turgeschichtlich vergleichender Perspektive betrachtet Sessa zunächst (Kapitel 1–3)
das regulierende und verwaltende Handeln des paterfamilias gemäß dem Normenund Wertesystem der Römischen Republik und die daran anknüpfende Verwaltungstätigkeit des römischen Bischofes, der sich dann als „man-in-power“ (S.94) in
der Verantwortung sieht für die gesamte domus dei. Inwiefern ihm die Durchsetzung
seiner Vorgaben gelingt oder er sich (gegenüber den Aristokraten) unter weitgehendem Verzicht auf einen Führungsanspruch auf die Propagierung christlicher Werte
beschränkt, ist Thema der folgenden Kapitel (3, 4, 6 und 7). In Kapitel 5 will Sessa am
Beispiel der Doppelwahlen von 498 (Symmachus – Laurentius) zeigen, dass (angebliches) Missmanagement der eigenen domus dem Konkurrenten um die kirchliche
Leitungsfunktion in die Hände spielt. Eine Zusammenfassung (Kapitel 8), ein Literaturverzeichnis und ein Index runden den Band ab. Sessas Argumentation gerät
durch die nahezu komplette Ausblendung der biblisch-theologischen Legitimation
und der institutionellen Stabilisierung des römischen Vorranganspruches zu unausgewogen. Die ausführliche Diskussion von „domestic life and models of governing“ (S.1) als wichtige Faktoren für den Aufstieg der römischen Bischöfe verleiht der
Untersuchung aber unbestritten innovativen Charakter und zeitigt durchaus interessante Einzelergebnisse.
Gianmaria Zamagni, Fine dell’era costantiniana. Retrospettiva genealogica di
un concetto critico. (Testi e ricerche di scienze religiose, NS., 45.) Bologna, il
Mulino 2012. 197 S., € 17,–. // doi 10.1515/hzhz-2014-0457
Hartmut Leppin, Frankfurt am Main
Das Konzept des Konstantinischen Zeitalters (als Folge der Konstantinischen Wende) gehörte für viele Jahrzehnte zu den zentralen Interpretamenten der Spätantikeforschung und war mit der elementaren Frage verbunden, wie sich das Verhältnis
von Kirche und Staat gestalten sollte. Bedeutete die Verbindung von Kaiser und Kirche, oder im Schlagwort: von Thron und Altar, für die der Name Konstantins stand,
einen Verrat an den ursprünglichen christlichen Idealen, wie insbesondere (aber
keineswegs ausschließlich) protestantisch inspirierte Deuter gerne behaupteten,
oder ermöglichte sie eine Gesellschaft, die umfassend von christlichen Werten geprägt war und daher dem Menschen Geborgenheit bot, wie es mehr oder minder
nachdrücklich von manchem katholischen Beobachter vertreten wurde, oft verbun-
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den mit einer Idealisierung des Mittelalters. War der Prozess der Säkularisierung
dementsprechend wünschenswert, und wie sollte man ihn nutzen, um ein wahres
Christentum zu entfalten? Eng waren und sind Gegenwartsprobleme und historische Reflexion verbunden.
Einen speziellen, aber wesentlichen Aspekt dieses Problems behandelt Gianmaria Zamagni, indem er an verschiedenen Beispielen erörtert, wie das Ende des Konstantinischen Zeitalters in der Neuzeit beurteilt wurde. Gemeint ist mit dem Ende des
Konstantinischen Zeitalters die Situation des Christentums im 20.Jahrhundert, das
nicht mehr auf eigenen Füßen steht, unbehaust wird, da es sich einer feindlichen
Umwelt gegenübersieht. Zamagni geht aus von der einschlägigen Schrift des französischen dominikanischen Theologen Marie-Dominique Chenu, der sich auf Thomas
von Aquin bezog. In mehreren Schritten verfolgt er das Thema, zeitlich zurückgehend, über den österreichischen Historiker Friedrich Heer, eine Gruppe französischer Gelehrter (Étienne Gilson, Emmanuel Mounier, Jacques Maritain), den exkommunizierten italienischen Kirchenhistoriker Ernesto Buonaiuti bis hin zu dem
zum Katholizismus konvertierten Protestanten Erik Peterson.
Zamagni, dessen teils frühere Studien integrierendes Buch durch ein knappes,
das Problem zuspitzende Vorwort des Cataneser Theologen Giuseppe Ruggieri eingeleitet wird, interpretiert wichtige Schriften, darunter eben auch die an ein breiteres Publikum gerichteten eines Friedrich Heer, indem er sie im Kontext des Gesamtœuvres und vor ihrem historischen Hintergrund, der Entstehung autoritärer
und faschistischer Regime, der Bedrohung der prägenden Kraft des Katholizismus
und der Gefahr des Missbrauchs der christlichen Botschaft liest. Die verschiedenen
Kapitel sind nur locker miteinander verbunden; die Schlussfolgerungen führen verschiedene Linien zusammen. Es entsteht ein facettenreiches Bild des Wechselverhältnisses katholischer Debatten und zeitgenössischer Entwicklungen. Vollständigkeit ist nicht angestrebt: In den Hintergrund treten vergleichbare zeitgenössische
Debatten anderer Disziplinen; auch auf die protestantische Entwicklung können
nur kurze Seitenblicke – insbesondere auf Karl Barth – geworfen werden.
Rekonstruiert werden hier mithin aus der Sicht eines Anhängers des Zweiten
Vaticanums Positionen innerhalb einer innerkatholischen Diskussion des 20.Jahrhunderts, die allerdings ein breites historisches Interesse verdient, da sie direkt und
indirekt in die Forschungen von Historikern mit christlichem Hintergrund eingeflossen sind. Überdies dürfte aus deutscher Sicht besonders interessant sein, dass die
Debatte zwischen Erik Peterson (der allerdings vom Ende des Konstantinischen Zeit-
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alters nicht gesprochen hat) und Carl Schmitt um die Möglichkeit einer politischen
Theologie durch dieses gelehrte, perspektivenreiche Buch neu kontextualisiert
wird.
Scott Fitzgerald Johnson (Ed.), The Oxford Handbook of Late Antiquity. Oxford/
New York/Auckland, Oxford University Press 2012. XLV, 1247 S., $ 136,49.
// doi 10.1515/hzhz-2014-0458
Hartmut Leppin, Frankfurt am Main
Ein monumentales Werk liegt mit diesem Handbuch vor, das die Spätantike von
Constantin dem Großen bis Mohammed als eine Epoche der Transformation zeichnet, in der die Mittelmeerwelt in vielfältiger Weise mit den nördlichen Teilen Europas und mit Eurasien verflochten war; auch der frühe Islam kommt erwartungsgemäß zu seinem Recht. Zwei Einleitungen (von Scott Fitzgerald Johnson unter eleganter
Einbeziehung der Beiträge des Bandes über die Einzigartigkeit der Spätantike und
von Hervé Inglebert, der über das Konzept des Handbuchs reflektiert) verdeutlichen
den Facettenreichtum der Epoche und ihrer Wahrnehmung. Die Autorenschaft ist
international zusammengesetzt – wenngleich deutschsprachige Autoren vollkommen fehlen; die Belege, die relativ dicht sind, beziehen indes alle Wissenschaftssprachen mit ein. Teils vorzügliche Abbildungen begleiten den Band.
Auf vier Hauptteile werden die Einzelbeiträge aufgeteilt, die durchweg ein hohes
Reflexionsniveau repräsentieren: „Geographies and Peoples“, wobei Römer und
Griechen hier ausgeklammert werden, die in „Literary and Philosophical Cultures“
zu ihrem Recht kommen; es folgen „Law, State and Social Structures“ sowie „Religions and Religious Identity“ (merkwürdigerweise im Singular). Abschließend geht
es in drei Beiträgen um „Late Antiquity in Perspective“: Dabei wird die politische
Ordnung in einen globalgeschichtlichen Vergleich gerückt sowie das Bild der Epoche in Byzanz und in der Renaissance erörtert. Auf diese Weise entsteht ein eindrucksvolles Bild einer kreativen, bunten, ja glitzernden Epoche.
Jede Gliederung fordert Opfer: Bildende Kunst wird bei diesem Konzept zu einem
Unterpunkt von Religion, Wirtschaft wird Recht, Staat und Sozialstrukturen untergeordnet. Bewusst werden die Eliten privilegiert (S.xviii). Das Kaisertum als wichtigste Form der politischen Ordnung wird indes nicht in einem eigenen Kapitel thematisiert: „Episcopal leadership“ erhält ein eigenes Kapitel, nicht aber „political lea-
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