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GRIT HEIDEMANN-SCHIRMER ADELSGRABMÄLER DES QUATTROCENTO IN NEAPEL: GRUPPENBEWUSSTSEIN UND SELBSTINSZENIERUNG Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) eingereicht an der Fakultät Bildende Kunst der Universität der Künste Berlin im Februar 2013 GutachterInnen: Prof. Dr. Tanja Michalsky, Bibliotheca Hertziana Rom Prof. Dr. Philipp Zitzlsperger, Humboldt-Universität Berlin Disputation am 28. Oktober 2013 Für Clara INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ……………………………………..………………………………………………… 5 I. Einleitung ………………………………………..………………………………….…......... 7 I.1. Vorstellung des Themas ……………………………..………………………...................... 7 I.2. Grabmäler als Kommunikationsmedien in der vormodernen städtischen Gesellschaft…... 10 I.3. Erste topologische und typologische Beobachtungen ………………………..................... 15 I.4. Konzept der Arbeit ……………………………………………………………….............. 16 II. Der neapolitanische Adel im 15. Jahrhundert: Differenzierung und Kontextualisierung ……………………………...........….....…..... 19 II.1. Nobiltà di Seggio – Der Stadtadel ...................................................................................... 21 II.1.1. Die Maggiore Nobiltà ..................................................................................................... 24 II.1.2. Die Seggi Minori ............................................................................................................. 27 II.1.3. Die Bedeutung der Seggi im Stadtraum von Neapel …………………………….......... 31 II.2. Nobili fuori Piazza – Die Neuen in der Stadt …………………………………….……... 34 II.2.1. Die Herkunft innerhalb des Regnums …………………………………………...…….. 35 II.2.2. Die Herkunft außerhalb des Regnums …………………………………………...…..... 36 II.3. Baruni – Der Feudaladel ……………………………………………...…………………. 37 II.3.1. Die Baruni de titulo ………………………………………………………………….... 38 II.3.2. Der titellose Feudaladel ………………………………………………………….......... 41 II.4. Die Adligen in Zeiten politischer Umbrüche und sozialen Wandels: Neapel im 15. Jahrhundert …………………………………………...………………….. 41 Der Dynastienwechsel und die soziopolitischen Veränderungen ……………………….. 42 III. Die Konfrontation der Gruppen: San Giovanni a Carbonara als Austragungsort politischer Rivalitäten .…………..... 53 III.1. Die Kirche als „ecclesia reale“ der letzten Anjou-Durazzo ……….….…………........... 53 Kurze Baugeschichte …………………………………………………………………... 54 Das Königsgrabmal und der Anspruch auf die Kirche als „ecclesia reale“ …….…..... 57 Exkurs: Der angiovinische Grabmalstyp des Trecento ………………………………... 63 III.2. Die Cappella Caracciolo del Sole – Demonstration der einzigartigen Machtstellung eines neapolitanischen Stadtadligen ……………………………………………………. 65 Die architektonische Gestalt der Kapelle …………..…………………………………… 68 Das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole (1433–1449) …………………...….... 70 Das Freskenprogramm der Kapelle ………………….………………………………... 76 Weitere Ausstattungselemente in der Kapelle .………..………………………………… 80 Die Datierungsproblematik der Kapelle …..………..…………………………………... 80 Die Funktion und der Bedeutungsgehalt der Kapelle ………………………………….. 82 III.3. Die Cappella Santa Monica – Provokante Nähe eines rebellierenden Feudaladligen….. 85 Das Kapellenportal …………...……………………..………………………………….. 88 Das Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano (nach 1433) ………………….... 90 III.4. Zusammenfassung des Kapitels ………………….…………………..………….……... 93 IV. Die Maggiore Nobiltà des Seggio-Adels: Demonstration von Exklusivität ………….. 97 IV.1. Abgrenzung nach außen …………………………………...………………………….... 97 IV.1.1. Die Bestattungsorte ………………………………………………………................... 98 IV.1.1.1. Der Dom ………………………………………………………………….………… 99 IV.1.1.2. San Domenico Maggiore ………………………………………….......................... 101 IV.1.2. Zur Persistenz des alten Grabmalstyps ……………………………………………… 104 Das Grabmal für Kardinal Enrico Minutolo im Dom (1402–1405) ….…………..... 105 Das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone im Dom (1405) ..…………………. 111 Das Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio in St. Angelo a Nilo (1426–1428) ... 114 Das Grabmal für Tommaso Brancaccio in San Domenico Maggiore (1492) …....... 118 Das Grabmal für Antonio Malizia Carafa in San Domenico Maggiore (nach 1470) 120 IV.2. Konkurrenz nach innen ………………………………………………………….……. 126 IV.2.1. Wettstreit um die Besetzung des Kirchen- und Stadtraums – Die Grablegen der Brancaccio und Carafa in Sant’Angelo a Nilo und San Domenico Maggiore ............ 127 Sant’Angelo a Nilo als Familiengrablege der Brancaccio ………………………..….. 128 Die Familienkapellen der Carafa della Stadera in San Domenico Maggiore …....... 132 IV.2.2. Formfindungsprozesse im Kontext des Selbstverständnisses von Exklusivität .......... 133 Das Grabmal für Pietro Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (1483) ……………..…. 134 Die Zwillingsgrabmäler für Diomede und Francesco Carafa in San Domenico Maggiore (späte 1470er und 1490er) ………………………………………………..….. 137 IV.3. Zusammenfassung des Kapitels ………………………………………………………. 148 V. Die Neuen in der Stadt: Innovationsprozesse in der adligen Grablegepraxis ……… 151 V.1. Die Suche nach alternativen Bestattungsorten …………………………….................... 152 V.1.1. Santa Maria la Nova ..................................................................................................... 154 V.1.2. Santa Maria di Monteoliveto ........................................................................................ 157 V.2. Neue Kapellenraumauffassung – Die Cappella Piccolomini und ihre Folgen …….…... 161 Das Grabmal für Maria von Aragon (1475–1491) ………….……………………….......... 163 Der Sediale für Antonio Piccolomini (1480er) ……………..………………………...……. 166 Der Kapellenaltar …………………………………………………………………....….... 168 V.2.1. Die Cappella Correale .................................................................................................. 169 Der Sarkophag für Gabriele Correale (um 1490) ………….………………………........ 171 Der Sediale für Marino Correale (um 1490) ……………..………………………...…… 173 Der Kapellenaltar ………………………………………………………………....…… 174 V.2.2. Die Cappella d’Alessandro ........................................................................................... 176 Das Doppelgrabmal für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia (1492) …....... 177 Der Sediale für Antonio d’Alessandro (1491) ...…………..………………………...…... 180 V.3. Zum Aufkommen neuer Grabmalstypen ………………………………......................... 182 Das Grabmal für Matteo Ferrillo (1492–1499) .......………….………………………....... 182 Das Grabmal für Bischof Costantino Castriota (um 1500) .……………………….....….. 185 Das Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (1510er) ……....….. 188 V.4. Die Cappella Tolosa – Zeichensetzung eines immigrierten Aufsteigers ………............. 194 Die Freskenausmalung ………………………….........………….………………………........ 196 V.5. Soziale Anerkennung durch formale Angleichung? Das Grabmal Giovanni Cavaniglias in Santa Maria di Monteoliveto …………………..…….............................. 197 V.6. Zusammenfassung des Kapitels ……………..…………………..…………................... 202 VI. Schlussbetrachtung ………………………………………………………………..…... 205 VII. Anhang ………………………………………………………………………………… 209 VII.1. Literaturverzeichnis ……………………………………………………………...…... 211 VII.2. Abbildungsverzeichnis ……………………………………………………………...... 241 VII.3. Abbildungen ………………………………………………………………………….. 243 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 5 VORWORT Dies ist die überarbeitete Fassung meiner Doktorarbeit, die ich im Februar 2013 an der Universität der Künste Berlin unter dem Titel „Die Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel – Gruppendynamiken und Formfindungsprozesse in Zeiten politischer Umbrüche und sozialen Wandels“ vorgelegt hatte. Der intensiven Beschäftigung mit diesem Thema zugrundeliegend war ein durch den DAAD ermöglichter Forschungsaufenthalt in Neapel im Frühjahr 2008 sowie meine langjährige Mitarbeit im Teilprojekt C5 „Topologie der Erinnerung. Neapolitanische Adelsgrabmäler als Netzwerke der Selbstdarstellung“ am DFG geförderten Sonderforschungsbereich 640 „Repräsentationen sozialer Ordnungen im Wandel“. An dieser Stelle möchte ich nicht nur meinen damaligen KollegInnen des SFB 640 für die vielen konstruktiven Gespräche und immer anregenden Diskussionsrunden danken. Besonderer Dank gilt vor allem meiner Betreuerin Tanja Michalsky, die mich von Beginn an für die Neapel-Forschungen begeistert und stets motiviert hat. Auch die Aufgeschlossenheit meiner Freunde gegenüber diesem Thema, das mich all die Jahre so intensiv beschäftigt hat, darf nicht unerwähnt bleiben. Insbesondere Ruth Hansmann und Anett Ladegast danke ich für ihre so herzliche uneingeschränkte Unterstützung, für ihre wertvollen Anregungen und ihr ehrliches Interesse. Nicht zuletzt möchte ich meiner Familie für ihren Rückhalt danken, vor allem meinem Vater für die entscheidende, alles überflügelnde Frage nach einem nicht enden wollenden Wissensdurst, und meinem Mann, der mich immer wieder bestärkt und den notwendigen Enthusiasmus aufrechterhalten hat. Meiner Tochter, die aufs engste mit dem Abschluss der Dissertation verbunden ist, ist diese Arbeit von ganzem Herzen gewidmet. Berlin, den 09. November 2015 6 Grit Heidemann-Schirmer Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 7 I. EINLEITUNG I.1. Vorstellung des Themas Adelsgrabmäler scheinen eine Typisierung zu evozieren und tatsächlich lassen sich auch einige Charakteristika festmachen, die das Verständnis von Adel visualisieren.1 Doch sie sollten ebenso differenziert betrachtet werden, wie die historische Forschung dies für ihre Auftraggeber konstatiert.2 Die vorliegende Arbeit behandelt demnach die in der Forschung immer noch wenig bekannten Grabmäler der neapolitanischen Adligen des 15. Jahrhunderts, an denen nicht nur der aus dem Dynastienwechsel von 1442 resultierende politische und soziale Wandel, sondern vor allem die differenzierte (Selbst- und Fremd-)Wahrnehmung ihrer Auftraggeber evident wird. Es soll gezeigt werden, dass es sich um ein Oszillieren zwischen der Visualisierung eines lokal spezifischen Gruppenbewusstseins und dem Bedürfnis nach Selbstinszenierung Einzelner handelt, welches verstärkt in Zeiten politischer und sozialer Umbrüche auftritt. Während die allgemeine Grabmalsforschung vor allem die formalen und stilistischen Entwicklungen an bekannten Monumenten der europäischen Vormoderne sowie deren Bedeutung für die jeweilige Kulturlandschaft herausgearbeitet hat,3 so ist in den letzten Jahren die Differenzwahrnehmung der Auftraggeber als gesellschaftliche Gruppen und deren Auswirkungen auf die vormoderne Grabmalskunst verstärkt in den Fokus der Forschung gerückt.4 Zu Adelsgrabmälern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wird 1 Die Rede ist hier von der standesgemäßen Darstellung des Verstorbenen in Rüstung, mit Waffen und ein bis zwei Hunden am Fußende als Allegorien der Treue. Es handelt sich demnach um Attribute und Darstellungsmodi, die dem Selbstverständnis des Adels als Ritterschaft gerecht werden. 2 Zur differenzierten Betrachtung von Adel im Spätmittelalter siehe vor allem Spieß, Ständische Abgrenzung, 1992. Im neapolitanischen Kontext insbesondere Vitale, Élite, 2003 und Visceglia, Identità sociali, 1998. 3 Immer noch grundlegend Körner, Grabmonumente, 1997; Panofsky, Grabplastik, 1993; Bauch, Grabbild, 1976. 4 Siehe hier vor allem die Arbeiten des REQUIEM-Projektes an der HU Berlin, das die Papst- und Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit umfassend untersucht. Auch der Sammelband „Creating Identities“ der Kasseler Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. von 2007 hat entscheidende Impulse gesetzt. Des Weiteren sind beispielhaft die Sammelbände zu nennen Hengerer, Macht und Memoria, 2005 sowie Maier/Schmid/Schwarz, Grabmäler, 2000. 8 Grit Heidemann-Schirmer dabei der Blick hauptsächlich in die nordalpinen Regionen gerichtet.5 Demgegenüber bietet der neapolitanische Adel als eine äußerst heterogene Gruppe im Kontext der wechselnden fremdländischen Königshäuser einen überaus reichen Fundus an Grabmalsaufträgen in der vormodernen Zeit. Doch die kunsthistorische Forschung hatte sich lange Zeit einerseits fast ausschließlich mit der Kunstpatronage und den Repräsentationsstrategien der in Neapel residierenden Königshäuser befasst, andererseits mit der Stilkritik und Debatten um die Händescheidung der in Neapel tätigen Bildhauer.6 Schon Vitale hat auf die rudimentäre Forschungslage zum Thema der sozialen Differenzierung des neapolitanischen Adels und deren Auswirkungen auf die adlige Grablegepraxis aufmerksam gemacht.7 Erst in jüngster Zeit ist der Adel als Auftraggeberschaft vermehrt in den Fokus der Forschung gerückt, um seinem Einfluss auf die Stadtgestalt und auf die Kirchenausstattungen gerecht zu werden.8 Hier setzt die vorliegende Arbeit an und führt die Diskussion um den für die Auftraggeberforschung maßgeblichen sozialhistorischen Kontext weiter, aus dem heraus die Analyse der neapolitanischen Grabmonumente einen höheren Erkenntnisgewinn erwarten lässt. Die Bedeutung des Adels für die Stadt wurde schon von den Zeitgenossen wahrgenommen, was sich beispielsweise in ihrer Bezeichnung als Napoli Nobilissima widerspiegelt und letztlich zu einem Topos wurde.9 In gleicher Weise kategorisierte ein italienischer Chronist die fünf großen Städte Italiens nach ihren spezifischen Charakteren, und zwar: „Roma […] la santa, Milano la grande, Firenze la bella, 5 Aus der zahlreichen jüngeren Forschungsliteratur seien hier beispielhaft die Dissertationen genannt von Brinkmann, Grabdenkmäler, 2010; Baresel-Brand, Grabdenkmäler, 2007; Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht, 2004. 6 Siehe u.a. Bruzelius, The Stones of Naples, 2004; Michalsky, Medien der Macht, 2001; dies., Memoria und Repräsentation, 2000; Negri Arnoldi, La scultura, 1994; Abbate, La scultura, 1992; Pane, Il Rinascimento, 2 Bde., 1975-1977; Ferrari, Per la conoscenza, 1965; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962; Causa, Contributi, 1950. 7 Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 143. Grundlegende historische Vorarbeiten sind sowohl ihr als auch ihrer Magistrandin Serafina Rugna und insbesondere Maria Antonietta Visceglia zu verdanken. Vgl. ebd., bes. S. 143-147; Rugna, La nobiltà napoletana, 1997; Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982. Grundsätzlich ist die Forschungslage in Neapel dadurch erschwert, dass viele Archive im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. 8 Auf deutscher Seite sind grundlegend dazu Tanja Michalskys Arbeiten zu den neapolitanischen Adelsgrabmälern und Familienkapellen des 14. bis 16. Jahrhunderts zu nennen. Vgl. Michalsky, The Local Eye, 2008; Dies., Die Porosität, 2007; Dies., Seggi und Sediali, 2005; Dies., Strukturiertes Gedächtnis, 2005. Neben ihren Arbeiten sind vor allem die Dissertationen zu nennen von Grund, Teatri della Gloria, 2009 und De Divitiis, Architettura, 2007. Erste Impulse haben gesetzt Bock, Kunst am Hofe, 2001 und Beyer, Parthenope, 2000. 9 Schon Jacopo Sannazzaro betitelte Neapel als „nobilissima città”. Zitiert nach Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 102, Anm. 4. Außerdem bei del Tufo, Ritratto, 1588; Weiterhin in dem Stadtführer von Parrino, Napoli città nobilissima, 1700. Angelehnt an das Werk von Parrino wurde auch die kunsthistorische Zeitschrift „Napoli Nobilissima“ betitelt, welche seit 1892 erscheint. Marino, Becoming Neapolitan, 2011, S. 24, verweist auf die Mythenbildung Neapels als „the most noble and most faithful city.“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 9 Venezia la ricca“ und Neapel „la gentile“.10 Interessant ist diese zeitgenössische Aussage vor allem aus dem Grund, dass Neapel seit dem 11. Jahrhundert von auswärtigen Dynastien regiert wurde, mit denen sich der lokale Adel arrangieren musste.11 Im Untersuchungszeitraum des 15. Jahrhunderts, der aufgrund der damaligen, die neapolitanische Adelsgesellschaft nachhaltig verändernden politischen Ereignisse gewählt wurde, wird ersichtlich, dass sich die Ortsansässigen durch eine privilegierte innerstädtische Machtposition und ihre Dominanz im Stadtraum über die Dynastienwechsel hinweg identifizierten.12 Aufgrund der verstärkten Zuwanderung auswärtiger Adliger, die den in Neapel residierenden Königen folgten, entwickelte sich ein ausgeprägtes Differenzierungsbewusstsein innerhalb des Standes, das zur Abgrenzung der alten Familien vor allem gegenüber den Neuen in der Stadt führte. Meine These ist, dass dieses sozial differenzierte Selbstverständnis der Adligen formbildend für ihre Grabmäler sowie entscheidend für deren Standortwahl wurde.13 Die vorliegende Arbeit zielt demzufolge nicht darauf ab, einen umfassenden Katalog aller aus dem 15. Jahrhundert rekonstruierbarer Adelsgrabmäler Neapels zu liefern. Es geht vielmehr darum, anhand ausgewählter Beispiele das Gruppenbewusstsein und die Netzwerkbildungen, aus denen sich die Standortwahlen und Formfindungsprozesse entwickelten, in der Reflexion von Altem und Neuem – sowohl der adligen Auftraggeber als auch ihrer Monumente – herauszuarbeiten.14 Darüber hinaus sind mithilfe der Standortbestimmung sowie der Form- und Stilanalyse die Selbstinszenierungsstrategien ihrer Auftraggeber zu untersuchen, die sich aus den persönlichen Interessen inmitten eines sich wandelnden sozialen Gruppenverständnisses ergaben.15 10 Zitiert nach Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 61. Galasso führt außerdem einen weiteren Zeitgenossen an, der während seiner Besichtigung Neapels im Jahre 1444 von „Napoli zentile“ spricht. Vgl. ebd., S. 61, Anm. 3. Der Begriff „gentile“ bezieht sich dabei insbesondere auf die aragonesische Zeit. Siehe ebd., S. 61-110. Allgemein zum Charakteristikum „Edelkeit“ von Adel siehe auch Conze, Adel, 1972, S. 7. 11 Zum Verhältnis von Macht und dem „Anspruch auf Anerkennung und Gehorsam seitens der Herrschaftsunterworfenen“ in der spätmittelalterlichen Ständegesellschaft siehe Schreiner, Legitimation, 1997, S. 378 u. vorhergehende. 12 Zum gewählten Untersuchungszeitraum, der sich aus dem Herrschaftsantritt König Ladislaus’ von Anjou-Durazzo in Neapel um 1400 über den Dynastienwechsel im Jahre 1442 bis hin zum Ende der aragonesischen Herrschaftsphase 1503 ergibt, siehe unten Kap. II.4. 13 Zur Standortwahl im Kontext des sozialen Systems der neapolitanischen Adligen siehe vor allem Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982; dies., Il bisogno di eternità, 1988. 14 Zur Analyse von Netzwerken in der vormoderen Gesellschaft siehe immer noch grundlegend Reinhard, Freunde und Kreaturen, 1979. 15 Zur Bedeutung der Grablege als Objekt der Selbstdarstellung der neapolitanischen Adelsfamilien „all’interno di un sistema gerarchico di valori sociali“ siehe Vitale, Élite, 2003, S. 143 u. ff. Außerdem zur Bedeutung der Standortwahl der Grablege als Repräsentationsstrategie des Verstorbenen beziehungsweise vielmehr seiner Familie im sozialen Gefüge siehe auch Karsten/Zitzlsperger, Gesellschaftliche Gruppen, 2007, S. 80f., hier am Beispiel einer römischen Adelsfamilie. 10 Grit Heidemann-Schirmer Es soll gezeigt werden, dass sich der antagonistische Charakter des neapolitanischen Adels, der von der Konfrontation der Ortsansässigen mit den Fremden und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen in der Stadt geprägt war, zeichenhaft in den Grabmonumenten niederschlug. I.2. Grabmäler als Kommunikationsmedien in der vormodernen städtischen Gesellschaft Vormoderne Grabmäler sind zuerst einmal Monumente, die an das diesseitige Leben des Verstorbenen erinnern und zur Fürbitte für sein Seelenheil im Jenseits auffordern sollten.16 Darüber hinaus, und darin ist sich die jüngere Forschung ebenfalls einig, dienten die Grabmäler zur Legitimierung der Hinterbliebenen innerhalb der jeweiligen Gesellschaft.17 So postulierte schon der neapolitanische Humanist Giovanni Pontano (1426–1503) in seinem Tugendtraktat „De magnificentia“,18 dass „bei der Errichtung eines Grabs […] sowohl auf den Ruf dessen, dem es errichtet wird, als dessen, von dem es errichtet wird, bedacht zu sein“19, denn „jede Ehre, feierlich begraben zu werden, zielt aber auf die Lebenden ab.“20 Grabmäler fungierten als überaus wichtige Kommunikationsmedien zwischen den Lebenden und den Verstorbenen, ihre Funktion als Vermittler zwischen den Welten war allgegenwärtig.21 Da die vormoderne Gesellschaft gleichermaßen Lebende und Tote als Teile ihres Systems verstand und sie – ebenso wie die moderne Gesellschaft – durch Kommunikation konstituiert wurde, sind Grabmäler demzufolge grundlegend System erhaltende Medien, derer sich die einzelnen sozialen Gruppen der Gesellschaft 16 „Jede Stiftung erfolgte zum Seelenheil.“ Vgl. Kleinjung, Frauenklöster, 2008, S. 252. Allgemein zum mittelalterlichen Stiftungsbegriff siehe Borgolte, Die Stiftungen, 1988. 17 Siehe u.a. Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht, 2004, S. 18; Borgolte, Die Dauer, 2000, S. 141. Zum Einsatz von Grabmälern als Medien der Repräsentation für die Hinterbliebenen siehe beispielhaft KuschArnhold, Ein Monument der Familie, 2007, S. 59. 18 Zu Giovanni Pontano siehe unten Kap. V.3. 19 Zitiert nach der Übersetzung in Ebbersmeyer/Kessler/Schmeisser, Ethik, 2007, S. 313. 20 Ebd., S. 321. Auch „Lorenzo Valla [hatte] in seiner Streitschrift De voluptate (1431) […] klar[ge]stellt, dass die Pracht der Grabmäler nicht den Toten, sondern deren Nachkommen zum Schmuck gereiche.“ Vgl. Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. 50, Anm. 141. 21 Siehe dazu Schwarz, Liturgie und Illusion, 2000, bes. S. 176. Außerdem Belting, Repräsentation, 2002. Die Namensnennung des Toten war wesentlich, denn „schon für das mittelalterliche Recht galt, daß die Nennung des Namens der körperlichen Anwesenheit gleich geachtet wurde […] [und] die namentliche Benennung den Angerufenen herbeizwinge: Das Aussprechen des Namens schafft Gegenwart des Genannten.“ Vgl. Angenendt, Das Grab, 2000, S. 15. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 11 bedienten.22 In der Forschung werden Grabmäler daher auch als „Medien-Ensemble“23 bezeichnet, denen eine „spezifische Mitteilungsfunktion“24 eigen ist, mithilfe derer sie eine „auf verschiedenen Ebenen ablaufende verbale und non-verbale Kommunikation […] [ermöglichen und] im engeren semiotischen Sinn […] [als] Zeichenträger“25 fungieren. Diese symbolische Kommunikationskraft wurde durch die den Grabmonumenten inhärente Erinnerungsfunktion auf Dauer angelegt.26 Eine besonders wichtige Rolle spielte demnach auch die Auswahl des Materials. Die neapolitanischen Studienobjekte weisen dabei eine offenkundige Homogenität durch ihre Verwendung des beständigen und kostbaren Baustoffs Marmor auf. Darüber hinaus macht Zajic deutlich, dass „Grabdenkmäler […] in ihrer visuellen Symbolik die Konstituierung und Integration sozialer Gruppen durch die Wirkung auf deren medialen Zeichenvorrat beeinflussen und den darauf bezogenen gruppeninternen Diskurs beleben.“27 Die vormoderne Gesellschaft war auf diese symbolischen, kommunikativen Akte angewiesen, da sie die Ständehierarchie beförderten und somit die soziale Ordnung aufrechterhielten.28 Das Leben der Adligen als eine standesgemäße soziale Gruppe war dementsprechend geprägt von dieser Form der Kommunikation.29 Für sie hatten diese Eigenschaften von Erinnerungsmonumenten einen konstituierenden Mehrwert, denn die durch Alter und Herkunft codierte Lebensweise von Adel 22 Siehe dazu Borgolte, Das Grab, 2000, bes. S. 311; Schwarz, Liturgie und Illusion, 2000; Oexle, Die Gegenwart der Toten, 1983. Zur konstitutiven Bedeutung von Memoria für den Adel, auch in Form von Grabmälern, siehe Spieß, Liturgische Memoria, 2000, S. 98f.; Fey, Hochgrab, 2000, S. 125. Zur Bedeutung von Kommunikation, hier für die moderne Gesellschaft, siehe vor allem Luhmann, Soziale Systeme, 1987, bes. S. 555: „Gesellschaft betreibt Kommunikation, und was immer Kommunikation betreibt, ist Gesellschaft.“ Zu diesem „Systemgedächtnis“ siehe auch Preyer, Rolle, 2012, S. 43. Zu den „Medien der mittelalterlichen Kommunikation“ siehe grundlegend der Sammelband von Spieß, Medien, 2003, insbesondere der Beitrag von Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003. Zur „Sprachfähigkeit“ mittelalterlicher Bilder siehe Krüger, Bilder, 2003. Außerdem zuletzt zur „kommunikativen Funktion mittelalterlicher Skulpturen“ sehr überzeugend Boerner, Bildwirkungen, 2008. Weiterhin zu Grabmälern in diesem Kontext u.a. Kröll, Einführung, 2007. 23 Schwarz, Liturgie und Illusion, 2000, S. 176. 24 Schmidt, Zur terminologischen Unterscheidung, 1990, S. 293. Und weiter: „Deren weites Spektrum reicht von der bloßen Mahnung an den Betrachter, der eigenen Sterblichkeit eingedenk zu sein und für den Hingeschiedenen zu beten, bis zu denkmalhaftem Auftrumpfen, das weniger die fromme memoria als die profane fama des Grabinhabers perpetuieren möchte.“ 25 Zajic, Einen grabstain, 2007, S. 321. 26 So auch entsprechend der „Erinnerungskraft der Bilder“ und ihrer „Rolle […] als Gedächtnisstütze“ bei Boerner, Bildwirkungen, 2008, bes. S. 40-49. Außerdem zu Wappen als „differenziertes, die Sprachgrenzen überwindendes Zeichensystem“ siehe Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003, S. 34f.; Füssel/Weller, Einleitung, 2005, S. 11. 27 Zajic, Einen grabstain, 2007, S. 321. 28 Zur konstitutiven Funktion von Kommunikation für die Gesellschaft siehe vor allem Luhmann, Soziale Systeme, 1987 und Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003. Außerdem Boerner, Bildwirkungen, 2008, bes. S. 136. 29 In diesem Kontext insbesondere zur höfischen Kultur siehe Füssel/Weller, Einleitung, 2005, bes. S. 920. Zum Gruppenbewusstsein schon im früheren Mittelalter siehe vor allem Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990. 12 Grit Heidemann-Schirmer implizierte das Aufstellen von Grabmälern als Sinnbilder genealogischer Memoria.30 Dies wird besonders deutlich, nicht nur nach dem Wegfall eines verstorbenen Mitglieds aus dem Familienverband, der sich demzufolge neu positionieren musste,31 sondern auch in Zeiten des Wandels, wenn die bestehende soziale Ordnung hinterfragt wurde und es zu einem verstärkten Repräsentationsbedürfnis der jeweiligen Akteure kam.32 Wenn es um das Studium einer speziellen Auftraggeberschaft geht, die sich durch bestimmte Normen definiert(e), so ist es überaus Erkenntnis leitend, diese als soziale Gruppe zu thematisieren und deren „spezifische Kultur“ zu untersuchen, wie es Oexle konstatiert.33 Somit findet auch die kulturelle Gedächtnisforschung in der vorliegenden Arbeit eine grundlegende Anwendung,34 maßgebend nach Assmanns Devise: „Kultur im Zustand ihrer distinktiven Steigerung ist notwendigerweise mit einem besonderen Zugehörigkeits- und Zusammengehörigkeitsbewusstsein verbunden, ein Wir- Bewusstsein, das seine Intensität durch die Abgrenzung gegen ein sie gewinnt, und das seinen Anhalt und Ausdruck in einer primär limitischen Symbolik gewinnt.“35 Insofern müssen die kollektiven Identitäten der jeweiligen Gruppen herausgearbeitet werden, die in der vormodernen Gesellschaft – gegenüber der personalen Identität des Einzelnen – besonders stark ausgeprägt waren.36 So wie Luhmann für die moderne 30 Siehe dazu vor allem Oexle, Soziale Gruppen, 1998, S. 21: „Die Bedeutung von ‚Geschlecht’ für die Entstehung von Adel ist fundamental, denn die in der Bildung des Geschlechts erhaltene Erinnerung (memoria) an reale oder für real gehaltene oder als real ausgegebene Vorfahren konstituiert wesentlich die ständische Qualität, also den ‚Adel’ einer Adelsfamilie, eines adligen Hauses, weil Adel vor allem durch Herkunft erzeugt wird. Man sieht hier, wie durch Gruppenbildung ‚ständische’ Qualität entsteht: der ‚Adel’ eines Individuums oder einer Familie ist umso eminenter, je weiter die Vorfahrenschaft dieses Individuums oder dieser Familie in die Vergangenheit zurückreicht. Daraus resultiert die Fülle ‚kultureller’ Produktion, die in der Bildung adliger Geschlechter als Indikator wie als Faktor zutagetritt.“ Dazu auch Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990, bes. S. 67-77. 31 Dies betont Kröll, Einführung, 2007, S. 12. 32 Siehe dazu u.a. die Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 640. 33 Vgl. Oexle, Soziale Gruppen, 1998. Dazu seine Feststellung, dass „Memoria […] in Gruppen [entsteht] und […] deshalb für Gruppen eine konstitutive Bedeutung [hat].“ Vgl. ebd., S. 31. Auch Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 48, unterstreicht die Bedeutung der Auftraggeber für die in der vorliegenden Arbeit relevanten Formfindungsprozesse: „[…] the study of patronage and clientage can contribute to the understanding of social and cultural history construed in a broader sense by helping to account for changes in tastes and values. If Gothic art and feudal chivalry yielded their places to Renaissance art and a burgeois ethic, patrons certainly helped to bring about the transformations.“ 34 Dies betont Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. S. 28f. 35 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 156. Dazu auch Preyer, Rolle, 2012, bes. S. 98-100. Auch Flaig, Ritualisierte Politik, 2004, S. 88, macht deutlich, hier für den römisch-antiken Kontext, dass „erstens […] das Normensystem der sozialen Gruppe zwingender und verbindlicher als die besonderen moralischen Orientierungen von familialen Segmenten [ist], und es […] überdies jene Orientierungen bereits in sich [enthält] […]. Zweitens gibt es keine handlungsfähige Gruppe, die nicht – von Anfang an – über ein gemeinsames kollektives Gedächtnis verfügte.“ 36 Siehe dazu Hillmann, Soziologie, 2007, S. 355: „Durch das Hineinwachsen in eine soziokulturelle Umwelt weist die I.[dentität] der sich entfaltenden Persönlichkeit eine soziale Komponente auf, die in traditionalen, relativ statischen Gesellschaften [wie der mittelalterlichen, Anm.d.V.] besonders stark Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 13 Gesellschaft konstatiert, dass „am Anfang […] nicht Identität [steht], sondern Differenz“37, so ist dies insbesondere für die vormodernen Adelsgesellschaften zu unterstreichen, denn „jede adlige Familie [steht] in Konkurrenz zu anderen. Es gibt Legitimation nicht nur nach außen, sondern je nach Familie und Individuum auch nach innen, um den Rang zu halten und zu erhöhen.“38 Es handelt sich demnach um ein Gruppenbewusstsein, das durch bestimmte Kommunikationsformen und –handlungen in der vormodernen Gesellschaft (re)generiert wurde.39 Grabmäler nehmen dabei eine besondere Stellung ein.40 Da es sich bei den steinernen Monumenten um auf Dauer angelegte Erinnerungen handelt, so können auch heute noch, also Jahrhunderte nach Erschaffung der – soweit erhaltenen – Artefakte, das in diesen Medien vermittelte soziale Gruppenverständnis herausgearbeitet werden.41 Die entsprechenden Methodiken, wie beispielsweise die Stilund Standortanalyse, eröffnen in ihrer zeichenhaften Komplexität signifikante Hinweise auf ein kollektives Bewusstsein der jeweiligen Auftraggeber, denn „die Definition einer Gruppe [erfolgt] häufig über die Abgrenzung von einer anderen […] [und] der Hinweis auf die verbindenden Elemente wirkt nicht nur identitätsstiftend und bindend innerhalb der Gruppe, sondern verdeutlicht gleichzeitig die Unterschiede zu den anderen.“42 Grabmäler haben also aufgrund ihrer insbesondere für den Adel konstitutiven Memorialfunktion ein ausgeprägtes Kommunikationspotential, das von den Zeitgenossen in der vormodernen Gesellschaft auch so verstanden und genutzt wurde. Ihre Lage im öffentlichen Raum der Stadt, sei es in den großen Kirchen oder in den kleineren familiären Eigenkirchen, verstärkte dieses Potential.43 Demzufolge war der ausgeprägt und verhaltensbeeinflussend ist. In einer solchen Gesellschaft resultiert die I. des Einzelnen vor allem aus der (unreflektierten) Identifikation mit einem sozialen Kollektiv […], als dessen Glied man sich versteht.“ Dazu auch Luckmann, Persönliche Identität, 1979, bes. S. 303. Weiterhin Gernig, Das Grabmalporträt, 2007, S. 70: „Geht man von der identitätsstiftenden Funktion der Grabmalporträts aus, zeigt sich, dass individuelle und kollektive Identität eng miteinander verwoben sind. […] dass erst in der Auseinandersetzung mit Zeitgenossen und Vorfahren Identität möglich ist.“ Eine kritische Reflexion des Identitäts-Begriffs gibt Goldstraß, Zur Rezeptionsgeschichte, 2008. 37 Luhmann, Soziale Systeme, 1987, S. 112. Zur Anwendbarkeit von Luhmanns Systemtheorie auf die Vormoderne siehe vor allem der Sammelband Becker, Geschichte und Systemtheorie, 2004. 38 Paravicini, Einleitung, 1997, S. 22. Dazu auch Straub, Personale und kollektive Identität, 1998, S. 100. 39 Allgemein zur Kommunikation in sozialen Gruppen siehe auch Preyer, Rolle, 2012. 40 Dies betont auch Kröll, Einführung, 2007, S. 11 u. f. 41 Darauf verweisen auch Karsten/Zitzlsperger, Gesellschaftliche Gruppen, 2007, S. 77. 42 Kröll, Einführung, 2007, S. 12. Dass auch spezifische Typen von Grabmälern eine Gruppe repräsentieren konnten, veranschaulicht Wolff, Zur Gruppe, 2007. 43 Zur Öffentlichkeitsfunktion von Kirchen, die demzufolge auch als „Teilöffentlichkeiten“ und „abgeschlossene Handlungs- und Kommunikationsräume“ zu begreifen sind, siehe Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003, S. 29. Außerdem Suckale, Stil und Funktion, 2003, bes. S. 391-406; Wenzel, Hören und Sehen, 1995, bes. Kap. III. 14 Grit Heidemann-Schirmer gewählte Standort einer der entscheidenden Faktoren, mithilfe dessen nicht nur die adligen Auftraggeber die standesinternen Codes bestimmten und aufrechterhielten, sondern die Monumente selbst in eine kommunikative Beziehung zueinander traten.44 Ihre Aufstellung in sakralen Gebäuden, die für die liturgischen Bedürfnisse und Anforderungen des zugehörenden Ordens errichtet wurden, vermittelte zuvorderst das Frömmigkeitsbewusstsein der Auftraggeber, die sich in Seelenheil bringender Nähe zu den dort verehrten Heiligen,45 aber auch in unmittelbarer Nähe zu ihren dort bestatteten Ahnen wissen wollten. Demzufolge war es üblich, sich in den großen Kirchen eine Kapelle als Familiengrablege einzurichten, die aufgrund des öffentlichen und damit hoch frequentierten Status’ des Kirchenraums zahlreiche fürbittsprechende Besucher versprach.46 Grabmäler fungierten demnach als Medien, die zum einen die liturgisch wichtige Kommunikation zwischen den Lebenden und Toten aufrechterhielten. Zum anderen vermittelten sie aufgrund ihrer Größe, ihres Materials und ihrer Form die Selbstdarstellungsabsicht ihrer Auftraggeber, die im Kontext des spezifischen sozialen Netzwerkes erst verständlich wird.47 44 Der Ort des Begräbnisses war in den Testamentaten der neapolitanischen Adligen weitaus wichtiger als die Begräbnisfeier. Darauf verweist Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 595. Außerdem Vitale, Élite, 2003, S. 143-147. Zur Bedeutung der Standortwahl für „die sepulkrale Gruppenbildung“ siehe Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. 34. Auch Maier, Grab, 2000, S. 231, macht deutlich, dass die „Sorge um den rechten Bestattungsort […] eines der zentralen Anliegen der christlichen Jenseitsvorsorge“ war. Weiterhin zur Bedeutung des Bestattungsortes siehe Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht, 2004, S. 332; Höger, Studien, 1976, S. 16. Schließlich Valentinitsch, Grabinschriften, 1990, S. 17: „Der Standort eines Grabmals signalisierte daher dem Betrachter, daß der Auftraggeber allein schon aufgrund seiner sozialen Stellung in der Lage war, seinen Anspruch auf einen prominenten Platz durchzusetzen.“ Allgemein zur Bedeutung von Codes zur „Aufrechterhaltung der Innen-Außen-Differenzierungen jedes sozialen Systems“ siehe Preyer, Rolle, 2012, S. 42. 45 Demzufolge wurde auch die Nähe zum „Hochaltar samt den Hauptreliquien“ gesucht und der Chorbereich avancierte zum „nobelste[n] Begräbnisplatz […].“ Vgl. Suckale, Stilund Funktion, 2003, S. 394 u. 396. 46 Seit dem späten Mittelalter wurden bevorzugt die Konvente der Mendikantenorden als Bestattungsorte aufgesucht. Für den neapolitanischen Fall wird dies auch greifbar in den Testamenten der neapolitanischen Adligen, die Visceglia untersucht hat. Vgl. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, insbesondere Kap. 2. Ebenso thematisierten viele Adlige das Ordensgewand auf ihrem Sterbebett in ihren Testamenten. Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 146. Die Bettelorden suchten bewusst die Nähe zur städtischen Bevölkerung, denen sie die christlichen Werte der Fürsorge entgegenbrachten. Mit der Standortwahl innerhalb der Stadtmauern setzten sie sich von den bisherigen Orden wie den Zisterziensern ab. Sie waren zudem durch ihre ideelle Ausrichtung auf Spenden angewiesen. In den Städten Europas fanden sie eine sehr viel größere Klientel, die bereitwillig die notwendigen Mittel spendete, um ihrerseits die liturgischen Angebote der Mönche in Anspruch zu nehmen. Allgemein zu den Mendikantenorden und deren Ansiedlung in den Städten Europas siehe Boerner, Bildwirkungen, 2008, S. 116-118; Schenkluhn, Architektur, 2000, bes. S. 21f. Höger, Studien, 1976, S. 22, weist darauf hin, dass erst durch die Bettelorden nach 1300 die Begräbnisverbote in den Kirchen gelockert und nun verstärkt Familienkapellen errichtet wurden. 47 Allgemein zur Bedeutung der Auftraggeber für den Formfindungsprozess in der vormodernen Skulptur siehe Boerner, Spätmittelalterliche Skulptur, 2009, S. 156. Auch Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. 39, Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 15 I.3. Erste topologische und typologische Beobachtungen in Neapel Der erhaltene und schriftlich überlieferte Denkmälerbestand aus dem Untersuchungszeitraum von 1400 bis 1503 macht deutlich, dass die meisten Adelsgrabmäler in den großen Kirchen des alten Stadtkerns von Neapel errichtet wurden. Bei den mehr als 50 fassbaren Monumenten dominierte der Typus des Wandgrabmals, gefolgt von den Grabplatten, bei denen man jedoch von teilweise nicht mehr erhaltenen zugehörigen Wandgräbern ausgehen muss. Dem heutigen Besucher, der den Stadtraum von Neapel durchschreitet, fällt schnell auf, dass es nicht nur ein Zentrum gibt, sondern sich entlang des erhaltenen antiken Straßennetzes mehrere Platzanlagen mit großen Kirchenbauten befinden, die den urbanen Raum zu gliedern scheinen (Abb. 1).48 Von Ost nach West handelt es sich um die Kathedrale sowie die großen Bettelordenskirchen San Lorenzo Maggiore, San Domenico Maggiore und Santa Chiara. Nach Betreten dieser Kirchenräume wird man – trotz der für Neapel charakteristischen barocken Umbauarbeiten – einer Vielzahl an Grabmälern aus dem 15. Jahrhundert gewahr, deren Gemeinsamkeiten augenscheinlich die monumentalen Ausmaße, das marmorne Material sowie der Einsatz des gotischen Formenvokabulars sind und die man dem im mittelalterlichen Italien weit verbreiteten Typus des monumentalen Wandgrabmals zuordnen kann.49 Bei genauerer Betrachtung werden an einigen Monumenten gar formale Parallelen deutlich, die in einem Sinnzusammenhang zu stehen scheinen und – dies sei schon einmal vorweg genommen – ihren Rückhalt in den schriftlich fixierten Verträgen finden. Ähnlich verhält es sich mit den Grabmälern in jenen Kirchen, die sich in einiger Entfernung zum antiken Stadtkern und demzufolge am damaligen Rande der Stadtmauern befinden. Zu nennen sind hier beispielsweise Santa Maria la Nova und Santa Maria di Monteoliveto ganz im Westen sowie San Giovanni a Carbonara im Nordosten der Stadt. Innerhalb dieser Kirchenräume, vor allem der beiden erst genannten, ergibt sich formal gesehen ein anderes Bild. So finden sich hier zahlreiche Erinnerungsmonumente, die von einer auffallenden Variabilität geprägt sind, welche vom Wandnischengrab zum frei stehenden Wannensarkophag bis hin zu völlig neuartigen Formen reicht. betont die „Differenzierungen“ in Form, Ort und Material von Grabmälern, hier im römischen Kontext, als entscheidende Faktoren der „Distinktionsbestrebungen […] [von] Auftraggebern und Künstlern“. 48 Siehe dazu auch zuletzt Michalsky, Einleitung, 2012, bes. S. 9-13. Außerdem dies., Gewachsene Ordnung, 2008. 49 Dazu Körner, Grabmonumente, 1997, bes. S. 62f. u. 69f. 16 Grit Heidemann-Schirmer Wenn diese Monumente auch in der Mehrzahl ein Formenrepertoire aufweisen, das der Renaissance zuzuordnen ist,50 so tauchen doch immer wieder „altertümlich“ wirkende Elemente auf, die in der Gesamtschau das Spezifikum der neapolitanischen Grabmalslandschaft des Quattrocento verdeutlichen, und zwar, wie dominant retrospektive Formen und Motive das gesamte Jahrhundert hindurch waren. Zur Erklärung dieses Phänomens genügt es nicht, allein die Stilentwicklung der ausführenden Bildhauer zu analysieren, die demzufolge in dieser Arbeit eine untergeordnete Rolle spielen. Es bedarf neuer Modelle, um dem Studienmaterial gerecht zu werden, denn die Stile der „Gotik“ und der „Renaissance“ wurden nicht in einem Vakuum, aus der Laune bestimmter Künstler heraus und in zeitlich limitierter Abfolge eingesetzt. Es handelt sich vielmehr um sozial bedingte Aushandlungsprozesse der Entscheidungsträger, expressis verbis der Auftraggeber, die sehr wohl zwischen alten und neuen Formen zu unterscheiden und diese nach bestimmten Kriterien einzusetzen wussten. Die Grabmäler folgten spezifischen topologischen und typologischen Ordnungen, welche in dieser Studie herausgearbeitet werden sollen. I.4. Konzept der Arbeit Die vorliegende Arbeit stützt sich zum einen auf jüngste Ergebnisse jener kunsthistorischen Forschung, die den Wandel von Kunststilen als Folge sozialer Prozesse und insofern als „sozialgeschichtlich verankert“ begreift.51 So konstatiert beispielsweise Borggrefe, dass „innerhalb mehr oder weniger abgrenzbarer Gruppen […] wieder erkennbare Formen zu identitätsstiftenden Ausdruckswerten geprägt [werden], die es den Mitgliedern gestatten, sozialen Einfluß zu nehmen oder sich abzugrenzen.“52 Stil muss demnach als „eine Kategorie der Beobachtung“ unter Berücksichtigung der „kulturellen Kontexte“ verstanden werden.53 Hoppe stellt dabei ganz zu Recht die Frage, „inwieweit das Mittelalter die Vorstellung von Epochen gekannt hat“, und er vermerkt, dass „jeder geschulte Betrachter auch damals ältere und neuere Werke, Eigenes und Fremdes zu unterscheiden“ wusste.54 Demzufolge wird der 50 Dementsprechend werden die genannten Kirchen auch als die „Renaissance-Kirchen“ Neapels bezeichnet. Siehe dazu Kap. V.1.1.-V.1.2. 51 Siehe dazu vor allem der Sammelband Hoppe/Müller/Nussbaum, Stil als Bedeutung, 2008, Zitat S. 11. 52 Borggrefe, Stil, 2008, S. 116. 53 Hoppe, Stil, 2008, S. 59 u. 62. 54 Ebd., S. 79f. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 17 Schwerpunkt der Arbeit auf den Auftraggebern als maßgebliche Entscheidungsträger liegen, die nachweislich konkrete Vorstellungen an die ausführenden Bildhauer richteten. Zum anderen werden die Monumente selbst in ihrer Potenzialität der Netzwerkbildung untersucht. Die neapolitanischen Adelsgrabmäler des Quattrocento scheinen nämlich in ihren formalen Bezügen über die mediale Transferierung eines Geschlechterbewusstseins hinauszugehen und vielmehr ein Gruppenbewusstsein ihrer Auftraggeber zu vermitteln, das der damaligen Differenzierung in Alt(-eingesessene) und Neu(ankömmlinge) entsprach. Diese spezifische Selbstwahrnehmung der neapolitanischen Adligen war offensichtlich formbildend für ihre Grabmäler,55 weshalb sie als Monumente sozialer Distinktion und Anpassung in den Gruppenbildungsprozessen der neapolitanischen Adelsgesellschaft genauer analysiert werden.56 Dabei wird der Fokus auf das jeweilige Zusammengehörigkeitsgefühl der in Neapel anzutreffenden Adelsgruppen in Zeiten politischer Umbrüche gelegt, das über den internen Familienzusammenhalt hinausging, neue Konstellationen infolge der Zuwanderung und der daraus resultierenden sozialen Veränderungen ermöglichte und somit die entsprechenden Gruppenbildungen offenbarte. Dass dabei die „Zugehörigkeit nie auf nur eine Gruppe“ beschränkt war, sondern „das Netz der sozialen Bindungen möglichst eng“ geknüpft werden sollte, ist in der Forschung eine allgemein anerkannte Theorie.57 Mögen die im Untertitel dieser Arbeit gewählten Begriffe des Gruppenbewusstseins und der Selbstinszenierung vordergründig diametral erscheinen, so ist dies im Sinne einer sozialwissenschaftlichen Analyse der gewählten Protagonisten zu revidieren, denn es besteht der Konsens, dass nicht nur „Gruppenhandlungen […] in der Wir- und der IchEinstellung ausführbar [sind].“58 „Die Dominanz einzelner Gruppenmitglieder ist auch immer eine Zuschreibung, die durch die Selbstbeobachtung der Gruppe ausgelöst 55 Allgemein dazu auch Borggrefe, Stil, 2008, S. 124: „Allein der historische Kontext gibt Auskunft darüber, ob Rückgriffe auf altes Formengut in sozialer Hinsicht retrospektiv sind oder nicht.“ 56 Zur Schaffung eines kollektiven Gedächtnisses in sozialen Gruppen mithilfe von Bildern und Monumenten siehe auch Assmann, Einführung, 2006, S. 188. Außerdem Borggrefe, Stil, 2008, S. 117: „Zuerst aber verschafft der neue Stil Individuen soziale Identität und Anerkennung, hebt ihr Selbstwertgefühl. Das Kommunizieren mit Formen und überformten Gegenständen zum Zweck der sozialen Anerkennung ist Repräsentation. Ihre Bedeutung steigt mit dem Grad der Konkurrenz in der Gesellschaft.“ Und ebd., S. 124: „Eine soziale Gruppe eignet sich Formen an, die geeignet sind, ihr Identität und Selbstwertgefühl zu verschaffen.“ 57 Vgl. König/Schattenhofer, Einführung, 2015, S. 36; Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990, S. 8f. 58 Preyer, Rolle, 2012, S. 133. 18 Grit Heidemann-Schirmer wird“,59 somit „kann die Macht einer Person noch so groß sein, sie ist eingebunden in das Netz sozialer Beziehungen, in denen sie entsteht.“60 Das Bedürfnis Einzelner nach einer individuellen Hervorhebung inmitten der Gruppe in Form einer zeichenhaften Selbstinszenierung ist dabei mit dem „Rollenkonzept der Sozialwissenschaften“ zu erklären, verstanden als eine der sogenannten „Theatermetapher[n]“.61 Selbstinszenierung ist jedoch im Gegensatz zur sozialen Rolle das Manipulieren der dem Akteur zugedachten Rolle innerhalb der Gruppe beziehungsweise der Gesellschaft. Es handelt sich somit um eine Strategie, die zur vermeintlichen Steuerung der Gruppenordnung eingesetzt werden sollte. Das Bewusstsein für ein übergeordnetes Zusammengehörigkeitsprinzip stand dieser nicht entgegen, wie im Laufe der Arbeit zu zeigen sein wird. Die Grabmäler sind auf diese Gruppenbildung zu befragen, aus der sich die Leitfrage ergibt: Wenn die Adligen sich nach bestimmten Kriterien unterschieden, also differenziert wahrnahmen, lassen sich dann auch ihre Erinnerungsmonumente in entsprechende Gruppen unterteilen? Es ist somit Ziel führend, zuerst den als Auftraggeberschaft thematisierten neapolitanischen Adel des 15. Jahrhunderts in seiner strukturellen Komplexität vorzustellen und historisch einzuordnen (Kapitel II). In den darauf folgenden drei Kapiteln (III-V) sollen ausgewählte Studienobjekte entsprechend den Gruppenzugehörigkeiten ihrer Auftraggeber auf deren Repräsentationsstrategien im Spannungsfeld des Dynastienwechsels von den Anjou zu den Aragonesen untersucht werden. Dazu wird in Kapitel III ein besonderes Fallbeispiel vorangestellt. Der Fokus wird auf den für die Grabmäler so wichtigen Standort- und Formwahlen liegen, da diese nicht nur die sozial bedingten gruppeninternen Zugehörigkeiten exemplifizieren, sondern zugleich eine Gruppenbildung unter den Monumenten selbst erkennen lassen. Die Arbeit erörtert somit das Gruppenbewusstsein in der Auseinandersetzung mit dem Bedürfnis nach Selbstinszenierung in Zeiten politischer Umbrüche und des sozialen Wandels, das sich signifikant in den Grabmälern des neapolitanischen Adels im 15. Jahrhundert niederschlug. Sie untersucht, wie soziale Gruppenbildung ästhetisch, und zwar in Form von Grabmälern, erfahrbar wurde. 59 Preyer, Rolle, 2012, S. 117. König/Schattenhofer, Einführung, 2015, S. 37. 61 Ebd., S. 47. 60 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 19 II. DER NEAPOLITANISCHE ADEL IM 15. JAHRHUNDERT – DIFFERENZIERUNG UND KONTEXTUALISIERUNG Obwohl Neapel seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Residenzstadt fremder Dynastien fungierte, war der Stadtraum von den adligen Quartieren geprägt, deren Ursprünge sich bis in die römisch-antike Zeit zurückverfolgen lassen.62 Diese weit zurückreichende Tradition bestimmte das Selbstverständnis der alteingesessenen Familien und ihre Identifikation mit der Stadt, die zugleich aus der Konfrontation mit den Fremden resultierte.63 Spezifisch für den aristokratischen Stand in Neapel war demnach nicht das grundlegend konstituierende Unterscheidungsmerkmal des Alters einer Familie, sondern vor allem ihre geographische Herkunft. Wenn auch die „ständische Binnengliederung des Adels“64 eine typische Entwicklung im spätmittelalterlichen Europa darstellte, so lassen sich für den neapolitanischen Fall Charakteristika erkennen, die mit der Autonomie des Stadtadels und der Immigration auswärtiger Adliger einhergingen.65 Identitätsstiftend für die Ortsansässigen war ihr Status als neapolitanische Stadtbewohner, worauf auffällig oft auch in den Grabinschriften verwiesen wird.66 Dieses Phänomen des lokalen Zugehörigkeitsbewusstseins der Neapolitaner haben zuletzt Santangelo für das späte 62 Neapel war in römisch-antiker Zeit nachweislich in die vier Quartiere „Campana nella zona nordorientale, Herculanensis (nel Medioevo Furcillensis) in quella sud-orientale, Nilensis in quella sudoccidentale [und] Montana in quella nord-occidentale” unterteilt. Vgl. Di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 20. 63 Jüngst zum besonderen Stellenwert von Fremden in der spätmittelalterlichen städtischen Gesellschaft siehe Bell/Suckow/Wolf, Fremde in der Stadt, 2010. Allgemein zur Tradition als Charakteristikum von Adel siehe der Sammelband Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen, 2008. 64 Spieß, Ständische Abgrenzung, 1992, S. 205. Zur Herausbildung einer bewussten Abgrenzung des Adels zum Nicht-Adel im Spätmittelalter siehe auch Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 130. Zu den sozialen Veränderungen im ausgehenden Mittelalter aus Sicht des Niederadels siehe Ranft, Einer von Adel, 1996. Allgemein zum europäischen Adel siehe Demel, Die Spezifika, 2005. Außerdem Reinhard, Lebensformen, 2004, S. 316-318. 65 Besonders die Differenzierung nach der geographischen Herkunft des neapolitanischen Adels markiert sein Spezifikum. Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 155 u. ff. Zur Selbst- und Fremdwahrnehmung von Adel im deutschsprachigen Kontext Holbach, Kirchen, 2001, S. 312f. Zur Wahrnehmung und dem Umgang mit Immigranten siehe zuletzt Bell/Suckow, Fremde in Stadt und Bild, 2010, und insbesondere in italienischen Städten des Spätmittelalters Esch, Der Fremde, 2010. 66 Dies wird an den Adelsgrabmälern des 15. Jahrhunderts sehr deutlich durch den neapolitanischen Herkunftsverweis der Verstorbenen, der in verschiedenen Varianten auftritt und auch Eingang in die Guiden gefunden hat. Exemplarisch zu nennen sind: DE NEAPOLI, PATRICIUS NEAPOLITANUS, NOBILI NAPOLETANIO, NOBILITATE NEAPOLITANA. Auch Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 98f., verweist auf die enge Verbundenheit des südeuropäischen Adels mit der Stadt. Dadurch „konnte auch die traditionelle Ansässigkeit des Geschlechts in einem bestimmten Viertel […] [Identität konstituieren], selbst dann, wenn man vielleicht mittlerweile ausgedehnte feudale Besitzungen auf dem Lande besaß.“ 20 Grit Heidemann-Schirmer Mittelalter sowie Marino umfassend für die Regierungszeit der Spanier im 16. und 17. Jahrhundert erörtert.67 Immer noch grundlegend ist das von den italienischen Historikerinnen Visceglia und Vitale erstellte Klassifikationsmodell, das sie aus der für den neapolitanischen Adel spezifischen Differenzwahrnehmung abgeleitet haben.68 Auf diesem Modell baut meine Arbeit auf. Es lassen sich demzufolge drei verschiedene standesinterne Gruppen festmachen, die zwar ein System gegenseitiger Abhängigkeiten bildeten, durch ihre Abgrenzungen jedoch ganz eigene Identifikationsmuster entwickelten, die es zu visualisieren galt. Dies waren: 1. die Nobiltà di Seggio (Seggio-Adel), 2. die Nobili fuori Piazza (Adlige, die nicht in die Seggi eingeschrieben waren) und 3. die Baruni (Feudaladel).69 Die Ausdifferenzierung dieser Gruppen vollzog sich bezeichnenderweise im Laufe des 15. Jahrhunderts. Es lassen sich in diesem Untersuchungszeitraum – bedingt durch seine lange Dauer – nicht immer klare Trennungen ziehen. Die Gruppengrenzen wurden besonders zum Ende des Quattrocento durchlässig und konnten sich verschieben, wie im Verlauf der einzelnen Fallbeispiele ersichtlich wird.70 Im Folgenden werden die drei genannten Gruppen für das 15. Jahrhundert vorgestellt. Dabei wird der Fokus auf die Selbstwahrnehmung der neapolitanischen Adligen als führende Gruppe in Konfrontation mit den Immigrierten und den Neuadligen gelegt – eine Besonderheit, die sich auch auf die adlige Grablegepraxis auswirken sollte, wie noch zu zeigen sein wird. 67 Vgl. Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014; Marino, Becoming Neapolitan, 2011. Vgl. Visceglia, Identità sociali, 1998; Vitale, Élite, 2003, bes. S. 155-160. Zu der Einteilung des neapolitanischen Adels im 16. und 17. Jahrhundert außerdem Muto, La campania, 1994, S. 35-42. 69 Zu den ersten beiden Gruppen siehe beispielhaft Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 692. 70 Es sei auf die Aufnahme von auswärtigen Adligen in den Seggio-Adel verwiesen, ebenso wie die Seggio-Adligen feudale Güter und Titel erlangen konnten und Feudaladlige wiederum die neapolitanische Bürgerschaft. So führt Vitale die „autonome Entwicklung“ des Seggio-Adels gegenüber dem Feudaladel an, bemerkt aber zugleich, dass es durch ihre sukzessive Aufnahme von Feudaladligen in die Seggi oder auch deren Erwerb feudaler Güter und Titel zu einem höchst komplexen Gebilde des neapolitanischen Adels im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts kam. Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 29. Auch Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 105, verweist auf diese Tatsache, die sie – in Anlehnung an Norbert Elias’ Arbeiten – als eine „Gestalt in Bewegung […], ein System von integrierten Zusammenhängen der gegenseitigen Abhängigkeit“ beschreibt. 68 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 21 II.1. Nobiltà di seggio – Der Stadtadel Zur Nobiltà di Seggio (Seggio-Adel), von den Zeitgenossen auch „gintilomini de Segio“71 genannt, gehörten die in Neapel ansässigen Stadtadligen, deren Identifizierung untrennbar verbunden war mit der Organisierung und gesellschaftlichen Abgrenzung in ihren als Seggi bezeichneten Quartieren.72 Die urbane Einteilung in die Seggi stellte ein Charakteristikum der süditalienischen Region Kampanien dar, innerhalb der Neapel als Hauptstadt die größte Anzahl vorzuweisen hatte.73 Im 15. Jahrhundert waren dies: der Seggio di Capuana, Seggio di Nido, Seggio di Montagna, Seggio di Porto und der Seggio di Portanova (Abb. 2).74 Der Begriff „Seggio“, der in den Quellen zuweilen auch als Piazza, Sedile oder Tocco erscheint, hatte mehrere Bedeutungen.75 Zum einen bezeichnete er das jeweilige Territorium der adligen Quartiere, in die der Stadtraum von Neapel seit der Antike unterteilt war. Daraus leiteten sich die gleichnamigen Adelskorporationen ab. Zum anderen wurden darunter die materiell fassbaren, heute jedoch nicht mehr erhaltenen Quartierszentren begriffen, die aus einem loggiaartigen Bau bestanden, der den zugehörigen Adligen als Versammlungsort diente.76 Einzelne Überreste dieser Bauten finden sich nur noch spärlich in der Altstadt, 71 So genannt in dem Kapitel des Seggio di Nido 1507. Vgl. Vitale, Élite, 2003, Appendix I. Zur Nobiltà di Seggio siehe vor allem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 90-100; Vitale, La Nobiltà, 1988, S. 151-169. Zu den neapolitanischen Seggi siehe Michalsky, Seggi und sediali, 2005, S. 197-199; Vitolo, Ordini mendicanti e nobiltà, 2005, S. 10-14; Di Meglio, Ordini mendicanti e città, 2005, S. 17-23; Beyer, Parthenope, 2000, S. 25-29; Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 19, 41, 54-58; Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 583-614; Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278-285; Castelguidone, I sedili di Napoli, 1973; Summonte, Dell’ Historia (I), 1675, S. 235-267; Tutini, Del origine, 1644; Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 692-737. 73 Siehe dazu auch Lenzo, Public display, 2014. 74 Im Jahre 1301 „gab es 15 piazze nobili und 23 piazze popolari […], wobei nicht alle piazze nur einem Stand vorbehalten waren. Die Trennung der Stände erfolgte erst im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts schrittweise, indem sich der Adel vom Großbürgertum und danach dieses vom kleinen Volk trennte.“ Vgl. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278. Zur Reformierung der Seggi unter König Robert von Anjou siehe u.a. di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 65. Capaccio führt dagegen König Ladislaus von Anjou-Durazzo an, unter dessen Regierung die Seggi auf die o.g. fünf begrenzt wurden. Vgl. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 637. 75 Zu den verschiedenen Bezeichnungen des Begriffs in den Quellen vgl. u.a. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 694; Tutini, Del origine, 1644, bes. S. 35; Summonte, Dell’ Historia (I), S. 235. Zur Bedeutung der Seggi im Stadtraum siehe außerdem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 91; Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 200; Marino, Becoming Neapolitan, 2011, bes. S. 3f. 76 Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 694, nennt als architektonisches Vorbild dieser Seggi die römischantiken Portiken. Zu diesen Bauten siehe auch Mühlenrock, Tetrapylon, 2003. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 280, beschreibt die Bauten als eine „nach drei Seiten offenen Säulenhalle […] an der vierten Seite [mit] eine[m] abgeschlossenen Raum […].“Auch Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 200, schlussfolgert aus den Quellenbeschreibungen, dass diese „Versammlungsorte der lokalen Adelsgeschlechter […] offene, meist aufwändig dekorierte Loggien [waren], in denen die politisch führenden Patrizier eines Stadtbezirks zur gemeinsamen Beratung zusammenkommen, zuweilen Gericht halten, Bewaffnete um sich scharen, unliebsame Quartiersnachbarn wegweisen, demonstrativ Präsenz zeigen und auf diese Weise ihre Immunität zur Schau tragen.“ Zuletzt ausführlich zu den in der 72 22 Grit Heidemann-Schirmer wie etwa die Rundbögen des Seggio di Capuana (Abb. 3) oder die Pendentifkuppel des Seggio di Montagna (Abb. 4) in der Via dei Tribunali.77 Einen Eindruck dieser Gebäude erhält man in dem südlich von Neapel gelegenen Sorrent, wo der Sedile Dominova aus dem 15. Jahrhundert auch heute noch besteht (Abb. 5).78 Laut Vitale gab es verschiedene Möglichkeiten zur Aufnahme in die Adelskorporationen, und zwar durch den Erwerb von Grundstücken beziehungsweise Immobilien im betreffenden Territorium sowie durch Einheiratung.79 Während manche Familien weiterhin ihr Vermögen aus den Ländereien der Umgebung Neapels bezogen,80 so wurde es im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts immer attraktiver, städtische Grundstücke und höfische Ämter zu erwerben, wodurch der Stadtadel sich zunehmend vom Feudaladel zu distanzieren suchte.81 Die Formierung in streng reglementierte Korporationen ermöglichte den Seggio-Adligen eine besondere Machtstellung, die sie gegenüber den Nobili fuori piazza und den Baronen aufrecht zu erhalten suchten. Der Seggio-Adel hatte die höchste Verfügungsgewalt in der Stadt, indem er für die öffentlichen Angelegenheiten zuständig war und einen großen Einfluss auf die städtische Politik ausübte.82 Es verwundert daher nicht, dass die Zugehörigkeit zu einem Seggio einen höheren Status besaß als ein Adelstitel, wie noch ein Zeitgenosse des 16. Jahrhunderts anmerkt.83 Demzufolge war die Beziehung unter den Adelsfamilien eines Seggio von außerordentlicher Bedeutung, weshalb die Strukturen der Clans bevorzugt durch Heiratsallianzen verstärkt und erweitert wurden.84 Forschung immer noch rudimentär behandelten Seggio-Bauten Süditaliens siehe Lenzo, Public display, 2014. 77 Zum ehemaligen Versammlungsort des Seggio di Montagna in der Via dei Tribunali siehe Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 202 u. Abb. 3-4. 78 Siehe dazu auch ebd. sowie Lenzo, Public display, 2014, S. 2. 79 Vgl. Vitale, Èlite, 2003, S. 109. Sie verweist auf die wichtigen Einnahmen des Seggio-Adels durch die städtischen Territorien und Immobilien neben dem Erwerb, den sie aus den Ländereien in der Umgebung bezogen. Siehe ebd., S. 46f. Zur Aufnahme siehe auch dies., Nobiltà, 2000, S. 370-372. Weiterhin Marino, Becoming Neapolitan, 2011, S. 2, der für die Möglichkeit des Immobilienerwerbs und der Einheiratung das königliche Dekret von 1479 anführt. 80 Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 52, betont dabei, dass vor allem für „die exklusiven Oberschichten italienischer Städte […] der Besitz von Land eher sekundär war […].“ 81 Siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 92-94; Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 309. 82 Siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 29; Muto, La campania, 1994, S. 35. Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 95, nennt einige der Aufgaben, mit denen die Seggio-Adligen betraut waren, u.a. mit der Verwahrung der Stadtschlüssel, der Aufsicht über die Mauern und Häfen Neapels sowie „mit der Verwaltung der städtischen Finanzen […] und der städtischen Polizei […].“ 83 Siehe dazu Spagnoletti, The Naples Elites, 2013, S. 204. 84 Siehe Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 309f. Dazu auch Vitale, Élite, 2003, S. 92-107. Allgemein zur Aufrechterhaltung des sozialen Status’ durch die Verstetigung der Beziehungsgeflechte im mittelalterlichen Adel siehe Schmid, Geblüt, 1998, bes. S. 74-76. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 23 Ein weiteres wichtiges Merkmal der Seggi – ebenfalls in ihrer Form der Adelskorporationen – war ihre Zuständigkeit für Patronatsvergaben in den Kirchen.85 So wurde beispielsweise das Kapellenpatronat im Fall des Aussterbens der Besitzerfamilie an die verbleibenden Adelsfamilien des zugehörigen Seggio übertragen, um die autonomen Ansprüche auf solch prestigeträchtige Güter innerhalb des jeweiligen Quartiers aufrechterhalten zu können.86 Der Seggio-Adel zeichnete sich demnach durch strenge Aufnahmeregeln und sein durch die genealogische sowie ortspezifische Herkunft bestimmtes Selbstverständnis aus, wodurch ein Gruppenbewusstsein geschaffen wurde, das nach außen, insbesondere gegenüber den nicht in die Seggi eingeschriebenen Aristokraten und den Feudaladligen, abgrenzte.87 Diese differenzierte Wahrnehmung blieb im kulturellen Gedächtnis fest verankert, wie die Adelstraktate oder auch das Brettspiel „Lo splendore della nobiltà napoletana“ (Abb. 6) aus dem späten 17. Jahrhundert eindrücklich belegen.88 Dieser die Heraldik der neapolitanischen Adelswappen sowie die Karrieremöglichkeiten für junge Adlige vermittelnde und zugleich als mental map des sozialen Raumes von Neapel fungierende Spielplan beinhaltete unterschiedlich konnotierte Felder, unter denen die Seggi eine positive Bedeutung hatten, da man bei Erreichen dieser Felder zweimal weiter ziehen durfte. Währenddessen waren die Wappen von auswärtigen Adelsfamilien negativ ausgelegt, da sie bedeuteten, dass der Spieler zweimal aussetzen musste.89 85 Siehe dazu Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 601. Auch Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 314, betont, dass in Neapel der Seggio für die Patronatsvergabe zuständig war und nicht, wie sonst üblich, der betreffende Konvent. So auch exemplarisch für den Seggio di Nido und dessen Hauptkirche im Jahr 1507 bei Vitale, Élite, 2003, Appendix I, S. 128, Nr. 11. 86 Siehe De Stefano, Descrittione, 1560, beispielsweise ff. 28r u. 30v. Außerdem Visceglia, Il bisogno, 1988, S. 130f.; Dies., Corpo e sepoltura, 1982, S. 601. 87 Siehe noch einmal Vitale, Élite, 2003, bes. S. 30. Zuletzt dazu auch Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014. Allgemein zur konstitutiven Bedeutung des Adelsgeschlechts und der daraus resultierenden „Gruppenbildung ‚ständische[r]’ Qualität“ siehe Oexle, Soziale Gruppen, 1998, S. 21. Zur Identitätsbildung in sozialen Gruppen weiterhin Hillmann, Wörterbuch, 2007, bes. S. 355; Oexle, Stände und Gruppen, 2001, S. 45ff. Außerdem Althoff u.a., Person und Gemeinschaft, 1988. Zum Konkurrenzverhalten innerhalb des vormodernen adligen Standes siehe Paravicini, Einleitung, 1997, S. 22. Immer noch grundlegend zur Netzwerkanalyse für frühneuzeitliche Machtsysteme siehe Reinhard, Freunde und Kreaturen, 1979. 88 Eine erste Aufarbeitung dieses in der Forschung bisher kaum beachteten Spielplans findet sich bei Heidemann, Prozessionen, 2012. Allein De Cavi, Embematica cittadina, 2014, S. 46, führt diesen in aller Kürze an. Della Mara, Discorsi, 1641, S. 2f., schildert fast zeitgleich die Entwicklung des neapolitanischen Adels, der von den Dynastienwechseln und den damit bedingten gesellschaftlichen Veränderungen geprägt war. So berichtet er, dass schon Friedrich II. von Hohenstaufen namhafte Gelehrte aus ganz Europa („i più celebri huomini dell’Europa“) nach Neapel eingeladen hatte, während die Anjou nach Errichtung ihrer dauerhaften Residenz in Neapel neben den aus Frankreich mitgebrachten Adligen auch die Ortsansässigen förderten. So kam es, dass unter Karl I. von Anjou viele der Feudaladligen des Reiches in die neue Residenzstadt umsiedelten, wodurch die dort ansässigen Seggi einen großen Zulauf erhielten. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch unter den Aragonesen erkennen, denen viele Spanier nach Neapel folgten. 89 Siehe dazu die Spielanleitung bei Lo splendore, 1678, S. 7-13. 24 Grit Heidemann-Schirmer Wie in sozialen Gruppen – insbesondere im Adel – üblich, so bildete sich auch unter den Seggio-Familien ein Distinktionsstreben aus, das eine innerhierarchische Gliederung zur Folge hatte. Dadurch wurde in die Maggiore Nobiltà und die Seggi Minori, also höherer Adel und niedere Seggi, unterschieden,90 die im Folgenden genauer vorgestellt werden. II.1.1. Die Maggiore Nobiltà Die Maggiore Nobiltà war durch „antiquità, & splendore“91 (Alter und Herrlichkeit) ihrer Familien charakterisiert. Sie zeichnete sich also durch Werte aus, die dem europäischen Hochadel entsprachen.92 Die zugehörigen Familien waren innerhalb der Stadt, und zwar ausschließlich in den beiden Seggi di Capuana und Nido angesiedelt, die sich als höchste Adelskorporationen Neapels verstanden.93 Diese Familien legitimierten ihre privilegierte soziale Stellung sowohl durch ihr Alter als auch durch ihre neapolitanische Herkunft, die sie bis in die Zeit vor der Fremdherrschaft in Neapel zurückführten.94 Demzufolge war es für sie bedeutsam, die Heiratsallianzen auf ihre 90 Dazu vor allem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 97f. Sie zitiert Terminio in seiner „Apologia di tre seggi illustri“ von 1581, der die Seggi di Capuana und Nido als „maggiore e più antica nobiltà” bezeichnet. Vgl. ebd. S. 98, Anm. 43. Demgegenüber galten die anderen drei Seggi als „minori“. Vgl. ebd., S. 98. Allgemein zu „eine[r] starke[n] Hierarchie“ innerhalb des europäischen Adels siehe u.a. Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 16. 91 Dies als allgemeine Charakteristika des „höheren Adels“ bei Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 2. 92 Siehe dazu vor allem Spieß, Ständische Abgrenzung, 1992. Exemplarisch zum nichtfürstlichen Hochadel des deutschen Spätmittelalters siehe ders., Familie, 1993. 93 Bei diesen beiden Seggi handelt es sich laut Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 601, um die ältesten aristokratischen Sitze Neapels. Noch bei Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 696, wird auf die ungebrochene Machtstellung und enge Verbindung der beiden immer zusammen genannten Seggi hingewiesen, indem die dazugehörigen Adligen durch die Bezeichnung „in et o Capoana e Nido“ von den anderen Adelskorporationen der Stadt unterschieden wurden. Weiterhin führt er deren Empfehlung durch Francesco Petrarca an, der schreibt, dass „chi viene a Napoli, bisogna necessariamente che, per veder due teatri illustri, vegga quelli di Capoana e Nido, in quelle piazze edificati.“ Vgl. ebd., S. 695. Auch Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 309, betont die Wahrnehmung der beiden Seggi durch die Zeitgenossen als „Spitze des Adels und der Macht in Neapel“. Ebenso bei Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278f.: „Jedermann sichtbar war, dass die großen Familien Neapels alle zu den beiden höheren ‚sedili‘ gehörten.“ 94 Zu den altehrwürdigen Familien, die schon vor den Königen in Neapel sesshaft waren und als „antiker Kern“ der Stadt galten, siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 99. Vitale, Élite, 2003, S. 30, verweist jedoch auf die schon Ende des 14. Jahrhunderts vorherrschende Kritik der „Gegner“ dieser in Capuana und Nido angesiedelten Familien, da auch sie trotz ihrer zunehmenden exklusiven Bestrebungen einige Mitglieder beziehungsweise Vorfahren aus Kampanien und anderen Gebieten des Reiches hatten. Zum Nachweis des Alters der Familie wurden auch Kapellenstiftungen und Grabmalsinschriften in den großen Kirchen der Seggi herangezogen. Siehe dazu dies., Nobiltà, 2000, S. 372; Del Bagno, Reintegrazione, 1984, bes. S. 198f. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 25 beiden Adelskorporationen zu beschränken, anstatt sie mit den niederen Seggi oder gar mit auswärtigen Familien zu knüpfen.95 Zum Seggio di Capuana, der das nordöstliche Territorium der Stadt umfasste, gehörten namhafte Familien wie die Capece, Caracciolo, Carbone, Filomarino, Minutolo oder die Piscicelli, deren Ansehen bezeichnenderweise auch über Neapels Stadtgrenzen hinausreichte. Wenig anders verhielt es sich mit den Familien, die im nordwestlich gelegenen Seggio di Nido eingeschrieben waren, unter denen für das 15. Jahrhundert exemplarisch die d’Alagno, Aldemorisco, Brancaccio, Carafa, Pignatelli und die Tomacelli zu nennen sind. Was den exklusiven Status der Maggiore Nobiltà besonders evident macht, ist die Übernahme hoher Kirchenämter wie Kardinäle, Bischöfe und sogar Päpste,96 die auffällig oft von den Angehörigen des Seggio di Capuana gestellt wurden.97 Für den Untersuchungszeitraum lassen sich hier beispielhaft Papst Bonifatius IX. (Pietro Tomacelli) sowie die Kardinäle Enrico Minutolo, Francesco Carbone und Rinaldo Piscicelli nennen, aber auch der Seggio di Nido hatte namhafte Kardinäle wie Rinaldo Brancaccio und Oliviero Carafa zu verzeichnen.98 Neben den Einnahmen aus den Lehensgütern war dem höheren Adel auch die Übernahme wichtiger Hofämter vorbehalten, die sie im Laufe des 15. Jahrhunderts nachhaltig dazu nutzten, um ihre politische Einflussnahme in der neapolitanischen Gesellschaft zu stärken.99 Dabei wurden die Ämter bevorzugt innerhalb der Familie weitergegeben oder man kooperierte mit anderen gleichrangigen Familien, um die am Königshof erworbene Machtposition aufrechterhalten zu können.100 Auch der Souverän 95 Darauf verweisen Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 98f. und Vitale, La Nobiltà di Seggio, 1988, S. 155, Anm. 7. 96 Siehe dazu vor allem Vitale, Èlite, 2003, S. 54f.; Galasso, Il Regno, 1992, S. 462f.; Esch, Das Papsttum, 1972. Allgemein zum Klerus, der zwar „als eigener Stand“ in den spätmittelalterlichen Städten galt, dessen kirchliche Ämter jedoch durch ihr soziales Prestige und politischen Einfluss vor allem beim Adel begehrt waren, siehe Holbach, Kirchen, 2001, bes. S. 315-318. 97 Es verwundert daher nicht, dass der Seggio di Capuana im engen Verhältnis mit dem Domkapitel stand und die Kathedrale auch als bevorzugte Begräbnisstätte nutzte. Siehe dazu Kap. IV.1.1.1. 98 Zu den genannten Personen ausführlicher siehe Kap. IV. 99 Zur „Prestigesteigerung“ durch die Übernahme wichtiger Hofämter, „die vorwiegend Angehörige des Reichsadels“ ausübten, siehe Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007, S. 27 u. ff., hier im nordalpinen Kontext. Zur Bedeutung des Fürstenhofes, vor allem für den „hohe[n] Adel [der] zunehmend auf die königliche Patronage angewiesen war […]“, siehe Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 218ff., Zitat S. 219. 100 Vitale, Èlite, 2003, S. 84-87, verweist auf das Missverhältnis, das sich durch die Dominanz einzelner alteingesessener Familien entwickelte, die bei der Ämtervergabe einen auffälligen Nepotismus betrieben. Zur Konkurrenz unter den Familien siehe auch ebd., S. 107-110. 26 Grit Heidemann-Schirmer hatte ein großes Interesse, den höheren Adel an sich zu binden, um sich der Loyalität der mächtigen Familien zu vergewissern.101 Am neapolitanischen Hof sind die Konkurrenzverhältnisse und Abgrenzungsdynamiken innerhalb des Standes demnach besonders deutlich erkennbar, denn der dortige Prestigegewinn – der mit der verstärkten Ämtervergabe unter den Aragonesen einherging – wurde nun auch von den Feudaladligen in Anspruch genommen.102 Überdies war der Königshof von jeher ein Garant des sozialen Aufstiegs für die Neuadligen ebenso wie für die Neuankömmlinge in der Stadt.103 Darauf wird weiter unten zurückzukommen sein. Die Familien der beiden höchsten Seggi wurden zum Ende des 15. Jahrhunderts jedoch vor Probleme gestellt, denn das Bevölkerungswachstum und die Ernennung neuer Adliger sowie der stetig steigende Zuzug auswärtiger Aristokraten veränderten die neapolitanische Gesellschaft nachhaltig, wodurch die Exklusivitätsansprüche der Maggiore Nobiltà kaum noch haltbar waren.104 Die „grundsätzliche Exklusivität des Adels […] [und] eine Öffnung für neue Mitglieder“ stellte ein allgemeines Problem in den europäischen Adelsgesellschaften des späten Mittelalters dar.105 Für den neapolitanischen Fall wird ersichtlich, dass sich zwar die Maggiore Nobiltà einer Öffnung weitgehend verwehrte, die Seggi Minori jedoch das Potential neuer Mitglieder erkannten.106 Die Karrieremöglichkeiten am aragonesischen Königshof spielten dabei die entscheidende Rolle. Dadurch standen die 101 Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 203, unterstreicht dies besonders für die Aragonesen, indem er die Seggio-Adligen als „regierungstreue[...] Stadtaristokratie“ bezeichnet. Allerdings ist hier der SeggioAdel je nach Zugehörigkeit zu differenzieren, wie es die vorliegende Arbeit unternimmt. 102 Siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 30. Allgemein zum „Königshof [...] als lebendiges Abbild der sozialen, politischen und verfassungsmäßigen Realität“ siehe Spieß, Rangdenken, 1997, S. 42 u. ff. 103 Zur Herausbildung einer neuen Elite „di toga“ siehe auch Del Bagno, Reintegrazione, 1984. Allgemein zur Patronage als Möglichkeit der Netzwerkbildung siehe Reinhard, Freunde und Kreaturen, 1979, bes. S. 38ff. Ausführlich zum Hof als Netzwerk siehe auch Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007. 104 D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 43, betont die steigende Zahl an Immigranten nach Neapel im späten 15. Jahrhundert. Das Drängen des Feudaladels in die Stadt wurde unter den spanischen Vizekönigen ab 1510 besonders intensiviert. Vgl. Labrot, Baroni in città, 1979, S. 46. Insgesamt hatte Neapel zwischen den Jahren 1400 und 1500 einen Zuwachs von 80.000 Einwohnern zu verzeichnen. Vgl. di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 87. 105 Siehe Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen, 2008, S. 5: „Das Leistungsprinzip setzte die grundsätzliche Exklusivität des Adels zwar nicht außer Kraft, aber es relativierte sie insofern, als es eine Öffnung für neue Mitglieder implizierte, die zur Einlösung der gesetzten Leistungsstandards bereit waren.“ Auch im französischen Adel des 15. Jahrhunderts lässt sich eine verstärkte Zunahme an „Nobilitierungen“ erkennen. Siehe dazu Spieß, Aufstieg in den Adel, 2001, S. 24. 106 Dies als generelles Phänomen bei der Unterscheidung von höherem und niederem Adel, von dem Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 33f., sagt, „daß dort, wo ein relativ exklusiver höherer Adel sich erfolgreich gegen weniger mächtige und vornehme Familien abgrenzte […] der Kleinadel […] eher offen für Aufsteiger war […].“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 27 Neuadligen bald als finanziell und sozial konkurrierende Gruppe dem alten Adel gegenüber. Darüber hinaus wurden die spanischen Gefolgsleute bevorzugt von den Aragonesen mit feudalen Gütern und Titeln belohnt.107 Auch sie hatten ein großes Interesse, die neapolitanische Bürgerschaft als Grundlage zur Aufnahme in die Seggi zu erwerben, denn nur so konnten sie an dem oligarchischen innerstädtischen Machtsystem partizipieren. Diese für die Maggiore Nobiltà problematische Entwicklung wird in den Kapiteln evident, die in den Seggi di Capuana und Nido um 1500 abgehalten wurden, um die Aufnahmeregeln und damit die Abgrenzung nach außen neu zu definieren. Dabei wurde unter anderem festgelegt, dass der Seggio-Adel durchgängig vier Generationen in väterlicher Linie nachzuweisen hatte, um weiterhin dem Quartier angehören zu können, wie auf der Versammlung des Seggio di Nido 1520 vereinbart. Schon 1507 waren die Aufgaben und Privilegien jener fünf Obersten des Quartiers („li Cinque“) konkretisiert worden, die alle sechs Monate gewählt werden sollten. Zu gleichen Debatten kam es am 22. September 1500 auf dem Kapitel des Seggio di Capuana.108 II.1.2. Die Seggi Minori Die verbleibenden Seggi di Montagna, Porto und Portanova waren die niederen Adelskorporationen in Neapel, die sogenannten „seggi minori“.109 Sie wurden hierarchisch niedriger eingestuft, da ihre Familien seit den Anjou ursprünglich aus Händlern und Bürgern („origine mercantile e borghese“110) bestanden. Sie waren es 107 Zur eigenen Machtsicherung stattete Alfons von Aragon seine spanischen Gefolgsleute nach der Eroberung des süditalienischen Königreiches mit Ländereien und Titeln im neuen Herrschaftsgebiet aus und verheiratete sie bevorzugt mit den lokal ansässigen Adelsfamilien. Siehe dazu Cantabene, La committenza, 2007, S. 135. Allgemein zum engen Netzwerk der spanischen und katalanischen Adligen am neapolitanischen Königshof unter Alfons von Aragon siehe vor allem Ryder, The Kingdom of Naples, 1976. 108 Siehe Vitale, Élite, 2003, S. 113ff. Vitale liefert die Kapitel von 1507 und 1520 im Abdruck. Vgl. ebd., S. 125-133, Appendix I-II und in ihren früheren Ausführungen Vitale, La Nobiltà di Seggio, 1988. Siehe auch Del Bagno, Reintegrazione, 1984. Zum Kapitel des Seggio di Capuana siehe Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 308, Anm. 4. Außerdem Chronica de la Nobiltà. Zur Bedeutung dieser SeggioObersten im Kontext der politischen Ereignisse am Ende des 15. Jahrhunderts siehe auch D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979. 109 Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 98. 110 Ebd., S. 97. Darauf verweist auch Vitale, Élite, 2003, S. 62 u. 116. Dennoch besaßen diese drei Seggi die gleichen Privilegien wie Capuana und Nido. Siehe Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 696. Zur hierarchischen Abstufung der fünf Seggi siehe auch Beyer, Parthenope, 2000, S. 25. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278, bezeichnet die drei Seggi als „ursprünglich die Vereine des Großbürgertums“. 28 Grit Heidemann-Schirmer jedoch, die infolge der Zuwanderungsbewegung im 14. und verstärkt im 15. Jahrhundert die auswärtigen Adligen aufnahmen, denen ein Beitritt zu den Maggiori versagt blieb.111 Vitale zitiert den Beschluss des Seggio di Montagna von 1420, der besagt, dass „jeder Adlige aus jeder Stadt des Reiches […] das Recht [habe], zum honori dello Seggio zu werden, wenn eine Hochzeit mit einer Frau aus einer zum Seggio dazugehörigen Familie abgeschlossen würde“.112 In gleicher Weise nahmen die Seggi Minori auch jene sozialen Aufsteiger auf, die vom König in den Adelsstand erhoben worden waren.113 Das Beziehungsgeflecht mit dem Königshof war demzufolge weitaus enger gestrickt, als sich dies bei den beiden höheren Adelskorporationen feststellen lässt.114 Daher verwundert es nicht, dass ein Jahrhundert später Antonio Terminio in seiner „Apologia“ allein diese drei „niederen“ Seggi Neapels ausführlich vorstellt, mit dem Ziel, ihre Zweitrangigkeit zu widerlegen.115 Dazu führt er nicht nur die einzelnen ansässigen Familien, sondern vor allem herausragende Persönlichkeiten an und vergleicht diese mit Zeitgenossen der beiden höheren Seggi, um den Status des betreffenden Quartiers zu egalisieren. Der Seggio di Montagna stellt eine Besonderheit unter den neapolitanischen Vierteln dar.116 Er wurde zwar erst im Jahre 1380 formiert, inkorporierte aber das ehemalige Gebiet Forcella (zwischen Capuana und Nido), in dem sich wichtige antike Gebäude und Kultstätten befanden, die das kulturelle Erbe der Stadt markierten. Während das Heiligtum der Sirene Parthenope zu Zeiten der Siedlungsgründung außerhalb lag,117 konnten nach archäologischen Grabungen das antike Theater sowie das antike Forum auf dem Territorium der Kirche San Lorenzo Maggiore lokalisiert werden.118 Demzufolge wurde auch das Tribunal – ebenfalls in unmittelbarer Nähe zu San Lorenzo 111 Siehe noch einmal Vitale, Élite, 2003, S. 62f. u. S. 107. „[…] che ogni gentiluomo, di qualunque città del Regno fosse, avesse diritto agli »honori dello Seggio«, qualora avesse contratto matrimonio con una donna appartenente a famiglia di Seggio.“ Vgl. Vitale, Èlite, 2003, S. 116. 113 Zur Aufnahme der homines novi erstmals durch den Seggio di Montagna siehe Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 310. 114 So wurden die Ämter am Hofe der Anjou-Durazzo noch bevorzugt mit den Angehörigen der Seggi Minori besetzt und auch die Geldleihe an den Königshof durch die niederen Seggio-Adligen ist ein Charakteristikum dieser Gruppe. Siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 97f. 115 Vgl. Terminio, Apologia, 1581. 116 Zu diesem noch jungen Seggio siehe zuletzt Di Meglio, Nobiltà di seggio, 2012, bes. S. 35f. 117 Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, S. 17. 118 Siehe dazu Thoenes, Neapel, 1971, S. 18. Demgegenüber haben sich die Überreste des einstigen Dioskurentempels in der Eingangsfront von S. Paolo Maggiore bis heute erhalten, die sich nahe der Kirche S. Lorenzo Maggiore an der Via dei Tribunali befindet. Siehe dazu auch Di Giacomo, Napoli, 1929, bes. S. 20f. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 708, bezeichnet demzufolge den Seggio di Montagna als den ältesten der Stadt, was offensichtlich mit seiner Lage im antiken Stadtkern zu erklären ist. 112 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 29 Maggiore als Zentrum dieses Quartiers – als Versammlungsort aller Seggi der Stadt hier eingerichtet, um die gemeinsamen Anliegen und Interessen an einem Ort zu bündeln.119 Der Besuch dieser Institution durch die Könige bei wichtigen Ereignissen manifestiert ihren besonderen Stellenwert. So überreichte Alfons von Aragon nach seinem Einzug in die Stadt 1443 seinen goldenen Triumphwagen dem Tribunal als Geschenk und proklamierte dort die Ernennung seines Sohnes Ferrante zum künftigen Thronnachfolger.120 Im Seggio di Montagna waren unter anderem die Familien Capua, Cicinelli, Muscettola, Pignone, Poderico und Rocco eingeschrieben. Zahlenmäßig beherbergte dieses Stadtviertel die meisten Familien gegenüber den anderen Quartieren, was nicht nur auf seine Einverleibung des ehemaligen Territoriums von Forcella, sondern auch auf die bereitwillige Aufnahme der Immigranten und der Neuadligen zurückzuführen ist. Sie erlangten zwar hierarchisch gesehen nicht den gleichen Stellenwert wie die Familien der Maggiore Nobiltà, wurden aber zuweilen auch für Heiratsallianzen herangezogen. Ihre besondere Nähe zu den Königshäusern und demzufolge ihre Vermittlerposition könnte dafür eine Erklärung sein,121 ebenso wie die berühmten Stätten des antiken Neapels eine Aufwertung des Territoriums bedeuteten. Die beiden Seggi di Porto und Portanova waren die jüngsten Stadtquartiere, die sich am südlichen Rand der Stadtmauern befanden und erst spät infolge des aragonesischen Urbanisierungsprogramms am Ende des 15. Jahrhunderts in den Mauerring aufgenommen wurden.122 Ihr Ansehen konnte aufgrund ihrer peripheren Lage und ihres noch jungen Alters bei weitem nicht den Stellenwert erreichen wie die prestigeträchtigen Seggi di Capuana und Nido.123 Dennoch hatten auch sie die gleichen Privilegien und traten in enge Verbindungen zum Königshof, dem sie sehr loyal gegenüberstanden.124 So verfolgten unter König Ladislaus von Anjou-Durazzo viele Adlige eine militärische Laufbahn, die vor allem aus den besagten Seggi di Porto und 119 Zum Tribunale di S. Lorenzo siehe u.a. D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 41f.; Summonte, Dell’Historia (I), 1675, S. 215-222. Die Vereinigung aller neapolitanischen Seggi an diesem Ort wird auch über dem Eingangsportal visualisiert, wo alle Wappen zusammengeführt sind. 120 Siehe dazu Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 22f. 121 Beispielhaft zu den Cicinelli und den Penna als soziale Aufsteiger unter dem Protektorat der AnjouDurazzo und der Aragonesen siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 140-143. 122 Siehe u.a. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 601. 123 Auch Vitale, Élite, 2003, S. 47, führt für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts ihren weiterhin „merkantilen“ Charakter in zeitgenössischen Quellen an. 124 Siehe ebd., S. 176. 30 Grit Heidemann-Schirmer Portanova stammten.125 Der König erhielt dabei einen bedeutsamen ökonomischen Rückhalt von drei Adligen aus diesen Korporationen, und zwar von Francesco Gattola (Portanova), Gurello Origlia (Porto) und Artusio Pappacoda (Porto), die an seinem Hof als Großmarschall, Großprotonotar und Großseneschall tätig waren.126 Für den Seggio di Porto sind beispielsweise die Familien d’Alessandro, Ferrillo, Gennaro, Macedonio, Origlia und die Pappacoda zu nennen,127 während im Seggio di Portanova unter anderem die d’Anna, Gattola, Miroballo und die Mormile eingeschrieben waren.128 Aus dem Streben der Seggi Minori nach sozialen Aufstiegschancen, die insbesondere am Hof verfolgt wurden, und ihrer Aufnahme der vom König geförderten Neuadligen sowie der immigrierten Aristokraten entwickelte sich ein Gruppenbewusstsein, das mit der königlichen Autorität aufs Engste verbunden war.129 Demgegenüber bildete die Maggiore Nobiltà eine nahezu geschlossene Gruppe, die gerade durch den begrenzten Zutritt ihre Exklusivitätsansprüche gegenüber den sozialen Aufsteigern geltend machen wollte.130 In den bisherigen Überlegungen wurde die Wechselbeziehung der Seggi mit dem neapolitanischen Stadtraum schon mehrfach angedeutet. Dieses Phänomen wird im Folgenden näher beleuchtet, bevor die verbleibenden zwei Gruppen des adligen Standes näherhin charakterisiert werden. 125 Siehe dazu ebd., S. 58-62. Zur „Kriegsindustrie“ unter den Anjou-Durazzo siehe auch dies., Nobiltà, 2000, S. 373-376. 126 Als Vierter im Bunde ist Ludovico Aldemorisco zu nennen, der jedoch aus dem Seggio di Nido stammte und am Hof als Großadmiral fungierte. Siehe dies., Élite, 2003, S. 61f. 127 Besonderes Augenmerk bei den Zeitgenossen erlangte der Zusammenschluss von sechs Familien (Macedonio, Dura, Gennaro, Pappacoda, Venato, Strambone) im Seggio di Porto, die sich als „dell’Aquarie“ bezeichneten und fortan den „Kernbestand des ganzen seggio“ ausmachten. Vgl. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 283f. Siehe dazu auch deren Rezeption bei Lo splendore, S. 11. 128 Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 282, meint zum Seggio di Portanova, dass dieser „aus einer Separierung bestimmter, großbürgerlicher Familien (man kann diese Gruppe ohne Gefahr des Anachronismus als ‚oberen Mittelstand‘ bezeichnen) vom gewöhnlichen Volk entstand. Auch später noch wurden großbürgerliche Familien dadurch nobilitiert, dass sie hier aufgenommen wurden, wie z.B. König Alfons 1444 für die Coppola und Miroballo anordnete.“ 129 Darauf verweist auch Vitale, Élite, 2003, S. 73, sowie am Beispiel der Familie de Penna, die als homines novi am Königshof der Anjou-Durazzo eine privilegierte Position erlangten und diese Beziehung auch öffentlich publik machten, wie die Fassade ihres Palastes mit der vielfach eingesetzten Königslilie zeigt. Vgl. ebd., S. 142f. Allgemein zur Verbundenheit der am Hofe tätigen Adligen im spätmittelalterlichen Europa siehe auch Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007, bes. S. 22f. 130 Dies als allgemeines Problem exklusiver Adelsgruppen siehe Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 8. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 31 II.1.3. Die Bedeutung der Seggi im Stadtraum von Neapel Die Stadt Neapel zeichnet sich gegenüber den anderen italienischen Städten dadurch aus, dass sie seit dem 12. Jahrhundert von wechselnden fremden Dynastien regiert und ab 1266 als Residenzstadt ausgebaut wurde.131 Als gewachsene Stadt war sie von den sich überlagernden Baumaßnahmen der jeweiligen Herrschaftsphasen geprägt.132 So musste sich die Stadtbevölkerung bis zur Einigung Italiens mit den immer wieder wechselnden Herrscherhäusern arrangieren, die unterschiedliche Interessen an der süditalienischen Hauptstadt geltend machten und diese auch bildlich manifestierten. Es waren aber vor allem die Seggio-Adligen, die einen entscheidenden Anteil an der Stadtgestaltung hatten, der sich aus dem Zugehörigkeitsgefühl zu ihren Quartieren speiste und durch die daraus resultierenden zeichenhaften Monumentsetzungen den Bewohnern über die Dynastienwechsel hinweg Kontinuität vermittelte.133 Das System der Seggi bestimmte die Struktur des urbanen Raumes von Neapel und wurde somit auch in den großen Kirchen offenbar, deren Attraktivität, neben den zugehörenden Orden, in ihrer exponierten Lage im Stadtraum (Abb. 1) begründet lag.134 Diese dienten den Bewohnern als öffentlichkeitswirksame Orte, die zugleich der sozialen Ordnung innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft Rechnung trugen.135 Während in den einzelnen Quartieren mindestens eine Kirche von den ansässigen Adelsfamilien als bevorzugter Bestattungsort gewählt wurde, so gab es – wenn auch numerisch deutlich geringer – das Bedürfnis einzelner Adliger, sich außerhalb der großen Sakralbauten familiäre Eigenkirchen errichten zu lassen, die bezeichnenderweise eine größtmögliche Nähe zu den Seggi aufwiesen.136 131 Zu Neapel unter den Normannen, Staufern und Anjou siehe u.a. Galasso, Il Regno, 1992, S. 1-227; Garzilli, Cronica Di Napoli, 1845, S. 13-66. 132 Siehe dazu Michalsky, Gewachsene Ordnung, 2008, S. 267-288. Besonders zu den Anjou siehe dies., Memoria und Repräsentation, 2000; Bruzelius, The Stones of Naples, 2004. Allgemein zur Stadtplanung im Mittelalter und der Debatte um gewachsene Städte siehe der Tagungsband Städteplanung – Planungsstädte, 2006. 133 Zu diesem lokalen Phänomen siehe auch Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014. 134 Zu einer darin ersichtlichen topologischen Ordnung der Adelsgrabmäler siehe Michalsky, Strukturiertes Gedächtnis, 2005. Allgemein zum öffentlichkeitswirksamen Charakter von Kirchen siehe Wenzel, Hören und Sehen, 1995, bes. Kap. III; Suckale, Stil und Funktion, 2003, bes. S. 391-406; Rau/Schwerhoff, Topographien des Sakralen, 2008, bes. S. 24 u. 52f. Zur „Kirche als Gemeinschaft der Lebenden und Toten“ siehe auch Borgolte, Das Grab, 2000, S. 310. 135 Schon Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278, weist ausdrücklich darauf hin: „In einer aber nur in Neapel so ausgeprägten Form hingen die Kirchen des Adels mit dessen Gliederung in Stadtviertel und Korporationen zusammen.“ 136 Zu den Hauptkirchen der Seggi siehe Kap. IV.1.1. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 288, macht zudem darauf aufmerksam, dass die Zahl an eigenen Familienkirchen relativ klein war gegenüber den Kapellenstiftungen in den großen Kirchen. Siehe dazu auch Kap. IV.2. 32 Grit Heidemann-Schirmer Diese adligen Versammlungsbauten befanden sich an jenen Insulae-Ecken, die zu den decumani des antiken Straßennetzes hin geöffnet waren und insofern das Bewusstsein der Zeitgenossen für das antike Erbe der Stadt vermittelten.137 Sie lagen nach Art der römisch-antiken Bogenmonumente an den strategisch wichtigen, weil hoch frequentierten Straßenkreuzungen, so dass sich ihr Status als politisch wichtige Repräsentationsbauten des ansässigen Adels visuell manifestierte.138 So befand sich beispielsweise der Versammlungsbau des Seggio di Capuana an der südöstlichen Ecke jener Insula (an dem heutigen, namensgebenden Vico Sedile Capuano), die den Komplex des Doms San Gennaro umfasste und durch die direkte Nähe den Status der Kathedrale als Hauptkirche dieses Stadtviertels visuell hervorhob. In gleicher Weise sind auch der Seggio di Nido gegenüber seiner Hauptkirche San Domenico Maggiore oder der Seggio di Porto unterhalb von San Giovanni Maggiore als weitere Beispiele anzuführen.139 Die Unterteilung des neapolitanischen Stadtraums fand demnach ihren materiellen Ausdruck in den Versammlungsbauten der Adligen und den angrenzenden Hauptkirchen, die, meist zusammen als eine Platzanlage, der Stadt ihren dezentralen Charakter verliehen und darüber hinaus „den Rechts- und Herrschaftsraum einer bestimmten sozialen Gruppierung [nämlich den Seggio-Adligen, Anm.d.V.]“140 markierten. Neapel besaß somit nicht ein einziges, durch Bauten materiell fassbares Zentrum, das „in vielen anderen Städten Italiens […] die topographische Mitte und das politische Zentrum“141 bildete. Vielmehr übernahmen die Anlagen der Seggi, neben dem Herrschersitz, diese Funktion. Besonders anschaulich wird dieses Phänomen bei 137 Dazu auch Lenzo, Public display, 2014. Die antiken decumani in Neapel sind der decumanus maiorus, die heutige Via dei Tribunali, und der decumanus inferiorus, die heutige Via S. Biagio dei Librai, auch unter dem Namen „Spaccanapoli“ bekannt. Siehe dazu Regina, Napoli antica, 1994, bes. S. 68-193. Zu der prekären Lage der einstigen Versammlungsbauten siehe oben. Thoenes verortet die Seggi folgendermaßen: „Der vornehmste war der Seggio di Nido […] bei S. Angelo a Nilo […]. Unterhalb von SS. Severino e Sossio, zwischen der Via Salvatore de Renzi und dem »Rettifilo«, befand sich der Sitz von Portanova, an der Via dei Tribunali der Seggio Capuano […]; am Westabschnitt der gleichen Straße, zwischen S. Paolo Maggiore und S. Angelo a Segno, der Seggio di Montagna […]; der Sedile di Porto lag ursprünglich in der gleichnamigen Straße unterhalb von S. Giovanni Maggiore, seit 1472 am Largo Medina.“ Vgl. Thoenes, Neapel, 1971, S. 20. 138 Siehe auch Lenzo, Public display, 2014, S. 3f. Zu den vergleichbaren römisch-antiken Bogenmonumenten siehe noch einmal Mühlenrock, Tetrapylon, 2003. 139 Im Laufe der Jahrhunderte kam es zu mehreren Umverlagerungen dieser Seggi-Bauten. Infolgedessen wurden zuweilen die verlassenen Versammlungsgebäude in neue Bauten inkorporiert, wie das Beispiel der Kirche S. Lorenzo Maggiore und der alte Seggio di Montagna zeigt. Siehe dazu Hirpinus, San Lorenzo Maggiore, 1961/62, S. 18-20. 140 Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 201. Weiterhin: „Vieles weist darauf hin, dass urbane Räume im Quattrocento deshalb symbolisch so intensiv aufgeladen werden, weil die Urbanistik dieser Zeit sich an einer explizit politischen Programmatik orientierte.“ Vgl. ebd., S. 203. 141 Vgl. Hubert, Stadtgestaltung, 2010, S. 211, hier im Kontext von Bologna. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 33 Prozessionen und anderen Festzügen in der Stadt,142 denn es waren diese Seggi, die, neben dem Marktplatz und der Kathedrale als übliche Stationen von städtischen Prozessionen,143 die Route des Festzuges bestimmten und somit ihre Bedeutung im urbanen Raum von Neapel allen Anwesenden vor Augen führten.144 Bei den feierlichen Einzügen von Alfons I. von Aragon und bei den Corpus-DominiProzessionen am Ende der aragonesischen Epoche wird ihre Relevanz, sowohl in der administrativen Form als Korporationen als auch in der materiellen Gestalt der Versammlungsorte, für das Gelingen des jeweiligen Festes evident.145 Die Involvierung der Seggi in den Festablauf diente dabei der Identifikation der Adligen als einer Gruppe, die sich als lokal unentbehrliche Elite verstand.146 Das Durchschreiten des Stadtraums, das einer vorher festgelegten Route folgte, markierte die politisch wichtigsten Orte innerhalb Neapels, zu denen die adligen Stadtviertel mit ihren Versammlungsbauten gehörten, und reaktivierte gleichzeitig ihre Wahrnehmung im öffentlichen Raum.147 Den Seggi kam also nicht nur eine „zentrale Rolle in der Prozessionstopographie der Stadt zu“,148 sondern sie waren die spezifischen „Grundelemente der symbolic landscape“149 Neapel, die den Stadtraum performativ (re-)generierten und über historische Umbrüche hinweg perpetuierten. Die Wechselbeziehung der Seggi mit dem urbanen Raum und deren restriktive Zugangsbestimmungen erschwerten es den neuen Adligen, sich in die neapolitanische Gesellschaft zu integrieren. Die dadurch in Gang gesetzten Aneignungs- und Distinktionsprozesse machten das Spezifikum der zweiten Gruppe des in Neapel vertretenen adligen Standes aus. 142 Zur konstituierenden Bedeutung von Prozessionen für die soziale Ordnung einer städtischen vormodernen Gesellschaft siehe auch Füssel, Hierarchie in Bewegung, 2007, bes. S. 31f. Für den neapolitanischen Fall siehe vor allem Marino, Becoming Neapolitan, 2011. 143 Zum zentralisierenden Charakter des Marktplatzes als „Ausgangspunkt der Stadtwerdung und Grundtypus des öffentlichen Raums“ siehe Noack/Oevermann, Urbaner Raum, 2010, S. 272. 144 So auch bei den Feierlichkeiten zur Krönung von Alfons II. von Aragon am 8. Mai 1494, der unter einem Baldachin durch die Stadt ritt „attraverso i luoghi simbolici politico-amministrativi della capitale, e cioè i Seggi“. Vgl. Vitale, Ritualità monarchica, 2006, hier S. 37. 145 Siehe dazu zuletzt Heidemann, Prozessionen, 2012. 146 Zur gemeinschaftsstiftenden Funktion von Ritualen und Ritualisierungen siehe Wulf, Das Soziale als Ritual, 2001, bes. S. 7-17. Allgemein zur gesellschaftlichen Bedeutung von Ritualen siehe auch die Arbeiten am Sonderforschungsbereich 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. 147 Zur Bedeutung von öffentlichen Plätzen als Austragungsorte von Festen siehe Heers, Vom Mummenschanz, 1986, S. 343. 148 De Divitiis, Die Seggi, 2009, S. 102. 149 Schweers, Die Bedeutung des Raumes, 2009, S. 41. 34 Grit Heidemann-Schirmer II.2. Nobili fuori piazza – Die Neuen in der Stadt Die Gruppe der Nobili fuori piazza bestand aus jenen Adligen, die aus anderen Städten in und außerhalb des süditalienischen Reiches nach Neapel gekommen und – so sagt es der Name – nicht in die zuweilen auch als Piazze bezeichneten Seggi eingeschrieben waren.150 Sie konnten aber, wie schon erwähnt, vor allem in die niederen Korporationen aufgenommen werden. Der verstärkte Zuzug auswärtiger Adliger ist, wie schon erwähnt, mit der Situation Neapels als Residenzstadt fremder Dynastien zu erklären. So folgten viele französische Aristokraten den Anjou, als diese Neapel ab 1266 zum neuen Herrschaftssitz ausbauten und das Hofpersonal vornehmlich mit ihren Landsleuten besetzten.151 In gleicher Weise kamen zunehmend spanische und katalanische Adlige mit den Aragonesen ab 1442 nach Neapel, um in den Dienst des neuen Königshofs zu treten.152 Diese nur im monarchisch regierten Neapel so ausgeprägte Möglichkeit nutzten auch Aristokraten und Patrizier anderer italienischer Städte außerhalb des Regnums, um am neapolitanischen Hof zu Einfluss und Reichtum zu gelangen. Das Charakteristikum dieser Gruppe war ihre Nähe zum Königshof, in dessen Dienst sie – ebenso wie die Neuadligen – traten, dabei den „engeren Hof“153 bildeten und demzufolge ihren sozialen Aufstieg innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft anstrebten.154 Aus diesem Bestreben entwickelte sich ein Gruppenbewusstsein, das in direkter Verbindung mit dem Souverän stand und sich auch auf ihre Grablegepraxis in Neapel auswirken sollte. Tutini zufolge wurde die Abgrenzung der Nobili fuori piazza von den Ortsansässigen auch dadurch verstärkt, dass sie sich „weder mit dem Adel noch weniger mit dem Volk [austauschten], da sie nicht das Bürgerrecht besaßen […].“155 Demgegenüber erschienen ihre in Neapel errichteten Grabmäler und Familienkapellen als überaus geeignete Kommunikationsmedien, wie im Kapitel V noch zu zeigen sein wird. 150 Zu dieser Gruppe siehe vor allem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 100-103; Muto, La campania, 1994, bes. S. 35-42. Maßgebend für den Eintritt in die Seggi war die Übernahme der neapolitanischen Stadtbürgerschaft. Im Kontext der eigenen Familie siehe noch einmal Della Marra, Discorsi, 1641. 151 Siehe dazu Heidemann und Scirocco, Die Kirchen, 2010, S. 14; Della Marra, Discorsi, 1641. 152 Siehe dazu Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 5f.; Croce, Memorie degli Spagnuoli, 1894. Zur Belohnung der spanischen Gefolgsleute von Alfons nach der Eroberung des süditalienischen Königreiches siehe noch einmal Cantabene, La committenza, 2007, S. 135. Zur Bedeutung von „Landsmannschaft“ für die Netzwerkbildung siehe auch Reinhard, Freunde und Kreaturen, 1979, bes. S. 36f. 153 Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007, S. 26, hier im allgemeinen Kontext der Strukturen eines spätmittelalterlichen Hofes. 154 Auch Spieß, Rangdenken, 1997, S. 44f., betont die Steigerung von „Sozialprestige und politischen Einfluß“ durch die „Nähe zum Herrscher“, hier im deutschsprachigen Kontext. 155 Tutini, Del’origine, 1644, S. 85: „[…] né con la Nobiltà, né meno col Popolo, perciò non fanno corpo di Cittadinanza […].“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 35 Die grundlegend abweisende Haltung des alten neapolitanischen Adels gegenüber den auswärtigen Adligen fand auch noch Jahrhunderte später ihren Niederschlag. Das schon oben angesprochene Brettspiel von 1678 (Abb. 6) belegt dies eindrücklich in seiner Spielanleitung, indem das zweimalige Aussetzen des Spielers bei dessen Ankunft auf einem Wappen auswärtiger Adelsfamilien vorgeschrieben war.156 Die Maggiore Nobiltà unterschied die Neuankömmlinge nach ihrer Herkunft innerhalb oder außerhalb des süditalienischen Reiches. Insofern spielte die topographische Nähe eine entscheidende Rolle bei der hierarchischen Unterscheidung der nach Neapel immigrierten Adligen.157 II.2.1. Die Herkunft innerhalb des Regnums Das süditalienische Königreich umfasste unter den Aragonesen die Gebiete der heutigen Regionen Abruzzen, Apulien, Basilikata, Kalabrien, Kampanien, Molise sowie einige Teile der Marken und Latium.158 Nach dem Vorbild der neapolitanischen Seggi gab es auch in anderen Städten des Reiches gleichnamige Adelskorporationen, wenn auch nicht in der hohen Anzahl wie in der Hauptstadt.159 Wer aus den Provinzen nach Neapel kam und sogar Mitglied eines der dortigen Seggi war, galt bei den neapolitanischen Adligen als nahezu gleichwertig und wurde dementsprechend bereitwillig in ihre Korporationen aufgenommen.160 Besonders eklatant wird dies bei den Städten der nahe gelegenen Amalfi-Küste.161 Das zeigt das Beispiel der Familie Correale, die aus Sorrent nach Neapel gekommen war und – nach einer erfolgreichen Karriere einiger 156 Siehe noch einmal Anm. 88. Die Ausgrenzung von „ausländischen Adligen“ lässt sich vereinzelt auch in anderen Adelsgesellschaften festmachen, wie Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 27, exemplarisch für den niederländischen Adel anführt. 157 Vitale, Èlite, 2003, S. 158f., verweist darauf, dass je weiter sie von außerhalb kamen, umso geringfügiger ihr adliges Blut galt, da man annehmen musste, dass dieses mit jenem der Goten oder Langobarden gemischt worden sei. Zur Differenzierung durch die höheren Seggio-Adligen siehe noch einmal beispielhaft die von dem Seggio di Nido abgehaltenen Kapitel von 1507 und 1520, abgedruckt bei Vitale, Èlite, 2003, Appendix I-II. 158 Siehe die Karte bei Warr/Elliott, Introduction, 2008, S. 422, Abb. 1. Außerdem zum Königreich unter Alfons von Aragon siehe Ryder, The Kingdom of Naples, 1976. 159 Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 102, führt beispielhaft Sorrent, Salerno, Trani und Tropea an. 160 Siehe dazu ebd., S. 102f. Siehe auch noch einmal der Beschluss des Seggio di Montagna aus dem Jahre 1420, der besagt, dass „jeder Adlige aus jeder Stadt des Reiches […] das Recht [habe], zum honori dello Seggio zu werden, wenn eine Hochzeit mit einer Frau aus einer zum Seggio dazugehörigen Familie abgeschlossen würde.“ Zitiert nach Vitale, Élite, 2003, S. 116. 161 Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 102, betont die besondere Beziehung zwischen den neapolitanischen Seggio-Adligen und jenen der Amalfiküsten-Städte, die sie als „madre e matrice“ betitelt. 36 Grit Heidemann-Schirmer Familienmitglieder am aragonesischen Königshof – am Ende des 15. Jahrhunderts in den Seggio di Nido aufgenommen wurde.162 Ein weiterer Grund für die Akzeptanz der Adligen aus den nahen Provinzen wird der Besitz feudaler Güter einiger neapolitanischer Adliger in der Umgebung von Neapel gewesen sein, wodurch ihnen diese Gebiete und deren Bewohner vertraut waren. Anders verhielt es sich mit den Städten außerhalb des Königreiches. II.2.2. Die Herkunft außerhalb des Regnums Die Nobili fuori Piazza, deren Herkunft außerhalb des Reiches lag, sind vor allen Dingen mit den fremdländischen Herrschern in Verbindung zu bringen, denen sie in die süditalienische Residenzstadt folgten. So verhielt es sich mit den französischen Adligen unter den Anjou ebenso wie mit den spanischen und katalanischen Adligen unter den Aragonesen. Doch je weiter ihre Heimat von Neapel entfernt war, desto weniger wurden sie vom ortsansässigen Adel geschätzt, da sie als unebenbürtig galten.163 Desweiteren fand ein Transfer aus Nord- und Mittelitalien nach Neapel statt. Auch hierfür lässt sich die Fremdwahrnehmung der unterschiedlichen Aufnahmeregeln der neapolitanischen Adelskorporationen durch das Streben in die niederen Seggi erkennen, wie beispielsweise De Stefano für die römische Adelsfamilie Colonna belegt: „[…]obwohl sie zum römischen Adel gehörten und eine berühmte Familie waren, hatten sie stattdessen diese unsere Stadt gebeten, sich in den genannten Seggio di Porto einzuschreiben.“164 Während aus diesen Regionen viele Adlige in die süditalienische Hauptstadt vor allem infolge der politischen Allianzen der neapolitanischen Könige mit den anderen italienischen Regenten immigrierten und somit die Verflechtungen zwischen den Dynastien verdeutlichen,165 so waren es weitaus mehr Händler und Kaufleute, die in einen wirtschaftlichen Austausch mit dem süditalienischen Königshof traten und die 162 Zu Marino Correale siehe Kap. V.2.1. Siehe noch einmal Vitale, Èlite, 2003, S. 158f. Allgemein zur Bedeutung eines „besseren Geblüts“ siehe Schmid, Geblüt, 1998, bes. Kap. 2.1. 164 Vgl. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 19v: „[…] benché erano della nobiltà romana e famiglia illustre, in tanto hanno pregiato questa nostra città che s’ascrissero al detto seggio di Porto.“ 165 Beispielhaft zu den Piccolomini siehe Kap. V.2. Zu den Beziehungen der Visconti, Sforza und Medici mit den Aragonesen und der daraus folgenden Einwanderung der Lombarden nach Neapel siehe Strazzullo, I Lombardi a Napoli, 1992. Zu den freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Aragonesen und den Medici sowie zu Lorenzo de’ Medicis Aufenthalt in Neapel siehe außerdem De Frede, La crisi del Regno, 2006, bes. S. 19-21 u. 167-187. 163 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 37 dortigen sozialen Aufstiegschancen nutzen wollten.166 Zum Ende des 15. Jahrhunderts lässt sich dies auch für spanische Patrizier belegen, wie das Beispiel von Paolo Tolosa aus Valencia zeigt, der im Kapitel V genauer vorgestellt wird.167 Abschließend sei die dritte Gruppe des in Neapel anzutreffenden Adels beschrieben. II.3. Baruni – Der Feudaladel Der Feudaladel definiert sich aus seiner altehrwürdigen und landansässigen Herkunft, die ihm in der Regel das höchste soziale Ansehen innerhalb seines Standes gewährleistete.168 Für das neapolitanische Königreich jedoch galt die Zugehörigkeit zu einem Seggio als weitaus privilegierter,169 wodurch es zu einem lokal spezifischen Machtstreben unter den Baronen kam, das mit der Titelvergabe durch den Souverän aufs engste verbunden war. Die zunehmende Attraktivität des neapolitanischen Königshofes, der, wie andere europäische Fürstenhöfe auch, neue Herrschaftsbereiche und demzufolge ein gesteigertes Ansehen für den aufstrebenden Adel bereit hielt, bewirkte gleichermaßen eine Binnendifferenzierung unter den Feudaladligen,170 die den sozialen Wandel begünstigte, der sich am Ende des 15. Jahrhunderts innerhalb des adligen Standes in Neapel abzeichnete.171 Entscheidend trug dazu der sogenannte „Titeladel“ bei. 166 Zum wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Austausch zwischen Florenz und Neapel im 15. Jahrhundert, der auch einen Formentransfer zur Folge hatte, siehe u.a. Pane, Tavola Strozzi, 2009, S. 141-167; Bock, Patronage, 2008; Borsi, Leon Battista Alberti, 2006; De Frede, La crisi del Regno, 2006; Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001; Naldi, Rapporti Firenze-Napoli, 1998. 167 Siehe Kap. V.5. Zu der gestiegenen Anzahl an katalanischen Händlern, die unter den Aragonesen nach Neapel kamen, siehe auch Reimann, Neapel, 2005, S. 77. 168 So wurde der Feudaladel unter dem Normannenkönig Roger II. im 12. Jahrhundert als „più alto tra’ ceti“ („höher innerhalb der Stände“) eingeordnet. Zitiert nach Vitale, Élite, 2003, S. 32. Zur Entstehung der feudalen Besitztümer im süditalienischen Reich seit dem 13. Jahrhundert, zu denen auch die Gebiete innerhalb der Stadt Neapel zählten, siehe ebd., S. 34f. Die drei größten Familienclans mit den umfangreichsten feudalen Besitzen in Neapel und Umgebung waren die Brancaccio, Caracciolo und Capece. Vgl. ebd., S. 36. 169 „[…] because the latter one [noble title, Anm.d.V.] can get for money, whereas the former [Seggio membership, Anm.d.V.] is enjoyed by the merit of an old noble status.” Vgl. Spagnoletti, The Naples Elites, 2013, S. 204. 170 Allgemein zum Stellenwert des Hofes für den Machterwerb und Herrschaftsausbau im mittelalterlichen Adel siehe vor allem Schmid, Geblüt, 1998, bes. Kap. 2.2. Zur „Titelhierarchie“ im europäischen Adel siehe auch Demel, Spezifika, 2005, Abs. 10. 171 Siehe dazu vor allem Vitale, La Nobiltà di Seggio, 1988, bes. S. 157-160. Allgemein zu den Veränderungen im spätmittelalterlichen Adel siehe auch Walther, Freiheit, 2008, bes. S. 302-305. 38 Grit Heidemann-Schirmer II.3.1. Die Baruni de titulo Der Begriff des „Barone“ war von den Zeitgenossen, so betont es jedenfalls Ammirato „quasi per tutta Italia“, negativ konnotiert, da er sich durch „eine Art Schurkerei“172 und Lernunwilligkeit auszeichne. Diese anklagende Haltung ging zweifelsohne mit der im 15. Jahrhundert zunehmenden Kritik am Feudaladel einher, der in die Residenzstädte aufgrund der dort zu erwerbenden politischen Positionen drängte. So war die Titel- und Ländereienvergabe seit jeher von der Krone, in Neapel in verstärktem Maße seit den Aragonesen dazu instrumentalisiert worden, um treue Gefolgsmänner zu belohnen und die mächtigen Adligen des Reiches an das Königshaus zu binden, dessen Macht somit konsolidiert und ausgebaut werden sollte.173 Die damit verbundene Herrschaftsausübung, die nur im Dienste des jeweiligen Königs möglich war, beinhaltete für die Adligen auch einen Anstieg ihres sozialen Status.174 Im Laufe des 15. Jahrhunderts entwickelte sich in Neapel demzufolge der sogenannte „Titeladel“ („baruni de titulo“175), der sich von den titellosen Feudaladligen („baronaggio non titolato“) zu distanzieren suchte.176 Die Titel Fürst („Principe“), Herzog („Duca“), Markgraf („Marchese“) und Graf („Conte“) markierten eine Hierarchie, die ihren territorialen Machtbereichen entsprach. Sie konnten jedoch nur vom König verliehen werden, so dass die baruni de titulo an die Krone gebunden waren.177 Demzufolge zeichnet sich ein Bedürfnis nach der Einschreibung in die 172 Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 27: „[…] una certa sorte di mascalzoni […]“. Vitale, Élite, 2003, S. 30f., nennt dies eine „commercializzazione del feudo“, die insbesondere unter den Aragonesen festzustellen ist. So findet es auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 98, überraschend, dass einer der neapolitanischen Barone, Giorgio d’Alemagna, von König Alfons in den Vertrautenkreis am Hofe aufgenommen wurde, obwohl dieser zuvor auf Seiten des Kontrahenten René von Anjou gedient hatte. Ryder spricht Alfons eine gute Menschenkenntnis zu und verweist auf seinen Pragmatismus, einen schon unter den Anjou-Durazzo am Königshof vertretenen und erfahrenen Feudaladligen weiter zu beschäftigen. Allgemein zur Machtverteilung durch den König siehe Schmid, Geblüt, 1998, Kap. 2.2, bes. S. 74 u. 101. Auch Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 131, betonen, dass der König für die Erhebung der Reichsfürsten als „Spitze der Adelshierarchie“ die maßgebende Person war. 174 So u.a. Schmid, Geblüt, 1998, bes. S. 78f. Auch Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 38, verweist auf die Bedeutung von Würde und Ämtern, die „den Unterschied ausmachen“ („ci distinguono“). 175 Dieser Begriff entstammt dem Kapitel des Seggio di Nido aus dem Jahr 1507. Vgl. Vitale, Elité, 2003, Appendix I, S. 125-130. 176 Zu deren Unterscheidung vor allem im frühen 16. Jahrhundert siehe Visceglia, Identià sociali, 1998, S. 103-105. Die aragonesische Epoche bezeichnet Visceglia als „lange Phase des Übergangs”. Vgl. ebd., S. 104. Zum Feudaladel, besonders unter den spanischen Vizekönigen, siehe auch Muto, La campania, 1994, bes. S. 42. Im deutschen Adel vollzog sich dieser Wandel von einer „Verfestigung der ursprünglich nur rangmäßigen Unterschiede zwischen Herzögen, Markgrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und Grafen [hin] zu Standesunterschieden“ dagegen schon im 12. Jahrhundert. Vgl. Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 131. 177 Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 28-34, stellt die einzelnen Titel, ebenfalls in hierarchisch aufsteigender Reihenfolge vor. Diese Rangfolge des Titeladels findet sich auch noch im 17. Jahrhundert auf dem schon mehrfach angesprochenen Spielplan Carlo Torellis (Abb. 6) im rechten Bereich des sog. 173 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 39 neapolitanischen Seggi ab, die ihnen ein zusätzliches Mitspracherecht in kommunalen Angelegenheiten ermöglichte.178 Das Drängen des feudalen Titeladels in die neapolitanischen Seggi wurde somit zum Ende des 15. Jahrhunderts intensiviert und die innerständischen Grenzen verschoben sich.179 Nach 1500 kam es zu den schon erwähnten Reformen der Aufnahmeregeln insbesondere bei den höheren Seggi, die einen Zuwachs der Feudaladligen in ihren Korporationen begrenzen wollten. So wird auf dem Kapitel des Seggio di Nido von 1507 festgesetzt, dass nur ein Feudaladliger in den Rat der Fünf („li Cinque“) gewählt werden dürfe. Außerdem wurden die im Seggio vertretenen Titeladligen konkret benannt und somit bestätigt, zugleich sollte ein weiterer Zuwachs von außen verhindert werden.180 Die Fremdwahrnehmung des höchst komplexen neapolitanischen Adels spiegelt sich gleichermaßen in dem Ende des 16. Jahrhunderts verfassten Traktat „Delle Famiglie nobili napoletane“ des Florentiners Scipione Ammirato wider. So berichtet dieser, dass der Grafentitel in Süditalien seit den Römern bekannt war und den Provinzgouverneuren zustand, während der Markgrafentitel erstmals unter König Ladislaus von Anjou-Durazzo vergeben worden war.181 Der Herzogtitel, ebenfalls seit der Zeit des römischen Imperiums geläufig, sei erst für das Jahr 573 im süditalienischen Reich nachweisbar.182 Die Ernennung zum Fürsten war seit den Anjou wiederum einem sehr exklusiven Personenkreis vorbehalten. So wurde der Titel Principe di Salerno unter Karl I. und Karl II. von Anjou allein dem Thronerben verliehen. Dies änderte sich mit dem nachfolgenden König Robert von Anjou, der den Titel des Duca di Calabria für dieselbe Position einführte, was schließlich auch von den Aragonesen übernommen wurde und eine Nobilitierung des Herzogtitels mit sich brachte.183 „Weg zur Ehre“. Zu den Einkünften und dem Erwerb von Titeln durch den König siehe Vitale, Élite, 2003, S. 37-46. 178 Dies wird auch an den zahlreichen Familienpalästen ersichtlich, die seit dem 16. Jahrhundert im neapolitanischen Stadtraum von Feudaladligen errichtet wurden. Dazu immer noch umfassend Labrot, Baroni in città, 1979. 179 Siehe dazu noch einmal Vitale, Élite, 2003, S. 31. 180 Siehe Vitale, Élite, 2003, Appendix I, S. 126, Nr. 5 u. 6. Zu dieser Konkurrenz zwischen den Feudaladligen und den „gentilomini antiqui“ des Seggio-Adels siehe auch ebd., S. 117f. sowie dies., La Nobiltà di Seggio, 1988, S. 157f. 181 Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 31, der exemplarisch die Familien Avalos und Aquino angibt, die den Titel Marchese di Pescara in mehreren Generationen weitervererbten. Gleichzeitig hatten sie auch lange Zeit das Amt des Großkämmerers inne. Siehe dazu ebd., S. 46. Zur Erklärung der Ämter siehe im Folgenden. 182 Vgl. ebd., S. 32. 183 Vgl. ebd., S. 34. 40 Grit Heidemann-Schirmer Akribisch werden von Ammirato daraufhin die sieben höchsten Ämter am Königshof („sette officij principali“) beschrieben, die bezeichnenderweise von den höchsten Titeladligen ausgeübt wurden.184 Die Geschichte Neapels zeigt, dass es sich dabei um eine bewährte Strategie des Souveräns handelte, um die mächtigsten Adligen des Reiches an die Krone zu binden.185 Eine ähnliche „Domestizierung“ des Adels lässt sich vergleichsweise im deutschen Sprachraum verfolgen.186 Im Laufe des 15. Jahrhunderts kam es in Neapel wiederum zu mehreren Aufständen der Barone, die sich sowohl gegen das Königshaus der Anjou-Durazzo als auch gegen die Aragonesen richteten und bei denen einige am Hof angestellte baruni de titulo beteiligt waren. Als berühmtes Beispiel ist Antonello Petrucci zu nennen, der als königlicher Sekretär – ein am Hof noch neues Amt, wie im Folgenden zu sehen sein wird – eine enge Beziehung zum König pflegte, bei der Baronenverschwörung von 1485–1486 jedoch führend beteiligt war.187 Die Verbindung des Titeladels mit den Herrschern war demnach, wie in anderen mittelalterlichen Adelsgesellschaften auch, ein ständiger Aushandlungsprozess von Macht und Herrschaft.188 184 In Lionellos Beschreibung der Stadt Neapel aus dem Jahre 1444 werden diese Ämter in ihrer hierarchischen Reihenfolge aufgeführt und deren damalige Vertreter vorgestellt, die dieser Hierarchie mit ihren höchsten Feudaltiteln (Fürst und Herzog) folgten. So übernahm der „principo de Taranto“ das erste Amt des „gram Conestabelle delo Reame“ (Großmarschall des Reiches), der „principe de Salierno“ das zweithöchste Amt des „Maiestro Iusticiero de tutto lo Reame“ (Großjustitiar des gesamten Reiches), während die verbleibenden fünf Ämter des Großseneschalls, des Großadmirals, des Großkämmerers, Großprotonotars und des Großkanzlers von weiteren Herzögen ausgeübt wurden. Vgl. Foucard, Fonti di storia napoletana, 1877, S. 748f. Ammirato führt ebenfalls diese Hierarchie der „sette uffici del Regno“ beispielhaft an den auch bei Lionello genannten Amtsinhabern unter Alfons von Aragon an, jedoch nennt er den Großseneschall an letzter Stelle. Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 23, sowie die Vorstellung der einzelnen Ämter S. 39-54. Diese hierarchische Reihenfolge der sieben Ämter bestand auch noch im 17. Jahrhundert, wie Torellis Spielplan (Abb. 6) zeigt. Allerdings ist auch hier das Wappen des Großseneschalls an den Anfang des weltlichen Wegs zur Ehre gerückt. 185 Ein Beispiel ist Giovanni Antonio Orsini del Balzo, der durch seine Amtsübernahme als Großmarschall und durch seinen Titel als Fürst von Tarent („principo de Taranto“) zum mächtigsten Titelbaron des frühen 15. Jahrhunderts avancierte. Dieser Machtposition war die Heirat seiner Mutter Maria d’Enghien mit König Ladislaus von Anjou-Durazzo 1407 vorangegangen. Siehe dazu Galasso, Il Regno, 1992, S. 262-264. Im vergleichenden Grablegekontext mit Galatina siehe Kap. IV.2. 186 Vgl. Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 132. Auch Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 225-234, greift die Frage nach dem „Hof als Ort der Domestizierung des Adels?“ auf. 187 Nach der Verhaftung von Petrucci wurde ihm und seinen Söhnen der Prozess gemacht, der mit seiner öffentlichen Ermordung auf dem Marktplatz endete. Dieser Fall erfuhr eine besondere Aufmerksamkeit bei den Zeitgenossen. Siehe dazu die textlichen und bildlichen Schilderungen des zeitgenössischen Chronisten Melchiorre Ferraiolo bei Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 16, S. 48-50, Nr. 26, S. 58-63, Nr. 28-29, S. 64-66 sowie die Abb. XII-XV. Außerdem die Prozessakten vom 20. August bis 11. Dezember 1486 in Processo della Congiura. Zu Antonello Petrucci als königlicher Sekretär siehe auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 224. Zu den Baronenaufständen siehe im Folgenden Kap. II.4. 188 Auch Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 80, betont die Freiheitsbestrebungen der neapolitanischen Barone, die sich zum Ende des 15. Jahrhunderts mit der dynastischen Krise der Aragonesen forcierten. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 41 II.3.2. Der titellose Feudaladel Wie oben bereits erläutert, so gab es also auch unter den süditalienischen Feudaladligen eine Binnendifferenzierung, die mit dem gesonderten Status Neapels als Sitz wechselnder Monarchien verstärkt wurde. So betont Visceglia, dass „allein die Titel die Hierarchie und den Rang der adligen Qualität darstellen […] [und somit] Barone von Titelträgern separieren.“189 Demzufolge wiesen die am Ende des 15. Jahrhunderts noch zahlreichen titellosen Feudaladligen ein Defizit auf, das sie nachhaltig zu überwinden suchten, versprach die Titelvergabe durch den König doch gesteigertes soziales Prestige und eine Ausweitung des Machtbereichs. Dies gelang vielen infolge der gesamtgesellschaftlichen Umwälzungen, die sich im Laufe der aragonesischen Regentschaft und darüber hinaus vollzogen.190 II.4. Die Adligen in Zeiten politischer Umbrüche und sozialen Wandels – Neapel im 15. Jahrhundert Das 15. Jahrhundert markiert nicht nur in Neapel eine Zeit politischer Umbrüche, gesellschaftlicher Veränderungen und einschneidender Naturkatastrophen. Es spielten auch weitere, das gesamte Italien und Europa betreffende Ereignisse eine Rolle.191 Während die Bewohner Neapels das Jahrhundert hindurch in die immer wieder aufschwelenden Thronansprüche der Anjou und der Aragonesen – trotz des Dynastienwechsels 1442 – involviert waren und das schwere Erdbeben von 1456 verkraften mussten, so waren die Auswirkungen des Abendländischen Schismas (1387– 1417) und der Fall Konstantinopels im Jahre 1453 mit der darauf folgenden befürchteten Expansion der Osmanen überall in Italien und Europa zu spüren.192 Neapel war die einzige Monarchie auf italienischem Boden, und wenn auch die Einschreibung in die Seggi eine der wichtigen Rechtsgrundlagen für die Stadtadligen 189 Visceglia, Identià sociali, 1998, S. 104. Dies hat Visceglia an konkreten Zahlen herausgearbeitet. Vgl. ebd. Sie vermerkt dabei einen sprunghaften Anstieg an Titeladligen im Laufe des 16. Jahrhunderts, der eine „titulierte Elite“ der Frühen Neuzeit generierte. 191 Zu den „Umwälzungen“, denen „ganz Europa […] im Laufe des Späten Mittelalters“ ausgesetzt war, siehe auch Walther, Freiheit, 2008, bes. S. 302, hier im Kontext des frühneuzeitlichen Adels. 192 Zum Großen Schisma siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 218-221. Im Zusammenhang mit dem neapolitanischen Adel siehe auch Vitale, Nobiltà, 2000, bes. S. 367; Esch, Das Papsttum, 1972. Zur Bedrohung durch die Osmanen und der Debatte um einen Kreuzzug siehe Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 161-182, hier im neapolitanischen Kontext. 190 42 Grit Heidemann-Schirmer bildete, so war der Königshof letztlich doch omnipräsent und insbesondere für soziale Aufsteiger attraktiv.193 Schon am angiovinischen Hof wurden neben den im Gefolge des Königs mitgereisten beschäftigt. 194 französischen Aristokraten auch neapolitanische Adlige Vitale zufolge markiert die darauf folgende Epoche der Anjou-Durazzo einen Wandel bei den Karrierechancen der städtischen Aristokratie am Hof.195 Erst die Aragonesen bewirkten jedoch eine „Erneuerung des Staatsapparates“,196 indem zum Beispiel das Amt des königlichen Sekretärs eingeführt wurde, das die Kommunikation zwischen dem Herrscher und der Außenwelt fördern sollte („Augen und Ohren des Königs“).197 Der Amtsinhaber erhielt dadurch zwar eine politische und soziale Position von höchstem Rang, doch gab er zugleich seine individuelle Machtstellung auf, da er ständig für den König verfügbar zu sein hatte.198 Im Gesamten betrachtet schafften es die Aragonesen, den neapolitanischen Adel an ihren Hof zu binden, trotz der erneut auftretenden Baronenaufstände, die im Kontext des Dynastienwechsels und der daraus resultierenden soziopolitischen Veränderungen im Folgenden thematisiert werden. Der Dynastienwechsel und die soziopolitischen Veränderungen Die Herrschaft der Anjou-Durazzo begann 1390 mit der Krönung von König Ladislaus (1377–1414), der jedoch erst neun Jahre später aus dem Gaetaner Exil nach Neapel zurückkehrte.199 Ladislaus verstand sich als legitimer Nachfolger des angesehenen Königs Robert von Anjou (†1343), als dessen Erbe er sich in der Residenzstadt 193 Vitale, Èlite, 2003, S. 18, macht darauf aufmerksam, dass die Komplexität des sozialen Gefüges der neapolitanischen Adligen doch immer in einem politischen Raum stattfand, in dem der König die einzige legitime Autorität darstellte. Allgemein zur Nobilitas-Debatte im Italien des 15. Jahrhunderts siehe Jorde, Cristoforo Landinos, 1995; Schreiner, Legitimation, 1997, S. 383-387. 194 Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 20f. Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 307, verweist auf den offensichtlichen Wandel im 14. Jahrhundert: „I gruppi familiari – prima compatti e uniti da solidarietà di tipo clanico – occupano ora uffici della più varia natura e importanza nel quadro dell’amministrazione del Regno, svolgendo un ruolo politico [...].” 195 Vgl. Vitale, Èlite, 2003, S. 61. Außerdem dies., Nobiltà, 2000. 196 Ebd., S. 21. Siehe dazu auch Galasso, Il Regno, 1992, S. 731-760; Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, bes. Kap. IV-VII. Im Kontext des Alten Reiches spricht auch Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007, S. 27, von einer „Entwicklung von der Hof- zur Reichsverwaltung“. 197 Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 22. Zum Amt des Sekretärs am Hofe Alfons’ I. von Aragon siehe Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, Kap. VII. 198 Auf dieses Problem verweist Vitale, Èlite, 2003, S. 22f. 199 Zu Ladislaus von Anjou-Durazzo siehe vor allem Galasso, Il Regno, 1992, S. 242-281; Cutolo, Re Ladislao, 1968; Summonte, Dell’ Historia (III), Buch 5, Kap. II. Zu seiner Person im Grablegekontext siehe unten Kap. III.1. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 43 proklamierte.200 Seine kurze Regierungszeit, die durch den Tod am 6. August 1414 endete, war von zahlreichen Eroberungsfeldzügen geprägt, die das süditalienische Königreich nach außen konsolidieren sollten. Innenpolitisch musste sich der junge König seit seinem Einzug in die Stadt mit dem rebellierenden Feudaladel auseinandersetzen, dessen Auflehnungen er jedoch durch diplomatisches Geschick und militärischen Einsatz niederschlagen konnte.201 Demgegenüber waren ihm die Loyalität und Unterstützung der Stadtadligen, insbesondere aus den noch jungen Seggi di Porto und Portanova, sicher. Als Ladislaus ohne Erben im Jahr 1414 gestorben war, übernahm seine Schwester Johanna II. von Anjou-Durazzo (1371–1435) den Königsthron.202 Sie wird als schwache Regentin beschrieben,203 da es während ihrer Herrschaft zum Niedergang der Dynastie in Neapel kam. Dass die Regierungszeit von Johanna als krisenhaft wahrgenommen wurde, spiegelt sich auch in der Überlieferung einiger Ereignisse wider, die in der historischen Geschichtsschreibung zu Neapel einen festen Platz eingenommen haben. So wurde zum einen der von Johanna mit nahezu königlichen Privilegien ausgestattete Stadtadlige Sergianni Caracciolo del Sole von anderen neapolitanischen Adligen 1432 ermordet, die seine singuläre Machtposition am Königshof nicht dulden wollten.204 Zum anderen hatte die Königin ebenso wie ihr Bruder keine Nachfahren, wodurch die Thronnachfolge vakant blieb. Daher sah sich Johanna dazu veranlasst, einen loyalen Erben zu adoptieren.205 Am 6. September 1420 ernannte sie Alfons V. von Aragon zu ihrem Nachfolger, von dem sie sich zugleich politischen Beistand erhoffte.206 Nach der Ernennung zog Alfons in die ihm zugesprochene Residenzstadt triumphierend ein und veranstaltete 1423 ein Fest, das ihn als würdigen Thronnachfolger der neapolitanischen 200 Siehe dazu auch Kap. III.1. Zu den Durazzo vom Ende des 14. Jahrhunderts bis zum Tod Johannas II. von Anjou-Durazzo im Jahre 1435 außerdem Garzilli, Cronica, 1845, S. 65-79. 201 Siehe dazu Galasso, Il Regno, 1992, S. 259-264. 202 Es kam aber erst am 29. Oktober 1419 zur offiziellen Krönung von Johanna durch Papst Martin V. Vgl. Fodale, Johanna II., 1991, Sp. 525. Ausführlich zu Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 281-307; Faraglia, Storia, 1904; Garzilli, Cronica, 1845, S. 69-79; Summonte, Dell’ Historia (III), Buch 5, Kap. III. 203 Siehe Fodale, Johanna II., 1991, Sp. 525f. Sowohl Galasso, Il Regno, S. 302, als auch Cutolo, Re Ladislao, 1968, S. 459, sprechen Johanna jegliche Fähigkeit der Machtausübung im Regnum ab. Auch Bentley weist darauf hin, dass ihre Herrschaftsjahre eine instabile Zeit markierten. Vgl. Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 9. 204 In den Quellen wird Sergianni als Liebhaber der Königin bezeichnet, wodurch sich ihre Zuneigung zu ihm und die damit verbundenen Machtzugeständnisse erklären lassen. Zu seiner Person siehe Kap. III.2. 205 Siehe dazu di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 72; Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 84; Garzilli, Cronica, 1845, S. 70-73. 206 Dieses Datum gibt Garzilli, Cronica, 1845, S. 70. Galasso, Il Regno, 1992, S. 297, wiederum führt den Folgetag, also den 07. September 1420 an. So auch Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990, S. 82. Beyer, Parthenope, 2000, S. 19, nennt dagegen das Jahr 1421, jedoch ohne einen Hinweis auf die Quelle. Auch Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 9, nennt den Juli 1421. 44 Grit Heidemann-Schirmer Gesellschaft empfehlen sollte.207 Doch es kam schon bald zu Streitigkeiten mit der Königin, woraufhin Alfons wenig später enterbt wurde und Johanna nun ihren französischen Cousin Ludwig III. von Anjou zum Nachfolger ernannte.208 Dieser erhielt zwar von namhaften Feudaladligen des Reiches Unterstützung, doch sein Tod im Jahr 1434 machte die Thronnachfolge erneut unsicher.209 Nach dem Tod Johannas II. von Anjou-Durazzo am 2. Februar 1435 kam es zwischen den Anjou-Erben und Alfons zu erbitterten Machtkämpfen um die Krone. Währenddessen führte der Bruder des verstorbenen Ludwig, René von Anjou, die Regierungsgeschäfte in Neapel weiter, die jedoch von der politischen Instabilität des Reiches geprägt waren.210 Nach mehreren Jahren des Krieges ging Alfons von Aragon (1396–1458) schließlich am 2. Juni 1442 als Sieger hervor und besiegelte damit den lange umkämpften Dynastienwechsel in Neapel.211 Mit der Machtübernahme des Katalanen kam es zu gravierenden Umwälzungen in der süditalienischen Residenzstadt, die nicht nur die politische Zusammensetzung betrafen, sondern auch die am Hofe betriebene Kulturpatronage.212 Untrennbar verbunden mit König Alfons von Aragon war seine Förderung namhafter Gelehrter, die Neapel zu einem der wichtigsten humanistischen Zentren in Europa etablierten.213 Sie waren es auch, die zum Ende des 15. Jahrhunderts ein neues Adelsverständnis etablierten, das aus der Kritik am ungebildeten und untätigen alten Adel resultierte.214 Alfons wurde den 207 Siehe dazu Maxwell, Uno elefante, 1992, S. 853. Außerdem Heidemann, Prozessionen, 2012. Siehe Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 11. Außerdem Galasso, Il Regno, 1992, S. 297-300, der den 1. Juli 1423 als Datum der Adoptionsaufhebung von Alfons nennt sowie die Übertragung auf Ludwig am 14. September desselben Jahres. Auch Beyer nennt das Jahr 1423, jedoch erneut ohne Quellenverweis. Vgl. Beyer, Parthenope, 2000, S. 19f. Notar Giacomo gibt dagegen den 21. Oktober 1424 an. Vgl. Garzilli, Cronica, 1845, S. 72f. 209 Ludwig III. von Anjou war u.a. von den Häusern Ruffo (besonders die „Duchessa di Sessa“, Covella Ruffo, spielte eine wichtige Rolle), Caracciolo (hier ist Ottino Caracciolo zu nennen) und Sanseverino sowie vor allem von Francesco Sforza unterstützt worden. Siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 298-307. 210 Siehe Garzilli, Cronica, 1845, S. 79-86; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 11-13; Summonte, Dell’ Historia (III), Buch 5, Kap. IV. 211 Siehe dazu vor allem Galasso, Il Regno, 1992, S. 561-587; Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990, Kap. 6; Garzilli, Cronica, 1845, S. 86f. 212 Siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 21. 213 Die fünf großen Humanisten am neapolitanischen Hof waren Antonio Beccadelli, gen. Il Panormita, Lorenzo Valla, Bartolomeo Facio, Giannozzo Manetti und Giovanni Pontano. Siehe dazu vor allem Bentley, Politics and Culture, 1987, bes. Kap. III. Zur Etablierung des Humanismus unter Alfons von Aragon außerdem Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 65f.; Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990, bes. Kap. 8. Zum Einfluss auf die Grabmalskunst in Neapel siehe Kap. V. 214 Dazu allgemein in den spätmittelalterlichen Adelsgesellschaften siehe Schreiner, Religiöse, historische und rechtliche Legitimation, 1997, bes. S. 378 u. 383-387; Asch, Europäischer Adel, 2008, bes. S. 132ff.; Walther, Freiheit, 2008, S. 312f. Außerdem Jorde, Cristoforo Landinos, 1995. Im neapolitanischen Kontext siehe auch die Streitschriften zwischen Giovanni Pontano und Tristano Caracciolo. Dazu siehe vor allem Vitale, Modelli culturali, 1987. 208 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 45 Zeitgenossen als großmütiger Herrscher vermittelt, was sich offenkundig in seinem Beinamen „Il Magnanimo“ widerspiegelt.215 Seine Regierungszeit markierte eine Konsolidierung der Machtverhältnisse in Neapel, die ihren materiellen Ausdruck in der Erneuerung des Stadtbefestigungssystems finden sollte. Zudem ließ der König einen Triumphbogen in Auftrag geben, der seinen Herrschaft legitimierenden Triumphzug vom 6. Februar 1443 auf Dauer vergegenwärtigte und dabei dem von den besiegten Anjou errichteten Castel Nuovo vorgelagert war.216 Mit der Herrschaftsübernahme der Aragonesen in Neapel kam es auch zu einem Zuzug spanischer wie katalanischer Adliger und Kaufleute in das süditalienische Königreich, wo sie unter dem Protektorat der neuen Dynastie bedeutende Machtstellungen erwarben.217 Im Dezember des Jahres 1456 wurde die Stadt von einem ungewöhnlich starken Erdbeben erschüttert.218 Zeitgenössischen Berichten zufolge war ein Großteil der städtischen Bebauung betroffen.219 In der Phase des Interregnums von René von Anjou (1435–1442) und aufgrund der Naturkatastrophe von 1456 sowie des wenig später folgenden Todes des neuen Königs im Jahre 1458 war das Leben der Neapolitaner soweit beeinträchtigt, dass diese Jahre als Krisenzeiten empfunden werden mussten. Doch sie eröffneten in der Folge auch Innovationen, was sich deutlich in der Umgestaltung des Stadtbildes widerspiegelt. Nach dem Tod von Alfons am 27. Juni 1458 folgte sein Sohn Ferdinand I., gen. Ferrante von Aragon (1424–1494) auf den Thron.220 Seine Regierungszeit umfasst die 215 Siehe ausführlich Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990. Zu Alfons von Aragon außerdem Reimann, Neapel, 2005, S. 31-36; Galasso, Il Regno, 1992, S. 561-624; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 1. 216 Planungsbeginn des Triumphbogens war um 1450, Bauende erst 1471 nach Verzögerungen durch den Tod von Alfons im Jahre 1458. Ausführlich zum Triumphbogen siehe Beyer, Parthenope, 2000, S. 13-61; Bologna, Un passo, 1994; Kruft/Malmanger, Der Triumphbogen, 1977; Hersey, The Aragonese Arch, 1973. Zum Triumphzug im Kontext des neapolitanischen Seggi-Systems siehe zuletzt Heidemann, Prozessionen, 2012. 217 Siehe dazu noch einmal Cantabene, La committenza, 2007, S. 135. Auch di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 75, sprechen von einer „eccezionale élite internazionale“, die sich unter Alfons von Aragon in Neapel formierte und denen sich katalanische sowie florentinische Händler anschlossen. Laut Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 55f., gehörten 1444 ausnahmslos Spanier zum engen Vertrautenkreis von Alfons, an seinem Sterbebett dominierten sie weiterhin, „only three Italians among ten, and only one of them belonging to the native Neapolitan nobility.“ 218 Siehe Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 82f.; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 1, S. 246, der den 5. Dezember nennt und ein weiteres Erdbeben am 30. Dezember 1456 anführt. 219 Vgl. Garzilli, Cronica, 1845, S. 97; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 1, S. 246-251. 220 Ferrante wurde erst am 4. Februar 1459 gekrönt, und zwar in Barletta aufgrund der instabilen Lage in Neapel. Siehe Vitale, Ritualità monarchica, 2006, S. 18 u. 69; Garzilli, Cronica, 1845, S. 102. Allgemein zu seiner Regierungszeit in Neapel und zu seiner Person siehe Reimann, Neapel, 2005, S. 37-52; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 21-34; Galasso, Il Regno, 1992, S. 625-729; D’Agostino, La Capitale 46 Grit Heidemann-Schirmer längste Herrschaftsphase unter den Aragonesen in Neapel, die bis zu seinem Tod im Jahre 1494 andauerte. Sie war jedoch von erneuten Unruhen überschattet, die vor allem aus dem Machtanspruch der Barone und ihrer Unterstützung der angiovinischen Thronanwärter resultierten, welche sich erstmals 1459–1465, dann erneut 1485–1486 gegen den König auflehnten.221 Maßgeblich dafür war Ferrantes Status als illegitimer Sohn von Alfons, der von den Zeitgenossen kritisch hervorgehoben wurde.222 Eine Zuspitzung der Lage spiegelt sich im Anschlag auf den Throninhaber im Frühjahr 1460 wider.223 Dementsprechend betont Beyer die historiografische Wahrnehmung von Ferrante als „Tyrann“ mit „barbarisch anmutenden Vergnügungen“, die im eklatanten Gegensatz zur „Magnanimitas seines Vaters“ standen.224 Zudem musste sich der König kurz nach seiner Machtübernahme gegen die neu aufbrechenden Throneroberungsversuche der Angiovinen behaupten, die in der siegreichen Schlacht vor Ischia 1465 vorerst ein Ende fanden.225 Dazu erhielt er militärischen Beistand von mehreren Adligen sowohl aus Neapel als auch aus der spanischen Heimat. Bezeichnenderweise sind ihre Wappen an den Schiffen im Vordergrund der „Tavola Strozzi“ (Abb. 7) zu erkennen, deren Thema die siegreiche Rückkehr der königlichen Flotte ist.226 Schon wenige Jahre nach Ausbruch der Unruhen wurde Ferrante auch von auswärtigen einflussreichen Adligen unterstützt, unter denen vor allem Antonio Piccolomini aus ambigua, 1979, S. 19-56; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 2; Beyer, Parthenope, 2000, S. 80-83. 221 Siehe dazu Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 199f.; Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 80f.; Ders., Il Regno, 1992, S. 690-714; Garzilli, Cronica, 1845, S. 157-160; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 23-26 u. 30-33; D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 29-33 u. 47-52. Außerdem die Prozessakten von 1486 in Processo della Congiura; Porzio, Die Verschwörung der Barone, 1925. Selbst die zuvor initiierte Heiratspolitik konnte den Ausbruch der Unruhen nicht verhindern. So hatte im Mai 1445 „die Hochzeit zwischen Ferrante und Isabella Chiaromonte statt[gefunden] – der Nichte des damals mächtigsten aller neapolitanischen Barone, des Giovanni Antonio Orsini del Balzo, Prinz [genauer gesagt: Fürst, Anm.d.V.] von Tarent.“ Vgl. Beyer, Parthenope, 2000, S. 82. 222 Siehe Garzilli, Cronica, 1845, S. 99: „ferdinando suo figlio unico illegitimo“. Siehe dazu auch Beyer, Parthenope, 2000, S. 81. 223 Siehe D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 29. 224 Beyer, Parthenope, 2000, S. 81f. Auch der zeitgenössische Historiker Francesco Guicciardini stellte Ferrante von Aragon als grausamen Herrscher dar. Siehe De Frede, La crisi del Regno, 2006, S. 8. 225 Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, S. 83. Die wichtigste bildliche Quelle dazu ist die sog. „Tavola Strozzi“ (Abb. 7), die die Rückkehr der siegreichen Flotte Ferrantes vor der Neapler Stadtkulisse zeigt. Siehe dazu ausführlich Janulardo, La città e la cattedrale, 2013, S. 219f.; Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 204-210; Pane, La Tavola Strozzi, 2009; Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 106-108. Zum konfliktreichen Machtantritt Ferrantes und dem Kampf um die Krone während der ersten fünf Regierungsjahre außerdem Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 23. 226 Pane, La Tavola Strozzi, 2009, S. 128, hat diese mit den Emblemen des Roberto Sanseverino, des Garcelano Requesens, des Marino Caracciolo, des Francesco Alamanni, des Sancio Samudio sowie mit weiteren Familienemblemen der Strozzi und Carafa identifiziert. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 47 Siena sowie Giorgio Castriota Scanderbeg aus Albanien zu nennen sind, auf die im Kapitel V noch zurückzukommen sein wird.227 In der langen Phase seiner Herrschaft führte Ferrante von Aragon nicht nur die „von seinem Vater initiierte Humanisierung Neapels“228 weiter, zu der auch die freundschaftlichen Beziehungen mit Lorenzo de’ Medici beitrugen.229 Er baute auch das von Alfons begonnene städtische Erneuerungsprogramm aufgrund des Bevölkerungswachstums aus, indem er die Stadtmauern in den 1480er Jahren erweitern ließ.230 Im Rahmen dieser Renovatio urbis war zugleich der „Abriss der zahlreichen städtischen Portikusanlagen“ geplant, der zur „Domestizierung des [Feudal-]Adels“ nach den Aufständen gegen den König beitragen sollte.231 Während es sich bei den Unruhen in den 1460er Jahren noch um vereinzelte Auflehnungen handelte, so erfuhr die Baronenverschwörung von 1485–1486 eine weitaus größere Aufmerksamkeit und wurde schließlich von Ferrante durch einen Aufsehen erregenden Prozess gegen die Beteiligten öffentlichkeitswirksam beendet.232 Nach wenigen Jahren des Friedens verhinderte jedoch der sich in Richtung Neapel bewegende Italienfeldzug des französischen Königs Karl VIII. die Realisierung des Urbanisierungsprojekts, das erst ab 1533 von dem spanischen Vizekönig Don Pedro de Toledo vollendet werden konnte.233 Die aragonesische Dynastie wurde am Ende des 15. Jahrhunderts durch die kurze Abfolge ihrer Thronerben und durch den Druck von außen maßgeblich geschwächt.234 Nach dem Tod Ferrantes am 25. Januar 1494 übernahm zwar sein Sohn Alfons II. von 227 Siehe dazu D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 30-32. Zu den Castriota Scanderbeg, die schon von Alfons unterstützt worden waren, siehe auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 267 u. 274. 228 Beyer, Parthenope, 2000, S. 83. Dazu auch Galasso, Il Regno, 1992, S. 760-775. 229 Siehe dazu noch einmal De Frede, La crisi del Regno, 2006, S. 19-21. Zu Lorenzos Aufenthalt in Neapel 1479 siehe ebd., S. 167-187; Galasso, Il Regno, 1992, S. 677-679. 230 Während im Jahre 1400 in Neapel 45.000 Einwohner lebten, war ihre Zahl im Jahre 1500 auf 125.000 angestiegen. Siehe di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 87. Die zweite Erweiterung der Stadtummauerung erfolgte zwischen 1499-1501. 231 Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 200. Auslöser dieser Maßnahme war der Besuch Ferrantes bei Papst Sixtus IV. Anfang 1475 in Rom, der dem König nach dessen Schilderung der schwierigen Herrschaftsumstände in Neapel empfahl, „die Balkone und Portiken einreißen und die Straßen erweitern [zu] lassen“. Vgl. ebd., S. 201. An späterer Stelle differenziert Vencato die betreffenden Adelsportiken Neapels. So „blieben die fest in der Stadt verankerten Adelssitze der sogenannten Nobili di Seggio von der Abrissmaßnahme verschont. […] Die bekannten fünf Sedilen der regierungstreuen Stadtaristokratie blieben deshalb im Stadtbild bestehen.“ Vgl. ebd., S. 202f. 232 Siehe dazu noch einmal oben. 233 Siehe Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 201 u. S. 196-198. Außerdem: „Cities opened their gates to Charles, barons deserted the Aragonese monarchy, and the city of Naples itself fell into chaos.“ Vgl. Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 36. Zum Italienfeldzug der Franzosen unter Karl VIII. siehe auch D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 56-70. 234 So auch di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 78f. Zum Niedergang der Aragonesen am Ende des 15. Jahrhunderts außerdem De Frede, La crisi del Regno, 2006; D’Agostino, 1979, S. 56-90. 48 Grit Heidemann-Schirmer Aragon (1448–1495) offiziell die Herrschaft über das Regnum,235 dankte jedoch wenig später, am 22. Januar 1495, ab und starb noch im selben Jahr.236 Der Grund seiner kurzen Regierungszeit war die bevorstehende Invasion von Karl VIII., die Alfons „in Panik“237 verfallen und ihn nach Sizilien flüchten ließ, wo er wenig später einer Infektion erlag. Seinem Sohn Ferrante II., genannt Ferrandino von Aragon (1467–1496) oblag nun die Weiterführung der Herrschaft.238 Doch nach der Einnahme von Neapel durch Karl VIII. am 22. Februar 1495 flüchtete auch dieser aus der Stadt nach Ischia, wo er bis zum Abzug der französischen Truppen blieb.239 Erst am 7. Juli kehrte der junge König nach Neapel zurück, wo er im Oktober des Folgejahres starb und der Königssitz erneut vakant war. Im August 1497 wurde mangels direkter Erben Ferrandinos Onkel Friedrich von Aragon (1451–1504) zum neuen Herrscher gekrönt, der jedoch die Macht nicht mehr lange aufrechterhalten konnte.240 Weniger als ein Jahrzehnt hielt die aragonesische Dynastie den von Frankreich und Spanien ausgehenden Auflehnungen gegen ihre Herrschaft noch stand. Durch die Eroberung Consalvo de Cordobas im Namen des spanischen Königs Ferdinand der Katholische kam es schließlich 1503 zu einem erneuten Machtwechsel in Neapel, der 235 Alfons II. hatte schon die Jahre zuvor unter dem kalabrischen Herzogtitel, der den aragonesischen Thronfolgern vor ihrer Krönung vorbehalten war, einen großen Einfluss auf die Geschehnisse innerhalb des süditalienischen Reiches. Laut Porzio, Die Verschwörung der Barone, 1925, S. 10, „führte noch zu seinen [gemeint ist Ferrante, Anm.d.V.] Lebzeiten sein Erstgeborener Alfonso, Herzog von Calabrien, […] fast ganz allein die Regierung.“ Siehe dazu auch Garzilli, Cronica, 1845, S. 134-179. Alfons wurde am 1. Mai 1494 offiziell gekrönt. Siehe ebd., S. 181. Zur Machtübernahme von Alfons II. unmittelbar nach dem Tod seines Vaters siehe auch die Schilderungen Ferraiolos in Filangieri, Una cronaca, 1956, Nr. 46, S. 82f. Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 35, nennt dagegen den 8. Mai 1494. Ausführlich zur Krönung von Alfons II. siehe Vitale, Ritualità monarchica, 2006, Kap. I.1. Außerdem zu seiner Person siehe Reimann, Neapel, 2005, S. 53-58; Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, Kap. 1. 236 Garzilli, Cronica, 1845, S. 185 u. 199, nennt den 18. Dezember, Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 36, dagegen den November 1495 als Todesdatum von Alfons II. 237 Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 36. 238 Alfons hatte ihm am 23. Januar 1495 vor seiner Flucht die Krone übergeben in der Hoffnung, dass sein weitaus beliebterer Sohn die Herrschaft aufrechterhalten könne. Siehe Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 36; De Frede, La crisi del Regno, 2006, S. 296. Zu Ferrandino außerdem Reimann, Neapel, 2005, S. 59f.; Garzilli, Cronica, 1845, S. 185-209; Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, Kap. 2. 239 Siehe dazu die Schilderungen des Zeitgenossen Ferraiolo bei Filangieri, Una cronaca, 1956, Nr. 75 u. Abb. XLI. 240 Siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 178; D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 76f. Friedrich starb schließlich am 21. August 1504, nachdem die Spanier Neapel als Vizekönigtum übernommen hatten und er nach Frankreich gebracht worden war. Siehe Garzilli, Cronica, 1845, S. 273; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 39. Zu seiner Person außerdem Reimann, Neapel, 2005, S. 61-64; Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, Kap. 3. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 49 das spanische Vizekönigtum in der süditalienischen Hauptstadt hervorbrachte, das sich bis 1707 behaupten konnte.241 Die Dynastienwechsel markierten politisch instabile Zeiten, die zur Identifizierung des neapolitanischen Adels mit der eigenen Stadt ebenso wie zu einer verstärkten Auslotung ihrer Machtverhältnisse führten.242 Dies betraf vor allem das späte 14. und das gesamte 15. Jahrhundert durch die Thronfolgestreitigkeiten von den Anjou über die Durazzo zu den Aragonesen. Waren zuvor noch die Ämter am angiovinischen Königshof sowie später vor allem am aragonesischen Hof ein Garant für sozialen Aufstieg und Macht, so besannen sich mit dem Verfall und neu ausbrechenden Kampf um die Königsherrschaft viele neapolitanische Adlige ihrer familiären Zugehörigkeiten, die ihnen Rückhalt gaben und es Einzelnen ermöglichten, ihre soziale Stellung individuell zu erweitern.243 Während unter den Anjou-Durazzo die Gruppen noch weitaus deutlicher voneinander getrennt waren und sich somit erst im Entstehungsprozess befanden, so kam es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einer gruppendynamischen Konsolidierung, die einen Machtanstieg des Stadtadels begünstigte, indem sich immer mehr auswärtige und feudale Adlige in die Seggi einschrieben.244 Gleichermaßen stand nun allen Adelsgruppen eine Förderung am aragonesischen Königshof offen, die zugleich distinktionsrelevante Einzelinteressen stärkte.245 Doch war dies mit dem Erfolg der jeweiligen Dynastie verbunden. Wenn die Herrschaft der Krone instabil wurde, dann waren auch der soziale Aufstieg und die Macht der am Hof tätigen Adligen vakant, wie Vitale für das späte 14. und das frühe 15. Jahrhundert herausgestellt hat, als die Anjou 241 Zur Eroberung siehe u.a. D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, bes. S. 109-125. Allgemein zum frühneuzeitlichen Neapel siehe zuletzt der Sammelband Astarita, A Companion to Early Modern Naples, 2013. 242 Auch Vitale weist darauf hin, dass „jede Veränderung […], jede politische Krise ihre Auswirkung auf die sozialen Ordnungen der Stadt hatte [...].“ Vgl. Vitale, Èlite, 2003, 27. An anderer Stelle lässt sie den Zeitgenossen Di Costanzo zu Wort kommen, der die Unsicherheit der neapolitanischen Stadtadligen nach dem Tod von König Ladislaus von Anjou-Durazzo wiedergibt. Vgl. ebd., S. 60f. Außerdem: „Macht ist umkämpft und Machtkämpfe sind ein Teil ‚des schon immer stattfindenden Aushandelns von Normalität’.“ Vgl. Kühne, Distinktion, 2008, S. 61f. Zudem betont Beyer die autonome „Entwicklung der einzelnen Seggi“, denen der Hof entgegenstand. Vgl. Beyer, Parthenope, 2000, S. 25. 243 Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 27. Visceglia betont die Überlegenheit der Familie gegenüber dem Individuum bei der Dekodierung aristokratischer Verhaltensweisen. Vgl. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 584. Im Kontext des europäischen Adels siehe auch Demel, Spezifika, 2005, Abs. 8. Ein Beispiel für die Verfolgung von Einzelinteressen ist Matteo Ferrillo aus dem Seggio di Porto, der zwar den Aragonesen treu ergeben war, doch in Zeiten der dynastischen Krise zum Gefolge des französischen Königs Karl VIII. überwechselte. Siehe dazu Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 51, S. 93. Zu Matteo Ferrillo siehe auch Kap. V.1.1. 244 Allgemein ist im europäischen Adel des 15. Jahrhunderts eine Distanzierung des Stadtadels vom Feudaladel zu beobachten. Darauf verweist Paravicini, Einleitung, 1997, S. 24. Zu den verschiedenen Phasen von Gruppenentwicklungen im Allgemeinen siehe König/Schattenhofer, Einführung, 2015, S. 60f. 245 Siehe Vitale, Élite, 2003, S. 31. Sie umschreibt diesen Prozess mit dem Begriff des „anoblissement“, der die Verfügbarkeit weitaus komplexerer Aufstiegschancen für die gesamte in Neapel anzutreffende Aristokratie verdeutlicht. Vgl. ebd., S. 27 u. 49; dies., Nobiltà, 2000, S. 378. 50 Grit Heidemann-Schirmer mit dem Familienzweig der Durazzo ihren dynastischen Niedergang in Neapel erlebten.246 Insbesondere die „Lager“ der einflussreichen Feudaladligen erfuhren am Ende des 15. Jahrhunderts eine verstärkte Aufmerksamkeit von auswärtigen Zeitgenossen. So führt D’Agostino venezianische Quellen an, die die neapolitanischen Titeladligen in „aragonesi“ und „anzuini“ unterschieden.247 Zum ersten Lager gehörten bezeichnenderweise viele auswärtige Adlige, die mit feudalen Titeln und Gütern von den Aragonesen belohnt worden waren (unter anderem Antonio Piccolomini, Marino Correale, Francesco Siscar, Troiano Cavaniglia), während im zweiten Lager fast ausnahmslos neapolitanische Altadlige auftraten, deren Familien schon unter den Anjou zu Einfluss und Reichtum gelangt waren (dazu gehörten mehrere Sanseverino, Giovan Francesco del Balzo, Marino Brancaccio, einige Caracciolo und Galeota). Die aus den königlichen Reformen resultierenden Ereignisse, wie die erhöhte Attraktivität der neapolitanischen Bürgerschaft für den Feudaladel und die zunehmende Immigration auswärtiger Adliger nach Neapel, bewirkten eine Krise unter der Maggiore Nobiltà.248 Die Seggi Minori wiesen dagegen weitaus dynamischere Strukturen auf, wodurch sie die gesellschaftlichen Veränderungen am Ende des 15. Jahrhunderts nicht nur besser verkrafteten, sondern auch mitbestimmten.249 Für die Spätzeit der Aragonesen lässt sich in Neapel demzufolge ein Wandel im Selbstverständnis des neapolitanischen Adels erkennen, der aus dem dynastischen Niedergang und dem Druck auf die Seggi von außen resultierte und sich auch auf die rituellen Praktiken der städtischen Gemeinde auswirkte. Beispielhaft seien hierzu die Fronleichnamsprozessionen angeführt: So wird in den Quellen berichtet, dass König Ferrandino von Aragon bei der Prozession am 17. Juni 1496 einen der Stäbe des Baldachins an den Seggio del Popolo übergab.250 Dabei handelt es sich um jene bürgerliche Korporation, die sich in Konkurrenz zu den adligen Seggi einst unter Robert von Anjou formiert hatte, deren Versammlungsbau jedoch öffentlichkeitswirksam unter 246 Vgl. Vitale, Èlite, 2003, S. 27. D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 71f. 248 Vitale, Élite, 2003, S. 31, spricht hierbei von einer „crisi economica, ma anche politica e d’identità culturale“. So auch D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 79. 249 Es sei noch einmal auf die Aufnahme von Neuadligen und auswärtigen Adligen in diese drei Seggi verwiesen, die sich damit dem sozialen Wandel im Laufe des 15. Jahrhunderts stellten. 250 Summonte nennt dagegen den 2. Juni 1496. Vgl. Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, S. 108. So auch bei D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 72. Passero überliefert das Datum 17. Juni 1496. Zitiert nach Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 177, Anm. 14. 247 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 51 Alfons von Aragon 1456 abgerissen und schließlich 1495 von Karl VIII. wiedererrichtet worden war.251 Demgegenüber war keiner der neapolitanischen Adligen als Träger ausgewählt, sondern nur Mitglieder der königlichen Familie, der Bischof und ein spanischer sowie ein päpstlicher Gesandter trugen die verbleibenden fünf Stäbe.252 Summonte berichtet, dass die neapolitanischen Adligen darüber sehr verärgert gewesen seien und verlangten, fünf der Stäbe des Baldachins zur Repräsentation ihrer fünf Adelssitze in Neapel tragen zu dürfen. Es kam zum Streit zwischen den Adligen und Ferrandino, der erst 1499 beigelegt werden konnte.253 Die Anzahl der Stäbe des Baldachins wurde nun von sechs auf acht erhöht, wobei fünf Stäbe von je einem Vertreter der adligen Seggi, ein Stab von einem Vertreter des Seggio del Popolo und die verbleibenden zwei Stäbe vom König und seinem Nachfolger getragen wurden.254 Während zuvor noch die außenpolitischen Beziehungen des Königs in Neapel durch die Involvierung auswärtiger Gesandter für das Tragen des Baldachins als die höchste Ehre im Rahmen der Fronleichnamsprozessionen repräsentiert wurden,255 war nun die Gruppe der Träger auf die lokalen Eliten beschränkt. Der politische Einfluss des Stadtadels auf die Prozessionen ist mit dem dynastischen Niedergang der Aragonesen in Neapel am Ende des 15. Jahrhunderts zu erklären, denn erst durch eine geschwächte Repräsentationsbestrebungen Dynastie geltend konnten machen. Mit die der Aristokraten ihre Aneignung der Aufnahmeregelung in die Seggi durch den spanischen König Philipp II. wurde 1559 schließlich die autonome Machtstellung des Seggio-Adels in Neapel gebrochen.256 Nach dieser Einführung in den sozialhistorischen Kontext werden in den drei folgenden Kapiteln ausgewählte Studienobjekte entsprechend den Gruppenzugehörigkeiten ihrer Auftraggeber auf deren Repräsentationsstrategien untersucht. Zunächst wird an dem Fallbeispiel der Kirche San Giovanni a Carbonara (Kapitel III) die Konfrontation konkurrierender Gruppenmitglieder im Beziehungsgeflecht der neapolitanischen 251 Siehe dazu Castelguidone, I Sedili di Napoli, 1973, S. 89-96; Tutini, Del origine, 1644, S. 169-183. Zur Unterdrückung des Seggio del Popolo durch Alfons von Aragon und zur Abreißung des zugehörigen Versammlungsgebäudes im Jahre 1456 siehe Beyer, Parthenope, 2000, S. 26-28. Dazu und zur Wiedererrichtung 1495 siehe auch Marino, Becoming Neapolitan, 2011, S. 13. Zuletzt außerdem Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014, bes. S. 160f. u. 164. 252 „[...] li Nobili delli cinque Seggi non ebbero parte alcuna in esso Pallio [...].“ Vgl. Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, S. 108. 253 Vgl. ebd. 254 Vgl. ebd., S. 109. 255 So Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 177. 256 Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 111-116; dies., La Nobiltà di Seggio, 1988, S. 151f. 52 Grit Heidemann-Schirmer Gesellschaft des frühen 15. Jahrhunderts und deren gesteigertes Bedürfnis nach Selbstinszenierung diskutiert. Anschließend folgt eine komparatistische Gegenüberstellung der Grablegepraxis von altem und neuem beziehungsweise immigriertem Adel. In Kapitel IV wird dazu der Fokus auf die Maggiore Nobiltà und ihre soziale Vorrangstellung gelegt, die sich signifikant in ihren Grabmälern in Neapel niederschlug. Das Kapitel V nimmt schließlich die Nobili fuori Piazza und deren zunehmende Einflussnahme auf die adlige Grablegepraxis am Ende des Quattrocento in den Blick. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 53 III. DIE KONFRONTATION DER GRUPPEN: SAN GIOVANNI A CARBONARA ALS AUSTRAGUNGSORT POLITISCHER RIVALITÄTEN In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, wie es sich mit der Standortund Formwahl bei den Adelsgrabmälern in Zeiten von Krisen und Umbrüchen verhielt, in denen es zu einer Sensibilisierung der Selbstwahrnehmung der Akteure kam. Am Ende des 14. Jahrhunderts weitete sich die dynastische Krise der in Neapel ansässigen Anjou so weit aus, dass sie ihre Herrschaft nach mehreren Machtkämpfen nicht mehr aufrechterhalten konnten.257 Die letzte Anjou-Königin Johanna I. wurde 1382 von ihrem Neffen Karl III. von Durazzo ermordet, der daraufhin den Thron bestieg. Nach seinem Tod im Jahre 1386 ging die Herrschaft an seinen Sohn Ladislaus über, der 1390 noch im Exil in Gaeta zum neuen König des süditalienischen Reiches gekrönt wurde.258 Trotz der Rückeroberung Neapels erlebten auch die Anjou-Durazzo in der Folgezeit eine instabile Herrschaftsphase, die von politischen Rivalitäten geprägt war, welche sinnfällig in ihrer dynastischen Grablege San Giovanni a Carbonara ausgetragen wurden. III.1. San Giovanni a Carbonara als „ecclesia reale“ der letzten Anjou-Durazzo Nachdem die Anjou-Könige im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts mehrere Kirchen in Neapel errichtet und für dynastische Repräsentationszwecke beansprucht hatten, war das Stadtbild maßgeblich von ihren Memorialbauten geprägt.259 Die nachfolgenden Dynastien mussten nun auf andere Gebiete des Stadtraums ausweichen, wollten sie sich ebenfalls ostentativ ins Stadtbild einschreiben. Die Durazzo, welche nur kurzfristig die 257 Siehe noch einmal Kap. II.4. Die Familie Durazzo befand sich in den Jahren zwischen 1387 und 1399 im Gaetaner Exil. Ladislaus wurde dort am 29. Mai 1390 zum Herrscher des neapolitanischen Königreiches gekrönt, aufgrund der Vormundschaft seiner Mutter Margarita von Durazzo musste er diese Machtstellung jedoch mit ihr bis 1393 teilen. Siehe dazu noch einmal Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 15 u. 65-66; Galasso, Il Regno, 1992, S. 242-255; Fodale, Ladislaus, 1991, Sp. 1610. 259 Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, vor allem Kap. III.5. u. VII.1. Erst in der dritten Generation kam es durch König Robert und seine Frau Sancia zu der Planung einer Familiengrablege, die in der monumentalen Bettelordenskirche Santa Chiara am nordwestlichen Stadtrand ihre Umsetzung fand. Siehe dazu vor allem ebd., S. 125-152. 258 54 Grit Heidemann-Schirmer Thronnachfolge ihrer angiovinischen Verwandten stellten, nutzten die bestehenden Kirchen als Bestattungsorte.260 Demgegenüber baute König Ladislaus von AnjouDurazzo die kleine Augustiner-Eremiten-Kirche San Giovanni a Carbonara nordöstlich der Stadtmauern als Grablege aus, welche nicht nur in ihrer Grundrissform, sondern auch in ihrer Ausstattung durch das monumentale Königsgrabmal unmissverständlich auf die angiovinische Grablege Santa Chiara als programmatisches Vorbild verweist. So schließt sich der kleine Bau auch auf der „Tavola Strozzi“ von 1472 (Abb. 7) den wichtigsten Kirchen der Anjou-Zeit an. Während im Vordergrund dieser ältesten Stadtansicht Neapels die siegreiche Rückkehr der Flotte des Königs Ferrante von Aragon imposant dargestellt ist, so heben sich über der Stadtkulisse die großen Kirchen der Anjou-Zeit in einem vergrößerten Bedeutungsmaßstab deutlich ab,261 denen San Giovanni a Carbonara am rechten Bildrand gleichgestellt wird. Die Kirche hat in der bisherigen Forschung nur sehr wenig Beachtung gefunden. Die einzige vorhandene Monografie von Filangieri Di Candida aus dem Jahre 1924 bildet immer noch die Grundlage zur Untersuchung von San Giovanni a Carbonara.262 Deshalb werden im Folgenden die wichtigsten Daten zusammengestellt. Kurze Baugeschichte San Giovanni a Carbonara (Abb. 8) wurde als Konventskirche für die AugustinerEremiten außerhalb der angiovinischen Stadtmauern errichtet.263 Damit folgt sie der Tradition des Ordens, der sich bevorzugt an den städtischen Peripherien niederließ.264 260 Hier sind vor allem Santa Chiara und San Lorenzo Maggiore zu nennen. In letzterer ließ Königin Margarita von Durazzo eine Kapelle für die königliche Familie errichten, die als Cappella della Regina bezeichnet wurde und die Gräber ihres Vaters Karl sowie ihrer Schwester Johanna nebst Ehemann aufnahm. Siehe Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 100. 261 Von links nach rechts sind dies Santa Chiara, San Domenico Maggiore, San Lorenzo Maggiore und der Dom. Rechts daneben schließt sich San Giovanni a Carbonara an. 262 Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924. Außerdem sind als einzelne Beiträge zu nennen Middione, Splendori, 1996; Pagano, San Giovanni, 1999; Musella, Napoli, 2000; Sabatino, La fravica, 2002. Siehe außerdem D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 155-164. 263 Die Augustiner-Eremiten reihen sich seit ihrer Gründung im Jahre 1256 in die Bewegung der Bettelorden ein, die sich seit dem 12. Jahrhundert mit den Franziskanern, Dominikanern und Karmeliten in ganz Europa ausbreitete. Zur Geschichte dieses Bettelordens ausführlich Gutièrrez, Geschichte des Augustinerordens, 2 Bde., 1982 u. 1985. Allgemein dazu siehe auch Campisano/Ruffini, Arte e spiritualità, 1992. Ursprünglich hatten die neapolitanischen Augustiner-Eremiten ihren Sitz in der von Karl II. von Anjou um 1259 vollendeten Kirche S. Agostino alla Zecca im Südosten der Stadt. Vgl. Venditti, Urbanistica, 1969, S. 694. Zur Kirche S. Agostino alla Zecca siehe Thoenes, Neapel, 1971, S. 35-37 und jüngst ausführlich Russo, Sant’Agostino, 2002. 264 Siehe dazu Dittelbach, Nelle distese, 1992, S. 118. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 55 Die Kirche zeichnet sich durch eine schlichte Architektur aus, die die von den Mendikanten propagierte asketische Bauweise widerspiegelt. Basierend auf den Konstitutionen des Augustiner-Eremiten-Ordens von 1281, die ausdrücklich das Heranziehen erfahrener Architekten beim Bau neuer Konventsgebäude forderten,265 ist davon auszugehen, dass auch San Giovanni a Carbonara einer professionellen Planung unterzogen wurde. Als Gründer gilt der neapolitanische Stadtadlige Gualtiero Galeota, der am 11. Oktober 1339 im Nordosten der Stadt den Boden für die Errichtung des neuen Konventes und der dazugehörigen Kirche schenkte,266 um hier seine Grabstätte zu errichten.267 Wenige Jahre später erneuerte Galeota seine Schenkung und erweiterte diese durch zwei angrenzende Höfe am 30. September 1343.268 Am 22. November desselben Jahres wurde sie vom neapolitanischen Erzbischof bewilligt und der Grundstein gelegt.269 Als Gualtiero 1347 starb, wurde er jedoch in der Kirche Santa Maria Donnaregina bestattet,270 während sein Sohn vermutlich die Vollendung des Kirchen- und Klosterbaus übernahm.271 Dass Gualtiero seine letzte Ruhestätte nicht in der von ihm gestifteten Kirche fand, macht die Annahme sehr wahrscheinlich, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollendet war. Ob der Bau jemals ausgeführt wurde, ist in der Forschung umstritten.272 265 „Wir ordnen an: Wenn man eine Kirche oder ein großes Haus errichten muß, hole man den Rat kluger und in der Baukunst erfahrener Männer ein, so daß der Bau nach deren Weisung in rechter Ordnung vor sich gehen kann.“ Zitiert nach Gutièrrez, Geschichte des Augustinerordens, 1985, S. 74. 266 Dieses Gebiet, ehemals „Carbonetum“ genannt, weil hier die Abfälle der Stadt gelagert worden waren, war ein seit Karl II. von Anjou beliebter Austragungsort für Turnierspiele. Diese Spiele wurden jedoch aufgrund ihrer Grausamkeiten kritisiert, so dass man sich entschloss, den Platz durch die Errichtung von Sakralbauten aufzuwerten und attraktiver zu machen. Zur Vorgeschichte dieses Areals ausführlich siehe Ferraro, Napoli, 2003, S. 500; De Seta, Le città, 1981, S. 50; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 712; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 78. Der bekannteste Kritiker dieser grausamen Turnierspiele war Petrarca während seines Besuches 1343 in Neapel. Siehe dazu Rosi, Napoli, 2004, S. 63-64; Thoenes, Neapel, 1971, S. 152, der auch darauf hinweist, dass zur Attraktivitätssteigerung dieses Gebietes die Kirche Santa Maria della Pietà unterhalb des Augustinerkonventes 1382 errichtet wurde. 267 Die einzigen Ausführungen dazu in der „Platea“ fasst Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 15, folgendermaßen zusammen: „Gualtiero Galeota, neapolitanischer Adliger des Capuaner Sitzes, [...] schenkte am 11. Oktober 1339 dem Bruder Giovanni d’ Alessandria, provinciale in Neapel des Ordens des S. Agostino, und dem Bruder Dionigi di Burgo [...] einige Häuser und einen Garten außerhalb der Stadtmauern, im Gebiet genannt a Carboneto, nahe der Kirche S. Sossio und angrenzend an den Garten von Maffeo Caracciolo, damit die eremitischen Brüder dort eine Kirche erbauen sollten, dem Battista geweiht“. 268 Siehe dazu Musella, Napoli, 2000, S. 273, Anm. 2f.; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 15f. 269 Siehe Musella, Napoli, 2000, S. 273; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 802. 270 Siehe Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 17. 271 Siehe Ferraro, Napoli, 2003, S. 500. Dagegen spricht Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 18, von einer dokumentarlosen Folgezeit. 272 Während Sabatino einen dokumentarischen Hinweis auf die Errichtung der kleinen Kirche sowie einer Konventsanlage mit wenigstens 13 Zellen – zwölf für die Mönche und eine für den Abt – in der Schenkung von 1343 gefunden hat und deren Ausführungen in den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts vermutet, zweifeln andere an der Vollendung der Kirche. Es wird dabei auf die Entdeckung eines 56 Grit Heidemann-Schirmer Nachdem die alte Kirche des Augustinerkonventes zugunsten neuer profaner Gebäude abgerissen worden war, kam es um 1400 in diesem Areal aufgrund der Stiftung durch König Ladislaus von Anjou-Durazzo zu solch grundlegenden architektonischen Veränderungen, dass die Forschung einhellig von einer Neugründung der Kirche San Giovanni a Carbonara spricht.273 Da viele der Bauakten aus dem Konventsarchiv verloren sind, lassen sich heute nur wenige belegte Daten zur weiteren Baugeschichte finden. Gesichert ist, dass König Ladislaus die Aula und einen neuen Kreuzgang für die Mönche gestiftet hatte, der seinen Namen trug.274 Das Auftragsdatum ist nicht überliefert. Betrachtet man die Biographie des Königs, so lassen sich nur wenige Zeiträume finden, in denen sich Ladislaus in Neapel aufhielt und sich dem Bau widmen konnte.275 Ein möglicher Beweggrund zur Stiftung einer neuen Kirche könnte der alleinige Herrschaftsantritt 1393 gewesen sein, allerdings war Ladislaus damals noch im Exil. Die Überwindung der Großen Pestepidemie im Jahre 1399, nach der sich Ladislaus durch die Gründung eines neuen Gotteshauses dem Volk als wohltätiger Herrscher hätte präsentieren können, ist ebenfalls dafür denkbar.276 wundertätigen Madonnenfreskos unterhalb der Treppe „in einer Tischlerwerkstatt“ im Jahre 1620 verwiesen, die der Adlige Pirro Capece Galeota zum Anlass nahm, darin einen Beweis für die ursprünglich bestandene, dann aber bald zerstörte Kirche des Konventes zu sehen. Er wollte daraufhin die Wiederherstellung des Ursprungsbaus als neue Unterkirche rechtfertigen, weil dieser von seinem Vorfahren Gualtiero Galeota gestiftet worden war. Venditti weist auf das Fehlen jedweden architektonischen Zeugnisses dieses angenommenen Sakralbaus hin, wobei er sich aber nicht auf ein letztendliches Resultat festlegt. Die Entweihung der alten Kirche und deren Umwandlung in Werkstätten und Wirtshäuser werden als Erklärung des quellenlosen Umstandes vermutet, wobei eine genaue Datierung dieser Prozesse vermieden wird. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 147, Anm. 2; Thoenes, Neapel, 1971, S. 153; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 808; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 28. Auch Ferraro, Napoli, 2003, S. 500, übernimmt bedenkenlos die Annahme der Vollendung dieser alten Kirche. Es scheint mir dagegen plausibel, dass die ursprünglich gestiftete Kirche nicht vollendet wurde und es daher nach dem frühzeitigen Tod des Stifters sowie seiner Bestattung in einer anderen Kirche wenig Bedenken gab, diesen Sakralbau abzureißen, um Platz für die derzeit benötigten Werkstätten zu erhalten. Es bleibt allein bedenklich, dass keine architektonischen Überreste gefunden wurden, da man üblicherweise Baustrukturen älterer Gebäude für Neubauten, auch aus ökonomischen Gründen, weiter verwendete. Die Vermutung jedoch, dass die Kirche San Giovanni nie existiert habe, ist aufgrund der handfesten Indizien einer zumindest begonnenen Errichtung dieser Konventskirche nicht haltbar. 273 Siehe u.a. Sabatino, La fravica, 2002, S. 135; Thoenes, Neapel, 1971, S. 153. Erst die Bestattung in dem Gründungsbau wurde als „Besiegelung der Stiftung angesehen“, so dass Ladislaus als eigentlicher Stifter von San Giovanni a Carbonara zu betrachten ist. Vgl. dazu im allgemeinen Kontext Sauer, Fundatio und Memoria, 1993, S. 330. Delle Foglie, Leonardo da Besozzo 2008, S. 291, verweist darauf, dass schon unter Ladislaus’ Vater, Karl III. von Durazzo, eine neue Kirche im Gebiet Carbonetum für die Augustiner-Eremiten geplant war. 274 Filangieri di Candida spricht bezüglich des ganzen Augustinerkonventes von einer Inbesitznahme durch König Ladislaus. Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 18. 275 Ladislaus war zwischen 1395-99 auf Feldzügen unterwegs durch Italien, ab 1400 nach Ungarn. Nach dem 20. Juni 1404 verweilte er eine kurze Zeit in Neapel, um wenig später seine Kriegszüge fortzusetzen. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 137; Cutolo, Re Ladislao, 1968, S. 207-339. 276 Diese Situation sieht auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 136, als möglichen Beweggrund für die Errichtung der neuen Kirche. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 57 Die Rückkehr nach Neapel aus dem Gaetaner Exil am Ende desselben Jahres erscheint mir jedoch als ein weitaus bedeutender Beweggrund für die Planung einer königlichen Memorialkirche zu sein, die den Legitimationsansprüchen des jungen Königs als Nachfolger des berühmten Robert von Anjou und seiner für San Giovanni a Carbonara vorbildhaften Grablege Santa Chiara einen visuellen Nachdruck verlieh. Neben dem Kreuzgang und dem Langhaus wurde auch der Chor unter dem königlichen Stifter errichtet, so dass die erste Bauphase der einschiffigen Saalkirche mit dem gerade abschließenden Rechteckchor in die Zeit zwischen 1400 und 1414 zu datieren ist (Abb. 9).277 Nach dem Tod von Ladislaus am 6. August 1414 oblag der Thronnachfolgerin, seiner Schwester Johanna II. von Anjou-Durazzo, die Vollendung des Kirchenbaus. Sie kann als Stifterin der im Süden an die Kirche angrenzenden Treppe, des Eingangsportals und insbesondere des imposanten Königsgrabmals im Presbyterium bestätigt werden.278 Die zweite Bauphase von San Giovanni a Carbonara unter den Anjou-Durazzo lässt sich demnach in ihre Regierungszeit von 1414 bis 1435 einordnen (Abb. 10).279 Das Königsgrabmal und der Anspruch auf die Kirche als „ecclesia reale“ Unmittelbar nach dem verfrühten Tod von Ladislaus (†1414) ließ seine Schwester und einzige Thronerbin Johanna II. von Anjou-Durazzo ein Grabmal in Auftrag geben, das 277 Sabatino geht von einer Bauzeit der Kirche San Giovanni a Carbonara zwischen 1400 und bis nach 1423 aus, da ein um 1423 verfasstes Dokument in der sog. „Platea“ verdeutlicht, dass in diesem Jahr noch Bauarbeiten an der Kirche stattfanden. Filangieri di Candida hingegen gibt eine Inschrift der Restaurierungsarbeiten von 1856 wieder, in der es heißt, dass König Ladislaus den Kirchenneubau „in gotischer Norm 1400 vollendet“ hat, was ich jedoch für sehr unwahrscheinlich halte. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 136; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 26f. 278 Die Königin ließ im Jahre 1434 die Gebäude vor der Kirche abreißen, um dort eine Treppe zu erbauen. Siehe Musella, Napoli, 2000, S. 273; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 18. Zum Eingangsportal, das auch die Embleme der Familie Caracciolo del Sole trägt und in die Zeit von 1427-1430 zu datieren ist, siehe Venditti, Urbanistica, 1969, S. 808; Amodio, Ricerche, 1941, S. 324; Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 241; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 82. 279 Zum Grundriss ist Folgendes anzumerken: Die im Norden des Chores anschließende Cappella Caracciolo di Vico wurde bisher in der Forschung als Neubau ab 1499 in einem noch freien Areal der Kirche behandelt. Sabatino argumentiert anschaulich dagegen, denn an den Außenmauern des Kirchengebäudes ist eine in situ befindliche Baustruktur erkennbar, die einen quadratischen Grundriss und womöglich ein Kreuzgewölbe vorzuweisen hatte. Daraus wird die ursprüngliche Funktion als Sakristei für die Mönche des Augustinerkonventes ersichtlich, die um 1500 verlegt wurde, um der Stiftung der Familienkapelle Caracciolo di Vico Platz zu machen. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 145f. Siehe auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 79. Das erste gesicherte Datum bezüglich des Augustinerkonventes ist das Jahr 1419, in dem sich die Kongregation in San Giovanni a Carbonara formierte. Siehe Gutièrrez, Geschichte des Augustinerordens, 1982, S. 68ff.; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 19, Anm. 2. 58 den Grit Heidemann-Schirmer Herrschaftsansprüchen der beiden letzten Dynastiemitglieder in einer kulminierenden Form Geltung verleihen sollte. Das zwischen 1414 und 1428 von Andrea da Firenze und anderen norditalienischen Bildhauern gefertigte Wandgrabmal (Abb. 11) erhebt sich vor der Ostwand des gerade abschließenden Rechteckchors und befindet sich damit in direkter Nähe zum Hauptaltar der Kirche.280 Schon in dieser Aufstellung verweist es ganz offensichtlich auf das Grabmal für Robert von Anjou (†1343, Abb. 12) in Santa Chiara, das auch in weiteren Details als formales und demzufolge programmatisches Vorbild diente.281 Mit seinen über 14 beziehungsweise 18m Höhe282 und den entlang der Nord- und Südwand um etwa 1,50m ausgreifenden Seiten, durch die es wie ein geöffneter Flügelaltar wirkt, nimmt das Ladislaus-Grabmal nahezu den gesamten Raum des Presbyteriums von San Giovanni a Carbonara in Anspruch. Das marmorne Monument besteht aus drei Ebenen, von denen die oberste das eigentliche Grabmal des Verstorbenen bildet. Im Sockelgeschoss sind vier kolossale Tugendkaryatiden aufgestellt, die das gesamte Ensemble tragen und zugleich einen Durchlass in der Mitte zur dahinter anschließenden Cappella Caracciolo del Sole eröffnen. Die Tugenden sind nicht nur durch ihre Attribute klar gekennzeichnet, sondern auch inschriftlich benannt. Sie präsentieren von links nach rechts Temperantia, Fortitudo, Prudentia und Magnanimitas. Während der Einsatz der vier Kardinalstugenden dem traditionellen Kanon der neapolitanischen Grabmäler des 14. Jahrhunderts entspricht, wird hier Iustitia durch Magnanimitas (Großherzigkeit) ersetzt, die erstmals in Petrarcas 1373 veröffentlichtem Fürstenspiegel auftaucht.283 Die 280 Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 41, geht von zwei Bauphasen aus, wobei die beiden unteren Geschosse zwischen 1414 und 1420 entstanden und die obere Ebene zwischen 1424 bis 1428 vollendet wurde. Middione, Splendori, 1996, S. 40, meint, dass das Grabmal erst zwischen 1430 und 1440 errichtet wurde, da es von dem „Schlüsselwerk der Renaissance“ – dem Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio, welches 1428 von Pisa nach Neapel gebracht und in Sant’Angelo a Nilo aufgestellt wurde – beeinflusst worden sei. Dem widerspricht jedoch die inschriftlich benannte Jahreszahl „1428“ am Ärmel der SpesFigur in der zweiten Ebene. Siehe dazu Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 241; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 83. Zu Andrea da Firenze und weiteren beteiligten toskanischen sowie lombardischen Künstlern siehe weiterhin Bottari, Per Andrea di Guido, 1958; Salvatore, Vita di Andrea Ciccione, 2003; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 802. 281 Ausführlich zum Robert-Grabmal und seiner Grablege Santa Chiara siehe Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000. Zuletzt siehe auch Heidemann/Scirocco, Die Kirchen, 2010, bes. S. 11f., wobei Scirocco herausstellt, dass das Robert-Grabmal von den florentinischen Bildhauern Pacio und Giovanni Bertini, in der Nachfolge von Tino di Camaino, zwischen 1343 und 1345 gefertigt worden war. 282 Während Sabatino eine Höhe von etwa 14,30m angibt, ebenso wie Pagano von über 14m ausgeht, beschreibt Thoenes das Grabmal als über 18m hoch. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 149, Anm. 26; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 83; Thoenes, Neapel, 1971, S. 157. 283 Siehe dazu vor allem Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 245. Ausführlich zu den Tugenddarstellungen an den neapolitanischen Grabmälern des 14. Jahrhunderts siehe ders., Kunst am Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 59 für die beiden mittleren Stützen gewählten Tugenden der Stärke und der Klugheit leiten programmatisch zu dem direkt darüber befindlichen königlichen Geschwisterpaar über. Zudem wird das Sockelgeschoss von einem profilierten Architrav abgeschlossen, auf dem folgende Inschrift angebracht ist: „QVI POPVLOS BELLO TVMIDOS QVI CLADE TYRANNOS/ PERCVLIT INTREPIDVS VICTOR TERRAQVE MARIQVE/ LVX ITALVM REGNI SPLENDOR CLARISSIMVS HIC EST/ REX LADISLAVS DECVS ALTVM ET GLORIA REGVM/ CVI TANTO HEV LACHRYMAE SOROR ILVSTRISSIMA FRATRI/ DEFVNCTO PVLCHRVM DEDIT HOC REGINA IOANNA/ VTRAQVE SCVLPTA SEDENS MAIESTAS VLTIMA REGVM/ FRANCORVM SOBOLES CAROLI SVB ORIGINE PRIMI.“284 In dieser Inschrift wird ganz unmissverständlich auf die Erblinie der Anjou verwiesen, ebenso wie Johanna II. als Stifterin des Grabmals und als Thronfolgerin ihren Machtanspruch proklamiert. Gleichermaßen ist auch sie am Monument verbildlicht. Das zweite Geschoss wird von reich verzierten Nischen gegliedert, die den Blick freigeben auf das in der Mittelachse thronende Geschwisterpaar, das von dem weit ausladenden Segmentbogen gerahmt wird. Ladislaus und Johanna sind vollplastisch und leicht überlebensgroß dargestellt.285 Sie sitzen mit den königlichen Insignien ausgestattet frontal unter dem mit den goldenen Anjou-Lilien verzierten Gewölbe und richten den Blick in den Kirchenraum. Johannas Präsenz an diesem Grabmal zeigt ihren Willen des Machterhalts, der auch in der Inschrift anklingt. Zur Linken und Rechten schließen sich die Theologaltugenden Fides, Spes und Caritas mit der im unteren Geschoss ausgetauschten Iustitia286 sowie mehrere Heiligenfiguren287 an, die das Bildprogramm Hofe, 2001, S. 230-232. Allgemein zu Petrarca außerdem Stierle, Francesco Petrarca, 2003; Ariani, Petrarca, 1999; Rotondi Secchi Tarugi, Petrarca, 1997. 284 Die Übersetzung nach Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 250, Anm. 39: „Dies ist der hochberühmte König Ladislaus, der aufrührerische Völker durch Krieg, Tyrannen aber mit Niederlage überwand, ein unerschrockener Sieger zu Lande wie zur See, das Licht der Italer, der Glanz des Reiches, herausragende Zierde und Ruhm der Könige, dem als ihrem toten Bruder seine erhabene Schwester und Königin Johanna, wehe, unter soviel Tränen dieses Grabmal stiftete, die zusammen mit ihm in ihrer Majestät thronend dort dargestellt ist als letzte Nachfahrin der französischen Könige, die unter Karl dem Ersten ihren Anfang hatten.“ 285 Zur Sitzstatue Johannas neben ihrem verstorbenen Bruder siehe auch Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244; Sabatino, La fravica, 2002, S. 139. 286 Von links nach rechts bilden sie die Reihenfolge: Spes, Iustitia und Caritas, Fides. 287 Die Interpretation der Figuren in den Nischenpilastern ist in der Forschung nicht eindeutig. Während Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244, von „wahrscheinlich biblische[n] Könige[n]“ ausgeht, gibt Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 35f., folgende Zuweisungen: am linken 60 Grit Heidemann-Schirmer des Grabmonuments auf die Vorbildhaftigkeit der beiden Herrscherpersönlichkeiten lenken. Dabei befinden sich männlich bevorzugte Tugenden, wie die Stärke und die Gerechtigkeit, auf der Seite beziehungsweise in unmittelbarer Nähe zu Ladislaus, während die Liebe und der Glaube als vornehmlich weibliche Tugenden neben und unter Johanna II. erscheinen, deren Person durch die Allegorie der Klugheit zusätzlich nobilitiert wird.288 In den beiden Seitenflügeln des zweiten Geschosses sind die von dem lombardischen Künstler Leonardo da Besozzo gemalten Fresken in flache Nischen eingearbeitet,289 welche links den Kirchenpatron Johannes den Täufer und rechts den Ordensheiligen Augustinus zeigen, die auch an anderen Stellen des Monuments wiederkehren. Die Ebene wird, neben fein gearbeiteten Wimpergen, durch ein einfaches Gesims abgeschlossen, auf dem folgende Inschrift angebracht ist: „IMPROBA MORS HOMINVM HEV SEMPER OBVIA REBVS/ DVM REX MAGNANIMVS TOTVM SPE CONCIPIT ORBEM/ EN MORITVR SAXO TEGITVR REX INCLYTVS ISTO/ LIBERA SYDEREVM MENS IPSA PETIVIT OLYMPVM.“290 Darüber erhebt sich das dritte Geschoss, das in seiner Breite zwar nur noch die Mittelachse des gesamten Ensembles umfasst, jedoch das eigentliche Grabmal des Verstorbenen bildet, welches schon in der Inschrift angekündigt wird und in einer für Neapel außergewöhnlichen Weise bis knapp unter die Gewölbedecke aufragt. Im Aufbau entspricht das Grabmal jenem traditionellen Typus aus der Anjou-Zeit, auf den gleich genauer zurückzukommen sein wird. Es besteht aus vier Ebenen, die von Nischenpilaster ist der Hl. Georg dargestellt, am daran anschließenden Pilaster (links neben Ladislaus) folgen der Hl. Paulus und der Hl. Bartholomäus, rechts neben Johanna sind der Hl. Petrus und der Hl. Andreas und am äußeren Pilaster rechts der Hl. Konstantin dargestellt. 288 Zu den Tugenden siehe noch einmal Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 230-232. Johanna wurde trotz ihrer Zuwendungen für die Grablege ihres Bruders in der Kirche SS. Annunziata bestattet. Siehe Garzilli, Cronica, 1845, S. 79. Interessanterweise handelt es sich dabei um eine Kirche, die von der Königin Sancia von Mallorca, Ehefrau des Robert von Anjou, 1336 gegründet worden war. Vgl. Thoenes, Neapel, 1971, S. 52. Die Parallele der für ihre Legitimation bedeutenden Vorfahren Robert und Sancia zu Ladislaus und Johanna ist demnach mehr als offensichtlich. Zur Kunstpatronage Johannas II. siehe auch Mocciola, Giovanna II, 2010. 289 Siehe Sabatino, La fravica, 2002, S. 149, Anm. 26; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 83; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 36, gibt dazu die unter dem Hl. Augustinus angebrachte Künstlerinschrift: „LEONARDUS DE BISSUCIO DE MEDIOLANO ORNAVIT.“ Zu Leonardo da Besozzo siehe Kap. III.2. 290 Folgendermaßen zu übersetzen: „Oh schändlicher Tod der Menschen, immer [stehst du] den Dingen entgegen. Noch hält mit Hoffnung der hochherzige König den ganzen Erdkreis [zusammen]. Siehe! Der König stirbt, ist bedeckt mit diesem Stein. Der freie Geist selbst erstrebte den gestirnten Olymp.“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 61 Nischenpfeilern mit reich verzierten Fialen gerahmt werden.291 Über dem reliefierten Sarkophag, der die letzten vier Familienmitglieder der Anjou-Durazzo292 in ähnlicher Weise wie die Angiovinen am Robert-Grabmal präsentiert und damit dessen politisch konnotierte Argumentation aufgreift,293 erhebt sich die camera funebris. Hier ist der verstorbene König aufgebahrt als Liegefigur mit den Insignien der Macht dargestellt, während im Hintergrund ein Bischof mit zwei Ministranten die Totenmesse hält.294 Während am Grabmal des Robert von Anjou in der darauf folgenden Ebene die Majestas-Darstellung des angiovinischen 295 bildprogrammatische Neuerung anschließt, Königs als eine damalige folgt beim Ladislaus-Grabmal die traditionelle, an die seelsorgerische Verpflichtung erinnernde Empfehlungsszene mit Maria und dem Christuskind, die zwischen den beiden für den ansässigen Konvent wichtigen Hll. Johannes dem Täufer und Augustinus eingefügt ist. Demgegenüber wird der Darstellung des thronenden Herrschers das gesamte zweite Geschoss des Monuments zur Verfügung gestellt. Was das Ladislaus-Grabmal in Neapel – neben den gewaltigen Ausmaßen – einzigartig und für seine Entstehungszeit höchst innovativ erscheinen lässt, ist die alles bekrönende Reiterstatue des Verstorbenen. Die Spitze des abschließenden Wimperggiebels wurde zugunsten der Standfläche für das Postament gerade abgeschlossen, das die selbstredenden Worte DIVVS LADISLAVS präsentiert und das kolossale Reiterstandbild trägt. Der König wird hier in Seitenansicht zum vierten Mal an seinem Grabmonument gezeigt, wobei er auf einem vorwärts schreitenden Pferd sitzt, das mit edlen Stoffen gekleidet ist und einen Verweis auf die einst an diesem Ort ausgetragenen Turnierspiele offeriert. Ladislaus sitzt in stolzer Pose und hält in seiner Rechten das Schwert erhoben, dabei den Blick geradeaus gerichtet auf ein imaginäres Ziel seines Triumphes, der 291 Die in den Nischen aufgestellten Statuen werden unterschiedlich interpretiert. Während Abbate die Figur unten rechts als David zu identifizieren glaubt, betitelt Filangieri di Candida die vier Statuen als die Heiligen Könige Stephan von Ungarn, Heinrich, Albert und Karl den Großen. Vgl. Abbate, Il monumento, 1994, S. 21, Abb. 6; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 38. Die innerhalb der Fialen stehenden Statuen sind dagegen eindeutig als Verkündigungsgruppe mit dem Erzengel Gabriel links und Maria rechts zu identifizieren. 292 Dass Ladislaus und Johanna II. zwischen ihren Eltern Karl III. und Margarita von Durazzo sitzen, befürworten Pagano, San Giovanni, 1999, S. 84, und Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 37. Laut Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244, wurden dagegen Ladislaus und Johanna rechts, Karl und Margarita links gesetzt. Dem entspricht auch meine Beobachtung, dass es sich bei den beiden äußeren Figuren um die Frauen handelt, während in der Mitte demzufolge die männlichen Thronfolger Karl und Ladislaus positioniert sind. 293 Siehe dazu u.a. Sabatino, La fravica, 2002, S. 139, 149, Anm. 26; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 83f.; Thoenes, Neapel, 1971, S. 157. 294 Siehe dazu Thoenes, Neapel, 1971, S. 157. 295 Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 56-64. 62 Grit Heidemann-Schirmer schon in der Inschrift am Sockel erwähnt wird. Als mögliche motivische Vorbilder aus dem Repertoire der mittelalterlichen Grabplastik sind die Scaliger-Reiterbilder in Verona oder das Grabmal des Bernabò Visconti in Conca zu nennen.296 Doch auch eine Ähnlichkeit mit dem antiken Reiterstandbild des Marc Aurel auf dem Kapitol in Rom, das noch von den Zeitgenossen als Ehrenmal für Kaiser Konstantin fehlinterpretiert wurde,297 ist erkennbar. Dies lässt sich Bock zufolge historisch untermauern, denn das römische Volk wollte „dem neapolitanischen König aus Dank und zur Erinnerung ein Reiterstandbild auf dem Kapitol […] errichten“, nachdem Ladislaus am 19. Oktober 1403 in die Ewige Stadt einmarschiert war und erfolgreich in der „prekären Situation der Kirche“ interveniert hatte.298 Auch wenn, oder gerade weil diese Dankesgeste in Rom nicht verwirklicht wurde, wird Ladislaus – beziehungsweise seiner Schwester als Auftraggeberin des Grabmals – die Ausführung solch eines prestigeträchtigen Ehrenmals in seiner Residenzstadt Neapel gerade Recht gewesen sein.299 Die Darstellung des Königs in zeitgenössischer Kleidung und seines Pferdes mit einem ebensolchen mittelalterlichen Turnierumhang rückt das Monument wiederum in die damalige Entstehungszeit und somit in die Nähe des Grabmals für Bernabò Visconti, das große Berühmtheit im Europa des ausgehenden 14. Jahrhunderts erlangt hatte und demzufolge auch vorbildhaft für das LadislausGrabmal gewesen sein dürfte.300 296 So auch Thoenes, Neapel, 1971, S. 157; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 84; Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244f. Allgemein zu den Scaliger-Gräbern siehe u.a. Poeschke 1998, S. 186188; Körner, Grabmonumente, 1997, S. 96f.; Seiler, Mittelalterliche Reitermonumente, 1989, S. 172-213; Arduini, Il sogno oscuro, 1992. Zum 1363-1385 geschaffenen Visconti-Grabmal in Conca siehe auch Vergani, L’arca, 2001; Lee Palmer, Bonino, 1997. 297 Dieses bronzene Reiterstandbild des römischen Kaisers Marcus Aurelius wurde nach 162 n. Chr. unter Kaiser Commodus in Rom errichtet. Erst im 10. Jahrhundert fand es seinen Aufstellungsort auf dem Kapitol, während der ursprüngliche Standort bis heute nicht genau lokalisiert werden konnte. Die Reiterstatue hat in den folgenden Jahrhunderten maßgeblich die Kunst beeinflusst, was allerdings auf die Fehlinterpretation als Reiterbild Konstantins des Großen zurückzuführen ist, aufgrunddessen es auch die Zerstörungswelle antiker Statuen, insbesondere der wertvollen Bronzen, überlebt hat. Vor allem in der Haltung des antiken Reiters sowie dem eleganten Vorschreit-Motiv des Pferdes ist m.E. die Vorbildhaftigkeit für die Reiterstatue Ladislaus’ ersichtlich. Zu Marc Aurel und seinem Reiterstandbild siehe u.a. Dankwarth, Marc Aurel, 1997; Bergemann, Römische Reiterstatuen, 1990, S. 105ff., Kat.Nr. P51, Tafeln 78-80. 298 Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 51, Anm. 97. 299 Auch Schmidt, Typen, 1990, S. 19, verweist auf den Denkmalcharakter des mit einem Reiterstandbild kombinierten Grabmals, der von den italienischen „Despoten“ ihrem herrschaftlichen „Selbstverständnis“ zufolge eingesetzt worden war. 300 Dies vor allem durch seine Thematisierung in einem veröffentlichten Streitgespräch zwischen Petrarca und Jean de Hesdin. Siehe dazu noch einmal Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244f. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 63 Exkurs: Der angiovinische Grabmalstyp des Trecento Das Wandgrabmal mit rahmendem Baldachin stellte im mittelalterlichen Italien einen besonderen Grabtypus dar, der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert generiert worden war.301 Eine Weiterentwicklung lässt sich an den Grabmälern feststellen, die von Giovanni Pisano und vor allem von seinem Schüler Tino di Camaino Anfang des Trecento geschaffen wurden. Der seitdem gängige Typus mit der charakteristisch umrahmenden Baldachinarchitektur zeichnete sich durch einen reliefierten Kastensarkophag und der darüber befindlichen Liegefigur des Toten in der camera funebris aus.302 Er wurde 1324 in Neapel durch das von Tino di Camaino gefertigte Grabmal für Katharina von Österreich in San Lorenzo Maggiore (Abb. 36) eingeführt, allerdings kombiniert mit neuartigen Motiven, wie zum Beispiel die zwei den Vorhang zur Totenkammer aufhaltenden Engel und die Darstellung der commendatio animae.303 Die Wandgrabmäler, die für Familienangehörige der Anjou in Neapel gefertigt wurden, zeigen eine Entwicklung hin zur Monumentalisierung, vor allem aber das Motiv der Tugendkaryatiden stellt das Alleinstellungsmerkmal fast aller Anjou-Grabmäler dar.304 Dadurch entstand der neue Typus des Karyatidengrabmals.305 Die dargestellten Tugenden sind als Nobilitierung der Verstorbenen zu interpretieren, die somit als Mitglieder einer „tugendhafte[n] Königsfamilie“306 repräsentiert wurden. Dieses Konzept tritt besonders deutlich an dem schon oben erwähnten Grabmal für König Robert von Anjou in Santa Chiara (Abb. 12) zutage.307 301 Zu den ersten gotischen Wandbaldachingrabmälern für Pietro di Vico (†1268) und Hadrian V. (†1276) in S. Francesco in Viterbo siehe Körner, Grabmonumente, 1997, S. 67ff. u. Abb. 55f. 302 Siehe Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 43. Dazu auch Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, S. 48f. 303 Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 45, Anm. 18, verweist auf die Einführung des Vorhangmotivs durch Arnolfo di Cambio, der allerdings noch Diakone und nicht Engel als vorhanghaltende Figuren verwendet hat. Zur Einführung der Empfehlungsszene siehe ebd., S. 75; Bock, Kanon und Variation, 2002, S. 17f. 304 Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 47. 305 Die Anzahl der Tugendfiguren konnte dabei differieren. Während an den Monumenten für Katharina von Österreich und für Maria von Valois noch zwei Kardinaltugenden als den Sarkophag stützende Figuren eingesetzt wurden, so nahm die Anzahl bei den darauf folgenden Gräbern zu. So besitzt das Grabmal für Maria von Ungarn vier Kardinaltugenden im Stützengeschoß, während es beim Grabmal für König Robert von Anjou insgesamt sechs Tugenden sind, die sich jedoch auf zwei Pfeiler verteilen. Dazu Bock, Kanon und Variation, 2002, S. 13 u. 33f.; Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 80. 306 Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 153. 307 Siehe dazu ausführlich dies., „Quis non admireretur“, 2000. Außerdem Heidemann/Scirocco, Die Kirchen, 2010, bes. S. 11f. 64 Grit Heidemann-Schirmer Dieser angiovinische Grabmalstypus wurde demnach zuerst an den Auftragswerken für Angehörige aus dem angiovinischen Königshaus im Trecento eingesetzt, fand seinen Höhepunkt in dem Grabmal für König Ladislaus von Anjou-Durazzo im frühen 15. Jahrhundert und wurde sukzessive an mehreren Adelsgrabmälern adaptiert, wie im Folgenden sowie vor allem in Kapitel IV noch genauer zu zeigen sein wird.308 Die Vorstellung des Ladislaus-Grabmals sollte nicht nur die formale Entwicklung des angiovinischen Grabmalstypus, der die neapolitanische Grabmalslandschaft über das 14. Jahrhundert hinaus lange dominierte, einführend beleuchten, sondern auch die Auswirkungen politisch instabiler Zeiten auf die Grabplastik verdeutlichen, die ein wichtiges Medium zur Repräsentation insbesondere der Hinterbliebenen waren.309 Während des dynastischen Niedergangs, den Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo nicht mehr aufhalten konnte, wurde dieses kolossale Erinnerungsmonument geschaffen. Durch seine Größe, die auf Bescheidenheitstopoi verzichtende und seine überdeutliche retrospektive Reminiszenz an berühmte, ebenfalls politisch konnotierte Monumente, wie des vorbildhaften Vorfahren Robert von Anjou310 oder des damals als Kaiser Konstantin verehrten Denkmals in Rom, sollte es den Status von Ladislaus sowie den Willen des Machterhalts von Johanna unmissverständlich und auf Dauer bekräftigen. Durch die Stiftung und vor allem durch die beeindruckende Präsenz des königlichen Geschwisterpaares an diesem den Kirchenraum dominierenden Grabmal stieg San Giovanni a Carbonara in den Rang einer Königskirche, der „ecclesia reale“ auf,311 die 308 Siehe dazu vor allem Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 43. Sie verweist dabei auf die Vorbildhaftigkeit der in der Camaino-Werkstatt geschaffenen Anjou-Gräber „als Prototypen einer in Süditalien neuen Sepulkralskulptur“. Vgl. ebd., S. 153. Bock, Patronage, 2008, S. 582, macht deutlich, dass es seit Beginn des 15. Jahrhunderts zu einer gewissen Emanzipation des städtischen Adels hinsichtlich der Grabmalsaufträge kam, die nun nicht mehr dem königlichen „Standard“ folgten wie noch im Trecento. Zu den Adelsgrabmälern, die diesen Typus rezipierten, siehe unten Kap. IV.1.2. 309 „Das Grabdenkmal als memoratives Denkmal erinnert an den Toten ebenso wie an die Lebenden, die sich dem Toten als ihrem Repräsentanten anverbinden: so erscheinen neben dem Namen des Verewigten etwa in Setzungsvermerken [...] eben die Namen der Nachkommen, die ihre eigene Identität aus der des Toten definierten.“ Vgl. Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht, 2004, S. 18. 310 Auch Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 243, und Sabatino, La fravica, 2002, S. 137, sehen im Ladislaus-Grabmal ein bewusstes Zurückgreifen auf das Grabmal König Roberts von Anjou, das als eine „politisch motiviert[e] [...] Entscheidung für diesen Grabmalstyp und sein Programm“ zu verstehen ist. Die Übernahme des traditionellen Formenrepertoires der Anjou-Grabmäler am LadislausGrab verdeutlicht demzufolge eine „Kontinuität der Anjou-Herrschaft und die von [...] [ihm] ererbte Souveränität“. Vgl. Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 245. 311 So auch Quinterio/Cocchieri, Il sepolcro, 2007, S. 99; Sabatino, La fravica, 2002, S. 147; Thoenes, Neapel, 1971, S. 152. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 65 sie trotz ihrer peripheren Lage und kleinen Dimension gegenüber den Stadtkirchen Neapels nobilitierte und für weitere Stifter attraktiv machte. Die erste Kapellenstiftung eines Adligen in San Giovanni a Carbonara war die Cappella Recco. Sie befand sich an der Nordseite des Langhauses und wurde 1423 von Giosuè Recco gestiftet, der als Haushofmeister von Johanna II. tätig war und demzufolge alle Ausgaben der Königin verwaltete, darunter auch jene für die Vollendung der Augustiner-Eremiten-Kirche.312 Die einstige Ausstattung ist nicht mehr erhalten.313 Erst spät wurde das Kapelleninnere von einer nachweislich 1484 fertig gestellten hölzernen Krippengruppe geschmückt, die auf den Kapellweihetitel „del Presepe“ Bezug nahm und zwei Drittel des Fußbodens beanspruchte.314 Die Cappella Recco stand offenbar ganz im Zeichen der Frömmigkeit eines adligen Hofangestellten, der durch die Standortwahl seine Loyalität zum Herrscherhaus demonstrieren wollte. Politisch weitaus brisanter waren hingegen jene wenig später errichteten Kapellen, aufgrund derer die Kirche zu einem Austragungsort politischer Rivalitäten avancierte. III.2. Die Cappella Caracciolo del Sole – Demonstration der einzigartigen Machtstellung eines neapolitanischen Stadtadligen Ebenso wie Giosuè Recco war auch Sergianni Caracciolo del Sole am Königshof der Anjou-Durazzo tätig.315 Seine Karriere markiert jedoch eine bis dato singuläre Machtposition eines Adligen in Neapel, die auch ihren Niederschlag in der Ausstattung seiner Grabkapelle finden sollte. Sergianni Caracciolo entstammte einer der ältesten und nobelsten Adelsfamilien Neapels, die im Seggio di Capuana sesshaft war. Er wurde um 1372 geboren und ging schon früh an den königlichen Hof, wo er in die Dienste von König Ladislaus trat. Im Krönungsjahr des Königs (1390) erhielt er das Amt des Kämmerers und begleitete den 312 Zu der notariell bezeugten Stiftung vom 9. Mai 1423 siehe Sabatino, La fravica, 2002, S. 135ff. und die Originalquelle S. 146f. 313 D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 161, nennt eine Grabplatte von 1531, die sich noch zu seiner Zeit in der Kapelle befand. 314 Diese Krippe wurde von dem Skulpteur Pietro Alamanno und seinem Sohn Giovanni angefertigt. Zur Ausstattung siehe Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 121; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 92. Heute dient die Kapelle als Ausstellungsraum für die in der gesamten Kirche gefundenen MajolikaFliesen. An den Wänden sind noch Reste von Fresken erkennbar, die vermutlich den malerischen Hintergrund der Krippe darstellten. 315 Ausführlich zu Sergianni siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 286-290; Manselli, Caracciolo, 1983; Cutolo, Re Ladislao, 1968, S. 152; Garzilli, Cronica, 1845, S. 71-75; Caracciolo, Vita, 1843. 66 Grit Heidemann-Schirmer Souverän als enger Vertrauter auf zahlreichen Feldzügen. Nach dem Tod von Ladislaus wurde Sergianni 1417 von der Thronfolgerin Johanna II. von Anjou-Durazzo zum Großseneschall des Reiches ernannt, darüber hinaus erlangte er durch ihre Protektion nahezu uneingeschränkte politische Macht.316 Seine Selbstwahrnehmung als eigentlicher Herrscher neben der Regentin, dem nur der Königstitel fehle, fand auch Eingang in der noch zu besprechenden Grabinschrift.317 Aus diesem Machtanspruch kam es zu einer Verschwörung gegen ihn durch andere neapolitanische Adlige, die eine befürchtete Throninbesitznahme Sergiannis verhindern wollten und ihn in der Nacht des 19. August 1432 während der Feierlichkeiten zur Hochzeit seines Sohnes ermordeten.318 Fünf Jahre zuvor hatte Sergianni die königliche Grablege San Giovanni a Carbonara als Standort für seine Grabkapelle erwählt, um damit offensichtlich seiner politisch einzigartigen Machtstellung in Neapel Ausdruck zu verleihen, die sich von dem Gruppenbewusstsein der neapolitanischen Maggiore Nobiltà deutlich abhob. Dokumentarisch belegt ist, dass die Stiftung der Kapelle im Jahre 1427 in zwei Schritten erfolgte.319 Durch den Notar Antonello Scarpato wird bestätigt, dass der Auftraggeber am 25. September ein Grundstück mit einem Haus erwarb, das an den Hof der Augustiner-Eremiten-Kirche angrenzte und das er dem Konvent wenig später übergab. Am 10. Dezember desselben Jahres bezeugt der Notar Gabriele de Riso die Vereinbarung zwischen den Augustiner-Eremiten und dem Stifter, eine Kapelle im Klostergebiet hinter der Tribüne der Kirche zu erbauen, die der Geburt der Hl. Jungfrau Maria geweiht werden sollte. Die Abschrift dieser Vereinbarung lautet folgendermaßen: „[...] esso Gran Senescallo avea fatto edificare una sua cappella magnifica a sue spese, contigua, e congionta alla no[str]a chiesa di S. Gio[vanni a 316 Sergianni erhielt durch die Heirat mit Caterina di Filangieri das Herzogtum von Avellino, desweiteren wurde er zum Herzog von Venosa und Fürst von Capua ernannt. Die Forschung berichtet einhellig von einer Affäre mit Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo, mithilfe derer Sergianni seinen politischen Erfolg weitest möglich ausbauen konnte. Siehe u.a. Pagano, San Giovanni, 1999, S. 85; Galasso, Il Regno, 1992, S. 287; Thoenes, Neapel, 1971, S. 158; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 804. Außerdem Caracciolo, Vita, 1843, bes. S. 68: „[…] quello amore che la Regina avea posto in Sergianni e quegli onori che a lui compartivansi.“ 317 Dazu auch De Lellis, Parte seconda, 1654, S. 148. Laut Middione, Splendori, 1996, S. 49, war Sergianni zwischen 1424 und 1432 der „wahre Herrscher des Staates“ und auch Galasso, Il Regno, 1992, S. 302, Anm. 2, bezeichnet ihn als „König“ in Zeiten des Friedens. 318 Notar Giacomo gibt den Neid („per invidia“) als Grund seiner Ermordung an. Vgl. Garzilli, Cronica, 1845, S. 75. Dazu auch Caracciolo, Vita, 1843, S. 43 u. 67f. Caracciolo schildert die Vorbereitungen zur Hochzeit des Sohnes Traiano und der daran anschließenden Ermordung Sergiannis. Siehe ebd., S. 70-76. 319 Siehe Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 42-45; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 43; Faraglia, La tomba, 1899, S. 21. Mitunter ist diese archivalisch belegte Aussage nicht genau beachtet worden und man zog aus dem genannten Datum die Schlussfolgerung, dass die Cappella Caracciolo del Sole im Jahre 1427 geweiht und architektonisch schon fertig gestellt gewesen sei. Siehe u.a. Ferraro, Napoli, 2003, S. 501; Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 241; Middione, Splendori, 1996, S. 49; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 695. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 67 Carbonara]; col consenso, e volontà del Priore, e frati di d[etto] luogo, sotto il vocabolo della Natività della B[eata] V[ergine] Maria, nella quale Cappella il nos[tro] Mon[aster]o concesse ad esso Sergianni, e suoi eredi il jus funerandi, et inferendi mortuos; e riservò il d[etto] Sergianni a se, e suoi eredi, e succ[essi]vi il juspatronato di d[ett]a Cappella, insegno, e ricognizione del quale debba il d[etto] Mon[astero] dare ad esso Fondatore, e suoi eredi, facem una vividem libram trium in die Nativitatis B[eatae] Mariae Virginis, e detta assegnazione di candela debba farsi dentro d[etta] Cappella, o nella Casa del Fondatore, e suoi eredi in Napoli esistentino; e dono al nos[tro] Mon[aster]o alcuni Orti ed case siti a Carbonara, e li P[adri] P[riori] del d[etto] nos[tro] Mon[aster]o in riguardo di d[etta] donazione, e beneficenza, ed anche come Fondatore di d[etto] luogo, si offersero a Messe, ed orazioni p[er] d[etto] Fondatore, e suoi eredi, e promisero celebrare una speciale Messa quotidianam in d[etta] Cappella, per la salute di esso Fondatore, e suoi Predecessori, e successori, ed un solenne Anniversario nel giorno della morte di d[etto] Fondatore, per lo quale Anniv[ersario] esso Fondatore promise dare un annua speciale rendita di un oncia.“320 Die Stiftung erfolgte also zu einer Zeit, als der Kirchenneubau zwar schon weitgehend abgeschlossen, das von der Königin beauftragte monumentale Wandgrabmal für ihren verstorbenen Bruder Ladislaus im Presbyterium noch nicht vollendet war. Direkt dahinter sollte sich die Kapelle von Sergianni anschließen. Bezeichnenderweise wurde das untere Geschoss des Königsgrabmals als einziger Zugang zur Kapelle konzipiert, wodurch sich eine Synthese von Königsgrabmal und Adelskapelle ergab, die die 320 Vgl. ASN, Platea, I, Monasteri Soppressi, 6079, 24. Folgendermaßen zu übersetzen: „[…] der Großseneschall lässt sich auf seine Kosten eine herrliche Kapelle erbauen, die an unsere Kirche des hl. Johannes angrenzt und mit dieser verbunden ist; mit dem Einverständnis und dem Willen des Priors und der Brüder dieses Ortes, unter dem Patrozinium der Geburt der hl. Jungfrau Maria. Unser Kloster gewährte jenem Sergianni und seinen Erben das Recht, die Toten in diese Kapelle hineinzubringen und dort zu bestatten. Der besagte Sergianni reservierte für sich und seine Erben und Nachfolger das Patronatsrecht für diese Kapelle. Zur Anerkennung muss das genannte Kloster dem Stifter und seinen Erben eine drei Pfund schwere Kerze am Tag des Festes zur Geburt der hl. Jungfrau Maria geben und die Übergabe der Kerze soll in der Kapelle oder im Haus des Stifters und seiner in Neapel wohnhaften Erben stattfinden. Er spendete dem Kloster einige Gärten und Häuser, die sich in der Region Carbonara befanden. Die Ältesten unseres Klosters boten im Hinblick auf die Spenden und Wohltätigkeiten und weil es sich um den Gründer der Kapelle handelt, Messen und Gebete für den Stifter und seine Erben an und versprachen, täglich in der genannten Kapelle eine Privatmesse für das Seelenheil des Stifters, seiner Vorfahren und Nachfolger sowie ein festliches Anniversar am Todestag des Stifters zu zelebrieren. Für dieses Anniversar versprach der Stifter, eigens einen jährlichen Betrag von einer Unze zu geben.“ 68 Grit Heidemann-Schirmer damalige besondere Stellung Sergiannis am Hof reflektierte und offensichtlich nur in Absprache mit der königlichen Auftraggeberin möglich war. Die exzeptionelle Lage, die Größe und die reiche Ausstattung der Kapelle vermitteln jedoch ein Repräsentationsbedürfnis des Stifters, das über seine Loyalität zum Königshaus weit hinausging und vielmehr seine persönliche Identität321 widerspiegelte. Zudem waren nach seinem plötzlichen Tod weitere Familienmitglieder an der Vollendung der Kapelle beteiligt, auf deren Stellenwert noch zurückzukommen sein wird. Im Folgenden werden die Architektur und Ausstattung der Kapelle näher beleuchtet, um ihre Besonderheiten im Kontext der Selbstinszenierung des Stifters und seiner Nachkommen herauszuarbeiten. Die architektonische Gestalt der Kapelle Die Cappella Caracciolo del Sole (Abb. 13) erhebt sich auf einem oktogonalen Grundriss, der durch die mächtigen Strebepfeiler akzentuiert wird.322 Auf drei Pfeilern waren marmorne Statuen angebracht, die Moses, Elias (der sich heute nicht mehr in situ befindet) und Sergianni darstellten.323 Markant wurden die Familienembleme Sonne und Löwe in die Dekoration des Baus mit einbezogen.324 Im mittleren Segment eines dreiteiligen Relieffeldes befindet sich das aufwendig gestaltete Wappen mit den Initialen Sergiannis. Dieses Relief wurde am oberen Ende jener Kapellenwand angebracht, die zum öffentlichen Platz ausgerichtet war und den Zeitgenossen ostentativ vor Augen führte, wer der Auftraggeber dieses beeindruckenden Baus war. Die Kapelle wird von einer mächtigen Kuppel abgeschlossen, durch die die adlige Grablege das Langhaus und den Chor der Kirche an Höhe übersteigt. Dieser Eindruck wurde ursprünglich durch eine Laterne verstärkt, die im sog. „Baratta-Plan“ von 1629 (Abb. 14) noch bildlich dokumentiert,325 jedoch bei dem Erdbeben im Jahre 1688 321 Zur personalen Identität, die „sich auf die Einmaligkeit des einzelnen Individuums im Zusammenhang mit seiner unverwechselbaren Lebensgeschichte“ bezieht, siehe Hillmann, Wörterbuch, 2007, S. 355. 322 Zum Sepulkralcharakter der Kapelle, der durch die Polygonalität schon außen angedeutet zu sein scheint, siehe Binding, Architektonische Formenlehre, 1998, S. 17; Untermann, Der Zentralbau, 1989, S. 147f. 323 Diese marmornen Skulpturen sind überlebensgroß und zwischen 1440 und 1450 zu datieren. Siehe Pagano, La cappella, 1998, S. 5. Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 114, vermutet, dass diese Statuen ursprünglich einen anderen Aufstellungsort hatten. Wo dieser jedoch gewesen sein soll, gibt er nicht an. 324 Offensichtlich wird dies an den Strebepfeilern, wo das Wappen mehrfach angebracht ist. 325 Zum sog. „Baratta-Plan“ von Neapel siehe Ferraro, Napoli, 2003, S. 502; De Seta, Napoli, 1997, S. 105-145; Baratta, Fidelissimae urbis neapolitane, 1986. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 69 eingestürzt ist. Von Sabatino wird die These vertreten, dass diese Kuppelform formal der alten Apsis des Neapler Doms entsprach,326 was einen visuellen und damit programmatisch wichtigen Bezug zwischen der Stiftung des aus dem Seggio di Capuana stammenden Adligen und der dortigen Hauptkirche bedeuten würde. Die Untersuchungen zum Dom werden jedoch bis heute kontrovers diskutiert und erlauben aufgrund der unsicheren Rekonstruktion der ursprünglichen Gestalt kaum gesicherte Rückschlüsse auf weitere Sakralbauten der Stadt.327 Dagegen lässt sich ein anderer formaler Vergleich heranziehen. Besonders auffällig ist die Ähnlichkeit der Kapelle mit jener wenig später und ebenfalls auf einem oktogonalen Grundriss errichteten Grablege des damals einflussreichsten Feudaladligen Giovanni Antonio Orsini del Balzo in der Franziskanerkirche Santa Caterina d’Alessandria im apulischen Galatina (Abb. 15).328 Die evidenten Parallelen in der Kapellengestaltung und der exponierten Lage hinter dem Presbyterium geben einen Hinweis auf die Rezeption der Cappella Caracciolo del Sole,329 deren damalige Prominenz als außergewöhnliche Familienkapelle in Süditalien somit unterstrichen wird. Die Kapelle erscheint in ihrer äußeren Form fast wie ein autonomer Zentralbau, der sich nur mit einer Seite des Oktogons an die Kirche anfügt.330 Diese besondere Position erklärt sich im Inneren von San Giovanni a Carbonara, denn nur dort ist sie mittels eines breiten Durchgangs in der Ostwand des Rechteckchors zugänglich. Diese Wand wird fast vollständig von dem zuvor besprochenen monumentalen Grabmal für König Ladislaus von Anjou-Durazzo (Abb. 11) eingenommen. Der Zugang liefert auch für die Datierung wichtige Anhaltspunkte, denn er ermöglicht einen zeitlichen Zusammenhang 326 Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 143 und S. 140, Abb. 5. Siehe dazu Kap. IV.1.1.1. 328 Dazu auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 143. Sie nimmt an, dass der junge Orsini del Balzo den neapolitanischen Vorläufer bei seiner Auftragsvergabe noch gut in Erinnerung hatte. Die Familie del Balzo war ursprünglich aus Frankreich mit den Anjou nach Neapel gekommen und hatte sich dort seit dem 13. Jahrhundert im Seggio di Capuana angesiedelt. Durch die Vereinigung mit der Familie Orsini entstand im Laufe des 14. Jahrhunderts das feudaladlige Geschlecht der Orsini del Balzo. Die Kirche Santa Caterina d’Alessandria wurde von Raimondello Orsini del Balzo in Galatina Ende des 14. Jahrhunderts gegründet und von seinem Sohn Giovanni Antonio 1460 vollendet, dabei wurde das Oktogon erst Mitte des 15. Jahrhunderts an den Chor angefügt. Zur Kirche und der Familie siehe Mersch/Ritzerfeld/Schiel, Differenzwahrnehmung, 2008; Cassiano/Vetere, Dal Giglio all’Orso, 2006; Russo, La parola, 2005; Zimdars, Die Ausmalungen, 1988; Presta, La basilica, 1984; Antonaci, Gli Affreschi, 1966, bes. Tafel 23. 329 Zur Cappella Caracciolo del Sole und dem Sergianni-Grabmal als Vorläufer für die Galatiner Kapelle und deren Ausstattung siehe Zimdars, Die Ausmalungen, 1988, S. 158f. 330 Dadurch unterscheidet sie sich auch von der Galatiner Kapelle, die mit zwei Seiten an den Rechteckchor der Kirche angrenzt. Als Vergleich könnte man hier die Hauptchorkapelle von SS. Annunziata in Florenz anführen, die im Auftrag von Giovanni Francesco Gonzaga zwar ebenfalls auf einem oktogonalen Grundriss und als Grablege, allerdings erst ab 1444 errichtet wurde. Siehe dazu auch Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988. 327 70 Grit Heidemann-Schirmer zwischen der Anfertigung des Königsgrabmals und dem Bau der Kapelle. Das monumentale Wandgrabmal wurde zwischen 1414 und 1428 in zwei Phasen errichtet, während die Kapellenstiftung Ende des Jahres 1427 erfolgte. Es ist also davon auszugehen, dass es schon vor Vollendung des Königsgrabmals die Idee dieser Kapelle oder zumindest eines weiteren Raumes gab, der sich dahinter anschließen sollte, weshalb man einen Durchgang konzipierte. Parallel dazu wird aufgrund des mangelnden Platzes im Chorbereich, der sich durch das Ladislaus-Grabmal ergab, die Verlegung des Mönchschors in die Cappella Caracciolo del Sole vermutet. Darauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein. Vom Betrachterstandpunkt im Langhaus der Kirche wird die bewusst gewählte Blickachse durch die Öffnung im Königsgrabmal zum genau in dieser Ausrichtung aufgestellten Grabmal für Sergianni (Abb. 16) offensichtlich. Die Einbeziehung des Betrachters unterstreicht einmal mehr die Intention des Stifters, sich als Nachfolger des Königs in dessen Grablege zu proklamieren. Das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole (1433–1449) In dem politisch brisanten Entstehungskontext des Ladislaus-Grabmals, das vor allen Dingen der Legitimation der letzten Anjou-Durazzo diente, wurde auch das Grabmal für Sergianni konzipiert. Aufgrund der engen Beziehungen der Protagonisten zueinander verwundert es nicht, dass die damaligen politischen Ereignisse einen unmittelbaren Einfluss auf dessen Standort und Gestalt ausübten. Das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole (Abb. 17) wird bis heute in der Forschung kontrovers diskutiert, was zum einen den Zustand betrifft, der entweder als teilweise zerstört oder unvollendet gilt.331 Zum anderen kann die Künstlerfrage nicht abschließend geklärt werden,332 denn was die stilistische Zuordnung des Grabmals so 331 Die Forschung geht davon aus, dass es in zwei Phasen errichtet und nie vollendet wurde. Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 112, geht von einem Abbruch der Arbeiten aufgrund des plötzlichen Todes Sergiannis aus. Das abrupte Ende des Grabmals verleitete Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S.48, dazu, ein ursprünglich weiteres Geschoss zu vermuten, welches heute zerstört sei. Siehe zuletzt Quinterio/Cocchieri, Il sepolcro, 2007. 332 Zwar wird Andrea di Guido da Firenze als beteiligter Künstler vermutet, doch nicht allein der Stil, sondern vor allem seine zeitnahe Beteiligung in San Giovanni a Carbonara am Ladislaus-Grabmal und am Grabmal des Ruggiero Sanseverino in der benachbarten Cappella Santa Monica werden als Argumente angeführt. Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, weist darauf hin, dass das Werk keinem Bildhauer eindeutig zuzuschreiben ist, während Venditti, Urbanistica, 1969, S. 804, für die erste Phase Andrea di Guido da Firenze vermutet. Auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 86, nennt Andrea da Firenze und schreibt ihm die Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 71 schwierig macht, ist seine Konzeption, die sich ganz deutlich von dem traditionellen Typus abhebt und einzigartig in Neapel bleiben sollte. Es handelt sich um ein monumentales Wandgrabmal, das aus weißem Marmor gefertigt wurde, mit Gold- und Farbverzierungen versehen ist und vor die östliche Kapellenwand gesetzt wurde, wo es vom Kirchenschiff aus durch die Öffnung im Ladislaus-Grabmal auch heute noch gut sichtbar ist (Abb. 16).333 Das Grabmal besteht aus drei Geschossen, die in ihrer Zusammensetzung noch den traditionellen Aufbau der gotischen Monumente erkennen lassen, der auffällig oft an den Grabmälern des alten Seggio-Adels übernommen wurde.334 Doch zugleich sind auch viele innovative Elemente beigegeben, die der Frührenaissance zuzuordnen sind. Das untere Geschoss wird von drei männlichen Stützfiguren in Gestalt antiker Krieger getragen, die auf einem stark profilierten Sockel stehen. In der hinteren Reihe schließen sich die Personifikationen von Macht und Herrschaft in Gestalt zweier alter Männer an, die in antike Togen gekleidet und mit den Attributen Kugel und Säule sowie Turm und Schwert gekennzeichnet sind. Diese fünfköpfige Figurengruppe ist für ihre Zeit höchst innovativ, denn zuvor wurden fast ausschließlich weibliche Figuren – vorrangig die Tugenden – als Karyatiden an Grabmälern eingesetzt.335 Als lokales Vorbild kann das Grabmal für Ludovico Aldemorisco (Abb. 18) angeführt werden, das 1421 vom Hofbildhauer Antonio Baboccio in San Lorenzo Maggiore errichtet worden war und an den vier Stützpfeilern ebenfalls männliche Krieger präsentiert, die durch die beigegebenen Inschriften mit Familienangehörigen des Verstorbenen zu identifizieren sind.336 Über Neapels Stadtgrenzen hinaus findet sich dagegen kaum ein entsprechendes Vergleichsbeispiel.337 Zu nennen wäre das in der Lombardei befindliche Grabmal für Nischenpilaster zu. Ebenso Negri Arnoldi, La scultura, 1994, S. 131. Sowohl Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 50, als auch Faraglia, La tomba, 1899, S. 23, halten dagegen einen lokalen Bildhauer für das Grabmal verantwortlich und argumentieren im Hinblick auf die künstlerische Umsetzung, die im Vergleich zum Ladislaus-Grabmal als qualitativ minderwertiger anzusehen sei. Zum Bildhauer Andrea di Guido da Firenze und dem Ladislaus-Grabmal siehe noch einmal oben. 333 Auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 151, Anm. 50, verweist auf diese bewusste Setzung des Caracciolo-Grabmals. Die Frage nach dem Standort des Kapellenaltars ist bis heute nicht genau geklärt. Noch vor der Restaurierung der Kapelle war ein barocker Altar direkt vor dem Grabmal Sergiannis aufgestellt, doch gibt es keinen Beleg dafür, dass sich hier auch der ursprüngliche Altar befunden hat. Auf diesen verweisen Regina, Napoli antica, 1994, S. 230; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 45. Serra, Gli affreschi, 1909, S. 121, spricht gar von einem „insignificante e inutile altare“, so auch Faraglia, La tomba, 1899, S. 22. Siehe vor allem die Abbildung bei Bock, Patronage, 2008, S. 581, Abb. 5. 334 Siehe dazu noch einmal oben. 335 Siehe dazu Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 230-232. 336 So auch Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 49. Zum Ludovico Aldemorisco-Grabmal ausführlich siehe Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 187-190, 329-409 u. Kat. Nr. A 4, S. 433-436; Vitale, Élite, 2003, S. 167-175. 337 Die Tugendfigur der Fortitudo von Nicola Pisano an der Kanzel im Pisaner Baptisterium wäre als Vorläufer einer männlichen Stützfigur zu vermuten. Sie ist aber aufgrund ihrer klein dimensionierten 72 Grit Heidemann-Schirmer Vitaliano und Giovanni Borromeo, das in Gestalt und Größe vergleichbare männliche Stützfiguren aufweist.338 Diese als Krieger dargestellten Karyatiden sind aber erst später entstanden, mit einer primär heraldischen Funktion konzipiert und tragen dem Tugendkanon entsprechende Attribute.339 Die drei als antikisierte Krieger dargestellten Figuren am Sergianni-Grabmal tragen Rüstungen, auf denen die Stifterembleme Sonne und Löwe wiederkehren.340 Ihre Darstellung in antiker Kleidung erinnert an die Karyatiden des Grabmals für Kardinal Rinaldo Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (Abb. 42), das wenige Jahre zuvor von Donatello und Michelozzo geschaffen wurde und erstmals auf die Antike rekurrierende Motive in die neapolitanische Grabmalslandschaft eingeführt hat.341 Weitere Gegenstände sind den Karyatiden am Sergianni-Grabmal beigegeben. Während der linke Krieger mit seinem kurzen Gladus in Händen als der Jüngste der Gruppe zu identifizieren ist, wirkt der rechte Krieger etwas älter. Er hält in der einen Hand die körperlichen Überreste einer geköpften Schlange und in der anderen das verwendete Beil. Der mittlere, bärtige Krieger erscheint als der Älteste der Gruppe. Er trägt die Attribute eines der großen antiken Helden in seinen Händen, und zwar eine Keule und einen offensichtlich damit erlegten Löwen. Der Verweis auf Herkules könnte nicht deutlicher sein, auch wenn der Löwe das Wappentier der Caracciolo darstellt.342 Der Mythos von Herkules beziehungsweise Herakles, der schon in der griechischen Antike „als unsterbliches Ideal eines Mannes [galt], der sich, vom Schicksal dazu auserkoren, dem Wohle der Menschheit opferte“343, war schon damals sehr populär. Doch hier scheint es sich erneut um die Repräsentation konkreter Familienmitglieder zu handeln. Mittelstellung zwischen den Säulen und dem Kanzelpult bei weitem nicht so präsent wie die kolossalen Karyatiden am Sergianni-Grabmal. Siehe dazu u.a. Melcher, Die mittelalterlichen Kanzeln, 2000, S. 300; Seidel, Die Kanzel als Bühne, 1993, S. 28f. 338 Schon Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 49, und Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, verweisen beim Sergianni-Grabmal auf die nach 1445 errichteten Borromeo-Grabmäler auf der Isola Bella in Oberitalien. 339 Siehe dazu ausführlich Gentilini, Virtù, 1997. 340 Jüngst hat Bock, Patronage, 2008, S. 582, darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Darstellung große Parallelen zu den Rüstung tragenden Figuren „from the destroyed cycle of the uomini famosi painted by Masolino, […], for Cardinal Orsini in Monte Giordano in 1432“ aufweist. Zu diesem Zyklus im Kontext des Sergianni-Grabmals siehe auch Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008, S. 294f. 341 Siehe dazu Kap. IV.1.2. 342 Auch Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 246, identifiziert diese Figuren als „weltliche Karyatiden“, die allerdings nicht als eindeutig erkennbare Familienmitglieder, sondern als „antikische Helden“ zu interpretieren seien, welche eine mythologische Überhöhung der Caracciolo-Familie durch die Präsenz ihrer Embleme veranschaulichen würden. Einen Interpretationsversuch als Herkules gibt Bock jedoch nicht. 343 Wappenschmidt, Metamorphosen, 2004, S. 20. Auch Jorde, Cristoforo Landinos, 1995, S. 137, weist darauf hin, dass der Herkules-Mythos eines der beliebtesten „Exempla“ innerhalb der Nobilitas-Debatte des Quattrocento war und der antike Held als „wahrhaft Edler“ interpretiert wurde. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 73 Als Auftraggeber des Grabmals kann Sergiannis Sohn Traiano angeführt werden und so ließe sich auch der Wunsch nach Rehabilitierung des Ermordeten im Verständnis seiner Hinterbliebenen interpretieren. Demzufolge erscheint es plausibel, Sergianni als historisches Exemplum des Herkules zu identifizieren, während der links daneben befindliche junge Krieger offenbar seinen Sohn Traiano darstellt, der Krieger rechts dagegen den jüngeren Bruder Sergiannis, Marino Caracciolo, auf den gleich noch zurückzukommen sein wird.344 In der zweiten Ebene des Grabmals befindet sich der Sarkophag des Verstorbenen, dessen Ecken risalitartig vorspringen und Muschelnischen mit den Tugenden Magnanimitas und Fides enthalten. Auf der Frontseite ist mittig ein großes Relieffeld eingelassen mit einem runden, von zwei geflügelten Genien gehaltenen Lorbeerkranz, in dem sich die Familienembleme Löwe und Sonne befinden.345 Daneben schließen sich halbplastische Krieger an, während der untere Rand des Sarkophags vegetabil ornamentiert ist und drei Löwen als apotropäische Zeichen aufweist. Unterhalb des Sarkophags ist das Familienwappen mit den Initialen des Stifters in gleicher Weise wie außen an der Kapellenwand angebracht und an den Seiten wird der Erzengel Michael im Kampf gegen den Drachen präsentiert. Über dem Sarkophag folgt ein hoher Rahmen in Attikaform, der folgende, von dem Humanisten Lorenzo Valla,346 verfasste Inschrift trägt: „NIL MIHI NI TITVLVS SVMMO DE CVLMINE DE[E]RAT. REGINA MORBIS INVALIDA ET SENIO/ F[O]ECVNDA POPVLOS PROCERESQVE IN PACE TVEBAR. PRO DOMIN[A]E IMPERIO NVLLIVS ARMA TIMENS/ SED ME IDEM 344 LIVOR QVI TE Diese drei Caracciolo würden damit nicht nur das legendär bis in die Antike zurückführende Alter ihrer Familie, sondern auch deren Stärke in Gestalt siegreicher antiker Krieger versinnbildlichen. Zur Interpretation dieser Figuren als „Familienangehörige des Bestatteten“ siehe auch Vitale, Èlite, 2003, S. 168, die zudem ebenfalls die mittlere Figur als Herkules interpretiert. Dies., Nobiltà, 2000, 385, macht auch den Vorschlag, die drei Figuren als Sergiannis Brüder Marino und Urbano sowie Sergiannis Sohn Traiano zu interpretieren. In ähnlicher Weise konnte Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 32, die männlichen Karyatiden am Aldemorisco-Grabmal in San Lorenzo Maggiore als Familienmitglieder des Verstorbenen identifizieren. Ebenso Vitale, Élite, 2003, S. 167. Auch Gentilini, Virtù, 1997, S. 50, versucht, die Kriegerstatuen am Borromeo-Grabmal auf konkrete Familienmitglieder zu beziehen. Allgemein zur „Genealogie als Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit“ siehe Heck/Jahn, Genealogie, 2000. Außerdem Kellner, Ursprung und Kontinuität, 2004. 345 Die Darstellung des Verstorbenen als Porträt bzw. die Verwendung einer Inschrift in einem runden Kranz, der von geflügelten Wesen, wie z.B. Eroten oder Victorien gehalten wird, war auf römisch-antiken Sarkophagen seit der Mitte des 2. Jahrhunderts ein beliebtes Motiv. Allgemein dazu Koch, Sarkophage, 1993, S. 89f. 346 Diese Zuschreibung geben Caracciolo, Vita, 1843, S. 79, und De Stefano, Descrittione, 1560, S. 154. So auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 88; Thoenes, Neapel, 1971, S. 158. Ausführlich zu Lorenzo Valla (1407-1457) siehe Santoro, Valla e Napoli, 2007; Hoffmann, Philosophie in Italien, 2007, S. 217231. Im neapolitanischen Kontext vor allem Bentley, Politics and Culture, 1987, bes. S. 108-122. 74 Grit Heidemann-Schirmer FORTISSIME C[A]ESAR. SOPITVM EXTINXIT NOCTE IVVANTE DOLOS/ NON ME SED TOTVM LACERAS MANVS IMPIA REGNVM. PARTHENOPESQVE SVVM PERDIDIT ALMA DECVS.“347 Die Inschrift spiegelt ganz offensichtlich die Auffassung Sergiannis wider, der eigentliche Herrscher neben Johanna II. von Anjou-Durazzo zu sein, dem nur der Königstitel fehle. Durch diese Forderung und gleichzeitige Verurteilung der Ermordung Sergiannis wollte Traiano als Auftraggeber des Grabmals augenscheinlich den Vater politisch rehabilitieren und dessen Taten sowie gleichermaßen sich selbst legitimieren. Neben der Inschrift sind zu beiden Seiten weitere Figurennischen mit den Tugenden Caritas und Temperantia in die Pfeiler eingelassen. Am Grabmal wurden demnach traditionelle Tugenden eingesetzt, die zusammen mit den männlichen Personifikationen der Macht und Herrschaft das Bild des ehemals politisch mächtigen Verstorbenen moralisch-vorbildlich wiedergeben sollten, dabei aber eine Neuaufstellung aus dem Sockelgeschoss in die Pfeilernischen erfahren haben. Die moralisch konnotierte Auffassung wird durch die frontal gesetzte Herkules-Figur unterstrichen und erhält damit zugleich eine heroisierende Komponente, die die Vermutung nahe legt, dass Sergianni als vorbildhafter Ahnherr der Familie Caracciolo del Sole vermittelt werden sollte.348 Über dem Inschriftfeld würde dem traditionellen Grabaufbau entsprechend die camera funebris mit dem Gisant des Verstorbenen folgen, doch ist hier mittig eine Standfigur Sergiannis in derselben Achse zur unten befindlichen Herkules-Figur aufgestellt.349 Sie markiert zusammen mit den zwei flankierenden Löwen die dritte Ebene des Grabmals. Der direkt vor dem Fenster gewählte Standort der Statue hinterlässt durch das stark einfallende Licht einen etwas unausgewogenen ästhetischen Eindruck. Aus dem vielfältigen Einsatz des Stifteremblems der Sonne am Grabmonument und im Kapellenraum kann man jedoch schlussfolgern, dass der Einfall der Sonnenstrahlen ganz bewusst für die Aufstellung des zum Gedenken auffordernden Stiftergrabmals 347 Folgendermaßen zu übersetzen: „Nichts fehlte mir oben auf dem Gipfel außer ein Titel. Weil die Königin von Krankheit schwach und vom Alter gebeugt war, gab ich im Frieden Acht auf die Völker und die Nachkommen, für das Reich der Herrin keine Waffen fürchtend. Aber als ich schlief, löschte mich aus derselbe Neid, wie dich, tapferster Cäsar, tückenhaft im Schutze der Nacht. Nicht mich, sondern das ganze Königreich hast du zerrissen, frevlerische Hand, und das holde Parthenope richtete zugrunde seine Zier.“ 348 Zur herausgehobenen Bedeutung des Ahnherrn für das Herkunftsbewusstsein adliger Familien siehe auch Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990, S. 67 u. ff. 349 Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, geht davon aus, dass das Grabmal nie vollendet wurde und nimmt für diese Statue die ursprünglich gedachte Position an der Spitze des Grabmals an. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 75 eingeplant worden war.350 Nicht nur durch diesen besonderen Standort, sondern auch in ihrer Motivwahl ist diese Standfigur im Kontext der damaligen neapolitanischen Grabmalslandschaft als einzigartig einzustufen.351 Wird der Blick für gewöhnlich nach Nord- und Mittelitalien gelenkt, um etwaige Vorbilder zu finden,352 so kann man an dieser Stelle den Bezugsrahmen innerhalb Süditaliens ziehen. In der schon oben besprochenen Familienkapelle der Orsini del Balzo im apulischen Galatina findet sich am 1420–1430 gefertigten Grabmal für Raimondello (Abb. 15a) eine vergleichbare vollplastische Stifterfigur, die den oberen Abschluss bildet und als Ideenvorlage für das Sergianni-Grabmal gedient haben dürfte, unabhängig ihrer nicht ganz eindeutigen stehenden oder knienden Position.353 Die Baldachinpfeiler des neapolitanischen Monuments schließen über zwei weiteren Nischen mit einer darin aufgestellten Verkündigungsgruppe abrupt ab und unterstützen den unvollendeten Charakter. Da uns Dokumente zur Auftragsvergabe fehlen, kann man die Konzeptionsfrage heute nicht mehr eindeutig beantworten.354 Ein mögliches Indiz zur Nichtvollendung des Sergianni-Grabmals liefert die kleine Inschriftentafel, die sich links unter dem Stützengeschoss befindet und in der Forschung mit dem verloren geglaubten obersten Geschoss in Verbindung gebracht wird.355 Sie lautet: 350 Ein Vergleich ließe sich hierzu mit der Arena-Kapelle in Padua ziehen, wo zu einem bestimmten Zeitpunkt die Sonnenstrahlen direkt auf den Eingang des im Fresko verbildlichten Kapellenmodells fallen, das der Stifter Scrovegni Maria darbietet. Siehe hierzu Thomas, Sonneneffekte, 1995, S. 284, Abb. 5. 351 Auch Michalsky, Strukturiertes Gedächtnis, 2005, S. 213f., Anm. 37, bezeichnet diese Standfigur als „in der Sepulkralplastik dieser Zeit noch ungewöhnlich“ und Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 246, betitelt das Sergianni-Grabmal aufgrund der Standfigur als ein „Ehrenmal“, welches bis zu diesem Zeitpunkt einzigartig in Neapel war. 352 Michalsky, Strukturiertes Gedächtnis, 2005, S. 213f., Anm. 37, führt beispielsweise das Grabmal für Pietro Mocenigo in Venedig als Vergleichsbeispiel an, das jedoch erst in den späten 1470er Jahren entstanden ist. Man könnte auch auf einzelne Grabmäler der französischen Könige aus dem 13. Jahrhundert verweisen, an denen erstmals die „Grabfigur als Standfigur“ auftritt. Vgl. Körner, Grabmonumente, 1997, S. 146f. Schmidt, Typen, 1990, S. 22, wiederum nennt das Grabmal für Enrico Scrovegni in der Paduaner Arena-Kapelle wiederum als den „Prototyp“ eines „Standbildes über dem Grab“. Doch auch das wenig früher entstandene Grabmal in Galatina scheint eine Vorbildfunktion für das Sergianni-Grabmal eingenommen zu haben. 353 Zum Grabmal für Raimondello Orsini del Balzo siehe Zimdars, Die Ausmalungen, 1988, S. 82-84, die die Positionierung der Stifterfigur als nicht eindeutig beschreibt: „In der Mitte auf dem Gebälk steht oder kniet eine wohl ehemals betende Figur.“ Vgl. ebd., S. 84. 354 Auch das um 1446-1463 gefertigte Grabmal für Giovanni Antonio Orsini del Balzo in der Galatiner Kapelle gilt als unvollendet, doch zieht Zimdars, Die Ausmalungen, 1988, S. 159f. u. 173f., hier einen formalen Vergleich mit dem Ladislaus-Grabmal. Durch diese bewusste Retrospektivität folgt es als Legitimationsargument der einst mit dem König sehr eng verbundenen Familie der Orsini del Balzo. Zur Beziehung der Familie Orsini del Balzo durch die Heirat der Witwe Maria D’Enghien mit König Ladislaus von Anjou-Durazzo siehe ebd., S. 88f. Demgegenüber ist, wie oben schon angeführt, das Sergianni-Grabmal eher mit dem Monument für Raimondello in Verbindung zu bringen. 355 Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 48-51. Allerdings lokalisiert auch schon D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 160, diese Inschriftentafel unterhalb des Grabmonuments, woraus zu schlussfolgern wäre, dass das Grabmal mit den beiden Inschriften entweder so konzipiert wurde oder 76 Grit Heidemann-Schirmer „SYRIANNI CARAZOLO AVEL/ LINI COMITI VENVSII DVCI/ AC REGNI MAGNO SENESCAL/ LO ET MODERATORI TRAIANVS/ FILIVS MELPHIAE DVX PARENTI/ DE SE DEQ[VE] PATRIA OPTIME/ MERITO ERIGENDVM CVRAVIT/ MCCCCXXXIII.“356 Diese Inschrift verlieh nicht nur der Stiftung des Grabmals einen auf Dauer angelegten Nachdruck, sondern sie verweist auf den hohen sozialen Status des Verstorbenen, der zusammen mit seinem Sohn in den Titeladel aufgestiegen war.357 Es ist zu vermuten, dass nach dem Tod von Traiano im Jahre 1449 die Arbeiten am Grabmal eingestellt wurden und – meines Erachtens – der die Stifterfigur bekrönende Baldachin nicht zur Vollendung kam.358 Dessen ungeachtet übernahm Marino Caracciolo offenbar die Umsetzung der weiteren Kapellenausstattung, wodurch sie zu einer der ersten Kapellen der Frührenaissance in Süditalien avancierte.359 In der Forschung geht man davon aus, dass der Bau eine spätere Umgestaltung im Inneren erfahren hat, die mit der Freskenausmalung in unmittelbarer Verbindung steht.360 Das Freskenprogramm der Kapelle Sämtliche acht Wände der Cappella Caracciolo del Sole sind mit Fresken ausgemalt (Abb. 19), die in verschiedene Register unterteilt und nachweislich von den Malern Leonardo da Besozzo und Perinetto da Benevento angefertigt wurden.361 nach seiner Zerstörung, die noch vor D’Engenios Ausführungen von 1623 stattgefunden haben müsste, in der heute sichtbaren Weise notdürftig zusammengesetzt wurde. 356 Folgendermaßen zu übersetzen: „Sergianni Caracciolo, dem Grafen von Avellino, Herzog von Venusium, Großseneschall und Leiter des Reiches, der sich um ihn [Traiano] und das Vaterland bestens verdient gemacht hat, besorgte der Sohn Traiano, Herzog von Melfi, die Errichtung [dieses Grabmals], 1433.“ 357 In der bisherigen Forschung wird Sergiannis Sohn mit Troiano betitelt, während die Inschrift am Grabmal den Namen TRAIANVS anführt. Da die Forschung keine Erläuterung für den von ihr eingesetzten Namen liefert, folge ich der Inschrift und bleibe bei der Benennung des Sohnes als Traiano Caracciolo. Ebenso bei Caracciolo, Vita, 1843, S. 70; De Stefano, Descrittione, 1560, S. 155. Auch Lionello bezeichnet in seiner Stadtbeschreibung von 1444 Sergiannis Sohn als „Trayano“. Vgl. Foucard, Fonti di storia napoletana, 1877, S. 735. 358 Das Todesjahr Traianos nennen Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008, S. 295; Arbace, Il pavimento, 1998, S. 26. 359 Siehe u.a. Sabatino, La fravica, 2002, S. 143; Pagano, La cappella, 1998, S. 5; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 112. 360 Siehe dazu u.a. Pagano, San Giovanni, 1999, S. 78; Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 45. 361 Zu beiden Malern, die unter den Fresken signiert haben, siehe vor allem Urbani, Leonardo da Besozzo, 1953; Donatone, Documenti, 1988. Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 45, geht Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 77 Mit Ausnahme des Eingangs im Westen und der östlichen Wand, vor der das Stiftergrabmal aufgestellt ist, befindet sich in dem unteren Register die Thebais (Abb. 20). Sie ist auf sechs aneinander gereihte Fresken verteilt und zeigt verschiedene Szenen aus dem Leben der Eremiten. Die Auffassung Musellas, dass die dargestellten Episoden zusammenhanglos aneinander gefügt seien,362 kann ein Vergleich mit der etwa ein Jahrhundert früher entstandenen Thebais im Pisaner Camposanto revidieren. Dabei handelt es sich zwar um ein einziges monumentales Fresko, in dem in drei übereinander liegenden Bildzonen die Szenen aus dem Leben der Eremiten mit erklärenden Inschriften veranschaulicht werden.363 Der Inhalt dieser Szenen, nämlich das Leben der „ersten Eremiten und Mönche der Christenheit“364, ist jedoch biographisch wiedergegeben und den Szenen in den Neapler Fresken sehr ähnlich. Auch hier werden die Eremiten bei ihrer „ländliche[n] Handarbeit“365, im Gebet oder im gemeinsamen Gespräch in einer hügeligen und kargen Landschaft, die nur teilweise von Bäumen und wenig Architektur gegliedert wird, gezeigt. Daran schließen sich einzelne Legendendarstellungen an,366 wobei die künstlerische Umsetzung ihrer jeweiligen Entstehungszeit geschuldet ist.367 Was sich in der Cappella Caracciolo del Sole von den Pisaner Szenen unterscheidet, sind die fehlenden inschriftlichen Erläuterungen. Die in diesem Raum anwesenden Augustiner-Eremiten bedurften sicherlich keiner erklärenden davon aus, dass Perinetto da Benevento zwischen 1454 und 1459 in Neapel tätig war. Serra, Gli affreschi, 1909, S. 124f., liefert dazu dokumentarische Belege. Laut Pagano, La cappella, 1998, S. 6, war Leonardo da Besozzo 1438 in der Neapler Kirche San Lorenzo Maggiore tätig. Cirillo Mastrocinque, Leonardo da Besozzo, 1978, S. 44, gibt den Zeitraum von 1433 bis 1454 für den Neapel-Aufenthalt Leonardo da Besozzos an. Zu diesem siehe auch Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008; Serra, Gli affreschi, 1909, S. 131-134, der die Jahre 1428, 1454, 1456, 1458 und 1488 als dokumentarisch belegte Aufenthalte Leonardo da Besozzos in Neapel nennt. Für die neben den Fenstern dargestellten Heiligen wird zudem ein dritter, unbekannter Maler vermutet. Urbani, Leonardo da Besozzo, 1953, S. 301, nennt Antonio da Fabriano, so auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 87. Zu diesem siehe u.a. Cleri, Antonio da Fabriano, 1997. 362 Vgl. Musella, Napoli, 2000, S. 274. 363 Dieses Fresko wurde von Buonamico Buffalmacco zwischen 1330 und 1345 gemalt. Ausführlich dazu siehe Frojmovič, Eine gemalte Eremitage, 1989. 364 Ebd., S. 201. 365 Ebd., S. 205. Eine ausführliche Bildbeschreibung, jedoch ohne Nennung von Namen der Dargestellten, gibt Serra, Gli affreschi, 1909, S. 122-124. 366 So finden wir zum Beispiel sowohl in Pisa als auch in Neapel zum einen die Szene, in der der tote Onuphrius von Paphnutius „mit Hilfe zweier Löwen [...] begraben wird“, zum anderen die Ordensheiligen Paulus Eremita, Antonius und Hilarion im Kampf gegen den Teufel. Vgl. Frojmovič, Eine gemalte Eremitage, 1989, S. 204. Musella, Napoli, 2000, S. 274, nennt für die Neapler Szenen zwar auch diese Ordensväter, meint jedoch, in fast allen Fresken den Hl. Augustinus zu erkennen. 367 Fast zeitgleich zu der Thebais in Neapel sind die Eremiten-Szenen in der Kirche S. Salvatore in Lecceto entstanden, welche eine ähnlich detaillierte Architekturkulisse präsentieren, die der Entstehungszeit zuzurechnen ist. Die Fresken in Lecceto haben jedoch einen anderen thematischen Schwerpunkt als in Neapel und Pisa. Zu diesen Eremiten-Szenen siehe u.a. Marcelli, Il deserto, 2000, S. 135-142. Etwas früher, um 1420 entstanden die Darstellungen aus dem Leben des Hl. Antonius in der Kirche Sant’Agostino in Gubbio, die jedoch weder inhaltlich noch stilistisch in Relation zu den Fresken in der Cappella Caracciolo del Sole zu setzen sind. Dazu Elliott, Augustine, 2007, S. 123f. 78 Grit Heidemann-Schirmer Inschriften, da sie die Vitae Patrum kannten und somit auch die Darstellungen mit den Legenden identifizieren konnten. Demgegenüber war im Pisaner Camposanto vor allem das Laienpublikum als Rezipient für die Thebais vorgesehen, die zu ihrer Entstehungszeit eine völlig neue Ikonographie lieferte.368 Eine Szene fällt in der Cappella Caracciolo del Sole besonders auf, die in Pisa nicht vorhanden ist. Sie zeigt zwei Mönche, die zusammen mit einem Engel musizieren (Abb. 21). Diese Episode gab Trinchieri Camiz Anlass dazu, der Kapelle eine Zweitfunktion als Mönchschor zuzuschreiben.369 Ihr Argument dazu ist die detailgenaue Wiedergabe eines zeitgenössischen Musikinstruments, das der Organologe Edwin M. Ripin „as one of the earliest depictions of the clavichord“370 bezeichnet, und das die Musik interessierten Augustiner-Eremiten offensichtlich kannten, ja sicherlich sogar selbst nutzten.371 Eine mögliche Verlagerung des Mönchschors nach der Aufstellung des Königsgrabmals im Presbyterium in die Kapelle liegt nahe, wie ein Vergleich mit anderen Kapellen zeigt.372 In den Apsiden beziehungsweise in den Chorkapellen der mittelalterlichen Augustiner-Kirchen wurden bevorzugt Szenen aus dem Marienleben dargestellt.373 Die Cappella Caracciolo del Sole folgt als eine Chorscheitelkapelle dieser augustinischen Tradition.374 Ob sie dabei auch die Funktion als Mönchschor übernahm, ist zwar nicht eindeutig zu beantworten, soll aber durch die hier aufgeführten Thesen zur weiteren Diskussion gestellt werden. Über dem Kapelleneingang und an den flankierenden Seitenwänden sind in den oberen Registern Szenen aus dem Leben der Jungfrau Maria dargestellt (Abb. 22).375 Dabei handelt es sich um die „Marienkrönung“ als größtes Fresko im Raum, weiterhin die 368 Siehe dazu Frojmovič, Eine gemalte Eremitage, 1989, S. 205. Vgl. Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 54. 370 Zitiert nach ebd., S. 41f., Anm. 2. 371 Zur Musikausbildung bei den Augustiner-Eremiten siehe ebd., S. 59. Wie wichtig den Mönchen die Musik war, zeigen die Konstitutionen des Augustiner-Eremiten-Ordens, die vorschrieben, dass jeder größere Konvent eine Gesangsschule beinhalten müsse und dass nur diejenigen Novizen aufgenommen würden, die fähig zum Singen seien. Siehe Gutièrrez, Geschichte des Augustinerordens, 1985, S. 13; ebd., 1982, S. 122. 372 Siehe dazu auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 141f. Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 55f., zieht dazu den Vergleich mit der Chorkapelle in SS. Annunziata und anderen Florentiner Kirchen. 373 Siehe dazu Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 46. Laut Reinle, Zeichensprache, 1984, S. 165, war es seit dem Mittelalter üblich, den Chorkapellen das Marienpatrozinium zu übertragen. Ebd., S. 175, verweist auf den spätantiken Vorläufer, die Sancta Maria Rotunda in Rom. 374 Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, betitelt die Positionierung der Kapelle hinter dem Chor nach „Art hochgotischer Marienkapellen“. Im Vergleich dazu siehe auch die mittelalterlichen englischen Lady Chapels. 375 Eine ausführliche Beschreibung der Szenen gibt Serra, Gli affreschi, 1909, S. 127-131. 369 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 79 „Geburt der Jungfrau“ und darüber die „Verkündigung“ links sowie der „Tempelgang Marias“ und der „Marientod“ rechts. Die Leserichtung dieser fünf Szenen kreuzt bei jedem Wechsel von einem Bild zum anderen die „Marienkrönung“ und kulminiert schließlich in diesem bedeutendsten Motiv der Verherrlichung der Mutter Gottes. Bezeichnenderweise wurde das Grabmal des Kapellenstifters direkt gegenüber aufgestellt, so dass sich dieser seines Seelenheils im Angesicht der himmlischen Fürbitterin vergewissern konnte. Darüber hinaus wurde Sergianni in einigen Szenen identifiziert. So findet man ihn in der linken unteren Ecke der „Marienkrönung“, wo er – Filangieri di Candida zufolge – mit weiteren „Männer[n] aus dem Hause der Caracciolo“ dargestellt ist.376 Dadurch wird das Heilsgeschehen zum Bild im Bild, vor dem der Stifter, neben anderen, betet. In gleicher Weise ist seine Anwesenheit im Fresko „Geburt der Jungfrau“ (Abb. 22a) zu verstehen, dessen Hauptszene Anna im Wochenbett darstellt,377 vor deren Treppenzugang der Kapellenstifter auftritt. Die Mutter Marias wird hier von mehreren Frauen umringt, unter denen Delle Foglie die Ehefrau Sergiannis, Caterina Filangieri, in ihrer zeitgenössischen Kleidung mit dem gemeinsamen Sohn Traiano erkannt hat.378 Verfolgt man diese historische Bezugnahme weiter, dann ließe sich jene Person, die direkt hinter Sergianni am Pfeiler steht, mit seinem jüngeren Bruder Marino identifizieren, dem die Figur rechts hinter dem Stiftergrabmal augenscheinlich entspricht. Die Anwesenheit Sergianni Caracciolo del Soles neben weiteren Familienangehörigen als historische Exempla war offensichtlich darauf ausgerichtet, den in diesem Raum betenden Mönchen die Stifterfamilie dauerhaft vor Augen zu führen und an die vertraglich festgehaltene Seelenfürsorge zu erinnern. In den fünf anschließenden Wänden sind um die Lanzettfenster die vier Evangelisten mit den zwölf Aposteln (Abb. 23) angeordnet,379 von denen Petrus und Paulus (Abb. 23a) das Stiftergrabmal zu umringen scheinen. Unterhalb dieser beiden Heiligen erkennt man zwei kleiner dimensionierte weltliche Personen, die mit ihrer 376 Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 54. Außerdem Cirillo Mastrocinque, Leonardo da Besozzo, 1978, S. 43-48. 377 Zu dieser in der italienischen Frührenaissance geläufigen Szene siehe Sachs/Badstübner/Neumann, Wörterbuch, 2004, S. 35. Außerdem Feigel, S. Anna im Wochenbett, 1914/15. 378 Vgl. Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008, S. 296, die in der den Betrachter ins Bild führenden Figur am linken unteren Bildrand zudem den ausführenden Maler Leonardo da Besozzo vermutet. 379 Eine Identifizierung der Heiligenfiguren hat in der bisherigen Forschung kaum stattgefunden. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 56, tut deren Bedeutung als dekorativen Schmuck ab. Allein Urbani, Leonardo da Besozzo, 1953, S. 301, versucht eine partielle Interpretation, verweist jedoch auf den schlechten Erhaltungszustand der Fresken, der die Identifizierungen erschwert. Er verweist erstmals auf die Evangelisten. Vgl. ebd., S. 303f., Abb. 8-12. 80 Grit Heidemann-Schirmer zeitgenössischen Kleidung und ihrer Körperdrehung eine visuelle Verbindung mit dem am Grabmal vergegenwärtigten Verstorbenen eingehen. Eine mögliche Interpretation als Traiano und Marino Caracciolo wie schon bei den Stützfiguren am Grabmal wäre nahe liegend und wird an anderer Stelle noch einmal aufgegriffen. Weitere Ausstattungselemente in der Kapelle Der Fußboden der Kapelle ist komplett mit aufwendig gestalteten Majolika-Fliesen (Abb. 24) dekoriert,380 die auf das Grabmal Rücksicht nehmen und post quem zu datieren sind. Sie geben florale, geometrische und figürliche Dekorvariationen wieder, die um drei emblematische Motive arrangiert sind. Dabei handelt es sich erneut um die Sonne und den Löwen als Familienembleme der Caracciolo del Sole sowie um ein „M“, das seine formale Entsprechung auf der Grabplatte für Marino Caracciolo (Abb. 25) rechts neben dem Grabmal seines Bruders Sergianni findet.381 Marino begnügte sich offenbar mit einer einfachen Grabplatte, auf der das Familienwappen und seine Initiale wiedergegeben sind. In der Umrandung wird sein Todesdatum, der 12. März 1467, genannt, das einen wichtigen Anhaltspunkt für die Datierung der Kapelle liefert. Die Datierungsproblematik der Kapelle Wie im Laufe dieser Untersuchung zur Cappella Caracciolo del Sole ersichtlich wurde, stellt sich eine genaue Datierung der Kapelle als problematisch dar. Es stehen mehrere Daten zur Verfügung, die den architektonischen Bau und die Kapellenausstattung zeitlich unterschiedlich einordnen. Daher werden die Jahreszahlen im Folgenden noch einmal aufgeschlüsselt und in eine chronologische Reihenfolge gebracht. Die Stiftung der Kapelle erfolgte nachweislich in zwei Schritten im Jahre 1427. Bis zum Tod des Auftraggebers 1432 war der Bau schon so weit vorangeschritten, dass eine Bestattung Sergiannis darin ermöglicht werden konnte. Das Grabmal wurde im darauf folgenden Jahr begonnen, wie es die kleine Inschriftentafel dokumentiert. Auftraggeber war der Sohn des Kapellenstifters, Traiano Caracciolo. Offenbar gerieten die Arbeiten 380 381 Siehe dazu vor allem Middione, Storia, 1998. Zu Marino Caracciolo siehe Petrucci, Caracciolo, 1976; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 130f. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 81 am Grabmonument nach dem Tod der letzten Königin aus dem Hause Anjou-Durazzo 1435 ins Stocken, da die darauf folgenden kriegerischen Zustände in Neapel kaum eine Weiterführung erlaubten und auch Traiano zeitweilig eingesperrt sowie aller Güter und Titel beraubt war. Seine Rehabilitierung und Wiederaufnahme des Titels als Herzog von Melfi im Jahre 1441,382 der in der kleinen Inschrifttafel am Grabmal erwähnt wird,383 lassen vermuten, dass ab diesem Zeitpunkt die Fertigstellung des Grabmals vorangetrieben wurde. Im darauf folgenden Jahr kam es zum Dynastienwechsel in Neapel, indem Alfons von Aragon den Thronfolgestreit für sich entschied. Die wenig später einsetzenden, auf die antiken Wurzeln der Stadt zurückweisenden Impulse, welche durch die Förderung humanistischer Gelehrter vom neuen Königshof ausgingen,384 fanden auch ihren Niederschlag am Sergianni-Grabmal, sowohl in der motivischen Umsetzung als auch in der Valla-Inschrift über dem Sarkophag. Es ist davon auszugehen, dass die Arbeiten am Grabmal im Todesjahr von Traiano Caracciolo (†1449) schließlich beendet wurden und der Baldachin nicht mehr seine Ausführung fand. Dessen ungeachtet übernahm Marino Caracciolo die Vollendung der Kapellenausstattung. Die Ausmalung des Kapellenraumes und die Gestaltung des Fußbodens wurden insofern erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen. Dies lässt sich zum einen mit den Neapel-Aufenthalten der beiden ausführenden Maler Leonardo da Besozzo und Perinetto da Benevento belegen, aus denen zu schlussfolgern ist, dass die Fresken in den 1450er Jahren entstanden sind. Sehr wahrscheinlich waren die Konventsmitglieder von San Giovanni a Carbonara am Freskenprogramm beteiligt, das vielleicht noch in Absprache mit dem Kapellenstifter geplant worden war, da dieser in zwei Szenen dargestellt ist und auch sein Grabmal einen axialen Bezug auf die „Marienkrönung“ nimmt. Als eigentlicher Auftraggeber der Fresken ist jedoch Marino 382 Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 126, führt dagegen das Jahr 1443 zur Wiederaufnahme des Herzogtitels an Traiano durch den neuen König Alfons von Aragon an. 383 Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 246, nimmt an, dass das Grabmal noch vor dem Tod Sergiannis begonnen wurde, weil dieser 1432 darin seine letzte Ruhestätte fand. Die Epigraphik der separat gesetzten Inschriftentafel ist laut Bock eine stilistisch andere als jene über dem Sarkophag, welche wiederum vergleichbar mit den Inschriften am Ladislaus-Grabmal vom Ende der 1420er Jahre wäre. Andere deuten die separat gesetzte Inschrift als Hinweis auf die Errichtung des Grabmals im Jahre 1441, begründet durch die Betitelung Traianos als „Melphiae Dux“. Siehe u.a. Pagano, San Giovanni, 1999, S. 86; Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 45. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 51, nimmt eine Unterbrechung der Arbeiten während der Thronfolgestreitigkeiten zwischen den Angiovinen und Aragonesen nach dem Tod der Königin 1435 bis zum Wechsel der Dynastien 1442 an. Auch er geht von einem Beginn der Aufstellung im Jahr 1432 aus. 384 Siehe dazu vor allem Beyer, Parthenope, 2000 und Bentley, Politics and Culture, 1987. 82 Grit Heidemann-Schirmer Caracciolo zu nennen,385 der offensichtlich auch den Majolikafußboden stiftete und sich neben seinem älteren Bruder bestatten ließ.386 Sein auf der Grabplatte genanntes Todesjahr 1467 bildet gleichsam den terminus ante quem für die Vollendung der Familienkapelle. Die Funktion und der Bedeutungsgehalt der Kapelle Die Cappella Caracciolo del Sole erfüllte mehrere Funktionen, die sich in ihrer Architekturform und dem Ausstattungsprogramm manifestierten.387 Sie wurde primär von Sergianni als Familiengrablege in Auftrag gegeben, was durch die vorhandenen Gräber bestätigt wird. Ihr besonderer Standort als Chorscheitelkapelle, die zudem weitaus mehr Platz als der davor befindliche Rechteckchor bot, eröffnete den ansässigen Augustiner-Eremiten einen neuen Raum für die Liturgie. Dass diese Kapelle nach der Einengung des Presbyteriums durch das monumentale Königsgrabmal eine Zweitfunktion als Mönchschor erfuhr, findet einen argumentativen Rückhalt im Freskenprogramm, an dessen Konzeption die Konventsmitglieder sicherlich beteiligt waren.388 Die bildkontemplative Thebais ermöglichte den anwesenden Mönchen eine Gottesschau in eremo, die für sie zur Rückbesinnung auf ihre grundlegenden Werte im Angesicht der angrenzenden großen Stadt von fundamentaler Bedeutung war. Darüber schließen sich die Heiligen und die Szenen aus dem Leben der Gottesmutter an, welche einen spirituellen Übergang für die in diesem Raum betenden Mönche ermöglichten. Gleichsam konnte sich der Stifter um die Fürsorge seines Seelenheils durch die hier stattfindende liturgische Memoria und im Angesicht der in den Fresken thematisierten himmlischen Fürbitter sicher sein. 385 Laut Arbace, Il pavimento, 1998, S. 28, soll Marino Caracciolo den Maler Leonardo da Besozzo für die Fresken beauftragt haben. Wenn die Vermutung stimmt, dass es sich bei den beiden äußeren Karyatiden an der Frontseite des Sergianni-Grabmals um Traiano links und Marino rechts handelt, die ihre Entsprechung in den beiden gemalten Figuren hinter dem Grabmal finden, dann könnte man schlussfolgern, dass Marino auch im auf das Kapellenpatronat Bezug nehmenden Fresko der „Geburt der Hl. Jungfrau“ vertreten ist. Es sei noch einmal auf die Figur hingewiesen, die direkt hinter Sergianni an der Ecke des Loggiabogens steht und eine gestalterische Ähnlichkeit mit der Person zeigt, welche in gemalter Version rechts hinter der Standfigur des Verstorbenen am Grabmal erscheint. 386 Zum Wunsch Marinos, in der Kapelle seines Bruders bestattet zu werden, siehe Petrucci, Caracciolo, 1976, S. 413. 387 So auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 141: „[...] una duplice funzione: funeraria e liturgica, luogo di sepoltura di un nobile personaggio e coro dei frati“. 388 Allgemein zum Einfluss des Klerus auf die beauftragten Bildinhalte im sakralen Raum siehe auch Boerner, Bildwirkungen, 2008. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 83 Sergianni Caracciolo del Sole hat eine Familienkapelle errichten lassen, die zwar das Bestattungsrecht für sich und seine Nachkommen vorsah, doch letztlich seiner Selbstinszenierung als damals mächtigster Adliger Neapels diente. Strategisch wichtig war dafür die Standortwahl. Er ließ sie nicht in der Hauptkirche seines Seggio innerhalb der Stadtmauern errichten, sondern angrenzend an die königliche Grablege in San Giovanni a Carbonara. Das Marienpatrozinium wurde dabei in Absprache mit den Konventsmitgliedern bewusst gewählt, um die exponierte Lage in Form einer Chorscheitelkapelle zu legitimieren und sich der Fürsorge um sein Seelenheil zu versichern.389 Zugleich konnte die Kapelle ihren Zugang unmittelbar mit dem Erinnerungsmonument der letzten Familienmitglieder der Anjou-Durazzo verbinden, denen Sergianni seine einzigartige Machtposition verdankte. Durch ihre Größe und prestigeträchtige Form kam diese Stiftung hinsichtlich der relativ klein dimensionierten Königskirche jedoch eher einem Akt der Hybris gleich – eine Darbietungsweise, die sich in der Verschwörung um ihn und in seiner Ermordung bestätigt findet. Mit dem einzigen Zugang zur Kapelle, der als Durchgang vom Presbyterium unter dem Königsgrabmal konzipiert wurde, sind die beiden politisch motivierten Erinnerungsräume eng miteinander verzahnt und zugleich voneinander abgegrenzt. An der Decke des Durchgangs sind zwei Wappen nebeneinander eingelassen (Abb. 26), die in doppelter Form das königliche Emblem der beiden letzten Anjou-Durazzo wiedergeben, deren Konterfeie sich direkt in der Ebene darüber befinden. Bezeichnenderweise sind diese Wappen in ihrer Ausrichtung so eingelassen, dass der Betrachter sie beim Heraustreten aus der Cappella Caracciolo del Sole in das Presbyterium in heraldisch richtiger Form erkennen kann. Die königlichen Embleme weisen demzufolge unmissverständlich darauf hin, wem der Kirchenraum als Erinnerungsort vorbehalten war. Demgegenüber stellte die Chorscheitelkapelle einen Ort zur Verfügung, der zur Demonstration der einzigartigen Machtstellung des in den höchsten Rang der neapolitanischen Oberschicht aufgestiegenen Stadtadligen Sergianni Caracciolo del Sole diente. Die Ausstattung der Cappella Caracciolo del Sole wurde unter den Anjou-Durazzo begonnen, doch erst Jahrzehnte später, als die aragonesische Dynastie in Neapel regierte, vollendet. Infolge des politischen Machtwechsels vollzog sich auch ein Wandel in der neapolitanischen Kunst, der in der hier vorgestellten Kapelle besonders anschaulich wird. Architektonisch ist sie, entgegen ihrer äußeren oktogonalen Gestalt, 389 So auch Michalsky, Strukturiertes Gedächtnis, 2005, S. 214. 84 Grit Heidemann-Schirmer im Innern als Rotunde konzipiert.390 Auch das Stiftergrabmal bricht aus der lokalen Grabmalstradition aus, indem es neue Motive liefert, die mit dem Antikenverständnis der am aragonesischen Königshof geförderten humanistischen Kultur einhergehen. Es stellt damit einen wichtigen stilistischen Wendepunkt in der neapolitanischen Grabmalskunst zwischen der Spätgotik und der Frührenaissance dar, dem sich auch zahlreiche Darstellungen im Freskenprogramm anschließen. Der Rückgriff auf diese damals hochaktuelle Kunstform ist nicht allein mit der exklusiven Selbstinszierung des Kapellenstifters zu erklären, dem sein Biograf und Nachfahre Tristano Caracciolo ein aktuelles Modebewusstsein attestierte.391 Auch die Hinwendung von Traiano und Marino zum aragonesischen Königshof wird bei der Auswahl dieses innovativen Formenvokabulars mit ausschlaggebend gewesen sein. Für die vorliegende Studie von großem Belang ist demnach die Feststellung, dass Sergiannis unmittelbar nachfolgende Verwandten, nämlich sein Sohn Traiano und dessen Onkel Marino, die Familienkapelle im Sinne des Stifters vollendet und die genealogische Memoria zugunsten der Repräsentation eines Einzelnen weitgehend vernachlässigt haben. Während auf Sergianni unzählige Male in und an der Kapelle verwiesen wird, so tauchen Traiano und Marino nur vereinzelt in Gestalt historischer Exempla am Grabmal sowie in den Fresken auf.392 Das Bestattungsrecht für Familienangehörige wurde insofern auch nur von Marino in Anspruch genommen, dessen einfache Grabplatte jedoch keinerlei Konkurrenzpotential gegenüber dem Sergianni-Grabmal bietet, sondern sich diesem ganz unterordnet. Traiano wird hingegen nur nominell in der kleinen Inschriftentafel aufgeführt mit dem Hinweis auf sein Herzogtum Melfi, wo seine Grabstätte zu vermuten ist, aber letztlich nicht belegt werden kann. Gegenüber den anderen adligen Grablegen des frühen 15. Jahrhunderts in Neapel ist die Cappella Caracciolo del Sole demnach divergent, da an ihrer Vollendung mehrere Akteure beteiligt waren. Dem Stifter sind die noch zu seinen Lebzeiten ausgeführte Umsetzung der gotisch anmutenden Architektur der Kapelle ebenso wie die traditionelle Konzeption des Grabmalsaufbaus zuzurechnen, wodurch sein Selbstverständnis als dem exklusiven, alteingesessenen Adel zugehörig vermittelt wird. Nach Sergiannis 390 Siehe dazu Quinterio/Cocchieri, Il sepolcro, 2007, bes. S. 99-103. Vgl. Caracciolo, Vita, 1843, S. 78: „Vestivasi ognora di vesti guernite di armellino e di oro, il più delle volte eleganti per la novità [...].” Dazu auch allgemein Borggrefe, Stil, 2008, S. 116f.: „Moden entwickeln sich aus eudämonischem Glauben an die Kraft des visuell Neuen. Magnetisch wirken sie auf jene, die sozialen Erfolg wollen und sich deshalb dem Neuartigen anschmiegen.“ 392 Siehe noch einmal die oben besprochenen Sockelfiguren am Sergianni-Grabmal, das Fresko „Geburt der Jungfrau“ und die Darstellungen unter den Hll. Petrus und Paulus hinter dem Grabmal. 391 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 85 Ermordung und der zeitweiligen Verhaftung Traianos musste sich die Familie Caracciolo del Sole in der neapolitanischen Gesellschaft neu positionieren, wozu der Dynastienwechsel eine geeignete Möglichkeit bot. Durch die Rückgabe des Herzogtitels an den Sohn Traiano und der Förderung des Bruders Marino sicherte sich der neue König Alfons von Aragon die Loyalität dieser einst durch Sergiannis Position in Neapel so mächtigen Familie. Zugleich waren es diese Nachkommen, die sich zwar als Erben des ehemals mächtigen Ahnherrn verstanden, doch nun am aragonesischen Hof eigene Karrieren verfolgten und sich demzufolge mit diesem neuen Umfeld identifizierten. Die in der Familienkapelle sichtbaren Formfindungsprozesse werden demnach erst durch die Berücksichtigung der drei aufeinander folgenden Auftraggeber verständlich, welche zwar die Inszenierung eines Einzelnen umsetzten, doch durch ihr jeweiliges Zugehörigkeitsbewusstsein zugleich eine Verschmelzung von alten und neuen Formen in einem Kapellenraum ermöglichten. Im Folgenden wird eine weitere Kapelle vorgestellt, die nahezu zeitgleich an die königliche Grablege angebaut wurde. Ihre Auftraggeber waren ein Feudaladliger und seine Ehefrau, deren Konkurrenz- und Rivalitätsverhalten gegenüber den bisher thematisierten Protagonisten frappierender nicht sein könnten. III.3. Die Cappella Santa Monica – Provokante Nähe eines rebellierenden Feudaladligen Am östlichen Ende des Kirchenlanghauses schließt sich nach Süden die Cappella Santa Monica an (Abb. 10). Das Besondere an der Kapelle ist nicht nur der separate Eingang, der sich dem Betrachter als erstes präsentiert, wenn er die Stufen zur Kirche – damals wie heute – emporsteigt (Abb. 8), sondern auch die imposante Ausdehnung (Abb. 27) im Vergleich zur angrenzenden Königsgrablege. Durch diesen Zugang und ihre Größe wird die Cappella Santa Monica zuweilen auch als eigenständige Kirche („chiesa“) betitelt und taucht demzufolge in manchen Grundrissen von San Giovanni a Carbonara nicht auf.393 393 Als „chiesa” wird sie bezeichnet von Venditti, Urbanistica, 1969, S. 810; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 27f. u. 126. Bei Pagano und Thoenes fehlt sie wiederum im Grundriss der Kirche. Vgl. Pagano, San Giovanni, 1999, S. 81, Abb. 54; Thoenes, Neapel, 1971, S. 154. 86 Grit Heidemann-Schirmer Die rechteckige Kapelle ist im Grundriss nach Norden orientiert, einschiffig und zweijochig mit gerade abschließender Altarwand, die gleichzeitig die Südwand des Presbyteriums der Augustiner-Eremiten-Kirche bildet. Die innere Zweijochigkeit wird außen durch die Strebepfeiler angedeutet, die in ihrer Ausführung jenen der Cappella Caracciolo del Sole sehr ähneln und zeitnah entstanden sein dürften. Konkrete Daten zur Stiftung der Cappella Santa Monica sind nicht überliefert, weshalb die Datierung des Kirchenkomplexes und die Berücksichtigung der historischen Belege zum Kapellenstifter sowie eine vergleichende Analyse der Architektur und Ausstattung als Datierungshilfen herangezogen werden müssen. Die Positionierung von San Giovanni a Carbonara auf einer Anhöhe erforderte eine Treppe, die den südlichen Kircheneingang mit dem davor gelagerten Platz verbinden sollte. Die auch heute noch den gesamten Vorplatz dominierende riesige Treppenanlage stammt jedoch erst aus dem 18. Jahrhundert, während man für das frühe 15. Jahrhundert von einer sehr viel einfacheren Anlage ausgehen muss, die ihre Bestätigung in der Stiftung durch Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo im Jahre 1434 findet.394 Eine Hilfe zur Rekonstruktion dieser ursprünglichen Treppe bietet die Darstellung der Kirche auf verschiedenen historischen Stadtplänen. So erkennt man zum Beispiel auf dem schon erwähnten „Baratta-Plan“395 von 1629 (Abb. 14) eine gerade aufsteigende, oben an die Cappella Santa Monica anschließende Treppe. Als problematisch stellt sich dabei allerdings der Zugang zur Kirche dar, denn die Kapelle bot keinen Durchgang. Nimmt man eine frühere Darstellung von San Giovanni a Carbonara auf dem „Lafréry-Plan“396 von 1566 hinzu (Abb. 28), so kann man davon ausgehen, dass jene Treppe zwar in der oben beschriebenen Form existiert hatte, sie aber nicht direkt mit der Cappella Santa Monica verbunden war, sondern an den Vorhof der Kirche anschloss, welcher genug Platz dafür bot. In der sog. „Platea“, einer Abschrift der Archivalien des Konventes aus dem 18. Jahrhundert, findet die Kapelle erst ab 1546 Erwähnung, doch konnte Filangieri di Candida überzeugend darlegen, dass sie weitaus älter ist und zeitlich mit der Errichtung des Stiftergrabmals konform geht.397 Die Cappella Santa Monica wurde von dem Feudaladligen Ruggiero Sanseverino di Bisignano und seiner Frau Covella Ruffo vor 394 Zur Errichtung einer neuen Treppe durch die Königin siehe noch einmal Anm. 278. Ausführlich zum „Baratta-Plan” siehe noch einmal Anm. 325. 396 Ausführlich zum „Lafréry-Plan“ siehe Michalsky, Gewachsene Ordnung, 2008, S. 271-272 u. Abb. 2; De Seta, Napoli, 1997, S. 55-97; Grieco, La pianta, 1992. 397 Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126f. 395 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 87 seinem Todesjahr 1433 gestiftet.398 Sie war als Familienkapelle der Barone „dei Sanseverino Principi di Bisignano“399 den Hll. Philippus und Jakobus geweiht und diente den Augustinermönchen als Oratorium mit dem Zweitnamen Santa Monica, der auch heute noch geläufig ist. Der Monica-Kult steht interessanterweise in einem zeitlich engen Zusammenhang, denn die Reliquien der Mutter des Ordensheiligen Augustinus wurden 1430 unter Papst Martin V. von Ostia nach Rom in die dortige AugustinerEremiten-Kirche S. Agostino transloziert.400 Diese hochaktuelle Überführung der Gebeine jener Heiligen, die auch für den neapolitanischen Augustiner-Eremiten-Orden von konstitutiver Bedeutung war, ist als Anlass für Demgegenüber die Zweitweihe war Konventsmitgliedern sie in der ihrer vorbehalten, Sanseverino-Kapelle Zweitfunktion als sodass die sich sehr wahrscheinlich. Oratorium Frage allein nach den ihrer öffentlichkeitswirksamen Zugänglichkeit stellt. Betrachtet man dabei ihre äußere Gestalt, insbesondere was das Eingangsportal betrifft, so wird die Inszenierungsabsicht der Stifterfamilie auch über den Fürbittanspruch, der sich im Innern der Kapelle manifestiert, offensichtlich. Für den hier untersuchten historischen Kontext von großem Belang ist die Tatsache, dass die Barone Sanseverino di Bisignano am Aufstand gegen König Ladislaus von Anjou-Durazzo beteiligt waren, während Ruggieros Frau, Covella Ruffo, Gräfin von Sessa, jene Verschwörergruppe gegen Sergianni Caracciolo del Sole anführte, die für seine Ermordung verantwortlich war.401 Diese politische Brisanz ist für die Kapellenerrichtung im Umfeld von San Giovanni a Carbonara, also genau jenem Ort, der sowohl von König Ladislaus als auch von Sergianni als repräsentative Grablege ausgewählt worden war, von außerordentlicher Bedeutung. Dem Kirchenbesucher, dem der Zugang allein von Süden aus möglich ist, wird die imposante Größe dieser Kapelle mit den bezeichnenden Stifterwappen der Sanseverino und der Ruffo am Eingangsportal schon vom öffentlichen Platz aus gewahr, bevor er überhaupt die eigentliche Kirche 398 Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 47, gibt darüber hinaus Covella Ruffos Todesjahr 1445 an. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126. 400 Siehe dazu Barcellona, Monika, 1993. Zur Hl. Monika und ihrem Sohn Augustinus, der sich mit ihrem Tod in seinen „Confessiones“ auseinandersetzt, siehe Bernhard, Augustinus, 1972, bes. S. 23-28, 110113, 137-159. Zur Kirche S. Agostino in Rom außerdem Buchowiecki, Handbuch der Kirchen Roms, 1967, S. 296-308. 401 Zum Baronenaufstand gegen König Ladislaus siehe noch einmal Kap. II.4. Zu Ruggiero Sanseverino in diesem Kontext siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 215f. u. 378. Schon Summonte, Dell’ Historia (III), 1675, S. 492f., bezeichnet die Sanseverino als die „capi della rivolta“. Zu Covella Ruffo und ihrer führenden Rolle bei der Verschwörung gegen Sergianni siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 303; Caracciolo, Vita, 1843, S. 67-69 u. 72. 399 88 Grit Heidemann-Schirmer betreten kann. Erst dort wird ihm deren Bedeutung als „ecclesia reale“ sowie als Repräsentationsort des damals mächtigsten Adligen visuell vermittelt. Im Folgenden wird die Cappella Santa Monica von außen nach innen vorgestellt. Dabei sind die Synthese von Portal und Grabmal und deren inhärente Repräsentationsstrategie ihrer Auftraggeber besonders in den Blick zu nehmen. Das Kapellenportal Der Zugang zur Kapelle erfolgte durch ein reich dekoriertes marmornes Eingangsportal (Abb. 29), das stilistisch in enger Beziehung und demzufolge in zeitlicher Nähe zum benachbarten südlichen Kirchenportal von San Giovanni a Carbonara steht.402 Das Portalgewände ist besonders aufwendig gestaltet. Es besteht aus einer Kombination von breiten Pilastern und schmalen Säulen, die im Sockel miteinander verkröpft sind. Die Pilaster werden über dem Architrav und dem Gesimsband nach oben weitergeführt, wo sie den gedrückten Spitzbogen mit dem darüber abschließenden Wimperg rahmen. Die Pfeiler sind durch jeweils vier Muschelnischen gegliedert, die vollplastische Statuetten beherbergen. Dabei handelt es sich zum einen um die Verkündigungsgruppe im oberen Teil,403 zum anderen um weibliche Heilige, die links von oben nach unten die Hll. Barbara, Katharina und Agatha sowie auf der rechten Seite die Hll. Ursula, Apollonia und Anastasia darstellen.404 Über dem Sockel und dem Gesimsband schließen sich vier Wappen an, die repräsentativ für beide Stifterfamilien stehen.405 Dabei befindet sich das Wappen der Sanseverino unten links und jenes der Familie Ruffo unten rechts, während im oberen Bereich beide Wappen miteinander vereint sind. Die Pilaster und der Wimperg werden von weiteren Statuen bekrönt, die als Maria in der Mitte, der Kirchenpatron Johannes dem Täufer (links) und der Ordensheilige Augustinus (rechts) identifiziert werden können. Im darunter befindlichen Tympanon wurde ein Fresko eingelassen, das die Himmelfahrt Marias darstellt, das jedoch später 402 Pagano datiert das Kapelleneingangsportal in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts, ohne auf den deutlichen Rückbezug zum Kirchenportal einzugehen, welches zwischen 1427-30 zu datieren ist. Vgl. Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96. Venditti hingegen erwähnt, dass das Kirchenportal schon vollendet war, als mit dem Portal an der Cappella Santa Monica begonnen wurde. Vgl. Venditti, Urbanistica, 1969, S. 809. 403 Hier erkennt man links den Erzengel Gabriel und rechts Maria. 404 Siehe dazu Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96; Thoenes, Neapel, 1971, S. 159. 405 Siehe noch einmal Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126. Auf die Zuordnung der Wappen unten verweist auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 89 zu datieren ist. Über dem Portal ist ein profiliertes Rundfenster angebracht, das heute jedoch kein Licht mehr in den Kapellenraum hineinlässt, da es von innen geschlossen wurde. Hervorzuheben ist, dass das Portal der Cappella Santa Monica in Form und Gestaltung ganz offensichtlich das im Innern befindliche Stiftergrabmal vorwegnimmt.406 Die Errichtung von Kirchenportalen zeigt in Neapel eine Entwicklung,407 die sich von der lokalen Grabmalstradition ableiten lässt. Bock hat aufgezeigt, dass sich spätestens mit dem Bildhauer Antonio Baboccio eine gestalterische Bezugnahme von Portalen und Grabmälern in Neapel etabliert hat.408 Als wichtiges Beispiel im Vergleich mit der hier thematisierten Kapelle ist das noch zu besprechende Eingangsportal des Domes San Gennaro in Bezug zum Grabmal des Kardinals Enrico Minutolo zu nennen, das deutliche formale Parallelen erkennen lässt (Abb. 40 u. 38).409 Das Domportal wurde von Minutolo 1406 in Auftrag gegeben und avancierte in den folgenden Jahrzehnten zum formalen Vorbild für viele weitere sepulkrale Eingangsportale Neapels.410 Die Ähnlichkeit im Aufbau ist auf den ersten Blick im Vergleich mit dem Portal zur Cappella Santa Monica ersichtlich. So wie am Domportal eindeutige Hinweise auf die Selbstinszenierungsstrategie des Stifters Minutolo gegeben sind,411 so zeigt auch das Portal der Cappella Santa Monica eine deutliche Repräsentationsabsicht der Stifterfamilie Sanseverino, die sich gegen das Königshaus aufgelehnt hatte. Wenn auch im gesamten Mittelalter die Portale von Sakralbauten eine symbolische Funktion als Porta coeli einnahmen und man daraus resultierend einen Einfluss dieses Motivs auf die im Innern befindlichen Grabmäler erwartet, so ist diese Schlussfolgerung 406 Auch Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 127, betont die Imitierung des Sanseverino-Grabmals am Kapellen-Eingangsportal. 407 Siehe Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, S. 6 u. 161ff.; Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 249, Anm. 11. 408 Vgl. Bock, Kunst am Hofe, 2001. Grabmäler in Form von Kirchenportalen gab es auch schon früher in Frankreich. So ist z.B. das Doppelgrabmal für Otger den Dänen und seinen Knappen Benedikt zu nennen, das um 1160 in Saint-Faron die beiden Verstorbenen auf einer Tumba liegend und von einem typisch französischen Portalgewände umrahmend zeigt. Vgl. Körner, Grabmonumente, 1997, S. 65 u. Abb. 51. In seiner Umrahmung durch Pilaster mit Fialen und einem krabbenbesetzten Wimperg, den neapolitanischen Typus schon in etwa vorwegnehmend, präsentiert sich auch das Grabmal Dagoberts in St.-Denis, das um 1250/60 in Anlehnung “an ein gotisches Kirchenportal mit Säulenfiguren und Tympanonreliefs” gefertigt wurde. Vgl. ders. 1997, S. 86f. u. Abb. 67. 409 Siehe dazu Kap. IV.1.2. 410 Siehe Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 14. 411 Laut ebd., S. 21ff., verweist das Bildprogramm am Domportal auf die Verbundenheit des Stifters mit dem Königshaus. Dass sich Enrico Minutolo aber auch als privilegiert verstand aufgrund seines erworbenen Kardinalsstatus und seiner Zugehörigkeit zum höchsten Seggio di Capuana erklärt erst hinreichend diese prominente in Szenesetzung am Eingang der wichtigsten Kirche der Stadt. 90 Grit Heidemann-Schirmer in Neapel zu revidieren. Hier haben die schon viel früher etablierten angiovinischen Grabmäler eine Vorbildrolle für die Kirchen- und Kapellenportale gespielt. Als ein weiteres lokales Vergleichsbeispiel lässt sich die Cappella Pappacoda (Abb. 30) anführen, die ebenfalls ein opulentes und schon in den historischen Reiseführern viel gerühmtes Eingangsportal aufweist, das zum öffentlichen Platz hin der Kapelle einen autonomen Charakter ähnlich wie bei der Cappella Santa Monica verleiht.412 Im Gegensatz dazu wird hier jedoch nicht auf das im Innern befindliche Grabmal Bezug genommen, da der Stifter Artusio Pappacoda sich mit einer schlichten Grabplatte im Chorbereich begnügte. Dennoch vermittelt das Portal den Sepulkralcharakter der Kapelle in gleicher Weise, wie dieser am Eingangsportal der Cappella Santa Monica durch die formale Vorwegnahme des Stiftergrabmals verdeutlicht wird. Das Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano (nach 1433) Das in der Forschung bisher wenig beachtete Grabmal für Ruggiero Sanseverino (†1433) wurde vor der nördlichen, gerade abschließenden Altarwand der saalartigen Kapelle aufgestellt (Abb. 31).413 Sein Todesjahr und die überlieferten Daten des nachweislich am Grabmal arbeitenden Bildhauers Andrea da Firenze, der schon am Ladislaus-Grabmal beteiligt war und Neapel spätestens im Jahre 1440 verließ,414 markieren den Datierungszeitraum für das Monument. Es besteht aus vier Ebenen, die sehr deutlich dem angiovinischen Grabmalstypus folgen. Das Stützengeschoss wird von drei Karyatiden gebildet, welche von links nach rechts die drei Theologaltugenden Spes, Fides und Caritas personifizieren und den Sarkophag darüber tragen. Dieser Kastensarkophag, an dem noch Reste von Gold- und Farbverzierungen erkennbar sind, wird durch fünf Reliefs gegliedert, in denen halbplastische Sitzstatuen eingearbeitet wurden. Dabei ist das mittlere Feld doppelt so breit wie die seitlichen Pendants gearbeitet und sehr aufwendig verziert. Zudem trägt es 412 Zur 1415 errichteten Cappella Pappacoda und dem Eingangsportal, das von Antonio Baboccio gefertigt wurde, siehe Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 67-89; Abbate, La Cappella Pappacoda, 1989; Petrelli, La cappella Pappacoda, 1991; Del Pezzo, La cappella, 1898; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 257-258. 413 Ein Grund für die rudimentäre Forschungslage ist die äußerst schwierige Zugänglichkeit zur Kapelle, die seit Jahrzehnten geschlossen ist und nur vom zuständigen Pfarrer geöffnet wird. 414 Siehe Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126-131. Die Zuweisung als Werk des Andrea da Firenze wird durch zwei Signaturen des Künstlers am Grabmal, speziell „am Sarkophag und am Dachgesims“, bestätigt. Vgl. Thoenes, Neapel, 1971, S. 159. Siehe auch Venditti, Urbanistica, 1969, S. 803; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96; Negri Arnoldi, La scultura, 1994, S. 130f. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 91 die Künstlerinschrift, die direkt oberhalb der von einem Rundbogen gerahmten und von Engeln umgebenen Madonna mit dem Christuskind angebracht ist. Links schließen sich in den motivisch neuartigen und aufwendig gestalteten Muschelnischen die Hll. Johannes der Täufer und Katharina an, denen rechts Lucia und Johannes Evangelista folgen.415 Die Seitenplatten des Sarkophags zeigen zudem den Ordensheiligen Augustinus links sowie den Ordensbruder Nikolaus von Tolentino rechts (Abb. 31a). Über dem Sarkophag ist ein schmales Feld eingelassen, das sehr wahrscheinlich die Inschrift präsentierte, die heute jedoch nicht mehr zu entziffern und auch nicht überliefert ist. Darüber befindet sich in der dritten Ebene die camera funebris, die zwei den Vorhang zur Totenkammer aufhaltende Engel präsentiert. Auch die Liegefigur des Verstorbenen entspricht in ihrer Rüstung und den beigegebenen Hunden am Fußende jener traditionellen Darstellung, auf die an anderer Stelle schon eingegangen wurde. Das Walmdach der Kammer ist mit einem Girlandenrelief und dem Familienwappen verziert, während darüber die Kreuzigungsgruppe mit Christus, Maria und Johannes dem Täufer aufgestellt ist. Das Grabmal wird schließlich von einem mit dem segnenden Christus dekorierten Wimperg bekrönt, den vier mächtige Pfeiler tragen, die wiederum auf kleinen Postamenten ruhen, auf denen die Stifterwappen wiederkehren. Die Pfeiler werden bis auf Höhe des Walmdaches von jeweils drei Muschelnischen gegliedert, in denen die zwölf Apostel aufgestellt sind, die das zur Fürbitte auffordernde Bildprogramm des Monuments unterstreichen. In den beiden unteren Nischen der vorderen Pilaster sind die Hll. Petrus und Paulus (Abb. 31b) noch inschriftlich benannt. An den beiden vorderen Pilastern folgen im oberen Teil Moses, Elias und die Verkündigungsgruppe, die auch am Kapellenportal den oberen Abschluss bildet.416 Vor allem die architektonische Rahmung des Grabmals markiert einen direkten formalen Bezug zum Eingangsportal der Kapelle und dürfte demnach in einem zeitlich engen Zusammenhang stehen. Während jedoch außen am Portal vornehmlich weibliche Heilige präsentiert werden, treten im Innern der Cappella Santa Monica hauptsächlich männliche Heilige am Grabmal auf, was auf den Repräsentationsanspruch beider Ehepartner, Ruggiero Sanseverino und Covella Ruffo, zurückzuführen sein dürfte. Demgegenüber findet sich kein visueller Bezug zu den Patronen der Kapelle, Jakobus 415 Diese Identifizierung gibt auch Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 130. Zu dem Motiv der Muschelnischen siehe auch Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, S. 49, bes. Anm. 96. 416 Diese Zuschreibungen gibt Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 130. 92 Grit Heidemann-Schirmer und Philippus.417 Allein ein Triptychon, das als ursprüngliches Ausstattungsstück der Kapelle im Fotoarchiv der Soprintendenza von Neapel aufgeführt wird und stilistisch ins frühe 15. Jahrhundert zu datieren ist, zeigt vermutlich die Hl. Monika – deren junges Aussehen, soweit erkennbar, jedoch von der traditionellen Ikonographie abweicht – neben ihrem Sohn, dem Hl. Augustinus, auf dem rechten Flügel. Währenddessen ist auf dem Mittelfeld die von Engeln umgebene, auf einem reich verzierten Thron sitzende Madonna mit dem Christuskind präsentiert, der sich auf dem linken Flügel Johannes der Täufer und Johannes Evangelista anschließen.418 Wo dieses Triptychon innerhalb der Kapelle einst angebracht gewesen war, ist nicht mehr rekonstruierbar. Man kann davon ausgehen, dass es für den Kapellenaltar vorgesehen war. Die zahlreichen Heiligenfiguren, die das Grabmal für Ruggiero Sanseverino schmücken, lassen Rückschlüsse auf die Frömmigkeitsauffassung des Kapellenstifters zu, der sich in diesem den Mönchen als Oratorium dienenden Raum vorrangig seiner Seelsorge vergewissern wollte. Demgegenüber fanden die Zurschaustellung seines sozialen Status’ und seiner individuellen Machtstellung, ebenso wie jene seiner Frau, ihre Vermittlung im Außenbereich der Kapelle, der für die Zeitgenossen öffentlich zugänglich, also sichtbar war. Im Vergleich zur Cappella Caracciolo del Sole mutet die Cappella Santa Monica in ihrer Form und Ausstattung eher traditionell und für die Entstehungszeit retrospektiv an. Nur wenige Elemente am Stiftergrabmal, wie der Rundbogen, die Muschelnischen und die Kämpferblöcke, zeugen von dem schon an der Caracciolo-Kapelle besprochenen Formenwandel, der sich in Neapel zur Jahrhundertmitte abzeichnete. Diese rückweisende Ausrichtung der Erinnerungsmonumente scheint im Sinne einer konservativen Repräsentationsstrategie der neapolitanischen Feudaladligen zu stehen, die laut Bentley „[…] wenig Interesse an der Hochkultur zeigten.“419 Die Barone verstanden sich vielmehr als privilegierte Feudaladlige, die ihre altehrwürdige Herkunft mithilfe eines traditionellen, auf die Vergangenheit zurück gerichteten Formenvokabulars ähnlich wie die alteingesessenen Seggio-Adligen zu vermitteln suchten, denn Alter war traditionsgebunden. Dazu bildeten die Kunstformen aus 417 Die Kapelle war vermutlich mit weiteren Kunstwerken, wie z.B. Fresken, ausgestattet, die aber heute aufgrund der mangelhaften Quellenlage und dem desolaten Erhaltungszustand nicht mehr ermittelt werden können. 418 Die genaue Datierung und Künstlerzuschreibung des Triptychons können aufgrund des Quellendesiderates nicht abschließend geklärt werden. 419 Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 48. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel angiovinischer Zeit passende Vorlagen, da sie 93 die entsprechenden Gruppenzugehörigkeiten visuell eindrücklich vermittelten.420 Die Cappella Santa Monica wirkt vom Platz aus durch ihre verhältnismäßige Größe und durch ihren separaten Eingang wie ein autonomes Gebäude. Dass der Eingang nicht vom Kircheninnern aus gewählt wurde, ist sicherlich mit der späteren Entstehung der Kapelle gegenüber der bis dato vollendeten Kirche San Giovanni a Carbonara zu erklären. Trotz der Abgeschlossenheit vom Kirchenraum wird der Stifter den Wunsch gehabt haben, sein Grabmal so dicht wie möglich zum Hauptaltar, ad sanctos, aufstellen zu lassen. Die Positionierung direkt vor der Nordwand der Kapelle, die gleichzeitig die Südwand des Presbyteriums bildet, wird diesem Wunsch gerecht. Es erscheint dennoch offensichtlich, dass Ruggiero Sanseverino ganz bewusst die Trennwand zum Kirchenpresbyterium beibehalten wollte, um sich von dem dort kommemorierten König zu distanzieren und einen für die Mönche weitaus repräsentativeren Eingang zur Kapelle vom öffentlichen Platz aus zu ermöglichen. Die enorme Größe im Vergleich zur dahinter befindlichen Kirche verstärkt dieses Repräsentationsbedürfnis des Stifters.421 Ein dadurch ersichtliches Konkurrenzverhalten des Feudaladligen zum königlichen Kirchenstifter, ebenso wie seiner Frau zum damals mächtigsten Stadtadligen, wird historisch durch die Beteiligung am Aufstand unter Ladislaus und der Ermordung Sergiannis untermauert. Daher lässt sich die Cappella Santa Monica in ihrer äußeren Gestalt als provokante Zeichensetzung eines gegen das Königshaus der Anjou-Durazzo rebellierenden Feudaladligen interpretieren, während der Kapelleninnenraum ganz im Zeichen seiner Frömmigkeit gegenüber den dort betenden Mönchen steht. III.4. Zusammenfassung des Kapitels Die kleine Augustiner-Eremiten-Kirche San Giovanni a Carbonara avancierte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zum Austragungsort politischer Rivalitäten, die mit dem Herrschaftsniedergang der Anjou-Durazzo einhergingen. Während sie durch die Neugründung von Ladislaus zu Beginn des Quattrocento als königliche Grablege ausgebaut wurde, kam es nahezu zeitgleich mit der Schwächung der Dynastie zu 420 Siehe noch einmal die verschiedenen „Lager“ der Adligen in Kap. II.4. „Die geläufigste Art, eine soziale oder politische Überlegenheit geltend zu machen, ist das Imponieren durch quantitative Größe.“ Vgl. Warnke, Politische Architektur, 1984, S. 14. 421 94 Grit Heidemann-Schirmer weiteren Kapellenanbauten, die bezeichnenderweise von Adligen gestiftet wurden, welche in einem politisch brisanten Konkurrenzverhältnis nicht nur untereinander, sondern auch zum Königshaus standen. An der Standort- und Formwahl ihrer Kapellen und Grabmäler trat dieses besondere Beziehungsgeflecht der Protagonisten öffentlichkeitswirksam zutage. Das Kircheninnere steht ganz im Zeichen der Memoria König Ladislaus’ von AnjouDurazzo. Sein Grabmal dominiert den sakralen Raum in einer maximal möglichen Weise und verdeutlicht dem Betrachter unmissverständlich, dass es sich hier um die königliche Grablege der letzten Throninhaber aus dem Hause Anjou-Durazzo handelt, „die unter Karl dem Ersten ihren Anfang hatten.“422 Es verwundert daher nicht, dass sich die eigentliche Initiatorin dieses Grabmals, Johanna II. von Anjou-Durazzo, neben ihrem verstorbenen Bruder in der Ebene der Majestas-Darstellung als gleichberechtigt darstellen ließ, um so ihre legitime Nachfolge der mittlerweile geschwächten Dynastie den Zeitgenossen noch zu ihren Lebzeiten zu proklamieren. Dagegen war es Sergianni Caracciolo del Sole offensichtlich erst nach dem Tod seines königlichen Förderers möglich, zum einen auf einzigartige Weise am königlichen Hofe aufzusteigen und zum anderen eine Familienkapelle in Auftrag zu geben, die in einem räumlich engen Bezug zur Grablege der letzten Anjou-Durazzo stand, diese jedoch bei weitem übertreffen sollte. In ihrer nahezu autonomen und in den Ausmaßen gewaltigen Gestalt vermittelt die Cappella Caracciolo del Sole das individuelle Repräsentationsbedürfnis eines Stadtadligen, der in Neapel unter der Protektion der letzten Königin zu höchstmöglichen Ämtern und Titeln gelangt war.423 Diese singuläre Machtposition Sergiannis wurde innerhalb seines Standes als Bedrohung der sozialen Ordnung empfunden, weshalb es zu einer Verschwörung gegen ihn kam, die 1432 seinen Tod zur Folge hatte. Dennoch wurde die Selbstinszenierungsstrategie des ehemals mächtigsten Adligen von seinem Sohn Traiano und seinem Bruder Marino in Form der Kapelle vollendet, deren Ausstattung bildprogrammatisch vor allen Dingen auf die Glorifizierung und Rehabilitierung des Stifters ausgerichtet war. Die Cappella Santa Monica scheint in diesem Kontext wie eine Antwort auf die Caracciolo-Kapelle zu wirken. Auch sie vermittelt durch ihre imposante Größe und vor allem ihre Lage, die dem vom öffentlichen Platz aus kommenden Kirchenbesucher suggeriert, es handele sich beim Kapelleneingang um den Zugang zu San Giovanni a 422 Zitat aus der Grabinschrift. Vgl. Anm. 284. Zu seiner besonderen Position siehe auch Caracciolo, Vita, 1843, S. 77: „[…] la gloria di quello altissimo personaggio […].“ 423 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 95 Carbonara, das Repräsentationsbedürfnis eines Feudaladligen, der sich den königlichen Normen widersetzte. So verweist das aufwendig gestaltete Kapellenportal – in Form der Wappen – auf die beiden Stifter Ruggiero Sanseverino und Covella Ruffo, die nachweislich in einem eklatanten Konkurrenzverhältnis zum König und zum damals mächtigsten Adligen standen. Während Ruggiero Sanseverino am Baronenaufstand gegen Ladislaus von Anjou-Durazzo beteiligt war, so gehörte Covella Ruffo zu jener Verschwörergruppe, die Sergianni Caracciolo del Sole ermordet hatte. Die Vorlagerung der Cappella Santa Monica vor der recht klein dimensionierten königlichen Grablege, scheint bewusst konzipiert worden zu sein. Dies war ebenso der Fall bei der Cappella Caracciolo del Sole, die ihre exzeptionelle Lage hinter dem Presbyterium jedoch mittels ihrer Funktion als Chorscheitelkapelle legitimierte. Die politische Brisanz der Konstellation der am Kirchenbau beteiligten königlichen und adligen Auftraggeber fand somit bereits in der Standort- und Formwahl der beiden thematisierten Adelskapellen ihren sprechenden Ausdruck. In der Architektur und Ausstattung der Kirche San Giovanni a Carbonara manifestiert sich die Konfrontation jener sozialen Gruppen, die sich in Neapel zu arrangieren hatten. Resümierend lässt sich feststellen, dass der politische Umbruch in Neapel, der das Ende der Anjou-Durazzo und den Beginn der Herrschaft unter den Aragonesen Mitte des 15. Jahrhunderts markiert, im Ausstattungsprogramm von San Giovanni a Carbonara deutlich zutage tritt. Erst durch die Schwächung der Dynastie konnten die großen neapolitanischen Adelsfamilien ihre Machtansprüche in solch prägnanter Weise zur Schau stellen. Der Rückgriff auf das traditionelle lokale Formenrepertoire wurde dabei vor allem als Anciennitätsnachweis der eigenen Herkunft sowie als Verweis auf die mittlerweile als vorbildhaft empfundene Epoche der Anjou-Könige eingesetzt, wie dies am Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano ersichtlich wird. Schon der königliche Kirchenstifter Ladislaus von Anjou-Durazzo und seine Schwester nutzten dieses retrospektive Formenrepertoire zur Proklamierung ihrer gerechtfertigten Thronnachfolge, die besonders nach der Rückkehr in die süditalienische Hauptstadt aus dem über zehn Jahre dauernden Exil der Dynastie notwendig war. Erst mit der Beteiligung des Adligen Sergianni Caracciolo del Sole und seiner dem aragonesischen Königshaus treu ergebenen Verwandten an dem Bauprojekt der Augustiner-EremitenKirche wurden auch innovative Elemente in den bestehenden Formenkanon der Architektur, Skulptur und Malerei eingeführt, die den Weg zur Frührenaissance in 96 Grit Heidemann-Schirmer Neapel bereiteten und die humanistischen Tendenzen ankündigten, welche sich am Hofe der Aragonesen wenige Zeit später etablieren sollten. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 97 IV. DIE MAGGIORE NOBILTÀ DES SEGGIO-ADELS: DEMONSTRATION VON EXKLUSIVITÄT Zur Maggiore Nobiltà des neapolitanischen Seggio-Adels gehörten die Familien aus Capuana und Nido, die sich aufgrund ihres Alters und insbesondere aufgrund ihrer neapolitanischen Herkunft als höchste Adelskorporationen innerhalb der Stadt verstanden. Ihr privilegiertes Selbstverständnis, das sich auch aus der Übernahme höchster Kirchen- und politischer Ämter speiste, führte einerseits zu einem Gruppenbewusstsein, das sie gesellschaftlich abgrenzte von den anderen Adligen in Neapel, andererseits zu einer Formulierung von Einzelinteressen, mithilfe derer man sich im Beziehungsgeflecht der Korporationen hervorheben wollte. Diese besonders ausgeprägte Ambiguität der höheren Seggio-Adligen spiegelt sich auch in ihrer Grablegepraxis in Neapel wider, die in diesem Kapitel genauer untersucht werden soll. Dabei wird der Frage nachgegangen, inwieweit sie ihre Exklusivitätsansprüche im Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen, die sich zum Ende des 15. Jahrhunderts in Neapel abzeichneten, geltend und – anhand ihrer Grabmäler und Familienkapellen – sichtbar machten. IV.1. Abgrenzung nach außen Die Familien der neapolitanischen Maggiore Nobiltà sind als eine Gruppe zu verstehen, die sich in ihrer sozialen Vorrangstellung von den anderen Adligen zu distanzieren suchte.424 Insbesondere durch die Konfrontation mit den Neuen in der Stadt, die mit den immer wieder wechselnden Herrscherhäusern nach Neapel kamen und von den Ortsansässigen als fremd empfunden wurden, kam es zu jenem Abgrenzungsbedürfnis, das konstituierend und zugleich charakteristisch für die kollektive Identität der höheren Seggio-Adligen war.425 Diese Wahrnehmung lässt sich beispielhaft an ihren Grablegen 424 Siehe dazu noch einmal Kap. II.1.1. Zur Abgrenzung von Fremden in jeder sozialen Gruppe „zur eigenen Identitätskonstitution“ siehe u.a. Reinhard, Lebensformen, 2004, S. 275f. Außerdem zum „Wir-Bewusstsein, das seine Intensität durch die Abgrenzung gegen ein sie gewinnt“ siehe Assmann, Das Kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 156. Immer noch grundlegend zu sozialen Gruppen in der Vormoderne siehe Oexle, Soziale Gruppen, 1998. Zur 425 98 Grit Heidemann-Schirmer in Neapel ablesen, und zwar nicht nur in der gewählten Form, sondern auch in dem gewählten Standort. IV.1.1. Die Bestattungsorte Die Grablegepraxis der neapolitanischen Seggio-Adligen beinhaltete ein privilegiertes Anrecht, sich in den großen Kirchen der Stadt bestatten zu lassen. Die ostentative Besetzung der öffentlich bedeutenden sakralen Räume und der materiell fassbare Verweis auf ihre Zugehörigkeit zu den Seggi förderte das Ansehen der jeweiligen Adelsfamilie innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft.426 Von historischer Seite wurden die Verbindungen der fünf adligen Seggi zu den großen Kirchen Neapels längst herausgearbeitet, von denen jeweils eine als Hauptkirche des entsprechenden Quartiers fungierte und demzufolge einen identitätsstiftenden Ort für die ansässigen Adligen darstellte.427 An den Ausstattungen dieser Hauptkirchen lässt sich demnach die Zuordnung besonders gut ablesen, transferieren sie doch visuell das Gruppenbewusstsein ihrer Auftraggeber. Besonders signifikant ist dies bei den beiden Hauptkirchen der Maggiore Nobiltà. So errichteten die Angehörigen des Seggio di Capuana, die bezeichnenderweise auch einen Großteil der Kleriker in Neapel stellten, ihre Grabmäler und Familienkapellen fast ausschließlich im Dom, ebenso wie die Adligen des Seggio di Nido den Kirchenraum von San Domenico Maggiore besetzten, sodass es für die Neuen in der Stadt und die niederen Seggio-Adligen kaum Möglichkeiten zum Kapellenerwerb in der Kathedrale ablehnenden Haltung der höheren Seggio-Adligen gegenüber Fremden in Neapel siehe auch Esch, Das Papsttum, 1976, bes. S. 715f. 426 So auch Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 315: „[...] la cappella nella chiesa del seggio diviene la massima aspirazione delle famiglie nobili.” Noch einmal zur Anführung von Kapellenstiftungen für genealogische Nachweise siehe Vitale, Nobiltà, 2000, S. 372; Del Bagno, Reintegrazione, 1984, bes. S. 198f. 427 Dazu vor allem Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982; dies., Il bisogno di eternità, 1988, bes. S. 122-139. Ihren Ausführungen folgt auch Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 286: „Visceglias Erkenntnis liegt nun darin, dass sie feststellte, dass neben den Kollektivkirchen der seggi eine besonders markante Form von neapolitanischen Patronaten darin bestand, dass die Familien eines bestimmten seggio bevorzugt und gehäuft in einer bestimmten Kirche ihre Grabkapellen errichteten.“ Neben dem Dom und San Domenico Maggiore als Hauptkirchen der beiden höheren Seggi war dies im Seggio di Montagna die große Franziskanerkirche San Lorenzo Maggiore. In den beiden jüngeren Seggi di Porto und Portanova sind jeweils zwei Kirchen für das 15. Jahrhundert zu verzeichnen, die von den angehörigen Adligen bevorzugt ausgestattet wurden, und zwar San Giovanni Maggiore und San Pietro Martire (Porto) sowie Sant’Agostino Maggiore und Santa Maria di Portanova, ehemals Santa Maria in Cosmedin (Portanova). Zu den Seggi-Hauptkirchen siehe auch Vitolo, Ordini mendicanti, 2005; Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 311-314, jedoch ohne Bezug zu Porto und Portanova. Zu San Lorenzo Maggiore und dem Seggio di Montagna siehe zuletzt Di Meglio, Nobiltà di seggio, 2012; dies., Ordini mendicanti, 2005. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 99 und der Dominikanerkirche gab. Diese beiden Hauptkirchen werden im Hinblick darauf nun etwas genauer vorgestellt. IV.1.1.1. Der Dom Die Kathedrale galt gemeinhin als das religiöse Zentrum einer Stadt und wurde dementsprechend nicht nur von Königen, sondern auch von weiteren Angehörigen der höchsten Gesellschaftsschichten gefördert und oft frequentiert.428 So verhielt es sich auch mit der Kathedrale in Neapel, die eine lange (Um-)Baugeschichte mit vielen Auftraggebern vorzuweisen hat. Als eine der ältesten kirchlichen Institutionen liegt sie am antiken decumanus maiorus (heutige Via dei Tribunali) und basiert auf zwei frühchristlichen Basiliken, von denen die Kirche Santa Restituta in den von König Karl II. von Anjou ab 1294 initiierten Neubau einverleibt wurde.429 Das Projekt eines großen Doms, der der Hl. Maria Assunta geweiht werden sollte, wurde im frühen 14. Jahrhundert zwar umgesetzt, erfuhr jedoch in den folgenden Jahrhunderten durch mehrere Restaurierungen und Umbauarbeiten solch gravierende Veränderungen, dass seine ursprüngliche Gestalt heute nur noch schwer nachvollziehbar und in der Forschung umstritten ist.430 428 Dazu Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 312: „La cattedrale aveva di certo un fascino e un prestigio particolari essendo la regina delle chiese cittadine [...].“ Auch Bock, I re, 2002, verweist auf den Stellenwert des hohen Klerus, neben den Anjou-Königen, als Auftraggeberschaft im Dom. Zum Dom als Grabstätte für Angehörige aus dem Hause der Anjou siehe vor allem Michalsky, Memoria, 2000, bes. S. 101-109. Zu den großen Ereignissen wie Königskrönungen, Hochzeiten, politische Bekanntmachungen u.a., die in der Kathedrale unter den Aragonesen stattfanden, siehe Canterà, Riccordi, 1894, S. 47-59. Allgemein zur besonderen Stellung der Kathedrale in mittelalterlichen Städten siehe Suckale, Stil und Funktion, 2003, S. 392f. 429 Die einstige Lage und Übernahme der beiden frühchristlichen Basiliken Santa Restituta und Santa Stefania in den Domneubau werden in der Forschung kontrovers diskutiert. Während sich Santa Restituta im Westteil des heutigen Baus erhalten hat, jedoch durch die zahlreichen Umbaumaßnahmen gleichfalls verändert wurde, so fiel Santa Stefania, deren ursprüngliche Lage im Querschiff vermutet wird, schon Ende des 8. Jahrhunderts einem Brand zum Opfer. Sie wurde zwar im 9. Jahrhundert durch einen dem Stadtheiligen Januarius geweihten Neubau ersetzt, der jedoch nicht in den Domneubau übernommen wurde. Siehe dazu vor allem Lucherini, La Cattedrale, 2009, bes. Kap. I; dies., L’invenzione, 2004; Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, bes. S. 79-88 u. S. 230, Anm. 20; dies., Ipotesi, 2002; Coroneo, Il complesso, 2002; Leone de Castris, Un laborioso restauro, 2002; Di Stefano, La Cattedrale, 1974, bes. S. 187-198; Thoenes, Neapel, 1971, S. 113. 430 Siehe die zahlreiche Literatur zum Dom bei Janulardo, La città e la cattedrale, 2013; Lucherini, La Cattedrale, 2009; Romano/Bock, Il Duomo, 2002; Strazzullo, Neapolitanae Ecclesiae, 2000; Di Stefano, La Cattedrale, 1974; Canterà, Riccordi, 1894. Außerdem Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, bes. S. 78-95; Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, bes. S. 101-109; Thoenes, Neapel, 1971, S. 113-134; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 1-40; De Stefano, Descrittione, 1560, ff. 7v16r. 100 Grit Heidemann-Schirmer Ausschlaggebend für das 15. Jahrhundert war das schwere Erdbeben im Dezember 1456, das die Kathedrale wie andere Bauten auch in großen Teilen zerstörte.431 Unter König Ferrante von Aragon beteiligten sich viele neapolitanische Adlige an der Wiederherstellung der Kirche.432 Zum Ende des Quattrocento wurde ihre ohnehin hohe Attraktivität dadurch gesteigert, dass die Reliquien des Stadtheiligen Januarius am 13. Januar 1497 von Montevergine nach Neapel in den Dom transloziert und das schon 1412 erteilte Kirchenpatronat erneuert wurde, welches sich auch heute noch in dem Beinamen San Gennaro widerspiegelt.433 Wie schon unter den Anjou, so waren es auch im 15. Jahrhundert fast ausnahmslos hohe Geistliche, die als Auftraggeberschaft im Dom agierten. Für unseren Kontext von besonderer Bedeutung ist ihre Zugehörigkeit zum Seggio di Capuana, der, wie eingangs erwähnt, die Kathedrale als Hauptkirche des Quartiers beanspruchte, die meisten Kleriker in Neapel stellte und dementsprechend wichtige Beziehungen zum Domkapitel pflegte.434 So besaßen unter anderem die Baraballo, Caracciolo, Carbone, Crispano, Filomarino, Minutolo, Teodoro und Tocco Familienkapellen in der Kathedrale und führten den Zeitgenossen ostentativ vor Augen (Abb. 33), wem dieser bedeutende Sakralbau als Repräsentations- und Erinnerungsstätte vorbehalten war.435 Die Kapellenpatronate und Grabmäler aus dem 15. Jahrhundert sind zwar aufgrund der zahlreichen Umbaumaßnahmen der Folgezeit nur rudimentär erhalten. Für das frühe Quattrocento können jedoch beispielhaft die weiter unten noch ausführlicher zu besprechenden Kardinalsgrabmäler für Enrico Minutolo und Francesco Carbone angeführt werden.436 431 Dazu u.a. Canterà, Riccordi, 1894, S. 49f.; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 5. Zu den Restaurierungsmaßnahmen unter den Aragonesen siehe u.a. Di Stefano, La Cattedrale, 1974, S. 25f. Auf die Beteiligung namhafter Adliger am Wiederaufbau des Doms nach dem Erdbeben verweist auch D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 5. 433 Siehe dazu zuletzt Hills, The Neapolitan Seggi, 2012, bes. S. 167. Außerdem die Schilderung von Notar Giacomo bei Garzilli, Cronica, 1845, S. 213. Vitale, Committenza, 2008, S. 77, verweist auf die Neuweihe des Hauptaltars an den Hl. Januarius und den Erzengel Michael im Jahre 1412. Zu weiteren Reliquien im Dom siehe De Stefano, Descrittione, 1560, f. 10r. 434 Auch Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 286, verweist darauf, dass im Dom fast ausschließlich Familien aus dem Seggio di Capuana vertreten waren. Dies geht einher mit der hohen Zahl an Klerikern, die aus diesem Seggio gestellt wurden und die, wie in anderen mittelalterlichen Städten auch, ein privilegiertes Anrecht auf eine Grabstätte in der Kathedrale hatten. Beispielhaft zu den einzelnen Restaurierungsmaßnahmen am Dom durch neapolitanische Kardinäle seit dem späten 15. Jahrhundert siehe Di Stefano, La Cattedrale, 1974, bes. S. 25-76. 435 Zu den Familien im Dom siehe Visceglia, Il bisogno, 1988, S. 125; dies., Corpo e sepoltura 1982, S. 597; Di Stefano, La Cattedrale, 1974, S. 25. 436 Für die weitere Ausführung werden die Grabplatten im Dom und Santa Restituta vernachlässigt, da diese durch den teilweise schlechten Erhaltungszustand nicht identifizierbar sind. Auch auf das Grabmal für Kardinal Rinaldo Piscicelli (†1457) kann nicht näher eingegangen werden, da es verschollen ist. Nur 432 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 101 IV.1.1.2. San Domenico Maggiore San Domenico Maggiore hat eine ähnlich wechselvolle (Bau-)Geschichte vorzuweisen wie der Dom.437 Der von der Familie Morfisa nahe dem antiken decumanus inferiorus errichtete Vorgängerbau Sant’Angelo a Morfisa war seit dem frühen 12. Jahrhundert Sitz der Benediktiner. Ab 1231 wurden hier die sich in Neapel verbreitenden Dominikaner aufgenommen, die wenige Jahre später schließlich den Konvent samt Kirche übernahmen und ihrem Ordensgründer weihten.438 Im späten 13. Jahrhundert gehörte sie, wie der Dom, zu den königlichen Bauprojekten, indem Karl II. von Anjou die Erneuerung der Dominikanerkirche initiierte, die den kleinen Vorgängerbau in sich aufnahm, nach Norden in Richtung des decumanus maiorus ausgebaut und nun der Hl. Maria Magdalena geweiht wurde.439 Wie schon bei der Kathedrale so beteiligten sich auch hier mehrere neapolitanische Adlige an den Bauarbeiten und dem Ausstattungsprogramm.440 Ihre Attraktivität begründete sich nicht nur darin, dass sie strategisch günstig zwischen den beiden Hauptachsen der Stadt gelegen war und als Hauptkirche des Dominikanerordens in Neapel fungierte.441 Sie hatte vor allem durch ein dort aufbewahrtes wundersames Altarbild der „Kreuzigung“ aus dem 13. Jahrhundert, welches der Überlieferung nach zu dem in diesem Konvent tätigen Thomas von Aquin gesprochen haben soll, Berühmtheit erlangt und wurde folglich von den Herrscherhäusern als öffentlichkeitswirksame Repräsentations- und Memorialstätte einzelne Artefakte der ehemaligen Ausstattung der Cappella Piscicelli finden sich heute museal zusammengestellt im Vorraum zum Baptisterium von Santa Restituta. Zum Grab von Rinaldo Piscicelli siehe u.a. Strazzullo, Neapolitanae Ecclesiae, 2000, S. 157. Zu den Resten der Kapellenausstattung siehe ders., Neapolitanae Basilicae, 2001, S. 67-70. 437 Zu San Domenico Maggiore siehe vor allem Vitolo, Ordini mendicanti, 2005; Ascher, The Church, 2002; Kaeppeli, Dalle pergamene, 1962; Filangieri, Documenti (III), 1885; Valle/Minichini, Descrizione, 1854; De Simone, Le chiese, 1845, S. 83-132; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 264-294. 438 Siehe dazu De Divitiis, Architettura, 2007, S. 138. Zur Ansiedlung der Dominikaner in Neapel und Süditalien weiterhin Wagner-Rieger, Zur Typologie, 1957/58, S. 268; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 264f. 439 Zum Neubau unter Karl II. von Anjou siehe vor allem Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, S. 9599; Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 110-112. Zur urbanen Lage von Vorgängerkirche und Neubau siehe Ascher, The Church, 2002, bes. S. 95f. Die Kirche wurde trotz der Neuweihe auch weiterhin von den Neapolitanern als San Domenico bezeichnet. Darauf verweist u.a. D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 267f. 440 Dazu Vitolo, Ordini mendicanti, 2005; Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, bes. S. 161-163; De Simone, Le chiese, 1845, S. 87. So verweist auch D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 267, auf die Stiftung des Kirchenportals durch Bartolomeo da Capua. Siehe außerdem die Dokumente zu den Zuwendungen zahlreicher Adliger bei Kaeppeli, Dalle pergamene, 1962, bes. S. 286-312. 441 Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 113, bezeichnet sie als „die bedeutendste Dominikanerkirche Neapels“. 102 Grit Heidemann-Schirmer instrumentalisiert.442 So hatte schon Karl II. von Anjou (†1309) testamentarisch verfügt, dass sein Leichnam in die französische Heimat der Dynastie, Aix-en-Provence, überführt, sein Herz jedoch in San Domenico bestattet werden sollte.443 Dieser Grablegepraxis folgte auch Alfons I. von Aragon (†1458), der anordnete, dass er in seiner katalonischen Heimat bestattet, sein Herz wiederum in der Neapler Dominikanerkirche verwahrt werden solle.444 In der Folgezeit wurde die Sakristei als Aufbewahrungsort der Särge königlicher Mitglieder aus dem Hause Aragon genutzt. Es handelt sich dabei um hölzerne Särge, die mit einem aufwendig aus Brokat und Gold verzierten Stoff überdeckt (Abb. 34) und für Alfons I., Ferrante, Ferrandino und dessen Frau Johanna von Aragon angefertigt wurden.445 Demzufolge wurde in der bisherigen Forschung die These vertreten, dass die Aragonesen in eben dieser Kirche ihre dynastische Grablege errichten wollten.446 Es gibt jedoch mehrere Indizien, die belegen, dass dieser Aufbewahrungsort nur vorübergehend sein sollte.447 So überliefert Pietro Summonte in seinem 1524 an einen Freund verfassten Brief, dass Alfons von Kalabrien, der spätere Alfons II. von Aragon, eine neue dynastische Grablege nahe dem Castel Nuovo geplant hatte.448 Dieses Vorhaben konnte letztlich nicht umgesetzt werden, da es zu jener dynastischen Krise und den kriegerischen Auseinandersetzungen kam, die aus der Eroberung Neapels durch 442 Zum wundersamen Altarbild und Thomas von Aquin im Konvent des neapolitanischen Dominikanerordens siehe vor allem De Divitiis, Architettura, 2007, S. 144f.; Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 114; Krüger, Bilder als Medien, 2003, S. 155f. Außerdem D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 268f. u. 276. 443 Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 111 u. Kat. Nr. 16, S. 271. 444 Siehe u.a. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 237. 445 Siehe dazu vor allem D’Arbitrio, San Domenico, 2001, bes. S. 73-104; Le arche, 1991; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 289f.; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 107r-109v. Die Särge für Alfons I. und Ferrante von Aragon befanden sich erst an der Seitenwand des Kirchenhauptaltars, wurden aber nach dem Brand von 1506 in die Sakristei verlegt. Zuvor war der Leichnam von Alfons im Castel dell’Ovo aufbewahrt worden. Mit dem Tod seines Sohnes Ferrante wurde er in San Domenico untergebracht und erst im Jahre 1666 in die katalonische Heimat überführt, wie es der König testamentarisch verfügt hatte. Zur Aufbahrung König Ferrantes im Chor von San Domenico Maggiore siehe auch Ferraiolos Bericht in Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, S. 86. 446 Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 114, vermutet, dass San Domenico Maggiore als aragonesische Grablege vorgesehen war, „[…] deren Umsetzung allerdings durch einen Brand vereitelt wurde.“ Ascher, The Church, 2002, S. 96, interpretiert den Neubau der Dominikanerkirche unter den Aragonesen als königliches Grablegeprojekt. 447 Zu diesem Provisorium siehe auch Michalsky, Conivges, 2005, S. 77. 448 Vgl. Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 172. Dazu weiter unten Kap.V.1.2. Das Bedürfnis nach einer neuen Grablege für das aragonesische Geschlecht in der süditalienischen Residenzstadt als nunmehr neue Heimat wurde demzufolge spätestens in der dritten Generation konkret, wie es sich auch schon bei den Anjou ereignete. Denn der dritte König auf dem neapolitanischen Thron war Robert von Anjou, der mit dem Neubau des Doppelklosters Santa Chiara im frühen 14. Jahrhundert seine Idee einer repräsentativen dynastischen Grablege in Neapel realisierte. Siehe dazu vor allem Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, bes. S. 125-152. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 103 den französischen König Karl VIII. (1495) und der Flucht Alfonsos resultierten.449 Zudem überliefert De Lellis, dass – einige Jahre später – Königin Johanna III. von Aragon (†1517) den Wunsch geäußert hatte, in der nahe dem Castel Nuovo befindlichen Kirche Santa Maria la Nova ein Grabmal für die Verstorbenen der aragonesischen Dynastie errichten zu lassen, deren Särge sich immer noch in der Sakristei von San Domenico befanden.450 Obwohl es nicht dazu kam, so verdeutlicht es doch zusammen mit dem Vorhaben Alfonsos II., dass die Aragonesen eine eigene Grablege für ihr Geschlecht in Neapel errichten lassen wollten und San Domenico Maggiore nur als temporäre Grabstätte diente. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Dominikanerkirche, ebenso wie der Dom und weitere Sakralbauten der Stadt, durch das Erdbeben im Jahr 1456 erheblich zerstört wurde.451 Daraufhin trieben die Aragonesen den Wiederaufbau der Kirche voran, sicherlich auch um sich der neapolitanischen Bevölkerung als frommes Herrscherhaus, das neu in der Stadt war, sich aber umfassend der Probleme vor Ort zuwandte, zu empfehlen. In dieser Zeit entstand die beeindruckende Platzanlage an der Südseite der Kirche, für die König Alfons I. einige umstehende Gebäude abreißen ließ.452 Die Beteiligung neapolitanischer Adliger an dem Neubauprojekt verdeutlicht zugleich ihren Stellenwert als Hauptkirche des zugehörigen Seggio di Nido.453 So ließ beispielsweise der aus diesem Quartier stammende Inigo d’Avalos 1465 die monumentale Treppe errichten, welche von der neuen Piazza aus einen Zugang zur alten Kirche Sant’Angelo a Morfisa ermöglichte, durch die man auch in die Dominikanerkirche gelangte.454 Desweiteren wurde beim Kapitel des Jahres 1507 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Prokuratoren von San Domenico die Kapellenvergabe nicht ohne die Zustimmung des Rates der Fünf des Seggio di Nido vornehmen dürften.455 449 Siehe dazu noch einmal Kap. II.4. Siehe dazu De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 18r-v u. 25v-26r. Außerdem Kap.V.1.1. 451 Siehe dazu D’Aloe, Catalogo, 1883, S. 287; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 267, der jedoch fälschlicherweise das Jahr 1446 angibt. 452 Siehe dazu Ascher, The Church, 2002, S. 95f. Zu weiteren Umbaumaßnahmen infolge der Zerstörungen durch das Erdbeben siehe ebd., S. 98. 453 Weitere große Kirchen im Seggio di Nido waren Santa Chiara, in der jedoch kaum Grabmäler im Quattrocento errichtet wurden sowie Santa Maria Donnarómita, Santa Maria Maggiore und Santa Maria di Montevergine, in denen sich jedoch fast keine Gräber aus dem 15. Jahrhundert erhalten haben. Zu nennen ist auch die Kirche San Sebastiano, die jedoch zerstört wurde. Aufgrund des schlechten Überlieferungsstandes werden die genannten Kirchen nicht näher thematisiert. 454 Zur Treppenanlage, die somit als Seiteneingang zu San Domenico fungierte, siehe Ascher, The Church, 2002, S. 96-98. 455 Vgl. Vitale, Élite, 2003, Appendix I, S. 128, Nr. 11: „[…] non debiano né possano consentire in nisciuna alienatiune né permutatione de qualsevoglia cappella […].“ 450 104 Grit Heidemann-Schirmer Folgerichtig war der Kirchenraum fast ausschließlich von Familien aus dem zugehörigen Seggio besetzt, die auch ihre Paläste um die Kirche herum errichteten und somit die Beanspruchung der berühmten Dominikanerkirche und des sie umgebenden Stadtraumes als exklusives Vorrecht ihrer Adelskorporation demonstrierten.456 Bis ins frühe 16. Jahrhundert lassen sich Kapellenpatronate für die Familien Brancaccio, Carafa, Capece, Dentice, Riccia, Rota, Tomacelli und Vulcano in San Domenico Maggiore nachweisen (Abb. 35), die alle aus dem Seggio di Nido stammten.457 Ähnlich wie beim Dom manifestiert sich demnach auch hier in den Familienkapellen das enge Netzwerk und Zusammengehörigkeitsgefühl der neapolitanischen Maggiore Nobiltà. Darüber hinaus wird die Dominanz mehrerer Familienzweige der Brancaccio und Carafa in San Domenico offensichtlich, die unter dem Aspekt des in einer sozialen Gruppe typischen Distinktionsstrebens weiter unten genauer erörtert wird. Dass die Abgrenzung nach außen nicht nur durch die Standort-, sondern auch durch die Formwahl der Grabmäler kommuniziert wurde, wird im Folgenden thematisiert. IV.1.2. Zur Persistenz des alten Grabmalstyps Im Neapel des frühen Quattrocento dominierte ein lokaler Grabmalstypus, der sich im 14. Jahrhundert entwickelt und bis weit ins 15. Jahrhundert trotz dem Aufkommen neuer Typen erhalten hat. Die Rede ist von dem schon in Kapitel III vorgestellten angiovinischen Grabmalstyp, den Tino di Camaino und seine Werkstatt im Trecento kreiert haben und der sich durch einen mehrgeschossigen Aufbau zwischen Wandbaldachinpfeilern mit spezifischen Motiven auszeichnete. Seit der Einführung dieses Grabtyps, der ursprünglich der Repräsentationsstrategie von Mitgliedern des angiovinischen Königshauses verpflichtet war, wurden viele ähnlich gestaltete Adelsgrabmäler in und um Neapel errichtet. Dies unterstreicht einmal mehr die Vorbildhaftigkeit dieser Anjou-Gräber „als Prototypen einer in Süditalien neuen Sepulkralskulptur“.458 Auffällig ist dabei, dass es sich fast ausnahmslos um 456 Auch Esch, Das Papsttum, 1972, S. 729f., betont die Nähe der Familienpaläste der Angehörigen des Seggio di Nido um die Kirche. Dazu ebenso Michalsky, Einleitung, 2012, S. 12; dies., Die Porosität, 2007, S. 114. 457 Auch Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 317, verweist auf die Okkupierung der „zone più prestigiose della chiesa“ durch die „famiglie più importanti“ dieses Seggio. 458 Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 231. Sie sieht in dem konzeptionellen Aufbau der Anjou-Gräber einen „vorgegebenen Standard“ für die Erinnerungsmonumente der neapolitanischen Adligen. Vgl. ebd., S. 236. Zur Vorbildhaftigkeit der Königsgrabmäler seit den Anjou in Neapel siehe Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel Erinnerungsmonumente für Mitglieder der alteingesessenen 105 neapolitanischen Adelsfamilien handelt, wie die folgenden Beispiele zeigen. Das Grabmal für Kardinal Enrico Minutolo im Dom (1402–1405) Die Cappella Minutolo (Abb. 37) war am Ende des 13. Jahrhunderts als zweite Kapelle rechts im Querschiff des Domes von Erzbischof Filippo Minutolo errichtet und dem Hl. Petrus geweiht worden.459 Zwei auf Stützen getragene Sarkophage für den Kapellenstifter (†1301) und für ein weiteres Mitglied dieser aus dem Seggio die Capuana stammenden Adelsfamilie, die zu den ältesten und reichsten Neapels zählte, Erzbischof Orso Minutolo (†1333), bildeten die skulpturale Ausstattung zusammen mit dem klein dimensionierten, in feiner Graffito-Technik gearbeiteten Altarblock.460 Kardinal Enrico Minutolo, der zu Zeiten des Abendländischen Schismas (1378–1417) und den Machtkämpfen zwischen den Anjou und den Durazzo um den neapolitanischen Thron eine erfolgreiche klerikale Karriere zu verzeichnen hatte, ließ die Familienkapelle ab 1402 um eine polygonale Apsis erweitern, die Platz für sein monumentales Grabmal schaffen sollte.461 Dieses nahm zugleich den Altar in sich auf, der nun auch seiner römischen Titelkirche der Hl. Anastasia geweiht wurde.462 auch Bock, Kunst am Hofe, 2001, bes. S. 275-309; ders., Künstler, 2000; Beyer, Parthenope, 2000, S. 4043. 459 Zur Kapelle und deren früherer Ausstattung siehe Janulardo, La città e la cattedrale, 2013, bes. S. 223f.; Furelli, La Cappella Minutolo, 2009; Paone, La Cappella Minutolo, 2009; Furelli/Gianandrea, L’Altare, 2008; Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007; Strazzullo, Neapolitanae, 2000, S. 64-67; Borea, I ritrovati affreschi, 1962. In dem alten Kapellenraum, der fortan den Vorraum zur Apsis bildete, kam das aufwendig mit cosmatesken Mosaiken verzierte Paviment vollständig zur Geltung, in dem mittig die Grabstätte der hier Bestatteten durch eine runde, mit dem Familienwappen verzierte Platte markiert wurde. Dazu vor allem Furelli/Gianandrea, L’Altare, 2008, S. 200-204. An den Wänden finden sich zudem noch Reste der Fresken aus dem frühen 14. Jahrhundert, die – neben der „Kreuzigung“ in der Nische des Seitenaltars und Martyrienszenen weiterer Heiliger – im unteren Register umlaufend eine Reihe von Rittern präsentieren, die in voller Rüstung kniend hintereinander in Richtung des Hauptaltars beten. Sie tragen auf der Kleidung oder den beigegebenen Schilden die Familienembleme der Minutolo und können daher als eine Art idealisierte Ahnengalerie verstanden werden, die in den Grabmälern der hier Bestatteten kulminieren. Bei der Verlagerung der beiden älteren Sarkophage an die Seitenwände der neuen Apsis, die somit das monumentale Grabmal für Enrico Minutolo flankierten, wurde diese Blickführung beibehalten. Die zeitgleich entstandenen Fresken an der Rückwand, in denen Szenen aus der Passion Christi dargestellt sind, umrahmen das Grabmal zusätzlich und bekräftigen im Angesicht der compassio den Wunsch nach einer dauerhaften Seelenfürsorge für den Bestatteten. Zu den Fresken siehe vor allem Paone, La cappella Minutolo, 2009; Furelli, La Cappella Minutolo, 2009; Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 131-135; Borea, I ritrovati affreschi, 1962. 460 Zum Grabmal für Orso Minutolo siehe Aceto, Per l’attività, 1988/89. Auf dem Altar sind die Hll. Aaron und Zacharias dargestellt, darunter befindet sich die Stifterinschrift von Filippo Minutolo. Siehe dazu vor allem Furelli/Gianandrea, L’Altare, 2008, bes. S. 196f. 461 Zu Enrico Minutolo, der am 18. Dezember 1389 zum Kardinal ernannt wurde, und seiner Familie, die ihre eigene Position mittels der Übernahme und Weitergabe höchster politischer sowie vor allem 106 Grit Heidemann-Schirmer Das noch zu Lebzeiten des Auftraggebers zwischen 1402 und 1405 errichtete Grabmal wurde schon eingehend in der Dissertation von Nicolas Bock analysiert.463 An dieser Stelle gilt es – nach einer kurzen Beschreibung und Einordnung in die neapolitanische Grabmalslandschaft – die Repräsentationsstrategie des Kardinals im Kontext der herausgearbeiteten Gruppenzugehörigkeiten herauszuarbeiten. Das Grabmal für Kardinal Enrico Minutolo (Abb. 38) folgt dem oben vorgestellten Typus der monumentalen Wandbaldachingrabmäler, die in Italien weit verbreitet waren und seit den Anjou die neapolitanische Grabmalslandschaft prägten.464 Insbesondere im Aufbau steht es in dieser trecentesken Tradition, wie unter anderem der Einsatz von Tugendfiguren als Karyatiden in der ersten Ebene, namentlich Caritas Dei und Caritas Proximi, zeigt.465 Was das Monument jedoch einzigartig im lokalen Kontext macht, ist die Einverleibung des Kapellenaltars, indem die Mensa über dem alten Altarblock von zwei gedrehten und reich verzierten Säulen getragen wird und zusammen mit den flankierenden Tugenden die erste Ebene des Grabmals bildet. Zudem wurde eine Predella eingefügt, die ein fein gearbeitetes Säulenrelief an der Frontseite zeigt, auf dem in 13 Nischen die thronende Madonna mit dem Christuskind inmitten der zwölf Apostel dargestellt ist. Eine vergleichbare Kombination von Kapellenaltar und Grabmal nach Art eines Altarziboriums lässt sich in Rom an dem heute nicht mehr in seinem Originalzustand erhaltenen Grabmal für Kardinal Philippe d’Alençon (†1397) in Santa Maria in kirchlicher Ämter insbesondere in Zeiten der neapolitanischen Päpste zu stärken suchte, siehe vor allem Vitale, Minutolo, 2010; dies., Committenza, 2008, bes. S. 84-92; dies., Élite, 2003, S. 232-238. Außerdem Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 118-120; Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 66; Esch, Das Papsttum, 1972, S. 743 sowie S. 714, 719-723 u. 767. Enrico Minutolos privilegierte Position an der Kurie spiegelt sich auch darin wider, dass er Papst Gregor XII. von 1406 bis 1407 mit elf weiteren Kardinälen nach Siena begleitete. Aufgrund eigener Interessen folgte er jedoch drei Jahre später dem Gegenpapst Alexander V. (1409–1410) nach Bologna. Dort starb Enrico Minutolo am 17. Juni 1412. Sein Leichnam wurde daraufhin nach Neapel gebracht und in der Familienkapelle im Dom bestattet. 462 Siehe dazu Vitale, Minutolo, 2010, S. 732; Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 123; Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 53f. Furelli/Gianandrea, L’Altare, 2008, S. 197, verweisen auf die Inschrift am Altar, die an den eigentlichen Stifter Filippo erinnert und somit auch den für Enrico besonderen Stellenwert seines berühmten Ahnen verdeutlicht. Zum Altar vor allem ebd., S. 195-200. Die Bekanntheit Filippos und der Familienkapelle spiegelt sich auch darin wider, dass „seine Beisetzung [in der Cappella Minutolo, Anm.d.V.] i. J. 1301 den Hintergrund der 5. Novelle des 2. Tages des Decamerone [Boccaccios] bildet […].“ Vgl. Thoenes, Neapel, 1971, S. 132. Dazu auch Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 117f. 463 Vgl. Bock, Kunst am Hofe, 2001, bes. S. 52-67 u. Kat.-Nr. 19. 464 Zu den mittelalterlichen Wandbaldachingrabmälern in Italien siehe vor allem Körner, Grabmonumente, 1997, bes. S. 70f. 465 Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 55, interpretiert dagegen die linke Figur als Fides. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 107 Trastevere (Abb. 39) finden.466 Auch in weiteren Details sind einige Parallelen erkennbar. So erscheinen am rahmenden Baldachin des Alençon-Monumentes ebenfalls je zwei übereinander gestellte Säulen, die die mit Figurennischen verzierten Fialen und den mit Krabben besetzten sowie mit dem Kardinalswappen im Bogenzwickel dekorierten Wimperg tragen. Dessen ursprüngliche „Gesamtanordnung“, die ihrerseits durch die Aufeinanderfolge von „Altar – Grabnische – figürliche Darstellung“467 dem römischen Prototyp des über einem Altar angebrachten Wandnischengrabs, jenes für Papst Bonifaz VIII. (†1303) in Alt-St. Peter, folgte, lässt sich am Minutolo-Grabmal noch erahnen. Doch erscheint hier der Altar buchstäblich dem Grabmal untergeordnet, das in seinem Aufbau und der Motivwahl deutlich auf lokale Vorbilder verweist. So führt die motivisch fast stereotype Aufeinanderfolge des von Tugendkaryatiden gestützten Sarkophags mit der camera funebris und dem von einer vollplastischen Figurengruppe bekrönten Walmdach die lokale Tradition des trecentesken Grabmalstyps fort und unterstreicht somit die Vorbildrolle jener Monumente für Angehörige aus dem Hause der Anjou und Durazzo in Neapel. Dies lässt sich auch in weiteren Motiven verfolgen, wie zum Beispiel die den Vorhang zur Totenkammer aufhaltenden Engel, die Zelebrierung der Totenmesse im Hintergrund der camera, die imago pietatis an der Frontseite des Walmdaches und die Kreuzigung Christi als dessen bekrönender Abschluss.468 Gleichwohl ist in der Anbringung des Kardinalswappens an den Seitenplatten der Predella und des Sarkophags sowie im Giebel des Wimpergs – wie schon am römischen Pendant469 – zusammen mit weiteren Details eine Modifizierung der königlichen Vorbilder erkennbar, die mit dem Bedürfnis nach einer Selbstinszenierung Minutolos einhergeht. So wird das Konterfei des Kardinals zum einen in der camera funebris als Liegefigur, die entsprechend seines Amtes im Kirchenornat bekleidet ist, zum anderen im linken Relieffeld an der Frontseite des Sarkophags präsentiert, in der die 466 Siehe dazu Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, bes. S. 38-48. Auf dieses sowie weitere römische Vergleichsbeispiele, die jedoch später als das Minutolo-Grabmal entstanden sind, verweist Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 55 u. 59f. 467 Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, S. 44. 468 Zur Übernahme dieser Motive am Minutolo-Grabmal, die im neapolitanischen Grabmalskontext allein auf königliche Vorläufer zurückzuführen sind, siehe vor allem Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 56f. Auf das Grabmal für Katharina von Österreich in San Lorenzo Maggiore als formalen Vorläufer verweist Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 138. Die größte Ähnlichkeit im Aufbau und in der Übernahme einzelner Motive lässt sich m.E. am Grabmal für Maria von Durazzo (†1366) in Santa Chiara feststellen. Zu diesem Grabmal siehe u.a. Bock, Kunst am Hofe, 2001, Kat.-Nr. 12; Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, Kat.-Nr. 40 u. Abb. 67. 469 Vor allem die Anbringung des Kardinalswappens im Zwickel des Wimpergs verweist auf das römische Vorbild in Santa Maria in Trastevere. 108 Grit Heidemann-Schirmer commendatio animae des Stifters durch die Hll. Hieronymus und Anastasia in Richtung der im breiteren Mittelfeld dargestellten Protagonisten der „Geburt Christi“ erfolgt. Die im rechten Relief anschließenden Petrus und Januarius erweitern die spezifische Auswahl von Heiligen, die das Kapellenpatronat ebenso wie das Selbstverständnis von Enrico Minutolo als Kardinal versinnbildlichen.470 Die rahmende Baldachinarchitektur des Grabmals lässt wiederum einen direkten Bezug zum Domportal erkennen, welches wenig später von demselben Auftraggeber beim Hofbildhauer Antonio Baboccio veranlasst worden war.471 Das Portal (Abb. 40) geht dabei eine deutliche Synthese mit dem Grabmal des Auftraggebers ein. Es erhebt sich wie die Architektur des Minutolo-Grabmals über zwei Löwen, die als Sockelfiguren das Ensemble stützen. Darüber folgt auf der linken und der rechten Seite je eine dunkel marmorierte Säule, während am Grabmal jeweils zwei aufwendig dekorierte Spiralsäulen aufragen. Am Portal sind darüber drei Nischen auf jeder Seite angebracht, die von Postamenten mit dem Familienwappen gegliedert und im oberen Teil von Fialen bekrönt werden, in denen eine weitere Nische eingearbeitet ist. Hier waren einst insgesamt acht Heiligenfiguren aufgestellt, von denen heute jedoch nicht alle erhalten sind. Es handelt(e) sich dabei um Anastasia, Petrus Martyr, Eufebius und Agrippinus links sowie um Nikolaus Pellegrinus, Thomas von Aquin, Restituta und Agnellus rechts, die als Stadtheilige eine große Bedeutung für die Bewohner Neapels hatten.472 An Stelle der vierten Ebene des Grabmals, also der Kreuzigungsszene, befindet sich am Portal ein reich dekoriertes Tympanon, in dem eine vollplastische Figurengruppe die Empfehlung des Kardinals durch die Hll. Januarius und Petrus an die in der Mitte thronende Madonna darstellt. Durch dieses Motiv wurde gleichsam ein visueller Bezug zum Tympanon des römischen Alençon-Grabmals geschaffen, dessen Relief das gleiche Bildthema wiedergibt, wenn auch im Halbrelief und mit mehreren Figuren ausgestattet. 470 Es sei noch einmal auf die Kapellweihe an die Hll. Petrus und Anastasia hingewiesen, wobei Letztgenannte auf die Titelkirche des Kardinals zurückzuführen ist. Der Hl. Hieronymus galt in seiner einstigen Funktion üblicherweise allen Kardinälen als Vorbild und Januarius hatte als einer der Stadtheiligen eine besondere Position in Neapel. 471 Zum Domportal und dem Auftragsverhältnis zwischen Enrico Minutolo und Antonio Baboccio siehe vor allem Bock, Kunst am Hofe, 2001, bes. S. 22-52. Außerdem Vitale, Minutolo, 2010, S. 731f.; dies., Committenza, 2008. Während das Domportal nachweislich von Minutolo bei Baboccio 1406 beauftragt und 1407 beendet wurde, ist das Grabmal nicht demselben Bildhauer zuzuschreiben, sondern man muss von einem heute unbekannten Künstler ausgehen. So revidiert zuletzt Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 138f., mit großem Nachdruck die Zuschreibung des Minutolo-Grabmals an Baboccio. Allgemein zum Motiv des Baldachins an mittelalterlichen Grabmälern siehe Körner, Grabmonumente, 1997, S. 8489. 472 Zur Vorstellung der einzelnen Heiligen im neapolitanischen Kontext siehe vor allem Vitale, Committenza, 2008, bes. 74-84. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 109 Beim Domportal handelt es sich um jene zwei Heiligen, die auch auf der rechten Seite der Sarkophagfrontplatte des Minutolo-Grabmals begegnen, aber am Portal sind sie es, die den Stifter – einer Spiegelung gleich – zur Fürbitte unter sich aufgenommen haben. Die darunter befindliche Inschrift vermittelt nunmehr im Wortlaut die Selbstdarstellungsabsicht Enrico Minutolos als wichtige Persönlichkeit sowohl für Neapel als auch für die römische Kurie.473 Der spitz aufragende Wimperg ist schließlich an beiden Auftragswerken und im Vergleich mit dem römischen Vorläufer ähnlich gearbeitet. Er unterscheidet sich in nur wenigen Details, wie dem Okulus am Portal, das eine vollplastische Marienkrönung beherbergt, während an derselben Stelle am Grabmal das Kardinalswappen angebracht ist. Das Domportal schafft in seiner formalen und gestalterischen Konzeption eine offensichtliche Bezugnahme zum Grabmal des Kardinals, der sich dadurch sowohl am Außenbau als auch im Innern der Kathedrale den Zeitgenossen als herausragender Stifter präsentierte.474 Diese Selbstinszenierung an der wichtigsten Kirche der Stadt, die zugleich die Hauptkirche des Seggio di Capuana war, offenbart das Bedürfnis von Enrico Minutolo, sich nicht nur innerhalb der als exklusiv empfindenden Adelskorporation Neapels, sondern auch im Kreise seiner Familie hervorzuheben.475 Dies wurde zum einen durch den gewählten Standort in der exponierten Lage innerhalb der Kathedrale ermöglicht, die sich gleichermaßen in der zeitgenössischen Relevanz der Cappella Minutolo manifestiert. So bildete die Familienkapelle schon einen Schauplatz in Boccaccios „Decamerone“ (um 1350), ebenso wie sie von den Angehörigen des Seggio di Capuana als Versammlungsort, wie am 22. September 1500, genutzt wurde.476 Zum anderen ermöglichte das Grabmal in seiner für Neapel singulären 473 Die Inschrift wird gegeben von Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 31, Anm. 25, mit folgender Übersetzung: „Ohne jegliches Zeichen von Würde war ich für lange Zeit nur eine Pforte, jetzt bin ich eine Tür, die im Glanze erstrahlt, überreich an Schmuck. Henricus Minutulus zierte mich auf eigene Kosten, weiland Bischof dieser heiligen Kirche, jetzt fester Angelpunkt des apostolischen Pfeilers. Für ihn bitte ich nach dem Tode um ein ewiges heiles Leben. Dieses Werk wurde ausgeführt als 1407 Jahre vergangen waren nachdem das Wort Fleisch geworden.“ Am Grabmal wurde dagegen keine Inschrift angebracht, mit Ausnahme der schon vorhandenen Stifterinschrift Filippo Minutolos am inkorporierten Altarblock. 474 Wenn auch im gesamten Mittelalter die Portale von Sakralbauten eine symbolische Funktion als Porta coeli einnahmen und man daraus resultierend einen Einfluss dieses Motivs auf die im Innern befindlichen Grabmäler erwartet, so ist diese Schlussfolgerung in Neapel zu revidieren. Hier haben die schon viel früher etablierten angiovinischen Grabmäler eine Vorbildrolle für die Portale gespielt. 475 Dazu auch Vitale, Minutolo, 2010, S. 732: „Nell’operazione di ristrutturazione della cappella è evidente la volontà di esaltare la personalità del M. [Enrico] anche all’interno del lignaggio.“ 476 Zur Einbeziehung der Cappella Minutolo im „Decamerone“ siehe noch einmal Anm. 261. Zur Nutzung der Kapelle als Versammlungsort der Adligen des Seggio di Capuana siehe Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 308, Anm. 4. 110 Grit Heidemann-Schirmer Konzeption die visuelle und damit dauerhafte Vermittlung des von Enrico Minutolo angestrebten privilegierten sozialen Status innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft. Das Monument wird dabei nicht nur durch die imposanten Gold- und Farbverzierungen optisch aufgewertet, sondern insbesondere durch die in Neapel einzigartige Inkorporierung des Kapellenaltars, die bezeichnenderweise auf römische Vorbilder verweist und somit das damalige Handlungsumfeld des Kardinals visuell nach Neapel transferiert. In der Betrachtung des Minutolo-Grabmals wurde derweil offensichtlich, dass es formal und motivisch weitaus enger mit den neapolitanischen Erinnerungsmonumenten für Angehörige der Königshäuser Anjou und Durazzo verwandt ist.477 Dies erklärt sich aus dem spezifischen Kontext der damaligen Ereignisse, die sich durch das Abendländische Schisma ergaben, in dem der Königshof erfolgreich intervenierte und dadurch den neapolitanischen Klerikern eine führende Rolle in der päpstlichen Politik zusicherte.478 Die Beziehungen mit den Königshäusern der Anjou und der Durazzo setzten am Ende des 14. Jahrhunderts demnach jene Formfindungsprozesse in Gang, die eine Übernahme signifikanter Elemente und Motive des angiovinischen Grabmalstypus auf die neapolitanischen Adelsgrabmäler ermöglichten.479 Das Grabmal für Enrico Minutolo folgte zu Beginn des Quattrocento dieser Praxis und vermittelte somit das Gruppenbewusstsein der neapolitanischen Kleriker, die bezeichnenderweise aus den höheren Seggi stammten.480 Es bildete den Auftakt für die Aufrechterhaltung dieses mittlerweile traditionellen Grabmalstyps bis weit ins 15. Jahrhundert hinein, der fast ausschließlich an den Monumenten der Maggiore Nobiltà eingesetzt wurde, die durch diese Retrospektivität auf die zunehmende Verdrängung ihrer ehemals privilegierten Position reagierten und die Gruppenidentität ihrer Familien zu stärken suchten,481 wie an weiteren Beispielen noch zu zeigen sein wird. 477 Die Einbeziehung des königlichen Familienwappens der Anjou-Durazzo am Domportal interpretiert Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 21, als sichtbares Zeichen von Enrico Minutolos „Treue zum Herrscherhaus“, das jedoch von der „Prachtentfaltung“ seiner Selbstdarstellung übertrumpft wird. 478 Siehe dazu vor allem Esch, Das Papsttum, 1972. Außerdem Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 65f. u. 313f. 479 Siehe dazu vor allem Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 275-309. 480 Auch Vitale, Minutolo, 2010, S. 731, betont, dass Enrico Minutolo dadurch seine Beziehungen zum Königshaus demonstrieren wollte. So auch ebd., Committenza, 2008, S. 92. Siehe auch Bock, I re, 2002, S. 141. Zur Gruppenwahrnehmung der neapolitanischen Kleriker im frühen 15. Jahrhundert siehe vor allem Esch, Das Papsttum, 1972, bes. S. 714-716 u. 722f. 481 Siehe dazu auch Preyer, Rolle, 2012, S. 122: „Zu der Stabilisierung der Gruppenkommunikation gehört, dass sie zu einer konservativen Identitätsbildung neigen, da sie über ihre Geschichte bestimmt sind.“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 111 Darüber hinaus wollte Enrico Minutolo seine Familie ihrem Status entsprechend im Beziehungsgeflecht der höheren Adelskorporationen repräsentiert wissen, im Besonderen war er an der Inszenierung seiner eigenen Person interessiert, die jedoch bei den Zeitgenossen höchst umstritten war. So geriet er durch ein offenbar rücksichtsloses Auftreten, das einzig und allein dem Streben nach Macht und Einfluss für sich und seine Familie gelte, bei den Zeitgenossen in die Kritik, die ihn als einen „Dummkopf, ignorant und unbedeutend“ („sciocco, ignorante e da poco“) beschimpften.482 Interessanterweise wurde nahezu zeitgleich zur Errichtung seines Grabmals ein weiteres Monument im Dom aufgestellt, das formale Parallelen erkennen lässt und Bock zu der These veranlasst hat, es handele sich hierbei um die zeichenhafte Vermittlung einer „Konkurrenzsituation“ beider Auftraggeber.483 Dies wird im Folgenden zu klären sein. Das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone im Dom (1405) Francesco Carbone stammte wie Enrico Minutolo aus dem Seggio di Capuana und verfolgte eine ebenso erfolgreiche klerikale Karriere.484 Seine persönliche Verbundenheit mit Rom spiegelt sich vor allem darin wider, dass er sich ab 1390 in der Papststadt dauerhaft niederließ.485 Als er jedoch am 18. Juni 1405 starb, wurde der Leichnam in seine Heimatstadt Neapel gebracht und in der Familienkapelle im Dom bestattet, die nun das Patrozinium seines Titulus der Hl. Susanna erhielt.486 Sein Grabmal wurde posthum von seinen Angehörigen errichtet und so stellt sich dabei die Frage, inwieweit die Aussage Bocks tragbar bleibt, dass es sich zum auffallend ähnlich 482 Zitiert nach Vitale, Minutolo, 2010, S. 733. Vgl. Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 62. 484 Francesco Carbone erhielt unter anderem 1382 das Bistum Monopoli und am 17. Dezember 1384 wurde er durch Papst Urban VI. (1378–1389) zum Kardinal mit der Titelkirche der Hl. Susanna ernannt. Sein Einfluss an der römischen Kurie lässt sich insbesondere dadurch erklären, dass er mit dem ebenfalls aus Neapel stammenden Folgepapst Bonifaz IX. verwandt war und von dessen Nepotismus profitierte. Zu seiner Person siehe vor allem Esch, Carbone, 1976; ders., Das Papsttum, 1972, S. 730, 735-737, 740f., 753 u. 763. Außerdem Strazzullo, Neapolitanae, 2000, S. 49; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 19. 485 Zu seiner Familienresidenz in Rom siehe Esch, Carbone, 1976, S. 692. 486 Zur Cappella Carbone siehe u.a. Strazzullo, Neapolitanae Ecclesiae, 2000, S. 49-51; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 19f. Diese befindet sich heute in der 5. Seitenkapelle rechts, die jedoch damals noch vor den Umbauarbeiten im Dom als 7. Kapelle im rechten Seitenschiff fungierte. Siehe dazu die Abbildung des rekonstruierten Grundrisses aus dem frühen 16. Jahrhundert bei Strazzullo, Neapolitanae Ecclesiae, 2000. 483 112 Grit Heidemann-Schirmer gestalteten Grabmal für Enrico Minutolo um eine sichtbare „Konkurrenzsituation [beider Kardinäle]“487 handelt. Das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone (Abb. 41) gehört ebenfalls zur Gruppe der monumentalen Wandbaldachingrabmäler und folgt im Aufbau dem traditionellen lokalen Grabmalstypus.488 Nicht nur die Baldachinarchitektur ist auffallend ähnlich zum Minutolo-Ensemble gestaltet. Auch hier übernehmen Löwenfiguren die Stützfunktion und tragen die jeweils zwei übereinander gesetzten Spiralsäulen, auf denen wiederum der krabbenbesetzte und von Fialen gerahmte Wimperg ruht. In dessen spitzem Bogenzwickel ist das Kardinalswappen eingearbeitet, das in derselben Achse an der Frontseite des Walmdaches des Grabmals wiederkehrt und demzufolge eine motivische Verbindung beider Monumentteile herstellt. Das Carbone-Grabmal weist zudem die gleiche Abfolge der vier Ebenen des MinutoloMonuments auf. Allerdings, und darin besteht der signifikante Unterschied, wurde der Kapellenaltar nicht inkorporiert. Anstelle dessen ist Fides zwischen Spes und Caritas in der ersten Ebene eingefügt und komplettiert damit den Einsatz der Theologaltugenden als Karyatiden. Der darüber folgende Kastensarkophag präsentiert eine reliefierte Frontplatte, die im Gegensatz zum Minutolo-Grabmal ein gänzlich anderes Bildprogramm aufweist.489 Hier ist der Bestattete als thronender Richter inmitten einer Gerichtsverhandlung prominent in Szene gesetzt. Auch der Hintergrund der Totenkammer weist in seiner Vielzahl an „Personen, die […] das Totenoffizium zelebrieren“,490 eine bewusste Neukomposition auf. Die Verlagerung der commendatio animae des Kardinals in die vierte Ebene des Grabmals richtet sich demgegenüber nach dem Einsatz am von Minutolo beauftragten Domportal.491 In Gestalt vollplastischer Figuren wird Francesco Carbone von seiner Titelheiligen Susanna und der begleitenden Hl. Sabina der Gottesmutter empfohlen. Beide Heiligen werden in der Inschrift erwähnt, die zwischen der Sarkophagfrontplatte und der camera funebris eingefügt ist und in gotischen Lettern folgendermaßen lautet: 487 Während Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 62, annimmt, dass Francesco Carbone noch zu Lebzeiten sein Grabmal selbst geplant hat, so relativiert er diese Aussage auf S. 314, indem er nahe legt, dass die „Erben des Kardinals Carbone“ dessen Grabmal in Auftrag gaben, „ausgelöst eventuell durch eine testamentarische Verfügung“, die jedoch nicht überliefert ist. 488 Zum Grabmal für Francesco Carbone, auch im Vergleich mit dem Minutolo-Grabmal siehe vor allem Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 62-66, 310-328 u. Kat.-Nr. 20. 489 Ausführlich zum Bildprogramm der Sarkophagfrontplatte siehe ebd., bes. S. 314-325. 490 Ebd., S. 62. 491 Im Gegensatz dazu siehe noch einmal die Darstellung der Empfehlungsszene Kardinal Enrico Minutolos an der Sarkophagfrontplatte seines Grabmals. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 113 „CLARUS IN EXCELSA CARBONUM PARTHENOPEA/ INGENUA TELLURE SATUS DE STIRPE COLUNNAS/ INTER APOSTOLICAS VELUT IGNE MICANCIUS ASTRUM/ CARDINEIQ[UE] CHORI LUX GLORIA SPES QUOQ[UE] MULTIS/ QUI SABINENSIS APES TITVLUMQ[UE] SUSANNA DEDERE/ CRIMINA QUI LAVACRO LAXABAT CUNCTA SECUNDO// ET PIUS IN CUNCTIS SOLERSQ[UE] AD MISTICA/ REBUS CONSILII PROBITATE NITENS DVXQ[UE] ORDINIS ALTI/ CORPORE MARMOREA IACET HAC FRANCISCUS IN ARCHA/ LETUS IN ETHEREA PLAUDIT SET SPIRITUS AVLA/ ANNO MILLENO DOMINI QUINTO QUATRICENO/ OCTENA DENAQ[UE] DIE IUNII REQUIEVIT.“492 Die Inschrift, die das Grabmal durch ihren Einsatz, neben den genannten motivischen Änderungen, vom inschriftlosen Minutolo-Grabmal emanzipiert, macht deutlich, welchen Stellenwert die Auftraggeber dem verwandten Bestatteten nicht zuletzt für ihre eigenen Repräsentationszwecke beimaßen. Obwohl Kardinal Francesco Carbone seinen Wohnsitz in Rom eingerichtet hatte, wurde sein Leichnam nach Neapel gebracht, was darauf schließen lässt, dass seine Nachfahren großen Wert legten auf die posthume Repräsentation des angesehenen Ahnherrn und ihrer daraus resultierenden Legitimation inmitten der hochrangigen Adelskorporationen der Stadt. Francesco Carbone gehörte ebenso wie Enrico Minutolo zu jenen herausragenden Persönlichkeiten des Klerus, der aus den höheren neapolitanischen Adelsfamilien stammte und entscheidend an den damaligen politischen Ereignissen in Italien beteiligt war.493 Ist das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone also wirklich als Konkurrenzprojekt zum Grabmonument für Kardinal Enrico Minutolo zu verstehen, wie es Bock postuliert? Meines Erachtens weist es über die für eine soziale Gruppe typischen Distinktionsmerkmale hinaus. Viel wichtiger erscheint mir die an beiden Grabmälern 492 Die Übersetzung nach Bock, Kunst am Hofe, 2001, Kat.-Nr. 20: „Berühmt im hehren Land von Parthenope, Sproß aus dem edlen Stamm der Carbone unter den apostolischen Säulen gleichsam ein heller als Feuer strahlender Stern, Licht des kardinalischen Chors, Ruhm und Hoffnung vieler, die [ihm] die Sabinische Tiara und den Titulus Susanna gegeben haben, [ihm], der alle Sünden durch eine zweite Taufe mildert, allseits fromm verstand er sich auf Mystik in praktischen Dingen glänzte er durch die Lauterkeit seines Sinnens und Trachtens. Als Leiter des hohen Ordens liegt des Franziskus Leiche in diesem marmornen Grab, sein Geist frohlockt im Himmelspalast, er legte sich zur Ruhe im 1405. Jahr des Herrn am 18. Tag des Juni.“ 493 Zur Wahrnehmung der neapolitanischen Kleriker als eine Gruppe zur Zeit des Schismas siehe noch einmal Esch, Das Papsttum, 1972, bes. S. 715f. 114 Grit Heidemann-Schirmer Gestalt gewordene Abgrenzung nach außen, denn in ihren Gemeinsamkeiten manifestiert sich das Gruppenbewusstsein und die damit einhergehende exklusive Selbstwahrnehmung der Maggiore Nobiltà an der römischen Kurie und demzufolge innerhalb der neapolitanischen Adelsgesellschaft.494 Die hier vorgestellten Grabmäler waren demnach bedeutend für die Aufrechterhaltung des alten Grabmalstyps im 15. Jahrhundert in Neapel, wie weitere Beispiele zeigen. Das Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (1426–1428) Das wenige Jahrzehnte später geschaffene Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio (Abb. 42) wurde in der von ihm errichteten Familiengrablege Sant’Angelo a Nilo aufgestellt, die weiter unten zusammen mit dem Auftraggeber ausführlich erörtert wird.495 Durch seine architektonische Rahmung gehört es ebenfalls zur Gruppe der Wandbaldachingrabmäler, die die neapolitanische Grabmalslandschaft seit dem 14. Jahrhundert prägten. Überdies wurden innovative Elemente und Motive signifikant eingesetzt, sodass es von dem alten, gotischen Grabmalstypus abweicht und in der Forschung als eines der wichtigsten Monumente der Frührenaissance in Neapel gilt.496 Dabei handelt es sich um schlank aufragende Kompositsäulen, die zusammen mit kleinen Kämpferaufsätzen einen Faszienbogen stützen, der ebenso all’antica gearbeitet ist wie die seitlichen Doppellisenen und das darüber befindliche Zahnschnittgesims. Als bekrönender Abschluss kam nicht ein spitzer Wimperg zum Einsatz, sondern ein geschweifter Knickgiebel,497 der zwar den traditionellen Krabbenbesatz übernommen hat, jedoch durch seine profilierte Rahmung und den kleinen Muschelmedaillons, die einen Tondo mit dem im Halbrelief gezeigten segnenden Gottvater flankieren, völlig 494 Siehe dazu auch allgemein Preyer, Rolle, 2012, S. 134: „Eine Person, die in einem Gruppenzusammenhang steht, verfolgt ein bestimmtes Ziel in der Situation, in der sie darum weiß, dass andere auch dieses Ziel verfolgen. Das ist ein einfaches Beispiel für eine konforme Einstellung, die in diesem Fall von der Gruppe geteilt wird. Der Wir-Modus ist im Ich-Modus abgeschwächt.“ 495 Zum Grabmal für Rinaldo Brancaccio siehe ausführlich Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 83-127; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 99-105; Morisani, Il monumento, 1968; ders., Per una rilettura, 1964; Martinelli, La compagnia, 1963. Außerdem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 4654; Poeschke, Die Skulptur, 1990, S. 121f.; Beck, Donatello, 1987. 496 Siehe dazu u.a. De Divitiis, Architettura, 2007, S. 147; Middione, Splendori, 1996, S. 40, der es als „Schlüsselwerk der Renaissance“ in Neapel bezeichnet. Außerdem Regina, Napoli antica, 1994, S. 99; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 99. 497 Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 46f., bezeichnet diesen als „gegeneinanderlaufend konvex-konkav geschwungener Giebel“. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 115 neuartig im Neapel des frühen 15. Jahrhunderts war.498 Die an den Giebelrändern aufgestellten Posaune spielenden Putten leiten optisch von der Architektur zum Grabmal über. Dieses folgt im Aufbau weitgehend der lokalen Tradition, doch finden sich auch hier sichtbare Neuerungen im Detail. Das Sockelgeschoss wird von drei Karyatiden gebildet, die als weibliche Figuren in antikisierten Gewändern zu charakterisieren sind, jedoch ohne jegliche Attribute oder andere Hinweise eine Interpretation als Tugenden verwehren.499 Sie tragen den althergebrachten Kastensarkophag, dessen Frontplatte durch antikisierte Halbpilaster in drei Relieffelder unterteilt ist. Während links und rechts das mit roter Farbe akzentuierte Kardinalswappen prominent in Szene gesetzt ist, so wird im breiteren Mittelfeld die „Himmelfahrt Marias“500 präsentiert, die durch die angewandte schiacciato-Technik des ausführenden Bildhauers Donatello besondere Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren hat.501 Darüber befindet sich der Gisant des verstorbenen Kardinals, der im Kirchenornat aufgebahrt liegt. Die traditionelle Totenkammer erscheint hier jedoch aufgebrochen und auf den architektonischen Rahmen des Monuments ausgeweitet, was als eine der wichtigsten motivischen Neuerungen in der neapolitanischen Grabmalskunst eingestuft werden kann. Zwar erscheinen auch hier zwei Figuren, die den Vorhang zur camera funebris aufhalten, doch handelt es sich dabei nun nicht mehr um Engel, die eine räumliche Abgrenzung der Totenkammer zum Vordergrund markieren, sondern es sind dem Gisant in Größe vergleichbare „Jünglingsgestalten“502, die hinter der Liegefigur am Kopf- und Fußende aufgestellt wurden. Mit ihren erhobenen Händen bekommen sie nur noch den unteren 498 Siehe dazu im Vergleich noch einmal die oben besprochenen Grabmäler für Kardinal Enrico Minutolo und Kardinal Francesco Carbone im Neapler Dom. Auch hier lässt sich die für neapolitanische Portalgestaltungen typische Beeinflussung durch Grabmäler erkennen, denn so weist das Seitenportal von San Domenico Maggiore, das sich schräg gegenüber zu Sant’Angelo a Nilo und damit in Sichtweite befindet, einen auffallend ähnlich gestalteten Giebel auf. Darauf verweist auch Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 102. Zum Bau der Treppenanlage und dem Seitenportal von San Domenico in den 1460er bis 1470er Jahren siehe vor allem Ascher, The Church, 2002, S. 96-98. 499 Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 95, vermutet in diesen Figuren die drei Theologaltugenden, die „conventional for the tomb of a great ecclesiastic“ waren. Diese Annahme übernimmt Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 46, kommentarlos als Feststellung. 500 Zur Wahl dieses Reliefmotivs hinsichtlich Rinaldos Selbstverständnis als Erzpriester von Santa Maria Maggiore in Rom und seiner Anbetung der Muttergottes siehe Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. S. 112-115. 501 Zu diesem von Donatello angefertigten Relief siehe Kanz, Linien, 2010, S. 101f.; Niehaus, Florentiner Reliefkunst, 1998, S. 93-95; Lions Club, La Cappella Brancaccio, 1996, S. 96f.; Regina, Napoli antica, 1994, S. 99; Poeschke, Die Skulptur, 1990, bes. S. 100; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 99-107; Morisani, Per una rilettura, 1964, S. 7-10; Martinelli, La compagnia, 1963, bes. S. 221-226. 502 Thoenes, Neapel, 1971, S. 39. Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 102, bezeichnet die den Vorhang aufhaltenden Figuren wiederum als Engel. Doch haben sie keine Flügel, sondern sind vielmehr als irdische Gestalten in einem antikisierenden Gewand dargestellt. 116 Grit Heidemann-Schirmer Teil des drapierten Vorhangs zu fassen, der an dem darüber befindlichen Rundbogen angebracht ist. Zwischen diesen beiden vermutlich als Messdiener zu interpretierenden Figuren sind auffällig großformatige Kompositpilaster im Halbformat an der Rückwand der camera funebris angebracht, die folgende Inschrifttafel rahmen: „RAYNALDVS BRANCATIVS/ S.R.E. CARDINALIS HVIVS/ ECCLESIE ET SACRI/ HOSPITALIS FVNDATORI/ OBIIT XXVII MARTII/ AO D MCCCCXXVII.“503 Die Inschrift gab Anlass zur Annahme, dass Rinaldo Brancaccio am 27. März 1427 gestorben sei. Doch wurde dies sehr einleuchtend von Lightbown und Girgensohn revidiert.504 Bei dieser Tafel handelt es sich nachweislich um ein sehr viel später angebrachtes Epitaph, das zusammen mit den Pilastern an der Rückwand der Totenkammer die am Grabmal vorgenommenen Überarbeitungen und Ergänzungen deutlich vor Augen führt.505 In der darüber befindlichen Lünette, die optisch durch den mit dem Vorhang verzierten Faszienbogen hervorgehoben wird, erscheinen halbfigurig und im Halbrelief die Hll. Johannes Evangelista und Michael, die der Gottesmutter den in der darunter befindlichen Ebene aufgebahrten Verstorbenen anempfehlen.506 Das Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio wurde nachweislich ab 1426 in der Pisaner Werkstatt der beiden Florentiner Künstler Donatello und Michelozzo angefertigt und 1428 nach Neapel gebracht, allerdings in einem unvollendeten Zustand, wie Lightbown an mehreren Details überzeugend dargelegt hat.507 Der offensichtliche Formentransfer der Florentiner Frührenaissance, für den die ausführenden Künstler verantwortlich zeichneten, markiert das Spezifikum dieses Monuments innerhalb der neapolitanischen Grabmalslandschaft des frühen 15. Jahrhunderts.508 So kann als 503 Folgendermaßen zu übersetzen: „Rinaldo Brancaccio, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, Gründer dieser Kirche und des heiligen Hospitals, starb am 27. März im Jahr des Herrn 1427.“ 504 Siehe dazu noch einmal oben. 505 Auf die spätere Entstehung der Rückwand verweist Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 94f., der für die Anbringung des Epitaphs das Jahr 1605 und den Auftraggeber Ottavio Brancaccio anführt. 506 Zur Bedeutung dieser beiden Heiligen für Rinaldo Brancaccio siehe ebd., S. 106. 507 Vgl. ebd., bes. S. 94, 101-103 u. 116-118. Seine Erklärung, S. 118, dazu: „In all probability then the executors discovered late in 1427 or early in 1428 that the building of hospital and chapel had cost too much for the chapel to be decorated as the Cardinal had intended or for more work to be done on his tomb, and brought the sculptors to a halt by sending to Pisa for the tomb. In Pisa it was hastily made as presentable as possible […] and despatched in the spring of 1428 to Naples, where the Cardinal’s executors had it erected, painted and gilded […].“ 508 An konkreten Details siehe dazu u.a. Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 100; Martinelli, La Compagnia, 1963. In diesem Kontext erkennt Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 50 u. 51f., das Konkurrenzpotential des Rinaldo-Grabmals gegenüber den Anjou-Gräbern. Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 119, kritisiert dagegen die in der Forschung verbreitete Auffassung, dass Cosimo Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 117 unmittelbares Vorbild das von denselben Künstlern wenige Jahre zuvor geschaffene Grabmal für den Gegenpapst Johannes XXIII. (Abb. 43) in Florenz herangezogen werden, das jedoch auch deutliche Unterschiede im Detail erkennen lässt.509 Dort fungieren beispielsweise die Tugenden nicht als Karyatiden, sondern sie sind über einem reliefierten Sockel in Muschelnischen gesetzt. Auch der Sarkophag weist eine andere Form als jener in Neapel auf und der Vorhang wird am Florentiner Monument nicht von Figuren bewegt, sondern dient gleichzeitig als Baldachinmotiv. Entscheidend für unseren Kontext ist, dass sich das Brancaccio-Grabmal trotz aller Innovationen offensichtlich einem lokalen „Standard“ unterzuordnen hatte, was sich vor allem in seinem Aufbau manifestiert.510 Auch hier scheint das Gruppenbewusstsein der höheren Seggio-Adligen von grundlegender Bedeutung gewesen zu sein, deren Verweis auf ihre neapolitanische Herkunft in Form von Monumentsetzungen konstituierend und identitätsstiftend war und zu denen Rinaldo Brancaccio gehörte. Trotz seiner engen Beziehungen zur römischen Kurie und trotz seines Aufenthalts in Florenz, der sicherlich hinsichtlich der dortigen Monumente einen nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht haben dürfte, so war die persönliche Verbundenheit mit seiner Heimatstadt Neapel das ausschlaggebende Argument bei der Konzipierung seines Grabmals. Diese für die gesamte Familie Brancaccio so bedeutsame Repräsentationsstrategie wirkte auch noch viele Jahrzehnte später entscheidend nach, wie das folgende Beispiel zeigt. de’ Medici als eigentlicher Auftraggeber des Grabmals fungiert haben soll. Vielmehr war Cosimo als von Rinaldo eingesetzter Bankier für die Bezahlung der Stiftung und die Ausübung seines Testaments zuständig. Siehe dazu weiterhin ebd., S. 77 u. 84f. Dazu auch Beck, Donatello, 1987, S. 126f. Rinaldo hielt sich in den Jahren 1419-20 in Florenz zusammen mit dem Papst auf und lernte sicherlich die Monumente der Stadt kennen. Doch hatte er ganz konkrete Vorgaben für seine Grablege gemacht, die ein Bewusstsein für seine Heimatstadt suggerieren. Siehe dazu noch einmal oben. 509 Zum Vergleich beider Grabmäler siehe vor allem Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. Kap. II u. IV-V. Zum Grabmal für Papst Johannes XXIII. siehe auch Poeschke, Die Skulptur, 1990, S. 9799. 510 Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 236, bemerkt, dass dieses Grabmal das lokal typische „Anspruchsniveau der verbindlich geprägten Form [aufweist], das nicht nur die lokale Nachfolge, sondern Bildhauer von überregionalem Renommée eines Donatello auf einen vorgegebenen Standard verpflichtete.“ Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 101, und Morisani, Per una rilettura, 1964, S. 3, charakterisieren es dagegen als rückständig, was dem Monument jedoch nicht gerecht wird. Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. S. 84 u. 115f., wiederum führt die Grabmäler für Minutolo und Carbone als die entscheidenden lokalen Vorbilder an und verweist auf die zahlreichen Neuerungen, die im neapolitanischen Kontext verhandelt wurden. 118 Grit Heidemann-Schirmer Das Grabmal für Tommaso Brancaccio in San Domenico Maggiore (1492) Am 20. März 1492 beauftragte Giulia Brancaccio bei dem Bildhauer Jacopo della Pila ein Grabmal für ihren kurz zuvor verstorbenen Ehemann Tommaso Brancaccio (Abb. 44).511 Im Vertrag wurde festgelegt, dass es aus Carrara-Marmor, mit der Bemeißelung des Familienwappens sowie dem Konterfei des Verstorbenen gefertigt und in der Familienkapelle im alten Vorgängerbau von San Domenico Maggiore, S. Angelo a Morfisa, aufgestellt werden soll. Für unseren Kontext von besonderem Belang ist die weitergehende Forderung, das Grabmal ähnlich dem Monument für Kardinal Rinaldo Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo zu gestalten: „[…] dictus magister Jacobus facere in ipso cantaro inbassiamentum inferiorem adornatum prout est in cantaro domini Cardinalis brancatii posito intus ecclesiam sancti Angeli ad Nidum.“512 Dass diese Forderung umgesetzt wurde, lässt sich auch heute noch deutlich erkennen. So weist das Grabmal für Tommaso dem Vorbild entsprechend und wie im Vertrag gefordert, drei Karyatiden in der unteren Ebene auf, die als die Tugenden Iustitia, Temperantia und Prudentia zu identifizieren sind und den darüber befindlichen Sarkophag tragen. Auch dieser folgt der mittlerweile sicherlich altertümlich wirkenden Kastenform des Rinaldo-Grabmals und präsentiert gleichfalls auf der Frontplatte drei Relieffelder, in denen jedoch nicht das Familienwappen und die „Himmelfahrt Marias“ eingearbeitet sind, sondern die Hll. Johannes und Jakobus im Halbformat sowie folgende Inschrift: „MAGNIFICO MILITI THO/MASIO BRANCATIO DE/ NEAPOLI QVI CVM MO/RIENS DE SEPVLCRA/ NIHIL EXCOGITASSET/ IULIA BRANCATIA CO/NIVGI DILECTISSIMO/ AC BENE MERENTI FACI/VNDAM CVRAVIT/ MCCCCLXXXXII.“513 Die kanonhafte Darstellung der darüber befindlichen Liegefigur in Rüstung, mit Waffen und zwei Hunden versinnbildlicht die in der Inschrift festgehaltene Charakterisierung 511 Der Vertrag wird überliefert bei Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 15-20, der auch auf die desolate Quellenlage zum Verstorbenen hinweist. Zur alten Familienkapelle der Brancaccio in S. Angelo a Morfisa, in der sich seit dem 14. Jahrhundert Grabmäler für Familienangehörige befanden, siehe Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 35f. Zum Grabmal für Tommaso Brancaccio außerdem Michalsky, Schichten der Erinnerung, 2005, S. 118-121; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 95-100. 512 Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 19. 513 Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem großartigen Ritter Tommaso Brancaccio aus Neapel, der vor seinem Tod nichts für sein Begräbnis veranlasst hat. Giulia Brancaccio besorgte dem geliebten und verdienstvollen Ehemann die Errichtung [dieses Grabmals im Jahre] 1492.“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 119 des Verstorbenen als verdienstvollen Ritter, dem die Ehefrau nach seinem frühzeitigen Tod das Grabmal errichten ließ. Dabei wurde fast ausschließlich der Gisant aus dem im Vertrag geforderten Carrara-Marmor gefertigt.514 An der Rückwand der camera funebris erscheint wie beim Vorbild das Motiv der Madonna mit Christuskind, doch ist diese in einen von einer Fruchtgirlande gebildeten Tondo gesetzt, der von Engeln flankiert wird. Dieses Motiv erinnert an das wenige Jahre zuvor entstandene Grabmal für Maria von Aragon (Abb. 61) in Santa Maria di Monteoliveto, das in seiner Konzeption völlig neuartig war und die neapolitanische Grabmalslandschaft nachhaltig beeinflusste.515 Maßgebend war jedoch das im Vertrag festgelegte Vorbild des Grabmals für Rinaldo Brancaccio. Auch die architektonische Rahmung des Tommaso-Monuments übernimmt weitgehend dessen Konzeption, lässt aber einige Neuerungen im Detail erkennen, die seiner Entstehungszeit zuzurechnen sind. So wurden nicht jene Kompositsäulen mit Kämpferaufsätzen eingesetzt, sondern reliefierte Pilaster, die scheinbar nahtlos in einen Rundbogen übergehen. Diese ist mit vier Cherubimköpfchen und einem aufwendig drapierten Vorhang geschmückt, der auf Höhe des Gisant endet. Hier halten zwei, auf polygonalen Konsolen aufgestellte Engel das verbleibende Endstück des Vorhangs und verweisen dadurch auf das Vorbild in Sant’Angelo a Nilo. Während sie als Engel auftreten und somit an das den traditionellen Grabmalstypus charakterisierende Motiv erinnern, so haben sie durch ihre neuartige Aufstellung an der Frontseite der Pilaster die Totenkammer endgültig und raumgreifend aufgebrochen, wie es beim Kardinalsgrabmal bereits angeklungen ist. Das Erinnerungsmonument für Tommaso Brancaccio wird von dem über dem Bogen angebrachten und aufwendig gestalteten Familienwappen bekrönt, das im Vertrag gefordert wurde. Es lässt sich festhalten, dass die schriftliche Vereinbarung vom ausführenden Bildhauer weitgehend umgesetzt wurde. Maßgebend dafür war das Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio, der fast 80 Jahre zuvor gestorben war und dennoch augenscheinlich als vorbildhafter Ahnherr zu Repräsentationszwecken der verbliebenen Familienmitglieder beansprucht wurde. Die formale Bezugnahme auf sein Grabmal scheint aufgrund der räumlichen Distanz zum Monument für Tommaso Brancaccio, das im Vorgängerbau der Seggio-Hauptkirche Aufstellung fand, notwendig gewesen zu sein. 514 Dazu Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 17, der auf das für die verbleibenden Teile genutzte Material des kampanischen Travertins verweist. 515 Zum Grabmal für Maria von Aragon siehe unten Kap. V.2. 120 Grit Heidemann-Schirmer Schließlich kann ein weiteres Monument angeführt werden, das die Persistenz des alten Grabmalstyps besonders eindrücklich als eine bewusste Entscheidung der jeweiligen Auftraggeber reflektiert. Das Grabmal für Antonio Malizia Carafa in San Domenico Maggiore (nach 1470) Der unter den Anjou-Durazzo erfolgreiche Adlige Antonio Malizia Carafa starb am 10. Oktober 1438 und wurde in der Familienkapelle in San Domenico Maggiore bestattet.516 Erst Jahrzehnte später, und zwar nach 1470, ließ ihm sein jüngster Sohn Diomede Carafa ein Grabmal (Abb. 45) errichten.517 Dieses folgt deutlich dem traditionellen Grabmalstypus, wodurch es im betreffenden Entstehungszeitraum besonders charakterisiert ist.518 Sehr ähnlich zum Grabmal für Tommaso Brancaccio wurden auch hier die drei Tugenden Iustitia, Temperantia und Prudentia als Karyatiden im Sockelgeschoss eingesetzt, allein die Drapierung ihrer Gewänder und die Haltung ihrer Köpfe differieren, was als eine leichte Modifikation in der Ausführung desselben Bildhauers zu interpretieren ist. Der darüber angebrachte Sarkophag markiert das Spezifikum des Malizia-Monuments, ist er doch ein Werk aus dem Trecento, das hier wieder verwendet wurde.519 Insbesondere die Gestaltung der Frontplatte mit der Unterteilung in drei Vierpässe, in denen flach reliefierte Figuren auf einem von Mosaiksteinchen verzierten Grund eingearbeitet sind, verweist auf das Umfeld Tino di Camainos, dessen Arbeiten aus dem 14. Jahrhundert prägend für die neapolitanische Grabmalslandschaft waren.520 Am Sarkophag für Antonio Malizia ist die Madonna mit dem Christuskind zwischen den Hll. Katharina und Johannes Evangelista dargestellt. In den Zwischenräumen der Medaillons erscheinen zudem zwei kleine Tondi, in denen das Familienwappen der Carafa neu eingearbeitet wurde. Über und unter diesen ist der verbleibende Freiraum mit Engelfiguren gefüllt, die den Verstorbenen unter sich aufgenommen haben und der 516 Zu Antonio Malizia Carafa siehe vor allem Petrucci, Carafa, Antonio, 1976; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 144f. 517 Zum Grabmal für Antonio Malizia Carafa siehe vor allem De Divitiis, Architettura, 2007, S. 161-165. Außerdem Michalsky, The local eye, 2008, bes. S. 497f.; dies., Die Porosität, 2007, S. 119-121; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 76-84; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 286. 518 Zur Übernahme des alten Grabmalstyps siehe auch De Divitiis, Architettura, 2007. 519 Darauf verweisen De Divitiis, Architettura, 2007, S. 162; Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 119; Pace, Morte a Napoli, 2000, S. 51f. 520 Auf die „höchstwahrscheinlich[e]“ Herkunft dieses Sarkophags „aus der Werkstattproduktion der Tino-Nachfolge“ verweist Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 119. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 121 Gottesmutter anempfehlen (Abb. 45a). Auch die am Sarkophagrand umlaufende Inschrift zeigt eine Veränderung durch die Übernahme der Daten des Verstorbenen. Sie lautet: „MAGNIFICVS DNS MALICIA CARRAFA MILES OBIIT AN DNI MCCCCXXXVIII DIE X OCTROBRIS II IND.“521 In der folgenden Ebene befindet sich die camera funebris, deren unterer Rahmen von zwei kleinen Postamenten und einer dazwischen angebrachten Inschrifttafel mit folgendem Wortlaut gegliedert wird: „AVSPICE ME LATIAS ALFONSVS VENIT I[N] ORAS REX PIVS VT PACE[M] REDDERET AVSONIAE/ NATORV[M] HOC PIETAS STRVXIT MIHI SOLA SEPVLCHRV[M] CARRAFE DEDIT H[A]EC MVNERA MALITIE.“522 Die Inschrift nennt interessanterweise nicht explizit den Auftraggeber des Grabmals, Diomede Carafa, sondern ist vorrangig der Erinnerung an die ruhmvollen Taten des verstorbenen Vaters gewidmet. Doch durch die Einbeziehung des Königs Alfons von Aragon, der erst nach dem Tod Malizias (†1438) den neapolitanischen Thron bestieg (1442) und dessen Charakterisierung als „gerechter König“ offenkundig auf die Inschrift an dem von ihm beauftragten Triumphbogen verweist, wird auch eine indirekte Bezugnahme zu Diomede geschaffen, der eine der wichtigsten Persönlichkeiten am aragonesischen Königshof war.523 Darauf wird weiter unten noch einmal zurückzukommen sein. Die weitere Gestaltung der camera funebris mit der Liegefigur des Verstorbenen in Rüstung, dem Motiv der Vorhang aufhaltenden Engel und dem abschließenden Walmdach lässt unübersehbare Parallelen zu den neapolitanischen Grabmälern des 14. Jahrhunderts erkennen und bietet insofern eine harmonische Ergänzung zum wieder 521 Folgendermaßen zu übersetzen: „Der großartige Herr und Ritter Malizia Carafa starb im Jahr des Herrn 1438 am 10. Tag des Oktober der zweiten Indiktion.“ 522 Folgendermaßen zu übersetzen „Durch mein Kommando ist Alfonso, gerechter König, in diese Gegend gekommen, um den Bewohnern Unteritaliens den Frieden zurück zu bringen. Allein durch die Frömmigkeit meiner [Nachfahren] Carafa wurde dieses Grabmal gestiftet und dem [hier] bestatteten Malizia gewidmet.“ 523 Zu Diomede Carafa siehe unten. Zum Triumphbogen des Alfons von Aragon am Castel Nuovo, der zwischen 1450 und 1471 errichtet wurde, siehe zuletzt Heidemann, Prozessionen, 2012, bes. S. 145. Die erwähnte Inschrift unter dem Fries lautet: „ALFONSVS REX HISPANVS SICVLVS ITALICVS/ PIVS CLEMENS INVICTVS.“ Auch Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 121, verweist darauf, dass die Inschrift am Malizia-Grabmal „bewusst in Vergangenheit und Zukunft [greift], um die Generationen zu verklammern.“ 122 Grit Heidemann-Schirmer verwendeten Sarkophag aus dieser Zeit.524 Einzig die Architekturrahmung in Form eines Triumphbogens vermittelt die auf die Antike rekurrierenden Tendenzen der Entstehungszeit des Grabmals im späten 15. Jahrhundert. Die Rahmung zeichnet sich durch schlanke Säulen mit Kompositkapitellen, die über einem flachen Kämpferaufsatz die Lisenen mit einem dazwischen aufragenden Rundbogen tragen, und durch ein nach antiker Art gefertigtes Gebälk aus. Abgesehen von der Architektur stellt sich die Frage, warum sich dieses Grabmal in seiner Formensprache so deutlich von anderen zeitgleichen lokalen Auftragswerken distanzierte, die ein völlig neuartiges Formenrepertoire in Neapel einführten.525 Als Erklärung können der soziale Status des Verstorbenen und seine Wahrnehmung durch die Zeitgenossen angeführt werden, die sein Sohn Diomede auch noch Jahrzehnte später für die Repräsentation der Familie und der daraus folgenden Legitimation ihrer sozialen Vorrangstellung nutzen wollte.526 Antonio Malizia Carafa hatte im frühen 15. Jahrhundert wichtige Ämter und Titel am Königshofe der Anjou-Durazzo erlangt und war unter anderem als Gesandter der Königin Johanna II. zuständig für die Aushandlung der Adoption Alfonsos von Aragon bei Papst Martin V. im Jahre 1420.527 Malizia setzte sich nach dem Tod der Königin (†1435) und den ausbrechenden Thronfolgestreitigkeiten für den Aragonesen ein und beteiligte sich an dessen Eroberung des süditalienischen Königreiches, auch wenn er den siegreichen Ausgang dieses Ereignisses (1442) nicht mehr erlebte. Von besonderer Bedeutung ist, dass er den neuen Familienzweig der Carafa della Stadera begründet hatte.528 Bei den nachfolgenden Generationen war Malizia zu Ruhm gelangt, wie es auch Ammirato anführt, insofern auch das Ansehen des neuen Familienzweiges gesteigert wurde.529 Es erscheint mehr als plausibel, dem Auftraggeber des Grabmals, also seinem Sohn Diomede Carafa, eine soziale Rekonstruktion Malizias als ruhmvollen Ahnherrn der Familie zu attestieren, indem Diomede den Rückgriff auf das alte und 524 Dazu auch Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 120. Als Vergleiche seien die unten thematisierten Grabmäler für Diomede und Francesco Carafa sowie die Ausstattung der Cappella Piccolomini in Santa Maria di Monteoliveto zu nennen, auf die in Kap.V.2. ausführlicher eingegangen wird. 526 Auch Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 120, erwägt, „Diomede Carafa […] die Ambition zu unterstellen, am Grab des Vaters auf eine nunmehr vergangene Zeit und damit auf die Dauer der eigenen Familientradition zu verweisen.“ 527 Siehe dazu noch einmal Kap. II.4. Zur Vita Antonio Malizia Carafas siehe noch einmal die o.g. Literatur. 528 Zur Geschichte der Familie Carafa, die seit dem 13. Jahrhundert im Seggio di Nido sesshaft war und sich in den Folgejahrhunderten in mehrere Zweige aufspaltete, wie die Spina im 14. Jahrhundert und die Stadera durch Malizia im Quattrocento siehe zuletzt ausführlich De Divitiis, Architettura, 2007, S. 21-41. 529 Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 144. 525 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 123 lokal traditionelle Formenrepertoire anordnete.530 Dafür war der Bildhauer Jacopo della Pila überaus geeignet, dessen Stilidiom es doch offensichtlich war, den alten Grabmalstyp auch noch im späten 15. Jahrhundert weiter zu tradieren und somit eine für die alteingesessenen Adligen in Neapel legitimierende und gruppenbindende Vermittlung von Anciennität zu ermöglichen.531 Dieser Künstler wurde demnach nicht nur von einer Familie zu Repräsentationszwecken instrumentalisiert, sondern von mehreren Adelshäusern beauftragt. Doch wie schon Donatello und Michelozzo bei dem Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio so hatte der ebenfalls auswärtige Jacopo della Pila dem für die Grabmäler der neapolitanischen Maggiore Nobiltà „vorgegebenen Standard“532 zu folgen, der das Charakteristikum der lokalen Grabmalslandschaft darstellte. Generell sind mittelalterliche Adelsgrabmäler durch standestypische Motive wie die Darstellung des Verstorbenen in Rüstung, mit Waffen und ein bis zwei Hunden am Fußende als Allegorien der Treue gekennzeichnet, die dem Selbstverständnis der Auftraggeber als Ritterschaft gerecht werden und somit den „Idealtyp des Adligen“533 visuell vermitteln. Die für die neapolitanische Grabmalslandschaft spezifischen Motive und Elemente waren darüber hinaus, wie schon erwähnt, die rahmende Baldachinarchitektur, die Tugendkaryatiden, der reliefierte Sarkophag, die camera funebris und eine das Walmdach bekrönende Figurengruppe, welche bezeichnenderweise den angiovinischen Königsgrabmälern folgten und im Laufe des 15. Jahrhunderts nur wenige Modifizierungen erfahren haben. Michalsky betont zwar, dass die Adelsgrabmäler „schon durch die Übernahme des königlichen Typus ausgezeichnet [sind] […] [und] nicht aus demselben Legitimationsdruck heraus entstanden, der die königlichen Gräber geprägt hatte“.534 Dass sich die Aufrechterhaltung dieses Typs innerhalb Neapels jedoch bis ins späte Quattrocento 530 Auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 161, spricht von einer „angemessene[n] Beisetzung für den Stammvater des Familienzweigs der Stadera“. Ihr zufolge wollte Diomede durch den Rückgriff auf das alte Formenvokabular auf Malizias Leben unter den Anjou-Durazzo rekurrieren. Vgl. ebd., S. 165. Visceglia, Il bisogno, 1988, S. 33, bezeichnet den Familienzweig als „Carafa di Malizia“. 531 Siehe die Beispiele oben. Vereinzelt wird dies auch an Grabmälern für niedere Seggio-Adlige und für die Neuen in der Stadt greifbar. Siehe dazu Kap. V.2.2. und V.5. Zur auffallend ähnlichen Gestaltung des Grabmals für Diego Cavaniglia in Montella im Vergleich mit dem Carafa-Grabmal siehe auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 161; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 76f., der das CarafaMonument jedoch wenig überzeugend und allein stilkritisch später datiert. 532 Siehe noch einmal Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 236. 533 Paravicini, Einleitung, 1997, S. 15. Zur standestypischen Darstellung des Adligen mit Rüstung auf seinem Grabmal siehe auch Zajic, Einen grabstain, 2007, S. 325. 534 Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 232. 124 Grit Heidemann-Schirmer hinein zog, erscheint im Hinblick auf das zeitgleiche Aufkommen der Renaissance in anderen italienischen Grabmalslandschaften als erklärungsbedürftig.535 Meines Erachtens handelt es sich dabei um eine bewusste Persistenz des alten angiovinischen Grabmalstyps, der fast ausschließlich an den Erinnerungsmonumenten der Maggiore Nobiltà eingesetzt wurde, um das exklusive Selbstverständnis ihrer Gruppe über die politischen Umbrüche und gesellschaftlichen Veränderungen hinweg dauerhaft zu vermitteln und demzufolge zu legitimieren. Diese Adelsgrabmäler standen zwar in enger Disposition zu den angiovinischen Königsgrabmälern in Neapel, doch in ihren verbindenden Elementen stärkten sie auch das Gruppenbewusstsein ihrer Auftraggeber bis weit nach dem Ende dieser Dynastie. Während der Baldachin im späten Quattrocento von einer triumphbogenartigen Architektur abgelöst wurde, so blieb der Einsatz von in der Regel drei Tugendfiguren als Karyatiden das gesamte Jahrhundert hindurch nahezu kanonisch und für Neapel spezifisch, wie die vorgestellten Beispiele der Grabmäler für Francesco Carbone (1405, Abb. 41), Rinaldo Brancaccio (1426–1428, Abb. 42), Sergianni Caracciolo del Sole (1433–1449, Abb. 17), Antonio Malizia Carafa (1470, Abb. 45) und Tommaso Brancaccio (1492, Abb. 44) zeigen.536 Auch der reliefierte Sarkophag bestand in seiner archaisch anmutenden Kastenform an den Grabmälern für Angehörige der Maggiore Nobiltà fort, denen das nur bruchstückhaft erhaltene Grabmal für Nicola Tomacelli (1473, Abb. 46) als weiteres Exemplum beizufügen ist.537 Die camera funebris mit dem charakteristischen Motiv der Vorhang aufhaltenden Engel blieb zwar ebenfalls ein 535 Erst im 16. Jahrhundert setzte sich die Renaissance an den neapolitanischen Grabmälern gänzlich durch, wobei nun einzelne Grabmäler des Quattrocento mit ihren innovativen Elementen der Frührenaissance als Vorbilder galten. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 605f., Anm. 95, gibt dazu folgende Beispiele: „Giovanni Antonio Caracciolo (1546), Herzog von Oppido, fordert in seinem Testament, dass nach seinem Tod ein marmornes Bild der glorreichen Geburt des Retters zu bestellen ist, wie jenes in der Kapelle des Duca di Amalfi in der Kirche Monteoliveto […]“, und dass das Grabmal seines Vaters „wie jenes von Galeazzo Caracciolo in der Kapelle des Marchese di Vico in San Giovanni a Carbonara und das Grabmal meiner Mutter wie jenes gemacht für die duchessa di Amalfi, D. Dianora di Aragona in [der gleichen Kirche] Monteoliveto […]“ anzufertigen sei. Im Kontext des 16. Jahrhunderts handelt es sich hierbei also erneut um einen Rückgriff auf derzeit „altes“ Formenvokabular. 536 Modifizierungen an den Tugendfiguren, wie besonders an den Grabmälern für Diomede und Francesco Carafa ersichtlich, werden weiter unten besprochen. Dass die Tugenden als wichtiger Bestandteil des Grabmalprogramms in Neapel fungierten, zeigt ein Vergleich mit anderen Grabmalslandschaften wie zum Beispiel in Rom, wo diese „eher selten“ vorzufinden sind. Vgl. Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 29. Allgemein zum Spezifikum der Tugenden an neapolitanischen Grabmälern siehe auch Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 230-232. 537 Auch hier nehmen die Grabmäler für Diomede und Francesco Carafa ebenso wie das für Pietro Brancaccio eine Sonderrolle ein. Siehe dazu Kap.IV.2.2. Zum Grabmal für Nicola Tomacelli, bei dem wie am Malizia-Grabmal ein Sarkophag aus dem Trecento wieder verwendet wurde, siehe u.a. Pace, Morte a Napoli, 2000, S. 52, Anm. 45; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 167; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 283. Das Grabmal ist nur noch in Teilen erhalten und wird in dieser Arbeit nicht eingehender erörtert. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 125 wichtiger Bestandteil der Monumente, erfuhr aber sukzessive eine signifikante Umformulierung, indem sie erstmals am Grabmal für Rinaldo Brancaccio (1426–1428, Abb. 42) und dann erneut am Monument für Tommaso Brancaccio (1492, Abb. 44) transformiert und aufgebrochen wurde. Die Gisants zeigen hingegen eine motivische Beharrlichkeit, die mit der standestypischen Darstellung des Verstorbenen entweder im Kirchenornat oder in der Rüstung einhergeht und das Selbstverständnis der Adligen als hohe Kleriker beziehungsweise als Ritterschaft vermitteln. Zudem bekunden sie durch ihre allgemein im Mittelalter übliche „Aufbahrungssituation“ die am Grabmal „verewigt[e] […] Phase der Totenliturgie“,538 derer sich die Auftraggeber dauerhaft vergewissern wollten. Das für den alten Grabmalstypus charakteristische Walmdach mit der bekrönenden Figurengruppe wurde schließlich im Laufe des 15. Jahrhunderts aufgegeben, was mit der formalen Entwicklung der Totenkammer sowie der umrahmenden Architektur des jeweiligen Monumentes zu erklären ist. Festzuhalten bleibt, dass es durch die Aufrechterhaltung des Aufbaus sowie einzelner Elemente zu einer Persistenz des alten Grabmalstyps im Quattrocento kam, der die damalige neapolitanische Grabmalslandschaft entscheidend prägte.539 Der bewusste Einsatz dieses retrospektiven Formenvokabulars erklärt sich aus dem Bedürfnis der alteingesessenen Adligen nach einer visuellen Vermittlung ihres durch das Alter und die neapolitanische Herkunft legitimierten exklusiven Status’ und nach einer daraus resultierenden Abgrenzung gegenüber den anderen Adelsgruppen in Neapel.540 Es handelt sich demnach um das für soziale Gruppen charakteristische Phänomen, dass sie sich erst durch „die Abgrenzung von einer anderen Gruppe [definiert]“541 und dabei „die Differenz nach außen betont, die nach innen dagegen herunter[…]spielt. Zudem bildet sie ein Bewußtsein ihrer Identität durch die Zeit hindurch aus, so daß die erinnerten 538 Schmidt, Typen, 1990, S. 24. Zur Übernahme des alten Typus vereinzelt auch an Grabmälern für Feudaladlige und die Neuen in der Stadt wie z.B. am Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano und für Giovanni Cavaniglia siehe die Kap. III.3. und V.5. 540 Allgemein zum Traditionsbewusstsein von Adel siehe Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen, 2008, bes. S. 4f. Beispielhaft aus der Antike der Vergleich zweier attischer Kouroi, die trotz ihrer unterschiedlichen Entstehungszeiten die „traditionellen Werte[…] der attischen Adelsfamilien“ durch einen kanonhaften Statuentypus „öffentlich und auf Dauer visualisierte[n].“ Vgl. Boschung, Adlige Repräsentation, 2008, bes. S. 184-188. Zum italienischen Wandbaldachingrabmal, das im Spätmittelalter „anfangs nur für die Spitzen der geistlichen und weltlichen Hierarchie in Anspruch genommen worden [war] [und] in der Folge […] seine ursprüngliche Exklusivität [einbüßte]“ siehe auch Schmidt, Typen, 1990, S. 59. 541 Kröll, Einführung, 2007, S. 12. 539 126 Grit Heidemann-Schirmer Fakten stets auf Entsprechungen, Ähnlichkeiten, Kontinuitäten hin ausgewählt […]“ werden.542 Dies erfolgt – wie in der vorliegenden Studie ersichtlich – durch den Einsatz „wieder erkennbare[r] Formen“,543 die „nicht nur identitätsstiftend und bindend innerhalb der Gruppe [wirken], sondern […] gleichzeitig die Unterschiede zu den anderen [verdeutlichen].“544 Die Adelsfamilien befanden sich jedoch auch immer in einem distinktiven Wettstreit um die sozial privilegierte Stellung innerhalb der jeweiligen Gesellschaft, worauf im Folgenden näher eingegangen wird. IV.2. Konkurrenz nach innen Zu Distinktionsbestrebungen kommt es in aller Regel innerhalb einer sozialen Gruppe, die von hierarchischen Strukturen wie der vormodernen Ständegesellschaft geprägt war.545 Dies betraf insbesondere die Adelsgesellschaften, die überaus heterogen waren und sich über das Alter sowie die Herkunft ihrer Familien definierten. Somit stand „jede adlige Familie in Konkurrenz zu anderen. Es […] [gab] Legitimation nicht nur nach außen, sondern je nach Familie und Individuum auch nach innen, um den Rang zu halten und zu erhöhen.“546 Der Wettstreit beziehungsweise die Konkurrenz um die sozial privilegierte Stellung innerhalb der jeweiligen Adelsgruppe schlug sich auch in Monumentsetzungen nieder, die in der Öffentlichkeit oder zumindest von den Angehörigen der entsprechenden Gruppe als Rezipienten zugänglich waren, wie es beispielsweise bei den aufwendig gestalteten Familienpalästen, die das Stadtbild maßgeblich prägten, oder auch bei den besonders reich ausgestatteten Familienkapellen und Grabmälern in den großen Kirchen 542 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 40. Siehe dazu auch Assmann, Zeit und Tradition, 1999. Borggrefe, Stil, 2008, S. 116. 544 Kröll, Einführung, 2007, S. 12. 545 Zur Differenzierung als Qualitätsmerkmal sozialer Hierarchisierung siehe Luhmann, Soziale Systeme, 1987, S. 264. Zur mittelalterlichen Ständegesellschaft siehe Korte/Schäfers, Einführung, 2002, S. 188190. Außerdem Schmidt/Carl, Stadtgemeinde, 2007; Füssel/Weller, Ordnung und Distinktion, 2005. 546 Paravicini, Einleitung, 1997, S. 22. Auch Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen, 2008, S. 5, stellen „eine gruppenspezifische Konkurrenz“ als typisches Merkmal von Adelsgesellschaften heraus. Siehe auch Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990. Zu Rivalitäten und Konkurrenzdenken unter den neapolitanischen Adligen während der Begräbniszeremonien siehe außerdem Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 586. 543 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel ersichtlich wird.547 Grabmonumente Visceglia eine hat besondere herausgerbeitet, Aufmerksamkeit 127 dass in der den Gestaltung der Testamenten der neapolitanischen Adligen zukam, die deutlich macht, wie wichtig die zeichenhafte und auf Dauer angelegte Vergegenwärtigung des eigenen Geschlechts innerhalb der Gesellschaft war.548 Insbesondere die Familien der neapolitanischen Maggiore Nobiltà versuchten sich nicht nur nach außen abzugrenzen, sondern standen auch in einem ständigen Wettstreit um die hierarchische Vorrangstellung untereinander. Ein wahrhaft sprechendes Abbild der Seggio-Zugehörigkeiten lieferten dabei die Ausstattungen der großen Kirchen Neapels, wie oben schon angeklungen ist und am folgenden Fallbeispiel nun ausführlicher gezeigt werden soll. IV.2.1. Wettstreit um die Besetzung des Kirchen- und des Stadtraums – Die Grablegen der Brancaccio und Carafa in Sant’Angelo a Nilo und San Domenico Maggiore Betrachtet man noch einmal die Kapellenverteilung in San Domenico Maggiore um 1500 (Abb. 35), so wird die Dominanz von zwei Adelsfamilien ersichtlich, die damals zu den größten und einflussreichsten in Neapel gehörten und im Seggio di Nido sesshaft waren.549 Es handelt sich offensichtlich um einen Wettstreit um die Besetzung der Seggio-Hauptkirche, der sogar über den Kirchenraum hinausging. Während bis in das frühe 16. Jahrhundert für alle vier Familienzweige der Carafa Kapellen in San Domenico eingerichtet wurden, so besaßen die zu den ältesten neapolitanischen Familien zählenden Brancaccio550 sowohl im rechten Seitenschiff zwei Kapellen als auch eine weitere im alten Vorgängerbau, S. Angelo a Morfisa, der einen separaten Eingang hatte und dem von der Piazza eintretenden Besucher mit Blick auf 547 Siehe dazu auch Michalsky, Die Porosität, 2007. Vgl. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 605. Allgemein dazu Schmidt/Carl, Stadtgemeinde, 2007, S. 22: „Der politische Führungsanspruch der städtischen Eliten musste mit allen Mitteln symbolischer Kommunikation in alltäglichen wie zeremoniellen Situationen untermauert werden.“ Auch Oexle, Soziale, Gruppen, 1998, S. 21, betont in diesem Zusammenhang den für die Adligen grundlegend wichtigen „Nachweis einer langen Generationenfolge“. 549 Darauf verweisen auch Vitolo, Ordini mendicanti, 2005, S. 12; Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 598f. 550 Zur „antichità di nobiltà“ der Familie Brancaccio siehe u.a. Brancaccio, Breve notamento, 1715, f. 1r. Allgemein zur Familie Brancaccio siehe vor allem Vitale, Èlite, 2003, Anhang; dies., Uffici, 1993. Außerdem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 26-31. Dementsprechend verortet Esch, Das Papsttum, 1972, S. 729, die Brancaccio „im Innersten dieses seggio [Nido]“. 548 128 Grit Heidemann-Schirmer die dort befindlichen Grabmäler verdeutlichte, welche Familie hier kommemoriert werden sollte.551 Darüber hinaus ließ der schon oben vorgestellte Kardinal Rinaldo Brancaccio die familiäre Eigenkirche Sant’Angelo a Nilo gegenüber der Dominikanerkirche errichten, die somit nicht nur eine visuelle Verbindung mit der alten Familiengrablege einging, sondern auch unmittelbar an den alten Seggio- Versammlungsbau anschloss und damit ein deutliches Zeichen des Machtbereichs der Brancaccio innerhalb des Stadtraums setzte.552 Zu Recht hat Weber darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu den Kapellen in den großen Kirchen nur wenige eigene Familienkirchen in Neapel errichtet wurden.553 Jene, die sich aus dem 15. Jahrhundert erhalten haben, weisen jedoch eine Gemeinsamkeit auf, und zwar ihre Nähe zu den adligen Versammlungsbauten. Diese „Planung völlig neuer, individueller Graborte“ an prominenten Plätzen im urbanen Raum spiegelt nicht nur „das Streben nach persönlicher Memoria“ wider,554 es vermittelt auch ein besonders ausgeprägtes Distinktionsbedürfnis der Auftraggeber, das sich öffentlichkeitswirksam im Stadtbild manifestierte.555 Im Folgenden werden einzelne Grablegen aus dem Quattrocento für die Angehörigen beider Adelsfamilien in Sant’Angelo a Nilo und San Domenico Maggiore noch einmal hinsichtlich der distinktiven Repräsentationsstrategien ihrer Auftraggeber vorgestellt, die aus dem Anspruch auf die soziale Vorrangstellung ihrer Familien innerhalb der Adelskorporation von Nido resultierten. Sant’Angelo a Nilo als Familiengrablege der Brancaccio Die kleine Kirche Sant’Angelo a Nilo (Abb. 47) befindet sich direkt am antiken decumanus inferiorus (Via S. Biagio dei Librai) angrenzend an die Piazza von San 551 Zu den Brancaccio-Kapellen in San Domenico Maggiore siehe auch D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 271f. u. 282f. 552 Zum Status von Sant’Angelo a Nilo als familiäre Eigenkirche siehe vor allem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 38 u. 42. Allgemein zum rechtlichen Stand von Familienkapellen als „Eigenkirchen“ siehe auch Höger, Studien, 1976, S. 37. 553 Vgl. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 280 u. 288. Zur geringen Zahl an Eigenkirchen der neapolitanischen Adligen aus wirtschaftlichen Gründen siehe auch Vitale, Èlite, 2003, S. 143f. 554 Borgolte, Grablege, 1989, Sp. 1629. 555 Siehe dazu auch Vitale, Èlite, 2003, S. 145. Als weitere Beispiele familiärer Eigenkirchen aus dem 15. Jahrhundert sind die nahe dem Seggio di Nido befindliche Santa Maria Assunta dei Pignatelli und die nahe dem Seggio di Porto errichtete San Giovanni dei Pappacoda zu nennen. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 129 Domenico.556 Ihre heutige Gestalt ist von den barocken Umbauarbeiten geprägt und so haben sich nur wenige Architektur- und Ausstattungselemente aus der originalen Entstehungszeit erhalten.557 Auftraggeber der Kirche war Rinaldo Brancaccio, der wie Enrico Minutolo und Francesco Carbone in den hohen Klerus an der päpstlichen Kurie in Zeiten des Schismas aufgestiegen war.558 Höhepunkt seiner Karriere war die Erlangung der Kardinalswürde, die er am 14. Dezember 1384 von Papst Urban VI. zusammen mit der Titelkirche S. Vito in Macello übertragen bekam. Zeit seines Lebens hielt er sich vorrangig in Rom auf oder war im Papstgefolge auf Reisen.559 Dennoch war es ihm offensichtlich ein großes Bedürfnis, die persönliche Erinnerung in seiner Heimatstadt Neapel auch über den Tod hinaus zu gewährleisten.560 So bedachte er nicht nur San Domenico Maggiore mit mehreren Stiftungen, sondern ließ auch ab 1426 das alte Armenhospital S. Andrea restaurieren, das sich nahe dem Versammlungsort des Seggio di Nido und dem Familienpalast der Brancaccio befand.561 Die daran anschließende neu errichtete Kapelle sollte zugleich als neue Familiengrablege dienen.562 Sie wurde dem Erzengel Michael unter dem Namen Sant’Angelo a Nilo neu geweiht und mit reichlich Mobiliar ausgestattet.563 556 Zur Kirche Sant’Angelo a Nilo siehe vor allem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 25-127; Lions Club, La Cappella Brancaccio, 1996; Russo, Regesti, 1991; De Stefano, La chiesa, 1964; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 260-262. 557 Zum barocken Umbau siehe u.a. De Stefano, La chiesa, 1964, S. 17-19. 558 Zu Rinaldo Brancaccio siehe vor allem Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. S. 52-82; Girgensohn, Brancaccio, 1971; Ricca, La nobiltà, 1879, S. 528-562; Brancaccio, Breve notamento, 1715, f. 51v-56v. Außerdem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 31-35; Vitale, Élite, 2003, S. 55 u. 219; Bock, Antiken- u. Florenzrezeption, 2001, S. 247; Esch, Das Papsttum, 1972, bes. S. 746 u. 752f; D’Aloe, Catalogo, 1883, S. 127. 559 Darauf verweist u.a. Girgensohn, Brancaccio, 1971, S. 799. 560 Die Verbundenheit Rinaldo Brancaccios mit seiner Heimat macht auch deutlich Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 68 u. 79f. 561 Die Stiftungen an San Domenico ergingen in den Jahren 1406 und 1425, die Erlaubnis zur Restaurierung des Armenhospitals S. Andrea a Nilo erwirkte Rinaldo Brancaccio bei Papst Martin V. am 24. April 1426. Siehe dazu Girgensohn, Brancaccio, 1971, S. 798. So auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 40f. Außerdem zur Wiedererrichtung des Hospitals nebst der neuen Kapelle siehe Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. S. 69-74. Zu zahlreichen weiteren Stiftungen Rinaldo Brancaccios, auch in Rom, siehe ebd., bes. S. 63 u. 68f. Zum Familienpalast der Brancaccio siehe ebd., S. 53. 562 Auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 43, merkt an, dass die Stiftung von Sant’Angelo a Nilo zur „Absicherung der Familie sowie […] [zur] Aufwertung ihres Status in Neapel“ diente. 563 Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 78f., verweist auf die Anordnung in Rinaldos Testament, dass die Kapelle mit Fresken ausgestattet werden sollte, die dem Vorbild der heute nicht mehr erhaltenen Fresken in der Cappella Pappacoda entsprachen. Zudem sollten Glasfenster eingearbeitet und die in seinem römischen Familienpalast befindlichen liturgischen Gerätschaften hierher gebracht werden. Zu den geplanten Fresken siehe auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 54-56. Zum nicht mehr erhaltenen Majolikafußboden siehe ebd., S. 61. 130 Grit Heidemann-Schirmer Ihre räumliche Nähe zur Hauptkirche des adligen Quartiers, in der nicht nur Rinaldos Familie mehrere Grabkapellen besaß, dürfte ein entscheidender Grund für die Standortwahl dieses Bestattungsortes gewesen sein.564 Auch die Lage im antiken Straßennetz unterstrich die Repräsentation der Anciennität des Hauses Brancaccio. Zugleich distanzierte sich Rinaldo von der für die neapolitanischen Kleriker privilegierten Grabstätte des Doms. Seine Verbundenheit mit der Adelskorporation war offenbar höherwertiger innerhalb des neapolitanischen Netzwerkes und demzufolge repräsentationswürdiger.565 Dies verdeutlicht auch die von ihm noch zu Lebzeiten am 11. März 1427 verfasste Anweisung, das Juspatronat des Neubaus an die Adligen des Seggio di Nido zu übereignen, die am 06. Juli 1428 posthum von seinen Erben Giovanni und Paolo Brancaccio bekräftigt wurde.566 Das Todesdatum von Rinaldo Brancaccio ist in der Forschung umstritten. Während einerseits von dem in der Grabmalsinschrift genannten 27. März 1427 ausgegangen wird, so wurde andererseits deutlich gemacht, dass es sich um eine Verwechslung mit dem an diesem Datum verfassten Testament handelt und Rinaldo Brancaccio nachweislich erst am 05. Juni desselben Jahres in Rom gestorben war.567 Einigkeit besteht indes darin, dass Sant’Angelo a Nilo im Jahre 1428 nach dem in seinem Testament gemachten Vorgaben vollendet und Rinaldos Leichnam hier bestattet worden war.568 Der kleine Sakralbau erhebt sich auf einem einfachen Grundriss (Abb. 48) mit gerade abschließendem Rechteckchor. Zwei Eingänge an der Nord- und der Westseite führen in das Kircheninnere. Dem heutigen Besucher steht nur der Eingang vom antiken decumanus im Norden zur Verfügung, während einst die Westseite als Haupteingang 564 Zu diesem „prestigeträchtigen Ort […] als Hauptabsicht der neuen Kapellengründung“ siehe auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 39. 565 Allgemein zur „Zuschreibung von Prestige“ durch eine Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken siehe Preyer, Rolle, 2012, S. 25. 566 Siehe dazu Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 72-74 u. 90; Girgensohn, Brancaccio, 1971, S. 798; De Stefano, La chiesa, 1964, S. 16. Den Abdruck der Verfügung vom 06. Juli 1428 gibt Russo, Regesti, 1991, S. 44. Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 62, weist darauf hin, dass sich durch diese Übergabe Sant’Angelo a Nilo „von einer Eigenkirche zu einer öffentlichen Konsortialkirche“ gewandelt hatte. Dennoch wurde die Erinnerung an die Stifterfamilie Brancaccio in Form der Grabmäler aufrechterhalten. 567 So vor allem Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 75 u. 80f.; Girgensohn, Brancaccio, 1971, S. 798f. Dem folgt auch Beck, Donatello, 1987, S. 125. Das Testament von Rinaldo Brancaccio im Abdruck geben Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 312-315; Lightbown, Donatello & Michelozzo (II), 1980, Appendix B, S. 293-297. Zum Todesdatum am 27. März 1427 siehe zuletzt Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 34. 568 Auf den von Rinaldo persönlich angefertigten Plan sowie auf die Vorgaben in seinem Testament zur Umsetzung seines Bauvorhabens verweisen De Stefano, La chiesa, 1964, S. 16; Regina, Napoli antica, 1994, S. 98f. Zu den Vorgaben im Testament siehe auch Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 75-80. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 131 gedient hatte.569 Ein Hinweis darauf findet sich auch in der Gestaltung des Westportals (Abb. 49). So ist auf dem Architrav das von zwei Engeln gehaltene Kardinalswappen prominent in Szene gesetzt, während das Fresko in der darüber befindlichen Lünette die commendatio animae des Stifters durch die dem Armenhospital und der Kirche zugewiesenen Patrone Michael und Andreas an die Gottesmutter präsentiert.570 Der heutige Besucher des Kirchenraums muss sich erst einmal orientieren. Das schon oben vorgestellte Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio (Abb. 42) befindet sich nämlich nunmehr im nach Süden angrenzenden Teil des Chorbereichs, war jedoch ursprünglich an einem anderen Ort aufgestellt. Diese Verlagerung ist mit einem besonderen Ereignis in Verbindung zu bringen. So planten die Adligen des Seggio di Nido 1476 einen Neubau ihres Versammlungsortes nahe der Kirche Santa Maria Donnaròmita, im Zuge dessen der alte Bau aufgegeben wurde.571 Es erscheint verlockend, die Einverleibung des verlassenen Seggiogebäudes in dem im frühen 16. Jahrhundert nach Osten erweiterten Chorbereich von Sant’Angelo a Nilo zu vermuten, wie es De Stefano konstatiert, und folglich das Kardinalsgrabmal dort seine Neuaufstellung fand.572 Doch lässt sich dies leider nicht archivalisch belegen. Selbst wenn man eine Inkorporierung des alten Versammlungsbaus infrage stellt, so bleibt die unmittelbar angrenzende Nähe der Kirche zu diesem Gebäude und die Verlagerung des Stiftergrabmals in beziehungsweise nahe diesem ehemals politisch konnotierten Territorium ein deutliches Indiz der Prestigesteigerung der kleinen Kirche und der Zurschaustellung des Machtbereichs der Brancaccio im neapolitanischen Stadtraum.573 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Sant’Angelo a Nilo weitere Neugestaltungen erfahren574 569 Darauf verweist auch Regina, Napoli antica, 1994, S. 98. Zu beiden Eingangsportalen siehe auch Valente, Analisi, 1966, S. 97-101. 570 Als ausführender Maler des Freskos wird Perinetto da Benevento vermutet und dieses zeitgleich zum Grabmal für Rinaldo auf 1427-28 datiert. Siehe dazu Regina, Napoli antica, 1994, S. 98. Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 55, interpretiert die dargestellten Heiligen wiederum als „Michael und Bacolus“. 571 Siehe dazu De Stefano, La chiesa, 1964, S. 16f.; Carletti, Topografia, 1776, S. 113. 572 Vgl. De Stefano, La chiesa, 1964, S. 15-18. Auch Thoenes, Neapel, 1971, S. 37, vermutet den alten Seggio aus dem 12. Jahrhundert unter der heutigen Chorapsis von Sant’Angelo a Nilo. So auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 44f. Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 89-91, wiederum bezweifelt dies, verweist aber auf die Umbauarbeiten am Anfang des 16. Jahrhunderts und geht von einer dadurch bedingten Umstellung des Grabmals innerhalb des Kirchenraums aus. Er vermutet den Platz hinter dem Hauptaltar als ursprünglichen Standort des Kardinalsgrabmals. Ohne kritische Reflektierung zu De Stefanos These folgt Lightbowns Vermutung auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 52f. Dass die Einverleibung alter Seggio-Bauten in Kirchen jedoch nicht unüblich in Neapel war, zeigt das Beispiel von San Lorenzo Maggiore und dem Seggio di Montagna. Siehe dazu Hirpinus, San Lorenzo, 1961/62. 573 Allgemein zur Notwendigkeit „einer Statussymbolik“ für die Generierung und Aufrechterhaltung von „Prestige“ siehe Preyer, Rolle, 2012, S. 71. 574 Zu den Ende des 15. Jahrhunderts gefertigten Holztüren an beiden Eingangsportalen der Kirche, die in jeweils sechs Felder unterteilt wurden und Heiligenfiguren im Halbrelief präsentieren, siehe Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 61f.; Regina, Napoli antica, 1994, S. 98. 132 Grit Heidemann-Schirmer und war längst als neue Grablege der Familie etabliert, wie das gleich noch ausführlicher vorzustellende Grabmal für Pietro Brancaccio zeigt. Kardinal Rinaldo Brancaccio hatte somit seinen Hinterbliebenen einen neuen Raum zu Selbstinszenierungszwecken geschaffen, während die alte Familiengrablege in San Domenico weiterhin erhalten blieb, ebenso wie die dortige Vorgängerkirche S. Angelo a Morfisa als Bestattungsort für Tommaso Brancaccio diente. Die offensichtlich in Konkurrenz zu den Brancaccio stehende Familie Carafa suchte wiederum ihre Machtsteigerung innerhalb der großen Dominikanerkirche von Neapel öffentlichkeitswirksam zu demonstrieren. Die Familienkapellen der Carafa della Stadera in San Domenico Maggiore Für das 15. Jahrhundert lassen sich zwei Kapellen in San Domenico (Abb. 35) anführen, die aufs engste mit dem Bedürfnis nach Inszenierung und somit für Legitimationszwecke des Zweiges della Stadera der Familie Carafa verbunden sind. Dazu zählt zum einen die zweite Kapelle im linken Seitenschiff, die dem Patronat dieser im Seggio di Nido sesshaften Familie unterstand und dem Hl. Johannes Evangelista geweiht war.575 Bekannt wurde sie vor allem durch die Bestattung von Antonio Malizia Carafa, der am 10. Oktober 1438 gestorben war.576 De Divitiis zufolge ist ein Grabmal aus dieser Zeit zwar nicht überliefert, auch wenn man Teile des heute an der Nordwand der Kapelle angebrachten Ensembles, das sein Sohn Diomede Carafa nach 1470 bei dem Bildhauer Jacopo della Pila in Auftrag gegeben hatte und das oben schon besprochen wurde, als originales Erinnerungsmonument vermuten kann.577 Dennoch hat dieser Begräbnisort einer der bedeutendsten Persönlichkeiten Neapels solche Wirkung auf die Zeitgenossen ausgestrahlt, dass er – im Zusammenhang mit dem dort Bestatteten – auch als „Kapelle des Malizia Carafa“ bezeichnet wurde.578 Zum anderen ließ der Grabmalsauftraggeber Diomede Carafa seine neu gestiftete Cappellone del Crocifisso (Abb. 50) nahezu zeitgleich im rechten Seitenschiff von San Domenico umbauen, wodurch sie zu einer der raumgreifendsten Kirchenkapellen avancierte, die nicht nur dadurch, sondern auch aufgrund des dort verehrten 575 Zur Kapelle siehe u. a. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 111r-v. Zu Antonio Malizia Carafa siehe noch einmal oben. 577 Vgl. De Divitiis, Architettura, 2007, S. 162. 578 Vgl. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 111r, der sie als „cappella della Malitia Carrafa“ bezeichnet. 576 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 133 wundertätigen Bildes einer „Kreuzigung Christi“, das zu Thomas von Aquin gesprochen haben soll, schon bei den Zeitgenossen große Berühmtheit erlangt hatte.579 Hier ließ sich Diomede Carafa noch zu Lebzeiten ein Grabmal errichten, das weiter unten ausführlicher vorgestellt wird, bevor er am 17. Mai 1487 verstarb und mit großem Pomp bestattet wurde.580 Trotz der zeitgleichen Einrichtung dieser neuen gigantisch anmutenden Familiengrablege im rechten Seitenschiff entschied sich Diomede dafür, den Leichnam seines Vaters Antonio Malizia Carafa an dessen ursprünglichen Begräbnisort im linken Seitenschiff zu belassen.581 Damit war eine Ausweitung der Familienrepräsentation innerhalb des Kirchenraums von San Domenico gewährleistet, wie es schon die Brancaccio mit ihren Kapellen vorgeführt hatten. Sowohl den Brancaccio als auch den Carafa war also gemeinsam, dass sie sich als herausragende Familien innerhalb der Adelskorporation insbesondere in Form prestigeträchtiger Grablegen an bedeutungsvollen Stätten inmitten des alten Stadtkerns von Neapel inszenieren wollten. Der Verweis auf ihre berühmten Ahnherrn, Rinaldo Brancaccio und Antonio Malizia Carafa, ermöglichte zugleich Grabmalsaufträge mit einem bewussten Rückgriff auf das alte Formenvokabular, kombiniert mit neuen Elementen. In diesen Formfindungsprozessen manifestiert sich beispielhaft der ständige Wettstreit unter den höheren Seggio-Adligen um die soziale Vorrangstellung und das Bedürfnis nach Konsolidierung ihrer Machtposition innerhalb der Gruppe. IV.2.2. Formfindungsprozesse im Kontext des Selbstverständnisses von Exklusivität Während das Phänomen des lang anhaltenden retrospektiv wirkenden Grabmalstyps der Alteingesessenen im 15. Jahrhundert eingehend erörtert wurde, so soll nun der Fokus auf die innovativen Elemente gelegt werden, die sich an den neapolitanischen Adelsgrabmälern ab den späten 1420er Jahren, vor allem aber in der zweiten Hälfte des Quattrocento festmachen lassen und die somit die Problematik der Darstellung von Anciennität im Kontext der politischen Umbrüche und des sozialen Wandels 579 Zur Cappellone del Crocifisso siehe u.a. De Divitiis, Architettura, 2007, bes. S. 142-146; Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 114-118; dies., Schichten der Erinnerung, 2005, S. 109f.; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 274-276. 580 Zu seinem Tod und den in San Domenico Maggiore abgehaltenen Exequien im Beisein des Königs und der höchsten Adligen Neapels siehe beispielhaft die zeitgenössische Schilderung von Notar Giacomo bei Garzilli, Cronica, 1845, S. 163f. 581 Dies vermutet De Divitiis, Architettura, 2007, S. 161. 134 Grit Heidemann-Schirmer verdeutlichen. Besonders signifikant tritt dies an Grabmälern zutage, die in unmittelbarer Nähe zu bereits bestehenden und als retrospektiv ausgerichteten Monumenten errichtet wurden, wie die vorangegangenen und nun folgenden Beispiele zeigen. Das Grabmal für Pietro Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (1483) Dem heutigen Betrachter begegnet das Grabmal für Pietro Brancaccio (Abb. 51) links neben dem Erinnerungsmonument für Kardinal Rinaldo Brancaccio, wobei es eigentümlich hoch an der Ostwand des nachträglich erweiterten Chorbereichs von Sant’Angelo a Nilo angebracht ist und die unweigerliche Frage nach einer ursprünglich anderen Aufstellung aufkommen lässt.582 Durch die Standortwahl in Sant’Angelo a Nilo trat dieses Monument in unmittelbare Nähe und somit in eine direkte kommunikative Beziehung zum Grab des berühmten Familienmitglieds Kardinal Rinaldo Brancaccio. Allein durch seine Gestalt ist es von diesem emanzipiert. Es handelt sich um ein monumentales Wandnischengrab, das durch eine all’antica gearbeitete Architekturrahmung gekennzeichnet ist. Diese setzt sich zusammen aus den korinthisierten und mit floralem Muster verzierten Pilastern sowie einem ähnlich reich dekorierten Gebälk, das an antike Tempelfronten erinnert. Zwischen den Pilastern befindet sich im unteren Teil des Grabmals ein hohes Postament, dessen Frontseite in drei Relieffelder unterteilt ist und eine Reminiszenz zum Kastensarkophag des Grabmals für Kardinal Rinaldo Brancaccio schafft. In gleicher Weise ist hier links und rechts das Familienwappen im Flachrelief angebracht, während das breitere Mittelfeld folgende Inschrift trägt: „PETRO BRANCATIO FVSCI/ FILIO HIC BELLO FERRARIENSI/ SVSCEPTA ADVERSVM VENETOS/ EXPEDITIONE ALFONSVM DVCEM/ CALABRIAE CVIVS CONTVBER/NALIS ERAT SECVTVS AGRO/ BRIXIENSI TOTOFERME CAPTO/ DVM ARX MONTIS CLARE OPPV/GNATVR COLVBRINA ICTVS INTE/RIIT CORPVS NEAPOLIM FRATRIS OP/ERA RELATVM ET HIC SITVM EST/ MARINVS 582 BRANCATIVS QVI EO IN/ BELLO CVMPRIMIS Zum Grabmal für Pietro Brancaccio siehe vor allem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 57-59, die auch auf die rudimentäre Forschungslage hinweist. Außerdem Regina, Napoli antica, 1994, S. 98, Thoenes, Neapel, 1971, S. 40; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 81f. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 135 PRAEFVIT FRATRI/ OPTEMPERANTISSIMO SVAQVE FAMI/LIA ET PATRIA DIGNIS MORIBVS PRAEDI/TO AC BENE MERENTI FACIVNDVM CVRAVIT.“583 Die Inschrift gibt nicht nur Auskunft über den Status des Verstorbenen als den Aragonesen treu ergebener Ritter, sondern auch über den eigentlichen Auftraggeber dieses Grabmals, und zwar Pietros Bruder Marino Brancaccio. Zudem wird die Familie zusammen mit dem Vaterland hervorgehoben, was das Selbstverständnis der Brancaccio als Alteingesessene vermittelt. Über dem Postament öffnet sich die für das Grabmal charakteristische Wandnische, in der der Sarkophag aufgestellt ist. Dieser verweist in Form und Dekor – zusammen mit der Architekturrahmung des Monuments – auf römische Vorbilder, wie auch schon Grund angemerkt hat und worauf gleich zurückzukommen sein wird.584 Der von drei Löwenfüßen gestützte Wannensarkophag ist mit Girlandenfriesen geschmückt, zwischen denen in der Mitte eine tabula ansata angebracht ist, die das Auftragsjahr des Monuments beziehungsweise das Todesjahr des Verstorbenen liefert: „AN D MCCCC/ LXXXIII“ (1483).585 Auf der Deckplatte befindet sich die Liegefigur, die den Verstorbenen dem adligen Stand entsprechend und wie schon in der Inschrift betont als treuen Ritter repräsentiert. An der Nischenrückwand ist eine weitere Inschrifttafel angebracht, die jedoch deutlich später entstand und einem anderen Familienmitglied gewidmet ist.586 Dadurch wird die Vermutung bestätigt, dass das Grabmal für Pietro Brancaccio eine Umarbeitung 583 Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem Pietro Brancaccio, Sohn des Fosco. Dieser war, nachdem man im Krieg von Ferrara einen Feldzug gegen die Venezianer unternommen hatte, dem Alfons, Herzog von Kalabrien, gefolgt und nach der Einnahme des gesamten Gebiets von Brescia, als man gerade die herrliche Bergfestung belagerte, durch einen Schlangenbiss zu Tode gekommen. Der Körper ist auf Veranlassung des Bruders nach Neapel gebracht und hier beigesetzt worden. Marino Brancaccio, der im Krieg zusammen mit den Ersten die Führung innehatte, kümmerte sich um die Errichtung [dieses Grabmals] für seinen gehorsamsten und seiner Familie und dem Vaterlande in würdiger Manier treu ergebenen und verdienstvollen Bruder.“ 584 Vgl. Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 58, die als Vergleichsbeispiele die „römischen Kardinalsgrabmäler[...] des Andrea Bregno“ anführt. 585 Während ebd., S. 57, davon ausgeht, dass es sich bei dem genannten Datum um den Zeitpunkt der Grabmalsstiftung handelt, so macht Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 81, darauf aufmerksam, dass dies nicht eindeutig ist und es sich auch um das Todesjahr von Pietro Brancaccio handeln könnte. 586 Diese lautet: „D O M/ SACHACIO ALEXANDRO THOME ANTONELLO/ BRANCACIIS/ QVORVM PRIMVS BASILIO ET COSTANTINO CAESARIBVS/ DVX EXERCITVS CONSILIO MANVQVE STRENVVS/ ALTER IOANNA I TERTIVS LVDOVICO II POSTREMVS/ RENATO REGE DIFFICILLIMIS ARMORVM TEMPORIBVS/ SICILIAE MARESCIALLI/ NE EXTINCTO DIV CINERE NOMEN QVOD PRECLARA VIRTVS/ HVC VSQVE SERVAVERAT LABENTE AEVO INTERCIDERET/ OCTAVIVS BRANCACIVS GENTILE SVOS/ MONVMENTO HOC POSTERITATI COMENDAVIT/ MDCXVII.“ 136 Grit Heidemann-Schirmer erfahren hat. Denkt man sich einmal die Tafel weg, so entsteht ein eigentümlicher Leerraum, der – im Rückblick auf die traditionelle camera funebris – ein Relief oder Fresko mit religiösem Bildinhalt erwarten ließe, das sich nicht mehr erhalten hat.587 Nicht nur dieses Indiz, sondern auch die viel zu hohe Anbringung des Grabmals erfordern ein Umdenken, was seinen originalen Standort innerhalb des Kirchenraumes von Sant’Angelo a Nilo betrifft. Meiner Ansicht nach befand es sich ursprünglich an der nördlichen Seitenwand, eventuell sogar gegenüber dem Kardinalsgrabmal, auf ebenerdigem Niveau.588 In dieser Positionierung wäre auch die Liegefigur liturgisch richtig zum Altar ausgerichtet gewesen. Die Umbauarbeiten an der Kirche seit dem frühen 16. Jahrhundert betrafen demnach auch das Grabmal für Pietro Brancaccio, welches zusammen mit dem Monument für Rinaldo in den neuen Ostanbau umgestellt wurde. Während das Grabmal des Kirchenstifters einen Formentransfer aus Florenz erkennen lässt und somit einen Hinweis auf das toskanische Handlungsumfeld von Rinaldo gibt, so zeigt jenes für Pietro Brancaccio eine frappante Ähnlichkeit mit dem von Andrea Bregno und Mino da Fiesole wenige Jahre zuvor gefertigten Grabmal für Kardinal Cristoforo della Rovere (†1478, Abb. 52) in der Kirche Santa Maria del Popolo in Rom.589 Hier begegnen ähnlich reliefierte Pilaster, die statt dem gerade abschließenden Gebälk zwar eine reich dekorierte Archivolte tragen, doch in gleicher Weise wie am neapolitanischen Pendant ein mit dem Familienwappen und der Inschrift verziertes hohes Postament und einen darüber befindlichen Sarkophag rahmen. Der römische Sarkophag ist dabei nach vorne herausgezogen, wodurch dem gesamten Monument mehr Plastizität verliehen wird. Auch die stützenden Konsolen, die Gestaltung der Rückwand der Nische mit drei von einem Kreuz und Kandelabern geschmückten Relieffeldern sowie die figurierte Lünette wurden in Neapel nicht rezipiert. Betrachtet man die Biografie des Auftraggebers Marino Brancaccio, der am aragonesischen Hof unter anderem als nach Rom gesandter Diplomat zu Titel und Ehren gelangte, so wird der Rekurs auf die ihm sicherlich bekannten römischen Monumente verständlich.590 Es ist zu vermuten, dass Marino seinem verstorbenen Bruder Pietro – 587 Darauf verweist auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 59. Diese ursprüngliche Position des Grabmals vermutet auch ebd. 589 Zum Grabmal für Kardinal Cristoforo della Rovere siehe zuletzt Pöpper, Skulpturen, 2010, bes. S. 241-257. 590 Zu Marino Brancaccio siehe vor allem Zapperi, Brancaccio, 1971; Brancaccio, Breve notamento, 1715, f. 22v-23r. Auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 57, verweist auf den höheren 588 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 137 und nicht zuletzt sich selbst – ein Erinnerungsmonument in der Heimatstadt setzen wollte, an dem adäquat zum Grabmal des berühmten Ahnherrn Rinaldo ein entsprechend aktuelles Formenvokabular zum Einsatz kam.591 Verantwortlich dafür zeichnete der lombardische Bildhauer Jacopo della Pila, der vor seinem langjährigen Aufenthalt in Neapel (1471–1502) auch in Rom bei Mino da Fiesole tätig war.592 Die Zuweisung dieses Bildhauers geht in der Forschung mit dem Verweis auf einen am 12. Mai 1494 aufgesetzten Vertrag zur Anfertigung eines weiteren Grabmals, und zwar für Niccolò d’Alagno (Abb. 53) in Torre Annunziata, einher, in dem das Monument für Pietro Brancaccio als Vorlage angeführt ist.593 Damit wird die damalige Bekanntheit und Wertschätzung dieses Grabmals offensichtlich, das inmitten zwischenfamiliärer Konkurrenzverhältnisse einen wichtigen Beitrag zum sozial privilegierten Statuserhalt der Familie Brancaccio auch zum Ende des 15. Jahrhunderts leistet. Ähnlich verhält es sich mit folgenden Erinnerungsmonumenten. Die Zwillingsgrabmäler für Diomede und Francesco Carafa in San Domenico Maggiore (späte 1470er und 1490er) Das Grabmal für Diomede Carafa (Abb. 54) ist als das erste Humanistengrabmal in Neapel zu bezeichnen,594 folgt es doch deutlich diesem in Florenz am Monument für Leonardo Bruni (†1444) generierten und wenig später auch in Rom verbreiteten Typus, wie das schon oben genannte Beispiel für Kardinal Cristoforo della Rovere (†1478, Bekanntheitsgrad Marinos gegenüber seinem Bruder Pietro, was sich in der Forschungslage widerspiegelt. 591 Zur Bedeutung der römischen Bregno-Werkstatt seit den späten 1460er Jahren siehe zuletzt Pöpper, Skuplturen für das Papsttum, 2010. Dazu auch Ladegast, Liturgie und Memoria, 2010, S. 84. 592 Darauf verweist Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 58, die auch auf die rudimentäre Forschungslage zu Pila hinweist. Zu Jacopo della Pila siehe vor allem Sorce, Jacopo, 2004; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, bes. S. 56-156. Zu Mino da Fiesole, dem auch einige Auftragswerke in Neapel attestiert werden, siehe immer noch grundlegend Zuraw, The sculpture, 1993. Zu seinem Aufenthalt in Neapel 1455-1456 siehe ebd., bes. S. 112-118; Pepe, Sul soggiorno, 1966. 593 Das Dokument des Vertrags ist überliefert bei Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 24-26. Die Zuweisung in der Forschung wird zusammengefasst von Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 58, die jedoch zu bedenken gibt, dass durch den Bezug nicht eindeutig gesichert ist, dass Jacopo della Pila selbst das Grabmal für Pietro Brancaccio angefertigt hat. Vom Grabmal für Niccolò d’Alagno sind heute nur noch Reste im Museo Filangieri aufbewahrt, doch zeigt zumindest die Gestaltung des Sarkophags nebst Gisant deutliche Parallelen zum Vorbild in Sant’Angelo a Nilo. 594 Darauf verweist auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 154. Ausführlich zum Grabmal für Diomede Carafa siehe ebd., S. 146-154. Außerdem Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 115; Leppien, 1962, S. 8493. 138 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 52) in S. Maria del Popolo zeigt.595 Die Architekturrahmung und einzelne Elemente des alten Grabmalsaufbaus sind am Diomede-Monument miteinander verschmolzen und zeigen neue Motive auf, die bezeichnenderweise Parallelen zu den fast zeitgleich errichteten römischen Kardinalsgrabmälern aufweisen.596 So wurden in die seitlichen Pilaster je zwei Muschelnischen eingefügt, in denen die ehemals für das Sockelgeschoss vorbehaltenen Tugendkaryatiden Platz fanden.597 Es handelt sich um die vier Kardinaltugenden Prudentia und Iustitia links sowie Fortitudo und Temperantia rechts. Die von den Pilastern gebildeten zwei Ebenen werden von einem all’antica gearbeiteten Gebälk getrennt und schaffen in der Mitte Platz für die charakteristische Nische. Während im unteren Teil an vergleichbaren Monumenten in Rom eine Inschrifttafel angebracht oder der Sarkophag aufgestellt wurde, so tritt am Neapler Pendant ein Novum auf.598 Hier wurde eine Sitzbank mit reliefierter Rückwand eingearbeitet, die das Familienwappen der Carafa sowie das persönliche Motto von Diomede „FINE IN TANTO“ präsentiert. Der Sockel dieser Bank gibt zudem das Auftragsdatum der Kapelle wieder, und zwar „MCCCCLXX“ (1470). Während De Divitiis dieses Motiv auf die „toskanischen hölzernen Ausstattungen“ zurückführt,599 so erscheint mir die „auskragende, benutzbare Sitzbank“600 am Grabmal für Kardinal Cristoforo della Rovere (Abb. 52a) weitaus relevanter für den Formfindungsprozess am Neapler Pendant, das doch so offensichtlich und in mehreren Details auf römische Monumente rekurriert. Die Form der Nische dürfte als Ideenvorlage für die Einverleibung einer Sitzbank gedient haben, die sich zum einen aus der Notwendigkeit heraus ergab, den Mitgliedern der Confraternità del Crocifisso einen Platz am Altar 595 Zum Grabmal für Cristoforo della Rovere siehe oben. Zum Prototyp des Humanistengrabmals für Leonardo Bruni, das zwischen 1445-1450 von Bernardo Rossellino in S. Croce, Florenz, gefertigt wurde, siehe u.a. Giusti/Venticonti, Monumento, 1992. Allgemein zum Typus des italienischen Humanistengrabmals siehe Dopychai, Studien, 1993. Zuletzt auch Wolff, Zur Gruppe, 2007. 596 Einen grundlegenden Zugang zu den römischen Kardinalsgrabmälern der Frühen Neuzeit bietet die vom Requiem-Projekt erarbeitete Datenbank http://requiem-projekt.de/db/ (08.11.2012). Auch Michalsky, Schichten der Erinnerung, 2005, S. 110, verweist bei dem Diomede-Grabmal auf die Orientierung „an römische[…] Vorbilder“. 597 In der Gestaltung der Pilaster mit Nischenfiguren sind die römischen Kardinalsgrabmäler für Pietro Riario (†1474) in SS. Apostoli und für Filippo de Levis (†1475) in S. Maria Maggiore anzuführen, die von Andrea Bregno und Mino da Fiesole gefertigt wurden. Siehe dazu zuletzt u.a. Pöpper, Skulpturen für das Papsttum, 2010, S. 183-191. 598 Als Vergleichsbeispiele in Rom können die schon genannten von Andrea Bregno gefertigten Kardinalsgrabmäler für Pietro Riario, Filippo de Levis und Cristoforo della Rovere sowie für Alain de Coetivy (†1474) in S. Prassede und für Louis d’Albret (†1465) in S. Maria in Aracoeli herangezogen werden. Zum letztgenannten siehe zuletzt Pöpper, Skulpturen für das Papsttum, 2010, S. 130-140. 599 De Divitiis, Architettura, 2007, S. 148. 600 Pöpper, Skulpturen für das Papsttum, 2010, S. 247. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 139 dieser berühmten Kapelle zu ermöglichen.601 Zum anderen lässt sich damit argumentieren, dass der gegenüberliegende Platz an der Südwand der Kapelle bewusst frei gehalten wurde für ein später zu errichtendes Monument, auf das gleich näher eingegangen wird, anstatt hier eine komfortable Sitzgelegenheit aufzustellen und dem Diomede-Grabmal mehr Raum zu geben. In jedem Fall handelt es sich um das früheste Beispiel einer Kombination von Grabmal und Sitzbank im neapolitanischen Kontext, wie schon Michalsky herausgearbeitet hat.602 In der darüber befindlichen Nische ist der Sarkophag des Verstorbenen aufgestellt. Auch hier wird eine Rezeption römischer Vorbilder, insbesondere aus der BregnoWerkstatt, greifbar.603 So ist der nach antiker Art gefertigte, auf zwei Löwenfüßen gestützte Wannensarkophag an der Frontseite mit Girlandenfriesen sowie einer tabula ansata geschmückt, auf der folgende Inschrift steht: „HVIC/ VIRTVS GLORIAM GLO/RIA INMORTALITATEM/ COMPARAVIT.“604 Darüber ist auf einer reich drapierten Kline die Liegefigur des Verstorbenen aufgebahrt, die sich motivisch durch die Rüstung, Waffen und Hunde wiederum an die standesgemäße Darstellung hält. Die dahinter aufragende Nischenrückwand wurde offenbar in jüngerer Zeit übertüncht, ihre ursprüngliche Gestaltung lässt sich aber mit dem gleich noch zu besprechenden Gegenstück des Grabmals für Diomedes Bruder Francesco rekonstruieren. Der obere Abschluss des Monuments mit dem verkröpften Gebälk und der Archivolte folgt wiederum dem derzeit auch in Rom beliebten Typus des Humanistengrabmals. Dabei sind an der Frontseite des Bogens Cherubimköpfchen aneinandergereiht, während in der Lünette die „Verkündigung“ eindrucksvoll im Halbrelief präsentiert wird.605 Das Grabmal für Diomede Carafa befindet sich an der Nordwand der Cappellone del Crocifisso unmittelbar angrenzend zum Altar, wo das wundertätige Bild der 601 Auf die Funktion dieser Sitzbank in Verbindung mit dieser für die Kapelle zuständigen Bruderschaft verweist De Divitiis, Architettura, 2007, S. 152, die sowohl florentinische als auch römische Vorbilder anführt. 602 Vgl. Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, bes. S. 192-194, die hierbei von der Integration „erstmals äußerst unscheinbare[r] Bänke in die Grabarchitektur“ spricht. Dazu auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 149. 603 Darauf verweist auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 149, die den formprägenden Sarkophag am Grabmal für Kardinal Louis d’Albret anführt. 604 Folgendermaßen zu übersetzen: „Die Tugendhaftigkeit hat diesem [hier Bestatteten] Ruhm eingebracht und der Ruhm die Unsterblichkeit.“ 605 Die Cherubimköpfchen treten auch an den schon oben genannten römischen Kardinalsgrabmälern für Alain de Coetivy (†1474) und für Filippo de Levis (†1475) auf. 140 Grit Heidemann-Schirmer „Kreuzigung Christi“, das zu Thomas von Aquin gesprochen haben soll, verehrt wird.606 Direkt an die Südwand gegenübergestellt erhebt sich das Grabmal seines Bruders Francesco Carafa,607 das in seiner spiegelbildlichen Konzeption die Betrachtung beider Monumente als Zwillingsgrabmäler erlaubt.608 Das Grabmal für Francesco Carafa (Abb. 55) ist nahezu identisch zum Pendant für Diomede aufgebaut, nur wenige Änderungen sind erkennbar. So ist in der Lünette nicht die „Verkündigung“, sondern die gleichfalls beliebte Szene der commendatio animae des Verstorbenen mit den Ordensheiligen Thomas von Aquin und Dominikus dargestellt. In den Pfeilernischen begegnen erneut die Tugenden Fortitudo und Prudentia links, während rechts die Hll. Petrus und Johannes Evangelista die fehlenden Kardinalstugenden ersetzen. Die Rückwand der oberen Nische, in der sich der Sarkophag des Verstorbenen befindet, weist zudem eine flache Reliefierung auf, die einen über die gesamte Länge aufgespannten Vorhang suggeriert. Dieser kann in gleicher Weise am Diomede-Grabmal vermutet werden, wo sich die originale Gestaltung der Nischenrückwand nicht erhalten hat. Die Frontseite des Sarkophags für Francesco Carafa wurde wiederum geringfügig modifiziert, wie sich an den anders gearbeiteten Löwenfüßen und der Einfügung zweier Putten in die Girlandenfriese zeigt, die auf die reicher geschwungene tabula ansata mit der Inschrift „PAR VITAE/ RELIGIOSVS/ EXITVS“609 verweisen. Überdies ist auf dem Sockel der Sitzbank keine Inschrift eingemeißelt wie am DiomedeGrabmal, wohl aber im analog verzierten Relieffeld der unteren Nischenrückwand mit folgendem Wortlaut: „FRANCISCO CARRAPHA EQVITI NEAP[OLITANO] INSIGNI CHRISTIANAE/ RELIGIONIS OBSERVANTISS[IMO] QVI SVMMA OMNIVM MORTALIVM BENIVOLENTIA/ AC VENERATIONE AETATIS ANNVM AGENS LXXXIIII OBIIT SENII/ NVNCQVAM 606 Heute befindet sich anstelle dessen eine Kopie, während das Original im Konvent aufbewahrt wird. Zu dem in der Forschung wenig thematisierten Francesco Carafa, der der älteste Sohn von Antonio Malizia war, siehe u.a. Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 145f. Zu seinem Grabmal siehe De Divitiis, Architettura, 2007, S. 154-157. 608 Zur „seltenen Gruppe der Zwillingsgrabmäler“, die charakteristisch für die römische Grabmalslandschaft waren, siehe Ladegast, Liturgie und Memoria, 2010, S. 67, hier am Beispiel der Ammanati-Grabmäler in S. Agostino. Zur besonderen Form der römischen Zwillingsgrabmäler und deren Bedeutung für die „gesellschaftliche Gruppenbildung“ siehe auch Karsten/Zitzlsperger, Gesellschaftliche Gruppen, 2007, bes. S. 77f. 609 Folgendermaßen zu übersetzen: „Das Ende ist ehrfürchtig gewesen wie [sein] Leben.“ 607 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 141 QVESTVS OLIVERIVS CARD[INALIS] NEAP[OLITANVS] PARENTI OPTIMO POS[VIT].“610 Diese Inschrift würdigt nicht nur den verstorbenen Francesco als ehrenhaften Ritter mit neapolitanischer Herkunft, der durch seine pietätische Lebensweise ein hohes Alter erreicht habe. Sie gibt auch den entscheidenden Hinweis auf den Auftraggeber des Grabmals, und zwar seinen Sohn Oliviero Carafa, der spätestens seit der Ernennung zum Kardinal im Jahre 1467 einen hohen Bekanntheitsgrad auch über die Heimatstadt hinaus erlangt hatte.611 Olivieros Funktion als Vermittler zwischen Rom und Neapel kann nicht hoch genug eingeschätzt werden und so geht auch De Divitiis davon aus, dass schon Diomede Carafa die höchst aktuellen römischen Grabmonumente vermutlich durch Zeichnungen gekannt hat, die ihm sein Neffe Oliviero mitgebracht hatte.612 Der Blick nach Rom eröffnete eine Auseinandersetzung mit den dort geschaffenen Grabmälern und bewirkte einen Formentransfer nach Neapel, mithilfe dessen sich die Angehörigen des neuen Familienzweiges der Carafa della Stadera repräsentieren und in ihrer angestrebten sozialen Vorrangstellung innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft legitimieren wollten. Dies bestätigt Oliviero selbst, der das Grabmal für seinen schon um 1458 verstorbenen Vater Francesco nach Art der römischen Kardinalsgrabmäler der Bregno-Werkstatt errichten ließ.613 Dass dieses aber zugleich eine mehr als deutliche 610 Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem Francesco Carafa, ehrenhafter neapolitanischer Ritter [und] der christlichen Religion folgend, der mit großem Wohlwollen und Verehrung der Sterblichen mit 84 Jahren [und] sich nie über das Alter beklagend starb. Oliviero, neapolitanischer Kardinal, hat dem vortrefflichen Vater dieses Grabmal errichtet.“ 611 Zu Oliviero Carafa, der aus dem Seggio di Nido stammte und zu einem der einflussreichsten Kleriker am Ende des 15. Jahrhunderts wurde, siehe vor allem Petrucci, Carafa, Oliviero, 1976; Strazzullo, Il Card. Oliviero, 1965; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 148f. 612 Vgl. De Divitiis, Architettura, 2007, S. 149. 613 Francesco Carafa war nach seinem Tod 1458 in der von ihm gestifteten Franziskanerkirche in Portici begraben worden, sein Sohn Oliviero ließ ihn jedoch nach Neapel in die neue Familiengrablege der Cappella del Crocifisso translozieren. Siehe dazu ebd., S. 155. Zur eigenen Selbstinszenierung in der Heimatstadt wurde für den berühmten Kardinal ein Priant im Dom aufgestellt, der in unmittelbarer Verbindung zu seinem prestigeträchtigsten Auftragswerk steht, und zwar der Errichtung einer Krypta unterhalb des Hauptaltars der Kathedrale. Diese sollte als Aufbewahrungsort der am 13. Januar 1497 nach Neapel translozierten Reliquien des Stadtheiligen Januarius dienen, für die Oliviero Carafa zusammen mit seinem Bruder Erzbischof Alessandro Carafa verantwortlich war. Der lombardische Künstler Tommaso Malvito fertigte diesen komplett marmorierten Raum an, der als sog. „Succorpo“ bekannt wurde und 1506 fertiggestellt war. Innerhalb dieser als „Kaiserin aller Kapellen“ gewürdigten Krypta wurde die monumentale Betfigur des Stifters direkt gegenüber der verehrten Reliquie aufgestellt, um die Erinnerung an Kardinal Oliviero Carafa als Verantwortlichen dieses in Neapel einzigartigen Bauensembles aufrecht zu erhalten. Zum Succorpo und dem Priant siehe die zahlreiche Literatur, u.a. Hills, The Neapolitan Seggi, 2012, bes. S. 166-170; De Divitiis, Architettura, 2007, S. 171-179; Divenuto, Architetture, 2006, S. 194-200; Michalsky, Strukturiertes Geächtnis, 2005, S. 217-221; Ascher, Tommaso Malvito, 2000, bes. S. 126f.; Abbate, Le sculture, 1981; Norman, The Succorpo, 1986; Strazzullo, Il Card. Oliviero, 1965. Zum Auftraggeber Oliviero Carafa siehe vor allem Norman, Cardinal, 2010; Petrucci, Carafa, Oliviero, 1976; Strazzullo, Il Card. Oliviero, 1965; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 148f. 142 Grit Heidemann-Schirmer Synthese mit dem wenig früher errichteten Monument für Diomede Carafa einging, erlaubt die These, dass Oliviero und sein Onkel Diomede gemeinsam eine Doppelgrabanlage in der Familienkapelle planten. Die Datierungsproblematik und die rein stilistisch argumentierte Künstlerzuschreibung beider Monumente stehen dieser Annahme nicht entgegen.614 Das Grabmal für Diomede Carafa wird in der Forschung zwischen 1470, also dem Beginn der Umbauarbeiten in der Cappella del Crocifisso, und 1477 datiert, wobei dieser terminus ante quem sich auf den Frontispiz der in diesem Jahr von Diomede verfassten Memoriale-Ausgabe für Eleonore von Aragon (Abb. 56) bezieht, dessen Gestaltung signifikante Parallelen zur Architekturrahmung seines Grabmals erkennen lässt.615 Die Zuschreibung an Jacopo della Pila, die mir nur aufgrund der relativen Datierung nachvollziehbar erscheint, ist hingegen weitaus fragwürdiger, wurde doch ersichtlich, dass sich Pilas Stilidiom an den neapolitanischen Aufträgen durch einen Rekurs auf das traditionelle lokale Formenrepertoire auszeichnet, dem sich das Diomede-Grab augenscheinlich entzieht.616 Das Pendant für Francesco Carafa wiederum wird in die späten 1480er beziehungsweise 1490er Jahre datiert und Tommaso Malvito zugeschrieben, was auch mit der wenig späteren und dokumentarisch gesicherten Auftragsvergabe des sogenannten Succorpo durch denselben Stifter Oliviero an diesen Künstler zu erklären ist.617 Es soll an dieser Stelle nicht weiter das Für und Wider der Zuschreibungen dieser Grabmonumente an die genannten Bildhauer diskutiert werden, deren Œuvre schon seit Längerem eingehenden Studien harrt. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass beide Grabmäler zusammen geplant wurden, demzufolge das – meiner Meinung nach – erst in den späten 1470er Jahren errichtete Monument für Diomede Carafa zwar in größtmögliche Nähe zu dem durch das wundertätige Bild verehrten Kapellenaltar gesetzt, jedoch an der gegenüber liegenden Wand bewusst Platz gelassen wurde für ein später zu errichtendes Grabmal, das sein Neffe Oliviero für den längst verstorbenen 614 Auf das Problem einer eindeutigen Datierung und Künstlerzuschreibung an beiden Monumenten verweist auch Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 193, Anm. 33. 615 Siehe dazu zuletzt De Divitiis, Architettura, 2007, S. 148. 616 Auf dieses Problem verweist auch ebd., S. 147f., die zudem eine Zusammenfassung der Forschungslage zur Künstlerzuschreibung gibt. 617 Zur Datierung des Francesco-Grabmals in die 1490er Jahre und der Zuschreibung an Tommaso Malvito zuletzt zusammengefasst bei De Divitiis, Architettura, 2007, S. 155. Ascher, Tommaso Malvito, 2000, S. 115f., datiert das Grabmal zwar auf 1487, weist aber ebenso auf die schwierige Datierung und Zuschreibung hin. Zu Olivieros Succorpo siehe auch noch einmal Anm. 613. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 143 Vater Francesco plante. Aufgrund der an diesem prominenten Standort erforderlichen Kombination von Memoria und Liturgie wurde in beide Monumente eine Sitzbank eingefügt, durch deren Nutzung gleichermaßen eine Verschränkung der Sichtachsen auf und von beiden Grabmälern entstand, die die verwandtschaftliche Beziehung der beiden hier kommemorierten Brüder unterstreicht und somit die Konzeption einer Zwillingsgrabmalsanlage, wie sie im damaligen Rom vorzufinden war, offenbart. Die ausführenden Bildhauer entwickelten dabei keine Bezüge zu bestehenden lokalen Monumenten, wie an anderen Beispielen gezeigt werden konnte, sondern sie hatten sich nach den aktuellen Tendenzen in Rom zu richten, die insbesondere der Identifikation von Kardinal Oliviero Carafa mit diesem neuen Handlungsumfeld dienten.618 Es scheint fast paradox, dass Oliviero, obwohl er in Rom sesshaft wurde und dort die meiste Zeit seines Lebens als eine der wichtigsten Persönlichkeiten an der Kurie sowie als bedeutender Kunstmäzen verbrachte, doch eng mit seiner Heimatstadt Neapel verbunden blieb. Dies verdeutlicht das ständige Oszillieren der Protagonisten zwischen dem Anspruch, den die Gruppe der alteingesessenen Seggio-Adligen an ihre Mitglieder stellte, und dem individuellen Bedürfnis nach einer Selbstdarstellung zur persönlichen Machtsteigerung inmitten des sozialen Wandels, der sich im späten 15. Jahrhundert in der neapolitanischen Adelsgesellschaft abzeichnete. Diomede Carafa ging es ähnlich. Auch er stammte aus dem Seggio di Nido, als jüngster Sohn von Antonio Malizia Carafa wuchs er jedoch ab 1423 am aragonesischen Hof auf, wo er einen hoch angesehenen Status erlangte.619 Wie schon sein Vater, so unterstützte auch er Alfons von Aragon im Kampf um die Eroberung des süditalienischen Königreichs (1435–1442). Nach der Thronübernahme des Aragonesen blieb Diomede am Königshof, wo ihm wichtige Aufgaben übertragen wurden. Seine Treue zum neuen 618 Strazzullo, Il Card. Oliviero, 1965, S. 3, betont die enge Bindung Olivieros mit Rom. Dort war er auch am 18. September 1467 unter Papst Paul II. (1464–1471) zum Kardinal mit der Titelkirche der SS. Pietro e Marcellino ernannt worden. Auf seine herausgehobene Position an der Kurie verweist Petrucci, Carafa, Oliviero, 1976, S. 590. Zu seiner Bedeutung als Kunstmäzen in Rom siehe zuletzt Hills, The Neapolitan Seggi, 2012, S. 167. Zu seinen Kunstprojekten und seiner Verbundenheit mit Neapel siehe auch Norman, Cardinal, 2010. In der Forschung ist man sich bis heute nicht einig, ob Oliviero wirklich nach seinem Tod am 22. Januar 1511 von Rom nach Neapel transloziert und in der außergewöhnlichen Kapelle des Succorpo bestattet wurde, oder ob der testamentarisch festgehaltene Wunsch nicht zur Ausführung kam und der Leichnam stattdessen in seiner um 1490 errichteten Familienkapelle in S. Maria sopra Minerva in Rom verblieb. Siehe dazu die o.g. Literatur zur Krypta. Zu beiden Kapellen Oliviero Carafas in Rom und Neapel siehe Dreszen, Oliviero Carafa, 2004. Zur römischen Carafa-Kapelle und deren Ausmalung durch Filippino Lippi siehe auch Ganz, Bild und Buch, 2004. 619 Zu Diomede Carafa, dessen Berühmtheit sich auch in der umfangreichen Literatur widerspiegelt, siehe vor allem De Divitiis, Architettura, 2007; Vitale, Élite, 2003, S. 138-140; Sricchia Santoro, Tra Napoli e Firenze, 2000/2001; Beyer, Parthenope, 2000, bes. S. 67-80, der das Datum nennt; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 141-147; Petrucci, Carafa, Diomede, 1976; Persico, Diomede Carafa, 1899, der auch sein Testament im Abdruck liefert; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 158. 144 Grit Heidemann-Schirmer Herrscherhaus spiegelt sich auch darin wider, dass er mit der Erziehung der Kinder des designierten Thronnachfolgers Ferrante betraut und unter anderem 1451 zum Generalverwalter der königlichen Güter ernannt wurde.620 Er avancierte zu Ferrantes wichtigsten Beratern und sein Ansehen am Königshof wurde „bis an die Grenzen des Reiches“621 bekannt. 1465 stieg Diomede in den feudalen Titeladel auf, indem er die Grafschaft Maddaloni übertragen bekam. Diese Prestigesteigerung war offenbar nicht nur Anlass für den Bau seines Familienpalastes inmitten des Seggio di Nido, der in der Forschung als eines der bedeutendsten Bauwerke der neapolitanischen Renaissance gerühmt wird.622 Überdies steigerte der Ausbau der von ihm gestifteten großen Cappellone del Crocifisso als neue Familiengrablege im rechten Seitenschiff von San Domenico Maggiore in den 1470er Jahren sein Ansehen als lokal bedeutsamer Auftraggeber. Gleichermaßen avancierte er durch seine zahlreichen verfassten Schriften und Traktate zu einem wichtigen Vertreter des neapolitanischen Humanismus.623 Sein Netzwerk ging dementsprechend über die süditalienische Residenzstadt hinaus. So pflegte Diomede gute Beziehungen nach Florenz, insbesondere zu Lorenzo de’ Medici, ebenso wie er in seinem Neffen Kardinal Oliviero Carafa einen wichtigen Vermittler nach Rom fand.624 Dass sich dies auch auf die Konzeption seines Grabmals auswirken sollte, wurde soeben dargelegt. Diomede Carafa war es demnach offensichtlich ein großes Anliegen, seinen Status als Gelehrter auf Dauer zu inszenieren, sodass sich an seinem Grabmal weder ein Hinweis auf seine politische Stellung am Hof noch auf seinen gehobenen sozialen Status als Graf wiederfindet.625 Die Auseinandersetzung mit der antiken Kultur, derer sich die Humanisten – und demzufolge auch Diomede Carafa – verschrieben hatten, führte zu einem Wiederaufleben des antiken Formenvokabulars, wie es bezeichnenderweise auch an den Werken des römischen Bildhauers Andrea Bregno ersichtlich wird, der sich in 620 So betont Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 142, dass Diomede „always exceptionally loyal to the Aragonese dynasty of Naples“ war. Dazu auch Beyer, Parthenope, 2000, S. 70f. 621 Petrucci, Carafa, Diomede, 1976, S. 525. 622 Zum Familienpalast siehe vor allem De Divitiis, Architettura, 2007, S. 43-135; Beyer, Parthenope, 2000, Kap. II. Außerdem Petrucci, Carafa, Diomede, 1976, S. 526. 623 Siehe dazu vor allem Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 141-147; Petrucci, Carafa, Diomede, 1976, S. 526-529. Zu Diomede und seiner Beziehung zu Leon Battista Alberti siehe auch Pane, Tavola Strozzi, 2009, S. 141 u. Anm. 292. 624 Zu seinen Beziehungen mit Florenz und Lorenzo de’ Medici siehe u.a. Beyer, Parthenope, 2000, S. 72; Petrucci, Carafa, Diomede, 1976, S. 529; Borsook, Documents (I), 1970, S. 741. Zu Diomede und Oliviero Carafa siehe noch einmal oben. 625 Die Aufzählung seiner Titel und Ämter am Hof hätte man zumindest in der Inschrift erwarten können. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 145 gleicher Weise dem Antikenstudium widmete.626 Durch den Einsatz dieses für die neapolitanische Grabmalslandschaft innovativen Formenrepertoires verfolgte Diomede Carafa zusammen mit seinem Neffen Oliviero eine distinktive Repräsentationsstrategie, die den neuen Familienzweig innerhalb der Adelskorporation von Nido hervorheben und nachhaltig etablieren sollte. Gleichwohl war zur Legitimierung desselben die Repräsentation des Ahnherrn, und zwar Diomedes Vater Antonio Malizia Carafa, an einen Verweis auf die traditionellen Werte und Normen der Maggiore Nobiltà gebunden, die mittels einer Retrospektive auf den lokalen Grabmalstypus an dessen Erinnerungsmonument kommuniziert wurden. Das Bewusstsein für die Zugehörigkeit zur Gruppe wurde demnach vor allem in Zeiten des Wandels, der sich in Neapel zum Ende des 15. Jahrhunderts abzeichnete, verstärkt hervorgerufen. Die vorgestellten Beispiele haben gezeigt, dass der alte Formenkanon im Sinne von Anciennität zwar das gesamte 15. Jahrhundert zumindest in Teilen erhalten blieb, doch zunehmend auch innovative Formen und Motive aufkamen, die eine Etablierung neuer Typen zur Folge hatten. Ein Grund hierfür wird die Absenz vorbildhafter Königsgrabmäler unter den Aragonesen gewesen sein, wie sie dem privilegierten Adel noch unter den Anjou zur Verfügung gestanden hatten. Zum anderen dürfte es sich um die Emanzipation der nachfolgenden Generationen der Alteingesessenen handeln, die sich mit den veränderten politischen Voraussetzungen arrangieren mussten und ihre Chancen des sozialen Aufstiegs nun am aragonesischen Königshof wahrnahmen, wo eine auf die Antike rekurrierende Kulturpatronage betrieben wurde. Aus dem Ringen der adligen Auftraggeber zwischen traditionellen Werten und kulturellen Neuerungen wurden Formfindungsprozesse in Gang gesetzt, die weitaus facettenreichere Monumente ermöglichten und deren Vorbilder eng mit den Viten der einzelnen Adligen in Zusammenhang stehen.627 So wurden neue Typen wie das in Florenz generierte sogenannte Humanistengrabmal (siehe das Grabmal für Diomede Carafa, Abb. 54) oder die für die römische Grabmalslandschaft charakteristischen Wandnischengräber (siehe das von Marino Brancaccio beauftragte Grabmal für seinen Bruder Pietro, Abb. 51) und Wandpfeilergräber (siehe die Zwillingsgrabmäler der beiden Carafa-Brüder, Abb. 54– 55) in Neapel bezeichnenderweise von jenen Adligen eingeführt, die zu den beiden 626 Zur „Antikensammlung des Andrea Bregno“, die sich auch auf seine Kunstfertigkeit auswirken sollte, siehe zuletzt Pöpper, Skulpturen für das Papsttum, 2010, Kap. V. 627 Zur Bedeutung von Grabmälern im sozialgeschichtlichen Kontext siehe auch Valentinitsch, Grabinschriften und Grabmäler, 1990, S. 15f. 146 Grit Heidemann-Schirmer Metropolen besondere Beziehungen pflegten. Der Formentransfer spiegelte demnach das soziale Netzwerk der adligen Auftraggeber. Für die einzelnen Motive lässt sich folgendes festhalten: Die Architekturrahmung der Grabmäler für die höheren Seggio-Adligen gab spätestens in der zweiten Hälfte des Quattrocento den Baldachin auf und übernahm nun den all’antica gefertigten Triumphbogen beziehungsweise die Archivolte.628 Die Tugenden wurden entweder ganz aus dem Repertoire entfernt oder in die neu geschaffenen Pfeilernischen gesetzt, wobei ihre Anzahl jedoch auch weiterhin auf maximal vier beschränkt blieb. Eine Ausnahme bildeten die Grabmäler für Antonio Malizia Carafa (Abb. 45) und für Rinaldo sowie Tommaso Brancaccio (Abb. 42 und 44), die – abgesehen von ihrer Architekturrahmung – den traditionellen Aufbau mit seinen Tugendkaryatiden, dem Kastensarkophag und der camera funebris beibehielten, um in dieser Retrospektivität auf die Ahnherrn ihrer jeweiligen Familie zu verweisen.629 Der Sarkophag – abgesehen von den soeben genannten – erfuhr wiederum eine Transformation von der altertümlichen Kastenform hin zur all’antica gearbeiteten Wannenform, die weitere auf die Antike rekurrierende Verzierungen übernahm. Die für den alten Typus so charakteristische Totenkammer zeigt eine Entwicklung von der Öffnung in und der Einbeziehung von den sie umgebenden Ebenen (siehe noch einmal die Grabmäler für Rinaldo und Tommaso Brancaccio) bis hin zur Umwandlung in eine Nische, die nun das Vorhangmotiv vollends negierte, dafür aber neue Motive an der Rückwand bereitstellte. Das Walmdach schließlich wurde ganz aufgegeben, mit Ausnahme des Grabmals für Antonio Malizia Carafa, das ohnehin durch die Einverleibung eines trecentesken Sarkophags eine retrospektive Repräsentationsabsicht verfolgte. Als ein gänzlich neuartiges Element ist die erstmals an den Zwillingsgrabmälern der CarafaBrüder aufkommende Sitzbank zu nennen, die wenig später als eigenständiges Monument weiter ausformuliert wurde und die neapolitanische Grabmalslandschaft nachhaltig prägen sollte.630 628 Zum auch für die römische Grabmalslandschaft neuartigen Triumphbogenmotiv siehe zuletzt Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 15 u. bes. 50-53. Für den neapolitanischen Kontext war vor allem der Triumphbogen König Alfons’ I. von Aragon maßgebend, der eine grundlegende Wechselbeziehung mit der lokalen Grabmalskunst aufweist. Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, bes. S. 40f., der den Triumphbogen auch als geplanten Ersatz für ein Grabmal des Königs Alfons in seiner neuen Residenzstadt argumentiert. Vgl. ebd., S. 43. 629 Dem lässt sich auch das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole anfügen, welches in Kap. IV.2. genauer besprochen wird. 630 Siehe dazu die im Kap. V.2. besprochenen Sediali. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 147 Doch wie lassen sich nun diese Formfindungsprozesse, die sich im Laufe des 15. Jahrhunderts vollzogen, im Kontext des exklusiven Selbstverständnisses der höheren Seggio-Adligen erklären? Ein entscheidender Aspekt dürfte der kulturpolitische Hintergrund gewesen sein, der sich personell insbesondere in dem aus dem Seggio di Capuana stammenden Adligen Tristano Caracciolo (1437–1528) manifestiert.631 Dieser ist dem neapolitanischen Humanistenkreis zuzurechnen und verfasste zahlreiche Schriften, die der mittlerweile notwendigen Aufwertung des alten neapolitanischen Adels dienen sollten.632 Infolge der sich in ganz Italien zum Ende des 15. Jahrhunderts mehrenden Kritik am privilegierten Selbstverständnis des Erbadels und seinem Anspruch auf Exklusivität wurde eine Debatte ausgelöst, innerhalb derer Tristano Caracciolo als Verfechter der damit auch angesprochenen neapolitanischen Maggiore Nobiltà – zu der er ja selbst gehörte – eintrat.633 In den Streitschriften, die er mit anderen, die Vorzüge des neuen Adels propagierenden Gelehrten wie Giovanni Pontano führte,634 wollte er die Bedeutung und Unverzichtbarkeit der Alteingesessenen „für die Administration des Rechts und die Erhaltung der Ordnung im Reich“ deutlich machen.635 631 Zu Tristano Caracciolo siehe vor allem Bentley, Politics and Culture, 1987, bes. S. 276-283. Zu seinen Schriften, vor allem im Vergleich mit Pontanos Propagierung, siehe Vitale, Modelli culturali, 2002, bes. S. 31f. u. 107-109. Zuletzt auch Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014, bes. S. 168-172. Zu Caracciolos frühestem erhaltenen Werk Nobilitatis Neapolitanae defensio von ca. 1480 siehe Jorde, Cristoforo Landinos, 1995, S. 108-111; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 276. 633 Siehe u.a. die Auffassung des maßgeblich an der Nobilitas-Debatte beteiligten Florentiners Cristoforo Landino in seiner Schrift De vera nobilitate (1487): „Die Neapolitaner haben eine ganz andere Art und Weise; indem ich diese sorgfältig betrachte und recht genau erwäge, komme ich schließlich zu der Ansicht, dass sie, außer einer genussvollen Freizeit und einer im Reichtum, den sie zwar nicht haben, aber dennoch mit höchstem Eifer vortäuschen, eitlen Geltungssucht, meiner Meinung nach in unseren Zeiten nichts besitzen, was irgend bewundernswert wäre. Fünf uralte Familien gibt es in dieser Stadt; und von diesen haben die einzelnen an verschiedenen Orten in der Stadt einzelne Säulenhallen (Porticus), in denen sie sich niederlassen und schwatzen, und auf diese kleine Ehre lauern sie, denn wenn der König vorbeigeht, ebenso wie die Stadtoberen, grüßt er sie recht vertraut zurück. Diese also, die auf jene ihre Bejahrtheit der Familie alles setzen, halten sich für umso adliger, je mehr sie in ihrer allerträgsten Freizeit erschlaffen. Deshalb werden wir solcherlei Menschen nicht nur nicht als adlig loben, sondern von ihnen, weil sie die unadligsten sind, Leben und Tod für gleich erachten, weil über beide geschwiegen wird. Aber man wird sagen: Es gab einst und es gibt heute welche, die unter ihnen durch wunderbare Leistungen geglänzt haben., was ich freilich nicht nur zugebe, sondern ganz offen bekenne. Allerdings möchte ich jene aus besonders diesem Grunde die Adligsten nennen, nicht weil sie aus dieser Familie stammen, sondern weil sie selbst sich den Adel durch eigene hervorragende Taten errungen haben.“ Vgl. im Originalwortlaut Landino, De vera nobilitate, 1970, S. 40f. Ausführlich zu Landinos Werk siehe auch Jorde, Cristoforo Landinos, 1995. Für die Übersetzung danke ich meinem alten Studienfreund Martin Schrage. 634 Zu den Streitschriften zwischen Pontano und Caracciolo siehe vor allem Vitale, Modelli culturali, 1987. Zu Giovanni Pontano siehe auch unten Kap. V.3. 635 Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 277. Jorde, Cristoforo Landinos, 1995, S. 108, verweist darauf, dass Tristano Caracciolo „die neapolitanische Nobilitas mit Hilfe der drei klassischen aristotelischen Komponenten [verteidigt]: So führt er zunächst ihr hohes Alter an […] und verweist anschließend auf die erfahrungsgemäß notwendige Ergänzung durch Tugenden und äußere Güter […].“ 632 148 Grit Heidemann-Schirmer Die höheren Seggio-Adligen wurden demnach zum Ende des 15. Jahrhunderts mit zunehmender Kritik konfrontiert, die sie nicht länger ignorieren konnten. Dies wirkte sich auch auf ihre Grabmäler aus, die zwar in ihren der Maggiore Nobiltà exklusiv vorbehaltenen Standorten eine Kontinuität aufwiesen, welche legitimierend für ihre Gruppenidentität war. Doch insbesondere in der Formwahl spiegelt sich das Austarieren zwischen traditionellen Werten mithilfe des alten lokalen Formenkanons und notwendigen Neuerungen in Gestalt innovativer Formen. Dabei bewirkten die sowohl topologisch als auch typologisch offensichtlichen Bezugnahmen der Grabmäler eine Gruppenbildung und stärkten somit das Zusammengehörigkeitsgefühl des zum Ende des Quattrocento zunehmend bedrängten alten Adels. IV.3. Zusammenfassung des Kapitels Die höheren Seggio-Adligen hatten noch im frühen 15. Jahrhundert unter den AnjouDurazzo einen unangefochtenen privilegierten Status zu verzeichnen, der sich vor allem im Erwerb höchster Kirchenämter und Titel niederschlug und das exklusive Selbstverständnis innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft untermauerte. Dementsprechend waren ihnen auch die prestigeträchtigsten Kirchen der Stadt wie die Kathedrale und die Hauptdominikanerkirche als Bestattungsorte vorbehalten ebenso wie ihnen ein klar definierter Formenkanon für die Errichtung ihrer Grabmäler zur Verfügung stand. Mithilfe dieser auf Kontinuität und Traditionsbewusstsein rekurrierenden Standorte und Grabmalsformen wurde die Gruppenidentität gestärkt und zugleich die Abgrenzung gegenüber den anderen in Neapel vertretenen Adelsgruppen befördert. Seit dem Dynastienwechsel um die Jahrhundertmitte sahen sich die Alteingesessenen jedoch zunehmend mit den nach Neapel immigrierenden Adligen konfrontiert, die am aragonesischen Königshof ihren sozialen Aufstieg anstrebten und demzufolge ein neues Verständnis von Adel herbeiführten, das die Exklusivitätsansprüche der Maggiore Nobiltà infrage stellte. Während sie an ihren privilegierten, den Seggi zugewiesenen Bestattungsorten festhalten konnten, so wurden hinsichtlich der Gestaltung ihrer Grabmäler Formfindungsprozesse in Gang gesetzt, die die Auseinandersetzung der adligen Auftraggeber mit den gesellschaftlichen Veränderungen und der Suche nach neuen Netzwerken am deutlichsten offenbaren. Sowohl die Hinwendung zum Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 149 aragonesischen Königshof, an dem ein auf die Wiederbelebung der antiken Kultur ausgerichtetes Mäzenatentum gefördert wurde, als auch die Ausweitung familiärer Beziehungen sowie Einzelinteressen in die anderen großen Kulturzentren Italiens, wie Florenz und Rom, die wegweisende Impulse für die Wiederaufnahme des antiken Formenvokabulars in ganz Italien setzten, bewirkten einen Formentransfer, der die Renaissance an den Adelsgrabmälern in Neapel etablieren sollte, doch dabei die lokalen Traditionen auch weiterhin berücksichtigte. 150 Grit Heidemann-Schirmer Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 151 V. DIE NEUEN IN DER STADT: INNOVATIONSPROZESSE IN DER ADLIGEN GRABLEGEPRAXIS Dieses Kapitel nimmt die Gruppe der Nobili fuori Piazza in den Blick und geht der Frage nach, welchen Einfluss die Neuankömmlinge auf die adlige Grablegepraxis in Neapel hatten. Dabei soll die Aneignung des von den Seggio-Adligen dominierten Stadtraums und der Umgang mit dem lokalen Formenvokabular unter Berücksichtigung der standesinternen Gruppenbildungen diskutiert werden, die sich aus der Konfrontation der Ortsansässigen mit den Fremden entwickelten. Während für das frühe 15. Jahrhundert unter den Anjou-Durazzo nur wenige auswärtige Adlige zu verzeichnen sind, die sich in Neapel dauerhaft niederließen und dort ihre Grabmäler errichteten, so kam es nach dem Herrschaftswechsel in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einer zunehmenden Immigration auswärtiger Adliger, die nicht nur einen sozialen Wandel in Neapel begünstigten.636 Die zahlreichen aus anderen Teilen Italiens sowie von der iberischen Halbinsel stammenden Adligen verdeutlichen die hohe Attraktivität, die der aragonesische Königshof durch seine Reformen und der verstärkt betriebenen Kulturpatronage in ganz Europa genoss.637 Mit der Förderung des Humanismus wurde ein Kulturtransfer in Neapel in Gang gesetzt, der nicht nur das außerneapolitanische Netzwerk seiner Akteure stärkte, sondern auch eine kollektive Identitätsbildung für die Neuen in der Stadt ermöglichte.638 Dies manifestiert sich in ihren Grabmälern und Familienkapellen, die sie in ihrer neuen Heimat Neapel errichten ließen, und zwar nicht nur in der gewählten Form, sondern auch in dem gewählten Standort. 636 Siehe dazu noch einmal Kap. II. Dazu Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990; Beyer, Parthenope, 2000; Bentley, Politics and Culture, 1987. 638 Zum Kulturtransfer in der Frühen Neuzeit und seiner Bedeutung für die Repräsentation sowie Netzwerkbildung seiner Akteure siehe Nolde und Opitz, Grenzüberschreitende Familienbeziehungen, 2008. Zum Kulturtransfer im frühneuzeitlichen Italien der Sammelband Campbell/Milner, Artistic Exchange, 2004. 637 152 Grit Heidemann-Schirmer V.1. Die Suche nach alternativen Bestattungsorten Der für die Grablege gewählte Standort war ein entscheidender Faktor zur visuellen Vermittlung der bestehenden beziehungsweise angestrebten Positionierung innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft.639 Der aus dem 15. Jahrhundert in Neapel erhaltene beziehungsweise dokumentarisch rekonstruierbare Denkmälerbestand macht deutlich, dass der Standort der Grabmäler weitgehend dem sozialen Netzwerk der Verstorbenen entsprach. Wie im vorangegangenen Kapitel schon erfahren, so waren im Dom und in San Domenico Maggiore als den Hauptkirchen der beiden höheren Seggi fast ausschließlich die zugehörigen alteingesessenen Adligen bestattet, während die Neuen in der Stadt kaum Möglichkeiten hatten, Patronatsrechte für Kapellen in diesen Kirchen zu erwerben.640 Sie wählten daher andere Bestattungsorte aus, die in den niederen Seggi beziehungsweise am Rande der Stadtmauern gelegen waren und bezeichnenderweise von den Aragonesen gefördert wurden, mit denen sie sich verbunden fühlten.641 Die Auswahl der Standorte geht demnach einher mit den verstärkten Zuwendungen der Aragonesen an diese Kirchen, die auch in den Quellen schriftlich fixiert sind.642 Insbesondere König Alfons II. von Aragon, noch in seiner Princeps-Funktion als Herzog von Kalabrien, bedachte mehrere Kirchen mit Stiftungen und widmete sich einzelnen Neu- sowie Umbauten. So ließ er um 1490 die Kirche Santa Caterina a Formiello östlich vom Castel Capuano neu errichten und stiftete darin eine Kapelle,643 ebenso wie er den Neubau der Kirche SS. Severino e Sossio im Seggio di Portanova 639 Die Bedeutung des Bestattungsortes in den neapolitanischen Adelstestamenten des 16. und 17. Jahrhunderts unterstreicht Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 595. Allgemein dazu auch noch einmal Kap. I.2. 640 Zum neapolitanischen Phänomen der Weitervererbung von Kapellen innerhalb eines Seggio im Falle des Aussterbens der Besitzerfamilie siehe noch einmal Kap. II.1. Dadurch wurde es den Nobili fuori Piazza erschwert, bestehende Kapellen in den Hauptkirchen der Seggi zu übernehmen. Zu den Hauptkirchen der beiden höheren Seggi siehe noch einmal Kap. IV.1.1. 641 Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 600, und Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 318, verweisen zwar auf das demographische Wachstum am Ende des 15. Jahrhunderts, demzufolge die großen Kirchen bald überfüllt gewesen seien und es ein verstärktes Bedürfnis nach neuen Bestattungsorten gegeben habe. Bei meiner Analyse der quattrocentesken Adelsgrabmäler finden sich jedoch in den Hauptkirchen auch am Ende des Jahrhunderts weitere Neuerrichtungen, die fast ausschließlich dem Seggio-Adel zuzuschreiben sind. Demgegenüber fanden die Kirchen am Stadtrand seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts einen regen Zulauf, und dass vorrangig von Angehörigen der Seggi minori und der Nobili fuori Piazza. Das Erdbeben von 1456 mit seiner verheerenden Zerstörung des Stadtbildes dürfte unter anderem ein Grund dafür gewesen sein, dass sich die Neuen in der Stadt diesen renovierungsbedürftigen Bauten annahmen, die nicht im Einzugsgebiet der Maggiore Nobiltà lagen. Zu den neuen Bestattungsorten in Neapel an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert siehe auch Visceglia, Il bisogno di eternità, 1988, S. 128f. 642 Siehe insbesondere in den Guiden zu den einzeln aufgeführten Kirchen. 643 Die Kapelle wurde der Hl. Maria dei Martiri geweiht. Siehe dazu D’Aloe, Catalogo, 1883, S. 140f. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 153 initiierte.644 Darüber hinaus wurden die am südwestlichen Stadtrand gelegenen und noch zu besprechenden Kirchen Santa Maria la Nova und Santa Maria di Monteoliveto durch die Aufstellung von Grabmälern für Dynastieangehörige mit Bedeutung aufgeladen und somit attraktiv für weitere Stifter. Die Grablegepraxis der Aragonesen in Neapel lässt vereinzelt Bezüge zu den angiovinischen Grablegen erkennen.645 So wollte Alfons I. von Aragon in seiner katalonischen Heimat bestattet werden, sein Herz sollte aber in der Neapler Kirche San Domenico Maggiore verwahrt werden,646 ebenso wie dies Karl II. von Anjou (†1309) testamentarisch für seine Eingeweide verfügt hatte.647 Die Dominikanerkirche, welche vor allem durch den dort tätigen Thomas von Aquin und durch das wundersame Kreuz Berühmtheit erlangt hatte, wurde von den Herrscherhäusern als öffentlichkeitswirksame Repräsentations- und Memorialstätte instrumentalisiert.648 So diente die Sakristei auch als Aufbewahrungsort der Särge königlicher Mitglieder aus dem Hause Aragon (Abb. 34).649 Aus diesem Grund wurde in der bisherigen Forschung die These vertreten, dass die Aragonesen in eben dieser Kirche ihre dynastische Grablege errichten wollten.650 Das Bedürfnis nach einer neuen Grablege für das aragonesische Geschlecht in der süditalienischen Residenzstadt als nunmehr neue Heimat wurde aber spätestens in der dritten Generation konkret,651 als Alfons von Kalabrien, der spätere Alfons II., eine 644 Maßgeblich am Neubau beteiligt war die Familie Mormile aus dem Seggio di Portanova. Die Arbeiten an der Kirche wurden nach dem Fall der aragonesischen Dynastie abgebrochen und erst ab 1537 durch Troiano Mormile und seine Nachfolger weitergeführt. Siehe dazu De Stefano, Descrittione, 1560, f. 107r109v, der die Kirche zu seiner Zeit als „non anco complita“ bezeichnet. Außerdem Garzilli, Cronica, 1845, S. 184. 645 Zu den Grablegen der Anjou-Könige in Neapel immer noch grundlegend Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000. 646 Siehe u.a. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 237. 647 Auch Karl II. von Anjou hatte in seinem Testament vom 16. März 1308 angeordnet, dass sein Körper in der französischen Heimat Aix-en-Provence bestattet, sein Herz aber in der Neapler Dominikanerkirche aufbewahrt werden sollte. Siehe Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, Kat. Nr. 16, S. 271. 648 Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.1.2. 649 Es handelt sich dabei um die Särge von Alfons I., Ferrante, Ferrandino und dessen Frau Johanna von Aragon. Siehe dazu vor allem D’Arbitrio, San Domenico, 2001, bes. S. 73-104; Le arche, 1991; De Stefano, Descrizione, 1560, f. 107r-109v. Außerdem auch noch einmal Kap. IV.1.1.2. 650 Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 114, vermutet, dass San Domenico Maggiore als aragonesische Grablege vorgesehen war, „[…] deren Umsetzung allerdings durch einen Brand vereitelt wurde.“ Auch Ferraiolo (vgl. Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, S. 86) berichtet im Zusammenhang mit der Thronfolge Alfons II.’ von der Aufbahrung des verstorbenen Vaters Ferrante im Chor von San Domenico Maggiore, ebenso wie D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 76, der die Bestattung jedoch in der Sakristei derselben Kirche lokalisiert. Alfonsos Wunsch jedoch, eine neue dynastische Grablege errichten zu lassen, macht deutlich, dass dieser Aufbewahrungsort der königlichen Särge nur temporär sein sollte. Zu diesem Provisorium siehe auch Michalsky, Conivges, 2005, S. 77. 651 Auch hier findet sich die Parallele zu den Angiovinen, denn der dritte König auf dem neapolitanischen Thron war Robert von Anjou, der mit dem Neubau des Doppelklosters Santa Chiara im frühen 14. Jahrhundert seine Idee einer repräsentativen dynastischen Grablege in Neapel realisierte. Siehe dazu vor allem Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, bes. S. 125-152. 154 Grit Heidemann-Schirmer königliche Grablege nahe dem Castel Nuovo plante.652 In diesem Sinne ist auch die rege Stiftungstätigkeit des Thronanwärters zu erklären, die in der oben angeführten Aufzählung seiner Zuwendungen schon angeklungen ist. Mit Blick auf den historischen Stadtplan von Neapel (Abb. 1) fällt auf, dass die von den Aragonesen geförderten Kirchen nahezu alle am Stadtrand gelegen waren und insofern einmal mehr die Besetzung der Quartierszentren durch die Seggio-Hauptkirchen vor Augen führen. Demgegenüber erfuhren die randständigen Kirchen zum Ende des 15. Jahrhunderts zahlreiche Zuwendungen, und zwar vorrangig von den Neuen in der Stadt, die bewusst die Nähe zu diesen von den Aragonesen frequentierten Bauten suchten. Es handelt sich demnach um eine topologische (An-)Ordnung der Grabmonumente und -kapellen im neapolitanischen Stadtraum, denn die von den adligen Auftraggebern bewusst gewählten Orte der Erinnerung verdeutlichen das Wissen um die Strukturierung des sozialen Raumes und seiner öffentlichkeitswirksamen Orte.653 Im Folgenden werden zwei der oben angeführten und besonders repräsentativen Kirchen als Bestattungsorte der Neuen in der Stadt exemplarisch vorgestellt. V.1.1. Santa Maria la Nova Zu den großen Bettelordenskirchen Neapels zählte auch die Franziskanerkirche Santa Maria la Nova, die 1268 von Karl I. von Anjou am damaligen Rand der Stadtmauern im Gebiet des Seggio di Porto errichtet worden war, nachdem der König die erste Konventskirche Santa Maria ad Palatium zugunsten seiner neuen Residenz des Castel Nuovo abgerissen hatte.654 Der Bau bestand ursprünglich aus drei Kirchenschiffen, die auch das Areal des später errichteten kleinen Kreuzgangs S. Giacomo umfassten. Unter den Aragonesen erhielt die Kirche neue Zuwendungen und wurde als Bestattungsort von den Adligen des zugehörigen Seggio di Porto sowie vor allem von den Nobili fuori Piazza genutzt, was, wie bereits oben angesprochen, mit der Präsenz der Aragonesen in 652 Dies wird überliefert von Pietro Summonte in seinem 1524 verfassten Brief. Vgl. Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 172. Dazu weiter unten Kap.V.1.2. 653 Allgemein zur Bedeutung von Orten „für die Konstruktion kultureller Erinnerungsräume” siehe Assmann, Erinnerungsräume, 2009, hier S. 299. 654 Zu Santa Maria la Nova siehe vor allem Rocco, Il convento, 1927; Di Sena, S. Maria, 2005. Zur königlichen Stiftung durch Karl I. siehe auch Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 96. Zur Kirche in den Guiden siehe u.a. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 124v-129v; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 485-499; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 11r-34v. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 155 dieser Kirche zu erklären ist.655 So wurde Peter von Aragon (†1491), Sohn von Alfons II., hier bestattet, ebenso wie für Königin Johanna III. von Aragon (†1517), der letzten Ehefrau Ferrantes, eine Grabplatte vor dem Hauptaltar errichtet wurde.656 Darüber hinaus war es jene Königin, die den Wunsch äußerte, in dieser Kirche ein Grabmal für die Verstorbenen der aragonesischen Dynastie errichten zu lassen, deren Särge sich immer noch in der Sakristei von San Domenico befanden.657 Wenn es auch nicht zur Umsetzung dieses Vorhabens kam, so verdeutlicht es doch den besonderen Stellenwert, der Santa Maria la Nova am aragonesischen Hof beigemessen wurde. Desweiteren befand sich in der linken Chorkapelle das wundertätige und berühmte Madonnenbild „SS. Maria delle Grazie“, das Ferrandino von Aragon 1496 „mit königlichem Pomp“ von Fragneto Monforte nach Neapel gebracht hatte und das zahlreiche Kirchenbesucher versprach.658 Zudem war hier der den Zeitgenossen bekannte Franziskanermönch Giacomo della Marca (†1476) bestattet, dessen Seligsprechung nur wenig später nach seinem Tod gefordert wurde.659 Die Kirche wurde dementsprechend zum Ende des 15. Jahrhunderts zunehmend attraktiver als Repräsentations- und Bestattungsort. So hatte sich beispielsweise schon der am berühmten aragonesischen Triumphbogen beteiligte und von König Ferrante in den Ritterstand erhobene Bildhauer Pietro da Milano (†1473) hier bestatten lassen.660 Weitere Adlige, die dem Beziehungsgeflecht des aragonesischen Hofes zuzuordnen sind, ließen ihre Familienkapellen und Grabmäler in der Franziskanerkirche errichten. Aufgrund des gravierenden Umbaus am Ende des 16. Jahrhunderts lassen sich jedoch die einzelnen Kapellen und Grablegen aus dem Untersuchungszeitraum des 655 Laut Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 599, sind die Umstrukturierungsprozesse des Adels unter den Aragonesen und den spanischen Vizekönigen auch an dieser Kirche erkennbar, indem der alte und der neue Adel gemeinsam den Kirchenraum besetzte. Dies lässt sich allerdings erst für das 16. Jahrhundert festmachen. Auch Rocco, Il convento, 1927, S. 91, betont, dass die Kirche zusammen von neapolitanischen und auswärtigen Adligen für die Stiftungen von Altären, Kapellen und Grablegen genutzt wurde. 656 Zur Bestattung von Peter siehe Filangieri, Una cronaca, 1956, S. 78f., Nr. 43; Garzilli, Cronica, 1845, S. 172; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 19r. Zu Peter von Aragon siehe Borsari, Aragona, 1961. Zum Grabmal von Johanna siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 132f., mit Beschreibung des Grabmals und dem Hinweis, dass dieses hier erst einmal nur provisorisch aufgestellt werden sollte, bevor es in die Kirche del Gesù überführt würde, wozu es jedoch nicht kam. Zum Grabmal auch De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 18r-v u. 25v-26r. Außerdem Thoenes, Neapel, 1971, S. 213. 657 Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.1.2. 658 Dazu ausführlich Rocco, Il convento, 1927, S. 143-177, Zitat S. 155. Thoenes, Neapel, 1971, S. 214, nennt dazu den Maler Angelillo Arcuccio. 659 Zu diesem und der ihm geweihten Kapelle in Santa Maria la Nova siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 226-234; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 16v-17r, 20v-21v. 660 Sein Grabmal befand sich einst neben dem Hauptportal. Siehe dazu Rocco, Il convento, 1927, S. 53; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 33v. Zu Pietro da Milano siehe auch Kruft/Malmanger, Der Triumphbogen, 1977, S. 274-277; Abbate, Appunti, 1984. 156 Grit Heidemann-Schirmer Quattrocento kaum noch rekonstruieren.661 Es haben sich nur wenige Grabmäler aus dem späten 15. Jahrhundert erhalten, die sich einst in der Kirche befanden, infolge der Umbauarbeiten am Ende des 16. Jahrhunderts jedoch in den kleinen Kreuzgang S. Giacomo gebracht wurden, wo sie auch heute noch zu besichtigen sind. Dabei handelt es sich beispielsweise um drei Erinnerungsmonumente für Adlige, deren Herkunft außerhalb der Residenzstadt lag oder die zum niederen Seggio di Porto gehörten, deren Gemeinsamkeit aber ihre Verbundenheit mit dem aragonesischen Königshof war.662 Dies war zum einen das Grabmal für den Neuadligen und am Hofe zu einer erfolgreichen Karriere gelangten Matteo Ferrillo (Abb. 77), das sich ursprünglich und der Inschrift zufolge innerhalb des Kirchenraums in der gleichnamigen Familienkapelle befand, die der Himmelfahrt Marias geweiht war, bevor es in den kleinen Kreuzgang versetzt wurde.663 Zum anderen handelt es sich um das Erinnerungsmonument für Bischof Costantino Castriota (Abb. 78), Sohn des Neuankömmlings Giovanni Castriota, der bezeichnenderweise mit der Familie Ferrillo verwandt war, und dessen Grabmal bis 1926 am rechten Pfeiler vor dem Hauptaltar der Kirche aufgestellt war.664 Als drittes Beispiel ist das Doppelgrabmal für die von der amalfitanischen Küste stammenden Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (Abb. 79) zu nennen, das sich ebenfalls einst 661 Die Kirche wurde 1596-99 grundlegend umgebaut und erhielt in diesem Zuge ihre auch heute noch sichtbare einschiffige Gestalt. Darauf verweist Rocco, Il convento, 1927, S. 41 u. 51f. 662 Auf die Grabplatte für den Spanier Pasquasio Diaz Garlon von 1487, die sich heute ebenfalls im kleinen Kreuzgang befindet, wird hier nicht näher eingegangen. Dazu und zur Person siehe Di Sena, S. Maria la Nova, 2005, [o.S.] Kap. III.3.4; Volpicella, Regis, 1861, S. 66, Anm. 1; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 19v. Auch die Vorstellung des im rechten Querschiff befindlichen Wandgrabmals für Galeazzo Sanseverino (†1477), der aus dem feudalen Familienzweig der Marsico stammte, wird hier vernachlässigt, da seine Motivation, sich in Santa Maria la Nova bestatten zu lassen, vor allem aus seiner Verehrung des an diesem Konvent tätigen und hier bestatteten Ordensheiligen Giacomo della Marca (†1476) resultiert. Zum anderen gibt die zweite Inschrifttafel im unteren Teil bekannt, dass das Grabmal 1544 wiederaufgebaut („restituendum“) wurde, wobei nicht klar ist, inwieweit die originale Gestalt des 15. Jahrhunderts verändert wurde. Zu Galeazzo Sanseverino und seinem Grabmal, das Pietro da Milanos Werkstatt zugeschrieben wird, siehe u.a. Abbate, La scultura, 1992, S. 8ff.; Rocco, Il convento, 1927, S. 117f.; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 490; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 16v17r u. 25v. 663 Siehe Salvatore, Tra Fiandre e Napoli, 1998, S. 16, Anm. 27; Rocco, Il convento, 1927, S. 274. Schon D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 491, lokalisiert das Grabmal im Kreuzgang, gibt aber als Randnotiz den Hinweis, dass es „è stato qui dalla Chiesa trasferito“, sich also ursprünglich in der Kirche befunden hat. De Stefano, Descrittione, 1560, erwähnt es gar nicht, verweist aber auf die Fülle an Grabmälern, von denen er nur einige vorstellen will: „[…] de’ quali ne narrarò alcuni […]“. Vgl. ebd., f. 124v. Allein De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 17v, erwähnt eine unter diesem Patronat geweihte Kapelle, die im Altbau der Kirche „al lato destro poi dell’Altar Maggiore“ eingerichtet war. Man kann daher vermuten, dass die Cappella Ferrillo einst als rechte Chorkapelle fungiert hatte. 664 Darauf verweist Rocco, Il convento, 1927, S. 274. Zur ursprünglichen Lokalisierung des CastriotaGrabmals im Kirchenraum siehe ebd., S. 280, Anm. 4; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 493; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 125r. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 157 innerhalb der Kirche von Santa Maria la Nova befand, bevor es zu einer unbestimmten Zeit in den kleinen Kreuzgang verlegt wurde.665 Die drei genannten Beispiele, die weiter unten detailliert in ihrer Formensprache erörtert werden, veranschaulichen die Entscheidungen von Angehörigen der niederen Seggi und insbesondere von den Neuen in der Stadt, um ihr Zugehörigkeitsgefühl zum aragonesischen Königshof in Neapel durch die Standortwahl ihrer Grabmäler zu vermitteln. Weitaus deutlicher manifestiert sich das aragonesische Netzwerk in dem nun zu besprechenden Bestattungsort. V.1.2. Santa Maria di Monteoliveto Santa Maria di Monteoliveto (Abb. 57) wurde 1409 als Konventskirche für den benediktinischen Olivetanerorden von dem neapolitanischen Stadtadligen Gurello Origlia gegründet und zwei Jahre später wurde der Grundstein gelegt.666 Zu dieser Zeit befand sie sich im Westen vor der Stadt (Abb. 1), erst 1499 wurde sie durch die Stadterweiterung in den Mauerring aufgenommen.667 Ihre Bedeutung als adliger Bestattungsort stieg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts augenscheinlich an, wie weiter unten an konkreten Beispielen noch zu zeigen sein wird. Dies lag insbesondere daran, dass sich die Aragonesen dem Wiederaufbau der Kirche nach ihrer Zerstörung 665 Zur ursprünglichen Lage in der Kirche siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 272. Über Sanzio Vitagliano, für den das Grabmal zusammen mit seiner Ehefrau Ippolita Imperato bestimmt war, ist nur sehr wenig bekannt. Die Familie Vitagliano war einst aus Padua nach Tramonti im Herzogtum Amalfi übergesiedelt. Fest steht, dass auch die Familie seiner Ehefrau von der amalfitanischen Küste stammte und somit beide zu den Nobili fuori Piazza in Neapel zählten. Siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 272f. Außerdem http://www.nobili-napoletani.it/Vitagliano.htm (16.07.2012). Zur Familie Imperato siehe http://www.nobili-napoletani.it/Imperato.htm (16.07.2012). 666 Mutterkirche und damit Vorbild für den neapolitanischen Olivetanerkonvent war die nahe bei Siena gelegene Kirche Monteoliveto Maggiore, welche um 1320 erbaut worden war. Siehe dazu De Stefano, Descrittione, 1560, S. 94; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 501. Zur neapolitanischen Gründung siehe vor allem Strazzullo, La fondazione, 1964, bes. S. 107-109; Divenuto, Napoli Sacra, 1990, S. 69-71; Venditti, La fabbrica, 1999, bes. S. 37. Santa Maria di Monteoliveto war damit ursprünglich die Patronatskirche der neapolitanischen Adelsfamilie Origlia aus dem Seggio di Porto. Zur Familie siehe Vitale, Élite, 2003. 667 Zur Lage der Kirche im Stadtraum siehe De Seta, Napoli, 1997, S. 17. Auch De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 51v, verweist darauf, dass Santa Maria di Monteoliveto zum Zeitpunkt ihrer Gründung außerhalb der Stadt lag. Nach dem Tod des Stifters (†1412) gibt es nur sehr wenige Zeugnisse von der Weiterführung der Bauarbeiten. Bekannt ist, dass seine Söhne Pietro, Roberto, Bernardo und Raimondo Origlia die Kirchengründung und das Testament ihres Vaters am 03. April 1414 bestätigten und sich verpflichteten, dem Olivetanerkonvent 750 Unzen zu zahlen, um das Patronatsrecht aufrecht zu erhalten. Siehe Strazzullo, La fondazione, 1964, S. 109. Auch von königlicher Seite sind mehrere Schenkungen überliefert, u.a. von Johanna II. von Anjou-Durazzo und Alfons I. von Aragon. Siehe Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 891. Die älteste erhaltene Grabplatte im Langhaus für den königlichen Sekretär Antonello da Teano von 1430 lässt schlussfolgern, dass der Bau zum genannten Datum schon so weit voran geschritten war, dass darin eine Bestattung ermöglicht werden konnte. 158 Grit Heidemann-Schirmer durch das Erdbeben von 1456 widmeten und sie später vermutlich auch als ihre Grablege vorsahen.668 Dieses Vorhaben konnte jedoch nicht umgesetzt werden, da der eigentliche Initiator König Alfons II. von Aragon 1495 abdankte und aus Neapel vor dem herannahenden Eroberungsfeldzug des französischen Königs Karl VIII. fliehen musste.669 Einige Indizien sind für die Planung einer königlichen Grablege in Santa Maria di Monteoliveto überliefert.670 So wurden einerseits Grabmäler für Dynastieangehörige realisiert, die sich den Schriftquellen zufolge im Chorbereich befanden, die Zeiten aber nicht überdauert haben.671 Andererseits wurde das Grabmal für Alfonsos Schwester in einer Seitenkapelle errichtet, auf die gleich noch zurückzukommen sein wird.672 Zudem ist in den Quellen die enge Bindung zwischen Alfons und den Olivetanermönchen überliefert, die nach seinem Tod eine Gedenktafel 668 Diese These vertritt vor allem Hersey, Alfonso II, 1969, S. 109f. Er sieht in Alfons II. von Aragon, noch in seiner Princeps-Funktion als Herzog von Kalabrien, den eigentlichen Initiator der Umgestaltung von Santa Maria di Monteoliveto zur dynastischen Grablege. Wichtige Indizien sind für Hersey die hölzernen Särge der Aragon-Könige in der Sakristei von San Domenico Maggiore, welche vermuten lassen, dass sie den Verstorbenen nur vorübergehend Platz bieten sollten, während in Santa Maria di Monteoliveto die Anfertigung marmorner Grabmäler vorgesehen war. Schon Pietro Summonte verweist in seinem Brief von 1524 auf den Wunsch von Alfons II., eine neue Grablege für das aragonesische Geschlecht und der bis dato verstorbenen Angehörigen in der Nähe des Castelnuovo errichten zu lassen, der jedoch aufgrund der Invasion des französischen Königs Karl VIII. (1495) nicht realisiert werden konnte. Vgl. Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 172. Daraus ließe sich schlussfolgern, dass entweder die Kirche Monteoliveto damit gemeint war oder diese als „temporäre“ Grablege für die Aragonesen diente, bevor ein Neubau errichtet werden sollte. Aufgrund der einsetzenden dynastischen Krise wurde dies jedoch nicht umgesetzt, sodass Monteoliveto weiterhin als Grablege der Aragonesen und ihrer Anhänger fungierte. Hinweise dazu finden sich in den historischen Guiden. Vgl. u.a. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 892; Parrino, Napoli città nobilissima, 1700, S. 104, der allerdings fälschlicherweise annahm, dass Alfons II. in Monteoliveto begraben sei. Auch die Sekundärliteratur unterstreicht diesen besonderen Stellenwert der Kirche. So bezeichnet Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 238, sie als „Lieblingskirche“ der Aragonesen. Ebenso del Pesco, Architettura feudale, 1994, S. 115. Auch Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 283, Anm. 1082, nennt die Kirche das „Zentrum der Bautätigkeit der aragonesischen Dynastie“. 669 Siehe dazu noch einmal Kap. II.4. Alfons II. von Aragon starb noch im Exil und wurde im Dom von Messina bestattet. Vgl. D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 503; De Lellis, Aggiunta (IV),vor 1689, f. 53v. 670 Auch die Darstellung von Santa Maria di Monteoliveto auf der schon oben behandelten „Tavola Strozzi“ von 1472 (Abb. 7) scheint Hinweise darauf zu geben. Während im Vordergrund dieser ältesten Stadtansicht Neapels die siegreiche Rückkehr der Flotte Ferrantes von Aragon dargestellt ist, heben sich über der Stadtkulisse die großen Kirchen der Anjou-Zeit sowie die königliche Grablege der AnjouDurazzo deutlich ab. Diesen ist nahezu in der Mitte der beiden Bildachsen Santa Maria di Monteoliveto angefügt. Ihre zentrale Positionierung vermittelt den besonderen Status dieser Kirche zur Zeit der Aragonesen, deren Herrschaftslegitimation das eigentliche Thema der Tafel ist. 671 Es handelte sich um die Grabmäler für die beiden Söhne Francesco (†1486) und Karl von König Ferrante von Aragon. Vgl. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 94v; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 65v; Sarnelli, Guida, 1685, S. 275f.; Parrino, Napoli città nobilissima, 1700, S. 104; Volpicella, Regis, 1861, S. 18, Anm. 2. Ferraiolo gibt zudem ein weiteres Grabmal für den Sohn Peter von Alfons II. an, der am 27. Februar 1491 starb und in Santa Maria di Monteoliveto bestattet worden sein soll. Vgl. Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 43, S. 78-80. Notar Giacomo verortet das Grabmal für Peter dagegen im Kloster von Santa Maria la Nova. Vgl. Garzilli, Cronica, 1845, S. 172. 672 Siehe Kap. V.2. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 159 an der Chorrückwand anbrachten, um an ihn als Zweitgründer der Kirche zu erinnern.673 Auch die von ihm 1492 bei Guido Mazzoni in Auftrag gegebene Terrakottagruppe der „Beweinung Christi“ (Abb. 59) unterstreicht dies.674 Die Gruppe fand in der raumgreifenden Cappella Origlia im rechten Querarm ihre Aufstellung und besteht heute aus sieben Figuren, die sich um den toten Leib Christi versammelt haben. Von links nach rechts handelt es sich um die historischen Exempla des Auftraggebers Alfons, seiner Tochter Isabella zusammen mit seinen Schwestern Eleonore und Beatrix als die drei Marien, um seinen Sohn und Thronerben Ferrandino als Johannes Evangelista, um den Hofhumanisten Giovanni Pontano in Gestalt des Nikodemus und ganz rechts um Alfonsos Bruder Friedrich von Aragon.675 Folgt man Pietro Summontes Äußerungen in seinem 1524 an einen Freund verfassten Brief, der die derzeit wichtigsten Kunstwerke Neapels behandelt, so befand sich auch der damalige König Ferrante von Aragon als historisches Exemplum unter den Figuren.676 Es handelt sich demnach um eine auf Dauer und Erkennbarkeit angelegte Vergegenwärtigung von damals noch lebenden Mitgliedern des aragonesischen Königshauses in diesem Kirchenraum.677 Aufgrund der visuellen Präsenz der Aragonesen in dieser Kirche kam es zur sukzessiven Übernahme der Seitenkapellen (Abb. 58) durch adlige Stifter, die durch familiäre beziehungsweise politische Beziehungen eng mit dem Königshaus verbunden waren. So handelt es sich ohne Ausnahme um Hofangestellte, Berater sowie enge Vertraute Alfons’ I. und seiner Nachfolger, die das Kircheninnere (vor allem nach 1470) maßgeblich ausgestattet haben.678 Dazu zählen Antonio Bertrando,679 Giovanni 673 Siehe De Stefano, Descrittione, 1560, f. 94v; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 502f.; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 53r; Celano, Notitie, 1692, S. 14; Parrino, Napoli città nobilissima, 1700, S. 101. Selbstredend zieht auch Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 896, den Vergleich mit König Robert von Anjou und seiner engen Verbindung zu den Franziskanern von Santa Chiara. Siehe dazu auch Heidemann und Scirocco, Die Kirchen, 2010. 674 Zu dieser Figurengruppe siehe vor allem Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 75-101; ders., Guido Mazzoni, 1972; Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 168; Celano, Notitie, 1692, S. 20. 675 Diese Identifikationen gibt Pane, Guido Mazzoni, 1972, bes. S. 55-58, der jedoch darauf hinweist, dass es sich bei der heutigen Aufstellung nicht um die ursprüngliche Anordnung der Figuren handelt. Diese versucht er zu rekonstruieren, ebd., S. 60. So auch Thoenes, Neapel, 1971, S. 49. Venditti, La fabbrica, 1999, S. 71, nennt zudem noch Jacopo Sannazzaro in Gestalt des Joseph von Arimathäa. Zu Giovanni Pontano siehe unten. 676 Vgl. Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 168. So auch Pane, Guido Mazzoni, 1972, S. 56. 677 So auch De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 60v: „[...] per memoria della grandezza Regale Aragonese.“ 678 Es scheint sich hierbei um eine gängige Praxis im kollektiven Verständnis einer sozialen Gruppe zu handeln, denn auch in Rom und Florenz finden sich ähnliche Vergleiche. So wurde z.B. Santa Maria del Popolo in Rom als „Modekirche“ der Papstfamilie della Rovere bevorzugt von den Anhängern des päpstlichen Förderers Sixtus IV. ausgestattet, ebenso wie San Lorenzo in Florenz als prädestinierter 160 Grit Heidemann-Schirmer Cavaniglia,680 Marino Correale,681 Antonio d’Alessandro,682 Alfonso d’Avalos,683 Andrea de Gennaro,684 Antonio Piccolomini,685 Francesco Scala686 und Paolo Tolosa.687 Für unseren Kontext Auftraggeberschicht von ihre großem Belang außerneapolitanische ist die Herkunft Tatsache, dass beziehungsweise dieser ihre Zugehörigkeit zu den niederen Seggi gemeinsam ist. Es oblag diesen Adligen, eine Vielfalt an für Neapel innovativen Grabmals- und Kapellentypen in Santa Maria di Monteoliveto zu ermöglichen, die jenen humanistischen Idealen folgten, welche am aragonesischen Hof gefördert wurden.688 Interessant ist bei der Einzelanalyse, dass mehrere Monumente formal aufeinander Bezug nehmen und somit das Gruppenbewusstsein sowohl durch den gemeinsamen Ort, als auch durch ästhetische Paradigma visuell unterstreichen. Von herausragender Bedeutung dazu war die nun vorzustellende Kapelle. Bestattungsort für die Medici-Treuen galt. Dagegen statteten „vornehmlich Patrizier der Anti-MediciPartei“ die Florentiner Kirche S. Croce aus. Vgl. Schedler, Filippo Brunelleschi, 2004, S. 21. Zu den anderen Beispielen siehe Karsten/Zitzlsperger, Gesellschaftliche Gruppen, 2007, S. 77; Elam, Cosimo de’ Medici, 1992. 679 Dieser wird in der Grabinschrift als „fachkundig und sehr verdienstvoll seinem König gegenüber“ beschrieben. Er starb 1467, seine Grabplatte befindet sich im Langhaus der Kirche vor der 2. Seitenkapelle rechts. Dazu siehe Cundari, Il complesso, 1999, S. 530; D’Engenio Caracciolo, Napoli sacra, 1623, S. 505. 680 Zu diesem ausführlich unten Kap. V.5. 681 Dieser aus Sorrent stammende Adlige fungierte als Großkämmerer und Haushofmeister am aragonesischen Hof. Zu seiner Person und seiner Kapelle siehe unten Kap. V.2.1. 682 Die Familie D’Alessandro gehörte dem niederen Seggio di Porto an. Antonio wurde als Jurist zum königlichen Berater, Hofrichter und Protonotar am aragonesischen Hof ernannt. Zu seiner Person und seiner Kapelle siehe unten Kap. V.2.2. 683 Alfonso d’Avalos war unter seinem feudalen Titel als Marchese de Pescara weitaus bekannter. Er fungierte als Kämmerer am aragonesischen Hof und war einer der wenigen neapolitanischen Feudaladligen, die dem König auch nach der Baronenverschwörung treu blieben. Er wurde 1495 ermordet, hatte aber noch zu Lebzeiten die 2. Kapelle im linken Seitenschiff erworben. Zu seiner Person siehe [o.V.], Avalos, 1962. Zur Cappella D’Avalos siehe u.a. De De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 56-57. D’Engenio Caracciolo, Napoli sacra, 1623, S. 512, verweist auf dessen Vater Iñigo, Marchese del Vasto, der mit den Aragonesen nach Neapel gelangt war und in der von seinem Sohn errichteten Familienkapelle bestattet wurde. 684 Dieser aus dem Seggio di Porto stammende Adlige galt als sehr enger Vertrauter am Hof. Er war auch an der Bestätigung des Testaments von König Alfons II. von Aragon beteiligt. Zu seiner Person siehe Petrucci, De Gennaro, 1988. Andrea De Gennaro übernahm in Santa Maria di Monteoliveto die rechte Chorkapelle und ließ darin sein Grabmal noch zu Lebzeiten 1490 errichten. Dieses hat sich zwar nicht erhalten, aber De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 64v, spricht von einem „Sepolcro di marmo“ und übermittelt die Inschrift, ebenso D’Engenio Caracciolo, Napoli sacra, 1623, S. 511. 685 Zu diesem aus Siena stammenden Adligen, der in die königliche Familie einheiratete, siehe unten Kap. V.2. 686 De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 62r, vermutet, dass Francesco, der Sohn des spanischen, im Gefolge Alfons’ I. nach Neapel gekommenen Andrea Scales, die Familienkapelle in Santa Maria di Monteoliveto gestiftet hat. Dies findet sich in der Inschrift bestätigt, die D’Engenio Caracciolo, Napoli sacra, 1623, S. 506, liefert. 687 Zu diesem aus Spanien stammenden Händler, der am aragonesischen Königshof zu Reichtum gelangte und in den Adelsstand erhoben wurde, siehe unten Kap. V.4. 688 Zur Förderung des Humanismus am aragonesischen Hof siehe Bentley, Politics and Culture, 1987. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 161 V.2. Neue Kapellenraumauffassung – Die Cappella Piccolomini und ihre Folgen Die Cappella Piccolomini (Abb. 60) wurde in den 1470er Jahren als ein Neubau im linken Seitenschiff von Santa Maria di Monteoliveto angefügt.689 Der aus Siena stammende Auftraggeber Antonio Piccolomini ließ die Kapelle als Grabstätte für seine frühzeitig verstorbene Ehefrau Maria von Aragon (†1469) errichten.690 Die Wahl dieses Bestattungsortes resultiert dabei nicht nur aus dem Umstand, dass die Mutterkirche des neapolitanischen Olivetanerordens nahe der Heimatstadt des Stifters, Siena, gelegen war. Sie steht auch – so meine These – in unmittelbarem Zusammenhang mit den Verwandtschaftsverhältnissen und demzufolge dem Zugehörigkeitsbewusstsein der Protagonisten, wie im Folgenden dargelegt wird. Die Verstorbene war keine geringere als die Tochter des Königs Ferrante von Aragon und Schwester des Thronanwärters Alfons II., der, wie schon erwähnt, enge Kontakte zu den hier sesshaften Mönchen pflegte und als Zweitgründer dieser Kirche galt. Demzufolge war der Kapellenstifter Antonio Piccolomini mit Alfons verschwägert und er durfte seit seiner Heirat mit Maria (1461) den königlichen Beinamen sowie das aragonesische Wappen tragen.691 Dies ist von außerordentlicher Bedeutung, wenn man bedenkt, dass Antonio zugleich der Neffe von Papst Pius II. war, sich aber offenbar mit dem Königshaus in Neapel verbunden fühlte. Die soziale Relevanz dieses neuen Adelsgeschlechts spiegelt sich auch in der Titelvergabe des Herzogs von Amalfi an den zum Großjustiziar ernannten Antonio Piccolomini von Aragon und seine Nachfolger wider.692 Darüber hinaus wurde ihm um 1480 die Ehre zuteil, in den höheren Seggio di 689 Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 100, geht von der Errichtung der Kapelle zwischen 1475-77 aus, Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 381f., datiert den Altar auf 1471-74 und das Maria-Grabmal auf 1481-91. Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44, gibt für die Ausführung des Grabmals die Jahre 1475-81 an. Bei der in der Grabmalsinschrift genannten Jahreszahl 1470 ist zu vermuten, dass es sich um das Datum der Kapellenstiftung handelt, während sich die Ausstattung um einige Jahre hinzog. Hersey, Alfonso II, 1969, S. 112, fügt die Jahre 1488-89 zur Vollendung der Kapelle an. Zur Cappella Piccolomini in den historischen Guiden siehe beispielhaft De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, ff. 57r-v. 690 Zu Antonio Tedeschini Piccolomini, der als Neffe von Papst Pius II. 1461 mit Ferrantes Tochter Maria von Aragon verheiratet wurde und sich in Neapel niederließ, wo er den neuen Familienzweig der Piccolomini von Aragon begründete, siehe u.a. Puglia, I Piccolomini d’Aragona, 2005; Volpicella, Regis, 1861, S. 53, Anm. 2; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 269-271. 691 Darauf verweist auch De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57r. Ebenso Hersey, Alfonso II, 1969, S. 111. Fortan wurde sein Familienzweig als Piccolomini d’Aragona bezeichnet. Dazu vor allem Puglia, I Piccolomini, 2005. Siehe auch die Inkorporierung des Königswappens in der Kapelle. 692 Zur langen Titelinhabe durch die „Duchi d’Amalfi“ unter den Aragonesen siehe Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 41. 162 Grit Heidemann-Schirmer Nido aufgenommen zu werden, der sich wiederum damit rühmen konnte, einen Anverwandten des Königshauses inkorporiert zu haben.693 In ihrer Ausstattung vermittelt die Kapelle eine für Neapel völlig neue Raumauffassung, die erst durch eine vergleichende Analyse mit einer in Florenz erbauten Grabkapelle verständlich wird. Die Rede ist von der Kapelle des Kardinals Jakobus von Portugal, welche 1460–1468 von Antonio und Bernardo Rossellino in der Florentiner Kirche San Miniato al Monte (Abb. 61) errichtet worden war.694 Zur auffälligen Ähnlichkeit dieses Baus mit der Neapler Cappella Piccolomini wurde in der Forschung schon viel geschrieben.695 Der Grund, warum Antonio Piccolomini jedoch gerade diese Kapelle als so offensichtliches Vorbild für seine Stiftung in Neapel auswählte, geht meines Erachtens über den gemeinsamen ausführenden Künstler und die Bewunderung dieser auch außerhalb von Florenz berühmten Kapelle hinaus.696 Erneut lohnt eine Betrachtung des sozialgeschichtlichen Kontextes, denn der Kardinal war königlichen Geblüts und unter anderem mit Eleonore von Portugal verwandt, also jener Schwester des Alfons V. von Aragon, der Süditalien 1442 erobert und die aragonesische Dynastie in Neapel begründet hatte.697 Die Schnittmenge zwischen den beiden Protagonisten in Florenz und Neapel ist demzufolge ihre Verwandtschaft mit dem aragonesischen Königshaus, die eines der grundlegenden Argumente für die Wahl des Kapellenvorbildes darstellt. 693 Darauf verweist De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57r. Das Datum dazu, jedoch ohne Quellenverweis, liefert www.genmarenostrum.com/pagine-lettere/letterap/piccolomini.htm (09.05.12). Die Aufnahme eines mit dem Königshaus verwandten Adligen war eine besondere Ehre für diesen höheren Seggio, während es sonst nicht üblich war, auswärtige Adlige zu inkorporieren. Siehe dazu noch einmal Kap. II.1.1. 694 Kardinal Jakobus von Portugal kam als Gesandter nach Florenz und starb dort 1459. Zur Kapelle siehe Hansmann, Die Kapelle des Kardinals, 1993; Koch, The Early Christian Revival, 1996. Koch gibt zu bedenken, dass nicht der Kardinal der eigentliche Auftraggeber dieser Kapelle war, sondern die Florentiner Kommune maßgeblich an dem Bauprojekt beteiligt war. Ich danke Linda Koch für die rege Diskussion zu diesem Thema. Ihre Ausführungen sollen demnächst publiziert werden. 695 Siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 381-392; Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 191; Venditti, La fabbrica, 1999, bes. S. 44; Pepe, Le tre cappelle, 1998; Carl, New documents, 1996; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 230-232; Hersey, Alfonso II, 1969, S. 112f.; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 151-154. 696 So vor allem Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 381; dies., New documents, 1996, S. 318. Außerdem Michalsky, Seggi und sediali, 2005, S. 191. Dass auch schon Pius II. den Bruder Antonios, Bernardo Rossellino, beauftragt hatte (zur Umgestaltung Pienzas als Papst-Stadt), wird angeführt bei Alberti, Das Standbild, 2011, S. 11. 697 Eleonore stammte aus dem Hause Aragon und war 1428 mit König Eduard I. von Portugal verheiratet worden, aus deren Ehe u.a. der spätere Thronfolger Alfons V. von Portugal hervorging. Auf diesen bezieht sich auch Koch, The Early Christian Revival, 1996, S. 527, und verweist darauf, dass Kardinal Jakobus von Portugal der erste Cousin von Alfons war. Für unseren Kontext ist aber besonders die Herkunft von Eleonore interessant, die – wie oben erwähnt – Schwester von Alfons von Aragon war, der Süditalien 1442 erobert hatte. Zu Eleonore von Aragon siehe Pferschy-Maleczek, Kaiserin Eleonore, 1997; Zierl, Kaiserin Eleonore, 1966. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 163 Das künstlerisch sowie programmatisch exzeptionelle Ausstattungsprogramm der Kardinalskapelle spiegelt in vielen Details das durch seine königliche Abkunft privilegierte Selbstverständnis des Kardinals wider,698 welches ganz offensichtlich von den Zeitgenossen auch so verstanden und von Antonio Piccolomini in seiner Familienkapelle in Neapel adaptiert wurde, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Das Grabmal für Maria von Aragon (1475–1491) Bei dem Grabmal für Maria von Aragon (Abb. 62) handelt es sich um ein Wandnischengrab, das im Neapel des späten 15. Jahrhunderts als neuartig einzustufen ist.699 Es wurde an der linken Kapellenwand angebracht, also auf der Evangelienseite, die den Frauen vorbehalten war, während sich das Florentiner Vorbild für Kardinal Jakobus von Portugal (Abb. 63) spiegelbildlich dazu auf der den Männern vorbehaltenen Epistelseite befindet. In beiden Fällen war der Florentiner Antonio Rossellino der ausführende Bildhauer, dessen Arbeiten am neapolitanischen Monument jedoch nach seinem Tod (1479) von dem ebenfalls aus Florenz stammenden Benedetto da Majano beendet wurden.700 Beide Grabmäler nehmen die jeweilige Kapellenwand nahezu vollständig ein und bestehen, neben der architektonischen Rahmung, aus vier Ebenen, die sich nur in wenigen Details voneinander unterscheiden. Der hohe stufenartige Sockel bildet die erste Ebene. Er ist mit einem antikisierten Girlandenfries geschmückt und an den Seiten des Sockels befinden sich weitere Motive aus dem Repertoire der antiken Mythologie. So werden rechts Herkules im Kampf gegen die Hydra und links Amor präsentiert.701 698 Koch, The Early Christian Revival, 1996, bes. S. 538f. u. 553f., betont, dass das Märtyrertum eines der wichtigen Themen in der Kardinalskapelle ist. Der Kardinal war zwar „neither a martyr nor a saint“, er wurde jedoch von den Zeitgenossen wie ein Heiliger wahrgenommen. Desweiteren steht das Ausstattungsprogramm in direktem Zusammenhang mit dem Kirchenpatronat von S. Miniato, die dem einzigen Florentiner Märtyrer mit königlichen Wurzeln geweiht ist. 699 Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, spricht hierbei von einem „bedeutsamen Wendepunkt“. Zum Grabmal für Maria von Aragon ausführlich siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, Kap. X.A.; Hersey, Alfonso II, 1969, S. 111-115, der ebenfalls das Maria-Grabmal als „radical departure from local tradition“ einordnet. Vgl. ebd., S. 113. Zum Aufkommen des neuen Typus’ des Wandnischengrabmals, erstmals in Florenz um die Mitte des 15. Jahrhunderts, siehe Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 25, die die Grabmäler für Leonardo Bruni und Carlo Marsuppini in S. Croce als „die beiden wichtigsten Prototypen“ nennt. 700 Zu Antonio Rossellino siehe Negri Arnoldi, La scultura, 1994, bes. S. 297; Petrioli, Antonio Rossellino, 1966. Zu Benedetto da Majano zuletzt ausführlich Carl, Benedetto da Majano, 2006. Außerdem Caglioti, Benedetto da Majano, 2002. 701 Darauf verweisen Thoenes, Neapel, 1971, S. 46; Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 385, die zudem das Florentiner Vorbild anführt, an dem rechts der Mithras-Kult und links Helios auf seinem Wagen dargestellt sind. Dazu auch Hansmann, Die Kapelle, 1993, S. 298f. 164 Grit Heidemann-Schirmer Über einer weiteren Stufe folgt der hoch aufragende Sarkophag, der mit seinen kannelierten Beinen, den Löwenfüßen und dem Walmdach ebenfalls auf antike Vorläufer, wie dem „großen antiken Porphyrsarg[…] vom Pantheon“ in Rom, rekurriert.702 Im unteren Teil der Sarkophagfrontseite ist folgende Inschrift angebracht: „QVI LEGIS SVMMISIVS LEGAS NE DORMIENTEM EXCITES/ REGE FERDINANDO ORTA MARIA ARAGONA HIC CLAVSA EST/ NVPSIT ANTONIO PICCOLOMINEO AMALFAE DVCI STRENVO/ CVI RELIQVIT TREIS FILIAS PIGNVS AMORIS MVTVI/ PVELLAM QVIESCERE CREDIBILE EST QVAE MORI DIGNA NON FVIT/ VIX ANN XX/ A D MCCCCLXX.“703 Die Inschrift verweist nicht nur auf die königliche Herkunft der verstorbenen Prinzessin Maria, sondern sie nobilitiert zugleich den Auftraggeber des Grabmals, ihren Ehemann Antonio Piccolomini, als Anverwandten des königlichen Hauses und als Titeladligen. Darüber hinaus liefert die genannte Jahreszahl 1470 den terminus post quem für die Errichtung der Kapelle und ihrer Ausstattung.704 Auf dem Sarkophag befindet sich die Liege mit dem Gisant der Verstorbenen, der von zwei Putten ebenso wie bei dem Florentiner Vorbild leicht gekippt präsentiert wird. Während der Kardinal von Portugal mit seinem klerikalen Status entsprechenden Insignien dargestellt ist, so wird Maria von Aragon als junges Mädchen in einem schlichten Gewand schlafend gezeigt, wie auch schon die Inschrift im unteren Teil des Sarkophags postuliert.705 Ihr Kopf ist leicht zum Betrachter geneigt und unterstreicht damit die in der Inschrift gegebene Aufforderung, die friedlich Schlafende nicht zu 702 Thoenes, Neapel, 1971, S. 46. Auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 113, zieht den Vergleich mit den „antique sarcophagus“. 703 Folgendermaßen zu übersetzen: „Du, der du dies liest, lies mit leiser Stimme, damit du nicht jene weckst, die schläft. Hier ist Maria von Aragon verschlossen, Nachfahrin des Königs Ferdinand. Sie war verheiratet mit Antonio Piccolomini, tatkräftiger Herzog von Amalfi, dem sie drei Töchter hinterließ im Bund der Liebe. Du könntest glauben, dass es sich hier um ein schlafendes Mädchen handelt, das es nicht verdient hat zu sterben. Sie wurde 20 Jahre alt. Im Jahr des Herrn 1470.“ 704 Zum Todesdatum von Maria 1469 und der genannten Jahreszahl 1470, die offensichtlich nicht mit Maria in Verbindung zu bringen ist, siehe Carl, New documents, 1996, S. 318. Zuweilen wird das inschriftlich genannte Datum mit dem Tod der Bestatteten fälschlicherweise gleichgesetzt. Siehe u.a. bei Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44. 705 Laut De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57v, soll die Inschrift von dem aragonesischen Hofhumanisten Giovanni Pontano verfasst worden sein. Auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 111, Anm. 16, macht darauf aufmerksam und betont, dass das Motiv des „death of living sleep“ sehr beliebt in der Begräbnisdichtung der Renaissance war. Zugleich bezeichnet er das Grabmal als Marias „marriage bed“. Vgl. ebd., S. 114. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 165 wecken. Schon hier wird dem Motiv des Schlafens eine besondere Aufmerksamkeit zuteil.706 Sockel und Sarkophag werden von einer rahmenden Architektur umfangen, die sich durch reich verzierte korinthisierte Halbpilaster und einem ebenfalls nach antikem Muster gegliedertes Gesims auszeichnet. Auf den verkröpften Ecken sitzen zwei Engel, die durch ihre vitale Haltung dem Betrachter besonders ins Auge fallen. Sie lockern nicht nur das durch die vielen architektonischen Rahmungen statisch und linear erscheinende Monument bewusst auf, sondern leiten in ihrer Anbringung und Körperdrehung zu den beiden anschließenden Ebenen über. Diese beiden obersten Ebenen erscheinen dabei nahezu losgelöst vom unteren Teil des Monuments, was durch die beigegebenen Engelfiguren optisch verstärkt wird.707 In der Mitte des verkröpften Gesimses befindet sich eine Ädikula, die einen Tondo mit der Darstellung der Auferstehung Christi beherbergt. Dieses Detail unterscheidet sich vom Florentiner Monument, wo sich anstelle dessen das Gruftfenster befindet, das mit einem großen Onyx verziert ist.708 Den oberen Abschluss der Grabmalsnische bildet die letzte Ebene, welche aus dem von zwei fliegenden Engeln gehaltenen und von einer Fruchtgirlande umrahmten Tondo besteht, in dem die Madonna mit dem Christuskind dargestellt ist und ihre Rolle als himmlische Fürsprecherin für die Verstorbene verdeutlicht. Der Tondo erscheint fast wie ein eigenständiges Motiv, denn die Verbindung zum Grabmal ist nahezu vollständig aufgebrochen, allein die Cherubim und Engel bilden eine optische Verschränkung mit den darunter liegenden Ebenen, während der architektonische Rahmen der Nische das gesamte Monument umfasst. Dieses wird, wie die anderen Kapellenwände auch, von zwei mächtigen korinthisierten Halbpilastern gerahmt, die den Rundbogen tragen, der zugleich die Nische in der Kapellenwand definiert. Dieser Rundbogen ist von einem weit aufgespannten und an den Seiten drapierten Vorhang akzentuiert, der trotz seines marmornen Materials äußerst realistisch wiedergegeben ist und nur noch in seiner Motivwahl an den alten lokalen Grabmalstypus erinnert. In den Bogenzwickeln wurden zudem Reste von Malerei freigelegt. Während in der Florentiner Kapelle an dieser Stelle weitere Engel sowie Heilige mit Spruchbändern 706 Dazu im Kontext des erst Jahrzehnte später aufkommenden Motivs des Demigisants siehe Kap.V.3. Diese „lockere Anordnung der Figuren im Gegensatz zu seinem Vorbild in San Miniato“ wurde in der älteren Forschung „abschätzig beurteilt“, wie Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 383, kritisiert. 708 Auf diesen verweisen ebd., S. 390; Thoenes, Neapel, 1971, S. 46. 707 166 Grit Heidemann-Schirmer dargestellt sind, so ist in der Cappella Piccolomini das Wappen des neuen, mit dem Königshaus verwandten Adelsgeschlechts prominent in Szene gesetzt. Das Kardinalsgrabmal in Florenz wird als nahezu direktes Zitat am Grabmal für Maria von Aragon aufgegriffen, um offenbar die gemeinsame königliche Herkunft beider Verstorbenen visuell zu unterstreichen. Das signifikanteste Unterscheidungsmerkmal beider Kapellen bildet jedoch die gegenüber aufgestellte Thronbank, die eine formale Umwandlung in der Neapler Kapelle erfahren hat. Der Sediale für Antonio Piccolomini (1480er) Der Sediale (Abb. 64) wurde in der Rundbogennische der rechten Kapellenwand, also der den Männern vorbehaltenen Epistelseite, aufgestellt, wo er vom Kirchenlanghaus gut sichtbar ist. Insofern wurde die Aufstellung im Kapelleninnern gegenüber dem Florentiner Vorbild aufgrund der liturgischen Zuordnung der Altarseiten vertauscht. Auch hinsichtlich der Formgebung sind deutliche Unterschiede zu erkennen, handelt es sich doch im Original um eine Thronbank (Abb. 65). Der symbolisch stark aufgeladene sogenannte „leere“ Thron des portugiesischen Kardinals wäre nicht mit dem sozialen Status und demzufolge Repräsentationsbedürfnis des Sieneser Adligen vereinbar gewesen, weshalb auf dieses Motiv in Neapel verzichtet wurde.709 Die seitlichen Bänke des Thrones jedoch konnten auch im Sinne der üblichen liturgischen Praxis der Memoria übernommen werden. Aus diesem Formfindungsprozess entstand der Sediale, der in Neapel zum Ende des 15. Jahrhunderts ein überaus beliebtes Ausstattungsstück in vielen Grabkapellen wurde.710 Sicherlich wurden schon früher Sitzbänke als liturgisches Mobiliar in 709 Schon in der frühchristlichen Kunst findet sich das Motiv des leeren Throns, der von den Hll. Peter und Paul präsentiert wird. Vgl. Koch, The Early Christian Revival, 1996, bes. S. 536-538. Linda Koch hat in ihrem Paper auf der 57. Jahrestagung der Renaissance Society of America (24.-26. März 2011, Montreal, Kanada) die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des leeren Thrones erörtert, die vom Bischofsthron, ausgehend vom ersten Bischof der Christenheit, dem Papst in Rom, zum Davidthron reichen und die Abwesenheit des Verstorbenen symbolisieren sollen. Vor allem aber scheint das Motiv auf die Figur der Justitia zu verweisen, die ein fester Bestandteil der Florentiner Kunst war und dem Selbstverständnis des Kardinals gedient haben dürfte. In der Diskussionsrunde kam die Frage auf, ob der Thron nicht auch sinnbildlich für das Jüngste Gericht steht und der Weltenrichter darauf Platz nehmen würde. Doch auch hier erscheint Justitia plausibel. Koch will ihre Ausführungen demnächst publizieren. 710 Dazu vor allem Michalsky, Seggi und Sediali, 2005. Sie interpretiert die Sediali als über die liturgische Funktion hinausreichende Zeichensetzungen des Seggio-Adels, der diese Bänke im Sinne des kollektiven Selbstverständnisses eingesetzt habe. Nach einer eingehenden Analyse der Seggi-Zugehörigkeiten der betreffenden Auftraggeber bzw. Kommemorierten ist diese Hypothese jedoch nicht haltbar. Auf dieses Problem verweist auch Vitale, Ritualità monarchica, 2006, S. 138. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 167 Kapellen genutzt, die jedoch aufgrund ihres hölzernen Materials die Zeiten nicht überdauert haben.711 Demgegenüber diente die marmorne Rückwand mit den Wappen, Emblemen und der Inschrift, in welcher der Auftraggeber sowie die Stiftung selbst thematisiert sind, zur materiellen und damit dauerhaften Bestätigung des Patronatrechts, das einen festen Bestandteil der adligen Vererbungsgüter bildete.712 Dieses Sitzelement entstand zeitnah zum schon besprochenen Grabmal für Diomede Carafa in San Domenico Maggiore (Abb. 54), doch ist es dort in das Monument eingefügt und stellt demzufolge noch kein eigenständiges Werk dar. Der Sediale für Antonio Piccolimini war demnach ein völlig neuartiger Monumenttypus in der neapolitanischen Sepulkralkunst des 15. Jahrhunderts,713 der durch den Einsatz von Buntmarmor sowie opus sectile zusätzlich ästhetisch aufgewertet war. Er setzt sich aus drei Teilen zusammen: 1. dem Sockel in Form einer Stufe, 2. der eigentlichen Sitzbank, die auch in anderen Grablegekontexten geläufig war und dementsprechend auch seitlich am Thron in der Kardinalskapelle auftritt,714 und 3. die auch als „spalliera“715 bezeichnete hohe Rückwand. Während bei dem Florentiner Vorbild diese Rückwand farblich in fünf Abschnitte unterteilt ist und allein der Thron in der Mitte durch kleine korinthisierte Pilaster akzentuiert wird, so ist die Rückwand des neapolitanischen Sediale durchgängig mit Halbpilastern in drei Felder unterteilt, die in der Mitte das Familienemblem präsentieren. Die Pilaster tragen das fein gearbeitete Gebälk, auf dessen Architrav einstmals die Inschrift angebracht war, von der heute nur noch die Buchstaben „[…] IN A […]“ erhalten sind. Über dem Sediale ist um das Okulusfenster herum ein Fresko arrangiert, dessen erhaltene Reste die Protagonisten der „Verkündigung“ erkennen lassen und insofern das gleiche Motiv wiedergeben wie in der Kardinalskapelle in 711 Dazu Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 180, Anm. 10. Allgemein zu Sitzbänken im Italien der Renaissance siehe Thornton, The Italian, 1991, bes. S. 171-173. 712 Dazu auch Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 179. 713 Ebd., S. 191, spricht hierbei von dem „Prototyp“. 714 Zu den steinernen Sitzbänken im frühneuzeitlichen Florenz, die den sozialen Praktiken im urbanen Raum zu genügen hatten, siehe Elet, Seats of power, 2002. Als ein weiterer Vergleich sind die steinernen Sitzbänke in der römischen Cappella della Rovere in Santa Maria del Popolo zu nennen, die nahezu zeitgleich mit dem neapolitanischen Sediale entstanden sind. Sie weisen jedoch nicht die fein gearbeitete Rückwand auf, sondern sind der Kapellenwand und dem später entstandenen Grabmal für Cristoforo della Rovere vorgelagert. 715 Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 175. 168 Grit Heidemann-Schirmer Florenz.716 Zudem erscheint erneut das Familienwappen der Piccolomini von Aragon in den Bogenzwickeln der Wandnische. Der Kapellenaltar Die gegenübergestellte Anordnung von Grabmal und Sediale wird durch den Altar (Abb. 66) in der Rundbogennische der verbleibenden Wand komplettiert. Dieser ist direkt auf den eintretenden Besucher ausgerichtet und markiert das liturgische Zentrum der Cappella Piccolomini. Dementsprechend ist hier der Weihetitel der Kapelle bildlich umgesetzt. Über einem relativ schlicht gestalteten Altarblock und der Mensa ist das Retabel aufgesetzt. Während es sich in der Florentiner Kardinalskapelle um ein Tafelbild handelt, das den Namenspatron des Stifters Jakobus zwischen dem Hl. Vincentius und dem Kirchenpatron Eustachius großformatig präsentiert, so ist in der Cappella Piccolomini der Altar, wie die anderen Ausstattungselemente, gänzlich aus Marmor gefertigt. Dabei greift das Retabel die dreiteilige Gliederung der Rückwand des Sediale auf, wobei hier jedoch dem Mittelfeld weitaus mehr Platz eingeräumt wird. In diesem Mittelfeld ist das Kapellenpatronat der „Geburt Christi“ in sehr fein gearbeitetem Relief bildlich umgesetzt, das schon von den Zeitgenossen aufgrund seiner besonderen Qualität gerühmt wurde und an Donatellos schiacciato-Technik erinnert.717 In den seitlichen schmaleren Feldern schließen sich die Hll. Jakobus und Johannes Evangelista unterhalb der Büsten zweier Propheten an, die sich optisch von dem dunkel gefertigten Marmor des Hintergrundes deutlich absetzen.718 Auf dem fein gearbeiteten Gesims sind vier Putten aufgestellt, die dem Okulusfenster in der Mitte Platz einräumen, dabei eine Fruchtgirlande halten und insofern eine zusätzliche motivische Abweichung gegenüber dem Florentiner Vorbild darstellen. 716 Das Fresko in der Cappella Piccolomini soll laut Thoenes, Neapel, 1971, S. 46, von „einem Nachahmer des Piero della Francesca“ gemalt worden sein. So auch Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44. 717 Es wird in allen Guiden erwähnt. Darauf verweist Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44. So auch bei De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57r. Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, rühmt es zudem als das „eigentliche Glanzstück“ der Kapelle und verweist auf dessen einzigartige Umsetzung des Bildthemas, indem „nie zuvor […] die Skulptur in so engen Wettbewerb mit der Malerei getreten [war]“. Zu Donatellos berühmter Relieftechnik des rilievo schiacciato siehe zuletzt Kanz, Linien, 2010. Außerdem im Kontext des Grabmals für Rinaldo Brancaccio siehe noch einmal Kap. IV.1.2. 718 Auf diese verweist u.a. Hersey, Alfonso II, 1969, S. 114. Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, folgt dagegen älteren Interpretationen, die in den Seitenfiguren die vier Evangelisten zu erkennen glauben. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 169 Der Kapellenaltar wurde nachweislich von Antonio Rossellino in seiner Florentiner Werkstatt zwischen 1471 und 1474 angefertigt und drei Jahre später nach Neapel gebracht.719 Im Gegensatz zum Altar in der Kardinalskapelle komplettiert er die gänzlich marmorne Ausstattung der Cappella Piccolomini, die sich demzufolge auch ästhetisch von dem Florentiner Vorbild emanzipiert.720 Schließlich begegnet erneut das Familienwappen in den Bogenzwickeln, das unmissverständlich deutlich macht, wer der Auftraggeber dieser in Neapel so völlig neuartigen Kapelle war. Antonio Piccolomini wählte bezeichnenderweise nicht die Grablege seiner Familie in Siena als formales Vorbild für seine Kapellenstiftung,721 sondern ihm erschien offensichtlich die kurz zuvor errichtete Kapelle des Jakobus von Portugal als geeignete Vorlage, um seiner verstorbenen Ehefrau Maria von Aragon eine angemessene Grabstätte zu errichten und insofern seine sozial privilegierte Stellung als Anverwandter des aragonesischen Königshauses in Neapel zu inszenieren. Er selbst starb am 11. Januar 1492 im kalabrischen Capistrano, wo er auch bestattet wurde.722 Für den vorliegenden Kontext von besonderer Bedeutung ist die Auswirkung der Cappella Piccolomini auf die Grablegepraxis der Folgezeit in Neapel. In demselben Kirchenraum von Santa Maria di Monteoliveto finden sich weitere zeitgenössische Beispiele, die in ihrer reziproken Umsetzung nun genauer vorgestellt werden. V.2.1. Die Cappella Correale Die um 1490 im rechten Seitenschiff von Santa Maria di Monteoliveto ebenfalls neu errichtete Cappella Correale (Abb. 67) rezipiert nahezu analog sowohl die Architektur als auch die Anordnung von Grabmal, Sediale und Altar der Cappella Piccolomini.723 719 Siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 381 u. 384f. Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, „zählt [den Altar] zu den besten Werken des Florentiner Bildhauers Antonio Rossellino […].“ 720 Dazu auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 114. 721 Zur Kirche S. Francesco in Siena, die Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II. und Onkel von Antonio, zum Mausoleum umbauen ließ, siehe Alessi, Le opere, 2005, bes. S. 284. Zur Verwandtschaft der beiden siehe De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57. Zur Familienkapelle der Piccolomini im Dom von Siena außerdem Caglioti, La Cappella, 2005, S. 386-481. 722 Puglia, 2005, S. 49, liefert nur das Todesdatum, vermerkt allerdings, dass Antonios zweite Frau Maria im Dom von Amalfi bestattet wurde. Allein De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57v, und Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 271, geben an, dass Antonio Piccolomini im kalabrischen Capistrano starb und dort bestattet wurde. Die dortigen Gegebenheiten eines möglichen Grabmals konnten allerdings nicht abschließend geklärt werden. 723 Zur Cappella Correale, die demnach auch als Pendant zur Cappella Piccolomini argumentiert wird, siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, bes. 393-418; Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, bes. S. 177180; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 45-49; Pepe, Le tre cappelle, 1998, bes. S. 103-105; Hersey, Alfonso 170 Grit Heidemann-Schirmer Sie transferiert damit eine gewisse Stiluniformität desselben ausführenden Künstlers Benedetto da Majano,724 den Correale wohl deshalb beauftragte, um eine formale wie stilistische Ähnlichkeit beider Kapellen zu gewährleisten. Dadurch kann die Cappella Correale als bewusste Zeichensetzung ihres Auftraggebers verstanden werden, der seine privilegierte soziale Position im Netzwerk des aragonesischen Hofes vergleichbar mit jener von Antonio Piccolomini verstanden wissen wollte. Marino Correale kam aus Sorrent nach Neapel, nachdem sein Bruder Gabriele, ein Zögling und Liebling König Alfons I.’ von Aragon, mit 19 Jahren verfrüht gestorben war.725 Marino übernahm daraufhin Gabrieles Ländereien und verfolgte am Hof eine aussichtsreiche Karriere. Er wurde zum Berater und Großkämmerer des aragonesischen Königs ernannt, in den 1450er Jahren folgten weitere Ämter in den Provinzen des süditalienischen Reiches. Bevor der König 1458 starb, übergab er Marino die Grafschaft Terranova, wodurch dieser in den Titeladel aufstieg. Auch dem Thronfolger Ferrante treu ergeben, wurde Marino 1463 zum Gouverneur von Sarno und zum Haushofmeister der Königin Johanna von Aragon ernannt. Nach der Baronenverschwörung und dem Prozess gegen den Mitbeteiligten Antonello Petrucci im Jahre 1486 übertrug Ferrante dessen konfiszierten Familienpalast an Marino, was seine besondere Stellung am aragonesischen Hof und das Vertrauensverhältnis zum König verdeutlicht.726 Bezeichnenderweise befand sich der Palazzo Petrucci im Seggio di Nido. Aufgrund dieses Immobilienerwerbs wurde Marino Correale, wie schon Antonio Piccolomini wenige Jahre zuvor, in diesen höheren Seggio aufgenommen.727 Als er 1499 starb, war seine Familienkapelle in Santa Maria di Monteoliveto längst vollendet.728 II, 1969, S. 115-118. De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 60r, gibt als Datum der Kapellenerrichtung allerdings das Jahr 1495 an. 724 Benedetto da Majano werden der Sarkophag und der Kapellenaltar zugeschrieben. Laut Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 118, wurde hingegen der Sediale von einer neapolitanischen Werkstatt angefertigt. 725 Zu Marino Correale siehe vor allem Petrucci, Correale, 1983. Die Schlüsselrolle seines Bruders Gabriele wird schon in den Schriftquellen hervorgehoben. Vgl. u.a. De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 59v; Summonte, Dell’ Historia (IV), S. 51 u. 190. Zu Gabriele Correale siehe auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 71. 726 Auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116, verweist darauf und gibt als historischen Beleg einen Auszug aus dem Brief der Königin Johanna an Lorenzo de’ Medici an, in dem diese Marino Correale als „principale homo de nostra casa“ bezeichnet. Zur Baronenverschwörung und dem Prozess gegen Petrucci siehe noch einmal Kap. II.4. 727 Hierbei handelt es sich um zwei konkrete Beispiele des Titel- und Immobilienerwerbs auswärtiger Adliger, die in die neapolitanischen Adelskorporationen drängten und insbesondere den höheren Seggi mit ihren exklusiven Aufnahmeregeln Probleme bereiteten, wodurch es um 1500 schließlich zu den schon in Kap. II.1.1. und II.3. genannten Neuregelungen und Einschränkungen gegenüber den Titeladligen kam. 728 Das Todesdatum geben Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 118; Petrucci, Correale, 1983, S. 421. Carl, New documents, 1996, S. 417, nennt allerdings das Jahr 1501. In der Forschung wurde teilweise das Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 171 Die Architektur der Cappella Correale folgt weitestgehend dem Vorbild der Cappella Piccolomini und unterstreicht somit visuell das Gruppenbewusstsein beider Auftraggeber.729 Demgegenüber lassen sich in der Ausstattung einige Unterschiede erkennen, die dem Selbstverständnis des Einzelnen entsprachen und nun genauer erörtert werden. Der Sarkophag für Gabriele Correale (um 1490) Das einzig vorhandene Grabmal (Abb. 68) der Cappella Correale wurde in der Rundbogennische der linken Kapellenwand auf einem flachen Podest aufgestellt, wodurch es jener Anordnung in der Cappella Piccolomini folgt. Im Gegensatz zum monumentalen Wandgrabmal für Maria von Aragon handelt es sich hier um einen marmornen Wannensarkophag mit gewölbtem Deckel, der all’antica gefertigt ist.730 Er wird von fein gearbeiteten Löwenfüßen getragen, die apotropäische Löwenköpfe als Vorsprünge aufweisen. Auf der Sarkophagfrontseite sind zwei fliegende Eroten im Halbrelief dargestellt, die in der Mitte eine tabula ansata mit folgendem Wortlaut präsentieren: „QVI FVIT ALFO[N]SI QVO[N]DAM/ PARS MAXIMA REGIS/ MARINVS HAC MODICA/ NVNC TVMVLAT[VR] HVMO.“731 Die Inschrift rühmt Marino zwar als wichtige Persönlichkeit an der Seite von König Alfons, täuscht allerdings über den Umstand hinweg, dass das Grabmal eigentlich einem anderen Familienmitglied vorbehalten war.732 Schon De Lellis und Summonte verweisen auf ein Epitaph, das bei Antonio Beccadelli, gen. Il Panormita, 1455 erstmals genannt wird und persönlich von König Alfons I. von Aragon für seinen frühzeitig verstorbenen Zögling Gabriele Correale mit folgendem Wortlaut beauftragt worden am Sediale aufgeführte Datum 1490 mit dem Todesjahr des Kapellenstifters gleichgesetzt, doch handelt es sich dabei, wie schon in der Cappella Piccolomini, um das Auftragsdatum der Stiftung. 729 Zu den wenigen Unterschieden in einigen Details der Kapellenarchitektur siehe u.a. Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116. Außerdem im Vergleich siehe Pepe, Le tre cappelle, 1998. 730 Siehe dazu Koch, Sarkophage, 1993, bes. S. 23, der auch auf die Kenntnis der antiken Sarkophage im Italien des 15. Jahrhunderts hinweist. Vgl. ebd., S. 6. 731 Folgendermaßen zu übersetzen: „Marinus, der eine bedeutende Persönlichkeit unter König Alfons gewesen ist, liegt nun bescheiden unter der Erde begraben.“ 732 Dazu vor allem Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 27 und Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 118f. 172 Grit Heidemann-Schirmer war: „Qui fuit Alfonsi quondam pars maxima regis/ Gabriel [sic!] hac modica nunc tumulatur humo“.733 Die Parallele zur heute sichtbaren Inschrifttafel am Sarkophag ist mehr als offensichtlich. Während die bisherige Forschung davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Sarkophag um das Grabmal für den Kapellenstifter Marino Correale handelt,734 so hat Caglioti deutlich gemacht, dass hier eine Verwechslung vorliegt, die übrigens auch schon von De Lellis angemerkt wurde.735 Demnach hatte Marino Correale zwei Altarretabel und zwei Grabmäler bei Benedetto da Majano zeitgleich in Auftrag gegeben.736 Je ein Retabel und ein Grabmal waren für die Familienkapelle in Neapel bestimmt, die anderen beiden Pendants dagegen für die ebenfalls um 1490 gestiftete Grabkapelle in der Kirche Santa Caterina d’Alessandria in Correales kalabrischem Herzogtum Terranova.737 Caglioti klärt weiterhin, dass Marino 1499 nicht in Neapel, sondern in Terranova gestorben war und in der dortigen Kapelle bestattet wurde.738 Man kann also davon ausgehen, dass in Santa Maria di Monteoliveto, noch vor dem Tod von König Alfons I. (†1458), Gabriele Correale bestattet und ein Epitaph für ihn mit oben zitiertem Wortlaut gefertigt wurde. Einige Jahrzehnte später ließ Marino Correale seinen Bruder in die neu gestiftete Familienkapelle translozieren und ihm dort ein neues Grabmal errichten,739 eben jenen Sarkophag, dessen Inschrifttafel das ursprüngliche Epitaph aufgreift, während der dort angegebene Name zu einer unbestimmten Zeit mit dem des Kapellenstifters ausgetauscht wurde.740 733 Diese Inschrift liefert Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 129, Anm. 14. Dazu auch Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 1, S. 51; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 59v. 734 Siehe u.a. Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 415; Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 178f.; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 45. 735 Vgl. Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 27, und ders., Benedetto da Majano, 2002, bes. S. 118f. Schon De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 59v, spricht von einem Ablesefehler: „[…] in questo epitaffio vi è errore nel nome, volendo invece di Marinus di Gabriel […].“ Siehe auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116, Anm. 32. Noch bei De Stefano, Descrittione, 1560, f. 97r, und bei D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 505, wird „Marinus“ in der Inschrift genannt. 736 Zu Benedetto da Majano und Marino Correale als seinen „bedeutendste[n] Auftraggeber“ siehe auch Carl, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 393, die allerdings nicht auf die verschiedenen Bestimmungsorte eingeht. 737 Dazu vor allem Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006. 738 Vgl. ebd., S. 27. 739 Der Bestattungsort für Gabriele kann demzufolge unter der kleinen marmornen Grabplatte vermutet werden, die sich inmitten des Kapellenfußbodens befindet und das Familienwappen der Correale präsentiert. Auf eine Bestattung unter der Erde wird auch in der Inschrifttafel des Sarkophags verwiesen. 740 Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116, Anm. 32, geht davon aus, dass es sich bei der Inschrifttafel am Sarkophag um eine „variant of one composed by Alfonso I for Gabriele“ handelt. Wenn es sich jedoch wirklich um den Sarkophag für Marino handeln würde, dann würde man nicht die Nennung von Alfons, sondern von Ferrante als Marinos Förderer erwarten. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 173 Marino Correale bestimmte demnach seine neapolitanische Familienkapelle in der vom aragonesischen Königshof favorisierten Kirche als Grabstätte für seinen Bruder Gabriele, in dessen Nachfolge er sich am Hof verstand. Der Sarkophag ist dabei als ein für Neapel einzigartiger Grabtypus einzustufen,741 der formal betrachtet augenscheinlich den wenige Jahre zuvor aus schwarzem Marmor gefertigten Sarkophag für Filippo Strozzi in der Florentiner Kirche Santa Maria Novella zitiert und demzufolge erneut die sozialen Netzwerkstrukturen bedeutender Protagonisten des aragonesischen Königshofs und aus Florenz medial transferiert.742 Insofern handelt es sich um eine Repräsentationsstrategie, die schon bei Antonio Piccolomini an dem von ihm beauftragten Grabmal für seine Frau Maria ersichtlich geworden ist: Das Grabmal wurde – sowohl in der Cappella Piccolomini als auch in der Cappella Correale – für ein Familienmitglied beauftragt, dem der Kapellenstifter seine Karriere in Neapel verdankte. Demgegenüber ließen sich die beiden in den Titeladel aufgestiegenen und am aragonesischen Königshof erfolgreichen auswärtigen Adligen in den feudalen Provinzen bestatten, um ihren dortigen Machtanspruch zu legitimieren. In ihren neapolitanischen Familienkapellen avancierte dagegen ein anderer, neuartiger Monumenttypus zum formidablen Repräsentationsmedium beider Kapellenstifter. Der Sediale für Marino Correale (um 1490) Analog zur Cappella Piccolomini wurde in der Cappella Correale der marmorne Sediale (Abb. 69) gegenüber dem Grabmal in die Rundbogennische der Epistelseite eingefügt. Auch hier ist er dem Kapellenstifter zu Selbstinszenierungszwecken vorbehalten und setzt sich, wie sein formales Vorbild im linken Seitenschiff, aus den drei Teilen Sockel, Sitzbank und spalliera zusammen. Die hohe Rückwand ist wiederum durch kleine Halbpilaster in drei Felder unterteilt, die allerdings nicht mit Buntmarmor verziert sind, 741 Es lassen sich für das 15. Jahrhundert keine vergleichbaren Grabmäler in Neapel nachweisen. Zu Filippo Strozzi (1428-1491), der enge Kontakte zum aragonesischen Königshof pflegte, sogar einen seiner Söhne nach Alfons von Aragon benannte, ein wichtiger Auftraggeber von Benedetto da Majano war und sich mehrere Jahre in Neapel aufhielt, siehe Pane, La Tavola Strozzi, 2009; Gregory, The Return, 1985; Borsook, Documents (I), 1970. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Filippo Strozzi auch beide Correale-Brüder kennengelernt hatte und Marino sich bewusst für dessen Grabmal als formale Vorlage für Gabrieles Sarkophag entschied, um die mit diesem einflussreichen Florentiner unterhaltenen Beziehungen visuell zu bekräftigen. Zum Grabmal für Filippo Strozzi, das über dem Sarkophag in der niedrigen Rundbogennische auch Elemente des neapolitanischen Grabmals für Maria von Aragon – beziehungsweise, um in Florenz zu bleiben, desjenigen für Kardinal Jakobus von Portugal – aufgreift und ca. 1487/88 von Benedetto da Majano gefertigt wurde, siehe u.a. Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 367-380; Borsook, Documents (I), 1970, bes. S. 742. 742 174 Grit Heidemann-Schirmer sondern im Halbrelief das Familienwappen der Correale in der Mitte sowie links und rechts die auch schon am Kapelleneingang gezeigten Impresen – Astrolabium und zwei sich kreuzende Flügel – präsentieren.743 Darüber folgt das ebenfalls nach antikem Muster gearbeitete Gebälk, auf dessen Architrav folgende Inschrift angebracht ist: „MARINVS CVRIALIS SVRRENTINVS TERRENOV[A]E COMES. VIR BELLO AC PACE FERDINANDO REGI FIDVS/ ALFONSO ETIAM REGI MAXIME CARVS. CAPPELLAM HANC SIBI POSTERISQ[VE] SVIS FECIT AN[NO] D[OMINI] MCCCCLXXXX.“744 Die Inschrift belegt zum einen die Sorrentiner Herkunft von Marino Correale und verweist auf seine soziale Stellung als Titeladliger am Hof der Aragonesen, wobei die Bedeutung seines königlichen Förderers Ferrante sowie die Bezugnahme auf den Förderer seines verstorbenen Bruders Gabriele, König Alfons I. von Aragon, besonders hervorgehoben wird.745 Dadurch werden die Erinnerungsmonumente Sarkophag und Sediale für beide Correale-Brüder zusätzlich miteinander verschränkt. Zum anderen gibt die Inschrift ganz deutlich die über die liturgischen Bedürfnisse hinausreichende Funktion der Sitzbank wieder, nämlich das Kapellenpatronat „für sich und seine Nachkommen“ visuell auf Dauer zu sichern.746 An der verbleibenden Wand befindet sich der Altar, der die marmorne Ausstattung des Kapellenraums komplettiert.747 Der Kapellenaltar Der auf 1489 datierte Altar (Abb. 70) der Cappella Correale folgt nicht nur in seiner Anbringung in einer Rundbogennische, die direkt auf den eintretenden Betrachter 743 Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 179, Anm. 7, interpretiert die Impresen als „Himmelsglobus sowie geflügelte Wolken, aus denen Regentropfen fallen.“ Zur oben genannten Interpretation siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 415, Anm. 169. 744 Folgendermaßen zu übersetzen: „Marino Correale aus Sorrent, Graf von Terranova, treuer Gefolgsmann von König Ferdinand im Krieg und im Frieden, außerdem hoch geachtet von König Alfons, hat diese Kapelle für sich und seine Nachkommen errichtet, im Jahr des Herrn 1490.“ 745 Es handelt sich demnach nicht um König Alfons II. von Aragon, wie Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 415, und Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 179, annehmen, da dieser im Jahr 1490 noch als „Duca di Calabria“ fungierte und erst fünf Jahre später die Thronfolge übernahm. So auch Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 118. 746 Mit Verweis auf dieselbe Inschrift am Kapelleneingang siehe Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 179f. 747 Zu den „drei Elemente[n] Sarkophag, Altar und Bank [die] passgenau in die aufwendige Kapellenarchitektur eingefügt [sind]“, siehe ebd., S. 178. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 175 ausgerichtet ist, dem Vorbild der Cappella Piccolomini.748 Auch im Aufbau verweist er auf das Vorbild und unterstreicht damit die bewusste Bezugnahme der CorrealeKapelle. Nur in wenigen Details lassen sich einige Unterschiede festmachen, die insbesondere dem Bildprogramm geschuldet sind, welches den jeweiligen Kapellweihetitel thematisiert. Während am Altar in der Piccolomini-Kapelle das Patronat der „Geburt Christi“ im mittleren Feld veranschaulicht wird, so ist am Correale-Retabel die Darstellung der „Verkündigung“ aufwendig in Szene gesetzt.749 In ihrer bildhauerischen Ausführung handelt es sich um die von Benedetto da Majano übernommene Relieftechnik des schiacciato,750 durch die der Erzengel Gabriel in seiner vitalen Haltung und Plastizität besonders ins Auge fällt und zugleich Assoziationen mit dem gleichnamigen, hier bestatteten Bruder des Kapellenstifters hervorruft. In den schmaleren Seitenfeldern schließen sich links Johannes der Täufer und rechts Johannes Evangelista unterhalb der Büsten zweier Sibyllen an, die sich auch hier, wie schon am Piccolomini-Altar, optisch von dem dunkel gefärbten Hintergrund abheben.751 Auf dem darüber befindlichen Gesims sind nur zwei Girlanden tragende Putten erhalten, man kann aber auch hier das Vorbild zur Rekonstruktion heranziehen und von ursprünglich vier Figuren ausgehen.752 Demgegenüber zeigt die Predella statt eines Girlandenfrieses sieben fein gearbeitete Reliefs mit Szenen aus dem Leben Christi und Marias. Von links nach rechts sind dies: die „Geburt Christi“, die „Anbetung der Könige“, die „Auferstehung Christi“, die „Grablegung Christi“, die „Himmelfahrt Christi“, die „Ausschüttung des Hl. Geistes“ und der „Tod der Jungfrau“.753 Dass sich der Erzengel Gabriel in der Verkündigungsszene direkt über das Predella-Relief der „Grablegung“ neigt, ist in subtiler Weise erneut eine Anspielung auf den in dieser Kapelle bestatteten Gabriele 748 Zum Altar siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 393-418; Caglioti, Benedetto da Majano, 2002; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 47; Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116f.; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 54f. Zudem Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006, die auch das zweite Retabel für die Kapelle in Terranova thematisieren. 749 Laut Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 399, handelt es sich bei der „Verkündigung“ um eine „Darstellung [die] der Geburt Christ ebenbürtig [war].“ 750 Zum rilievo schiacciato, das Benedetto da Majano nach dem Vorbild Donatellos anwandte, siehe zuletzt Kanz, Linien, 2010, bes. S. 107. 751 Zur Identifizierung dieser weiblichen Büsten als Sibyllen siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 410; Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 117. Venditti, La fabbrica, 1999, S. 47, interpretiert sie dagegen als die Heiligen Katharina und Agnese. 752 Darauf verweisen Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, bes. S. 120; Hersey, Alfonso II, 1969, S. 117. 753 Laut Hersey, Alfonso II, 1969, S. 117, sind die Szenen nicht chronologisch angeordnet, sondern thematisch, sodass die Szene der „Grablegung“ sich in der Mitte und damit direkt unterhalb der beiden Protagonisten der Verkündigungsszene befindet. Dazu auch Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 402f. u. 404. 176 Grit Heidemann-Schirmer Correale, dessen Grabplatte sich bezeichnenderweise in derselben Achse zu Füßen des Altars befindet.754 Marino Correale hat in den einzelnen Ausstattungselementen seiner neapolitanischen Familienkapelle offensichtlich Bezug genommen auf seinen frühzeitig verstorbenen Bruder Gabriele, dem er seine Karriere am aragonesischen Königshof verdankte.755 In der Kapellengestalt und der Form der Monumente – mit Ausnahme des seinem Bruder vorbehaltenen Sarkophags – werden jedoch deutliche Verweise auf die von Antonio Piccolomini gestiftete Kapelle evident, mit dem sich Marino offenbar sozial gleichstellen oder diesem zumindest nacheifern wollte und durch dieses Bedürfnis nach sozialer Anerkennung innerhalb des Netzwerkes des aragonesischen Hofes auf die Strategie der formalen Angleichung zurückgriff. Wenig anders verhielt es sich in der nun zu besprechenden Kapelle. V.2.2. Die Cappella d’Alessandro Die erste Kapelle, die im rechten Querarm von Santa Maria di Monteoliveto (Abb. 58) zugänglich ist, unterstand einst dem Patronat der Familie d’Alessandro.756 Sie fungiert als ein Durchgangsraum zur anschließenden Cappella Origlia und dem dazu gehörenden Altarraum, in dem Mazzonis Terrakotta-Gruppe der „Beweinung Christi“ (Abb. 59) aufgestellt ist.757 Laut der noch zu besprechenden Inschrift auf dem Sediale wurde die Kapelle von Antonio d’Alessandro 1491 gestiftet, also nahezu zeitgleich zur Cappella Correale. Im Gegensatz zum Sorrentiner Adligen war Antonio d’Alessandro zwar neapolitanischer, jedoch bürgerlicher Herkunft und er wurde erst 1460 als Neuadliger in den niederen Seggio di Porto aufgenommen.758 Als ausgebildeter Jurist avancierte er wie Correale zu einem angesehenen Vertrauten am aragonesischen Hof. So wurde er 754 Siehe noch einmal Abb. 67. Siehe der Sarkophag, die Inschrift am Sediale und die Figur des himmlischen Namenspatrons am Altar. 756 Die Kapelle wurde in Ermangelung von Erben laut der Inschrift der Bodenplatte 1533 von Antonino Fiodo übernommen. Zur Cappella d’Alessandro siehe u.a. Venditti, La fabbrica, 1999, S. 67f.; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 61v-62r. 757 Zu dieser Figurengruppe mit historischen Exempla aus dem aragonesischen Königshaus siehe noch einmal Kap.V.1.2. 758 Die Familie d’Alessandro bestand ursprünglich aus Kaufleuten, schrieb sich aber 1460 in den niederen Seggio di Porto ein. Dazu siehe De Frede, Schede, 1997, S. 121. Zu Antonio d’Alessandro siehe ebd., S. 121-124; Petrucci, D’Alessandro, 1985; Volpicella, Regis, 1861, S. 59f.; Giustiniani, Memorie (I), 1787, S. 38-44; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 61v; Terminio, Apologia, 1633, S. 100f. 755 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 177 1447 zum königlichen Berater von Alfons ernannt – ein Amt, das er auch unter den Thronfolgern weiterführte. Darüber hinaus fungierte er als Diplomat und Gesandter des Königshauses sowie als Richter, Protonotar und ab 1480 schließlich als Präsident des Heiligen Königlichen Rates. Sein besonderes Vertrauensverhältnis zur Krone spiegelt sich auch darin wider, dass er 1495 als einer der Zeugen des Testaments von König Alfons II. ernannt wurde. Er hinterließ viele juristische Schriften und wurde dahingehend von dem Hofhumanisten Giovanni Pontano gewürdigt.759 Die größte Ehre wurde ihm in Spanien zuteil, wo er als Gesandter weilte und für seine Bemühungen den Kannenorden verliehen bekam.760 Als Antonio d’Alessandro am 27. Oktober 1499 starb, wurde er in seiner Familienkapelle „con de’ pomposi funerali“ („mit einer prunkvollen Trauerfeier“) bestattet.761 Die ursprüngliche Ausstattung der Cappella d’Alessandro, die sich in ihrer originalen Form nicht mehr erhalten hat, setzte sich einst aus einem Grabmal und einem gegenüber aufgestellten Sediale zusammen, während ein Altar für das 15. Jahrhundert nicht nachweisbar ist.762 Wie schon in den zuvor besprochenen Kapellen handelt es sich auch hier zuvorderst um die Stiftung einer Grabstätte für ein Familienmitglied, indem Antonio nach dem Tod seiner Ehefrau ein Grabmal beauftragte, das jedoch auch ihm einen Platz bereithalten sollte. Das Doppelgrabmal für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia (1492) Wenn man heute die Cappella d’Alessandro betritt, dann begegnen einem nur noch einzelne Teile eines Grabmals, die einst auseinander genommen und im Kapellenraum (Abb. 71) verteilt wurden.763 Dabei scheint die Lünette, die heute in eigentümlicher 759 Die einzelnen Traktate nennt De Frede, Schede, 1997, S. 124. Darauf verweist ebd. Zum aragonesischen Kannenorden siehe Boulton, The Knights of the Crown, 1987, S. 330-338. 761 Giustiniani, Memorie (I), 1787, S. 42, der allerdings den 26. Oktober 1499 nennt. Volpicella, Regis, 1861, S. 59, Anm. 1, wiederum nennt zwar denselben Tag, jedoch das Jahr 1498. 762 Von D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 508, ebenso wie von De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 62r, werden zwar ein Altarbild mit der „Darbringung Christi im Tempel“ genannt, das sie jedoch Leonardo da Pistoia zuschreiben und das demzufolge erst im 16. Jahrhundert hier Aufstellung fand. Folglich nachdem die Kapelle von den Fiodo-Bovio übernommen worden war. Es ist zu vermuten, dass aufgrund der Konzeption als Durchgangsraum im 15. Jahrhundert noch kein adäquater Platz für einen Altar zur Verfügung stand und demzufolge auf den Kapellenaltar des angrenzenden Raumes zurückgegriffen wurde, vor dem heute die Terrakotta-Gruppe steht. 763 Zum Alessandro-Grabmal siehe vor allem Michalsky, Conivges, 2005, bes. S. 78f.; Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 154f. Auch Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 159-163, 760 178 Grit Heidemann-Schirmer Kombination mit dem noch zu besprechenden Sediale an der südlichen Kapellenwand angebracht ist, den Originalstandort des ehemaligen Grabensembles zu markieren. Anhand zweier Zeichnungen, die von Tobias Fendt (Abb. 72) und von Silloge del Boissard (Abb. 73) Ende des 16. Jahrhunderts angefertigt wurden, lässt sich die ursprüngliche Fassung weitestgehend rekonstruieren.764 Es handelte sich demnach um ein monumentales Wandgrabmal, das von einer aufwendig gestalteten, triumphbogenähnlichen Architektur gerahmt und in drei Ebenen unterteilt war. Das Sockelgeschoss wurde von vier Karyatiden gebildet, die auf einer flachen Stufe standen.765 Diese Stützenfiguren lassen sich als Tugenden interpretieren, von denen jedoch nur die beiden auf der linken Seite anhand der beigegebenen Attribute eindeutig als Prudentia und Fortitudo identifizierbar sind. Sie trugen den Doppelsarkophag (Abb. 74), der einst die zweite Ebene markierte, sich heute aber links neben dem Kapelleneingang befindet. Die Frontplatte des Sarkophags wird vollständig von der Liegefigur der Stifterehefrau Magdalena Riccia eingenommen, die sich in nur leicht erhabenem Relief vom Hintergrund abhebt.766 Magdalena wird schlafend präsentiert, den Kopf auf einem Kissen ruhend und die Hände auf dem Bauch verschränkt. Die Figur ist vor allem durch die stark akzentuierten und statisch anmutenden horizontalen Faltenlinien ihres Gewandes charakterisiert, die dem Monument ein weitaus archaischeres Aussehen verleihen als für ihre Entstehungszeit üblich.767 Entlang der Kopf- und der Sockelleiste der Frontplatte ist folgende Inschrift angebracht: „ANTONII DE ALEXANDRO ET MAGDALENE RICIE CONIVGVM/ QVOS DEVS CONIVNXIT HOMO NON SEPERET.”768 thematisiert das Monument, erkennt allerdings nicht, dass es sich um ein auseinander genommenes Wandgrabmal handelt. 764 Vgl. Fendt, Monumenta, 1574, Tafel 87 und Boissards Zeichnung von 1597-98, die abgedruckt ist bei Muñoz, Studii, 1909, S. 93, Fig. 21. Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 154f., kritisiert Boissards Zeichnung als „idea del monumento che non ebbe mai esecuzione.“ Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die „assurda presenza“ der vier Karyatiden, die nicht in das Konzept passen. Dem kann ich nicht folgen, da beide Zeichnungen, sowohl Boissard als auch Fendt, dieses Motiv wiedergeben und meines Erachtens gerade dieses Stützengeschoss im Rekurs auf den traditionellen Grabmalstyp der alteingesessenen Adligen Neapels auf die Zugehörigkeit von Antonios Ehefrau verweist, demzufolge mehr als plausibel erscheint. 765 In Fendts Zeichnung ist statt der Stufe die Grabplatte angeführt. 766 Zu dieser nicht nur positionell, sondern auch ästhetisch untergeordneten Darstellung der Ehefrau siehe Michalsky, Conivges, 2005, bes. S. 80 u. 84, die zugleich darauf aufmerksam macht, dass es sich dabei dennoch um eine besondere Ehre handelte, war es doch, zumindest in Neapel, sonst nicht üblich, Frauen auf Grabmälern darzustellen. 767 Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 162, beschreibt die Gewänder dementsprechend als „wie aus Brettern gezimmert.“ 768 Folgendermaßen zu übersetzen: „Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia, im Bunde vereint. Was Gott zusammengefügt, soll der Mensch nicht trennen.“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 179 Die Inschrift verweist demnach auf das hier bestattete Ehepaar und leitet von der Liegefigur Magdalenas zum Gisant Antonios über, der sich auf dem Deckel des Sarkophags befindet und leicht angeschrägt ist, um dem einstigen Besucher eine bessere Erkennbarkeit des hier Repräsentierten zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Magdalena ist die Liegefigur von Antonio zwar vollplastisch gearbeitet, doch wird dieser ebenfalls schlafend und mit derselben Armhaltung gezeigt, ebenso wie sein Gewand die strenge Linienführung weiterführt. Antonio sind individuelle Attribute beigegeben, die seinem sozialen Status gerecht werden sollten. So ist das Gewand als Richterrobe zu charakterisieren, dem auch die Kopfbedeckung entspricht. Der Kopf ruht bezeichnenderweise auf zwei geöffneten Büchern, die seine verfassten Schriften in Erinnerung rufen. Zudem ist der obere Saum seiner Robe mit dem Symbol des aragonesischen Kannenordens (Krug mit drei Lilien) verziert, der ihm einst verliehen worden war. Schließlich ruhen zu seinen Füßen zwei Hunde, die das Selbstverständnis des Neuadligen als Ritter zeichenhaft vermitteln. Über der Liegefigur Antonios befand sich die Lünette, in der Maria mit dem Christuskind zwischen zwei Engeln präsentiert wird. Der heute sichtbare Anbringungsort dieses Bogenfeldes an der linken Kapellenwand (Abb. 71) liefert ein Indiz für den originalen Platz des Wandgrabmals. Somit wären die Liegefiguren der beiden Verstorbenen zum Altar des benachbarten Kapellenraums ausgerichtet gewesen, ebenso wie die in ihrer Körperdrehung leicht in diese Richtung geneigten Tugenden.769 Die an der linken Kapellenwand vermutete Aufstellung des Grabmals findet auch einen argumentativen Rückhalt in deren Zuweisung als Evangelienseite des anvisierten Altars, zumal das Monument nicht nur für den Kapellenstifter, sondern auch für seine Frau bestimmt war. Das Doppelgrabmal wird in der Forschung dem lombardischen Bildhauer Tommaso Malvito zugeschrieben, was sich indirekt in einem Vertrag aus dem Jahre 1506 bestätigt findet, in dem das auffallend ähnlich gestaltete Monument für Mariano d’Alagno und Caterinella Orsini (Abb. 75) Bezug nehmend auf das Alessandro-Grabmal verhandelt wird.770 Demnach hatte Malvito eine Modellzeichnung für das Alagno-Grabmal angefertigt, das jenem Alessandro-Monument entsprach. Da diese Vorlage jedoch 769 Im Vergleich mit den historischen Zeichnungen würden demnach auch die Proportionen der einzelnen Ebenen übereinstimmen. 770 Siehe dazu Michalsky, Conivges, 2005; dies., Seggi und Sediali, 2005, S. 194f.; Abbate, La scultura, 1992, S. 36f.; Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 154; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, 159; Muñoz, Studii, 1909, S. 91f., mit Abbildungen. Auf Tommaso Malvito als ausführenden Künstler des Alessandro-Grabmals verweist auch De Frede, Schede, 1997, S. 122f. 180 Grit Heidemann-Schirmer mittlerweile als altertümlich galt, wurde sie vom neuen Auftraggeber nicht akzeptiert und stattdessen eine Modifikation gefordert, die sich in der Auswechslung der Tugendfiguren in der unteren Ebene durch einen inkorporierten Sediale niederschlug. Nicht nur am Anfang des 16. Jahrhunderts, sondern auch schon zur Entstehungszeit des Doppelgrabmals für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia wurde das Monument als „alt“ empfunden. Dies lag insbesondere an der Formgebung, die im Aufbau dem traditionellen angiovinischen Grabmalstypus folgte und auch in der Umsetzung weitgehend innovative Details vermied. Wie ist dies aber im Kontext der am aragonesischen Königshof tätigen Protagonisten zu erklären, die doch so offensichtlich den Einsatz neuer Formen vorantrieben und zu denen auch Antonio d’Alessandro zählte? In diesem Fall scheint Antonios Ehefrau die entscheidende Rolle gespielt zu haben.771 Magdalena Riccia kam bezeichnenderweise aus dem höheren Seggio di Nido, dessen alteingesessene Familien sich aufgrund ihres Alters und ihrer neapolitanischen Herkunft als privilegiert unter den Adligen in der Hauptstadt verstanden und dies auch in Form des alten lokalen Grabmalstypus zu vermitteln suchten.772 So wie schon Antonio Piccolomini und Marino Correale in ihren Familienkapellen Grabmäler für Angehörige errichten ließen, die im jeweiligen sozialen Kontext ihre höchst unterschiedlichen Formgebungen erfuhren, so findet sich dies auch am Doppelgrabmal für Antonio d’Alessandro und seine Frau Magdalena Riccia wieder. Dem Kapellenstifter blieb wiederum der Sediale als innovatives und individuelles Repräsentationsmedium vorbehalten. Der Sediale für Antonio d’Alessandro (1491) Der Sediale für Antonio d’Alessandro (Abb. 76) befindet sich heute unterhalb der Grabmalslünette an der linken Kapellenwand.773 Seine ursprüngliche Positionierung lässt sich auf der gegenüberliegenden Epistelseite rekonstruieren, wo nunmehr der 1540 gefertigte Sediale für Antonino Fiodo steht.774 771 Zur besonderen Stellung Magdalenas, die Antonio „den Zugang zu den relevanten politischen Zirkeln wenn nicht ermöglicht, so doch erleichtert [hatte]“, siehe Michalsky, Conivges, 2005, S. 84. 772 Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.2. 773 Zum Sediale für Antonio d’Alessandro vor allem Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, bes. S. 181-184. 774 Zu dieser dem Grabmal gegenübergestellten Position des Sediale siehe auch dies., Conivges, 2005, S. 78; dies., Seggi und Sediali, 2005, S. 184. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 181 Das Monument folgt im Aufbau exakt den beiden Vorläufern für Antonio Piccolomini und Marino Correale. Allein der Sockel hat sich nicht erhalten oder wurde vom späteren Fiodo-Monument aufgenommen. Die drei Felder der Rückwand geben im fein gearbeiteten Relief großformatig das Familienwappen in der Mitte sowie links und rechts das Emblem des Kannenordens wieder, auf dessen Erwerb Antonio zu Lebzeiten sicherlich besonders stolz gewesen war. Auf dem Architrav des oben abschließenden Gebälks ist folgende Inschrift angebracht: „ANTONIVS DE ALEXANDRO IVRISCONSVLTVS AD SVAS ET SVOR RELIQVIAS REPONENDAS QVOVSQVE SACELLVM OMNES CONSTRVXIT RESVR/ ET GAMVS REDEMPTORI NOSTRO DICAVIT MCCCCLXXXXI.“775 Erneut werden hier der Stifter und das für seine Familie erworbene Kapellenpatronat in Erinnerung gehalten. Schon Michalsky macht auf die im Wortlaut hervorgehobene Formulierung „quousque omnes resurgamus“ aufmerksam, die den intendierten Betrachter mit einschließt.776 Die Inschrift verdeutlicht demnach den besonderen Stellenwert, den die Kapelle als Durchgangsraum zu dem schon von den Zeitgenossen viel beachteten Altarraum einnahm, in dem Mazzonis Terrakotta-Gruppe mit den historischen Exempla der aragonesischen Dynastieangehörigen aufgestellt war. Trotz dieser Funktion als Durchgangsraum rekurrierte die Cappella d’Alessandro auf die vorbildhafte Piccolomini-Kapelle, was sich insbesondere in der ursprünglichen Gegenüberstellung von Grabmal und Sediale manifestiert. Während das Doppelgrabmal nicht nur dem Kapellenstifter, sondern auch seiner Ehefrau als angemessenes Repräsentations- und Erinnerungsmonument vorbehalten war, das in seiner Formgebung die exklusive Herkunft von Magdalena und den daraus resultierenden gehobenen Status des angeheirateten Neuadligen medial transferierte, so folgte der Sediale dem neu geschaffenen Typus, der von Antonio Piccolomini wenige Jahre zuvor erstmals in Neapel beauftragt worden war und in der Folgezeit von bedeutenden Protagonisten des aragonesischen Hofes im Sinne einer corporate identity rezipiert wurde. 775 Folgendermaßen zu übersetzen: „Der Rechtsgelehrte Antonio d’Alessandro errichtete diese Kapelle, um die Überreste von sich und seinen Angehörigen zu bewahren, bis dass wir alle auferstehen, und er weihte sie unserem Erlöser [im Jahr] 1491.“ 776 Vgl. Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 183f. 182 Grit Heidemann-Schirmer Die Sitzbank avancierte um 1500 auch in den anderen Kirchen der Stadt zum modischen Requisit einer adligen Familienkapelle.777 Gleichermaßen wurde das Grabmal für Maria von Aragon an vielen Folgewerken zum motivischen Vorbild, sicherlich stellvertretend für die fehlenden aragonesischen Königsgrabmäler. Demgegenüber zeigen die Stiftergrabmäler der beiden Kapellen Correale und d’Alessandro eine Formenvielfalt, die mit dem Geltungsanspruch des jeweiligen Auftraggebers in Bezugnahme auf die jeweiligen Familienangehörigen zu erklären ist. V.3. Zum Aufkommen neuer Grabmalstypen Bei den bisher in diesem Kapitel thematisierten Adelsgrabmälern lässt sich folgendes feststellen: Parallel zum verstärkten Zuzug auswärtiger Adliger nach Neapel im späten 15. Jahrhundert wurden auch vermehrt Grabmonumente mit einem neuartigen Formenvokabular sowie neue Typen eingeführt. Während das Doppelgrabmal für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia auf die lokalen, traditionell gefertigten Vorläufer rekurrierte und demzufolge das Herkunftsbewusstsein insbesondere der beteiligten Ehefrau vermittelte, die aus der neapolitanischen Maggiore Nobiltà stammte, so wurden bei den meisten Grabmalsaufträgen der Nobili fuori Piazza und der Neuadligen andere Repräsentationsstrategien verfolgt. Dies lässt sich an weiteren Monumenten ablesen, die bezeichnenderweise alle in Santa Maria la Nova errichtet wurden. Das Grabmal für Matteo Ferrillo (1492–1499) Das für Matteo Ferrillo nach 1492 errichtete monumentale Wandgrabmal (Abb. 77) präsentiert sich dem heutigen Betrachter im Kreuzgang der Franziskanerkirche mit einer triumphbogenartigen Umbauarbeiten architektonischen erkennen lässt, 778 16. Jahrhunderts ausgesetzt war. 777 denen Rahmung, das die Monument deutliche seit dem Spuren der Ende des Auch der mächtige Sockel, der die Liegefigur des Dazu noch einmal ebd. An dem Monument sind einige Bruchstellen deutlich erkennbar, die vermutlich infolge der Umsetzung am Ende des 16. Jahrhunderts oder bedingt durch eines der zahlreichen Erdbeben der letzten Jahrhunderte entstanden. Aufgrund der fehlenden Schrift- und Bildquellen ist die Rekonstruktion des ursprünglichen 778 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 183 Verstorbenen trägt, weist diese Überarbeitungsspuren auf und lässt die Frage aufkommen, inwieweit die heutige Zusammensetzung der originalen Gestalt entspricht. Das Grabmal wird von einem hoch aufragenden Postament charakterisiert, das im zentralen Bildfeld das aufwendig mit einem Helm und arabeskenartigem Dekor sowie mit einem Drachen verzierte Familienwappen präsentiert, dem sich seitlich weitere flach reliefierte Darstellungen anschließen.779 Dieses Feld wird von fein gearbeiteten Pilastern und Konsolen umrahmt, welche die zweigeteilte Inschrift visuell verbinden, die folgendermaßen lautet: „MATHEVS FERILLVS NOBILI ET EQVESTRI ORDINE INSIGNIS MVRI COMES/ ALPHONSI II. REGIS ARAG. A CVBICVLO PRIMVS, EIVSQ. DVM PATERENTVR/ ANNI GVBERNATOR POSTERITATI CONSVLENS SACELLVM HOC VIRGINIS/ ASSVMPTIONI DICATVM, VIVENS SIBI ET SVIS F.C./ A CHRISTI NATALIBVS MCCCCLXXXXVIIII.“780 Die Inschrift verweist nicht nur auf das Juspatronat der Kapelle, sondern sie macht auch deutlich, dass das Grabmal noch zu Lebzeiten des Stifters errichtet wurde.781 Darüber hinaus rühmt es den Verstorbenen als einen neuen Titeladligen und treuen Gefolgsmann von König Alfons II. von Aragon. Dies täuscht allerdings über den Umstand hinweg, dass Matteo Ferrillo den Quellen zufolge zwar eine erfolgreiche Karriere am aragonesischen Königshof zu verzeichnen hatte, die ihm die Funktionen als Kämmerer und Berater von Ferrante und Alfons II. einbrachte.782 Doch laut Patroni Griffi lag sein Zustandes jedoch kaum durchführbar. Wenige überkommene Dokumente lassen zumindest Rückschlüsse auf die ursprüngliche Kapellenausstattung zu. Demnach schloss der Stifter Matteo Ferrillo mit dem sizilianischen Maler Riccardo Quartararo einen Vertrag am 4. November 1491 sowie am 18. November 1492 für ein Altarbild und wenige Wochen später, am 17. Dezember desselben Jahres, folgte eine schriftliche Festlegung mit dem lombardischen Bildhauer Jacopo della Pila, in der die Verwendung von Carrara-Marmor für das Stiftergrabmal gefordert wird. Daraus ergibt sich eine Datierung des Grabmals auf 1492 post quem. 779 Zur Beschreibung dieses Mittelfelds siehe auch Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 158, der die beiden seitlichen Flachreliefs als heraldische Motive interpretiert. Meines Erachtens scheinen diese jedoch einen mit Sphingen geschmückten Altar wiederzugeben, der von einem Vorhang umfangen ist. 780 Folgendermaßen zu übersetzen: „Matteo Ferrillo, hervorragender Adliger und Ritter, Graf von Muro, erster Kämmerer des aragonesischen Königs Alfons II. und sein Statthalter, solange das Alter es zuließ, ermöglichte der Nachwelt zu Lebzeiten die Errichtung dieser der Himmelfahrt der Jungfrau bestimmte Kapelle, für sich und die Seinen. Von der Geburt Christi [im Jahr] 1499.“ Die heute kaum noch lesbare Inschrift geben Salvatore, Tra Fiandre e Napoli, 1998, S. 16, Anm. 27; Rocco, Il convento, 1927, S. 273. 781 Das Todesdatum von Matteo Ferrillo ist nicht bekannt. Siehe Patroni Griffi, Ferrillo, 1997, S. 182. Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 106, vermutet zwar die angegebene Jahreszahl 1499 als Todesdatum von Matteo Ferrillo und datiert das Grabmal auf 1492-93. Doch die Inschrift selbst vermittelt, dass der Stifter zum angegebenen Zeitpunkt, 1499, noch lebte. 782 Zu seiner Person siehe Patroni Griffi, Ferrillo, 1997. 184 Grit Heidemann-Schirmer besonderes Interesse im Erwerb feudaler Güter, mittels derer er zu Reichtum und gesteigertem sozialen Prestige gelangen wollte.783 Für Matteo Ferrillo scheint die privilegierte Position am aragonesischen Königshof weniger wichtig für die dortige Gruppenbildung zum Ausdruck von Loyalität als vielmehr Mittel zum Zweck der persönlichen Machtsteigerung gewesen zu sein, denn in Zeiten der dynastischen Krise wechselte er bezeichnenderweise zum Gefolge des französischen Königs Karl VIII. über.784 Erst nach der Rückeroberung Neapels durch Ferrandino von Aragon bemühte er sich um die Wiedererlangung des Vertrauens am Hof,785 was sich auch in der Inschrift seines Grabmals durch den Verweis auf seine höfische Stellung widerspiegelt. Über dem all’antica gearbeiteten Gesims des Sockels befindet sich die in Rüstung gekleidete Liegefigur des Verstorbenen, die auf einer Matratze mit Kissen aufgebahrt ist und am Fußende die Reste zweier Hunde als dem Ritterstand entsprechende Symbole der Treue aufweist. Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei um einen Sarkophagdeckel, während der eigentliche Sarkophag heute fehlt.786 Dies wird im Vergleich mit zwei anderen, ebenfalls von Jacopo della Pila gefertigten Adelsgrabmälern deutlich, die signifikante Parallelen zum Ferrillo-Monument, insbesondere bei der Liegefigur, erkennen lassen und den dort fehlenden Sarkophag aufweisen. Die Rede ist von den schon in Kapitel IV besprochenen Grabmälern für Pietro Brancaccio von 1483 und für Niccolò d’Alagno von 1494 (Abb. 51 u. 53), deren formale Bezugnahmen auch vertraglich festgehalten sind.787 Der vermutlich sehr ähnlich gestaltete Sarkophag des Ferrillo-Grabmals befand sich einst vielleicht anstelle des heutigen Gesimses, andernfalls würde die Liegefigur weitaus höher liegen, sodass kaum noch Platz für den darüber befindlichen Tondo bliebe. Im Vergleich mit einem weiteren Werk desselben Bildhauers, dem ebenfalls schon vorgestellten Grabmal für Tommaso Brancaccio von 1492 (Abb. 44), bleibt dieses Motiv des Tondos über der Liegefigur auch für das Ferrillo-Grabmal plausibel, nur das es die Madonna mit Christuskind in etwas anderer Körperhaltung zeigt.788 Interessanterweise taucht es erstmals an dem besagten Grabmal für Prinzessin Maria von Aragon (Abb. 62) auf, das 783 Vgl. ebd., S. 181. So erwarb Matteo Ferrillo 1477 die Stadt Muro, die ihm 1483 als Grafschaft vom König zuerkannt wurde; weitere Ländereien folgten. Vgl. ebd., S. 182. 784 Siehe dazu vor allem Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 51, bes. S. 93. Zur Invasion Karls VIII. nach Neapel 1495 siehe noch einmal Kap. II.4. 785 Darauf verweist Patroni Griffi, Ferrillo, 1997, S. 182. 786 Dies wurde in der bisherigen Forschung nicht beachtet. 787 Siehe dazu Filangieri, Documenti (VI), 1891, S. 283f. Zu beiden Grabmälern noch einmal Kap. IV.2.2. 788 Zum Grabmal für Tommaso Brancaccio siehe noch einmal Kap. IV.1.2. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 185 in den 1480er Jahren von Benedetto da Majano vollendet wurde und in der Folgezeit einen großen Einfluss auf die neapolitanische Grabmalslandschaft ausübte.789 Das Grabmal für Matteo Ferrillo bediente sich also verschiedener Motive, wodurch es einen beinahe eklektischen Charakter hinsichtlich des Zugehörigkeitsbewusstseins seines Auftraggebers aufweist. Folgt man der Biographie des Stifters, so lassen sich einige Parallelen erkennen in seiner Persönlichkeit als Adliger, der aus dem niederen Seggio di Porto stammte und über den Königshof zu Reichtum und Rangerhöhung gelangen wollte, dabei aber über Loyalitäten hinweg sah. Insofern dürften die Grabmäler der mit sozial hohem Prestige ausgestatteten Adligen der Maggiore Nobiltà vorbildhaft für Ferrillo gewesen sein, was sich auch in den formalen und motivischen Bezugnahmen auf deren Monumente manifestiert.790 Darüber hinaus lässt sich die Einbeziehung eines seit dem Grabmal für Maria von Aragon in Neapel bekannten Motivs, dem Marientondo, als zusätzliche Nobilitierung seines Erinnerungsmonumentes verstehen, das durch die Darstellung der Madonna mit dem segnenden Christuskind dem Verstorbenen zugleich die commendatio animae visuell auf Dauer zusicherte und einen Verweis auf das Kapellenpatronat lieferte. Das Grabmal für Bischof Costantino Castriota (um 1500) Das Grabmal für Costantino Castriota (Abb. 78) zeigt in seiner heutigen Gestalt viele innovative Elemente und eine für die damalige neapolitanische Grabmalslandschaft völlig neuartige Zusammensetzung, die folgende vier Ebenen umfasst.791 In der Mittelachse des Wandgrabmals befindet sich statt eines Sockels eine sphinxähnliche Figur, die den traditionellen Karyatiden entsprechend die Stützfunktion übernommen hat, hier nun aber eine Inschrifttafel mit folgendem Wortlaut trägt: „CONSTANTINVS CASTRAYOTVS HIC/ TEGITVR SANGVINE ET COGNATIONE/ REGIA AC CAESAREA CLARVS MORVM/ CANDORE INSIGNIS DIGNITATE/ PONTIFEX ESERNIENSIS DVM 789 Zum Grabmal für Maria von Aragon siehe noch einmal oben Kap. V.2. Zum Madonnentondo im Vergleich mit dem Ferrillo-Grabmal siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 274. 790 Insbesondere Pietro Brancaccio dürfte als Vorbild gedient haben, gehörte er doch einer der ältesten Adelsfamilien Neapels an, die im höheren Seggio di Nido sesshaft war. 791 Zu diesem bisher kaum in der Forschung beachteten Grabmal siehe Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 159f.; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 195-197; Rocco, Il convento, 1927, S. 280f. 186 Grit Heidemann-Schirmer PROBE/ VIVIT INTEMPESTIVE MORITVR/ ANDRONICA COMINATA PATERNA/ AVIA NEPOTI OPTIMO POSVIT/ M.D.“792 Schon in dieser Inschrift wird die besondere soziale Stellung des viel zu früh Verstorbenen angedeutet, die sich in den darauf folgenden Ebenen auch bildlich manifestiert. So befindet sich in der dritten Ebene der Sarkophag, der mit seinen Löwenfüßen und der Riefelung ganz offensichtlich römisch-antiken Vorbildern folgt und somit auf subtile Weise einen Bezug zur Papststadt schafft.793 Die aufgebahrte Liegefigur des Verstorbenen trägt das Bischofsornat, welches den Bestatteten einst ausgezeichnet hatte, denn Costantino Castriota war 1497 von Papst Alexander VI. (1492–1503) zum Bischof von Isernia ernannt worden.794 Auch in der von aufwendig dekorierten Pilastern gebildeten architektonischen Rahmung dieser „kastenförmige[n]“795 camera funebris vermittelt die Mitra über dem Familienwappen die einstige kirchliche Funktion des Verstorbenen. Der Hintergrund der Totenkammer wird von den vier halbfigurig dargestellten Kardinaltugenden eingenommen, die durch ihre Attribute von links nach rechts als Temperantia, Justitia, Fortitudo und Prudentia zu interpretieren sind. Sie markieren in ihrer Positionierung die auffälligste Neuerung im Kontext der damaligen neapolitanischen Grabmalslandschaft, indem die ehemals als Karyatiden im Sockelgeschoss befindlichen Tugenden nun in direkte Nähe zum steinernen Konterfei des Verstorbenen gerückt sind und an deren Stelle das Motiv der Sphinx in die untere Ebene eingefügt wurde.796 Über einem all’antica gearbeiteten Gebälk schließt das Grabmal mit einem Dreiecksgiebel ab, der von den Seiten spitz zulaufend in einem Segmentbogen am Scheitelpunkt endet und unter dem der segnende Gottvater erscheint.797 792 Folgendermaßen zu übersetzen: „Hier ist Costantino Castriota begraben, der, solange er durch königliches und kaiserliches Blut und Verwandtschaft und durch die Reinheit der adligen Sitten [sowie] durch die päpstliche Würde von Isernia gut lebte, vorzeitig starb. Andronica Cominata, Großmutter väterlicherseits, ließ für den vortrefflichen Enkel [dieses Grabmal] errichten [im Jahre] 1500.“ 793 Zur Kenntnis der antiken Sarkophage im Italien des 15. Jahrhunderts siehe Koch, Sarkophage, 1993, S. 6. 794 Siehe dazu Rocco, Il convento, 1927, S. 280f. 795 Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 195. 796 Auch an anderen neapolitanischen Adelsgrabmälern des 15. Jahrhunderts, wie z.B. für Sergianni Caracciolo del Sole (1433-1449) in San Giovanni a Carbonara und bei den Carafa-Grabmälern (1470er und 1490) in der Cappellone del Crocifisso von San Domenico Maggiore sind die Tugenden in die Pilasternischen gerückt, werden allerdings im Sockelgeschoss von anderen Karyatiden beziehungsweise liturgischem Mobiliar ersetzt. Zu den Vergleichsbeispielen siehe Kap. III.2. und Kap. IV.2.2. 797 Dass dies im 15. Jahrhundert ein beliebtes Motiv im abschließenden Giebel war, lässt sich auch an den neapolitanischen Wandgrabmälern für Rinaldo Brancaccio (†1427) in Sant’Angelo a Nilo, für Giovanni Miroballo (†1465) in San Giovanni a Carbonara und für Galeazzo Sanseverino (†1477) in Santa Maria la Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 187 Aufgrund der innovativen Elemente und zahlreichen antikisierenden Motive wird das Grabmal in der Forschung dem lombardischen Bildhauer Tommaso Malvito zugeschrieben.798 Es verweist erneut auf den bereitwilligen Umgang mit neuen Formen durch die Nobili fuori Piazza, zu denen die Castriota zählten. Die Familie stammte aus Albanien und war im 15. Jahrhundert untrennbar verbunden mit dem „großen albanischen Türkenbezwinger“ Giorgio Castriota Scanderbeg, der schon für König Alfons I. von Aragon ein wichtiger Bündnispartner gewesen war.799 Nach dem Tod von Giorgio (†1468) siedelte die Familie von Albanien nach Süditalien über, wo sie vom Ruhm des verstorbenen Ahnherrn profitierte.800 So wurde dem Sohn Giovanni Castriota, der zugleich der Vater von Costantino war, die Grafschaft Monte Sant’Angelo im heutigen Apulien von König Ferrante übertragen, dem er gleichermaßen seine Loyalität zusicherte.801 Costantino Castriota wuchs demnach im süditalienischen Regnum auf und verfolgte, wie schon erwähnt, eine klerikale Karriere, die ihm den Titel als Bischof von Isernia 1497 einbrachte. Als er mit noch jungen Jahren starb – so vermittelt es jedenfalls die Inschrift –, ließ ihm seine Großmutter Andronica Cominata, die einstige Ehefrau Scanderbegs, das hier vorgestellte Grabmal in Santa Maria la Nova im Jahr 1500 errichten. Ihre explizite Namensnennung in der Inschrift mit dem Verweis auf das Verwandtschaftsverhältnis zur väterlichen Linie muss bei den Zeitgenossen sofort die Erinnerung an den berühmten Vorfahren hervorgerufen haben. Es verdeutlicht das Bedürfnis der Auftraggeberin nach einer eigenen dauerhaften Kommemorierung in der Nova festmachen, deren Giebelformen zwar unterschiedlich geartet sind, doch dasselbe Motiv des segnenden Gottvaters zwischen Engeln präsentieren. 798 Dazu Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 195 u. 197, der den Vergleich mit dem „fragmentarischen Cuncto-Grabmal im Dom von Amalfi“ gibt und auf die antikisierten „Groteskenmotive“ an den Pilastern hinweist. Vor allem in der ungewöhnlichen Sockelfigur lässt sich eine Parallele mit einem weiteren neapolitanischen Werk von Tommaso Malvito ziehen, und zwar dem Kenotaph für Antonio Rota und Lucrezia Brancia von 1497 in San Domenico Maggiore. Siehe dazu Ascher, Tommaso Malvito, 2000, S. 115. Außerdem zu dem in Neapel tätigen Bildhauer Tommaso Malvito siehe Pane, Il Rinascimento (II), bes. S. 145-163; Muñoz, Studii, 1909. Dagegen wird das Grabmal auch Jacopo della Pila zugeschrieben von Sorce, Jacopo, 2004, S. 83 und Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 159, zumindest für die Tugenden. Dessen neapolitanische Grabmalsaufträge zeichnen sich allerdings durch weitaus mehr retrospektive Formen und Motive aus, was eine Zuschreibung für das Castriota-Monument schwierig macht. 799 Siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 280f. Zu Giorgio Castriota Scanderbeg siehe ebd., S. 282; Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 267 u. 274. Zitat von Thoenes, Neapel, 1971, S. 214. Außerdem D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 30-32. 800 Darauf verweist Petrucci, Cavaniglia, 1979, S. 221. 801 Zu Giovanni Castriota siehe Petrucci, Cavaniglia, 1979, S. 221; Volpicella, Regis, 1861, S. 148, Anm. 1. Die wenigen Daten zu Costantino Castriota lassen sich nur der Biografie seines Vaters entnehmen. 188 Grit Heidemann-Schirmer süditalienischen Hauptstadt, in der die Familie zur Gruppe der Nobili fuori Piazza gehörte. Das Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (1510er) Als drittes Beispiel in der Franziskanerkirche ist das Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (Abb. 79) zu nennen. Es handelt sich um ein monumentales Wandgrabmal, das eine Architekturrahmung nach Art antiker Triumphbögen aufweist und aus vier Ebenen besteht.802 Die erste Ebene befindet sich über einem hohen, profilierten Sockel. Sie weist eine breite Inschrifttafel mit folgendem Wortlaut auf: „SANTIO VITALIANO REG. ARAG. ALUMNO/ PATRI PIENTISS./ HIPPOLITAEQ. IMPERATAE CONIVGI DVLCISS./ BENEMERENTIQ./ NICOLAVS FRANCISCVS VITALIANVS/ AD PERPETVAM MEMORIAM/ ERIGENDVM CVR./ A. SAL. M CCCC L XXXXVII.“803 Die Inschrift gibt zum einen den Sohn des verstorbenen Ehepaars, Nicola Francesco Vitagliano, als Initiator zu erkennen, der das Grabmal 1497 für seinen Vater beauftragt hatte. Zum anderen kommuniziert sie die enge Bindung zwischen Sanzio und dem aragonesischen Königshaus, welche – meiner These zufolge – auch ausschlaggebend für die Standort- und Formwahl dieses Grabmals war. Die Inschrift wird zudem flankiert von Pilasterpostamenten, auf deren Frontseite das vereinte Wappen beider Verstorbenen im Relief eingearbeitet ist. In der zweiten Ebene befindet sich der Doppelsarkophag für das verstorbene Ehepaar, der in seiner Kastenform und der Anbringung beider Figuren zwar dem traditionellen Grabmalstypus folgt, aber in der motivischen Darstellung der beiden Kommemorierten 802 Zu diesem „klassizierenden Triumphbogen mit Viktorien“ siehe Michalsky, Conivges, 2005, S. 80. Im römischen Kontext zum neu aufkommenden Triumphbogenmotiv an den Grabmälern des frühen 16. Jahrhunderts siehe Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, bes. S. 50-53. In Neapel war allerdings der von König Alfons I. von Aragon beauftragte Triumphbogen (1471 vollendet) am Castel Nuovo maßgebend für die Skulptur der Folgezeit. Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, S. 13-61; Bologna, Un passo, 1994; Kruft/Malmanger, Der Triumphbogen, 1977; Hersey, The Aragonese Arch, 1973. 803 Folgendermaßen zu übersetzen: „Für Sanzio Vitagliano, Zögling des aragonesischen Königs, hingebungsvoller Vater, gütigster Ehemann von Ippolita Imperato und voller Verdienste. Nicola Francesco Vitagliano besorgte die Errichtung [dieses Grabmals] zum ewigen Gedächtnis im Jahr der Erlösung 1497.“ Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 189 grundlegende Fragen hinsichtlich der Datierung aufwirft.804 Es handelt sich um den aus der Liegeposition aufgerichteten Demigisant, der in der bisherigen Grabmalsforschung bei den von Andrea Sansovino zwischen 1505 und 1509 in der römischen Kirche Santa Maria del Popolo geschaffenen Kardinalsgrabmälern für Ascanio Maria Sforza und Girolamo Basso della Rovere erstmals nachgewiesen wurde.805 Sowohl Sanzio Vitagliano, hier als vollplastische Figur auf dem Sarkophagdeckel, als auch seine Ehefrau Ippolita Imperato, im Halbrelief auf der Frontplatte, werden schlafend dargestellt, wobei ihre Oberkörper leicht erhoben und ihre Köpfe auf dem jeweils linken Arm aufgestützt sind.806 Auch die gekreuzte Beinhaltung von Sanzio ähnelt dem „sansovinischen Typus“.807 Sollte es sich bei dem Vitagliano-Grabmal tatsächlich um eine Rezeption dieses höchst modernen römischen Grabmalstyps handeln, dann läge dies aber nicht, wie Götzmann für den römischen und norditalienischen Kontext argumentiert, an dem sozialen Status der Auftraggeber als geistliche Würdenträger, die diese „Chiffre für Erfolg“ verstärkt an ihren Grabmälern einsetzten.808 Sanzio ist hier entsprechend seiner Stellung als Höfling präsentiert, während seine Frau demutsvoll das Franziskanergewand trägt. Außerdem handelt es sich bei dem neapolitanischen Monument nicht um einen aufwendig all’antica gearbeiteten Sarkophag, sondern um eine einfache Kastenform, die sicherlich aufgrund der Doppelbelegung des Grabmals zu argumentieren ist, denn nur so war auch der Platz für die Darstellung der Ehefrau auf der Frontseite gewährleistet. Ippolitas rechter Arm ist locker auf den Körper gelegt. In der durch das Anwinkeln entstehenden Linienführung wird der Blick des Betrachters auf den Zeigefinger gelenkt, 804 Zur zumindest für neapolitanische Ehegrabmäler typischen Anbringung der Frau in leicht erhabenem Relief auf der Frontplatte des Sarkophags und des Mannes als vollplastische Figur auf dem Sarkophagdeckel siehe Michalsky, Conivges, 2005. 805 Siehe dazu zuletzt Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, bes. S. 31-49, zu den beiden genannten Grabmälern S. 57-100, die sie als „Prototypen“ bezeichnet. Vgl. ebd., S. 14. Überzeugend ist ihr Argument, dass der zeitgenössische Historiograph Leandro Alberti „in seiner Abhandlung [Descrittione di tutta Italia von 1551] […] die ersten beiden Monumente in Italien aufführt, die diese neuartige Typologie prägten.“ Und zwar eben jene beiden von Sansovino geschaffenen Kardinalsgrabmäler. Vgl. ebd., S. 33f. Außerdem zu möglichen etruskischen und spanischen Vorbildern sowie kulturgeschichtlichen Einflüssen, wie dem Gelehrtenstreit um die menschliche Seele, der erst auf dem Fünften Laterankonzil von 1513 beendet wurde, siehe Ascher, Form and Content, 2002; Röll, Do we affect, 1998. Diese und ältere Forschungsliteratur wurde zuletzt von Götzmann kritisch reflektiert, bes. S. 35-39. 806 Das Motiv des Schlafens wurde schon am Ende des 15. Jahrhundert in der Kunst thematisiert und blieb auch für die Folgezeit eines der wichtigen Themen theologischer und philosophischer Debatten. Siehe dazu Röll, Do we affect, 1998, bes. S. 175f. Darüber hinaus ist für Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 40, dieses neuartige Motiv „bildlicher Ausdruck einer veränderten Ikonographie des Todes“. 807 So mehrfach bezeichnet bei Götzmann, Römische Grabmäler, 2010. 808 Vgl. ebd., S. 49, zitiert nach Martin Gaier. 190 Grit Heidemann-Schirmer der subtil auf die darunter liegende Inschrift verweist, und zwar explizit auf die Textpassage „reg. aragon. alumno“. In derselben vertikalen Achse ist auch Sanzios rechte Hand positioniert, die sich zwar auf ein Buch stützt, aber mit den Fingern ebenfalls nach unten auf die entsprechende Inschriftstelle hindeutet.809 Die an den beiden Figuren eingesetzte visuelle Blickführung wird demnach ganz bewusst auf den sozialen Status des Verstorbenen Vitagliano gelenkt und unterstreicht damit den Bezug zu den Aragonesen, mithilfe dessen sich die Familie in Neapel legitimierte. Abgesehen von Bezugnahmen zu römischen Grabmälern lässt sich auch in der süditalienischen Residenzstadt ein zeitnahes Vergleichsbeispiel finden, das die Zuordnung des Monuments an eine bestimmte Bildhauerwerkstatt erlaubt. Es handelt sich um das Doppelgrabmal für Giovannello Cuncto und Lucrezia Filangieri di Candida (Abb. 80), das nachweislich von Giovan Tommaso Malvito ab 1516 in Santa Maria delle Grazie a Caponapoli errichtet wurde.810 Demzufolge wird die Datierung des Vitagliano-Grabmals in die 1510er Jahre gelegt und man geht von Tommaso Malvito beziehungsweise dessen Sohn Giovan Tommaso Malvito als ausführenden Bildhauer aus.811 Wenn auch die aufgrund der Inschrift („erigendum curavit“) vorgenommene Datierung der älteren Forschung auf 1497 heute nicht mehr aus den genannten Gründen haltbar ist,812 so muss man dennoch davon ausgehen, dass zu diesem Zeitpunkt zumindest schon die Planung eines Grabmals durch Nicola Francesco Vitagliano für seine Eltern erfolgt war. In diesem Sinne sei auf das – zumindest für die römischen Demigisants mittlerweile in der Forschung als Vorbild revidierte – Grabmal für Don Martín Vázquez de Arce (†1486, Abb. 81) in der Kathedrale von Sigüenza in Spanien verwiesen, das um 1491 von einem unbekannten Bildhauer gefertigt wurde.813 Es kann nicht nachgewiesen werden, ob Tommaso Malvito, sein Sohn oder gar der Auftraggeber des VitaglianoGrabmals selbst dieses spanische Monument kannten, trotzdem ist die Einflussnahme 809 Zum Buch als einem Attribut römischer Demigisants siehe Ascher, Form and Content, 2002, S. 325. Siehe dazu Michalsky, Conivges, 2005, S. 79; Abbate, La scultura, 1992, S. 72. 811 Siehe Michalsky, Conivges, 2005, S. 79; Abbate, La scultura, 1992, S. 71f. Zu Giovan Tommaso Malvito siehe auch Muñoz, Studii, 1909. 812 Auf 1497 datieren es Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 158; Thoenes, Neapel, 1971, S. 214; Muñoz, Studii, 1909, S. 97f. 813 Dazu im Kontext des italienischen Demigisants siehe Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, bes. S. 35-39; Ascher, Form and Content, 2002, bes. S. 316; Röll, Do we affect, 1998, S. bes. 155-157. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal am spanischen Vorläufer ist die aktive Darstellung der Ritterfigur mit offenen Augen und ein Buch lesend. 810 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 191 von Spanien nach Neapel aufgrund der seit dem 15. Jahrhundert engen politischen Beziehungen nicht von der Hand zu weisen und somit überdenkenswert.814 Weitere neuartige Motive zeichnen das Doppelgrabmal aus. So wird an der Frontplatte des Sarkophags zu Füßen Ippolitas ein Putto mit einer brennenden Fackel präsentiert – ein Attribut, das laut Götzmann den „Aufstieg und [die] Unsterblichkeit der Seele symbolisier[t]“.815 Dementsprechend ist unter dem Rundbogen des Grabmals der von zwei knienden Engeln flankierte Heiland im Halbrelief dargestellt, der den beiden scheinbar schlafenden Verstorbenen in der darunter befindlichen Ebene „die Auferstehung […] in Aussicht [stellt].“816 Festzuhalten bleibt, dass das von Antonio Piccolomini beauftragte Grabmal für Maria von Aragon (Abb. 62), welches nicht nur durch den Einsatz einer rahmenden Triumphbogenarchitektur den für Neapel neuen Typus des Wandnischengrabes etablierte, sondern zugleich auch im Detail zahlreiche antikisierende Elemente präsentierte, wegweisend für die am Königshof tätigen Protagonisten wurde. Es war sicherlich in Ermangelung anderer Grabmäler für Angehörige aus dem königlichen Hause vorbildhaft für viele Grabmalsaufträge der Folgezeit, und zwar nicht nur für die Neuen in der Stadt, sondern auch vereinzelt für die Monumente alteingesessener Adliger.817 Überdies fanden weitere innovative Grabmalstypen ihren Einzug in Neapel. So sei noch einmal auf den all’antica gefertigten, eigenständigen Sarkophag für Gabriele Correale (Abb. 68) ebenso wie auf das hängende Wandgrab für Costantino Castriota (Abb. 78) verwiesen, die beide zwar ohne Nachfolge im quattrocentesken Neapel blieben – soweit sich das aus dem überlieferten Denkmälerbestand rekonstruieren lässt – und dennoch die neapolitanische Grabmalslandschaft bereicherten. Auch das höchst innovative Motiv des Demigisants am Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (Abb. 79) ist zu nennen, trotz seiner nach dem relevanten Untersuchungszeitraum datierten Ausführung. 814 Es fehlen bislang eingehende Studien zur Malvito-Werkstatt, insbesondere im Kontext der zunehmend spanischen Klientel in Neapel, wo seit 1504 die spanischen Vizekönige regierten. In der bisherigen rudimentären Forschung werden Tommaso Malvito zumindest „a good understanding of structural problems and a knowledge of modern building methods“ attestiert und seine Beziehungen zu Rom angeführt. Siehe Ascher, Tommaso Malvito, 2000, Zitat S. 126; Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 147151. 815 Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 39. 816 Michalsky, Conivges, 2005, S. 80. 817 Siehe dazu noch einmal Kap. IV.2.2. 192 Grit Heidemann-Schirmer Selbst der die Grabmäler umgebende Kapellenraum erfuhr durch die neue Auftraggeberschaft der immigrierten Adligen eine Transformation, insbesondere was seine architektonische Raumauffassung betraf. Dies geht im neapolitanischen Kontext einher mit dem Aufkommen eines für die süditalienische Hauptstadt völlig neuartigen Monumenttyps – der marmornen und im Dekor ausformulierten Sitzbank (Sediale). Als „Prototyp“818 gilt der Sediale für Antonio Piccolomini (Abb. 64), der durch spezifische Formfindungsprozesse entstanden ist und in der Folgezeit in zahlreichen weiteren Grabkapellen (beispielsweise in den Kapellen Correale und d’Alessandro) als besonders geeignetes Repräsentationsmedium mit der zugleich inhärenten liturgisch wichtigen Memorialfunktion rezipiert wurde.819 Das Auftraggeberumfeld dieses innovativen Kapellenmobiliars lässt sich für das späte 15. Jahrhundert eingrenzen auf die Nobili fuori Piazza zusammen mit einigen niederen Seggio-Adligen, die soziale Schnittmengen basierend auf dem gemeinsamen Netzwerk am aragonesischen Hofe erkennen lassen.820 Die Grabmäler und Kapellen der Neuen in der Stadt zeichneten sich folglich durch gruppenspezifische Merkmale aus, die durch den Einsatz innovativer Typen und antikisierter Formen zu charakterisieren sind. Eine wichtige Grundlage bildeten die Schriften und Traktate der am aragonesischen Hof geförderten und großteils ebenfalls von auswärts kommenden Humanisten, unter denen insbesondere Giovanni Pontano hervorzuheben ist. Er vermittelte ein neues Verständnis von Adel, wodurch er sich bewusst von den Schriften des zur Maggiore Nobiltà gehörenden Tristano Caracciolos distanzierte, und lieferte den Neuen in der Stadt ein mondänes Identifikationsangebot gegenüber dem alten Adel, das sich beispielhaft und zugleich singulär in seiner eigenen Familienkapelle manifestierte.821 Diese wurde von Pontano, der zwar in den 818 Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 191. Dazu auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 117: „Taken together, the two chapels [Piccolomini und Correale] fulfill those aspects of the renewal that could be expressed in liturgical sculpture. […] With the construction of these rooms, furthermore, the Neapolitan funeral monument entered a new phase […].” 820 Erst nach dem Herrschaftswechsel zum Beginn des 16. Jahrhunderts wird der Sediale auch in einigen Grabkapellen der neapolitanischen Maggiore Nobiltà eingeführt. In Kombination mit dem Grabmal erweisen sich jedoch dafür vor allem die im späten 15. Jahrhundert errichteten Carafa-Grabmäler aus der Cappellone del Crocifisso in San Domenico Maggiore als Vorbilder. Dazu noch einmal Kap. IV.2.1. und IV.2.2. 821 Zu Giovanni Pontano siehe vor allem De Divitiis, Giovanni Pontano, 2010; Monti Sabia, Giovanni Gioviano Pontano, 2009; Roick, Der sichere Hafen, 2008; Finzi, Re, 2004; Bentley, Politics and Culture, 1987, bes. S. 127-134, 182-194. Außerdem http://www.treccani.it/enciclopedia/giovanni-pontano/ (21.08.2012). Zur Cappella Pontano, die als familiäre Eigenkirche den Weihetitel SS. Maria e Giovanni Evangelista erhielt, siehe De Divitiis, Giovanni Pontano, 2010, bes. S. 121-130; Naldi, Tra Pontano, 2008; Michalsky, Congivges, 2005, S. 82-84; Regina, Napoli antica, 1994, S. 127-131; Thoenes, Neapel, 819 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 193 neapolitanischen Adel aufstieg, sich aber zeitlebens als „Umbrier“ verstand,822 in der Nähe seines Palastes zwischen 1490 und 1492 inmitten des Seggio di Nido errichtet, um einen adäquaten Begräbnisort für seine verstorbenen Familienangehörigen sowie für sich selbst (†1503) zu schaffen.823 Dabei verdeutlicht die Cappella Pontano sehr eindrücklich die Affinität des berühmten Humanisten zur antiken Bauweise, die in seinem Traktat „De magnificentia“ – bezeichnenderweise kurz nach Errichtung der Kapelle verfasst – als geeignetes Vorbild für die zeitgenössische Architektur argumentiert wird.824 Mit der Propagierung der antiken Kultur und Wertvorstellungen hielt auch eine auf die Antike zurückweisende Formensprache nachhaltig Einzug in die neapolitanische Grabmalslandschaft und ebnete somit den Weg der Renaissance. Die an den Formfindungsprozessen beteiligten Bildhauer Jacopo della Pila, Antonio Rossellino, Benedetto da Majano und Tommaso Malvito kamen bezeichnenderweise ebenfalls als Auswärtige nach Neapel und ermöglichten einen Transfer der zum Teil in 1971, S. 263-265; Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 199-205; Alisio, La Cappella, 1963/64; Pane, Architettura, 1937, S. 247-253; Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926; Sarnelli, Guida de’ forestieri, 1685, S. 81-88; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 72r-77v. 822 Pontano wurde 1429 in eine kleinadlige Familie im umbrischen Cerreto di Spoleto hinein geboren, er verbrachte seine Studienjahre in Perugia und kam 1448 im Gefolge des vom Toskana-Feldzug heimkehrenden König Alfons I. von Aragon nach Neapel. Dort durchlief er eine fulminante Karriere am Hofe als königlicher Berater, Hauslehrer und königlicher Sekretär, weitaus berühmter wurde er aber durch seine zahlreichen gelehrten Schriften und Traktate sowie in seiner Leitungsposition der humanistischen Akademie Neapels. Auch wenn die süditalienische Residenzstadt zu seiner neuen Heimat geworden war, so blieb sein Selbstverständnis als Umbrier zeitlebens bestehen. Darauf verweist Monti Sabia, Giovanni Gioviano Pontano, 2009, S. 78 u. 84. Zu seinen Schriften siehe u.a. De Divitiis, Giovanni Pontano, 2010; Sabia, Giovanni Gioviano Pontano, 2009, bes. S. 80f., 83f., 86; Pontano, De principe, 2003; Pontano, I libri, 1999; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 37-50. 823 Pontano ließ die Familienkapelle errichten, kurz nachdem seine Frau Adriana Sassone gestorben war. Das Gebäude wurde zu Recht schon von Pontanos Freund und Akademiemitglied Jacopo Sannazaro mit einem antiken Tempel verglichen. Darauf verweist De Divitiis, Giovanni Pontano, 2010, S. 127. Zur Gestalt als Tempel siehe auch der Titel von Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926. Der ausführende Architekt ist nicht überliefert. Zum Problem der Zuschreibung siehe ebd., S. 26-28; Alisio, La Cappella, 1963/64, S. 32f. In der weiteren Forschung wird Francesco di Giorgio Martini und sein Umkreis vermutet. So bei Thoenes, Neapel, 1971, S. 263. Das Besondere des Baus sind die zahlreichen in Latein und Griechisch verfassten Inschriften, welche sowohl die Außenwände als auch das Kapelleninnere zieren. Zu den von Pontano gesammelten griechischen und lateinischen Inschriften, die an den Kapellenwänden angebracht sind, siehe vor allem Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926, S. 33-41. In ihrer Außengestaltung weist sie deutliche Bezüge zu antiken Bauten auf. Im Innern finden sich dagegen nur wenige Ausstattungselemente, mit Ausnahme des Altars, der bemerkenswerterweise eine profane Reliquie beherbergt, und zwar einen Arm des römisch-antiken Geschichtsschreibers Titus Livius, der zu den wichtigsten Vorbildern Pontanos gehörte. Der Raum ist darüber hinaus der Erinnerung seiner verstorbenen Familienangehörigen sowie eines Freundes vorbehalten, darunter seine Frau, seine Tochter Lucia Marzia, seine Söhne Lucio Francesco und Lucillo sowie sein Freund Pietro Golino. Die enge Verzahnung von christlicher Grabstätte und antikem Kultort bildet das Spezifikum der Cappella Pontano, die inmitten des Stadtraums von Neapel der höchst individuellen Inszenierung eines Hofhumanisten diente. Zum Altar siehe Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926, S. 16. Zu den Epitaphien im Wortlaut siehe vor allem ebd., S. 9-15; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 72r-77r. 824 Zur Schrift „De magnificentia“, die Teil seiner Abhandlung zu den Tugenden ist, siehe Ebbersmeyer/Kessler/Schmeisser, Ethik, 2007, S. 278-339; Pontano, I libri, 1999, S. 165-219; Pontani, De Magnanimitate, 1969. 194 Grit Heidemann-Schirmer Nord- und Mittelitalien generierten Grabmalstypen. Es waren jedoch die adligen Auftraggeber, die konkrete Vorstellungen in Bezug auf bereits bestehende Monumente hatten und diese durch die beauftragten Bildhauer zeichenhaft und auf Dauer umgesetzt wissen wollten. Dies betraf auch den die Grabmäler umgebenden Kapellenraum. Erneut ist dazu das Beispiel der Cappella Piccolomini zu nennen, das den Transfer florentinischen Formenvokabulars so konsequent umsetzte, wie es im Neapel des 15. Jahrhunderts bis dahin noch nicht geschehen war.825 Es sollte in derselben Kirche wenige Jahre später zu einer weiteren Übernahme der Florentiner Bauweise der Frührenaissance kommen, die zwar in ihrer Ausstattung keinen Bezug zur PiccolominiKapelle erkennen lässt, wohl aber in ihrer für Neapel innovativen Architektur.826 V.4. Die Cappella Tolosa – Zeichensetzung eines immigrierten Aufsteigers Bei der Cappella Tolosa handelt es sich um einen Neubau, der in Santa Maria di Monteoliveto im linken Querarm (Abb. 58) am Ende des Quattrocento angefügt wurde.827 Wie die Cappella Piccolomini so hat auch die Tolosa-Kapelle die toskanische Bauweise übernommen, folgt jedoch anderen Vorbildern, die in ihrer Auswahl wiederum dem Selbstverständnis des Auftraggebers zuzurechnen sind.828 Paolo Tolosa war ein Händler aus Katalonien, der während der spanischen Inquisition nach Neapel gekommen war und mit Finanzgeschäften am aragonesischen Hof reich 825 Es war zwar gängige Praxis, Künstler aus Florenz und anderen Städten Nord- und Mittelitaliens nach Neapel zu holen, doch hatten sich diese großteils nach dem dortigen Formenvokabular zu richten. Siehe dazu u.a. Michalsky, The local eye, 2008. Zu den lombardischen, toskanischen und spanischen Künstlern in Neapel außerdem Negri Arnoldi, La scultura, 1994, S. 140-147; Abbate, La scultura, 1992, S. 5-102. 826 Die Kapellen Piccolomini, Correale und Tolosa werden vor allem hinsichtlich ihrer Architektur als die drei Renaissance-Kapellen der Kirche zusammen aufgeführt bei Pepe, Le tre cappelle, 1998; Pane, Il Rinascimento (I), 1975. 827 Zur Kapelle siehe vor allem Maione, Paolo Tolosa, 1942, bes. S. 5-8. Außerdem Guerra, De’ dipinti, 1865; Lorenzetti, Gli affreschi, 1937; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 229-238; Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 97-112; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 49-83; Heidemann, Neu in der Stadt, 2011. Die Datierungen fallen unterschiedlich aus. Pane datiert die Kapelle auf 1492-95, Venditti nennt den Zeitraum 1485-90, Lorenzetti 1495-1510, dahingegen datiert Maione die Kapelle auf 1507-08, dem auch Pepe folgt. 828 Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 109, weist darauf hin, dass sich die Cappella Tolosa in ihrer Gestalt sehr stark von den anderen Bauten im damaligen Neapel unterscheidet und demzufolge höchst innovativ im lokalen Kontext war. Sie transferiere die von Filippo Brunelleschi erbaute Alte Sakristei und die von ihm konzipierte Cappella Pazzi in den Florentiner Kirchen S. Lorenzo und S. Croce nahezu als direkte Zitate nach Neapel. Vgl. ebd., S. 98. Zur Vorbildfunktion dieser beiden Florentiner Bauten siehe auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 110; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 238; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 60. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 195 wurde.829 Höhepunkt seiner Karriere war die Nobilitierung und Aufnahme in den niederen Seggio di Portanova im Jahre 1486.830 Es erscheint plausibel, den darauf folgenden Zeitraum für die Stiftung seiner Familienkapelle anzusetzen, die seinem sozialen Aufstieg eine sichtbare Geltung verlieh. Dazu wählte er als Standort die Kirche der Aragonesen aus, denen er seine Karriere in Neapel verdankte. Die Kapelle (Abb. 82) besteht aus einem Hauptraum mit quadratischem Grundriss, dem sich ein kleiner Altarraum als Annex anfügt. Während nicht nur ihre Lage und ihr Zugang in der Kirche, sondern auch die Grundrissform offensichtlich auf die Alte Sakristei von San Lorenzo in Florenz rekurriert, begegnen die Schirmkuppel und die Tondi mit den vier Evangelisten in den Bogenzwickeln in der Florentiner Cappella Pazzi.831 Ein Grabmal für Paolo Tolosa ist nicht überliefert.832 Ausgehend von Schedlers Überlegungen, dass die Pazzi-Kapelle offenbar ohne Grabmal geplant war und als „reines Memorium“833 der Familie Pazzi dienen sollte, könnte man eine Übernahme dieser Funktion auch bei der neapolitanischen Cappella Tolosa vermuten, wodurch sie nicht nur formale Parallelen erkennen ließe. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich Paolo Tolosa durch den gleichen sozialen Status mit dem Florentiner Auftraggeber verbunden fühlte – beide waren reiche Kaufmänner und Bankiers –, sodass er gerade dieses Bauwerk als Vorbild für seine Familienkapelle in Neapel auswählte.834 Die in einigen Details abweichenden architektonischen Elemente, welche ihre Vorläufer dagegen in der Alten Sakristei von San Lorenzo finden, könnten durch den Anspruch des ausführenden Architekten in Neapel zu 829 Zu seiner Person siehe vor allem Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 5-9; Guerra, De’ dipinti, 1865, S. 214f. Das Todesdatum und der Bestattungsort von Paolo Tolosa sind nicht überliefert. Dagegen finden sich noch für das Jahr 1508 Einträge zu seiner Person in der neapolitanischen Chronik des Notars Giacomo. Darauf verweist Lorenzetti, Gli affreschi, 1937, S. 9. Allgemein zur Finanzpolitik unter den Aragonesen, die vor allem unter Alfons I. von Aragon insbesondere durch katalanische Bankiers in Neapel betrieben wurde, siehe Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, Kap. VI, bes. S. 188-191. 830 Siehe dazu Tutini, Del origine, 1644, S. 209. 831 Zur Alten Sakristei in S. Lorenzo, die um 1422-29 datiert wird und von Giovanni di Bicci de’ Medici gestiftet wurde, dessen Grabmal sich inmitten des Hauptraums befindet, siehe u.a. Schedler, Filippo Brunelleschi, 2004, bes. S. 7-11. Zur Cappella Pazzi, die 1442-69 als neuer Kapitelsaal für den Konvent von S. Croce erbaut wurde, siehe u.a. ebd., bes. S. 18-33; Gargani, La cappella Pazzi, 1998. Die Tondi in der Cappella Tolosa werden Andrea della Robbia zugeschrieben. Diese sollen sich erst in der Cappella del S. Sepolcro im rechten Querschiffarm befunden haben, bevor sie in die Cappella Tolosa gelangten. Siehe dazu Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 238; Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 102f. 832 Allein Guerra, De’ dipinti, 1865, S. 214f., bezeichnet die Kapelle als „cappella funebre“. Er erwähnt ein „memoria eretta a Paolo Tolosa vescovo di Bovino“ in der Unterkirche von SS. Apostoli, welches von dessen Neffen Aloisio Sanseverino da Bisignano gestiftet worden sei. Dabei handelt es sich jedoch um den 1619 verstorbenen gleichnamigen Bischof und nicht um den hier thematisierten spanischen Händler. 833 Schedler, Filippo Brunelleschi, 2004, S. 22. 834 Andrea Pazzi (1372-1445) gehörte zur Gruppe von Florentiner Patriziern der „Anti-Medici-Partei“, die sich bezeichnenderweise bevorzugt S. Croce zuwandten, um eine Präsenz der Medici-Anhänger in dieser Kirche zu unterbinden. Als Andrea Pazzi 1445 starb, wurde er nicht in seiner Familienkapelle bestattet, sondern in der Klosterkirche von S. Croce. Siehe dazu ebd., S. 21f. 196 Grit Heidemann-Schirmer erklären sein, der sich damit in die Nachfolge des berühmten Filippo Brunelleschi stellte. Trotz des fehlenden Stiftergrabmals war die Cappella Tolosa nachweislich mit reichlich anderem Mobiliar ausgestattet. So befand sich einst an den Seitenwänden ein Gestühl mit sehr fein gearbeiteten Holzintarsien, die heute in der Neuen Sakristei von Monteoliveto aufbewahrt werden.835 Auch die Majolikafliesen mit den Emblemen des Stifters, die den Fußboden der Kapelle schmückten, sind heute nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort,836 ebenso wie das von Bernardo Pinturicchio gemalte Altarbild, das die „Himmelfahrt Marias“ zeigt und sich heute im Museo di Capodimonte befindet.837 Demgegenüber haben sich dank der umfangreichen Restaurierungen die Wandfresken größtenteils erhalten. Die Freskenausmalung Mit Ausnahme des Annex sind an den drei verbleibenden Kapellenwänden Fresken angebracht, die um 1500 datiert werden.838 Über dem Kapelleneingang (Abb. 83) ist die Bekehrung des Hl. Paulus sehr eindrücklich in einer weiten, die gesamte Wandbreite einnehmenden Landschaft dargestellt. An den Seitenwänden folgen Figurenpaare, die um die Fenster arrangiert sind und im Hintergrund illusionistisch genau jenen Kapellenraum wiedergeben, der sie umfängt.839 An der rechten Kapellenwand (Abb. 84) begegnen – in der Blickrichtung vom Eingang zum Altar – der Ordensheilige Benedikt, der Ordensgründer Bernardo Tolomei und der Kapellenstifter Paolo Tolosa, welcher vor dem Hl. Paulus kniet. Auf der gegenüberliegenden Seite (Abb. 85) schließen sich der selig gesprochene Bernardo Tolomei, sein Weggefährte Ambrogio Piccolomini sowie der vor dem Hl. Petrus kniende König Alfons II. von Aragon an.840 835 Diese sehr aufwendig gearbeiteten Intarsien wurden ähnlich wie jene in der Sieneser Mutterkirche von dem Olivetaner Fra Giovanni da Verona Anfang des 16. Jahrhunderts angefertigt und im 17. Jahrhundert in die Neue Sakristei verlagert. Siehe dazu u.a. Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 108; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 62; Pane, Tavola Strozzi, 2009, S. 88-93. Giovanni da Verona wird auch als ausführender Künstler bei der Ausstattung der Cappella Tolosa vermutet. Siehe dazu Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 99. 836 Zum Paviment siehe Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 111. 837 Siehe dazu Venditti, La fabbrica, 1999, S. 62. Anstelle des originalen Altarbildes ist heute in der Kapelle ein Triptychon angebracht, das aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt und die thronende Madonna zwischen den Heiligen Antonius und Hieronymus zeigt. 838 Siehe dazu vor allem Guerra, De’ dipinti, 1865; Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 19f.; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 61. Die Künstlerzuschreibungen gehen von Cristoforo Scacco bis zu Bernardo Penturicchio, dem auch das Altarbild attestiert wird. 839 Darauf verweist auch Guerra, De’ dipinti, 1865, S. 220. 840 Ambrogio Piccolomini gehörte zu den Gründern des Olivetanerordens, der von Papst Johannes XXI. bestätigt worden war. Daraufhin wurde die Mutterkirche Monteoliveto Maggiore bei Siena errichtet. Laut Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 197 Das Bildprogramm der Kapelle nimmt also ganz offensichtlich Bezug sowohl auf die Geschichte des ansässigen Olivetanerordens als auch auf den Stifter selbst, und zwar nicht nur mithilfe seiner persönlichen Darstellung und der Familienembleme, sondern auch durch das mehrfache Auftreten seines Namenspatrons, den Hl. Paulus, sowie seines königlichen Förderers. Die Gegenüberstellung des Neuadligen mit dem aragonesischen König schafft somit eine visuelle Verbindung beider Protagonisten, die für die Umsetzung der Kapelle und der Kirche maßgebend waren. Gleichsam wird erneut ein Verweis auf das Königshaus gegeben, dem Paolo Tolosa seine Karriere in Neapel verdankte. Der in den Adelsstand aufgestiegene spanische Händler hatte sich mit dieser Familienkapelle ein Denkmal in der aragonesischen Residenzstadt gesetzt, die durch ihre außergewöhnliche Gestalt und reiche Ausstattung das Bedürfnis nach Selbstinszenierung eines erfolgreichen sozialen Aufsteigers adäquat vermittelte.841 Dabei diente die Synthese zweier Florentiner Sakralbauten, wie sie aufgrund der politischen Brisanz ihrer konkurrierenden Auftraggeber nur außerhalb von Florenz möglich war, dem neuadligen Spanier in Neapel für seine eigenen Repräsentationszwecke.842 Ein weiteres Beispiel einer ebenfalls aus Spanien stammenden Auftraggeberfamilie verdeutlicht die Vielfältigkeit von Inszenierungsstrategien der Adligen am Ende des 15. Jahrhunderts. V.5. Soziale Anerkennung durch formale Angleichung? Das Grabmal für Giovanni Cavaniglia in Santa Maria di Monteoliveto Giovanni Cavaniglia war der zweite Sohn des aus dem spanischen Valencia stammenden Adligen Garcia Cabanillas, der im Gefolge des Königs Alfons von Aragon Guerra wurde Ambrogio von Papst Pius II., ehemals Enea Silvio Piccolomini, selig gesprochen. Das angegebene Datum 1406 ist jedoch mit den historischen Daten des Papstes nicht vereinbar. Siehe ebd., S. 213 u. 221; Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 18. 841 So auch Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 109. Ein ähnliches Beispiel ist die in ihrer Form und Gestaltung ebenfalls außergewöhnliche Cappella Miroballo in San Giovanni a Carbonara, die von Giovanni Miroballo 1454 gestiftet worden war. Es handelt sich dabei um einen neapolitanischen Bankier, der für den aragonesischen Königshof arbeitete und 1444 vom König in den Adelsstand erhoben wurde. Seine Bank gehörte zu den wichtigsten Geldgebern von Alfons. Dazu und zu seiner Person siehe Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 120, 157f. u. 182-188. Zur Cappella Miroballo vor allem Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 62-69; Abbate, La scultura, 1992, S. 5-48. 842 Zur Auseinandersetzung der Pazzi mit den Medici im Kontext der beiden Sakralbauten siehe noch einmal Schedler, Filippo Brunelleschi, 2004, S. 21f. 198 Grit Heidemann-Schirmer nach Süditalien gekommen war.843 Garzia hatte eine erfolgreiche Karriere als königlicher Gesandter und Berater zu verzeichnen, die ihm mehrere Lehnsgüter sowie feudale Titel in Süditalien einbrachte.844 So erhielt er nach der Eroberung des süditalienischen Reiches 1442 von Alfons die Grafschaft Troia zum Dank für seine Unterstützung, zugleich folgte er dem Wunsch des Königs und heiratete die neapolitanische Adlige Giulia Caracciolo.845 Alfons vertraute Garzia so sehr, dass er ihn 1453 zum Berater seines Thronerben Ferrante von Aragon ernannte, den er auf dem Feldzug in die Toskana begleiten sollte, dabei jedoch tödlich verwundet wurde.846 Für seine Familie galt Garzia fortan als „Stammvater“,847 dem sie ihren Status in Süditalien zu verdanken hatte. Als der Vater 1453 starb, war Giovanni neun Jahre alt. Seiner Mutter ist es zu verdanken, dass er dennoch als unmittelbarer Erbe der von Garzia erworbenen Ländereien und Titel anerkannt wurde.848 Während er 1459 dem neu gekrönten König Ferrante von Aragon den Treueid leistete, berichten die Quellen über sein weiteres Leben vor allem von Misserfolgen, aufgrund derer Giovanni erkrankt sei und schon 1473 mit 30 Jahren und ohne eigene Nachkommen in Neapel verstarb. In Santa Maria di Monteoliveto unterstand die dritte Kapelle im linken Seitenschiff (Abb. 58) ursprünglich dem Juspatronat der Familie Cavaniglia.849 Es ist nicht 843 Zu seiner Vita siehe vor allem Petrucci, Cavaniglia, 1979; Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 136-140. Im Folgenden wird der ins Italienische transferierte Name Garzia Cavaniglia verwendet. 844 Auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 59, spricht bei Garzia Cavaniglia von einem „trusted Spaniard“, dem König Alfons im April 1445 die Städte Montella, Bagnoli und Cassano übertrug. 845 Zur eigenen Machtsicherung stattete Alfons seine spanischen Gefolgsleute nach der Eroberung des süditalienischen Königreiches mit reichlich Ländereien und Titel im neuen Herrschaftsgebiet aus und verheiratete sie bevorzugt mit den lokal ansässigen Adelsfamilien. Siehe dazu Cantabene, La committenza, 2007, S. 135. Außerdem Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, bes. S.55-66. 846 Garzia hatte sein Testament schon im Mai 1450 aufgesetzt. Darauf verweist Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 139, Anm. 5. Er wurde in der Kirche S. Francesco in seiner Grafschaft Troia bestattet, wo ihm seine Ehefrau eine Kapelle und ein Grabmal errichten ließ, das heute – so Petrucci – verloren sei. Vgl. Petrucci, Cavaniglia, Garzia, 1979, S. 15. Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140, Anm. 1, liefert eine Beschreibung des marmornen Grabmals, auf dem sich die Liegefigur des bewaffneten Verstorbenen befand und folgende Inschrift angebracht war: „Hic, quem clara genuit propago/ De Gabanillis, Hispaniae decus magnatum nobiliumque/ magnanimus dux procerum fuit ipse Gargias/ qui dum humanis gloriosum nomen adeptus/ statum regni huius solerti diurnaque cura/ atque nocturna indefessis viribus egit/ summo pro Alphonso utriusque Sicilie rege/ lapis ossa tegit spiritusque ad astra volavit/ anno domini MCCCCLIII secunda indictione, mense decembris.“ 847 Cantabene, La committenza, 2007, S. 141. 848 Zu seiner Person siehe vor allem Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140-145. 849 Zu einem späteren Zeitpunkt wurde die Kapelle von der neapolitanischen Adelsfamilie Vassallo übernommen. Das genaue Datum ist nicht überliefert. Dafür gibt De Lellis einen Anhaltspunkt. Er berichtet, dass Luigi Gattola, Sohn von Diana Cavaniglia, als letzter des Familienzweiges nicht nur die Grafschaft Montella, sondern auch die Familienkapelle in Neapel erbte. In dieser ließ er 1629 für seine verstorbene Mutter ein heute verlorenes Epitaph gegenüber dem Grabmal für Giovanni Cavaniglia anbringen, das folgenden Wortlaut hatte: „Dianae Cabanigliae e Troiae, et Montellae sub Alfonso I, et. Ferdin. I. Aragoneis. Regibus ducentum ante annos bellica virtute comitibus ab Garsia primo Comite continenti sobole Montellae Comitissae parenti pientissime, et benemerenti posterisque suis Comitibus Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 199 überliefert, ob diese von Garzia oder von seinen Nachkommen gestiftet wurde.850 In den Quellen findet erst das dort befindliche Grabmal für Giovanni Cavaniglia Erwähnung, das seine Mutter nach dem verfrühten Tod des Sohnes in Auftrag gegeben hatte.851 Es ist von einem „maestoso sepolcro“852 aus weißem Marmor die Rede, über dem folgende Inschrift angebracht war: „Joannes de Cabagnellis Troiae Comes fati acerbitate luctus perpetuus, quibus merito maxima erat spes. Obijt Anno MCCCCLXXIII. Vixit annos XXX.”853 In der Cappella Cavaniglia begegnen heute nur noch Fragmente eines Grabmals (Abb. 86), die zu einer unbestimmten Zeit in die östliche Kapellenwand eingemauert wurden. Darunter befindet sich eine Inschriftentafel, die einen deutlich späteren Schriftzug trägt.854 Ihrem Wortlaut zufolge wurde das Grabmal in der bisherigen Forschung Garzia Cavaniglia zugeschrieben.855 Da diese Inschrift das erste Mal bei Catalani 1845 erwähnt wird, die historischen Guiden des 16. und 17. Jahrhunderts sie jedoch nicht aufführen, sondern allein das Grabmal für Giovanni Cavaniglia mit dem zugehörigen Epitaph, ist zu schlussfolgern, dass spätestens mit den Beschreibungen Catalanis Mitte des 19. Jahrhunderts das Giovanni-Grabmal teilweise zerstört und die für Garzia verfasste Inschriftentafel hinzugefügt wurde, während dieser nachweislich in Aloysius Gattula XI. Montella Comes in avito Cabaniliorum Sacello MDCXXIX.” Vgl. De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 56r. 850 Garzia war nachweislich 1443 während des Triumphzuges von König Alfons und dann noch einmal 1445 während der Begräbnisfeier für Peter von Aragon (Bruder Alfons’ I.) in Neapel anwesend. Demgegenüber wurde er in seiner Grafschaft Troia bestattet, woraus zu schlussfolgern ist, dass er selbst noch keine Grablege in Neapel vorgesehen hatte. Aufgrund des in dieser Kapelle errichteten Grabmals für Giovanni Cavaniglia könnte dieser als Kapellenstifter vermutet werden. 851 Siehe De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 56; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 512; De Stefano, Descrittione, 1560, S. 96. 852 De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 56r. 853 De Stefano, Descrittione, 1560, S. 96; ebenso bei D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 512. Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem Giovanni Cavaniglia, Graf von Troia, auf dem die größte Hoffnung lag, in ständiger Trauer über die Härte des Schicksals. Er starb im Jahr 1473 und wurde 30 Jahre alt.“ 854 Die Inschrift lautet: „D. GARSIAE CABANILLAE/ AQVO GENS CABANILLA E TERRACONENSI/ REGNO VBI VALENTIAM/ PER LONGA TEMPORVM SPATIA/ REXERAT/ IN NEAPOLITANVM TRANSLATA EST/ COPIARVM ALPII REG DVCTORI/ QVO AD EVGEN IV. LEGATO/ IMPETRAVIT/ REX INVESTITVRAM REGNI PETIIT ET/ IMPERAVIT/ PROVINC CAPIT ET PRINCP. VLTER MODERATORI/ PRIMO TROIAE ET MONTELLAE COMITI/ MELFI PRINCIPIS FILIAE VIRO/ D. IOANN CABANILLA SECVND TROIAE COMES P/ AN CHR MCCCCLIII.” 855 Soweit ich das überblicke, findet dies erstmals statt bei Catalani, Le chiese, 1845, S. 59f. Venditti, La fabbrica, 1999, S. 52, weist das Grabmal aufgrund der Inschrift Garzia zu, gibt jedoch einen Hinweis auf das bei D’Engenio genannte Datum 1473, welches der Inschrift für Giovanni Cavaniglia entspricht. Offenbar fand eine genauere Analyse der beiden unterschiedlichen Inschriften nicht statt. Noch bei Croce werden allein das Giovanni-Grabmal und das Diana-Epitaph als ursprüngliche Ausstattungsstücke in der Kapelle aufgeführt und erst Naldi macht auf die Verwechslung aufmerksam, wobei er auf Scandones Ausführungen verweist. Vgl. Croce, Memorie, 1894, S. 93; Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140-145; Naldi, Due Virtù, 2008, S. 112f. 200 Grit Heidemann-Schirmer Troia bestattet worden war.856 Der Urheber der späteren Inschrift lässt sich nicht mehr ermitteln. Dennoch gibt sie Aufschluss darüber, dass Garzia für die gesamte Familie noch Jahrhunderte später als vorbildhafter Ahnherr galt, mithilfe dessen sich seine Nachfolger in der von den Aragonesen bevorzugten Kirche öffentlichkeitswirksam legitimieren wollten.857 Die heute noch erhaltenen Teile des Giovanni-Grabmals setzen sich folgendermaßen zusammen: die beiden Seitenplatten mit dem Familienwappen der Cavaniglia sind über einem profilierten Sockel neben der späteren Inschriftentafel angebracht; darüber folgt die Deckplatte mit der Liegefigur des Verstorbenen und den oberen Abschluss bildet die Sarkophagfrontplatte, auf der die Madonna mit Christuskind zwischen den Heiligen Johannes Evangelista und Hieronymus in Medaillons dargestellt ist. Ein Vergleich mit dem in der Familienresidenz Montella errichteten Grabmal des letzten Sohnes von Garzia, Diego Cavaniglia, erlaubt aufgrund der deutlich erkennbaren formalen Parallelen, die ihre Bestätigung in demselben Bildhauer finden, die Rekonstruktion des neapolitanischen Monuments.858 Das Grabmal in Montella (Abb. 87) wurde nach Diegos Tod (†1481) von seiner Mutter und seiner Ehefrau bei Jacopo della Pila in Auftrag gegeben und fand seine Aufstellung in der Kirche S. Francesco a Folloni.859 Es besteht aus drei Ebenen, die von einem Rundbogen auf korinthisierten Säulen umrahmt werden. Die drei Kardinalstugenden Prudentia, Justitia und Temperantia sind als Karyatiden eingesetzt.860 Sie tragen den Kastensarkophag, dessen Frontseite ebenfalls von drei Medaillons gegliedert wird, in 856 Vgl. noch einmal Catalani, Le chiese, 1845, S. 59f. Auf die Anfertigung einer Kopie der Inschrift für Garzia Cavaniglia in Troia verweist Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140. Er bezeichnet das „Schicksal“ des Grabmals für Garzia als „unbekannt“, vermutet aber, dass es zerstört wurde, während die sterblichen Überreste verloren gingen. Man könnte annehmen, dass diese nach Neapel transloziert wurden. Dabei fand jedoch nicht eine exakte Kopie des ursprünglichen Epitaphs seinen Weg dorthin, wie ein Vergleich mit der aus Troia überlieferten Inschrift und der heute in der neapolitanischen Familienkapelle befindlichen Inschrift belegt. Dazu noch einmal Anm. 846 u. 854. 857 Darauf verweist auch das Epitaph für Diana Cavaniglia von 1629, welches sich ehemals gegenüber dem Grabmal für Giovanni in derselben Kapelle befand. Siehe noch einmal Anm. 849. 858 Diego wurde in Garzias Sterbejahr 1453 geboren. Er wuchs am aragonesischen Hof in Neapel auf und galt als Liebling des Königs Ferrante von Aragon. 1476 wurde auch er, wie schon sein Vater, auf Wunsch des Königs mit einer einflussreichen Adligen verheiratet, Margherita Orsini, und ein Jahr später erhielt er die Grafschaft Montella, welche nun die neue Residenz der Cavaniglia wurde. Am 10. September 1481 starb er im Krieg von Otranto mit nur 28 Jahren. Zu seiner Person siehe Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 145-150; http://www.diegocavaniglia.it/life_eng.html (07.02.2011); Cantabene, La committenza, 2007, S. 138-141. 859 Zum Grabmal für Diego Cavaniglia siehe auch Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 68-76. 860 Die vierte Kardinalstugend, Fortitudo, ist laut Cantabene, La committenza, 2007, S. 141, unmittelbar in der Figur des Verstorbenen verkörpert. Dabei sei jedoch auf den Einsatz dieser Liegefigur an den neapolitanischen Adelsgrabmälern des 15. Jahrhunderts verwiesen, die sich nahezu durchgängig durch die Rüstung mit Waffen und ein bis zwei Hunde am Fußende als Symbol der Treue auszeichnet. Es handelt sich dabei um Attribute, die standestypisch waren und das adlige Selbstverständnis als Ritterschaft vermitteln. Siehe dazu auch Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 105. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 201 denen die Gottesmutter mit den Heiligen Petrus und Paulus dargestellt ist. Darüber erhebt sich die camera funebris, in der der Verstorbene über dem Inschriftfeld aufgebahrt liegt und die von einem Walmdach mit dem Familienwappen bekrönt wird.861 Während am neapolitanischen Pendant nur noch Teile des Kastensarkophags und der Gisant des verstorbenen Giovanni Cavaniglia erhalten sind, so überzeugt Naldi mit der Zuweisung zweier Tugendfiguren als ursprüngliche Karyatiden, die ebenfalls von Jacopo della Pila gefertigt wurden und sich heute in einer toskanischen Privatsammlung befinden.862 Die beiden wieder gefundenen Skulpturen lassen sich als Fides und Temperantia identifizieren, denen eine dritte am Giovanni-Grabmal zu ergänzen wäre. Nicht nur im Aufbau, sondern auch in der gesamten Gestaltung verweist das Grabmal für Diego Cavaniglia auf ein Vorbild, das von demselben Bildhauer in der Neapler Kirche San Domenico Maggiore für den Seggio-Adligen Antonio Malizia Carafa um 1470 (Abb. 45) errichtet wurde, den Diegos Vater, Garzia bezeichnenderweise am päpstlichen Hof kennengelernt hatte. 863 Cavaniglia, Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch das Grabmal für Giovanni Cavaniglia in Santa Maria di Monteoliveto bewusst auf diesen lokalen Vorläufer rekurrierte. Doch ist dies nicht allein mit der Ausführung ein und desselben Bildhauers beziehungsweise derselben Werkstatt zu erklären, denn dieser auf das Trecento zurückweisende Grabmalstypus war in Neapel überaus persistent, was damit zu begründen ist, dass er bevorzugt von den alteingesessenen Adligen eingesetzt wurde, um ihr Selbstverständnis von Anciennität zeichenhaft zu kommunizieren.864 Hinsichtlich der Vorbildhaftigkeit des „Stammvaters“ der Cavaniglia und seiner Verbindung zu dem seinerzeit berühmten Antonio Malizia Carafa erscheint es plausibel, dass seine Söhne – oder vielmehr seine Ehefrau mit neapolitanischer Herkunft als eigentliche Auftraggeberin beider Grabmäler – diese Beziehung bewusst in Form der Erinnerungsmonumente inszenierte(n), um den sozialen Status ihrer Familie, die noch 861 Die Inschrift lautet: „D.O.M./ DIECO DE CABANIELLIS MONTELLE COMITI QVI IN TVRCAS STRENVE DIMICA[N]S/ IDRONTI OCVIBVIT VITE ANNO M CCCC L XXXI DE MENSE SECTEMBRIS.“ Auch in den Bogenzwickeln erscheint das Wappen der Cavaniglia, während es am Giovanni-Grabmal zwischen den Medaillons an der Sarkophagfrontplatte und an den Seitenplatten angebracht ist. 862 Vgl. Naldi, Due Virtù, 2008. 863 Garzia und Malizia trafen als Gesandte von Alfons von Aragon und der Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo 1420 am Hofe von Papst Martin V. aufeinander, um dort die Adoption des Katalanen durch die neapolitanische Königin zu verhandeln. Siehe Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 136f. Zum Malizia-Grabmal siehe noch einmal Kap. IV.1.2. 864 Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.2. 202 Grit Heidemann-Schirmer neu in Süditalien war, zu legitimieren. Es scheint dies der Wunsch nach Traditionserzeugung und sozialer Anerkennung zu sein, der mittels formaler Angleichung visualisiert werden sollte. V.6. Zusammenfassung des Kapitels Unter den Aragonesen kam es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einem verstärkten Zuzug auswärtiger Adliger nach Neapel. Dort hatten sie sich mit den alteingesessenen Familien zu arrangieren, die sich bewusst von diesen Nobili fuori Piazza abgrenzten, um ihre Vormachtstellung innerhalb des Standes aufrecht erhalten zu können. Der Königshof bot den Neuen in der Stadt jedoch hinreichende Aufstiegschancen, wodurch sich ein Gruppenbewusstsein entwickelte, das aus ihrer Abgrenzung zu den alten, lokal ansässigen Familien resultierte und sich nunmehr durch das Beziehungsgeflecht am aragonesischen Hof auszeichnete. Dieses neue Gruppenverständnis manifestiert sich besonders eindrücklich in ihrer Grablegepraxis in Neapel, indem die Zugezogenen andere Standorte und vor allem innovative Formen für ihre Grabmäler und Familienkapellen im Sinne einer „Kontra-Distinktion“865 gegenüber dem alten neapolitanischen Adel kommunizierten. So wurden bevorzugt jene Kirchen als Bestattungsorte ausgewählt, die sich in den Territorien der niederen Seggi oder am Rande der Stadtmauern befanden. Einen regen Zulauf von adligen Stiftern erhielten diese Kirchen zwar einerseits durch die Attraktivität der zugehörigen großen Mönchsorden, vor allem aber durch die öffentlichkeitswirksamen Zuwendungen und der Präsenz von Angehörigen des aragonesischen Hauses, mit denen sich die Neuen in der Stadt auf besondere Weise verbunden fühlten. Darüber hinaus fand die am Hof betriebene Kulturpatronage auch in der Formwahl der Grabmäler und Familienkapellen ihren bildlichen Ausdruck, wurden doch dadurch neue Wertvorstellungen gefordert, die sich nach der antiken Kultur richteten. Das damit einhergehende – und insbesondere durch Pontanos Schriften – propagierte neue Adelsverständnis ermöglichte eine bewusste Distanzierung vom alten Adel, der zum Ende des 15. Jahrhunderts nicht nur in Neapel zunehmend kritisiert wurde. 865 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 156. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 203 Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die Nobili fuori piazza einen Innovationsprozess in der adligen Grablegepraxis in Neapel in Gang setzten, der aus den gesellschaftlichen Veränderungen zum Ende des Quattrocento resultierte. Dies betraf nicht nur die Standort-, sondern auch die Formwahl der Monumente. Die zugrunde liegenden Formfindungsprozesse wurden erst durch das Fehlen vorbildhafter Grabmäler der aragonesischen Könige möglich, mit Ausnahme des Grabmals für Maria von Aragon, das offenbar als „Ersatz“ diente, während die kanonhaften Monumente der Anjou des Trecento die Grabmäler insbesondere des alten Adels noch bis weit ins 15. Jahrhundert hinein beeinflussten. Demgegenüber zeichneten sich die Grabmäler der Neuen in der Stadt durch antikisierte Formen und innovative Grabmalstypen aus, die den Kulturtransfer nach Neapel sowie den Einfluss humanistischer Wertvorstellungen auf die Sepulkralplastik im späten Quattrocento am eindrücklichsten veranschaulichen. 204 Grit Heidemann-Schirmer Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 205 VI. Schlussbetrachtung Als Ergebnis der vorliegenden Studie ist festzuhalten, dass mithilfe der differenzierten Betrachtung einer speziellen Auftraggeberschaft sich auch deren Grabmäler kategorisieren und näherhin interpretieren lassen. Dabei wurde deutlich, dass die Grabmäler bestimmter sozialer Gruppen, wie den hier thematisierten neapolitanischen Adligen, selbst netzwerkartige Strukturen aufweisen, die spezifischen topologischen und typologischen Ordnungen folgen. Dies manifestiert sich insbesondere in Zeiten politischer Umbrüche und des sozialen Wandels, wenn es zu einer Sensibilisierung der Akteure kam, wie beispielhaft an der neapolitanischen Adelsgesellschaft des 15. Jahrhunderts herausgearbeitet werden konnte. Die neapolitanischen Adligen wurden, wie überall in Europa, an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit mit einer zunehmenden Kritik an ihren Exklusivitätsansprüchen und mit einem neuen Adelsverständnis konfrontiert, was sie unter anderem in Form von Monumentsetzungen zu kompensieren suchten. Die Grabmäler als Sinnbilder der für den Adel konstituierenden genealogischen Memoria wurden als auf Dauer angelegte Kommunikationsmedien eingesetzt, um sich in der verändernden neapolitanischen Gesellschaft zeichenhaft einzuschreiben.866 Die Erinnerungsmonumente weisen dabei nicht nur räumliche, sondern auch formale Bezüge untereinander auf, weshalb der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Analyse ihrer gewählten Standorte und Formen gelegt wurde. Insbesondere in der Standortwahl der Grabmäler manifestiert sich das gruppenspezifische Zugehörigkeitsbewusstsein der Adligen. Ausschlaggebend war dabei stets, wo sich der entsprechende Bestattungsort im urbanen Gefüge befand und welche Personen – seien es prominente Familienangehörige oder nachstrebenswerte Höhergestellte – dort ihre Grablege eingerichtet hatten. So wurden der Dom und die große Dominikanerkirche, die sich in unmittelbarer Nähe zu den adligen Versammlungsbauten inmitten des alten Stadtkerns von Neapel befanden und durch die königlichen Grablegen der Anjou zusätzlich ausgezeichnet waren, von den höheren 866 Allgemein zur Bedeutung von Genealogie in der mittelalterlichen Gesellschaft siehe noch einmal Kellner, Ursprung und Kontinuität, 2004. 206 Grit Heidemann-Schirmer Seggio-Adligen als Bestattungsorte vereinnahmt. Insofern suchten die Neuen in der Stadt jene Kirchen auf, die am Rande gelegen waren und von den Aragonesen gefördert wurden, mit denen sie sich verbunden fühlten und somit eine „Gegen-Identität“867 zur Maggiore Nobiltà des Seggio-Adels bildeten. Bisher wurde als Argument für die Suche nach neuen Begräbnisstätten zum Ende des Quattrocento der damalige Bevölkerungsanstieg in Neapel herangezogen, demzufolge die großen Kirchen bald überfüllt gewesen seien und es keinen Platz für neue Grabstätten gegeben habe.868 Die Analyse der quattrocentesken Grabmäler hat jedoch gezeigt, dass der Seggio-Adel das gesamte Jahrhundert hindurch Monumente in den Hauptkirchen seiner Quartiere errichten ließ, während die anderen Kirchen am Stadtrand seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts – also nach dem Dynastienwechsel – vor allem von den Angehörigen der Seggi Minori und der Nobili fuori Piazza ausgestattet wurden. Die öffentlichkeitswirksame Visualisierung der kollektiven Identität einer sozialen Gruppe, die sich durch ihre Bindung zum aragonesischen Königshof auszeichnete, konnte an mehreren Beispielen innerhalb des Kirchenraums von Santa Maria di Monteoliveto herausgearbeitet werden. Demgegenüber stellt die Kirche San Giovanni a Carbonara am nordöstlichen Stadtrand von Neapel einen Sonderfall dar, dem ein eigenes Kapitel gewidmet wurde. Dieses Fallbeispiel hat gezeigt, dass sich auch politische Rivalitäten einzelner Protagonisten an einem Ort durch monumentale Zeichensetzungen bündeln konnten. So wurde die Kirche sowohl als königliche Grablege der letzten Anjou-Durazzo als auch als Grabstätte des damals mächtigsten Seggio-Adligen sowie von einem der rebellierenden Feudaladligen im frühen 15. Jahrhundert dazu in Anspruch genommen, das spezifische Beziehungsgeflecht der rivalisierenden Auftraggeber in Zeiten des dynastischen Niedergangs öffentlichkeitswirksam zu projizieren. Auch in der Formwahl der neapolitanischen Adelsgrabmäler des Quattrocento konnten gruppenspezifische Merkmale herausgearbeitet werden. So war die Persistenz des alten, gotischen Formenrepertoires, das im lokalen Kontext auf die Anjou-Grabmäler des Trecento zurückwies, das gesamte 15. Jahrhundert hindurch dadurch gewährleistet, dass es vorzugsweise von den Alteingesessenen als Nachweis ihrer Anciennität und neapolitanischen Herkunft eingesetzt wurde. Es gab nur wenige auswärtige Adlige, die 867 Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 154. Siehe dazu noch einmal Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 600; Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 318. 868 Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 207 sich mithilfe dieses Formenvokabulars der lokalen Elite anzupassen versuchten. Vielmehr suchten die Neuen in der Stadt bewusst nach distinktiven Lösungen, die sich in Form innovativer Grabmonumente niederschlugen und die Etablierung der Frührenaissance in Neapel ermöglichten. Die alten Formen an den neapolitanischen Adelsgrabmälern des Quattrocento sind nicht als rückständig zu bewerten, sondern sie dienten der dem Anspruch auf Exklusivität legitimierenden Selbstdarstellung der Gruppe der Maggiore Nobiltà. Ein Grabmalstypus, der unter den Anjou als Ideal einer tugendhaften Königsfamilie kommuniziert worden war, wurde noch Jahrzehnte später am Ende dieser Dynastie von den alteingesessenen Adligen adaptiert. Insbesondere das Motiv der Karyatiden schien ein symbolischer Code für die Gruppe der höheren Seggio-Adligen zu sein. Es handelt sich somit um einen Wiedererkennungswert zur Epoche der Anjou, die nun als alt und vorbildhaft empfunden und zur Inszenierung der eigenen Tradition eingesetzt wurde. Retrospektivität wurde zu einem Aushängeschild, um sich von den Neuankömmlingen und den sozialen Aufsteigern zu distanzieren, die dies wahrnahmen und sich selbst im Gegensatz dazu neu zu definieren suchten, indem sie innovative Grabtypen beauftragten. Aufgrund der wachsenden Kritik am alten Adel und der gleichzeitigen Verbreitung einer Wertschätzung des leistungsorientierten Adels, der von den humanistischen Gelehrten im Laufe des 15. Jahrhunderts propagiert wurde, wurde das Motiv der Karyatiden an den Grabmälern allmählich aufgegeben und neue Formfindungsprozesse in Gang gesetzt. Die Nobili fuori Piazza griffen bei ihren Grabmalsaufträgen nun bevorzugt auf ein antikisierendes Formenvokabular zurück, das den am aragonesischen Königshof protegierten humanistischen Idealen folgte und somit ihrem Zugehörigkeitsbewusstsein zum Hof einen sichtbaren Ausdruck verlieh. Auch hier konnten einige Beispiele aus der Gruppe der höheren Seggio-Adligen angeführt werden, die deutlich machen, welche Tragweite diese auf Innovationen ausgerichteten Formfindungen für die Repräsentationsstrategien der in einem ständigen Wettstreit um die soziale Vorrangstellung stehenden alten Familien hatten. So wurden zunehmend auch Bezüge außerhalb Neapels gesucht, die Formen- sowie Typentransfers aus Rom und Florenz ermöglichten und insofern das über die Stadtgrenzen ausgeweitete soziale Netzwerk ihrer Auftraggeber visualisierten. 208 Grit Heidemann-Schirmer Ein wichtiges Anliegen dieser Arbeit war es, die Adligen als die maßgeblichen Entscheidungsträger bei der Standortsuche und der Formwahl ihrer Grabmäler herauszuarbeiten. Die ausführenden Bildhauer spielten offenbar eine eher untergeordnete Rolle bei den Formfindungsprozessen, waren sie doch selbst Teil der Aushandlungen, da sie von den Auftraggebern nach bestimmten Kriterien, wie ihren Stilidiomen und schon errichteten vorbildhaften Monumenten, gezielt ausgewählt wurden. Die Adligen projizierten die gruppenspezifischen Identifikationsmuster in die Monumente, um ihre Vorstellung der eigenen (angestrebten) sozialen Position der Nachwelt dauerhaft mitzuteilen. Diese an den Grabmälern fassbaren Repräsentationsstrategien der Auftraggeber spiegeln sich auch in Verträgen wider, in denen die Bezugnahmen auf einzelne Monumente schriftlich festgelegt waren. Die signifikanten Ähnlichkeiten einzelner Grabmäler mussten dem zeitgenössischen Betrachter ersichtlich sein, insofern die verwendeten Grabmalstypen in das kollektive Bildgedächtnis übertragen und bei jedem Kirchenbesuch aufs Neue abgerufen wurden. Es lässt sich also festhalten, dass in den konkreten Bezügen untereinander – sowohl durch den Standort als auch durch die Form – das jeweilige Gruppenbewusstsein der Auftraggeber seinen sichtbaren Ausdruck fand. Dabei spielte der gewählte Untersuchungszeitraum als eine Phase des politischen Umbruchs eine wichtige Rolle, denn in Konfrontation mit einer vermeintlichen Bedrohung der sozialen Ordnung, wie es die neapolitanischen Seggio-Adligen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts empfunden haben mussten, wurden das Gruppenbewusstsein und somit die gruppeninternen Codes zeichenhaft und öffentlichkeitswirksam in Form der beauftragten Grabmonumente verstärkt. Die Selbstinszenierung Einzelner vermittelte weitgehend die soziale Identität des jeweiligen Auftraggebers im Kontext des gruppenspezifischen Systems und verdeutlichte einmal mehr das Auf und Ab inmitten einer sich verändernden neapolitanischen Gesellschaft. Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel VII. Anhang 209 210 Grit Heidemann-Schirmer Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel 211 VII.1. Literaturverzeichnis Abkürzungen: ASN Archivio di Stato di Napoli ASPN Archivio Storico per le Province Napoletane BNN Biblioteca Nazionale di Napoli DBI Dizionario Biografico degli Italiani LexMa Lexikon des Mittelalters TCI Touring Club Italiano Primärliteratur Ammirato, Scipione, Delle Famiglie nobili napoletane, 2 Bde., Florenz 1580-1651. 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Abbildungsnachweise Abb. 1; 14: De Seta, Napoli, 1997, S. 17; 128 Abb. 2: Di Meglio, Nobiltà di seggio, 2012, S. 36 Abb. 3; 5; 8-11; 13; 16; 18; 20-27; 30; 31a-b; 34; 37-38; 40-42; 44-47; 49-50; 52a; 53; 55; 59-60; 62; 64; 66-67; 70-71; 75-79; 83-86: Fotoarchiv der Verfasserin Abb. 4: Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 202 Abb. 6: Crisconio, La stirpe longobarda, 2008, Buchumschlag Abb. 7; 57: Cassani, All’ombra del Vesuvio, 1990, S. 109 Abb. 12: Heidemann/Scirocco, Die Kirchen, 2010, Abb. 6 u. 8 Abb. 15: Presta, La basilica, 1984, Tafel 32 Abb. 15a: Russo, La parola, 2005, S. 32 Abb. 17; 19: Luciano Pedicini Abb. 28: Ferraro, Atlante, 2003, S. 502 Abb. 29; 31: Di Giacomo, Napoli, 1929, S. 47 Abb. 33: Di Stefano, La Cattedrale, 1974, Abb. 36 Abb. 35: Thoenes, Neapel, 1971, S. 94 Abb. 36; 43: Prometheus Bildarchiv Abb. 39: Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, S. 36 Abb. 48: De Stefano, La chiesa, 1964, S. 17 Abb. 51: Grund, Teatri della Gloria, 2009, Abb. 34 Abb. 52: REQUIEM Datenbank Abb. 54; 74; 80: Abbate, La scultura, 1992, Abb. 25; 29; 69 Abb. 56: De Divitiis, Architettura, 2007, S. 14 Abb. 58; 82: Cundari, Il complesso, 1999, S. 256; 474 Abb. 61; 63; 65: Gurrieri, La Basilica, 1988 Abb. 68-69: Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 297 Abb. 72: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Historische Drucke, 4” Ph1340: S16 Abb. 73: Muñoz, Studii, 1909, S. 93 Abb. 81: Panofsky, Grabplastik, 1993, Abb. 371 Abb. 87: Cantabene, La committenza, 2007, S. 138 242 Grit Heidemann-Schirmer Adelsgrabmäler des Quattrocento VII.3. Abbildungen Abb. 1: Stadtplan von Neapel mit dem angiovinischen und dem aragonesischen Mauerring sowie der Lokalisierung der Seggi und wichtigsten Kirchen (Rekonstruktion der Verfasserin nach De Seta) Abb. 2: Einteilung der Stadt Neapel in die Seggi 243 244 Abb. 3: Reste des Seggio di Capuana in der Via dei Tribunali Abb. 5: Sorrent, Sedile Dominova Grit Heidemann-Schirmer Abb. 4: Erhaltene Pendentifkuppel des Seggio di Montagna in der Via dei Tribunali Abb. 6: Carlo Torelli „Lo splendore della nobiltà napoletana“ zweite Hälfte 17. Jahrhundert, heute in: Dom, Archivio della Cappella del Tesoro di San Gennaro, Sala dei Sedili Abb. 7: Francesco Rosselli „Tavola Strozzi“ um 1472, heute in: Neapel, Museo Nazionale di S. Martino Adelsgrabmäler des Quattrocento 245 Abb. 9: San Giovanni a Carbonara, rekonstruierter Grundriss der ersten Bauphase unter König Ladislaus von Anjou-Durazzo bis 1414 Abb. 8: San Giovanni a Carbonara, Außenansicht Abb. 10: Rekonstruierter Grundriss der zweiten Bauphase unter Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo bis 1435 Abb. 11: Grabmal für König Ladislaus von Anjou-Durazzo, 1414–1428, Andrea da Firenze u.a. Abb. 12: Santa Chiara, Grabmal für König Robert von Anjou, 1343–1345, Giovanni und Pacio Bertini 246 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 13: San Giovanni a Carbonara, Cappella Caracciolo del Sole, Außenansicht Abb. 15: Galatina, S. Caterina d’Alessandria, Cappella Orsini del Balzo Abb. 14: Alessandro Baratta, Stadtplan Fidelissimae urbis neapolitanae […] von 1629, Detail San Giovanni a Carbonara Abb. 15a: Grabmal für Raimondello Orsini del Balzo, 1420–1430 Adelsgrabmäler des Quattrocento Abb. 16: San Giovanni a Carbonara, Innenansicht nach Osten 247 Abb. 17: Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole, 1433–1449 Abb. 18: San Lorenzo Maggiore, Grabmal für Ludovico Aldemorisco, 1421, Antonio Baboccio 248 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 19: Cappella Caracciolo del Sole, Innenansicht Abb. 20: Ausschnitt aus dem Freskenzyklus „Thebais“, 1450er, Leonardo da Besozzo und Perinetto da Benevento Abb. 22a: Detail „Geburt der Jungfrau“ Abb. 21: Detail der „Thebais“, Szene der musizierenden Mönche Abb. 22: Marienszenen Adelsgrabmäler des Quattrocento Abb. 23: Fresken der Heiligenfiguren neben den Lanzettfenstern, Detail Hl. Andreas Abb. 24: Detail Majolikafußboden 249 Abb. 23a: Detail der Hll. Petrus und Paulus, hinter dem Stiftergrabmal Abb. 25: Detail Grabplatte für Marino Caracciolo Abb. 26: Grabmal für König Ladislaus von AnjouDurazzo, Untersicht des Durchgangs zur Cappella Caracciolo del Sole 250 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 27: Cappella Santa Monica, Seitenansicht Abb. 28: Antoine Lafréry, Neapel-Stadtplan von 1566, Detail San Giovanni a Carbonara Abb. 29: Cappella Santa Monica, Eingangsportal Abb. 30: San Giovanni Maggiore, Cappella Pappacoda, Eingangsportal Adelsgrabmäler des Quattrocento 251 Abb. 31: Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano, nach 1433, Andrea da Firenze Abb. 31a: Detail Sarkophagseitenplatte mit dem Hl. Nikolaus von Tolentino Abb. 31b: Detail Pilasternische mit dem Hl. Petrus 252 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 33: Dom, Grundriss mit Kapellenpatronaten des 15. Jahrhunderts (Rekonstruktion der Verfasserin nach Di Stefano) Abb. 35: San Domenico Maggiore, Grundriss mit Kapellenpatronaten bis Anfang 16. Jahrhundert (Rekonstruktion der Verfasserin nach Thoenes) Abb.34: San Domenico Maggiore, Sakristei, Särge für Angehörige aus dem Hause Aragon Abb. 36: San Lorenzo Maggiore, Grabmal für Königin Katharina von Österreich, 1324, Tino di Camaino Adelsgrabmäler des Quattrocento 253 Abb. 37: Dom, Cappella Minutolo Abb. 38: Dom, Grabmal für Kardinal Enrico Minutolo, 1402–1405 Abb. 39: Rom, Santa Maria in Trastevere, Grabmal für Kardinal Philippe d’Alençon, nach 1397 (Rekonstruktion nach Kühlenthal) 254 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 40: Domportal, 1406–1407, Antonio Baboccio Abb. 41: Dom, Grabmal für Kardinal Francesco Carbone, nach 1405, Antonio Baboccio Abb. 42: Sant’Angelo a Nilo, Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio, 1426–1428, Donatello und Michelozzo Abb. 43: Florenz, Baptisterium, Grabmal für Gegenpapst Johannes XXIII., 1420er, Donatello und Michelozzo Adelsgrabmäler des Quattrocento Abb. 44: San Domenico Maggiore, Grabmal für Tommaso Brancaccio, 1492, Jacopo della Pila 255 Abb. 45: San Domenico Maggiore, Grabmal für Antonio Malizia Carafa, um 1470, Jacopo della Pila Abb. 45a: Detail der Frontplatte Abb. 46: San Domenico Maggiore, Grabmal für Nicola Tomacelli, 1473 256 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 47: Sant’Angelo a Nilo, Außenansicht Abb. 49: Sant’Angelo a Nilo, Westportal Abb. 48: Sant’Angelo a Nilo, Grundriss Abb. 51: Sant’Angelo a Nilo, Grabmal für Pietro Brancaccio, 1483, Jacopo della Pila Adelsgrabmäler des Quattrocento 257 Abb. 50: San Domenico Maggiore, Cappellone del Crocifisso Abb. 52: Rom, S. Maria del Popolo, Grabmal für Kardinal Cristoforo della Rovere, 1478–1481, Andrea Bregno und Mino da Fiesole Abb. 53: Grabmal für Niccolò d’Alagno, 1494, Jacopo della Pila, heute in: Museo dei Filangieri Abb. 52a: Detail, umlaufende Sitzbank in der Cappella della Rovere 258 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 54: San Domenico Maggiore, Grabmal für Diomede Carafa, späte 1470er, Jacopo della Pila zugeschrieben Abb. 55: San Domenico Maggiore, Grabmal für Francesco Carafa, 1490er, Tommaso Malvito zugeschrieben Abb. 56: Frontispiz der Memoriale-Ausgabe von Diomede Carafa an Eleonora von Aragon, 1477 Adelsgrabmäler des Quattrocento Abb. 57: „Tavola Strozzi“, Detail Santa Maria di Monteoliveto (siehe Abb. 7) 259 Abb. 59: Guido Mazzonis Terrakottagruppe der „Beweinung Christi“ von 1492, Santa Maria di Monteoliveto Abb. 58: Santa Maria di Monteoliveto, Grundriss mit Kapellenpatronaten bis Anfang 16. Jahrhundert (Rekonstruktion der Verfasserin nach Cundari) 260 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 60: Santa Maria di Monteoliveto, Cappella Piccolomini Abb. 62: Cappella Piccolomini, Grabmal für Maria von Aragon, 1475–1491, Antonio Rossellino und Benedetto da Majano Abb. 61: Florenz, S. Miniato al Monte, Cappella del Cardinale di Portogallo, 1460–1468, Antonio und Bernardo Rossellino Abb. 63: Florenz, S. Miniato al Monte, Cappella del Cardinale di Portogallo, Detail Stiftergrabmal Adelsgrabmäler des Quattrocento Abb. 64: Cappella Piccolomini, Sediale für Antonio Piccolomini, 1480er 261 Abb. 65: Florenz, S. Miniato al Monte, Cappella del Cardinale di Portogallo, Detail Thronbank Abb. 66: Cappella Piccolomini, Altar, 1471–1474, Antonio Rossellino 262 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 67: Santa Maria di Monteoliveto, Cappella Correale Abb. 70: Cappella Correale, Altar, 1489, Benedetto da Majano Abb. 68: Cappella Correale, Sarkophag für Gabriele Correale, um 1490, Benedetto da Majano Abb. 69: Cappella Correale, Sediale für Marino Correale, um 1490 Adelsgrabmäler des Quattrocento 263 Abb. 71: Santa Maria di Monteoliveto, Cappella d’Alessandro, heutiger Zustand Abb. 72: Tobias Fendt, Zeichnung des Doppelgrabmals für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia, 1574 Abb. 73: Silloge del Boissard, Zeichnung des Doppelgrabmals für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia, 1597–1598 264 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 74: Cappella d’Alessandro, Doppelsarkophag für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia1492, Tommaso Malvito zugeschrieben Abb. 75: San Domenico Maggiore, Doppelgrabmal für Mariano d’Alagno und Caterinella Orsini, 1506, Tommaso Malvito Abb. 76: Cappella d’Alessandro, Sediale für Antonio d’Alessandro, 1491 Adelsgrabmäler des Quattrocento Abb. 77: Santa Maria la Nova, Kreuzgang, Grabmal für Matteo Ferrillo, 1492–1499, Jacopo della Pila Abb. 79: Santa Maria la Nova, Kreuzgang, Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato, 1510er, Tommaso und Giovan Tommaso Malvito zugeschrieben 265 Abb. 78: Santa Maria la Nova, Kreuzgang, Grabmal für Bischof Costantino Castriota, um 1500,Tommaso Malvito zugeschrieben Abb. 80: S. Maria della Grazie a Caponapoli, Doppelgrabmal für Giovannello Cuncto und Lucrezia Filangieri di Candida, 1516, Tommaso Malvito 266 Grit Heidemann-Schirmer Abb. 81: Sigüenza, Kathedrale, Grabmal für Don Martin Vázquez de Arce (Detail), um 1491 Abb. 82: Santa Maria di Monteoliveto, Cappella Tolosa Abb. 83: Cappella Tolosa, Fresko „Bekehrung des Hl. Paulus“ über dem Eingang, um 1500 Adelsgrabmäler des Quattrocento Abb. 84: Cappella Tolosa, rechte Wand mit Fresken Abb. 86: Santa Maria di Monteoliveto, heutiger Zustand des Grabmals für Giovanni Cavaniglia, nach 1473, Jacopo della Pila 267 Abb. 85: Cappella Tolosa, linke Wand mit Fresken Abb. 87: Montella, S. Francesco a Folloni, Grabmal für Diego Cavaniglia, 1481, Jacopo della Pila