann doch zumindest erklärbare – Reaktion auf den Tod Kaiser Friedrichs II. Nicht mehr die Städte, die
ihre Treue brechen, sind zu verurteilen, sondern der Papst, durch dessen Gerücht sie
die Seite wechselten. Donizo stellt die Revolte in Mantua in den Kontext von Mathildes vermeintlichem Tod. Und Otto der Große selbst erklärt Besitzübergriffe in
Sachsen mit dem umlaufenden Gerücht von seinem eigenen Tod. So sehr die Könige
bemüht sind, diese Legitimationsform von Königsverlassungen zu bekämpfen: In
den Vorstellungen der Historiographen und im allgemeinen politischen Wissen
blieb dieses Deutungsmuster durchweg präsent. Da hilft es nicht, wenn Konrad II.
1024 die aufständischen Pavesen und ihre dreiste Begründung mit den berühmten
Worten zu widerlegen versuchte:
„Ich gebe zu, dass ihr das Haus des Königs nicht zerstört habt, weil ihr damals
keinen König hattet. Aber dass ihr ein königliches Haus niedergerissen habt,
könnt ihr nicht bestreiten. Denn, wenn der König stirbt, bleibt doch das
Königreich bestehen, so wie das Schiff bleibt, wenn der Steuermann stirbt.“ 41
Man wird dieses Zitat, das immer wieder als frühester Beleg für transpersonale
Staatsvorstellungen im Mittelalter angeführt wird, nicht als Ausdruck einer politischen Theorie bezeichnen können; aber es spiegelt doch ein allgemeines politisches
Wissen wider, das in Maßen auch der Chronist Wipo teilte. Die Argumentation der
Pavesen ist in dieser Perspektive keine Legitimation, wohl aber eine auf Erfahrung
basierende Erklärung für ein bestimmtes Verhalten. Und das dahinterstehende
Muster prägte auch einige der Gerüchte über den vermeintlich toten Herrscher.
Die Art und Weise, wie die Chronisten über diese Gerüchte schreiben, zeigt deut39
Vgl. Gerd Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde.
Darmstadt 1997.
40
So etwa Erkens, Konrad II. (wie Anm.38), 66f.
41
Wipo, Gesta Cuonradi imperatoris (wie Anm.37), VII, 30: „Seio, inquit, quod domum regis vestri non
destruxistis, cum eo tempore nullum haberetis. Sed domum regalem scidisse, non valetis inficiari. Si rex periit, regnum remansit, sicut navis remanet, cuius gubernator cadit.“
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lich, dass sie um die Aporie zwischen der Institutionalisierung des Königtums auf
der einen Seite und seiner Personalität auf der anderen wussten. In ihrem politischen Wissen war der Tod des Herrschers Anlass und Erklärung für Verhaltensweisen, die an sich illegitim waren.
Eine zweite Handlungsoption nach dem Tod eines Herrschers propagiert eine
Nachricht der fränkischen Reichsannalen. Im Jahr 826 entsandte der bulgarische
König in dem Bemühen, die Grenzen zwischen Bulgaren und Franken klar zu definieren, einen Boten an Kaiser Ludwig den Frommen. Der Kaiser aber,
„... zögerte, da das Gerücht umging, der König der Bulgaren sei von einem
Fürsten aus seinem Reich vertrieben oder gar ermordet worden, und gab
keine Antwort. Er hieß den Boten zu warten und schickte, um Klarheit zu
gewinnen, [Gesandte] nach Kärnten. Als die, immer noch unsicher über den
Wahrheitsgehalt des Gerüchtes, zurückkehrten, entließ der Kaiser den bulgarischen Boten – ohne Antwortschreiben.“ 42
Angesichts der sehr schwierigen Kommunikationsbedingungen der Zeit wusste
jeder um die Unzuverlässigkeit von unbestätigten Nachrichten. Die Quellen sind
voll von Berichten darüber, dass Herrscher auf Antwort, Versicherung, Bestätigung
oder ein Dementi warteten. Die Reichsannalen, die ihrer Anlage nach ja um Legitimation der Königsherrschaft bemüht waren, vermitteln also – auch zur transpersonalen Sicherung der Herrschaft im Frankenreich selbst – folgendes Ideal: Wenn das
Gerücht vom toten König aufkommt, solle man zunächst einmal abwarten und bloß
nicht unbedacht aktiv werden. Diese Darstellung in den Reichsannalen kann man
durchaus als Leitbild, als kategorischen Imperativ verstehen. Und so imitierte Ludwigs des Frommen Sohn, Ludwig der Deutsche, die angemessene Reaktion. Auch er
hatte von dem vermeintlichen Tod Kaiser Ludwigs II. in Benevent gehört, über den
wir im ersten Teil dieses Beitrages schon berichtet haben. Mit deutlicher Spitze gegen den Konkurrenten Karl den Kahlen, der ja auf die Nachricht von Ludwigs II. Tod
sofort in Richtung Benevent aufgebrochen war, vermerken die Annales Fuldenses,
dass Ludwig der Deutsche auf die Nachricht vom Tod Ludwigs in Benevent mit Trauer statt mit einem übereilten Italienzug reagiert habe 43: „Der König kehrte traurig
42 Annales regni Francorum. Ed. Georg Heinrich Pertz. (MGH SS rer. Germ., 6.) Hannover 1895, ad annum
826, 168f.
43 So auch Depreux, Rumeur (wie Anm.19), 134f.; anders Goldberg, Struggle for Empire. Kingship (wie
Anm. 19), 307–309. Vermittelnd Janet L. Nelson, The Reign of Charles the Bald: A Survey, in: dies. (Ed.),
Charles the Bald. Court and Kingdom. Aldershot 1990, 1–22, 19.
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aus Aachen zurück in die östlichen Reichsteile.“ 44 Diese klug abwartende Haltung
ist freilich in Situationen undenkbar, in denen nicht die Legitimität, sondern der situative Vorteil eines Machtvakuums handlungsleitend war.
Gemein ist allen Berichten über das Gerücht vom Tod des Herrschers das verbreitete politische Wissen um die Tragweite, die mit dem Ereignis verbunden war. So
empfanden etwa die Anhänger Ottos III. die Lage unmittelbar nach dessen Tod am
23.Januar 1002 geradezu als bedrohlich. Um zu vermeiden, dass die Italiener diese
Situation sofort ausnutzten, bemühte man sich, Ottos Ableben zunächst geheimzuhalten, „bis die weit auseinander liegenden Truppen benachrichtigt und zusammengezogen waren“. 45 Ja, man band sogar den Leichnam des Königs sitzend auf sein
Pferd und ließ den toten Otto, umgeben von den Streitkräften, noch mitreiten, um
jene Handlungsketten zu verzögern, die mit der Nachricht vom seinem Tod einzusetzen drohten. Das Gleiche ist für den Tod König Wilhelms I. von Sizilien belegt. Da
seine Söhne damals noch minderjährig waren, galt es zunächst, deren Nachfolge
bestmöglich zu sichern, ehe man den Tod bekanntmachte. 46
An der Signalwirkung vom Tod des Herrschers kann demnach kein Zweifel bestehen. Ähnlich verhielt es sich nach dem Tod Heinrichs VI., um nur ein weiteres
Beispiel zu nennen. Wenn dem so ist, dann scheint also schon die bloße, noch unbestätigte Nachricht vom Tod des Königs Brisanz besessen zu haben. Entsprechend
leicht müsste es dann gewesen sein, einem Kontrahenten nachhaltig zu schaden, indem man ihn in Abwesenheit für tot erklärte. Jedenfalls wird genau dieser Vorwurf
in den Quellen regelmäßig erhoben.
IV. Ursachen und Auslöser. Zum Ursprung und Erfinden von
Gerüchten
Gerüchte zu verbreiten und damit auf Akzeptanz zu treffen, sei, das jedenfalls
suggerieren die Quellen, recht leicht gewesen. So halten es unter anderem Donizo,
Burchard von Ursberg und Widukind für recht wahrscheinlich, dass das vom Feind
bewusst verbreitete Gerücht Anhänger zum spontanen Abfall und zum Seitenwech-
354
44
Annales Fuldenses. Ed. Georg Heinrich Pertz. (MGH SS rer. Germ., 7.) Hannover 1891, ad annum 871, 74.
45
Thietmar, Chronicon (wie Anm.6), IV, 50, 188.
46
Annales Pisani (wie Anm.2), ad annum 1156, 15. Vgl. auch Falcandus, La „Historia“ (wie Anm.2), 13f.
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sel motiviert. Ein Grund für die Leichtgläubigkeit sei, so Heike Johanna Mierau,
„dass die fama mit allen ihren Bedeutungsvarianten […] in der christlichen Gesellschaft noch des 15.Jahrhunderts positiv als vox Dei eingeschätzt wurde“. 47 Hatten es
Gerüchte so leicht? Und hatten entsprechend auch die Urheber von gezielten Desinformationen so leichtes Spiel? Lassen sich Falschmeldungen vom Tod eines Herrschers glaubwürdig verbreiten und lassen sich damit ganze Städte zu weitreichenden politischen Richtungswechseln bewegen? Man könnte daran zweifeln. Jedenfalls erscheint es erforderlich, zunächst zu prüfen, inwieweit man tatsächlich den
Kontrahenten unterstellen kann, den Tod ihres Gegners zu erfinden und mit diesem
Gerücht auch noch auf Vertrauen zu stoßen.
Das Gerücht vom Tod Friedrichs II. kennt beispielsweise zunächst nur eine
nordalpine Quelle; in Italien ist selbiges bezeichnenderweise erst später zum Thema
gemacht worden. Schaut man in die Papstregesten für dieses Jahr, macht man zwei
Funde: 1. Von dem Gerücht liest man hier nichts; 2. In dem längst nicht vollständigen Werk findet man in der betreffenden Zeit päpstliche Verlautbarungen, in denen
der Papst Dritte davon in Kenntnis setzt, was für Untaten Friedrich gerade in Jerusalem begeht. Diese Schriftstücke entstehen in einer nicht kleinen Kanzlei, sind auch
– im Rahmen der damaligen Möglichkeit – zur Veröffentlichung gedacht. Das heißt:
Während des Kreuzzuges verbreitete der Papst öffentlich Berichte über Friedrichs
aktuelle Freveltaten im Heiligen Land. Damit gab er aber zugleich Lebenszeichen
des angeblich Verstorbenen.
Es erscheint besonders hintertrieben von Friedrich II., dass er, obwohl er doch tot
sein sollte, durch regelmäßiges Fehlverhalten den Papst selbst dazu zwang, kontinuierliche Lebenszeichen zu publizieren. Vorsichtige Zweifel an Burckhards Version,
der Papst habe das Gerücht böswillig verbreitet, sind deswegen vielleicht angebracht. Ähnliches gilt möglicherweise für die Geschichte Mathildes von Canossa.
Das fortgeschrittene Alter der Markgräfin und ihr ein Jahr darauf tatsächlich erfolgender Tod lassen Donizos Geschichte zwar oberflächlich plausibel erscheinen.
Aber schon mehrmals zuvor hatten sich die Mantovaner gegen die Herrschaft der
47 Heike Johanna Mierau, Fama als Mittel zur Herstellung von Öffentlichkeit und Gemeinwohl in der Zeit
des Konziliarismus, in: Bernd Schneidmüller/Martin Kintzinger (Hrsg.), Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter. (VuF, 75.) Ostfildern 2011, 237–286, hier 239f.; und weiter, 276: „Gerüchte dienten als geheim
Gesagtes, als Rede ohne Urheber und als Kolportiertes nicht für Privates, sondern zielten auf das Gemeinwohl in der christlichen Gesellschaft.“
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Markgräfin erhoben, jeweils ohne jede Nachricht von ihrem Tod. Und dass Mathildes Vasallen als Wachen in ihrer Feste Rivalta den traditionsgemäß feindlichen
Mantovanern das markgräfliche castrum einfach überlassen hätten, nur weil diese
behaupteten, die Markgräfin sei verstorben, ist ebenfalls wenig wahrscheinlich. 48
Dieses umso mehr, da ja, laut Donizo, die Wachen selbst an der Wahrheit der Todesnachricht zweifelten.
In anderem Kontext berichtet Mattheus Paris über den Kampf zwischen Friedrich II. und den Päpsten, dass damals ganz bewusst dem politischen Gegner unterstellt worden sei, böswillig Gerüchte zu verbreiten. Auf diese Weise hätten Gerüchte, die geeignet gewesen seien, den Kaiser zu diskreditieren, als Waffe gegen den
Papst gewendet werden können, da man nun diesem vorwarf, die Gerüchte verleumderisch erfunden zu haben. Die wahre Urheberschaft sei dann aber gar nicht mehr
zu erweisen. 49 Mattheus Paris scheint damit anzudeuten, dass in der Regel verleumderisch ein Unschuldiger zum Erfinder von Gerüchten erklärt worden sei. 50
Auch die moderne soziologische Forschung über Gerüchte nährt – jedenfalls für
die Moderne – Zweifel daran, einen böswilligen Mastermind hinter Gerüchten zu
vermuten. Der Soziologe Jean-Noel Kapferer hat jedenfalls empirisch festgestellt,
dass das Gerücht in der Regel „ein spontanes soziales Produkt [ist], dem keine Absicht oder Strategie zugrunde liegt“. 51 Zwar kommen Gerüchte in auffallender Häufigkeit immer zur rechten Zeit am rechten Ort auf, weshalb man regelmäßig ein
wohl geplantes strategisches Propagandamanöver unterstellt. Wenn man aber ein
Gerücht ganz bewusst lanciert und als derjenige erkennbar ist, der es lanciert hat, gerät man in dem Moment, in dem es als Lüge entlarvt wird, in Erklärungsnot. 52 Schon
deswegen sollte jeder Gerüchteerfinder versuchen, ungenannt zu bleiben. Kapferer
jedenfalls hält die Vorstellung „von der verborgenen und strategisch wirkenden
Quelle“ für einen Mythos. 53
48
So aber Spike, Tuscan Countess (wie Anm.28), 258.
49
Matthew Paris, Chronica maiora. Ed. Henry Richard Luard. (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scripto-
res, 57/4.) London 1877, ad annum 1246, 585: „Fuerunt qui dicerent, hoc astute fuisse adinventum et fraudulenter procuratum; ut scilicet Frethericus, qui sibi consimilem casum Papa procurante nuper contigisse
protestatus est, consimili culpa diffamaretur.“
356
50
Vgl. Mierau, Fama (wie Anm.47), 65f.
51
Kapferer, Gerüchte (wie Anm.5), 33.
52
Ebd.79.
53
Ebd.
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Damit scheint er, auch wenn er sich in seinen Forschungen auf seine Gegenwart
bezog, in vielen mittelalterlichen Fällen richtig zu liegen, in denen einem Konkurrenten unterstellt wird, er habe den vermeintlichen Tod des Königs gezielt kolportiert. Bisweilen nämlich bezichtigt ein Autor nachweislich eine unschuldige Person,
das Gerücht vom falschen Tod verbreitet zu haben. Das gilt beispielsweise für einen
abenteuerlichen Fall, in dem Lampert von Hersfeld offensichtlich zur bloßen Verleumdung das Gerücht vom Gerücht streut: Ihm zufolge, dem zwar gut unterrichteten, aber nicht minder verdächtigen Annalisten, habe Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen im Jahr 1063 seine überragende Autorität am Hof des minderjährigen
Königs dazu genutzt, einen noch lebenden Bischof in Italien für tot zu erklären und
für den Verstorbenen gleich noch einen geeigneten Nachfolger zu präsentieren. Der
war Abt von Corvey, und Adalbert konnte sich nun, da der Abt als künftiger Bischof
nach Italien abgeschoben worden war, des verwaisten Klosters bemächtigen. 54 Ist es
wahrscheinlich, dass der Abt so gutgläubig ohne vorherige Überprüfung über die Alpen zog, um erst dort zu erfahren, dass er einer Falschmeldung aufgesessen ist? Lampert selbst nennt Adalberts Story von dem toten italienischen Bischof eine fabula
ridicula; ebenso vernichtend urteilt die Forschung einhellig über die gesamte Anekdote Lamperts. 55 Denn anders als dieser fortfährt, bleibt der betreffende Abt nachweislich Abt von Corvey, als solcher stirbt er 1071, sieben Jahre bevor Lampert seine
Annalen niederschrieb. Diese Geschichte ist wohl nur ein weiterer Versuch Lamperts, den verhassten Hamburger Erzbischof in ein schlechtes Licht zu rücken. 56
Dass Adalbert aber dieses Gerücht überhaupt verbreitet habe, um das unterstellte
Ziel zu erreichen, entbehrt wohl jeder Grundlage.
Wir sind also bei der Suche nach Gerüchten vom toten Herrscher bei genauerem
Hinsehen mit einer Reihe von Quellen konfrontiert, in denen zwar ein Gegner des
Herrschers für das Gerücht verantwortlich gemacht wird; weder die quellenkritische Überprüfung noch die soziologische Empirie können diese Verleumdung aber
54 Lampert von Hersfeld, Annales, in: ders., Opera. Ed. Oswald Holder-Egger. (MGH SS rer. Germ., 38.)
Hannover/Leipzig 1894, 1–304, a. 1063, 90.
55 Vgl. Hanna Vollrath, Überforderte Könige. Die Salier in ihrem Reich, in: Gerhard Lubich (Hrsg.), Heinrich V. in seiner Zeit. Herrschen in einem europäischen Reich des Hochmittelalters. (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, 34.) Wien/Köln/Weimar 2013, 11–41, hier 23, mit Zweifeln an
der Glaubwürdigkeit und mit der Vermutung, Lampert könnte einen wahren Kern „frisiert“ haben.
56 Vgl. zu diesem Zug Lamperts insgesamt Tilman Struve, Lampert von Hersfeld. Persönlichkeit und
Weltbild eines Geschichtsschreibers am Beginn des Investiturstreits, in: HessJbLG 19, 1969, 1–123.
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wahrscheinlich machen. Urheber von Gerüchten lassen sich in der Regel gerade
nicht identifizieren, und dass ein falsches Gerücht vom Tod alsbald als Lüge entlarvt
wird, ist stets zu befürchten. Es gab probatere Mittel im Kampf gegen Widersacher.
Üblicherweise zielte man kommunikationsstrategisch nämlich eher auf die moralische Reputation des Gegners. Diese konnte man nachhaltig zerstören, und hier war
das Dementi schwieriger als beim falschen Tod. 57 Diese Diskreditierung durch Desinformation hatte Friedrich II. auch im Sinn, als er brieflich vor dem „üblen Gerede“
(mali fama) und dem „flüchtigen Gerücht der Unsicherheit“ (varietatis fama volatilis)
warnte. 58 Schon Heinrich IV. und Gregor VII. hatten die entsprechenden Vorwürfe
in der Mitte des 11.Jahrhunderts fast zur Perfektion betrieben. 59 Damit konnte man
dem Gegner dauerhaft und nachhaltiger schaden als mit dem kurzlebigen Gerücht
seines Todes.
Die gezielten Benennungen von übelmeinenden Urhebern der Gerüchte erweisen sich also wahrscheinlich als anekdotische Passagen der Quellenautoren. Sie sind
daher eher Teil der Argumentation des Verfassers oder des Plots der ganzen Erzählung. Deswegen rücken abschließend diese Quellen als Texte in den Fokus.
V. Zur Unterscheidbarkeit von Ursache und Wirkung. Das
Gerücht in der Narrative des Textes
Bei Burchard von Ursberg hat das Gerücht vom toten Friedrich eine erzählerische
Funktion. Es erklärt ein darauf folgendes Ereignis, nämlich den Abfall einiger apulischer Städte:
„Während dies in den jenseits des Meeres gelegenen Ländern geschah, ließ der
Papst mit seinen Komplizen, wie die Leute versichern, in Apulien das Gerücht
verbreiten, dass der Kaiser tot sei. Deshalb beschlossen die Städte, die bislang
dem Kaiser folgten, sich der Herrschaft des Papstes zu unterwerfen.“ 60
Wie sonst sollte ein staufisch gesinnter Chronist im fernen Schwaben verstehen,
57
Dazu eindrucksvoll am Beispiel Heinrichs IV. Steffen Patzold, Die Lust des Herrschers. Zur Bedeutung
und Verbreitung eines politischen Vorwurfs zur Zeit Heinrichs IV., in: Gerd Althoff (Hrsg.), Heinrich IV.
(VuF, 69.) Ostfildern 2009, 219–253.
58
358
Winkelmann, Acta imperii inedita (wie Anm.33), Nr.397 und 398.
59
Umfassend dazu der gesamte Band Althoff (Hrsg.), Heinrich IV. (wie Anm. 57).
60
Burchard von Ursberg, Chronicon (wie Anm.34), 126.
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warum Städte dem Kaiser die Treue aufkündigen? Wenn die Bürger glauben mussten, es gäbe gar keinen Kaiser, war der Abfall wenn nicht legitimiert, so doch wenigstens verzeihlich und zudem ohne Gesichtsverlust der Staufer begründet.
Ähnlich hatte auch schon Otto der Große mit einem Gerücht erklärt, warum man
in Sachsen königliches Recht verletzt hatte. Unter ihm konnte so etwas nicht passieren, weil nicht sein kann, was nicht sein darf, und wenn doch, dann war die hier angebotene Erklärung natürlich vorteilhaft. 61 In Ottos Erzählung ist die Nachricht von
seinem Tod der Grund aller Unruhe, die Ursache unrechtmäßiger Lehensvergaben;
solange er als Verteidiger insbesondere der Kirchen herrschte, konnte es solche
Übergriffe im Reich nicht geben. Die Nachricht von seinem Tod legitimiert den
Rechtsbruch nicht vollends, aber sie erlaubt es allen Parteien, das Gesicht zu wahren.
Das Gleiche gilt für eine Anekdote Nithards, des Chronisten und Anhängers Karls
des Kahlen. Der musste irgendwie erklären, warum seinem Helden Karl in der Auseinandersetzung mit dessen Brüdern nicht alle Franken zuliefen:
„Karl der Kahle hatte inzwischen Adalhard und andere Boten mit dem Auftrag zu den Franken geschickt, in Erfahrung zu bringen, ob sie zu ihm zurückkehren wollten; in Quierzy trafen sie aber nur sehr wenige an; und die sagten
auch noch, dass sie zwar sofort zu ihm überliefen, wenn er anwesend wäre; so
aber wüssten sie ja nicht einmal, ob er überhaupt noch lebe. Denn Anhänger
Lothars behaupteten, Karl sei in der Schlacht von Fontenoy gefallen.“ 62
Im Folgenden führt der Chronist noch weitere Gründe an, die den dürftigen Zulauf an Anhängern für seinen Helden Karl erklären sollten, in seinen Worten: „Aber
die Franken, die ebenso wie die Aquitanier Karls geringe Macht verachteten, wussten sich mit allerlei Vorwänden der Huldigung für jetzt zu entziehen.“ 63 Es berichtet
– wieder einmal und wie immer in diesen Fällen – ausschließlich eine Quelle, die auf
Seiten des vermeintlich verstorbenen Herrschers steht. Wieder einmal erklärt das
angebliche Gerücht einen erklärungsbedürftigen Schatten auf der strahlenden
Oberfläche des idealisierten Protagonisten. Man sollte die Chronisten damit nicht
generell der Lüge bezichtigen. Gleichwohl ist im Einzelfall die Chronologie zu hinterfragen. Es ist nämlich kaum auszumachen, ob das umlaufende Gerücht die Ak-
61 Die Urkunden Konrads I., Heinrichs I. und Ottos I. (wie Anm.26) , 421, 575.
62 Nithard, Historiarum libri quattuor. Ed. Georg Heinrich Pertz. (MGH SS rer. Germ., 44.) Hannover 1907,
III, 2, 30.
63 Ebd.
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teure zu einem bestimmten Handeln motiviert hat, oder ob – andersherum – das
Handeln der Akteure, die Erhebung gegen den Herrscher, den Außenstehenden oder
unter Umständen den Chronisten so erklärungsbedürftig schien, dass diese zur
Sinnstiftung nachträglich das Gerücht als Zwischenstufe, als einzig denkbare Erklärung des Unerklärbaren, einfügten: Sie brauchten das Gerücht vom Tod des Herrschers, um zu begründen, warum andere den Herrscher hatten hintergehen können.
Die moderne Gerüchteforschung kommt zu ganz ähnlichen Ergebnissen: Demnach ist ein Gerücht ein Vorgang, durch den unerklärte oder unerklärbare Fakten
einen Sinn erhalten. 64 Eine Gruppe kolportiert und kommentiert Fakten auf der Suche nach eigenen Erklärungen. Sie versucht, ein Puzzle zusammenzusetzen. Die Entwicklung eines Gerüchts und seines Inhalts beruhen also in der Regel nicht auf einer
gezielten Strategie, sondern auf der Weiterentwicklung und Kommentierung von
Nachrichten, auf Sinnstiftungen und auf dem Versuch, die Gegenwart zu erklären,
kurz: auf Kontingenzbewältigung.
VI. Schluss
Gordon L. Alport und Leo Postman, die in ihrer Pionierstudie aus dem Jahr 1947
Gerüchte als ein kollektives Phänomen definiert haben, meinten auf Grundlage
ihrer empirischen Ergebnisse den Erfolg oder die Verbreitung eines Gerüchts fast
mathematisch messen zu können. Die Erfolgschancen setzen sich demnach aus zwei
Faktoren zusammen, Mehrdeutigkeit („ambiguity of the evidence“) und Relevanz
des Themas („importance of the subject“). 65 Relevanz bezieht sich auf den Inhalt des
Gerüchts, Mehrdeutigkeit auf die Notwendigkeit, unerklärten oder unerklärbaren
Fakten einen Sinn zu verleihen. Bei bedeutungslosem Inhalt fehlt die Gruppenmobilisierung. Das macht im Übrigen das Marketing so schwierig, das ja nichts anderes
ist als die Verbreitung eines Gerüchtes. Fehlt dagegen die Mehrdeutigkeit, die Unsicherheit, ein Mangel an Wissen, so gedeihen Gerüchte ebenfalls schlechter.
64
Kapferer, Gerüchte (wie Anm.5).
65
Alport/Postman, Psychology of Rumor (wie Anm.5), 33f.: „The amount of rumor in circulation will
vary with the importance of the subject to the individuals concerned times the ambiguity of the evidence
pertaining to the topic at issue“, vgl. auch die einflussreiche Studie von Shibutani, Improvised News (wie
Anm.5), 17. Er definiert Mehrdeutigkeit als einen Informationsmangel in Kontingenzsituationen.
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Gerüchte entstehen aus dem Bedürfnis, Sinn zu stiften. Und diese Sinnstiftung
muss erforderlich erscheinen, sonst wird das Gerücht nicht weiter getragen. Was
heißt das auf unseren Fall gewendet? Lange Abwesenheiten der Könige zur Zeit des
Reisekönigtums allein reichten offenbar für ein Gerücht vom Tod des Königs nicht
aus. Bei nahezu keinem Italienzug eines römisch-deutschen Königs ist von derartigen Gerüchten die Rede, auch bei keinem Kreuzzug hören wir davon. Das lange
Fernbleiben eines Königs in Italien war eben zunächst nicht erklärungsbedürftig. Es
war ja geradezu ein Charakteristikum des mittelalterlichen Reisekönigtums, dass
der König ständig abwesend war. Es bedurfte schon konkreterer Hinweise, um anderen glaubhaft zu machen, der König sei tot. Auch dafür gibt es Beispiele: Die Gefangennahme Ludwigs II. in Benevent etwa und seine lange Gefangenschaft ließen entsprechende Vermutungen vor Ort entstehen, die dann einige Boten rasch an Karl
den Kahlen herantrugen. Ähnliches gilt für die einleitend zitierten Beispiele aus Sizilien. Aber in der Mehrzahl der Fälle gab die Situation wenig Anlass, dem Gerücht
vom Tod des Herrschers große Verbreitung zu verschaffen. Wenn gleichwohl die
Quellen so oft von diesem vermeintlichen Gerücht berichten, dann nicht, weil es tatsächlich verbreitet war oder gar von übelmeinenden Menschen in Umlauf gebracht
worden war. In den meisten Fällen scheinen die Gerüchte vom Tod eines Herrschers
erst nachträglich zur Erklärung eines an sich unerklärbaren Ereignisses sinnstiftend
erfunden worden zu sein. Kaum zufällig sind es stets herrschernahe Zeugen, die in
den besprochenen Fällen das Gerücht vom Tod ihrer Protagonisten in die Erzählung
einflechten, um eine plausible, den Herrscher selbst aber nicht bloßstellende Erklärung für einen Aufstand anführen zu können. Der Vorwurf, Gegner hätten dieses
Gerücht gezielt verbreitet, ist zwar häufig belegt. Praktisch durchführbar ist diese
Verbreitung von Lügen nach quellenkritischen und soziologischen Studien aber
kaum.
Wenn das Gerücht vom Tod eines Herrschers tatsächlich erst einmal im Raum
stand, wurden Handlungssequenzen in Gang gesetzt, die nur noch schwer aufzuhalten waren. Denn das verbreitete politische Wissen und die Erfahrung knüpften
schwerwiegende Konsequenzen an den Tod des Herrschers. Chronisten, die nachträglich darüber berichten, und Akteure, die in diesem Moment politische Entscheidungen zu treffen hatten, offenbaren, welche Brisanz mit dem Tod des Herrschers
verbunden war. Mit Blick auf die Personalität der Herrschaft war jedes Verhalten gegen die königliche Autorität in „königloser“ Zeit erklärbar; unter Bezugnahme auf
die Institutionalisierung war es dagegen illegitim. Die Quellen spiegeln – gerade
F . HARTMANN , DAS GERÜCHT VOM TOD DES HERRSCHERS IM FRÜHEN UND HOHEN MITTELALTER
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wenn es um das noch nicht bestätigte Gerücht vom Tod des Königs geht – dieses fluide politische Wissen, das Oszillieren zwischen personalen und transpersonal-institutionellen Vorstellungen wider.
Zusammenfassung
Im frühen und hohen Mittelalter berichten die Quellen in auffälliger Häufigkeit
von dem Gerücht, ein Herrscher sei verstorben. Auf diese unverbürgte Nachricht
hin seien demnach Revolten ausgebrochen, die erst durch das Erscheinen des vermeintlich Toten alsbald in sich zusammengebrochen seien. Im vergleichenden
Blick auf dieses wiederkehrende Motiv analysiert der Verfasser diese Gerüchte in
ihrer narratologischen Funktion. So sind es meist dem vermeintlich verstorbenen
Herrscher nahestehende Autoren, die diese Gerüchte in ihrer Erzählung als Ursache
dafür anführen, dass überhaupt Revolten gegen den Herrscher ausbrechen konnten.
Regelmäßig werden deswegen übelmeinende Konkurrenten des Herrschers zu böswilligen Erfindern des Gerüchts stilisiert. Ohne deren Intrigen wäre, so der Tenor,
ein Aufstand gegen den Herrscher undenkbar gewesen. Die Einzelfallprüfung sowie
generelle Überlegungen zur Kommunikation im frühen und hohen Mittelalter machen dagegen wahrscheinlich, dass die Gerüchte vom Tod eines Herrschers oft nachträgliche Erfindungen der Autoren sind, um in ihrer Erzählung eine Erklärung für
den unerklärbaren Aufstand gegen einen Herrscher anzubieten.
PD Dr. Florian Hartmann, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Institut für Geschichtswissenschaft, Abt. für Mittelalterliche Geschichte, Konviktstr. 11, 53113 Bonn
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Historische Zeitschrift //
BAND
302 / 2016
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