GRIT HEIDEMANN-SCHIRMER
ADELSGRABMÄLER
DES
QUATTROCENTO
IN
NEAPEL:
GRUPPENBEWUSSTSEIN UND SELBSTINSZENIERUNG
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der Philosophie (Dr. phil.)
eingereicht an der
Fakultät Bildende Kunst der Universität der Künste Berlin
im Februar 2013
GutachterInnen:
Prof. Dr. Tanja Michalsky, Bibliotheca Hertziana Rom
Prof. Dr. Philipp Zitzlsperger, Humboldt-Universität Berlin
Disputation am 28. Oktober 2013
Für Clara
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort ……………………………………..………………………………………………… 5
I. Einleitung ………………………………………..………………………………….…......... 7
I.1. Vorstellung des Themas ……………………………..………………………...................... 7
I.2. Grabmäler als Kommunikationsmedien in der vormodernen städtischen Gesellschaft…... 10
I.3. Erste topologische und typologische Beobachtungen ………………………..................... 15
I.4. Konzept der Arbeit ……………………………………………………………….............. 16
II. Der neapolitanische Adel im 15. Jahrhundert:
Differenzierung und Kontextualisierung ……………………………...........….....…..... 19
II.1. Nobiltà di Seggio – Der Stadtadel ...................................................................................... 21
II.1.1. Die Maggiore Nobiltà ..................................................................................................... 24
II.1.2. Die Seggi Minori ............................................................................................................. 27
II.1.3. Die Bedeutung der Seggi im Stadtraum von Neapel …………………………….......... 31
II.2. Nobili fuori Piazza – Die Neuen in der Stadt …………………………………….……... 34
II.2.1. Die Herkunft innerhalb des Regnums …………………………………………...…….. 35
II.2.2. Die Herkunft außerhalb des Regnums …………………………………………...…..... 36
II.3. Baruni – Der Feudaladel ……………………………………………...…………………. 37
II.3.1. Die Baruni de titulo ………………………………………………………………….... 38
II.3.2. Der titellose Feudaladel ………………………………………………………….......... 41
II.4. Die Adligen in Zeiten politischer Umbrüche und sozialen Wandels:
Neapel im 15. Jahrhundert …………………………………………...………………….. 41
Der Dynastienwechsel und die soziopolitischen Veränderungen ……………………….. 42
III. Die Konfrontation der Gruppen:
San Giovanni a Carbonara als Austragungsort politischer Rivalitäten .…………..... 53
III.1. Die Kirche als „ecclesia reale“ der letzten Anjou-Durazzo ……….….…………........... 53
Kurze Baugeschichte …………………………………………………………………... 54
Das Königsgrabmal und der Anspruch auf die Kirche als „ecclesia reale“ …….…..... 57
Exkurs: Der angiovinische Grabmalstyp des Trecento ………………………………... 63
III.2. Die Cappella Caracciolo del Sole – Demonstration der einzigartigen Machtstellung
eines neapolitanischen Stadtadligen ……………………………………………………. 65
Die architektonische Gestalt der Kapelle …………..…………………………………… 68
Das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole (1433–1449) …………………...….... 70
Das Freskenprogramm der Kapelle ………………….………………………………... 76
Weitere Ausstattungselemente in der Kapelle .………..………………………………… 80
Die Datierungsproblematik der Kapelle …..………..…………………………………... 80
Die Funktion und der Bedeutungsgehalt der Kapelle ………………………………….. 82
III.3. Die Cappella Santa Monica – Provokante Nähe eines rebellierenden Feudaladligen….. 85
Das Kapellenportal …………...……………………..………………………………….. 88
Das Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano (nach 1433) ………………….... 90
III.4. Zusammenfassung des Kapitels ………………….…………………..………….……... 93
IV. Die Maggiore Nobiltà des Seggio-Adels: Demonstration von Exklusivität ………….. 97
IV.1. Abgrenzung nach außen …………………………………...………………………….... 97
IV.1.1. Die Bestattungsorte ………………………………………………………................... 98
IV.1.1.1. Der Dom ………………………………………………………………….………… 99
IV.1.1.2. San Domenico Maggiore ………………………………………….......................... 101
IV.1.2. Zur Persistenz des alten Grabmalstyps ……………………………………………… 104
Das Grabmal für Kardinal Enrico Minutolo im Dom (1402–1405) ….…………..... 105
Das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone im Dom (1405) ..…………………. 111
Das Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio in St. Angelo a Nilo (1426–1428) ... 114
Das Grabmal für Tommaso Brancaccio in San Domenico Maggiore (1492) …....... 118
Das Grabmal für Antonio Malizia Carafa in San Domenico Maggiore (nach 1470) 120
IV.2. Konkurrenz nach innen ………………………………………………………….……. 126
IV.2.1. Wettstreit um die Besetzung des Kirchen- und Stadtraums – Die Grablegen der
Brancaccio und Carafa in Sant’Angelo a Nilo und San Domenico Maggiore ............ 127
Sant’Angelo a Nilo als Familiengrablege der Brancaccio ………………………..….. 128
Die Familienkapellen der Carafa della Stadera in San Domenico Maggiore …....... 132
IV.2.2. Formfindungsprozesse im Kontext des Selbstverständnisses von Exklusivität .......... 133
Das Grabmal für Pietro Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (1483) ……………..…. 134
Die Zwillingsgrabmäler für Diomede und Francesco Carafa in San Domenico
Maggiore (späte 1470er und 1490er) ………………………………………………..….. 137
IV.3. Zusammenfassung des Kapitels ………………………………………………………. 148
V. Die Neuen in der Stadt: Innovationsprozesse in der adligen Grablegepraxis ……… 151
V.1. Die Suche nach alternativen Bestattungsorten …………………………….................... 152
V.1.1. Santa Maria la Nova ..................................................................................................... 154
V.1.2. Santa Maria di Monteoliveto ........................................................................................ 157
V.2. Neue Kapellenraumauffassung – Die Cappella Piccolomini und ihre Folgen …….…... 161
Das Grabmal für Maria von Aragon (1475–1491) ………….……………………….......... 163
Der Sediale für Antonio Piccolomini (1480er) ……………..………………………...……. 166
Der Kapellenaltar …………………………………………………………………....….... 168
V.2.1. Die Cappella Correale .................................................................................................. 169
Der Sarkophag für Gabriele Correale (um 1490) ………….………………………........ 171
Der Sediale für Marino Correale (um 1490) ……………..………………………...…… 173
Der Kapellenaltar ………………………………………………………………....…… 174
V.2.2. Die Cappella d’Alessandro ........................................................................................... 176
Das Doppelgrabmal für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia (1492) …....... 177
Der Sediale für Antonio d’Alessandro (1491) ...…………..………………………...…... 180
V.3. Zum Aufkommen neuer Grabmalstypen ………………………………......................... 182
Das Grabmal für Matteo Ferrillo (1492–1499) .......………….………………………....... 182
Das Grabmal für Bischof Costantino Castriota (um 1500) .……………………….....….. 185
Das Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (1510er) ……....….. 188
V.4. Die Cappella Tolosa – Zeichensetzung eines immigrierten Aufsteigers ………............. 194
Die Freskenausmalung ………………………….........………….………………………........ 196
V.5. Soziale Anerkennung durch formale Angleichung? Das Grabmal Giovanni
Cavaniglias in Santa Maria di Monteoliveto …………………..…….............................. 197
V.6. Zusammenfassung des Kapitels ……………..…………………..…………................... 202
VI. Schlussbetrachtung ………………………………………………………………..…... 205
VII. Anhang ………………………………………………………………………………… 209
VII.1. Literaturverzeichnis ……………………………………………………………...…... 211
VII.2. Abbildungsverzeichnis ……………………………………………………………...... 241
VII.3. Abbildungen ………………………………………………………………………….. 243
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
5
VORWORT
Dies ist die überarbeitete Fassung meiner Doktorarbeit, die ich im Februar 2013 an der
Universität der Künste Berlin unter dem Titel „Die Adelsgrabmäler des Quattrocento in
Neapel – Gruppendynamiken und Formfindungsprozesse in Zeiten politischer
Umbrüche und sozialen Wandels“ vorgelegt hatte. Der intensiven Beschäftigung mit
diesem
Thema
zugrundeliegend
war
ein
durch
den
DAAD
ermöglichter
Forschungsaufenthalt in Neapel im Frühjahr 2008 sowie meine langjährige Mitarbeit im
Teilprojekt C5 „Topologie der Erinnerung. Neapolitanische Adelsgrabmäler als
Netzwerke der Selbstdarstellung“ am DFG geförderten Sonderforschungsbereich 640
„Repräsentationen sozialer Ordnungen im Wandel“.
An dieser Stelle möchte ich nicht nur meinen damaligen KollegInnen des SFB 640 für
die vielen konstruktiven Gespräche und immer anregenden Diskussionsrunden danken.
Besonderer Dank gilt vor allem meiner Betreuerin Tanja Michalsky, die mich von
Beginn an für die Neapel-Forschungen begeistert und stets motiviert hat.
Auch die Aufgeschlossenheit meiner Freunde gegenüber diesem Thema, das mich all
die Jahre so intensiv beschäftigt hat, darf nicht unerwähnt bleiben. Insbesondere Ruth
Hansmann und Anett Ladegast danke ich für ihre so herzliche uneingeschränkte
Unterstützung, für ihre wertvollen Anregungen und ihr ehrliches Interesse.
Nicht zuletzt möchte ich meiner Familie für ihren Rückhalt danken, vor allem meinem
Vater für die entscheidende, alles überflügelnde Frage nach einem nicht enden
wollenden Wissensdurst, und meinem Mann, der mich immer wieder bestärkt und den
notwendigen Enthusiasmus aufrechterhalten hat. Meiner Tochter, die aufs engste mit
dem Abschluss der Dissertation verbunden ist, ist diese Arbeit von ganzem Herzen
gewidmet.
Berlin, den 09. November 2015
6
Grit Heidemann-Schirmer
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
7
I. EINLEITUNG
I.1. Vorstellung des Themas
Adelsgrabmäler scheinen eine Typisierung zu evozieren und tatsächlich lassen sich auch
einige Charakteristika festmachen, die das Verständnis von Adel visualisieren.1 Doch
sie sollten ebenso differenziert betrachtet werden, wie die historische Forschung dies für
ihre Auftraggeber konstatiert.2
Die vorliegende Arbeit behandelt demnach die in der Forschung immer noch wenig
bekannten Grabmäler der neapolitanischen Adligen des 15. Jahrhunderts, an denen nicht
nur der aus dem Dynastienwechsel von 1442 resultierende politische und soziale
Wandel, sondern vor allem die differenzierte (Selbst- und Fremd-)Wahrnehmung ihrer
Auftraggeber evident wird. Es soll gezeigt werden, dass es sich um ein Oszillieren
zwischen der Visualisierung eines lokal spezifischen Gruppenbewusstseins und dem
Bedürfnis nach Selbstinszenierung Einzelner handelt, welches verstärkt in Zeiten
politischer und sozialer Umbrüche auftritt.
Während die allgemeine Grabmalsforschung vor allem die formalen und stilistischen
Entwicklungen an bekannten Monumenten der europäischen Vormoderne sowie deren
Bedeutung für die jeweilige Kulturlandschaft herausgearbeitet hat,3 so ist in den letzten
Jahren die Differenzwahrnehmung der Auftraggeber als gesellschaftliche Gruppen und
deren Auswirkungen auf die vormoderne Grabmalskunst verstärkt in den Fokus der
Forschung gerückt.4 Zu Adelsgrabmälern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wird
1
Die Rede ist hier von der standesgemäßen Darstellung des Verstorbenen in Rüstung, mit Waffen und ein
bis zwei Hunden am Fußende als Allegorien der Treue. Es handelt sich demnach um Attribute und
Darstellungsmodi, die dem Selbstverständnis des Adels als Ritterschaft gerecht werden.
2
Zur differenzierten Betrachtung von Adel im Spätmittelalter siehe vor allem Spieß, Ständische
Abgrenzung, 1992. Im neapolitanischen Kontext insbesondere Vitale, Élite, 2003 und Visceglia, Identità
sociali, 1998.
3
Immer noch grundlegend Körner, Grabmonumente, 1997; Panofsky, Grabplastik, 1993; Bauch,
Grabbild, 1976.
4
Siehe hier vor allem die Arbeiten des REQUIEM-Projektes an der HU Berlin, das die Papst- und
Kardinalsgrabmäler der Frühen Neuzeit umfassend untersucht. Auch der Sammelband „Creating
Identities“ der Kasseler Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. von 2007 hat entscheidende
Impulse gesetzt. Des Weiteren sind beispielhaft die Sammelbände zu nennen Hengerer, Macht und
Memoria, 2005 sowie Maier/Schmid/Schwarz, Grabmäler, 2000.
8
Grit Heidemann-Schirmer
dabei der Blick hauptsächlich in die nordalpinen Regionen gerichtet.5 Demgegenüber
bietet der neapolitanische Adel als eine äußerst heterogene Gruppe im Kontext der
wechselnden fremdländischen Königshäuser einen überaus reichen Fundus an
Grabmalsaufträgen in der vormodernen Zeit. Doch die kunsthistorische Forschung hatte
sich lange Zeit einerseits fast ausschließlich mit der Kunstpatronage und den
Repräsentationsstrategien
der
in
Neapel
residierenden
Königshäuser
befasst,
andererseits mit der Stilkritik und Debatten um die Händescheidung der in Neapel
tätigen Bildhauer.6 Schon Vitale hat auf die rudimentäre Forschungslage zum Thema
der sozialen Differenzierung des neapolitanischen Adels und deren Auswirkungen auf
die adlige Grablegepraxis aufmerksam gemacht.7 Erst in jüngster Zeit ist der Adel als
Auftraggeberschaft vermehrt in den Fokus der Forschung gerückt, um seinem Einfluss
auf die Stadtgestalt und auf die Kirchenausstattungen gerecht zu werden.8 Hier setzt die
vorliegende Arbeit an und führt die Diskussion um den für die Auftraggeberforschung
maßgeblichen sozialhistorischen Kontext weiter, aus dem heraus die Analyse der
neapolitanischen Grabmonumente einen höheren Erkenntnisgewinn erwarten lässt.
Die Bedeutung des Adels für die Stadt wurde schon von den Zeitgenossen
wahrgenommen, was sich beispielsweise in ihrer Bezeichnung als Napoli Nobilissima
widerspiegelt und letztlich zu einem Topos wurde.9 In gleicher Weise kategorisierte ein
italienischer Chronist die fünf großen Städte Italiens nach ihren spezifischen
Charakteren, und zwar: „Roma […] la santa, Milano la grande, Firenze la bella,
5
Aus der zahlreichen jüngeren Forschungsliteratur seien hier beispielhaft die Dissertationen genannt von
Brinkmann, Grabdenkmäler, 2010; Baresel-Brand, Grabdenkmäler, 2007; Zajic, Zu ewiger gedächtnis
aufgericht, 2004.
6
Siehe u.a. Bruzelius, The Stones of Naples, 2004; Michalsky, Medien der Macht, 2001; dies., Memoria
und Repräsentation, 2000; Negri Arnoldi, La scultura, 1994; Abbate, La scultura, 1992; Pane, Il
Rinascimento, 2 Bde., 1975-1977; Ferrari, Per la conoscenza, 1965; Leppien, Die neapolitanische
Skulptur, 1962; Causa, Contributi, 1950.
7
Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 143. Grundlegende historische Vorarbeiten sind sowohl ihr als auch ihrer
Magistrandin Serafina Rugna und insbesondere Maria Antonietta Visceglia zu verdanken. Vgl. ebd., bes.
S. 143-147; Rugna, La nobiltà napoletana, 1997; Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982. Grundsätzlich ist die
Forschungslage in Neapel dadurch erschwert, dass viele Archive im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden.
8
Auf deutscher Seite sind grundlegend dazu Tanja Michalskys Arbeiten zu den neapolitanischen
Adelsgrabmälern und Familienkapellen des 14. bis 16. Jahrhunderts zu nennen. Vgl. Michalsky, The
Local Eye, 2008; Dies., Die Porosität, 2007; Dies., Seggi und Sediali, 2005; Dies., Strukturiertes
Gedächtnis, 2005. Neben ihren Arbeiten sind vor allem die Dissertationen zu nennen von Grund, Teatri
della Gloria, 2009 und De Divitiis, Architettura, 2007. Erste Impulse haben gesetzt Bock, Kunst am Hofe,
2001 und Beyer, Parthenope, 2000.
9
Schon Jacopo Sannazzaro betitelte Neapel als „nobilissima città”. Zitiert nach Galasso, Napoli capitale,
1998, S. 102, Anm. 4. Außerdem bei del Tufo, Ritratto, 1588; Weiterhin in dem Stadtführer von Parrino,
Napoli città nobilissima, 1700. Angelehnt an das Werk von Parrino wurde auch die kunsthistorische
Zeitschrift „Napoli Nobilissima“ betitelt, welche seit 1892 erscheint. Marino, Becoming Neapolitan,
2011, S. 24, verweist auf die Mythenbildung Neapels als „the most noble and most faithful city.“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
9
Venezia la ricca“ und Neapel „la gentile“.10 Interessant ist diese zeitgenössische
Aussage vor allem aus dem Grund, dass Neapel seit dem 11. Jahrhundert von
auswärtigen Dynastien regiert wurde, mit denen sich der lokale Adel arrangieren
musste.11 Im Untersuchungszeitraum des 15. Jahrhunderts, der aufgrund der damaligen,
die neapolitanische Adelsgesellschaft nachhaltig verändernden politischen Ereignisse
gewählt wurde, wird ersichtlich, dass sich die Ortsansässigen durch eine privilegierte
innerstädtische
Machtposition
und
ihre
Dominanz
im
Stadtraum
über
die
Dynastienwechsel hinweg identifizierten.12 Aufgrund der verstärkten Zuwanderung
auswärtiger Adliger, die den in Neapel residierenden Königen folgten, entwickelte sich
ein ausgeprägtes Differenzierungsbewusstsein innerhalb des Standes, das zur
Abgrenzung der alten Familien vor allem gegenüber den Neuen in der Stadt führte.
Meine These ist, dass dieses sozial differenzierte Selbstverständnis der Adligen
formbildend für ihre Grabmäler sowie entscheidend für deren Standortwahl wurde.13
Die vorliegende Arbeit zielt demzufolge nicht darauf ab, einen umfassenden Katalog
aller aus dem 15. Jahrhundert rekonstruierbarer Adelsgrabmäler Neapels zu liefern. Es
geht vielmehr darum, anhand ausgewählter Beispiele das Gruppenbewusstsein und die
Netzwerkbildungen, aus denen sich die Standortwahlen und Formfindungsprozesse
entwickelten, in der Reflexion von Altem und Neuem – sowohl der adligen
Auftraggeber als auch ihrer Monumente – herauszuarbeiten.14 Darüber hinaus sind
mithilfe
der
Standortbestimmung
sowie
der
Form-
und
Stilanalyse
die
Selbstinszenierungsstrategien ihrer Auftraggeber zu untersuchen, die sich aus den
persönlichen Interessen inmitten eines sich wandelnden sozialen Gruppenverständnisses
ergaben.15
10
Zitiert nach Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 61. Galasso führt außerdem einen weiteren Zeitgenossen
an, der während seiner Besichtigung Neapels im Jahre 1444 von „Napoli zentile“ spricht. Vgl. ebd., S. 61,
Anm. 3. Der Begriff „gentile“ bezieht sich dabei insbesondere auf die aragonesische Zeit. Siehe ebd.,
S. 61-110. Allgemein zum Charakteristikum „Edelkeit“ von Adel siehe auch Conze, Adel, 1972, S. 7.
11
Zum Verhältnis von Macht und dem „Anspruch auf Anerkennung und Gehorsam seitens der
Herrschaftsunterworfenen“ in der spätmittelalterlichen Ständegesellschaft siehe Schreiner, Legitimation,
1997, S. 378 u. vorhergehende.
12
Zum gewählten Untersuchungszeitraum, der sich aus dem Herrschaftsantritt König Ladislaus’ von
Anjou-Durazzo in Neapel um 1400 über den Dynastienwechsel im Jahre 1442 bis hin zum Ende der
aragonesischen Herrschaftsphase 1503 ergibt, siehe unten Kap. II.4.
13
Zur Standortwahl im Kontext des sozialen Systems der neapolitanischen Adligen siehe vor allem
Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982; dies., Il bisogno di eternità, 1988.
14
Zur Analyse von Netzwerken in der vormoderen Gesellschaft siehe immer noch grundlegend Reinhard,
Freunde und Kreaturen, 1979.
15
Zur Bedeutung der Grablege als Objekt der Selbstdarstellung der neapolitanischen Adelsfamilien
„all’interno di un sistema gerarchico di valori sociali“ siehe Vitale, Élite, 2003, S. 143 u. ff. Außerdem
zur Bedeutung der Standortwahl der Grablege als Repräsentationsstrategie des Verstorbenen
beziehungsweise vielmehr seiner Familie im sozialen Gefüge siehe auch Karsten/Zitzlsperger,
Gesellschaftliche Gruppen, 2007, S. 80f., hier am Beispiel einer römischen Adelsfamilie.
10
Grit Heidemann-Schirmer
Es soll gezeigt werden, dass sich der antagonistische Charakter des neapolitanischen
Adels, der von der Konfrontation der Ortsansässigen mit den Fremden und den daraus
resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen in der Stadt geprägt war, zeichenhaft
in den Grabmonumenten niederschlug.
I.2. Grabmäler als Kommunikationsmedien in der vormodernen städtischen
Gesellschaft
Vormoderne Grabmäler sind zuerst einmal Monumente, die an das diesseitige Leben
des Verstorbenen erinnern und zur Fürbitte für sein Seelenheil im Jenseits auffordern
sollten.16 Darüber hinaus, und darin ist sich die jüngere Forschung ebenfalls einig,
dienten die Grabmäler zur Legitimierung der Hinterbliebenen innerhalb der jeweiligen
Gesellschaft.17 So postulierte schon der neapolitanische Humanist Giovanni Pontano
(1426–1503) in seinem Tugendtraktat „De magnificentia“,18 dass „bei der Errichtung
eines Grabs […] sowohl auf den Ruf dessen, dem es errichtet wird, als dessen, von dem
es errichtet wird, bedacht zu sein“19, denn „jede Ehre, feierlich begraben zu werden,
zielt aber auf die Lebenden ab.“20
Grabmäler fungierten als überaus wichtige Kommunikationsmedien zwischen den
Lebenden und den Verstorbenen, ihre Funktion als Vermittler zwischen den Welten war
allgegenwärtig.21 Da die vormoderne Gesellschaft gleichermaßen Lebende und Tote als
Teile ihres Systems verstand und sie – ebenso wie die moderne Gesellschaft – durch
Kommunikation konstituiert wurde, sind Grabmäler demzufolge grundlegend System
erhaltende Medien, derer sich die einzelnen sozialen Gruppen der Gesellschaft
16
„Jede Stiftung erfolgte zum Seelenheil.“ Vgl. Kleinjung, Frauenklöster, 2008, S. 252. Allgemein zum
mittelalterlichen Stiftungsbegriff siehe Borgolte, Die Stiftungen, 1988.
17
Siehe u.a. Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht, 2004, S. 18; Borgolte, Die Dauer, 2000, S. 141. Zum
Einsatz von Grabmälern als Medien der Repräsentation für die Hinterbliebenen siehe beispielhaft KuschArnhold, Ein Monument der Familie, 2007, S. 59.
18
Zu Giovanni Pontano siehe unten Kap. V.3.
19
Zitiert nach der Übersetzung in Ebbersmeyer/Kessler/Schmeisser, Ethik, 2007, S. 313.
20
Ebd., S. 321. Auch „Lorenzo Valla [hatte] in seiner Streitschrift De voluptate (1431) […] klar[ge]stellt,
dass die Pracht der Grabmäler nicht den Toten, sondern deren Nachkommen zum Schmuck gereiche.“
Vgl. Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. 50, Anm. 141.
21
Siehe dazu Schwarz, Liturgie und Illusion, 2000, bes. S. 176. Außerdem Belting, Repräsentation, 2002.
Die Namensnennung des Toten war wesentlich, denn „schon für das mittelalterliche Recht galt, daß die
Nennung des Namens der körperlichen Anwesenheit gleich geachtet wurde […] [und] die namentliche
Benennung den Angerufenen herbeizwinge: Das Aussprechen des Namens schafft Gegenwart des
Genannten.“ Vgl. Angenendt, Das Grab, 2000, S. 15.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
11
bedienten.22 In der Forschung werden Grabmäler daher auch als „Medien-Ensemble“23
bezeichnet, denen eine „spezifische Mitteilungsfunktion“24 eigen ist, mithilfe derer sie
eine „auf verschiedenen Ebenen ablaufende verbale und non-verbale Kommunikation
[…] [ermöglichen und] im engeren semiotischen Sinn […] [als] Zeichenträger“25
fungieren.
Diese
symbolische
Kommunikationskraft
wurde
durch
die
den
Grabmonumenten inhärente Erinnerungsfunktion auf Dauer angelegt.26 Eine besonders
wichtige Rolle spielte demnach auch die Auswahl des Materials. Die neapolitanischen
Studienobjekte weisen dabei eine offenkundige Homogenität durch ihre Verwendung
des beständigen und kostbaren Baustoffs Marmor auf.
Darüber hinaus macht Zajic deutlich, dass „Grabdenkmäler […] in ihrer visuellen
Symbolik die Konstituierung und Integration sozialer Gruppen durch die Wirkung auf
deren medialen Zeichenvorrat beeinflussen und den darauf bezogenen gruppeninternen
Diskurs beleben.“27 Die vormoderne Gesellschaft war auf diese symbolischen,
kommunikativen Akte angewiesen, da sie die Ständehierarchie beförderten und somit
die soziale Ordnung aufrechterhielten.28 Das Leben der Adligen als eine standesgemäße
soziale Gruppe war dementsprechend geprägt von dieser Form der Kommunikation.29
Für sie hatten diese Eigenschaften von Erinnerungsmonumenten einen konstituierenden
Mehrwert, denn die durch Alter und Herkunft codierte Lebensweise von Adel
22
Siehe dazu Borgolte, Das Grab, 2000, bes. S. 311; Schwarz, Liturgie und Illusion, 2000; Oexle, Die
Gegenwart der Toten, 1983. Zur konstitutiven Bedeutung von Memoria für den Adel, auch in Form von
Grabmälern, siehe Spieß, Liturgische Memoria, 2000, S. 98f.; Fey, Hochgrab, 2000, S. 125. Zur
Bedeutung von Kommunikation, hier für die moderne Gesellschaft, siehe vor allem Luhmann, Soziale
Systeme, 1987, bes. S. 555: „Gesellschaft betreibt Kommunikation, und was immer Kommunikation
betreibt, ist Gesellschaft.“ Zu diesem „Systemgedächtnis“ siehe auch Preyer, Rolle, 2012, S. 43. Zu den
„Medien der mittelalterlichen Kommunikation“ siehe grundlegend der Sammelband von Spieß, Medien,
2003, insbesondere der Beitrag von Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003. Zur „Sprachfähigkeit“
mittelalterlicher Bilder siehe Krüger, Bilder, 2003. Außerdem zuletzt zur „kommunikativen Funktion
mittelalterlicher Skulpturen“ sehr überzeugend Boerner, Bildwirkungen, 2008. Weiterhin zu Grabmälern
in diesem Kontext u.a. Kröll, Einführung, 2007.
23
Schwarz, Liturgie und Illusion, 2000, S. 176.
24
Schmidt, Zur terminologischen Unterscheidung, 1990, S. 293. Und weiter: „Deren weites Spektrum
reicht von der bloßen Mahnung an den Betrachter, der eigenen Sterblichkeit eingedenk zu sein und für
den Hingeschiedenen zu beten, bis zu denkmalhaftem Auftrumpfen, das weniger die fromme memoria als
die profane fama des Grabinhabers perpetuieren möchte.“
25
Zajic, Einen grabstain, 2007, S. 321.
26
So auch entsprechend der „Erinnerungskraft der Bilder“ und ihrer „Rolle […] als Gedächtnisstütze“ bei
Boerner, Bildwirkungen, 2008, bes. S. 40-49. Außerdem zu Wappen als „differenziertes, die
Sprachgrenzen überwindendes Zeichensystem“ siehe Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003, S. 34f.;
Füssel/Weller, Einleitung, 2005, S. 11.
27
Zajic, Einen grabstain, 2007, S. 321.
28
Zur konstitutiven Funktion von Kommunikation für die Gesellschaft siehe vor allem Luhmann, Soziale
Systeme, 1987 und Depkat, Kommunikationsgeschichte, 2003. Außerdem Boerner, Bildwirkungen, 2008,
bes. S. 136.
29
In diesem Kontext insbesondere zur höfischen Kultur siehe Füssel/Weller, Einleitung, 2005, bes. S. 920. Zum Gruppenbewusstsein schon im früheren Mittelalter siehe vor allem Althoff, Verwandte, Freunde
und Getreue, 1990.
12
Grit Heidemann-Schirmer
implizierte das Aufstellen von Grabmälern als Sinnbilder genealogischer Memoria.30
Dies wird besonders deutlich, nicht nur nach dem Wegfall eines verstorbenen Mitglieds
aus dem Familienverband, der sich demzufolge neu positionieren musste,31 sondern
auch in Zeiten des Wandels, wenn die bestehende soziale Ordnung hinterfragt wurde
und es zu einem verstärkten Repräsentationsbedürfnis der jeweiligen Akteure kam.32
Wenn es um das Studium einer speziellen Auftraggeberschaft geht, die sich durch
bestimmte Normen definiert(e), so ist es überaus Erkenntnis leitend, diese als soziale
Gruppe zu thematisieren und deren „spezifische Kultur“ zu untersuchen, wie es Oexle
konstatiert.33 Somit findet auch die kulturelle Gedächtnisforschung in der vorliegenden
Arbeit eine grundlegende Anwendung,34 maßgebend nach Assmanns Devise: „Kultur
im Zustand ihrer distinktiven Steigerung ist notwendigerweise mit einem besonderen
Zugehörigkeits-
und
Zusammengehörigkeitsbewusstsein
verbunden,
ein
Wir-
Bewusstsein, das seine Intensität durch die Abgrenzung gegen ein sie gewinnt, und das
seinen Anhalt und Ausdruck in einer primär limitischen Symbolik gewinnt.“35
Insofern müssen die kollektiven Identitäten der jeweiligen Gruppen herausgearbeitet
werden, die in der vormodernen Gesellschaft – gegenüber der personalen Identität des
Einzelnen – besonders stark ausgeprägt waren.36 So wie Luhmann für die moderne
30
Siehe dazu vor allem Oexle, Soziale Gruppen, 1998, S. 21: „Die Bedeutung von ‚Geschlecht’ für die
Entstehung von Adel ist fundamental, denn die in der Bildung des Geschlechts erhaltene Erinnerung
(memoria) an reale oder für real gehaltene oder als real ausgegebene Vorfahren konstituiert wesentlich
die ständische Qualität, also den ‚Adel’ einer Adelsfamilie, eines adligen Hauses, weil Adel vor allem
durch Herkunft erzeugt wird. Man sieht hier, wie durch Gruppenbildung ‚ständische’ Qualität entsteht:
der ‚Adel’ eines Individuums oder einer Familie ist umso eminenter, je weiter die Vorfahrenschaft dieses
Individuums oder dieser Familie in die Vergangenheit zurückreicht. Daraus resultiert die Fülle
‚kultureller’ Produktion, die in der Bildung adliger Geschlechter als Indikator wie als Faktor zutagetritt.“
Dazu auch Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990, bes. S. 67-77.
31
Dies betont Kröll, Einführung, 2007, S. 12.
32
Siehe dazu u.a. die Schriftenreihe des Sonderforschungsbereichs 640.
33
Vgl. Oexle, Soziale Gruppen, 1998. Dazu seine Feststellung, dass „Memoria […] in Gruppen [entsteht]
und […] deshalb für Gruppen eine konstitutive Bedeutung [hat].“ Vgl. ebd., S. 31. Auch Bentley, Politics
and Culture, 1987, S. 48, unterstreicht die Bedeutung der Auftraggeber für die in der vorliegenden Arbeit
relevanten Formfindungsprozesse: „[…] the study of patronage and clientage can contribute to the
understanding of social and cultural history construed in a broader sense by helping to account for
changes in tastes and values. If Gothic art and feudal chivalry yielded their places to Renaissance art and
a burgeois ethic, patrons certainly helped to bring about the transformations.“
34
Dies betont Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. S. 28f.
35
Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 156. Dazu auch Preyer, Rolle, 2012, bes. S. 98-100.
Auch Flaig, Ritualisierte Politik, 2004, S. 88, macht deutlich, hier für den römisch-antiken Kontext, dass
„erstens […] das Normensystem der sozialen Gruppe zwingender und verbindlicher als die besonderen
moralischen Orientierungen von familialen Segmenten [ist], und es […] überdies jene Orientierungen
bereits in sich [enthält] […]. Zweitens gibt es keine handlungsfähige Gruppe, die nicht – von Anfang an –
über ein gemeinsames kollektives Gedächtnis verfügte.“
36
Siehe dazu Hillmann, Soziologie, 2007, S. 355: „Durch das Hineinwachsen in eine soziokulturelle
Umwelt weist die I.[dentität] der sich entfaltenden Persönlichkeit eine soziale Komponente auf, die in
traditionalen, relativ statischen Gesellschaften [wie der mittelalterlichen, Anm.d.V.] besonders stark
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
13
Gesellschaft konstatiert, dass „am Anfang […] nicht Identität [steht], sondern
Differenz“37, so ist dies insbesondere für die vormodernen Adelsgesellschaften zu
unterstreichen, denn „jede adlige Familie [steht] in Konkurrenz zu anderen. Es gibt
Legitimation nicht nur nach außen, sondern je nach Familie und Individuum auch nach
innen, um den Rang zu halten und zu erhöhen.“38
Es handelt sich demnach um ein Gruppenbewusstsein, das durch bestimmte
Kommunikationsformen und –handlungen in der vormodernen Gesellschaft (re)generiert wurde.39 Grabmäler nehmen dabei eine besondere Stellung ein.40 Da es sich
bei den steinernen Monumenten um auf Dauer angelegte Erinnerungen handelt, so
können auch heute noch, also Jahrhunderte nach Erschaffung der – soweit erhaltenen –
Artefakte,
das
in
diesen
Medien
vermittelte
soziale
Gruppenverständnis
herausgearbeitet werden.41 Die entsprechenden Methodiken, wie beispielsweise die Stilund Standortanalyse, eröffnen in ihrer zeichenhaften Komplexität signifikante Hinweise
auf ein kollektives Bewusstsein der jeweiligen Auftraggeber, denn „die Definition einer
Gruppe [erfolgt] häufig über die Abgrenzung von einer anderen […] [und] der Hinweis
auf die verbindenden Elemente wirkt nicht nur identitätsstiftend und bindend innerhalb
der Gruppe, sondern verdeutlicht gleichzeitig die Unterschiede zu den anderen.“42
Grabmäler haben also aufgrund ihrer insbesondere für den Adel konstitutiven
Memorialfunktion
ein
ausgeprägtes
Kommunikationspotential,
das
von
den
Zeitgenossen in der vormodernen Gesellschaft auch so verstanden und genutzt wurde.
Ihre Lage im öffentlichen Raum der Stadt, sei es in den großen Kirchen oder in den
kleineren familiären Eigenkirchen, verstärkte dieses Potential.43 Demzufolge war der
ausgeprägt und verhaltensbeeinflussend ist. In einer solchen Gesellschaft resultiert die I. des Einzelnen
vor allem aus der (unreflektierten) Identifikation mit einem sozialen Kollektiv […], als dessen Glied man
sich versteht.“ Dazu auch Luckmann, Persönliche Identität, 1979, bes. S. 303. Weiterhin Gernig, Das
Grabmalporträt, 2007, S. 70: „Geht man von der identitätsstiftenden Funktion der Grabmalporträts aus,
zeigt sich, dass individuelle und kollektive Identität eng miteinander verwoben sind. […] dass erst in der
Auseinandersetzung mit Zeitgenossen und Vorfahren Identität möglich ist.“ Eine kritische Reflexion des
Identitäts-Begriffs gibt Goldstraß, Zur Rezeptionsgeschichte, 2008.
37
Luhmann, Soziale Systeme, 1987, S. 112. Zur Anwendbarkeit von Luhmanns Systemtheorie auf die
Vormoderne siehe vor allem der Sammelband Becker, Geschichte und Systemtheorie, 2004.
38
Paravicini, Einleitung, 1997, S. 22. Dazu auch Straub, Personale und kollektive Identität, 1998, S. 100.
39
Allgemein zur Kommunikation in sozialen Gruppen siehe auch Preyer, Rolle, 2012.
40
Dies betont auch Kröll, Einführung, 2007, S. 11 u. f.
41
Darauf verweisen auch Karsten/Zitzlsperger, Gesellschaftliche Gruppen, 2007, S. 77.
42
Kröll, Einführung, 2007, S. 12. Dass auch spezifische Typen von Grabmälern eine Gruppe
repräsentieren konnten, veranschaulicht Wolff, Zur Gruppe, 2007.
43
Zur Öffentlichkeitsfunktion von Kirchen, die demzufolge auch als „Teilöffentlichkeiten“ und
„abgeschlossene Handlungs- und Kommunikationsräume“ zu begreifen sind, siehe Depkat,
Kommunikationsgeschichte, 2003, S. 29. Außerdem Suckale, Stil und Funktion, 2003, bes. S. 391-406;
Wenzel, Hören und Sehen, 1995, bes. Kap. III.
14
Grit Heidemann-Schirmer
gewählte Standort einer der entscheidenden Faktoren, mithilfe dessen nicht nur die
adligen Auftraggeber die standesinternen Codes bestimmten und aufrechterhielten,
sondern die Monumente selbst in eine kommunikative Beziehung zueinander traten.44
Ihre Aufstellung in sakralen Gebäuden, die für die liturgischen Bedürfnisse und
Anforderungen des zugehörenden Ordens errichtet wurden, vermittelte zuvorderst das
Frömmigkeitsbewusstsein der Auftraggeber, die sich in Seelenheil bringender Nähe zu
den dort verehrten Heiligen,45 aber auch in unmittelbarer Nähe zu ihren dort bestatteten
Ahnen wissen wollten. Demzufolge war es üblich, sich in den großen Kirchen eine
Kapelle als Familiengrablege einzurichten, die aufgrund des öffentlichen und damit
hoch frequentierten Status’ des Kirchenraums zahlreiche fürbittsprechende Besucher
versprach.46
Grabmäler fungierten demnach als Medien, die zum einen die liturgisch wichtige
Kommunikation zwischen den Lebenden und Toten aufrechterhielten. Zum anderen
vermittelten sie aufgrund ihrer Größe, ihres Materials und ihrer Form die
Selbstdarstellungsabsicht ihrer Auftraggeber, die im Kontext des spezifischen sozialen
Netzwerkes erst verständlich wird.47
44
Der Ort des Begräbnisses war in den Testamentaten der neapolitanischen Adligen weitaus wichtiger als
die Begräbnisfeier. Darauf verweist Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 595. Außerdem Vitale, Élite,
2003, S. 143-147. Zur Bedeutung der Standortwahl für „die sepulkrale Gruppenbildung“ siehe
Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. 34. Auch Maier, Grab, 2000, S. 231, macht deutlich, dass die „Sorge
um den rechten Bestattungsort […] eines der zentralen Anliegen der christlichen Jenseitsvorsorge“ war.
Weiterhin zur Bedeutung des Bestattungsortes siehe Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht, 2004, S. 332;
Höger, Studien, 1976, S. 16. Schließlich Valentinitsch, Grabinschriften, 1990, S. 17: „Der Standort eines
Grabmals signalisierte daher dem Betrachter, daß der Auftraggeber allein schon aufgrund seiner sozialen
Stellung in der Lage war, seinen Anspruch auf einen prominenten Platz durchzusetzen.“ Allgemein zur
Bedeutung von Codes zur „Aufrechterhaltung der Innen-Außen-Differenzierungen jedes sozialen
Systems“ siehe Preyer, Rolle, 2012, S. 42.
45
Demzufolge wurde auch die Nähe zum „Hochaltar samt den Hauptreliquien“ gesucht und der
Chorbereich avancierte zum „nobelste[n] Begräbnisplatz […].“ Vgl. Suckale, Stilund Funktion, 2003,
S. 394 u. 396.
46
Seit dem späten Mittelalter wurden bevorzugt die Konvente der Mendikantenorden als Bestattungsorte
aufgesucht. Für den neapolitanischen Fall wird dies auch greifbar in den Testamenten der
neapolitanischen Adligen, die Visceglia untersucht hat. Vgl. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982,
insbesondere Kap. 2. Ebenso thematisierten viele Adlige das Ordensgewand auf ihrem Sterbebett in ihren
Testamenten. Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 146. Die Bettelorden suchten bewusst die Nähe zur städtischen
Bevölkerung, denen sie die christlichen Werte der Fürsorge entgegenbrachten. Mit der Standortwahl
innerhalb der Stadtmauern setzten sie sich von den bisherigen Orden wie den Zisterziensern ab. Sie waren
zudem durch ihre ideelle Ausrichtung auf Spenden angewiesen. In den Städten Europas fanden sie eine
sehr viel größere Klientel, die bereitwillig die notwendigen Mittel spendete, um ihrerseits die liturgischen
Angebote der Mönche in Anspruch zu nehmen. Allgemein zu den Mendikantenorden und deren
Ansiedlung in den Städten Europas siehe Boerner, Bildwirkungen, 2008, S. 116-118; Schenkluhn,
Architektur, 2000, bes. S. 21f. Höger, Studien, 1976, S. 22, weist darauf hin, dass erst durch die
Bettelorden nach 1300 die Begräbnisverbote in den Kirchen gelockert und nun verstärkt Familienkapellen
errichtet wurden.
47
Allgemein zur Bedeutung der Auftraggeber für den Formfindungsprozess in der vormodernen Skulptur
siehe Boerner, Spätmittelalterliche Skulptur, 2009, S. 156. Auch Zitzlsperger, REQUIEM, 2010, S. 39,
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
15
I.3. Erste topologische und typologische Beobachtungen in Neapel
Der
erhaltene
und
schriftlich
überlieferte
Denkmälerbestand
aus
dem
Untersuchungszeitraum von 1400 bis 1503 macht deutlich, dass die meisten
Adelsgrabmäler in den großen Kirchen des alten Stadtkerns von Neapel errichtet
wurden. Bei den mehr als 50 fassbaren Monumenten dominierte der Typus des
Wandgrabmals, gefolgt von den Grabplatten, bei denen man jedoch von teilweise nicht
mehr erhaltenen zugehörigen Wandgräbern ausgehen muss.
Dem heutigen Besucher, der den Stadtraum von Neapel durchschreitet, fällt schnell auf,
dass es nicht nur ein Zentrum gibt, sondern sich entlang des erhaltenen antiken
Straßennetzes mehrere Platzanlagen mit großen Kirchenbauten befinden, die den
urbanen Raum zu gliedern scheinen (Abb. 1).48 Von Ost nach West handelt es sich um
die Kathedrale sowie die großen Bettelordenskirchen San Lorenzo Maggiore, San
Domenico Maggiore und Santa Chiara. Nach Betreten dieser Kirchenräume wird man –
trotz der für Neapel charakteristischen barocken Umbauarbeiten – einer Vielzahl an
Grabmälern aus dem 15. Jahrhundert gewahr, deren Gemeinsamkeiten augenscheinlich
die monumentalen Ausmaße, das marmorne Material sowie der Einsatz des gotischen
Formenvokabulars sind und die man dem im mittelalterlichen Italien weit verbreiteten
Typus des monumentalen Wandgrabmals zuordnen kann.49 Bei genauerer Betrachtung
werden an einigen Monumenten gar formale Parallelen deutlich, die in einem
Sinnzusammenhang zu stehen scheinen und – dies sei schon einmal vorweg genommen
– ihren Rückhalt in den schriftlich fixierten Verträgen finden.
Ähnlich verhält es sich mit den Grabmälern in jenen Kirchen, die sich in einiger
Entfernung zum antiken Stadtkern und demzufolge am damaligen Rande der
Stadtmauern befinden. Zu nennen sind hier beispielsweise Santa Maria la Nova und
Santa Maria di Monteoliveto ganz im Westen sowie San Giovanni a Carbonara im
Nordosten der Stadt. Innerhalb dieser Kirchenräume, vor allem der beiden erst
genannten, ergibt sich formal gesehen ein anderes Bild. So finden sich hier zahlreiche
Erinnerungsmonumente, die von einer auffallenden Variabilität geprägt sind, welche
vom Wandnischengrab zum frei stehenden Wannensarkophag bis hin zu völlig
neuartigen Formen reicht.
betont die „Differenzierungen“ in Form, Ort und Material von Grabmälern, hier im römischen Kontext,
als entscheidende Faktoren der „Distinktionsbestrebungen […] [von] Auftraggebern und Künstlern“.
48
Siehe dazu auch zuletzt Michalsky, Einleitung, 2012, bes. S. 9-13. Außerdem dies., Gewachsene
Ordnung, 2008.
49
Dazu Körner, Grabmonumente, 1997, bes. S. 62f. u. 69f.
16
Grit Heidemann-Schirmer
Wenn diese Monumente auch in der Mehrzahl ein Formenrepertoire aufweisen, das der
Renaissance zuzuordnen ist,50 so tauchen doch immer wieder „altertümlich“ wirkende
Elemente auf, die in der Gesamtschau das Spezifikum der neapolitanischen
Grabmalslandschaft des Quattrocento verdeutlichen, und zwar, wie dominant
retrospektive Formen und Motive das gesamte Jahrhundert hindurch waren.
Zur Erklärung dieses Phänomens genügt es nicht, allein die Stilentwicklung der
ausführenden Bildhauer zu analysieren, die demzufolge in dieser Arbeit eine
untergeordnete Rolle spielen. Es bedarf neuer Modelle, um dem Studienmaterial gerecht
zu werden, denn die Stile der „Gotik“ und der „Renaissance“ wurden nicht in einem
Vakuum, aus der Laune bestimmter Künstler heraus und in zeitlich limitierter Abfolge
eingesetzt. Es handelt sich vielmehr um sozial bedingte Aushandlungsprozesse der
Entscheidungsträger, expressis verbis der Auftraggeber, die sehr wohl zwischen alten
und neuen Formen zu unterscheiden und diese nach bestimmten Kriterien einzusetzen
wussten. Die Grabmäler folgten spezifischen topologischen und typologischen
Ordnungen, welche in dieser Studie herausgearbeitet werden sollen.
I.4. Konzept der Arbeit
Die vorliegende Arbeit stützt sich zum einen auf jüngste Ergebnisse jener
kunsthistorischen Forschung, die den Wandel von Kunststilen als Folge sozialer
Prozesse und insofern als „sozialgeschichtlich verankert“ begreift.51 So konstatiert
beispielsweise Borggrefe, dass „innerhalb mehr oder weniger abgrenzbarer Gruppen
[…] wieder erkennbare Formen zu identitätsstiftenden Ausdruckswerten geprägt
[werden], die es den Mitgliedern gestatten, sozialen Einfluß zu nehmen oder sich
abzugrenzen.“52 Stil muss demnach als „eine Kategorie der Beobachtung“ unter
Berücksichtigung der „kulturellen Kontexte“ verstanden werden.53 Hoppe stellt dabei
ganz zu Recht die Frage, „inwieweit das Mittelalter die Vorstellung von Epochen
gekannt hat“, und er vermerkt, dass „jeder geschulte Betrachter auch damals ältere und
neuere Werke, Eigenes und Fremdes zu unterscheiden“ wusste.54 Demzufolge wird der
50
Dementsprechend werden die genannten Kirchen auch als die „Renaissance-Kirchen“ Neapels
bezeichnet. Siehe dazu Kap. V.1.1.-V.1.2.
51
Siehe dazu vor allem der Sammelband Hoppe/Müller/Nussbaum, Stil als Bedeutung, 2008, Zitat S. 11.
52
Borggrefe, Stil, 2008, S. 116.
53
Hoppe, Stil, 2008, S. 59 u. 62.
54
Ebd., S. 79f.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
17
Schwerpunkt der Arbeit auf den Auftraggebern als maßgebliche Entscheidungsträger
liegen, die nachweislich konkrete Vorstellungen an die ausführenden Bildhauer
richteten.
Zum anderen werden die Monumente selbst in ihrer Potenzialität der Netzwerkbildung
untersucht. Die neapolitanischen Adelsgrabmäler des Quattrocento scheinen nämlich in
ihren formalen Bezügen über die mediale Transferierung eines Geschlechterbewusstseins hinauszugehen und vielmehr ein Gruppenbewusstsein ihrer Auftraggeber
zu vermitteln, das der damaligen Differenzierung in Alt(-eingesessene) und Neu(ankömmlinge) entsprach. Diese spezifische Selbstwahrnehmung der neapolitanischen
Adligen war offensichtlich formbildend für ihre Grabmäler,55 weshalb sie als
Monumente sozialer Distinktion und Anpassung in den Gruppenbildungsprozessen der
neapolitanischen Adelsgesellschaft genauer analysiert werden.56 Dabei wird der Fokus
auf das jeweilige Zusammengehörigkeitsgefühl der in Neapel anzutreffenden
Adelsgruppen in Zeiten politischer Umbrüche gelegt, das über den internen
Familienzusammenhalt hinausging, neue Konstellationen infolge der Zuwanderung und
der daraus resultierenden sozialen Veränderungen ermöglichte und somit die
entsprechenden Gruppenbildungen offenbarte. Dass dabei die „Zugehörigkeit nie auf
nur eine Gruppe“ beschränkt war, sondern „das Netz der sozialen Bindungen möglichst
eng“ geknüpft werden sollte, ist in der Forschung eine allgemein anerkannte Theorie.57
Mögen die im Untertitel dieser Arbeit gewählten Begriffe des Gruppenbewusstseins und
der Selbstinszenierung vordergründig diametral erscheinen, so ist dies im Sinne einer
sozialwissenschaftlichen Analyse der gewählten Protagonisten zu revidieren, denn es
besteht der Konsens, dass nicht nur „Gruppenhandlungen […] in der Wir- und der IchEinstellung ausführbar [sind].“58 „Die Dominanz einzelner Gruppenmitglieder ist auch
immer eine Zuschreibung, die durch die Selbstbeobachtung der Gruppe ausgelöst
55
Allgemein dazu auch Borggrefe, Stil, 2008, S. 124: „Allein der historische Kontext gibt Auskunft
darüber, ob Rückgriffe auf altes Formengut in sozialer Hinsicht retrospektiv sind oder nicht.“
56
Zur Schaffung eines kollektiven Gedächtnisses in sozialen Gruppen mithilfe von Bildern und
Monumenten siehe auch Assmann, Einführung, 2006, S. 188. Außerdem Borggrefe, Stil, 2008, S. 117:
„Zuerst aber verschafft der neue Stil Individuen soziale Identität und Anerkennung, hebt ihr
Selbstwertgefühl. Das Kommunizieren mit Formen und überformten Gegenständen zum Zweck der
sozialen Anerkennung ist Repräsentation. Ihre Bedeutung steigt mit dem Grad der Konkurrenz in der
Gesellschaft.“ Und ebd., S. 124: „Eine soziale Gruppe eignet sich Formen an, die geeignet sind, ihr
Identität und Selbstwertgefühl zu verschaffen.“
57
Vgl. König/Schattenhofer, Einführung, 2015, S. 36; Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990,
S. 8f.
58
Preyer, Rolle, 2012, S. 133.
18
Grit Heidemann-Schirmer
wird“,59 somit „kann die Macht einer Person noch so groß sein, sie ist eingebunden in
das Netz sozialer Beziehungen, in denen sie entsteht.“60 Das Bedürfnis Einzelner nach
einer individuellen Hervorhebung inmitten der Gruppe in Form einer zeichenhaften
Selbstinszenierung ist dabei mit dem „Rollenkonzept der Sozialwissenschaften“ zu
erklären,
verstanden
als
eine
der
sogenannten
„Theatermetapher[n]“.61
Selbstinszenierung ist jedoch im Gegensatz zur sozialen Rolle das Manipulieren der
dem Akteur zugedachten Rolle innerhalb der Gruppe beziehungsweise der Gesellschaft.
Es handelt sich somit um eine Strategie, die zur vermeintlichen Steuerung der
Gruppenordnung eingesetzt werden sollte. Das Bewusstsein für ein übergeordnetes
Zusammengehörigkeitsprinzip stand dieser nicht entgegen, wie im Laufe der Arbeit zu
zeigen sein wird.
Die Grabmäler sind auf diese Gruppenbildung zu befragen, aus der sich die Leitfrage
ergibt: Wenn die Adligen sich nach bestimmten Kriterien unterschieden, also
differenziert wahrnahmen, lassen sich dann auch ihre Erinnerungsmonumente in
entsprechende Gruppen unterteilen?
Es ist somit Ziel führend, zuerst den als Auftraggeberschaft thematisierten
neapolitanischen Adel des 15. Jahrhunderts in seiner strukturellen Komplexität
vorzustellen und historisch einzuordnen (Kapitel II). In den darauf folgenden drei
Kapiteln
(III-V)
sollen
ausgewählte
Studienobjekte
entsprechend
den
Gruppenzugehörigkeiten ihrer Auftraggeber auf deren Repräsentationsstrategien im
Spannungsfeld des Dynastienwechsels von den Anjou zu den Aragonesen untersucht
werden. Dazu wird in Kapitel III ein besonderes Fallbeispiel vorangestellt. Der Fokus
wird auf den für die Grabmäler so wichtigen Standort- und Formwahlen liegen, da diese
nicht nur die sozial bedingten gruppeninternen Zugehörigkeiten exemplifizieren,
sondern zugleich eine Gruppenbildung unter den Monumenten selbst erkennen lassen.
Die Arbeit erörtert somit das Gruppenbewusstsein in der Auseinandersetzung mit dem
Bedürfnis nach Selbstinszenierung in Zeiten politischer Umbrüche und des sozialen
Wandels, das sich signifikant in den Grabmälern des neapolitanischen Adels im
15. Jahrhundert niederschlug. Sie untersucht, wie soziale Gruppenbildung ästhetisch,
und zwar in Form von Grabmälern, erfahrbar wurde.
59
Preyer, Rolle, 2012, S. 117.
König/Schattenhofer, Einführung, 2015, S. 37.
61
Ebd., S. 47.
60
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
19
II. DER NEAPOLITANISCHE ADEL IM 15. JAHRHUNDERT –
DIFFERENZIERUNG UND KONTEXTUALISIERUNG
Obwohl Neapel seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als Residenzstadt fremder
Dynastien fungierte, war der Stadtraum von den adligen Quartieren geprägt, deren
Ursprünge sich bis in die römisch-antike Zeit zurückverfolgen lassen.62 Diese weit
zurückreichende Tradition bestimmte das Selbstverständnis der alteingesessenen
Familien und ihre Identifikation mit der Stadt, die zugleich aus der Konfrontation mit
den Fremden resultierte.63 Spezifisch für den aristokratischen Stand in Neapel war
demnach nicht das grundlegend konstituierende Unterscheidungsmerkmal des Alters
einer Familie, sondern vor allem ihre geographische Herkunft.
Wenn auch die „ständische Binnengliederung des Adels“64 eine typische Entwicklung
im spätmittelalterlichen Europa darstellte, so lassen sich für den neapolitanischen Fall
Charakteristika erkennen, die mit der Autonomie des Stadtadels und der Immigration
auswärtiger Adliger einhergingen.65 Identitätsstiftend für die Ortsansässigen war ihr
Status als neapolitanische Stadtbewohner, worauf auffällig oft auch in den
Grabinschriften
verwiesen
wird.66
Dieses
Phänomen
des
lokalen
Zugehörigkeitsbewusstseins der Neapolitaner haben zuletzt Santangelo für das späte
62
Neapel war in römisch-antiker Zeit nachweislich in die vier Quartiere „Campana nella zona nordorientale, Herculanensis (nel Medioevo Furcillensis) in quella sud-orientale, Nilensis in quella sudoccidentale [und] Montana in quella nord-occidentale” unterteilt. Vgl. Di Mauro/Vitolo, Breve storia,
2006, S. 20.
63
Jüngst zum besonderen Stellenwert von Fremden in der spätmittelalterlichen städtischen Gesellschaft
siehe Bell/Suckow/Wolf, Fremde in der Stadt, 2010. Allgemein zur Tradition als Charakteristikum von
Adel siehe der Sammelband Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen, 2008.
64
Spieß, Ständische Abgrenzung, 1992, S. 205. Zur Herausbildung einer bewussten Abgrenzung des
Adels zum Nicht-Adel im Spätmittelalter siehe auch Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 130. Zu den sozialen
Veränderungen im ausgehenden Mittelalter aus Sicht des Niederadels siehe Ranft, Einer von Adel, 1996.
Allgemein zum europäischen Adel siehe Demel, Die Spezifika, 2005. Außerdem Reinhard,
Lebensformen, 2004, S. 316-318.
65
Besonders die Differenzierung nach der geographischen Herkunft des neapolitanischen Adels markiert
sein Spezifikum. Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 155 u. ff. Zur Selbst- und Fremdwahrnehmung von Adel im
deutschsprachigen Kontext Holbach, Kirchen, 2001, S. 312f. Zur Wahrnehmung und dem Umgang mit
Immigranten siehe zuletzt Bell/Suckow, Fremde in Stadt und Bild, 2010, und insbesondere in
italienischen Städten des Spätmittelalters Esch, Der Fremde, 2010.
66
Dies wird an den Adelsgrabmälern des 15. Jahrhunderts sehr deutlich durch den neapolitanischen
Herkunftsverweis der Verstorbenen, der in verschiedenen Varianten auftritt und auch Eingang in die
Guiden gefunden hat. Exemplarisch zu nennen sind: DE NEAPOLI, PATRICIUS NEAPOLITANUS, NOBILI
NAPOLETANIO, NOBILITATE NEAPOLITANA. Auch Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 98f., verweist auf
die enge Verbundenheit des südeuropäischen Adels mit der Stadt. Dadurch „konnte auch die traditionelle
Ansässigkeit des Geschlechts in einem bestimmten Viertel […] [Identität konstituieren], selbst dann,
wenn man vielleicht mittlerweile ausgedehnte feudale Besitzungen auf dem Lande besaß.“
20
Grit Heidemann-Schirmer
Mittelalter sowie Marino umfassend für die Regierungszeit der Spanier im 16. und
17. Jahrhundert erörtert.67 Immer noch grundlegend ist das von den italienischen
Historikerinnen Visceglia und Vitale erstellte Klassifikationsmodell, das sie aus der für
den neapolitanischen Adel spezifischen Differenzwahrnehmung abgeleitet haben.68 Auf
diesem Modell baut meine Arbeit auf. Es lassen sich demzufolge drei verschiedene
standesinterne Gruppen festmachen, die zwar ein System gegenseitiger Abhängigkeiten
bildeten, durch ihre Abgrenzungen jedoch ganz eigene Identifikationsmuster
entwickelten, die es zu visualisieren galt. Dies waren:
1. die Nobiltà di Seggio (Seggio-Adel),
2. die Nobili fuori Piazza (Adlige, die nicht in die Seggi eingeschrieben waren) und
3. die Baruni (Feudaladel).69
Die Ausdifferenzierung dieser Gruppen vollzog sich bezeichnenderweise im Laufe des
15. Jahrhunderts. Es lassen sich in diesem Untersuchungszeitraum – bedingt durch seine
lange Dauer – nicht immer klare Trennungen ziehen. Die Gruppengrenzen wurden
besonders zum Ende des Quattrocento durchlässig und konnten sich verschieben, wie
im Verlauf der einzelnen Fallbeispiele ersichtlich wird.70
Im Folgenden werden die drei genannten Gruppen für das 15. Jahrhundert vorgestellt.
Dabei wird der Fokus auf die Selbstwahrnehmung der neapolitanischen Adligen als
führende Gruppe in Konfrontation mit den Immigrierten und den Neuadligen gelegt –
eine Besonderheit, die sich auch auf die adlige Grablegepraxis auswirken sollte, wie
noch zu zeigen sein wird.
67
Vgl. Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014; Marino, Becoming Neapolitan, 2011.
Vgl. Visceglia, Identità sociali, 1998; Vitale, Élite, 2003, bes. S. 155-160. Zu der Einteilung des
neapolitanischen Adels im 16. und 17. Jahrhundert außerdem Muto, La campania, 1994, S. 35-42.
69
Zu den ersten beiden Gruppen siehe beispielhaft Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 692.
70
Es sei auf die Aufnahme von auswärtigen Adligen in den Seggio-Adel verwiesen, ebenso wie die
Seggio-Adligen feudale Güter und Titel erlangen konnten und Feudaladlige wiederum die neapolitanische
Bürgerschaft. So führt Vitale die „autonome Entwicklung“ des Seggio-Adels gegenüber dem Feudaladel
an, bemerkt aber zugleich, dass es durch ihre sukzessive Aufnahme von Feudaladligen in die Seggi oder
auch deren Erwerb feudaler Güter und Titel zu einem höchst komplexen Gebilde des neapolitanischen
Adels im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts kam. Vgl. Vitale, Élite, 2003, S. 29. Auch Visceglia, Identità
sociali, 1998, S. 105, verweist auf diese Tatsache, die sie – in Anlehnung an Norbert Elias’ Arbeiten – als
eine „Gestalt in Bewegung […], ein System von integrierten Zusammenhängen der gegenseitigen
Abhängigkeit“ beschreibt.
68
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
21
II.1. Nobiltà di seggio – Der Stadtadel
Zur Nobiltà di Seggio (Seggio-Adel), von den Zeitgenossen auch „gintilomini de
Segio“71 genannt, gehörten die in Neapel ansässigen Stadtadligen, deren Identifizierung
untrennbar verbunden war mit der Organisierung und gesellschaftlichen Abgrenzung in
ihren als Seggi bezeichneten Quartieren.72 Die urbane Einteilung in die Seggi stellte ein
Charakteristikum der süditalienischen Region Kampanien dar, innerhalb der Neapel als
Hauptstadt die größte Anzahl vorzuweisen hatte.73 Im 15. Jahrhundert waren dies: der
Seggio di Capuana, Seggio di Nido, Seggio di Montagna, Seggio di Porto und der
Seggio di Portanova (Abb. 2).74 Der Begriff „Seggio“, der in den Quellen zuweilen auch
als Piazza, Sedile oder Tocco erscheint, hatte mehrere Bedeutungen.75
Zum einen bezeichnete er das jeweilige Territorium der adligen Quartiere, in die der
Stadtraum von Neapel seit der Antike unterteilt war. Daraus leiteten sich die
gleichnamigen Adelskorporationen ab. Zum anderen wurden darunter die materiell
fassbaren, heute jedoch nicht mehr erhaltenen Quartierszentren begriffen, die aus einem
loggiaartigen Bau bestanden, der den zugehörigen Adligen als Versammlungsort
diente.76 Einzelne Überreste dieser Bauten finden sich nur noch spärlich in der Altstadt,
71
So genannt in dem Kapitel des Seggio di Nido 1507. Vgl. Vitale, Élite, 2003, Appendix I.
Zur Nobiltà di Seggio siehe vor allem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 90-100; Vitale, La Nobiltà,
1988, S. 151-169. Zu den neapolitanischen Seggi siehe Michalsky, Seggi und sediali, 2005, S. 197-199;
Vitolo, Ordini mendicanti e nobiltà, 2005, S. 10-14; Di Meglio, Ordini mendicanti e città, 2005, S. 17-23;
Beyer, Parthenope, 2000, S. 25-29; Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 19, 41, 54-58; Visceglia, Corpo e
sepoltura, 1982, S. 583-614; Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278-285; Castelguidone, I sedili di
Napoli, 1973; Summonte, Dell’ Historia (I), 1675, S. 235-267; Tutini, Del origine, 1644; Capaccio, Il
forastiero, 1634, S. 692-737.
73
Siehe dazu auch Lenzo, Public display, 2014.
74
Im Jahre 1301 „gab es 15 piazze nobili und 23 piazze popolari […], wobei nicht alle piazze nur einem
Stand vorbehalten waren. Die Trennung der Stände erfolgte erst im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts
schrittweise, indem sich der Adel vom Großbürgertum und danach dieses vom kleinen Volk trennte.“
Vgl. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278. Zur Reformierung der Seggi unter König Robert von
Anjou siehe u.a. di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 65. Capaccio führt dagegen König Ladislaus von
Anjou-Durazzo an, unter dessen Regierung die Seggi auf die o.g. fünf begrenzt wurden. Vgl. Capaccio, Il
forastiero, 1634, S. 637.
75
Zu den verschiedenen Bezeichnungen des Begriffs in den Quellen vgl. u.a. Capaccio, Il forastiero,
1634, S. 694; Tutini, Del origine, 1644, bes. S. 35; Summonte, Dell’ Historia (I), S. 235. Zur Bedeutung
der Seggi im Stadtraum siehe außerdem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 91; Vencato, Gittare li
porticali, 2009, S. 200; Marino, Becoming Neapolitan, 2011, bes. S. 3f.
76
Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 694, nennt als architektonisches Vorbild dieser Seggi die römischantiken Portiken. Zu diesen Bauten siehe auch Mühlenrock, Tetrapylon, 2003. Weber,
Familienkanonikate, 1988, S. 280, beschreibt die Bauten als eine „nach drei Seiten offenen Säulenhalle
[…] an der vierten Seite [mit] eine[m] abgeschlossenen Raum […].“Auch Vencato, Gittare li porticali,
2009, S. 200, schlussfolgert aus den Quellenbeschreibungen, dass diese „Versammlungsorte der lokalen
Adelsgeschlechter […] offene, meist aufwändig dekorierte Loggien [waren], in denen die politisch
führenden Patrizier eines Stadtbezirks zur gemeinsamen Beratung zusammenkommen, zuweilen Gericht
halten, Bewaffnete um sich scharen, unliebsame Quartiersnachbarn wegweisen, demonstrativ Präsenz
zeigen und auf diese Weise ihre Immunität zur Schau tragen.“ Zuletzt ausführlich zu den in der
72
22
Grit Heidemann-Schirmer
wie etwa die Rundbögen des Seggio di Capuana (Abb. 3) oder die Pendentifkuppel des
Seggio di Montagna (Abb. 4) in der Via dei Tribunali.77 Einen Eindruck dieser Gebäude
erhält man in dem südlich von Neapel gelegenen Sorrent, wo der Sedile Dominova aus
dem 15. Jahrhundert auch heute noch besteht (Abb. 5).78
Laut
Vitale
gab
es
verschiedene
Möglichkeiten
zur
Aufnahme
in
die
Adelskorporationen, und zwar durch den Erwerb von Grundstücken beziehungsweise
Immobilien im betreffenden Territorium sowie durch Einheiratung.79 Während manche
Familien weiterhin ihr Vermögen aus den Ländereien der Umgebung Neapels
bezogen,80 so wurde es im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts immer attraktiver,
städtische Grundstücke und höfische Ämter zu erwerben, wodurch der Stadtadel sich
zunehmend vom Feudaladel zu distanzieren suchte.81 Die Formierung in streng
reglementierte Korporationen ermöglichte den Seggio-Adligen eine besondere
Machtstellung, die sie gegenüber den Nobili fuori piazza und den Baronen aufrecht zu
erhalten suchten. Der Seggio-Adel hatte die höchste Verfügungsgewalt in der Stadt,
indem er für die öffentlichen Angelegenheiten zuständig war und einen großen Einfluss
auf die städtische Politik ausübte.82 Es verwundert daher nicht, dass die Zugehörigkeit
zu einem Seggio einen höheren Status besaß als ein Adelstitel, wie noch ein Zeitgenosse
des 16. Jahrhunderts anmerkt.83 Demzufolge war die Beziehung unter den
Adelsfamilien eines Seggio von außerordentlicher Bedeutung, weshalb die Strukturen
der Clans bevorzugt durch Heiratsallianzen verstärkt und erweitert wurden.84
Forschung immer noch rudimentär behandelten Seggio-Bauten Süditaliens siehe Lenzo, Public display,
2014.
77
Zum ehemaligen Versammlungsort des Seggio di Montagna in der Via dei Tribunali siehe Vencato,
Gittare li porticali, 2009, S. 202 u. Abb. 3-4.
78
Siehe dazu auch ebd. sowie Lenzo, Public display, 2014, S. 2.
79
Vgl. Vitale, Èlite, 2003, S. 109. Sie verweist auf die wichtigen Einnahmen des Seggio-Adels durch die
städtischen Territorien und Immobilien neben dem Erwerb, den sie aus den Ländereien in der Umgebung
bezogen. Siehe ebd., S. 46f. Zur Aufnahme siehe auch dies., Nobiltà, 2000, S. 370-372. Weiterhin
Marino, Becoming Neapolitan, 2011, S. 2, der für die Möglichkeit des Immobilienerwerbs und der
Einheiratung das königliche Dekret von 1479 anführt.
80
Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 52, betont dabei, dass vor allem für „die exklusiven Oberschichten
italienischer Städte […] der Besitz von Land eher sekundär war […].“
81
Siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 92-94; Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 309.
82
Siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 29; Muto, La campania, 1994, S. 35. Visceglia, Identità sociali, 1998,
S. 95, nennt einige der Aufgaben, mit denen die Seggio-Adligen betraut waren, u.a. mit der Verwahrung
der Stadtschlüssel, der Aufsicht über die Mauern und Häfen Neapels sowie „mit der Verwaltung der
städtischen Finanzen […] und der städtischen Polizei […].“
83
Siehe dazu Spagnoletti, The Naples Elites, 2013, S. 204.
84
Siehe Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 309f. Dazu auch Vitale, Élite, 2003, S. 92-107. Allgemein
zur Aufrechterhaltung des sozialen Status’ durch die Verstetigung der Beziehungsgeflechte im
mittelalterlichen Adel siehe Schmid, Geblüt, 1998, bes. S. 74-76.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
23
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Seggi – ebenfalls in ihrer Form der
Adelskorporationen – war ihre Zuständigkeit für Patronatsvergaben in den Kirchen.85
So wurde beispielsweise das Kapellenpatronat im Fall des Aussterbens der
Besitzerfamilie an die verbleibenden Adelsfamilien des zugehörigen Seggio übertragen,
um die autonomen Ansprüche auf solch prestigeträchtige Güter innerhalb des jeweiligen
Quartiers aufrechterhalten zu können.86
Der Seggio-Adel zeichnete sich demnach durch strenge Aufnahmeregeln und sein durch
die genealogische sowie ortspezifische Herkunft bestimmtes Selbstverständnis aus,
wodurch ein Gruppenbewusstsein geschaffen wurde, das nach außen, insbesondere
gegenüber den nicht in die Seggi eingeschriebenen Aristokraten und den Feudaladligen,
abgrenzte.87 Diese differenzierte Wahrnehmung blieb im kulturellen Gedächtnis fest
verankert, wie die Adelstraktate oder auch das Brettspiel „Lo splendore della nobiltà
napoletana“ (Abb. 6) aus dem späten 17. Jahrhundert eindrücklich belegen.88 Dieser die
Heraldik der neapolitanischen Adelswappen sowie die Karrieremöglichkeiten für junge
Adlige vermittelnde und zugleich als mental map des sozialen Raumes von Neapel
fungierende Spielplan beinhaltete unterschiedlich konnotierte Felder, unter denen die
Seggi eine positive Bedeutung hatten, da man bei Erreichen dieser Felder zweimal
weiter ziehen durfte. Währenddessen waren die Wappen von auswärtigen Adelsfamilien
negativ ausgelegt, da sie bedeuteten, dass der Spieler zweimal aussetzen musste.89
85
Siehe dazu Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 601. Auch Rugna, La nobiltà napoletana, 1997,
S. 314, betont, dass in Neapel der Seggio für die Patronatsvergabe zuständig war und nicht, wie sonst
üblich, der betreffende Konvent. So auch exemplarisch für den Seggio di Nido und dessen Hauptkirche
im Jahr 1507 bei Vitale, Élite, 2003, Appendix I, S. 128, Nr. 11.
86
Siehe De Stefano, Descrittione, 1560, beispielsweise ff. 28r u. 30v. Außerdem Visceglia, Il bisogno,
1988, S. 130f.; Dies., Corpo e sepoltura, 1982, S. 601.
87
Siehe noch einmal Vitale, Élite, 2003, bes. S. 30. Zuletzt dazu auch Santangelo, Spazio urbano e
preminenza sociale, 2014. Allgemein zur konstitutiven Bedeutung des Adelsgeschlechts und der daraus
resultierenden „Gruppenbildung ‚ständische[r]’ Qualität“ siehe Oexle, Soziale Gruppen, 1998, S. 21. Zur
Identitätsbildung in sozialen Gruppen weiterhin Hillmann, Wörterbuch, 2007, bes. S. 355; Oexle, Stände
und Gruppen, 2001, S. 45ff. Außerdem Althoff u.a., Person und Gemeinschaft, 1988. Zum
Konkurrenzverhalten innerhalb des vormodernen adligen Standes siehe Paravicini, Einleitung, 1997,
S. 22. Immer noch grundlegend zur Netzwerkanalyse für frühneuzeitliche Machtsysteme siehe Reinhard,
Freunde und Kreaturen, 1979.
88
Eine erste Aufarbeitung dieses in der Forschung bisher kaum beachteten Spielplans findet sich bei
Heidemann, Prozessionen, 2012. Allein De Cavi, Embematica cittadina, 2014, S. 46, führt diesen in aller
Kürze an. Della Mara, Discorsi, 1641, S. 2f., schildert fast zeitgleich die Entwicklung des
neapolitanischen Adels, der von den Dynastienwechseln und den damit bedingten gesellschaftlichen
Veränderungen geprägt war. So berichtet er, dass schon Friedrich II. von Hohenstaufen namhafte
Gelehrte aus ganz Europa („i più celebri huomini dell’Europa“) nach Neapel eingeladen hatte, während
die Anjou nach Errichtung ihrer dauerhaften Residenz in Neapel neben den aus Frankreich mitgebrachten
Adligen auch die Ortsansässigen förderten. So kam es, dass unter Karl I. von Anjou viele der
Feudaladligen des Reiches in die neue Residenzstadt umsiedelten, wodurch die dort ansässigen Seggi
einen großen Zulauf erhielten. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch unter den Aragonesen erkennen,
denen viele Spanier nach Neapel folgten.
89
Siehe dazu die Spielanleitung bei Lo splendore, 1678, S. 7-13.
24
Grit Heidemann-Schirmer
Wie in sozialen Gruppen – insbesondere im Adel – üblich, so bildete sich auch unter
den Seggio-Familien ein Distinktionsstreben aus, das eine innerhierarchische
Gliederung zur Folge hatte. Dadurch wurde in die Maggiore Nobiltà und die Seggi
Minori, also höherer Adel und niedere Seggi, unterschieden,90 die im Folgenden
genauer vorgestellt werden.
II.1.1. Die Maggiore Nobiltà
Die Maggiore Nobiltà war durch „antiquità, & splendore“91 (Alter und Herrlichkeit)
ihrer Familien charakterisiert. Sie zeichnete sich also durch Werte aus, die dem
europäischen Hochadel entsprachen.92 Die zugehörigen Familien waren innerhalb der
Stadt, und zwar ausschließlich in den beiden Seggi di Capuana und Nido angesiedelt,
die sich als höchste Adelskorporationen Neapels verstanden.93 Diese Familien
legitimierten ihre privilegierte soziale Stellung sowohl durch ihr Alter als auch durch
ihre neapolitanische Herkunft, die sie bis in die Zeit vor der Fremdherrschaft in Neapel
zurückführten.94 Demzufolge war es für sie bedeutsam, die Heiratsallianzen auf ihre
90
Dazu vor allem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 97f. Sie zitiert Terminio in seiner „Apologia di tre
seggi illustri“ von 1581, der die Seggi di Capuana und Nido als „maggiore e più antica nobiltà”
bezeichnet. Vgl. ebd. S. 98, Anm. 43. Demgegenüber galten die anderen drei Seggi als „minori“. Vgl.
ebd., S. 98. Allgemein zu „eine[r] starke[n] Hierarchie“ innerhalb des europäischen Adels siehe u.a. Asch,
Europäischer Adel, 2008, S. 16.
91
Dies als allgemeine Charakteristika des „höheren Adels“ bei Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 2.
92
Siehe dazu vor allem Spieß, Ständische Abgrenzung, 1992. Exemplarisch zum nichtfürstlichen
Hochadel des deutschen Spätmittelalters siehe ders., Familie, 1993.
93
Bei diesen beiden Seggi handelt es sich laut Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 601, um die ältesten
aristokratischen Sitze Neapels. Noch bei Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 696, wird auf die ungebrochene
Machtstellung und enge Verbindung der beiden immer zusammen genannten Seggi hingewiesen, indem
die dazugehörigen Adligen durch die Bezeichnung „in et o Capoana e Nido“ von den anderen
Adelskorporationen der Stadt unterschieden wurden. Weiterhin führt er deren Empfehlung durch
Francesco Petrarca an, der schreibt, dass „chi viene a Napoli, bisogna necessariamente che, per veder due
teatri illustri, vegga quelli di Capoana e Nido, in quelle piazze edificati.“ Vgl. ebd., S. 695. Auch Rugna,
La nobiltà napoletana, 1997, S. 309, betont die Wahrnehmung der beiden Seggi durch die Zeitgenossen
als „Spitze des Adels und der Macht in Neapel“. Ebenso bei Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278f.:
„Jedermann sichtbar war, dass die großen Familien Neapels alle zu den beiden höheren ‚sedili‘ gehörten.“
94
Zu den altehrwürdigen Familien, die schon vor den Königen in Neapel sesshaft waren und als „antiker
Kern“ der Stadt galten, siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 99. Vitale, Élite, 2003, S. 30, verweist
jedoch auf die schon Ende des 14. Jahrhunderts vorherrschende Kritik der „Gegner“ dieser in Capuana
und Nido angesiedelten Familien, da auch sie trotz ihrer zunehmenden exklusiven Bestrebungen einige
Mitglieder beziehungsweise Vorfahren aus Kampanien und anderen Gebieten des Reiches hatten. Zum
Nachweis des Alters der Familie wurden auch Kapellenstiftungen und Grabmalsinschriften in den großen
Kirchen der Seggi herangezogen. Siehe dazu dies., Nobiltà, 2000, S. 372; Del Bagno, Reintegrazione,
1984, bes. S. 198f.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
25
beiden Adelskorporationen zu beschränken, anstatt sie mit den niederen Seggi oder gar
mit auswärtigen Familien zu knüpfen.95
Zum Seggio di Capuana, der das nordöstliche Territorium der Stadt umfasste, gehörten
namhafte Familien wie die Capece, Caracciolo, Carbone, Filomarino, Minutolo oder die
Piscicelli, deren Ansehen bezeichnenderweise auch über Neapels Stadtgrenzen
hinausreichte. Wenig anders verhielt es sich mit den Familien, die im nordwestlich
gelegenen Seggio di Nido eingeschrieben waren, unter denen für das 15. Jahrhundert
exemplarisch die d’Alagno, Aldemorisco, Brancaccio, Carafa, Pignatelli und die
Tomacelli zu nennen sind.
Was den exklusiven Status der Maggiore Nobiltà besonders evident macht, ist die
Übernahme hoher Kirchenämter wie Kardinäle, Bischöfe und sogar Päpste,96 die
auffällig oft von den Angehörigen des Seggio di Capuana gestellt wurden.97 Für den
Untersuchungszeitraum lassen sich hier beispielhaft Papst Bonifatius IX. (Pietro
Tomacelli) sowie die Kardinäle Enrico Minutolo, Francesco Carbone und Rinaldo
Piscicelli nennen, aber auch der Seggio di Nido hatte namhafte Kardinäle wie Rinaldo
Brancaccio und Oliviero Carafa zu verzeichnen.98
Neben den Einnahmen aus den Lehensgütern war dem höheren Adel auch die
Übernahme wichtiger Hofämter vorbehalten, die sie im Laufe des 15. Jahrhunderts
nachhaltig dazu nutzten, um ihre politische Einflussnahme in der neapolitanischen
Gesellschaft zu stärken.99 Dabei wurden die Ämter bevorzugt innerhalb der Familie
weitergegeben oder man kooperierte mit anderen gleichrangigen Familien, um die am
Königshof erworbene Machtposition aufrechterhalten zu können.100 Auch der Souverän
95
Darauf verweisen Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 98f. und Vitale, La Nobiltà di Seggio, 1988,
S. 155, Anm. 7.
96
Siehe dazu vor allem Vitale, Èlite, 2003, S. 54f.; Galasso, Il Regno, 1992, S. 462f.; Esch, Das
Papsttum, 1972. Allgemein zum Klerus, der zwar „als eigener Stand“ in den spätmittelalterlichen Städten
galt, dessen kirchliche Ämter jedoch durch ihr soziales Prestige und politischen Einfluss vor allem beim
Adel begehrt waren, siehe Holbach, Kirchen, 2001, bes. S. 315-318.
97
Es verwundert daher nicht, dass der Seggio di Capuana im engen Verhältnis mit dem Domkapitel stand
und die Kathedrale auch als bevorzugte Begräbnisstätte nutzte. Siehe dazu Kap. IV.1.1.1.
98
Zu den genannten Personen ausführlicher siehe Kap. IV.
99
Zur „Prestigesteigerung“ durch die Übernahme wichtiger Hofämter, „die vorwiegend Angehörige des
Reichsadels“ ausübten, siehe Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007, S. 27 u. ff., hier im
nordalpinen Kontext. Zur Bedeutung des Fürstenhofes, vor allem für den „hohe[n] Adel [der] zunehmend
auf die königliche Patronage angewiesen war […]“, siehe Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 218ff., Zitat
S. 219.
100
Vitale, Èlite, 2003, S. 84-87, verweist auf das Missverhältnis, das sich durch die Dominanz einzelner
alteingesessener Familien entwickelte, die bei der Ämtervergabe einen auffälligen Nepotismus betrieben.
Zur Konkurrenz unter den Familien siehe auch ebd., S. 107-110.
26
Grit Heidemann-Schirmer
hatte ein großes Interesse, den höheren Adel an sich zu binden, um sich der Loyalität
der mächtigen Familien zu vergewissern.101
Am neapolitanischen Hof sind die Konkurrenzverhältnisse und Abgrenzungsdynamiken
innerhalb des Standes demnach besonders deutlich erkennbar, denn der dortige
Prestigegewinn – der mit der verstärkten Ämtervergabe unter den Aragonesen
einherging – wurde nun auch von den Feudaladligen in Anspruch genommen.102
Überdies war der Königshof von jeher ein Garant des sozialen Aufstiegs für die
Neuadligen ebenso wie für die Neuankömmlinge in der Stadt.103 Darauf wird weiter
unten zurückzukommen sein.
Die Familien der beiden höchsten Seggi wurden zum Ende des 15. Jahrhunderts jedoch
vor Probleme gestellt, denn das Bevölkerungswachstum und die Ernennung neuer
Adliger sowie der stetig steigende Zuzug auswärtiger Aristokraten veränderten die
neapolitanische Gesellschaft nachhaltig, wodurch die Exklusivitätsansprüche der
Maggiore Nobiltà kaum noch haltbar waren.104
Die „grundsätzliche Exklusivität des Adels […] [und] eine Öffnung für neue
Mitglieder“ stellte ein allgemeines Problem in den europäischen Adelsgesellschaften
des späten Mittelalters dar.105 Für den neapolitanischen Fall wird ersichtlich, dass sich
zwar die Maggiore Nobiltà einer Öffnung weitgehend verwehrte, die Seggi Minori
jedoch das Potential neuer Mitglieder erkannten.106 Die Karrieremöglichkeiten am
aragonesischen Königshof spielten dabei die entscheidende Rolle. Dadurch standen die
101
Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 203, unterstreicht dies besonders für die Aragonesen, indem er
die Seggio-Adligen als „regierungstreue[...] Stadtaristokratie“ bezeichnet. Allerdings ist hier der SeggioAdel je nach Zugehörigkeit zu differenzieren, wie es die vorliegende Arbeit unternimmt.
102
Siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 30. Allgemein zum „Königshof [...] als lebendiges Abbild
der sozialen, politischen und verfassungsmäßigen Realität“ siehe Spieß, Rangdenken, 1997, S. 42 u. ff.
103
Zur Herausbildung einer neuen Elite „di toga“ siehe auch Del Bagno, Reintegrazione, 1984. Allgemein
zur Patronage als Möglichkeit der Netzwerkbildung siehe Reinhard, Freunde und Kreaturen, 1979, bes.
S. 38ff. Ausführlich zum Hof als Netzwerk siehe auch Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007.
104
D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 43, betont die steigende Zahl an Immigranten nach Neapel
im späten 15. Jahrhundert. Das Drängen des Feudaladels in die Stadt wurde unter den spanischen
Vizekönigen ab 1510 besonders intensiviert. Vgl. Labrot, Baroni in città, 1979, S. 46. Insgesamt hatte
Neapel zwischen den Jahren 1400 und 1500 einen Zuwachs von 80.000 Einwohnern zu verzeichnen. Vgl.
di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 87.
105
Siehe Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen, 2008, S. 5: „Das Leistungsprinzip setzte die
grundsätzliche Exklusivität des Adels zwar nicht außer Kraft, aber es relativierte sie insofern, als es eine
Öffnung für neue Mitglieder implizierte, die zur Einlösung der gesetzten Leistungsstandards bereit
waren.“ Auch im französischen Adel des 15. Jahrhunderts lässt sich eine verstärkte Zunahme an
„Nobilitierungen“ erkennen. Siehe dazu Spieß, Aufstieg in den Adel, 2001, S. 24.
106
Dies als generelles Phänomen bei der Unterscheidung von höherem und niederem Adel, von dem
Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 33f., sagt, „daß dort, wo ein relativ exklusiver höherer Adel sich
erfolgreich gegen weniger mächtige und vornehme Familien abgrenzte […] der Kleinadel […] eher offen
für Aufsteiger war […].“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
27
Neuadligen bald als finanziell und sozial konkurrierende Gruppe dem alten Adel
gegenüber. Darüber hinaus wurden die spanischen Gefolgsleute bevorzugt von den
Aragonesen mit feudalen Gütern und Titeln belohnt.107 Auch sie hatten ein großes
Interesse, die neapolitanische Bürgerschaft als Grundlage zur Aufnahme in die Seggi zu
erwerben, denn nur so konnten sie an dem oligarchischen innerstädtischen Machtsystem
partizipieren.
Diese für die Maggiore Nobiltà problematische Entwicklung wird in den Kapiteln
evident, die in den Seggi di Capuana und Nido um 1500 abgehalten wurden, um die
Aufnahmeregeln und damit die Abgrenzung nach außen neu zu definieren. Dabei wurde
unter anderem festgelegt, dass der Seggio-Adel durchgängig vier Generationen in
väterlicher Linie nachzuweisen hatte, um weiterhin dem Quartier angehören zu können,
wie auf der Versammlung des Seggio di Nido 1520 vereinbart. Schon 1507 waren die
Aufgaben und Privilegien jener fünf Obersten des Quartiers („li Cinque“) konkretisiert
worden, die alle sechs Monate gewählt werden sollten. Zu gleichen Debatten kam es am
22. September 1500 auf dem Kapitel des Seggio di Capuana.108
II.1.2. Die Seggi Minori
Die verbleibenden Seggi di Montagna, Porto und Portanova waren die niederen
Adelskorporationen in Neapel, die sogenannten „seggi minori“.109 Sie wurden
hierarchisch niedriger eingestuft, da ihre Familien seit den Anjou ursprünglich aus
Händlern und Bürgern („origine mercantile e borghese“110) bestanden. Sie waren es
107
Zur eigenen Machtsicherung stattete Alfons von Aragon seine spanischen Gefolgsleute nach der
Eroberung des süditalienischen Königreiches mit Ländereien und Titeln im neuen Herrschaftsgebiet aus
und verheiratete sie bevorzugt mit den lokal ansässigen Adelsfamilien. Siehe dazu Cantabene, La
committenza, 2007, S. 135. Allgemein zum engen Netzwerk der spanischen und katalanischen Adligen
am neapolitanischen Königshof unter Alfons von Aragon siehe vor allem Ryder, The Kingdom of Naples,
1976.
108
Siehe Vitale, Élite, 2003, S. 113ff. Vitale liefert die Kapitel von 1507 und 1520 im Abdruck. Vgl. ebd.,
S. 125-133, Appendix I-II und in ihren früheren Ausführungen Vitale, La Nobiltà di Seggio, 1988. Siehe
auch Del Bagno, Reintegrazione, 1984. Zum Kapitel des Seggio di Capuana siehe Rugna, La nobiltà
napoletana, 1997, S. 308, Anm. 4. Außerdem Chronica de la Nobiltà. Zur Bedeutung dieser SeggioObersten im Kontext der politischen Ereignisse am Ende des 15. Jahrhunderts siehe auch D’Agostino, La
Capitale ambigua, 1979.
109
Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 98.
110
Ebd., S. 97. Darauf verweist auch Vitale, Élite, 2003, S. 62 u. 116. Dennoch besaßen diese drei Seggi
die gleichen Privilegien wie Capuana und Nido. Siehe Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 696. Zur
hierarchischen Abstufung der fünf Seggi siehe auch Beyer, Parthenope, 2000, S. 25. Weber,
Familienkanonikate, 1988, S. 278, bezeichnet die drei Seggi als „ursprünglich die Vereine des
Großbürgertums“.
28
Grit Heidemann-Schirmer
jedoch, die infolge der Zuwanderungsbewegung im 14. und verstärkt im 15. Jahrhundert
die auswärtigen Adligen aufnahmen, denen ein Beitritt zu den Maggiori versagt
blieb.111 Vitale zitiert den Beschluss des Seggio di Montagna von 1420, der besagt, dass
„jeder Adlige aus jeder Stadt des Reiches […] das Recht [habe], zum honori dello
Seggio zu werden, wenn eine Hochzeit mit einer Frau aus einer zum Seggio
dazugehörigen Familie abgeschlossen würde“.112
In gleicher Weise nahmen die Seggi Minori auch jene sozialen Aufsteiger auf, die vom
König in den Adelsstand erhoben worden waren.113 Das Beziehungsgeflecht mit dem
Königshof war demzufolge weitaus enger gestrickt, als sich dies bei den beiden höheren
Adelskorporationen feststellen lässt.114 Daher verwundert es nicht, dass ein Jahrhundert
später Antonio Terminio in seiner „Apologia“ allein diese drei „niederen“ Seggi
Neapels ausführlich vorstellt, mit dem Ziel, ihre Zweitrangigkeit zu widerlegen.115 Dazu
führt er nicht nur die einzelnen ansässigen Familien, sondern vor allem herausragende
Persönlichkeiten an und vergleicht diese mit Zeitgenossen der beiden höheren Seggi,
um den Status des betreffenden Quartiers zu egalisieren.
Der Seggio di Montagna stellt eine Besonderheit unter den neapolitanischen Vierteln
dar.116 Er wurde zwar erst im Jahre 1380 formiert, inkorporierte aber das ehemalige
Gebiet Forcella (zwischen Capuana und Nido), in dem sich wichtige antike Gebäude
und Kultstätten befanden, die das kulturelle Erbe der Stadt markierten. Während das
Heiligtum der Sirene Parthenope zu Zeiten der Siedlungsgründung außerhalb lag,117
konnten nach archäologischen Grabungen das antike Theater sowie das antike Forum
auf dem Territorium der Kirche San Lorenzo Maggiore lokalisiert werden.118
Demzufolge wurde auch das Tribunal – ebenfalls in unmittelbarer Nähe zu San Lorenzo
111
Siehe noch einmal Vitale, Élite, 2003, S. 62f. u. S. 107.
„[…] che ogni gentiluomo, di qualunque città del Regno fosse, avesse diritto agli »honori dello
Seggio«, qualora avesse contratto matrimonio con una donna appartenente a famiglia di Seggio.“ Vgl.
Vitale, Èlite, 2003, S. 116.
113
Zur Aufnahme der homines novi erstmals durch den Seggio di Montagna siehe Rugna, La nobiltà
napoletana, 1997, S. 310.
114
So wurden die Ämter am Hofe der Anjou-Durazzo noch bevorzugt mit den Angehörigen der Seggi
Minori besetzt und auch die Geldleihe an den Königshof durch die niederen Seggio-Adligen ist ein
Charakteristikum dieser Gruppe. Siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 97f.
115
Vgl. Terminio, Apologia, 1581.
116
Zu diesem noch jungen Seggio siehe zuletzt Di Meglio, Nobiltà di seggio, 2012, bes. S. 35f.
117
Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, S. 17.
118
Siehe dazu Thoenes, Neapel, 1971, S. 18. Demgegenüber haben sich die Überreste des einstigen
Dioskurentempels in der Eingangsfront von S. Paolo Maggiore bis heute erhalten, die sich nahe der
Kirche S. Lorenzo Maggiore an der Via dei Tribunali befindet. Siehe dazu auch Di Giacomo, Napoli,
1929, bes. S. 20f. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 708, bezeichnet demzufolge den Seggio di Montagna
als den ältesten der Stadt, was offensichtlich mit seiner Lage im antiken Stadtkern zu erklären ist.
112
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
29
Maggiore als Zentrum dieses Quartiers – als Versammlungsort aller Seggi der Stadt hier
eingerichtet, um die gemeinsamen Anliegen und Interessen an einem Ort zu bündeln.119
Der Besuch dieser Institution durch die Könige bei wichtigen Ereignissen manifestiert
ihren besonderen Stellenwert. So überreichte Alfons von Aragon nach seinem Einzug in
die Stadt 1443 seinen goldenen Triumphwagen dem Tribunal als Geschenk und
proklamierte
dort
die
Ernennung
seines
Sohnes
Ferrante
zum
künftigen
Thronnachfolger.120
Im Seggio di Montagna waren unter anderem die Familien Capua, Cicinelli, Muscettola,
Pignone, Poderico und Rocco eingeschrieben. Zahlenmäßig beherbergte dieses
Stadtviertel die meisten Familien gegenüber den anderen Quartieren, was nicht nur auf
seine Einverleibung des ehemaligen Territoriums von Forcella, sondern auch auf die
bereitwillige Aufnahme der Immigranten und der Neuadligen zurückzuführen ist. Sie
erlangten zwar hierarchisch gesehen nicht den gleichen Stellenwert wie die Familien der
Maggiore Nobiltà, wurden aber zuweilen auch für Heiratsallianzen herangezogen. Ihre
besondere Nähe zu den Königshäusern und demzufolge ihre Vermittlerposition könnte
dafür eine Erklärung sein,121 ebenso wie die berühmten Stätten des antiken Neapels eine
Aufwertung des Territoriums bedeuteten.
Die beiden Seggi di Porto und Portanova waren die jüngsten Stadtquartiere, die sich am
südlichen Rand der Stadtmauern befanden und erst spät infolge des aragonesischen
Urbanisierungsprogramms
am
Ende
des
15. Jahrhunderts
in
den
Mauerring
aufgenommen wurden.122 Ihr Ansehen konnte aufgrund ihrer peripheren Lage und ihres
noch jungen Alters bei weitem nicht den Stellenwert erreichen wie die
prestigeträchtigen Seggi di Capuana und Nido.123 Dennoch hatten auch sie die gleichen
Privilegien und traten in enge Verbindungen zum Königshof, dem sie sehr loyal
gegenüberstanden.124 So verfolgten unter König Ladislaus von Anjou-Durazzo viele
Adlige eine militärische Laufbahn, die vor allem aus den besagten Seggi di Porto und
119
Zum Tribunale di S. Lorenzo siehe u.a. D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 41f.; Summonte,
Dell’Historia (I), 1675, S. 215-222. Die Vereinigung aller neapolitanischen Seggi an diesem Ort wird
auch über dem Eingangsportal visualisiert, wo alle Wappen zusammengeführt sind.
120
Siehe dazu Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 22f.
121
Beispielhaft zu den Cicinelli und den Penna als soziale Aufsteiger unter dem Protektorat der AnjouDurazzo und der Aragonesen siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 140-143.
122
Siehe u.a. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 601.
123
Auch Vitale, Élite, 2003, S. 47, führt für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts ihren weiterhin
„merkantilen“ Charakter in zeitgenössischen Quellen an.
124
Siehe ebd., S. 176.
30
Grit Heidemann-Schirmer
Portanova stammten.125 Der König erhielt dabei einen bedeutsamen ökonomischen
Rückhalt von drei Adligen aus diesen Korporationen, und zwar von Francesco Gattola
(Portanova), Gurello Origlia (Porto) und Artusio Pappacoda (Porto), die an seinem Hof
als Großmarschall, Großprotonotar und Großseneschall tätig waren.126
Für den Seggio di Porto sind beispielsweise die Familien d’Alessandro, Ferrillo,
Gennaro, Macedonio, Origlia und die Pappacoda zu nennen,127 während im Seggio di
Portanova unter anderem die d’Anna, Gattola, Miroballo und die Mormile
eingeschrieben waren.128
Aus dem Streben der Seggi Minori nach sozialen Aufstiegschancen, die insbesondere
am Hof verfolgt wurden, und ihrer Aufnahme der vom König geförderten Neuadligen
sowie der immigrierten Aristokraten entwickelte sich ein Gruppenbewusstsein, das mit
der königlichen Autorität aufs Engste verbunden war.129 Demgegenüber bildete die
Maggiore Nobiltà eine nahezu geschlossene Gruppe, die gerade durch den begrenzten
Zutritt ihre Exklusivitätsansprüche gegenüber den sozialen Aufsteigern geltend machen
wollte.130
In den bisherigen Überlegungen wurde die Wechselbeziehung der Seggi mit dem
neapolitanischen Stadtraum schon mehrfach angedeutet. Dieses Phänomen wird im
Folgenden näher beleuchtet, bevor die verbleibenden zwei Gruppen des adligen Standes
näherhin charakterisiert werden.
125
Siehe dazu ebd., S. 58-62. Zur „Kriegsindustrie“ unter den Anjou-Durazzo siehe auch dies., Nobiltà,
2000, S. 373-376.
126
Als Vierter im Bunde ist Ludovico Aldemorisco zu nennen, der jedoch aus dem Seggio di Nido
stammte und am Hof als Großadmiral fungierte. Siehe dies., Élite, 2003, S. 61f.
127
Besonderes Augenmerk bei den Zeitgenossen erlangte der Zusammenschluss von sechs Familien
(Macedonio, Dura, Gennaro, Pappacoda, Venato, Strambone) im Seggio di Porto, die sich als
„dell’Aquarie“ bezeichneten und fortan den „Kernbestand des ganzen seggio“ ausmachten. Vgl. Weber,
Familienkanonikate, 1988, S. 283f. Siehe dazu auch deren Rezeption bei Lo splendore, S. 11.
128
Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 282, meint zum Seggio di Portanova, dass dieser „aus einer
Separierung bestimmter, großbürgerlicher Familien (man kann diese Gruppe ohne Gefahr des
Anachronismus als ‚oberen Mittelstand‘ bezeichnen) vom gewöhnlichen Volk entstand. Auch später noch
wurden großbürgerliche Familien dadurch nobilitiert, dass sie hier aufgenommen wurden, wie z.B. König
Alfons 1444 für die Coppola und Miroballo anordnete.“
129
Darauf verweist auch Vitale, Élite, 2003, S. 73, sowie am Beispiel der Familie de Penna, die als
homines novi am Königshof der Anjou-Durazzo eine privilegierte Position erlangten und diese Beziehung
auch öffentlich publik machten, wie die Fassade ihres Palastes mit der vielfach eingesetzten Königslilie
zeigt. Vgl. ebd., S. 142f. Allgemein zur Verbundenheit der am Hofe tätigen Adligen im
spätmittelalterlichen Europa siehe auch Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007, bes. S. 22f.
130
Dies als allgemeines Problem exklusiver Adelsgruppen siehe Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 8.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
31
II.1.3. Die Bedeutung der Seggi im Stadtraum von Neapel
Die Stadt Neapel zeichnet sich gegenüber den anderen italienischen Städten dadurch
aus, dass sie seit dem 12. Jahrhundert von wechselnden fremden Dynastien regiert und
ab 1266 als Residenzstadt ausgebaut wurde.131 Als gewachsene Stadt war sie von den
sich überlagernden Baumaßnahmen der jeweiligen Herrschaftsphasen geprägt.132 So
musste sich die Stadtbevölkerung bis zur Einigung Italiens mit den immer wieder
wechselnden Herrscherhäusern arrangieren, die unterschiedliche Interessen an der
süditalienischen Hauptstadt geltend machten und diese auch bildlich manifestierten. Es
waren aber vor allem die Seggio-Adligen, die einen entscheidenden Anteil an der
Stadtgestaltung hatten, der sich aus dem Zugehörigkeitsgefühl zu ihren Quartieren
speiste und durch die daraus resultierenden zeichenhaften Monumentsetzungen den
Bewohnern über die Dynastienwechsel hinweg Kontinuität vermittelte.133
Das System der Seggi bestimmte die Struktur des urbanen Raumes von Neapel und
wurde somit auch in den großen Kirchen offenbar, deren Attraktivität, neben den
zugehörenden Orden, in ihrer exponierten Lage im Stadtraum (Abb. 1) begründet lag.134
Diese dienten den Bewohnern als öffentlichkeitswirksame Orte, die zugleich der
sozialen Ordnung innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft Rechnung trugen.135
Während in den einzelnen Quartieren mindestens eine Kirche von den ansässigen
Adelsfamilien als bevorzugter Bestattungsort gewählt wurde, so gab es – wenn auch
numerisch deutlich geringer – das Bedürfnis einzelner Adliger, sich außerhalb der
großen Sakralbauten familiäre Eigenkirchen errichten zu lassen, die bezeichnenderweise
eine größtmögliche Nähe zu den Seggi aufwiesen.136
131
Zu Neapel unter den Normannen, Staufern und Anjou siehe u.a. Galasso, Il Regno, 1992, S. 1-227;
Garzilli, Cronica Di Napoli, 1845, S. 13-66.
132
Siehe dazu Michalsky, Gewachsene Ordnung, 2008, S. 267-288. Besonders zu den Anjou siehe dies.,
Memoria und Repräsentation, 2000; Bruzelius, The Stones of Naples, 2004. Allgemein zur Stadtplanung
im Mittelalter und der Debatte um gewachsene Städte siehe der Tagungsband Städteplanung –
Planungsstädte, 2006.
133
Zu diesem lokalen Phänomen siehe auch Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014.
134
Zu einer darin ersichtlichen topologischen Ordnung der Adelsgrabmäler siehe Michalsky,
Strukturiertes Gedächtnis, 2005. Allgemein zum öffentlichkeitswirksamen Charakter von Kirchen siehe
Wenzel, Hören und Sehen, 1995, bes. Kap. III; Suckale, Stil und Funktion, 2003, bes. S. 391-406;
Rau/Schwerhoff, Topographien des Sakralen, 2008, bes. S. 24 u. 52f. Zur „Kirche als Gemeinschaft der
Lebenden und Toten“ siehe auch Borgolte, Das Grab, 2000, S. 310.
135
Schon Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 278, weist ausdrücklich darauf hin: „In einer aber nur in
Neapel so ausgeprägten Form hingen die Kirchen des Adels mit dessen Gliederung in Stadtviertel und
Korporationen zusammen.“
136
Zu den Hauptkirchen der Seggi siehe Kap. IV.1.1. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 288, macht
zudem darauf aufmerksam, dass die Zahl an eigenen Familienkirchen relativ klein war gegenüber den
Kapellenstiftungen in den großen Kirchen. Siehe dazu auch Kap. IV.2.
32
Grit Heidemann-Schirmer
Diese adligen Versammlungsbauten befanden sich an jenen Insulae-Ecken, die zu den
decumani des antiken Straßennetzes hin geöffnet waren und insofern das Bewusstsein
der Zeitgenossen für das antike Erbe der Stadt vermittelten.137 Sie lagen nach Art der
römisch-antiken
Bogenmonumente
an
den
strategisch
wichtigen,
weil
hoch
frequentierten Straßenkreuzungen, so dass sich ihr Status als politisch wichtige
Repräsentationsbauten des ansässigen Adels visuell manifestierte.138 So befand sich
beispielsweise der Versammlungsbau des Seggio di Capuana an der südöstlichen Ecke
jener Insula (an dem heutigen, namensgebenden Vico Sedile Capuano), die den
Komplex des Doms San Gennaro umfasste und durch die direkte Nähe den Status der
Kathedrale als Hauptkirche dieses Stadtviertels visuell hervorhob. In gleicher Weise
sind auch der Seggio di Nido gegenüber seiner Hauptkirche San Domenico Maggiore
oder der Seggio di Porto unterhalb von San Giovanni Maggiore als weitere Beispiele
anzuführen.139
Die Unterteilung des neapolitanischen Stadtraums fand demnach ihren materiellen
Ausdruck in den Versammlungsbauten der Adligen und den angrenzenden
Hauptkirchen, die, meist zusammen als eine Platzanlage, der Stadt ihren dezentralen
Charakter verliehen und darüber hinaus „den Rechts- und Herrschaftsraum einer
bestimmten sozialen Gruppierung [nämlich den Seggio-Adligen, Anm.d.V.]“140
markierten. Neapel besaß somit nicht ein einziges, durch Bauten materiell fassbares
Zentrum, das „in vielen anderen Städten Italiens […] die topographische Mitte und das
politische Zentrum“141 bildete. Vielmehr übernahmen die Anlagen der Seggi, neben
dem Herrschersitz, diese Funktion. Besonders anschaulich wird dieses Phänomen bei
137
Dazu auch Lenzo, Public display, 2014. Die antiken decumani in Neapel sind der decumanus maiorus,
die heutige Via dei Tribunali, und der decumanus inferiorus, die heutige Via S. Biagio dei Librai, auch
unter dem Namen „Spaccanapoli“ bekannt. Siehe dazu Regina, Napoli antica, 1994, bes. S. 68-193. Zu
der prekären Lage der einstigen Versammlungsbauten siehe oben. Thoenes verortet die Seggi
folgendermaßen: „Der vornehmste war der Seggio di Nido […] bei S. Angelo a Nilo […]. Unterhalb von
SS. Severino e Sossio, zwischen der Via Salvatore de Renzi und dem »Rettifilo«, befand sich der Sitz von
Portanova, an der Via dei Tribunali der Seggio Capuano […]; am Westabschnitt der gleichen Straße,
zwischen S. Paolo Maggiore und S. Angelo a Segno, der Seggio di Montagna […]; der Sedile di Porto lag
ursprünglich in der gleichnamigen Straße unterhalb von S. Giovanni Maggiore, seit 1472 am Largo
Medina.“ Vgl. Thoenes, Neapel, 1971, S. 20.
138
Siehe auch Lenzo, Public display, 2014, S. 3f. Zu den vergleichbaren römisch-antiken
Bogenmonumenten siehe noch einmal Mühlenrock, Tetrapylon, 2003.
139
Im Laufe der Jahrhunderte kam es zu mehreren Umverlagerungen dieser Seggi-Bauten. Infolgedessen
wurden zuweilen die verlassenen Versammlungsgebäude in neue Bauten inkorporiert, wie das Beispiel
der Kirche S. Lorenzo Maggiore und der alte Seggio di Montagna zeigt. Siehe dazu Hirpinus, San
Lorenzo Maggiore, 1961/62, S. 18-20.
140
Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 201. Weiterhin: „Vieles weist darauf hin, dass urbane Räume im
Quattrocento deshalb symbolisch so intensiv aufgeladen werden, weil die Urbanistik dieser Zeit sich an
einer explizit politischen Programmatik orientierte.“ Vgl. ebd., S. 203.
141
Vgl. Hubert, Stadtgestaltung, 2010, S. 211, hier im Kontext von Bologna.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
33
Prozessionen und anderen Festzügen in der Stadt,142 denn es waren diese Seggi, die,
neben dem Marktplatz und der Kathedrale als übliche Stationen von städtischen
Prozessionen,143 die Route des Festzuges bestimmten und somit ihre Bedeutung im
urbanen Raum von Neapel allen Anwesenden vor Augen führten.144
Bei den feierlichen Einzügen von Alfons I. von Aragon und bei den Corpus-DominiProzessionen am Ende der aragonesischen Epoche wird ihre Relevanz, sowohl in der
administrativen Form als Korporationen als auch in der materiellen Gestalt der
Versammlungsorte, für das Gelingen des jeweiligen Festes evident.145 Die Involvierung
der Seggi in den Festablauf diente dabei der Identifikation der Adligen als einer Gruppe,
die sich als lokal unentbehrliche Elite verstand.146 Das Durchschreiten des Stadtraums,
das einer vorher festgelegten Route folgte, markierte die politisch wichtigsten Orte
innerhalb Neapels, zu denen die adligen Stadtviertel mit ihren Versammlungsbauten
gehörten, und reaktivierte gleichzeitig ihre Wahrnehmung im öffentlichen Raum.147
Den Seggi kam also nicht nur eine „zentrale Rolle in der Prozessionstopographie der
Stadt zu“,148 sondern sie waren die spezifischen „Grundelemente der symbolic
landscape“149 Neapel, die den Stadtraum performativ (re-)generierten und über
historische Umbrüche hinweg perpetuierten.
Die Wechselbeziehung der Seggi mit dem urbanen Raum und deren restriktive
Zugangsbestimmungen erschwerten es den neuen Adligen, sich in die neapolitanische
Gesellschaft zu integrieren. Die dadurch in Gang gesetzten Aneignungs- und
Distinktionsprozesse machten das Spezifikum der zweiten Gruppe des in Neapel
vertretenen adligen Standes aus.
142
Zur konstituierenden Bedeutung von Prozessionen für die soziale Ordnung einer städtischen
vormodernen Gesellschaft siehe auch Füssel, Hierarchie in Bewegung, 2007, bes. S. 31f. Für den
neapolitanischen Fall siehe vor allem Marino, Becoming Neapolitan, 2011.
143
Zum zentralisierenden Charakter des Marktplatzes als „Ausgangspunkt der Stadtwerdung und
Grundtypus des öffentlichen Raums“ siehe Noack/Oevermann, Urbaner Raum, 2010, S. 272.
144
So auch bei den Feierlichkeiten zur Krönung von Alfons II. von Aragon am 8. Mai 1494, der unter
einem Baldachin durch die Stadt ritt „attraverso i luoghi simbolici politico-amministrativi della capitale, e
cioè i Seggi“. Vgl. Vitale, Ritualità monarchica, 2006, hier S. 37.
145
Siehe dazu zuletzt Heidemann, Prozessionen, 2012.
146
Zur gemeinschaftsstiftenden Funktion von Ritualen und Ritualisierungen siehe Wulf, Das Soziale als
Ritual, 2001, bes. S. 7-17. Allgemein zur gesellschaftlichen Bedeutung von Ritualen siehe auch die
Arbeiten am Sonderforschungsbereich 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche
Wertesysteme“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
147
Zur Bedeutung von öffentlichen Plätzen als Austragungsorte von Festen siehe Heers, Vom
Mummenschanz, 1986, S. 343.
148
De Divitiis, Die Seggi, 2009, S. 102.
149
Schweers, Die Bedeutung des Raumes, 2009, S. 41.
34
Grit Heidemann-Schirmer
II.2. Nobili fuori piazza – Die Neuen in der Stadt
Die Gruppe der Nobili fuori piazza bestand aus jenen Adligen, die aus anderen Städten
in und außerhalb des süditalienischen Reiches nach Neapel gekommen und – so sagt es
der Name – nicht in die zuweilen auch als Piazze bezeichneten Seggi eingeschrieben
waren.150 Sie konnten aber, wie schon erwähnt, vor allem in die niederen Korporationen
aufgenommen werden. Der verstärkte Zuzug auswärtiger Adliger ist, wie schon
erwähnt, mit der Situation Neapels als Residenzstadt fremder Dynastien zu erklären. So
folgten viele französische Aristokraten den Anjou, als diese Neapel ab 1266 zum neuen
Herrschaftssitz ausbauten und das Hofpersonal vornehmlich mit ihren Landsleuten
besetzten.151 In gleicher Weise kamen zunehmend spanische und katalanische Adlige
mit den Aragonesen ab 1442 nach Neapel, um in den Dienst des neuen Königshofs zu
treten.152 Diese nur im monarchisch regierten Neapel so ausgeprägte Möglichkeit
nutzten auch Aristokraten und Patrizier anderer italienischer Städte außerhalb des
Regnums, um am neapolitanischen Hof zu Einfluss und Reichtum zu gelangen.
Das Charakteristikum dieser Gruppe war ihre Nähe zum Königshof, in dessen Dienst sie
– ebenso wie die Neuadligen – traten, dabei den „engeren Hof“153 bildeten und
demzufolge ihren sozialen Aufstieg innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft
anstrebten.154 Aus diesem Bestreben entwickelte sich ein Gruppenbewusstsein, das in
direkter Verbindung mit dem Souverän stand und sich auch auf ihre Grablegepraxis in
Neapel auswirken sollte.
Tutini zufolge wurde die Abgrenzung der Nobili fuori piazza von den Ortsansässigen
auch dadurch verstärkt, dass sie sich „weder mit dem Adel noch weniger mit dem Volk
[austauschten], da sie nicht das Bürgerrecht besaßen […].“155 Demgegenüber erschienen
ihre in Neapel errichteten Grabmäler und Familienkapellen als überaus geeignete
Kommunikationsmedien, wie im Kapitel V noch zu zeigen sein wird.
150
Zu dieser Gruppe siehe vor allem Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 100-103; Muto, La campania,
1994, bes. S. 35-42. Maßgebend für den Eintritt in die Seggi war die Übernahme der neapolitanischen
Stadtbürgerschaft. Im Kontext der eigenen Familie siehe noch einmal Della Marra, Discorsi, 1641.
151
Siehe dazu Heidemann und Scirocco, Die Kirchen, 2010, S. 14; Della Marra, Discorsi, 1641.
152
Siehe dazu Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 5f.; Croce, Memorie degli Spagnuoli, 1894. Zur Belohnung
der spanischen Gefolgsleute von Alfons nach der Eroberung des süditalienischen Königreiches siehe noch
einmal Cantabene, La committenza, 2007, S. 135. Zur Bedeutung von „Landsmannschaft“ für die
Netzwerkbildung siehe auch Reinhard, Freunde und Kreaturen, 1979, bes. S. 36f.
153
Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof, 2007, S. 26, hier im allgemeinen Kontext der Strukturen
eines spätmittelalterlichen Hofes.
154
Auch Spieß, Rangdenken, 1997, S. 44f., betont die Steigerung von „Sozialprestige und politischen
Einfluß“ durch die „Nähe zum Herrscher“, hier im deutschsprachigen Kontext.
155
Tutini, Del’origine, 1644, S. 85: „[…] né con la Nobiltà, né meno col Popolo, perciò non fanno corpo
di Cittadinanza […].“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
35
Die grundlegend abweisende Haltung des alten neapolitanischen Adels gegenüber den
auswärtigen Adligen fand auch noch Jahrhunderte später ihren Niederschlag. Das schon
oben angesprochene Brettspiel von 1678 (Abb. 6) belegt dies eindrücklich in seiner
Spielanleitung, indem das zweimalige Aussetzen des Spielers bei dessen Ankunft auf
einem Wappen auswärtiger Adelsfamilien vorgeschrieben war.156
Die Maggiore Nobiltà unterschied die Neuankömmlinge nach ihrer Herkunft innerhalb
oder außerhalb des süditalienischen Reiches. Insofern spielte die topographische Nähe
eine entscheidende Rolle bei der hierarchischen Unterscheidung der nach Neapel
immigrierten Adligen.157
II.2.1. Die Herkunft innerhalb des Regnums
Das süditalienische Königreich umfasste unter den Aragonesen die Gebiete der heutigen
Regionen Abruzzen, Apulien, Basilikata, Kalabrien, Kampanien, Molise sowie einige
Teile der Marken und Latium.158 Nach dem Vorbild der neapolitanischen Seggi gab es
auch in anderen Städten des Reiches gleichnamige Adelskorporationen, wenn auch
nicht in der hohen Anzahl wie in der Hauptstadt.159 Wer aus den Provinzen nach Neapel
kam und sogar Mitglied eines der dortigen Seggi war, galt bei den neapolitanischen
Adligen als nahezu gleichwertig und wurde dementsprechend bereitwillig in ihre
Korporationen aufgenommen.160 Besonders eklatant wird dies bei den Städten der nahe
gelegenen Amalfi-Küste.161 Das zeigt das Beispiel der Familie Correale, die aus Sorrent
nach Neapel gekommen war und – nach einer erfolgreichen Karriere einiger
156
Siehe noch einmal Anm. 88. Die Ausgrenzung von „ausländischen Adligen“ lässt sich vereinzelt auch
in anderen Adelsgesellschaften festmachen, wie Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 27, exemplarisch für
den niederländischen Adel anführt.
157
Vitale, Èlite, 2003, S. 158f., verweist darauf, dass je weiter sie von außerhalb kamen, umso
geringfügiger ihr adliges Blut galt, da man annehmen musste, dass dieses mit jenem der Goten oder
Langobarden gemischt worden sei. Zur Differenzierung durch die höheren Seggio-Adligen siehe noch
einmal beispielhaft die von dem Seggio di Nido abgehaltenen Kapitel von 1507 und 1520, abgedruckt bei
Vitale, Èlite, 2003, Appendix I-II.
158
Siehe die Karte bei Warr/Elliott, Introduction, 2008, S. 422, Abb. 1. Außerdem zum Königreich unter
Alfons von Aragon siehe Ryder, The Kingdom of Naples, 1976.
159
Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 102, führt beispielhaft Sorrent, Salerno, Trani und Tropea an.
160
Siehe dazu ebd., S. 102f. Siehe auch noch einmal der Beschluss des Seggio di Montagna aus dem
Jahre 1420, der besagt, dass „jeder Adlige aus jeder Stadt des Reiches […] das Recht [habe], zum honori
dello Seggio zu werden, wenn eine Hochzeit mit einer Frau aus einer zum Seggio dazugehörigen Familie
abgeschlossen würde.“ Zitiert nach Vitale, Élite, 2003, S. 116.
161
Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 102, betont die besondere Beziehung zwischen den
neapolitanischen Seggio-Adligen und jenen der Amalfiküsten-Städte, die sie als „madre e matrice“
betitelt.
36
Grit Heidemann-Schirmer
Familienmitglieder am aragonesischen Königshof – am Ende des 15. Jahrhunderts in
den Seggio di Nido aufgenommen wurde.162
Ein weiterer Grund für die Akzeptanz der Adligen aus den nahen Provinzen wird der
Besitz feudaler Güter einiger neapolitanischer Adliger in der Umgebung von Neapel
gewesen sein, wodurch ihnen diese Gebiete und deren Bewohner vertraut waren.
Anders verhielt es sich mit den Städten außerhalb des Königreiches.
II.2.2. Die Herkunft außerhalb des Regnums
Die Nobili fuori Piazza, deren Herkunft außerhalb des Reiches lag, sind vor allen
Dingen mit den fremdländischen Herrschern in Verbindung zu bringen, denen sie in die
süditalienische Residenzstadt folgten. So verhielt es sich mit den französischen Adligen
unter den Anjou ebenso wie mit den spanischen und katalanischen Adligen unter den
Aragonesen. Doch je weiter ihre Heimat von Neapel entfernt war, desto weniger wurden
sie vom ortsansässigen Adel geschätzt, da sie als unebenbürtig galten.163
Desweiteren fand ein Transfer aus Nord- und Mittelitalien nach Neapel statt. Auch
hierfür lässt sich die Fremdwahrnehmung der unterschiedlichen Aufnahmeregeln der
neapolitanischen Adelskorporationen durch das Streben in die niederen Seggi erkennen,
wie beispielsweise De Stefano für die römische Adelsfamilie Colonna belegt:
„[…]obwohl sie zum römischen Adel gehörten und eine berühmte Familie waren,
hatten sie stattdessen diese unsere Stadt gebeten, sich in den genannten Seggio di Porto
einzuschreiben.“164
Während aus diesen Regionen viele Adlige in die süditalienische Hauptstadt vor allem
infolge der politischen Allianzen der neapolitanischen Könige mit den anderen
italienischen Regenten immigrierten und somit die Verflechtungen zwischen den
Dynastien verdeutlichen,165 so waren es weitaus mehr Händler und Kaufleute, die in
einen wirtschaftlichen Austausch mit dem süditalienischen Königshof traten und die
162
Zu Marino Correale siehe Kap. V.2.1.
Siehe noch einmal Vitale, Èlite, 2003, S. 158f. Allgemein zur Bedeutung eines „besseren Geblüts“
siehe Schmid, Geblüt, 1998, bes. Kap. 2.1.
164
Vgl. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 19v: „[…] benché erano della nobiltà romana e famiglia
illustre, in tanto hanno pregiato questa nostra città che s’ascrissero al detto seggio di Porto.“
165
Beispielhaft zu den Piccolomini siehe Kap. V.2. Zu den Beziehungen der Visconti, Sforza und Medici
mit den Aragonesen und der daraus folgenden Einwanderung der Lombarden nach Neapel siehe
Strazzullo, I Lombardi a Napoli, 1992. Zu den freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Aragonesen
und den Medici sowie zu Lorenzo de’ Medicis Aufenthalt in Neapel siehe außerdem De Frede, La crisi
del Regno, 2006, bes. S. 19-21 u. 167-187.
163
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
37
dortigen sozialen Aufstiegschancen nutzen wollten.166 Zum Ende des 15. Jahrhunderts
lässt sich dies auch für spanische Patrizier belegen, wie das Beispiel von Paolo Tolosa
aus Valencia zeigt, der im Kapitel V genauer vorgestellt wird.167 Abschließend sei die
dritte Gruppe des in Neapel anzutreffenden Adels beschrieben.
II.3. Baruni – Der Feudaladel
Der Feudaladel definiert sich aus seiner altehrwürdigen und landansässigen Herkunft,
die ihm in der Regel das höchste soziale Ansehen innerhalb seines Standes
gewährleistete.168 Für das neapolitanische Königreich jedoch galt die Zugehörigkeit zu
einem Seggio als weitaus privilegierter,169 wodurch es zu einem lokal spezifischen
Machtstreben unter den Baronen kam, das mit der Titelvergabe durch den Souverän
aufs engste verbunden war. Die zunehmende Attraktivität des neapolitanischen
Königshofes, der, wie andere europäische Fürstenhöfe auch, neue Herrschaftsbereiche
und demzufolge ein gesteigertes Ansehen für den aufstrebenden Adel bereit hielt,
bewirkte gleichermaßen eine Binnendifferenzierung unter den Feudaladligen,170 die den
sozialen Wandel begünstigte, der sich am Ende des 15. Jahrhunderts innerhalb des
adligen Standes in Neapel abzeichnete.171 Entscheidend trug dazu der sogenannte
„Titeladel“ bei.
166
Zum wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Austausch zwischen Florenz und Neapel im
15. Jahrhundert, der auch einen Formentransfer zur Folge hatte, siehe u.a. Pane, Tavola Strozzi, 2009,
S. 141-167; Bock, Patronage, 2008; Borsi, Leon Battista Alberti, 2006; De Frede, La crisi del Regno,
2006; Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001; Naldi, Rapporti Firenze-Napoli, 1998.
167
Siehe Kap. V.5. Zu der gestiegenen Anzahl an katalanischen Händlern, die unter den Aragonesen nach
Neapel kamen, siehe auch Reimann, Neapel, 2005, S. 77.
168
So wurde der Feudaladel unter dem Normannenkönig Roger II. im 12. Jahrhundert als „più alto tra’
ceti“ („höher innerhalb der Stände“) eingeordnet. Zitiert nach Vitale, Élite, 2003, S. 32. Zur Entstehung
der feudalen Besitztümer im süditalienischen Reich seit dem 13. Jahrhundert, zu denen auch die Gebiete
innerhalb der Stadt Neapel zählten, siehe ebd., S. 34f. Die drei größten Familienclans mit den
umfangreichsten feudalen Besitzen in Neapel und Umgebung waren die Brancaccio, Caracciolo und
Capece. Vgl. ebd., S. 36.
169
„[…] because the latter one [noble title, Anm.d.V.] can get for money, whereas the former [Seggio
membership, Anm.d.V.] is enjoyed by the merit of an old noble status.” Vgl. Spagnoletti, The Naples
Elites, 2013, S. 204.
170
Allgemein zum Stellenwert des Hofes für den Machterwerb und Herrschaftsausbau im
mittelalterlichen Adel siehe vor allem Schmid, Geblüt, 1998, bes. Kap. 2.2. Zur „Titelhierarchie“ im
europäischen Adel siehe auch Demel, Spezifika, 2005, Abs. 10.
171
Siehe dazu vor allem Vitale, La Nobiltà di Seggio, 1988, bes. S. 157-160. Allgemein zu den
Veränderungen im spätmittelalterlichen Adel siehe auch Walther, Freiheit, 2008, bes. S. 302-305.
38
Grit Heidemann-Schirmer
II.3.1. Die Baruni de titulo
Der Begriff des „Barone“ war von den Zeitgenossen, so betont es jedenfalls Ammirato
„quasi per tutta Italia“, negativ konnotiert, da er sich durch „eine Art Schurkerei“172
und Lernunwilligkeit auszeichne. Diese anklagende Haltung ging zweifelsohne mit der
im 15. Jahrhundert zunehmenden Kritik am Feudaladel einher, der in die Residenzstädte
aufgrund der dort zu erwerbenden politischen Positionen drängte. So war die Titel- und
Ländereienvergabe seit jeher von der Krone, in Neapel in verstärktem Maße seit den
Aragonesen dazu instrumentalisiert worden, um treue Gefolgsmänner zu belohnen und
die mächtigen Adligen des Reiches an das Königshaus zu binden, dessen Macht somit
konsolidiert und ausgebaut werden sollte.173
Die damit verbundene Herrschaftsausübung, die nur im Dienste des jeweiligen Königs
möglich war, beinhaltete für die Adligen auch einen Anstieg ihres sozialen Status.174 Im
Laufe des 15. Jahrhunderts entwickelte sich in Neapel demzufolge der sogenannte
„Titeladel“ („baruni de titulo“175), der sich von den titellosen Feudaladligen
(„baronaggio non titolato“) zu distanzieren suchte.176 Die Titel Fürst („Principe“),
Herzog („Duca“), Markgraf („Marchese“) und Graf („Conte“) markierten eine
Hierarchie, die ihren territorialen Machtbereichen entsprach. Sie konnten jedoch nur
vom König verliehen werden, so dass die baruni de titulo an die Krone gebunden
waren.177 Demzufolge zeichnet sich ein Bedürfnis nach der Einschreibung in die
172
Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 27: „[…] una certa sorte di mascalzoni […]“.
Vitale, Élite, 2003, S. 30f., nennt dies eine „commercializzazione del feudo“, die insbesondere unter
den Aragonesen festzustellen ist. So findet es auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 98,
überraschend, dass einer der neapolitanischen Barone, Giorgio d’Alemagna, von König Alfons in den
Vertrautenkreis am Hofe aufgenommen wurde, obwohl dieser zuvor auf Seiten des Kontrahenten René
von Anjou gedient hatte. Ryder spricht Alfons eine gute Menschenkenntnis zu und verweist auf seinen
Pragmatismus, einen schon unter den Anjou-Durazzo am Königshof vertretenen und erfahrenen
Feudaladligen weiter zu beschäftigen. Allgemein zur Machtverteilung durch den König siehe Schmid,
Geblüt, 1998, Kap. 2.2, bes. S. 74 u. 101. Auch Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 131, betonen, dass der König
für die Erhebung der Reichsfürsten als „Spitze der Adelshierarchie“ die maßgebende Person war.
174
So u.a. Schmid, Geblüt, 1998, bes. S. 78f. Auch Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 38, verweist
auf die Bedeutung von Würde und Ämtern, die „den Unterschied ausmachen“ („ci distinguono“).
175
Dieser Begriff entstammt dem Kapitel des Seggio di Nido aus dem Jahr 1507. Vgl. Vitale, Elité, 2003,
Appendix I, S. 125-130.
176
Zu deren Unterscheidung vor allem im frühen 16. Jahrhundert siehe Visceglia, Identià sociali, 1998,
S. 103-105. Die aragonesische Epoche bezeichnet Visceglia als „lange Phase des Übergangs”. Vgl. ebd.,
S. 104. Zum Feudaladel, besonders unter den spanischen Vizekönigen, siehe auch Muto, La campania,
1994, bes. S. 42. Im deutschen Adel vollzog sich dieser Wandel von einer „Verfestigung der ursprünglich
nur rangmäßigen Unterschiede zwischen Herzögen, Markgrafen, Pfalzgrafen, Landgrafen und Grafen
[hin] zu Standesunterschieden“ dagegen schon im 12. Jahrhundert. Vgl. Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 131.
177
Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 28-34, stellt die einzelnen Titel, ebenfalls in hierarchisch
aufsteigender Reihenfolge vor. Diese Rangfolge des Titeladels findet sich auch noch im 17. Jahrhundert
auf dem schon mehrfach angesprochenen Spielplan Carlo Torellis (Abb. 6) im rechten Bereich des sog.
173
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
39
neapolitanischen Seggi ab, die ihnen ein zusätzliches Mitspracherecht in kommunalen
Angelegenheiten ermöglichte.178
Das Drängen des feudalen Titeladels in die neapolitanischen Seggi wurde somit zum
Ende des 15. Jahrhunderts intensiviert und die innerständischen Grenzen verschoben
sich.179 Nach 1500 kam es zu den schon erwähnten Reformen der Aufnahmeregeln
insbesondere bei den höheren Seggi, die einen Zuwachs der Feudaladligen in ihren
Korporationen begrenzen wollten. So wird auf dem Kapitel des Seggio di Nido von
1507 festgesetzt, dass nur ein Feudaladliger in den Rat der Fünf („li Cinque“) gewählt
werden dürfe. Außerdem wurden die im Seggio vertretenen Titeladligen konkret
benannt und somit bestätigt, zugleich sollte ein weiterer Zuwachs von außen verhindert
werden.180
Die Fremdwahrnehmung des höchst komplexen neapolitanischen Adels spiegelt sich
gleichermaßen in dem Ende des 16. Jahrhunderts verfassten Traktat „Delle Famiglie
nobili napoletane“ des Florentiners Scipione Ammirato wider. So berichtet dieser, dass
der
Grafentitel
in
Süditalien
seit
den
Römern
bekannt
war
und
den
Provinzgouverneuren zustand, während der Markgrafentitel erstmals unter König
Ladislaus von Anjou-Durazzo vergeben worden war.181 Der Herzogtitel, ebenfalls seit
der Zeit des römischen Imperiums geläufig, sei erst für das Jahr 573 im süditalienischen
Reich nachweisbar.182 Die Ernennung zum Fürsten war seit den Anjou wiederum einem
sehr exklusiven Personenkreis vorbehalten. So wurde der Titel Principe di Salerno
unter Karl I. und Karl II. von Anjou allein dem Thronerben verliehen. Dies änderte sich
mit dem nachfolgenden König Robert von Anjou, der den Titel des Duca di Calabria
für dieselbe Position einführte, was schließlich auch von den Aragonesen übernommen
wurde und eine Nobilitierung des Herzogtitels mit sich brachte.183
„Weg zur Ehre“. Zu den Einkünften und dem Erwerb von Titeln durch den König siehe Vitale, Élite,
2003, S. 37-46.
178
Dies wird auch an den zahlreichen Familienpalästen ersichtlich, die seit dem 16. Jahrhundert im
neapolitanischen Stadtraum von Feudaladligen errichtet wurden. Dazu immer noch umfassend Labrot,
Baroni in città, 1979.
179
Siehe dazu noch einmal Vitale, Élite, 2003, S. 31.
180
Siehe Vitale, Élite, 2003, Appendix I, S. 126, Nr. 5 u. 6. Zu dieser Konkurrenz zwischen den
Feudaladligen und den „gentilomini antiqui“ des Seggio-Adels siehe auch ebd., S. 117f. sowie dies., La
Nobiltà di Seggio, 1988, S. 157f.
181
Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 31, der exemplarisch die Familien Avalos und Aquino
angibt, die den Titel Marchese di Pescara in mehreren Generationen weitervererbten. Gleichzeitig hatten
sie auch lange Zeit das Amt des Großkämmerers inne. Siehe dazu ebd., S. 46. Zur Erklärung der Ämter
siehe im Folgenden.
182
Vgl. ebd., S. 32.
183
Vgl. ebd., S. 34.
40
Grit Heidemann-Schirmer
Akribisch werden von Ammirato daraufhin die sieben höchsten Ämter am Königshof
(„sette officij principali“) beschrieben, die bezeichnenderweise von den höchsten
Titeladligen ausgeübt wurden.184 Die Geschichte Neapels zeigt, dass es sich dabei um
eine bewährte Strategie des Souveräns handelte, um die mächtigsten Adligen des
Reiches an die Krone zu binden.185 Eine ähnliche „Domestizierung“ des Adels lässt sich
vergleichsweise im deutschen Sprachraum verfolgen.186
Im Laufe des 15. Jahrhunderts kam es in Neapel wiederum zu mehreren Aufständen der
Barone, die sich sowohl gegen das Königshaus der Anjou-Durazzo als auch gegen die
Aragonesen richteten und bei denen einige am Hof angestellte baruni de titulo beteiligt
waren. Als berühmtes Beispiel ist Antonello Petrucci zu nennen, der als königlicher
Sekretär – ein am Hof noch neues Amt, wie im Folgenden zu sehen sein wird – eine
enge Beziehung zum König pflegte, bei der Baronenverschwörung von 1485–1486
jedoch führend beteiligt war.187 Die Verbindung des Titeladels mit den Herrschern war
demnach, wie in anderen mittelalterlichen Adelsgesellschaften auch, ein ständiger
Aushandlungsprozess von Macht und Herrschaft.188
184
In Lionellos Beschreibung der Stadt Neapel aus dem Jahre 1444 werden diese Ämter in ihrer
hierarchischen Reihenfolge aufgeführt und deren damalige Vertreter vorgestellt, die dieser Hierarchie mit
ihren höchsten Feudaltiteln (Fürst und Herzog) folgten. So übernahm der „principo de Taranto“ das erste
Amt des „gram Conestabelle delo Reame“ (Großmarschall des Reiches), der „principe de Salierno“ das
zweithöchste Amt des „Maiestro Iusticiero de tutto lo Reame“ (Großjustitiar des gesamten Reiches),
während die verbleibenden fünf Ämter des Großseneschalls, des Großadmirals, des Großkämmerers,
Großprotonotars und des Großkanzlers von weiteren Herzögen ausgeübt wurden. Vgl. Foucard, Fonti di
storia napoletana, 1877, S. 748f. Ammirato führt ebenfalls diese Hierarchie der „sette uffici del Regno“
beispielhaft an den auch bei Lionello genannten Amtsinhabern unter Alfons von Aragon an, jedoch nennt
er den Großseneschall an letzter Stelle. Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 23, sowie die
Vorstellung der einzelnen Ämter S. 39-54. Diese hierarchische Reihenfolge der sieben Ämter bestand
auch noch im 17. Jahrhundert, wie Torellis Spielplan (Abb. 6) zeigt. Allerdings ist auch hier das Wappen
des Großseneschalls an den Anfang des weltlichen Wegs zur Ehre gerückt.
185
Ein Beispiel ist Giovanni Antonio Orsini del Balzo, der durch seine Amtsübernahme als
Großmarschall und durch seinen Titel als Fürst von Tarent („principo de Taranto“) zum mächtigsten
Titelbaron des frühen 15. Jahrhunderts avancierte. Dieser Machtposition war die Heirat seiner Mutter
Maria d’Enghien mit König Ladislaus von Anjou-Durazzo 1407 vorangegangen. Siehe dazu Galasso, Il
Regno, 1992, S. 262-264. Im vergleichenden Grablegekontext mit Galatina siehe Kap. IV.2.
186
Vgl. Auge/Spieß, Adel, 2008, S. 132. Auch Asch, Europäischer Adel, 2008, S. 225-234, greift die
Frage nach dem „Hof als Ort der Domestizierung des Adels?“ auf.
187
Nach der Verhaftung von Petrucci wurde ihm und seinen Söhnen der Prozess gemacht, der mit seiner
öffentlichen Ermordung auf dem Marktplatz endete. Dieser Fall erfuhr eine besondere Aufmerksamkeit
bei den Zeitgenossen. Siehe dazu die textlichen und bildlichen Schilderungen des zeitgenössischen
Chronisten Melchiorre Ferraiolo bei Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 16, S. 48-50, Nr. 26,
S. 58-63, Nr. 28-29, S. 64-66 sowie die Abb. XII-XV. Außerdem die Prozessakten vom 20. August bis
11. Dezember 1486 in Processo della Congiura. Zu Antonello Petrucci als königlicher Sekretär siehe
auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 224. Zu den Baronenaufständen siehe im Folgenden Kap.
II.4.
188
Auch Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 80, betont die Freiheitsbestrebungen der neapolitanischen
Barone, die sich zum Ende des 15. Jahrhunderts mit der dynastischen Krise der Aragonesen forcierten.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
41
II.3.2. Der titellose Feudaladel
Wie oben bereits erläutert, so gab es also auch unter den süditalienischen Feudaladligen
eine Binnendifferenzierung, die mit dem gesonderten Status Neapels als Sitz
wechselnder Monarchien verstärkt wurde. So betont Visceglia, dass „allein die Titel die
Hierarchie und den Rang der adligen Qualität darstellen […] [und somit] Barone von
Titelträgern separieren.“189 Demzufolge wiesen die am Ende des 15. Jahrhunderts noch
zahlreichen titellosen Feudaladligen ein Defizit auf, das sie nachhaltig zu überwinden
suchten, versprach die Titelvergabe durch den König doch gesteigertes soziales Prestige
und eine Ausweitung des Machtbereichs.
Dies gelang vielen
infolge der
gesamtgesellschaftlichen Umwälzungen, die sich im Laufe der aragonesischen
Regentschaft und darüber hinaus vollzogen.190
II.4. Die Adligen in Zeiten politischer Umbrüche und sozialen Wandels – Neapel
im 15. Jahrhundert
Das 15. Jahrhundert markiert nicht nur in Neapel eine Zeit politischer Umbrüche,
gesellschaftlicher Veränderungen und einschneidender Naturkatastrophen. Es spielten
auch weitere, das gesamte Italien und Europa betreffende Ereignisse eine Rolle.191
Während die Bewohner Neapels das Jahrhundert hindurch in die immer wieder
aufschwelenden Thronansprüche der Anjou und der Aragonesen – trotz des
Dynastienwechsels 1442 – involviert waren und das schwere Erdbeben von 1456
verkraften mussten, so waren die Auswirkungen des Abendländischen Schismas (1387–
1417) und der Fall Konstantinopels im Jahre 1453 mit der darauf folgenden
befürchteten Expansion der Osmanen überall in Italien und Europa zu spüren.192
Neapel war die einzige Monarchie auf italienischem Boden, und wenn auch die
Einschreibung in die Seggi eine der wichtigen Rechtsgrundlagen für die Stadtadligen
189
Visceglia, Identià sociali, 1998, S. 104.
Dies hat Visceglia an konkreten Zahlen herausgearbeitet. Vgl. ebd. Sie vermerkt dabei einen
sprunghaften Anstieg an Titeladligen im Laufe des 16. Jahrhunderts, der eine „titulierte Elite“ der Frühen
Neuzeit generierte.
191
Zu den „Umwälzungen“, denen „ganz Europa […] im Laufe des Späten Mittelalters“ ausgesetzt war,
siehe auch Walther, Freiheit, 2008, bes. S. 302, hier im Kontext des frühneuzeitlichen Adels.
192
Zum Großen Schisma siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 218-221. Im Zusammenhang mit dem
neapolitanischen Adel siehe auch Vitale, Nobiltà, 2000, bes. S. 367; Esch, Das Papsttum, 1972. Zur
Bedrohung durch die Osmanen und der Debatte um einen Kreuzzug siehe Bentley, Politics and Culture,
1987, S. 161-182, hier im neapolitanischen Kontext.
190
42
Grit Heidemann-Schirmer
bildete, so war der Königshof letztlich doch omnipräsent und insbesondere für soziale
Aufsteiger attraktiv.193 Schon am angiovinischen Hof wurden neben den im Gefolge des
Königs
mitgereisten
beschäftigt.
194
französischen
Aristokraten
auch
neapolitanische
Adlige
Vitale zufolge markiert die darauf folgende Epoche der Anjou-Durazzo
einen Wandel bei den Karrierechancen der städtischen Aristokratie am Hof.195 Erst die
Aragonesen bewirkten jedoch eine „Erneuerung des Staatsapparates“,196 indem zum
Beispiel das Amt des königlichen Sekretärs eingeführt wurde, das die Kommunikation
zwischen dem Herrscher und der Außenwelt fördern sollte („Augen und Ohren des
Königs“).197 Der Amtsinhaber erhielt dadurch zwar eine politische und soziale Position
von höchstem Rang, doch gab er zugleich seine individuelle Machtstellung auf, da er
ständig für den König verfügbar zu sein hatte.198
Im Gesamten betrachtet schafften es die Aragonesen, den neapolitanischen Adel an
ihren Hof zu binden, trotz der erneut auftretenden Baronenaufstände, die im Kontext des
Dynastienwechsels und der daraus resultierenden soziopolitischen Veränderungen im
Folgenden thematisiert werden.
Der Dynastienwechsel und die soziopolitischen Veränderungen
Die Herrschaft der Anjou-Durazzo begann 1390 mit der Krönung von König Ladislaus
(1377–1414), der jedoch erst neun Jahre später aus dem Gaetaner Exil nach Neapel
zurückkehrte.199 Ladislaus verstand sich als legitimer Nachfolger des angesehenen
Königs Robert von Anjou (†1343), als dessen Erbe er sich in der Residenzstadt
193
Vitale, Èlite, 2003, S. 18, macht darauf aufmerksam, dass die Komplexität des sozialen Gefüges der
neapolitanischen Adligen doch immer in einem politischen Raum stattfand, in dem der König die einzige
legitime Autorität darstellte. Allgemein zur Nobilitas-Debatte im Italien des 15. Jahrhunderts siehe Jorde,
Cristoforo Landinos, 1995; Schreiner, Legitimation, 1997, S. 383-387.
194
Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 20f. Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 307, verweist auf den
offensichtlichen Wandel im 14. Jahrhundert: „I gruppi familiari – prima compatti e uniti da solidarietà di
tipo clanico – occupano ora uffici della più varia natura e importanza nel quadro dell’amministrazione del
Regno, svolgendo un ruolo politico [...].”
195
Vgl. Vitale, Èlite, 2003, S. 61. Außerdem dies., Nobiltà, 2000.
196
Ebd., S. 21. Siehe dazu auch Galasso, Il Regno, 1992, S. 731-760; Ryder, The Kingdom of Naples,
1976, bes. Kap. IV-VII. Im Kontext des Alten Reiches spricht auch Rösener, Der mittelalterliche
Fürstenhof, 2007, S. 27, von einer „Entwicklung von der Hof- zur Reichsverwaltung“.
197
Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 22. Zum Amt des Sekretärs am Hofe Alfons’ I. von Aragon siehe
Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, Kap. VII.
198
Auf dieses Problem verweist Vitale, Èlite, 2003, S. 22f.
199
Zu Ladislaus von Anjou-Durazzo siehe vor allem Galasso, Il Regno, 1992, S. 242-281; Cutolo, Re
Ladislao, 1968; Summonte, Dell’ Historia (III), Buch 5, Kap. II. Zu seiner Person im Grablegekontext
siehe unten Kap. III.1.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
43
proklamierte.200 Seine kurze Regierungszeit, die durch den Tod am 6. August 1414
endete, war von zahlreichen Eroberungsfeldzügen geprägt, die das süditalienische
Königreich nach außen konsolidieren sollten. Innenpolitisch musste sich der junge
König seit seinem Einzug in die Stadt mit dem rebellierenden Feudaladel
auseinandersetzen, dessen Auflehnungen er jedoch durch diplomatisches Geschick und
militärischen Einsatz niederschlagen konnte.201 Demgegenüber waren ihm die Loyalität
und Unterstützung der Stadtadligen, insbesondere aus den noch jungen Seggi di Porto
und Portanova, sicher.
Als Ladislaus ohne Erben im Jahr 1414 gestorben war, übernahm seine Schwester
Johanna II. von Anjou-Durazzo (1371–1435) den Königsthron.202 Sie wird als schwache
Regentin beschrieben,203 da es während ihrer Herrschaft zum Niedergang der Dynastie
in Neapel kam. Dass die Regierungszeit von Johanna als krisenhaft wahrgenommen
wurde, spiegelt sich auch in der Überlieferung einiger Ereignisse wider, die in der
historischen Geschichtsschreibung zu Neapel einen festen Platz eingenommen haben.
So wurde zum einen der von Johanna mit nahezu königlichen Privilegien ausgestattete
Stadtadlige Sergianni Caracciolo del Sole von anderen neapolitanischen Adligen 1432
ermordet, die seine singuläre Machtposition am Königshof nicht dulden wollten.204 Zum
anderen hatte die Königin ebenso wie ihr Bruder keine Nachfahren, wodurch die
Thronnachfolge vakant blieb. Daher sah sich Johanna dazu veranlasst, einen loyalen
Erben zu adoptieren.205 Am 6. September 1420 ernannte sie Alfons V. von Aragon zu
ihrem Nachfolger, von dem sie sich zugleich politischen Beistand erhoffte.206 Nach der
Ernennung zog Alfons in die ihm zugesprochene Residenzstadt triumphierend ein und
veranstaltete 1423 ein Fest, das ihn als würdigen Thronnachfolger der neapolitanischen
200
Siehe dazu auch Kap. III.1. Zu den Durazzo vom Ende des 14. Jahrhunderts bis zum Tod Johannas II.
von Anjou-Durazzo im Jahre 1435 außerdem Garzilli, Cronica, 1845, S. 65-79.
201
Siehe dazu Galasso, Il Regno, 1992, S. 259-264.
202
Es kam aber erst am 29. Oktober 1419 zur offiziellen Krönung von Johanna durch Papst Martin V.
Vgl. Fodale, Johanna II., 1991, Sp. 525. Ausführlich zu Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo siehe
Galasso, Il Regno, 1992, S. 281-307; Faraglia, Storia, 1904; Garzilli, Cronica, 1845, S. 69-79; Summonte,
Dell’ Historia (III), Buch 5, Kap. III.
203
Siehe Fodale, Johanna II., 1991, Sp. 525f. Sowohl Galasso, Il Regno, S. 302, als auch Cutolo, Re
Ladislao, 1968, S. 459, sprechen Johanna jegliche Fähigkeit der Machtausübung im Regnum ab. Auch
Bentley weist darauf hin, dass ihre Herrschaftsjahre eine instabile Zeit markierten. Vgl. Bentley, Politics
and Culture, 1987, S. 9.
204
In den Quellen wird Sergianni als Liebhaber der Königin bezeichnet, wodurch sich ihre Zuneigung zu
ihm und die damit verbundenen Machtzugeständnisse erklären lassen. Zu seiner Person siehe Kap. III.2.
205
Siehe dazu di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 72; Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 84; Garzilli,
Cronica, 1845, S. 70-73.
206
Dieses Datum gibt Garzilli, Cronica, 1845, S. 70. Galasso, Il Regno, 1992, S. 297, wiederum führt den
Folgetag, also den 07. September 1420 an. So auch Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990, S. 82.
Beyer, Parthenope, 2000, S. 19, nennt dagegen das Jahr 1421, jedoch ohne einen Hinweis auf die Quelle.
Auch Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 9, nennt den Juli 1421.
44
Grit Heidemann-Schirmer
Gesellschaft empfehlen sollte.207 Doch es kam schon bald zu Streitigkeiten mit der
Königin, woraufhin Alfons wenig später enterbt wurde und Johanna nun ihren
französischen Cousin Ludwig III. von Anjou zum Nachfolger ernannte.208 Dieser erhielt
zwar von namhaften Feudaladligen des Reiches Unterstützung, doch sein Tod im Jahr
1434 machte die Thronnachfolge erneut unsicher.209
Nach dem Tod Johannas II. von Anjou-Durazzo am 2. Februar 1435 kam es zwischen
den Anjou-Erben und Alfons zu erbitterten Machtkämpfen um die Krone.
Währenddessen führte der Bruder des verstorbenen Ludwig, René von Anjou, die
Regierungsgeschäfte in Neapel weiter, die jedoch von der politischen Instabilität des
Reiches geprägt waren.210 Nach mehreren Jahren des Krieges ging Alfons von Aragon
(1396–1458) schließlich am 2. Juni 1442 als Sieger hervor und besiegelte damit den
lange umkämpften Dynastienwechsel in Neapel.211
Mit der Machtübernahme des Katalanen kam es zu gravierenden Umwälzungen in der
süditalienischen Residenzstadt, die nicht nur die politische Zusammensetzung betrafen,
sondern auch die am Hofe betriebene Kulturpatronage.212 Untrennbar verbunden mit
König Alfons von Aragon war seine Förderung namhafter Gelehrter, die Neapel zu
einem der wichtigsten humanistischen Zentren in Europa etablierten.213 Sie waren es
auch, die zum Ende des 15. Jahrhunderts ein neues Adelsverständnis etablierten, das aus
der Kritik am ungebildeten und untätigen alten Adel resultierte.214 Alfons wurde den
207
Siehe dazu Maxwell, Uno elefante, 1992, S. 853. Außerdem Heidemann, Prozessionen, 2012.
Siehe Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 11. Außerdem Galasso, Il Regno, 1992, S. 297-300, der
den 1. Juli 1423 als Datum der Adoptionsaufhebung von Alfons nennt sowie die Übertragung auf Ludwig
am 14. September desselben Jahres. Auch Beyer nennt das Jahr 1423, jedoch erneut ohne
Quellenverweis. Vgl. Beyer, Parthenope, 2000, S. 19f. Notar Giacomo gibt dagegen den 21. Oktober
1424 an. Vgl. Garzilli, Cronica, 1845, S. 72f.
209
Ludwig III. von Anjou war u.a. von den Häusern Ruffo (besonders die „Duchessa di Sessa“, Covella
Ruffo, spielte eine wichtige Rolle), Caracciolo (hier ist Ottino Caracciolo zu nennen) und Sanseverino
sowie vor allem von Francesco Sforza unterstützt worden. Siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 298-307.
210
Siehe Garzilli, Cronica, 1845, S. 79-86; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 11-13; Summonte,
Dell’ Historia (III), Buch 5, Kap. IV.
211
Siehe dazu vor allem Galasso, Il Regno, 1992, S. 561-587; Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990,
Kap. 6; Garzilli, Cronica, 1845, S. 86f.
212
Siehe Vitale, Èlite, 2003, S. 21.
213
Die fünf großen Humanisten am neapolitanischen Hof waren Antonio Beccadelli, gen. Il Panormita,
Lorenzo Valla, Bartolomeo Facio, Giannozzo Manetti und Giovanni Pontano. Siehe dazu vor allem
Bentley, Politics and Culture, 1987, bes. Kap. III. Zur Etablierung des Humanismus unter Alfons von
Aragon außerdem Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 65f.; Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990, bes.
Kap. 8. Zum Einfluss auf die Grabmalskunst in Neapel siehe Kap. V.
214
Dazu allgemein in den spätmittelalterlichen Adelsgesellschaften siehe Schreiner, Religiöse, historische
und rechtliche Legitimation, 1997, bes. S. 378 u. 383-387; Asch, Europäischer Adel, 2008, bes. S. 132ff.;
Walther, Freiheit, 2008, S. 312f. Außerdem Jorde, Cristoforo Landinos, 1995. Im neapolitanischen
Kontext siehe auch die Streitschriften zwischen Giovanni Pontano und Tristano Caracciolo. Dazu siehe
vor allem Vitale, Modelli culturali, 1987.
208
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
45
Zeitgenossen als großmütiger Herrscher vermittelt, was sich offenkundig in seinem
Beinamen „Il Magnanimo“ widerspiegelt.215 Seine Regierungszeit markierte eine
Konsolidierung der Machtverhältnisse in Neapel, die ihren materiellen Ausdruck in der
Erneuerung des Stadtbefestigungssystems finden sollte. Zudem ließ der König einen
Triumphbogen in Auftrag geben, der seinen Herrschaft legitimierenden Triumphzug
vom 6. Februar 1443 auf Dauer vergegenwärtigte und dabei dem von den besiegten
Anjou errichteten Castel Nuovo vorgelagert war.216 Mit der Herrschaftsübernahme der
Aragonesen in Neapel kam es auch zu einem Zuzug spanischer wie katalanischer
Adliger und Kaufleute in das süditalienische Königreich, wo sie unter dem Protektorat
der neuen Dynastie bedeutende Machtstellungen erwarben.217
Im Dezember des Jahres 1456 wurde die Stadt von einem ungewöhnlich starken
Erdbeben erschüttert.218 Zeitgenössischen Berichten zufolge war ein Großteil der
städtischen Bebauung betroffen.219 In der Phase des Interregnums von René von Anjou
(1435–1442) und aufgrund der Naturkatastrophe von 1456 sowie des wenig später
folgenden Todes des neuen Königs im Jahre 1458 war das Leben der Neapolitaner
soweit beeinträchtigt, dass diese Jahre als Krisenzeiten empfunden werden mussten.
Doch sie eröffneten in der Folge auch Innovationen, was sich deutlich in der
Umgestaltung des Stadtbildes widerspiegelt.
Nach dem Tod von Alfons am 27. Juni 1458 folgte sein Sohn Ferdinand I., gen.
Ferrante von Aragon (1424–1494) auf den Thron.220 Seine Regierungszeit umfasst die
215
Siehe ausführlich Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990. Zu Alfons von Aragon außerdem Reimann,
Neapel, 2005, S. 31-36; Galasso, Il Regno, 1992, S. 561-624; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6,
Kap. 1.
216
Planungsbeginn des Triumphbogens war um 1450, Bauende erst 1471 nach Verzögerungen durch den
Tod von Alfons im Jahre 1458. Ausführlich zum Triumphbogen siehe Beyer, Parthenope, 2000, S. 13-61;
Bologna, Un passo, 1994; Kruft/Malmanger, Der Triumphbogen, 1977; Hersey, The Aragonese Arch,
1973. Zum Triumphzug im Kontext des neapolitanischen Seggi-Systems siehe zuletzt Heidemann,
Prozessionen, 2012.
217
Siehe dazu noch einmal Cantabene, La committenza, 2007, S. 135. Auch di Mauro/Vitolo, Breve
storia, 2006, S. 75, sprechen von einer „eccezionale élite internazionale“, die sich unter Alfons von
Aragon in Neapel formierte und denen sich katalanische sowie florentinische Händler anschlossen. Laut
Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 55f., gehörten 1444 ausnahmslos Spanier zum engen
Vertrautenkreis von Alfons, an seinem Sterbebett dominierten sie weiterhin, „only three Italians among
ten, and only one of them belonging to the native Neapolitan nobility.“
218
Siehe Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 82f.; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 1, S. 246,
der den 5. Dezember nennt und ein weiteres Erdbeben am 30. Dezember 1456 anführt.
219
Vgl. Garzilli, Cronica, 1845, S. 97; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 1, S. 246-251.
220
Ferrante wurde erst am 4. Februar 1459 gekrönt, und zwar in Barletta aufgrund der instabilen Lage in
Neapel. Siehe Vitale, Ritualità monarchica, 2006, S. 18 u. 69; Garzilli, Cronica, 1845, S. 102. Allgemein
zu seiner Regierungszeit in Neapel und zu seiner Person siehe Reimann, Neapel, 2005, S. 37-52; Bentley,
Politics and Culture, 1987, S. 21-34; Galasso, Il Regno, 1992, S. 625-729; D’Agostino, La Capitale
46
Grit Heidemann-Schirmer
längste Herrschaftsphase unter den Aragonesen in Neapel, die bis zu seinem Tod im
Jahre 1494 andauerte. Sie war jedoch von erneuten Unruhen überschattet, die vor allem
aus dem Machtanspruch der Barone und ihrer Unterstützung der angiovinischen
Thronanwärter resultierten, welche sich erstmals 1459–1465, dann erneut 1485–1486
gegen den König auflehnten.221 Maßgeblich dafür war Ferrantes Status als illegitimer
Sohn von Alfons, der von den Zeitgenossen kritisch hervorgehoben wurde.222
Eine Zuspitzung der Lage spiegelt sich im Anschlag auf den Throninhaber im Frühjahr
1460 wider.223 Dementsprechend betont Beyer die historiografische Wahrnehmung von
Ferrante als „Tyrann“ mit „barbarisch anmutenden Vergnügungen“, die im eklatanten
Gegensatz zur „Magnanimitas seines Vaters“ standen.224 Zudem musste sich der König
kurz
nach
seiner
Machtübernahme
gegen
die
neu
aufbrechenden
Throneroberungsversuche der Angiovinen behaupten, die in der siegreichen Schlacht
vor Ischia 1465 vorerst ein Ende fanden.225 Dazu erhielt er militärischen Beistand von
mehreren Adligen sowohl aus Neapel als auch aus der spanischen Heimat.
Bezeichnenderweise sind ihre Wappen an den Schiffen im Vordergrund der „Tavola
Strozzi“ (Abb. 7) zu erkennen, deren Thema die siegreiche Rückkehr der königlichen
Flotte ist.226
Schon wenige Jahre nach Ausbruch der Unruhen wurde Ferrante auch von auswärtigen
einflussreichen Adligen unterstützt, unter denen vor allem Antonio Piccolomini aus
ambigua, 1979, S. 19-56; Summonte, Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 2; Beyer, Parthenope, 2000,
S. 80-83.
221
Siehe dazu Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 199f.; Galasso, Napoli capitale, 1998, S. 80f.; Ders.,
Il Regno, 1992, S. 690-714; Garzilli, Cronica, 1845, S. 157-160; Bentley, Politics and Culture, 1987,
S. 23-26 u. 30-33; D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 29-33 u. 47-52. Außerdem die
Prozessakten von 1486 in Processo della Congiura; Porzio, Die Verschwörung der Barone, 1925. Selbst
die zuvor initiierte Heiratspolitik konnte den Ausbruch der Unruhen nicht verhindern. So hatte im Mai
1445 „die Hochzeit zwischen Ferrante und Isabella Chiaromonte statt[gefunden] – der Nichte des damals
mächtigsten aller neapolitanischen Barone, des Giovanni Antonio Orsini del Balzo, Prinz [genauer
gesagt: Fürst, Anm.d.V.] von Tarent.“ Vgl. Beyer, Parthenope, 2000, S. 82.
222
Siehe Garzilli, Cronica, 1845, S. 99: „ferdinando suo figlio unico illegitimo“. Siehe dazu auch Beyer,
Parthenope, 2000, S. 81.
223
Siehe D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 29.
224
Beyer, Parthenope, 2000, S. 81f. Auch der zeitgenössische Historiker Francesco Guicciardini stellte
Ferrante von Aragon als grausamen Herrscher dar. Siehe De Frede, La crisi del Regno, 2006, S. 8.
225
Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, S. 83. Die wichtigste bildliche Quelle dazu ist die sog. „Tavola
Strozzi“ (Abb. 7), die die Rückkehr der siegreichen Flotte Ferrantes vor der Neapler Stadtkulisse zeigt.
Siehe dazu ausführlich Janulardo, La città e la cattedrale, 2013, S. 219f.; Vencato, Gittare li porticali,
2009, S. 204-210; Pane, La Tavola Strozzi, 2009; Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 106-108. Zum
konfliktreichen Machtantritt Ferrantes und dem Kampf um die Krone während der ersten fünf
Regierungsjahre außerdem Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 23.
226
Pane, La Tavola Strozzi, 2009, S. 128, hat diese mit den Emblemen des Roberto Sanseverino, des
Garcelano Requesens, des Marino Caracciolo, des Francesco Alamanni, des Sancio Samudio sowie mit
weiteren Familienemblemen der Strozzi und Carafa identifiziert.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
47
Siena sowie Giorgio Castriota Scanderbeg aus Albanien zu nennen sind, auf die im
Kapitel V noch zurückzukommen sein wird.227
In der langen Phase seiner Herrschaft führte Ferrante von Aragon nicht nur die „von
seinem Vater initiierte Humanisierung Neapels“228 weiter, zu der auch die
freundschaftlichen Beziehungen mit Lorenzo de’ Medici beitrugen.229 Er baute auch das
von
Alfons
begonnene
städtische
Erneuerungsprogramm
aufgrund
des
Bevölkerungswachstums aus, indem er die Stadtmauern in den 1480er Jahren erweitern
ließ.230 Im Rahmen dieser Renovatio urbis war zugleich der „Abriss der zahlreichen
städtischen Portikusanlagen“ geplant, der zur „Domestizierung des [Feudal-]Adels“
nach den Aufständen gegen den König beitragen sollte.231 Während es sich bei den
Unruhen in den 1460er Jahren noch um vereinzelte Auflehnungen handelte, so erfuhr
die Baronenverschwörung von 1485–1486 eine weitaus größere Aufmerksamkeit und
wurde schließlich von Ferrante durch einen Aufsehen erregenden Prozess gegen die
Beteiligten öffentlichkeitswirksam beendet.232 Nach wenigen Jahren des Friedens
verhinderte jedoch der sich in Richtung Neapel bewegende Italienfeldzug des
französischen Königs Karl VIII. die Realisierung des Urbanisierungsprojekts, das erst
ab 1533 von dem spanischen Vizekönig Don Pedro de Toledo vollendet werden
konnte.233
Die aragonesische Dynastie wurde am Ende des 15. Jahrhunderts durch die kurze
Abfolge ihrer Thronerben und durch den Druck von außen maßgeblich geschwächt.234
Nach dem Tod Ferrantes am 25. Januar 1494 übernahm zwar sein Sohn Alfons II. von
227
Siehe dazu D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 30-32. Zu den Castriota Scanderbeg, die schon
von Alfons unterstützt worden waren, siehe auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 267 u. 274.
228
Beyer, Parthenope, 2000, S. 83. Dazu auch Galasso, Il Regno, 1992, S. 760-775.
229
Siehe dazu noch einmal De Frede, La crisi del Regno, 2006, S. 19-21. Zu Lorenzos Aufenthalt in
Neapel 1479 siehe ebd., S. 167-187; Galasso, Il Regno, 1992, S. 677-679.
230
Während im Jahre 1400 in Neapel 45.000 Einwohner lebten, war ihre Zahl im Jahre 1500 auf 125.000
angestiegen. Siehe di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 87. Die zweite Erweiterung der
Stadtummauerung erfolgte zwischen 1499-1501.
231
Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 200. Auslöser dieser Maßnahme war der Besuch Ferrantes bei
Papst Sixtus IV. Anfang 1475 in Rom, der dem König nach dessen Schilderung der schwierigen
Herrschaftsumstände in Neapel empfahl, „die Balkone und Portiken einreißen und die Straßen erweitern
[zu] lassen“. Vgl. ebd., S. 201. An späterer Stelle differenziert Vencato die betreffenden Adelsportiken
Neapels. So „blieben die fest in der Stadt verankerten Adelssitze der sogenannten Nobili di Seggio von
der Abrissmaßnahme verschont. […] Die bekannten fünf Sedilen der regierungstreuen Stadtaristokratie
blieben deshalb im Stadtbild bestehen.“ Vgl. ebd., S. 202f.
232
Siehe dazu noch einmal oben.
233
Siehe Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 201 u. S. 196-198. Außerdem: „Cities opened their gates to
Charles, barons deserted the Aragonese monarchy, and the city of Naples itself fell into chaos.“ Vgl.
Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 36. Zum Italienfeldzug der Franzosen unter Karl VIII. siehe auch
D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 56-70.
234
So auch di Mauro/Vitolo, Breve storia, 2006, S. 78f. Zum Niedergang der Aragonesen am Ende des
15. Jahrhunderts außerdem De Frede, La crisi del Regno, 2006; D’Agostino, 1979, S. 56-90.
48
Grit Heidemann-Schirmer
Aragon (1448–1495) offiziell die Herrschaft über das Regnum,235 dankte jedoch wenig
später, am 22. Januar 1495, ab und starb noch im selben Jahr.236 Der Grund seiner
kurzen Regierungszeit war die bevorstehende Invasion von Karl VIII., die Alfons „in
Panik“237 verfallen und ihn nach Sizilien flüchten ließ, wo er wenig später einer
Infektion erlag. Seinem Sohn Ferrante II., genannt Ferrandino von Aragon (1467–1496)
oblag nun die Weiterführung der Herrschaft.238 Doch nach der Einnahme von Neapel
durch Karl VIII. am 22. Februar 1495 flüchtete auch dieser aus der Stadt nach Ischia,
wo er bis zum Abzug der französischen Truppen blieb.239 Erst am 7. Juli kehrte der
junge König nach Neapel zurück, wo er im Oktober des Folgejahres starb und der
Königssitz erneut vakant war. Im August 1497 wurde mangels direkter Erben
Ferrandinos Onkel Friedrich von Aragon (1451–1504) zum neuen Herrscher gekrönt,
der jedoch die Macht nicht mehr lange aufrechterhalten konnte.240
Weniger als ein Jahrzehnt hielt die aragonesische Dynastie den von Frankreich und
Spanien ausgehenden Auflehnungen gegen ihre Herrschaft noch stand. Durch die
Eroberung Consalvo de Cordobas im Namen des spanischen Königs Ferdinand der
Katholische kam es schließlich 1503 zu einem erneuten Machtwechsel in Neapel, der
235
Alfons II. hatte schon die Jahre zuvor unter dem kalabrischen Herzogtitel, der den aragonesischen
Thronfolgern vor ihrer Krönung vorbehalten war, einen großen Einfluss auf die Geschehnisse innerhalb
des süditalienischen Reiches. Laut Porzio, Die Verschwörung der Barone, 1925, S. 10, „führte noch zu
seinen [gemeint ist Ferrante, Anm.d.V.] Lebzeiten sein Erstgeborener Alfonso, Herzog von Calabrien,
[…] fast ganz allein die Regierung.“ Siehe dazu auch Garzilli, Cronica, 1845, S. 134-179. Alfons wurde
am 1. Mai 1494 offiziell gekrönt. Siehe ebd., S. 181. Zur Machtübernahme von Alfons II. unmittelbar
nach dem Tod seines Vaters siehe auch die Schilderungen Ferraiolos in Filangieri, Una cronaca, 1956, Nr.
46, S. 82f. Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 35, nennt dagegen den 8. Mai 1494. Ausführlich zur
Krönung von Alfons II. siehe Vitale, Ritualità monarchica, 2006, Kap. I.1. Außerdem zu seiner Person
siehe Reimann, Neapel, 2005, S. 53-58; Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, Kap. 1.
236
Garzilli, Cronica, 1845, S. 185 u. 199, nennt den 18. Dezember, Bentley, Politics and Culture, 1987,
S. 36, dagegen den November 1495 als Todesdatum von Alfons II.
237
Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 36.
238
Alfons hatte ihm am 23. Januar 1495 vor seiner Flucht die Krone übergeben in der Hoffnung, dass sein
weitaus beliebterer Sohn die Herrschaft aufrechterhalten könne. Siehe Bentley, Politics and Culture,
1987, S. 36; De Frede, La crisi del Regno, 2006, S. 296. Zu Ferrandino außerdem Reimann, Neapel,
2005, S. 59f.; Garzilli, Cronica, 1845, S. 185-209; Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, Kap. 2.
239
Siehe dazu die Schilderungen des Zeitgenossen Ferraiolo bei Filangieri, Una cronaca, 1956, Nr. 75 u.
Abb. XLI.
240
Siehe Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 178; D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 76f.
Friedrich starb schließlich am 21. August 1504, nachdem die Spanier Neapel als Vizekönigtum
übernommen hatten und er nach Frankreich gebracht worden war. Siehe Garzilli, Cronica, 1845, S. 273;
Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 39. Zu seiner Person außerdem Reimann, Neapel, 2005, S. 61-64;
Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, Kap. 3.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
49
das spanische Vizekönigtum in der süditalienischen Hauptstadt hervorbrachte, das sich
bis 1707 behaupten konnte.241
Die Dynastienwechsel markierten politisch instabile Zeiten, die zur Identifizierung des
neapolitanischen Adels mit der eigenen Stadt ebenso wie zu einer verstärkten Auslotung
ihrer Machtverhältnisse führten.242 Dies betraf vor allem das späte 14. und das gesamte
15. Jahrhundert durch die Thronfolgestreitigkeiten von den Anjou über die Durazzo zu
den Aragonesen. Waren zuvor noch die Ämter am angiovinischen Königshof sowie
später vor allem am aragonesischen Hof ein Garant für sozialen Aufstieg und Macht, so
besannen sich mit dem Verfall und neu ausbrechenden Kampf um die Königsherrschaft
viele neapolitanische Adlige ihrer familiären Zugehörigkeiten, die ihnen Rückhalt gaben
und es Einzelnen ermöglichten, ihre soziale Stellung individuell zu erweitern.243
Während unter den Anjou-Durazzo die Gruppen noch weitaus deutlicher voneinander
getrennt waren und sich somit erst im Entstehungsprozess befanden, so kam es in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einer gruppendynamischen Konsolidierung, die
einen Machtanstieg des Stadtadels begünstigte, indem sich immer mehr auswärtige und
feudale Adlige in die Seggi einschrieben.244 Gleichermaßen stand nun allen
Adelsgruppen eine Förderung am aragonesischen Königshof offen, die zugleich
distinktionsrelevante Einzelinteressen stärkte.245 Doch war dies mit dem Erfolg der
jeweiligen Dynastie verbunden. Wenn die Herrschaft der Krone instabil wurde, dann
waren auch der soziale Aufstieg und die Macht der am Hof tätigen Adligen vakant, wie
Vitale für das späte 14. und das frühe 15. Jahrhundert herausgestellt hat, als die Anjou
241
Zur Eroberung siehe u.a. D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, bes. S. 109-125. Allgemein zum
frühneuzeitlichen Neapel siehe zuletzt der Sammelband Astarita, A Companion to Early Modern Naples,
2013.
242
Auch Vitale weist darauf hin, dass „jede Veränderung […], jede politische Krise ihre Auswirkung auf
die sozialen Ordnungen der Stadt hatte [...].“ Vgl. Vitale, Èlite, 2003, 27. An anderer Stelle lässt sie den
Zeitgenossen Di Costanzo zu Wort kommen, der die Unsicherheit der neapolitanischen Stadtadligen nach
dem Tod von König Ladislaus von Anjou-Durazzo wiedergibt. Vgl. ebd., S. 60f. Außerdem: „Macht ist
umkämpft und Machtkämpfe sind ein Teil ‚des schon immer stattfindenden Aushandelns von
Normalität’.“ Vgl. Kühne, Distinktion, 2008, S. 61f. Zudem betont Beyer die autonome „Entwicklung der
einzelnen Seggi“, denen der Hof entgegenstand. Vgl. Beyer, Parthenope, 2000, S. 25.
243
Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 27. Visceglia betont die Überlegenheit der Familie gegenüber dem
Individuum bei der Dekodierung aristokratischer Verhaltensweisen. Vgl. Visceglia, Corpo e sepoltura,
1982, S. 584. Im Kontext des europäischen Adels siehe auch Demel, Spezifika, 2005, Abs. 8. Ein Beispiel
für die Verfolgung von Einzelinteressen ist Matteo Ferrillo aus dem Seggio di Porto, der zwar den
Aragonesen treu ergeben war, doch in Zeiten der dynastischen Krise zum Gefolge des französischen
Königs Karl VIII. überwechselte. Siehe dazu Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 51, S. 93. Zu
Matteo Ferrillo siehe auch Kap. V.1.1.
244
Allgemein ist im europäischen Adel des 15. Jahrhunderts eine Distanzierung des Stadtadels vom
Feudaladel zu beobachten. Darauf verweist Paravicini, Einleitung, 1997, S. 24. Zu den verschiedenen
Phasen von Gruppenentwicklungen im Allgemeinen siehe König/Schattenhofer, Einführung, 2015, S. 60f.
245
Siehe Vitale, Élite, 2003, S. 31. Sie umschreibt diesen Prozess mit dem Begriff des „anoblissement“,
der die Verfügbarkeit weitaus komplexerer Aufstiegschancen für die gesamte in Neapel anzutreffende
Aristokratie verdeutlicht. Vgl. ebd., S. 27 u. 49; dies., Nobiltà, 2000, S. 378.
50
Grit Heidemann-Schirmer
mit dem Familienzweig der Durazzo ihren dynastischen Niedergang in Neapel
erlebten.246
Insbesondere die „Lager“ der einflussreichen Feudaladligen erfuhren am Ende des
15. Jahrhunderts eine verstärkte Aufmerksamkeit von auswärtigen Zeitgenossen. So
führt D’Agostino venezianische Quellen an, die die neapolitanischen Titeladligen in
„aragonesi“
und
„anzuini“
unterschieden.247
Zum
ersten
Lager
gehörten
bezeichnenderweise viele auswärtige Adlige, die mit feudalen Titeln und Gütern von
den Aragonesen belohnt worden waren (unter anderem Antonio Piccolomini, Marino
Correale, Francesco Siscar, Troiano Cavaniglia), während im zweiten Lager fast
ausnahmslos neapolitanische Altadlige auftraten, deren Familien schon unter den Anjou
zu Einfluss und Reichtum gelangt waren (dazu gehörten mehrere Sanseverino, Giovan
Francesco del Balzo, Marino Brancaccio, einige Caracciolo und Galeota).
Die aus den königlichen Reformen resultierenden Ereignisse, wie die erhöhte
Attraktivität der neapolitanischen Bürgerschaft für den Feudaladel und die zunehmende
Immigration auswärtiger Adliger nach Neapel, bewirkten eine Krise unter der Maggiore
Nobiltà.248 Die Seggi Minori wiesen dagegen weitaus dynamischere Strukturen auf,
wodurch sie die gesellschaftlichen Veränderungen am Ende des 15. Jahrhunderts nicht
nur besser verkrafteten, sondern auch mitbestimmten.249
Für die Spätzeit der Aragonesen lässt sich in Neapel demzufolge ein Wandel im
Selbstverständnis des neapolitanischen Adels erkennen, der aus dem dynastischen
Niedergang und dem Druck auf die Seggi von außen resultierte und sich auch auf die
rituellen Praktiken der städtischen Gemeinde auswirkte. Beispielhaft seien hierzu die
Fronleichnamsprozessionen angeführt: So wird in den Quellen berichtet, dass König
Ferrandino von Aragon bei der Prozession am 17. Juni 1496 einen der Stäbe des
Baldachins an den Seggio del Popolo übergab.250 Dabei handelt es sich um jene
bürgerliche Korporation, die sich in Konkurrenz zu den adligen Seggi einst unter Robert
von Anjou formiert hatte, deren Versammlungsbau jedoch öffentlichkeitswirksam unter
246
Vgl. Vitale, Èlite, 2003, S. 27.
D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 71f.
248
Vitale, Élite, 2003, S. 31, spricht hierbei von einer „crisi economica, ma anche politica e d’identità
culturale“. So auch D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 79.
249
Es sei noch einmal auf die Aufnahme von Neuadligen und auswärtigen Adligen in diese drei Seggi
verwiesen, die sich damit dem sozialen Wandel im Laufe des 15. Jahrhunderts stellten.
250
Summonte nennt dagegen den 2. Juni 1496. Vgl. Summonte, Dell’ Historia (V), Buch 7, S. 108. So
auch bei D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 72. Passero überliefert das Datum 17. Juni 1496.
Zitiert nach Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 177, Anm. 14.
247
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
51
Alfons von Aragon 1456 abgerissen und schließlich 1495 von Karl VIII. wiedererrichtet
worden war.251 Demgegenüber war keiner der neapolitanischen Adligen als Träger
ausgewählt, sondern nur Mitglieder der königlichen Familie, der Bischof und ein
spanischer sowie ein päpstlicher Gesandter trugen die verbleibenden fünf Stäbe.252
Summonte berichtet, dass die neapolitanischen Adligen darüber sehr verärgert gewesen
seien und verlangten, fünf der Stäbe des Baldachins zur Repräsentation ihrer fünf
Adelssitze in Neapel tragen zu dürfen. Es kam zum Streit zwischen den Adligen und
Ferrandino, der erst 1499 beigelegt werden konnte.253 Die Anzahl der Stäbe des
Baldachins wurde nun von sechs auf acht erhöht, wobei fünf Stäbe von je einem
Vertreter der adligen Seggi, ein Stab von einem Vertreter des Seggio del Popolo und die
verbleibenden zwei Stäbe vom König und seinem Nachfolger getragen wurden.254
Während zuvor noch die außenpolitischen Beziehungen des Königs in Neapel durch die
Involvierung auswärtiger Gesandter für das Tragen des Baldachins als die höchste Ehre
im Rahmen der Fronleichnamsprozessionen repräsentiert wurden,255 war nun die
Gruppe der Träger auf die lokalen Eliten beschränkt.
Der politische Einfluss des Stadtadels auf die Prozessionen ist mit dem dynastischen
Niedergang der Aragonesen in Neapel am Ende des 15. Jahrhunderts zu erklären, denn
erst
durch
eine
geschwächte
Repräsentationsbestrebungen
Dynastie
geltend
konnten
machen.
Mit
die
der
Aristokraten
ihre
Aneignung
der
Aufnahmeregelung in die Seggi durch den spanischen König Philipp II. wurde 1559
schließlich die autonome Machtstellung des Seggio-Adels in Neapel gebrochen.256
Nach dieser Einführung in den sozialhistorischen Kontext werden in den drei folgenden
Kapiteln ausgewählte Studienobjekte entsprechend den Gruppenzugehörigkeiten ihrer
Auftraggeber auf deren Repräsentationsstrategien untersucht. Zunächst wird an dem
Fallbeispiel der Kirche San Giovanni a Carbonara (Kapitel III) die Konfrontation
konkurrierender Gruppenmitglieder im Beziehungsgeflecht der neapolitanischen
251
Siehe dazu Castelguidone, I Sedili di Napoli, 1973, S. 89-96; Tutini, Del origine, 1644, S. 169-183.
Zur Unterdrückung des Seggio del Popolo durch Alfons von Aragon und zur Abreißung des zugehörigen
Versammlungsgebäudes im Jahre 1456 siehe Beyer, Parthenope, 2000, S. 26-28. Dazu und zur
Wiedererrichtung 1495 siehe auch Marino, Becoming Neapolitan, 2011, S. 13. Zuletzt außerdem
Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale, 2014, bes. S. 160f. u. 164.
252
„[...] li Nobili delli cinque Seggi non ebbero parte alcuna in esso Pallio [...].“ Vgl. Summonte, Dell’
Historia (V), Buch 7, S. 108.
253
Vgl. ebd.
254
Vgl. ebd., S. 109.
255
So Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 177.
256
Siehe dazu Vitale, Èlite, 2003, S. 111-116; dies., La Nobiltà di Seggio, 1988, S. 151f.
52
Grit Heidemann-Schirmer
Gesellschaft des frühen 15. Jahrhunderts und deren gesteigertes Bedürfnis nach
Selbstinszenierung
diskutiert.
Anschließend
folgt
eine
komparatistische
Gegenüberstellung der Grablegepraxis von altem und neuem beziehungsweise
immigriertem Adel. In Kapitel IV wird dazu der Fokus auf die Maggiore Nobiltà und
ihre soziale Vorrangstellung gelegt, die sich signifikant in ihren Grabmälern in Neapel
niederschlug. Das Kapitel V nimmt schließlich die Nobili fuori Piazza und deren
zunehmende Einflussnahme auf die adlige Grablegepraxis am Ende des Quattrocento in
den Blick.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
53
III. DIE KONFRONTATION DER GRUPPEN:
SAN GIOVANNI A CARBONARA ALS AUSTRAGUNGSORT
POLITISCHER RIVALITÄTEN
In diesem Kapitel soll der Frage nachgegangen werden, wie es sich mit der Standortund Formwahl bei den Adelsgrabmälern in Zeiten von Krisen und Umbrüchen verhielt,
in denen es zu einer Sensibilisierung der Selbstwahrnehmung der Akteure kam.
Am Ende des 14. Jahrhunderts weitete sich die dynastische Krise der in Neapel
ansässigen Anjou so weit aus, dass sie ihre Herrschaft nach mehreren Machtkämpfen
nicht mehr aufrechterhalten konnten.257 Die letzte Anjou-Königin Johanna I. wurde
1382 von ihrem Neffen Karl III. von Durazzo ermordet, der daraufhin den Thron
bestieg. Nach seinem Tod im Jahre 1386 ging die Herrschaft an seinen Sohn Ladislaus
über, der 1390 noch im Exil in Gaeta zum neuen König des süditalienischen Reiches
gekrönt wurde.258 Trotz der Rückeroberung Neapels erlebten auch die Anjou-Durazzo
in der Folgezeit eine instabile Herrschaftsphase, die von politischen Rivalitäten geprägt
war, welche sinnfällig in ihrer dynastischen Grablege San Giovanni a Carbonara
ausgetragen wurden.
III.1. San Giovanni a Carbonara als „ecclesia reale“ der letzten Anjou-Durazzo
Nachdem die Anjou-Könige im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts mehrere Kirchen in
Neapel errichtet und für dynastische Repräsentationszwecke beansprucht hatten, war
das Stadtbild maßgeblich von ihren Memorialbauten geprägt.259 Die nachfolgenden
Dynastien mussten nun auf andere Gebiete des Stadtraums ausweichen, wollten sie sich
ebenfalls ostentativ ins Stadtbild einschreiben. Die Durazzo, welche nur kurzfristig die
257
Siehe noch einmal Kap. II.4.
Die Familie Durazzo befand sich in den Jahren zwischen 1387 und 1399 im Gaetaner Exil. Ladislaus
wurde dort am 29. Mai 1390 zum Herrscher des neapolitanischen Königreiches gekrönt, aufgrund der
Vormundschaft seiner Mutter Margarita von Durazzo musste er diese Machtstellung jedoch mit ihr bis
1393 teilen. Siehe dazu noch einmal Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 15 u. 65-66; Galasso, Il Regno,
1992, S. 242-255; Fodale, Ladislaus, 1991, Sp. 1610.
259
Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, vor allem Kap. III.5. u. VII.1. Erst in der
dritten Generation kam es durch König Robert und seine Frau Sancia zu der Planung einer
Familiengrablege, die in der monumentalen Bettelordenskirche Santa Chiara am nordwestlichen
Stadtrand ihre Umsetzung fand. Siehe dazu vor allem ebd., S. 125-152.
258
54
Grit Heidemann-Schirmer
Thronnachfolge ihrer angiovinischen Verwandten stellten, nutzten die bestehenden
Kirchen als Bestattungsorte.260 Demgegenüber baute König Ladislaus von AnjouDurazzo die kleine Augustiner-Eremiten-Kirche San Giovanni a Carbonara nordöstlich
der Stadtmauern als Grablege aus, welche nicht nur in ihrer Grundrissform, sondern
auch in ihrer Ausstattung durch das monumentale Königsgrabmal unmissverständlich
auf die angiovinische Grablege Santa Chiara als programmatisches Vorbild verweist. So
schließt sich der kleine Bau auch auf der „Tavola Strozzi“ von 1472 (Abb. 7) den
wichtigsten Kirchen der Anjou-Zeit an. Während im Vordergrund dieser ältesten
Stadtansicht Neapels die siegreiche Rückkehr der Flotte des Königs Ferrante von
Aragon imposant dargestellt ist, so heben sich über der Stadtkulisse die großen Kirchen
der Anjou-Zeit in einem vergrößerten Bedeutungsmaßstab deutlich ab,261 denen San
Giovanni a Carbonara am rechten Bildrand gleichgestellt wird.
Die Kirche hat in der bisherigen Forschung nur sehr wenig Beachtung gefunden. Die
einzige vorhandene Monografie von Filangieri Di Candida aus dem Jahre 1924 bildet
immer noch die Grundlage zur Untersuchung von San Giovanni a Carbonara.262
Deshalb werden im Folgenden die wichtigsten Daten zusammengestellt.
Kurze Baugeschichte
San Giovanni a Carbonara (Abb. 8) wurde als Konventskirche für die AugustinerEremiten außerhalb der angiovinischen Stadtmauern errichtet.263 Damit folgt sie der
Tradition des Ordens, der sich bevorzugt an den städtischen Peripherien niederließ.264
260
Hier sind vor allem Santa Chiara und San Lorenzo Maggiore zu nennen. In letzterer ließ Königin
Margarita von Durazzo eine Kapelle für die königliche Familie errichten, die als Cappella della Regina
bezeichnet wurde und die Gräber ihres Vaters Karl sowie ihrer Schwester Johanna nebst Ehemann
aufnahm. Siehe Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 100.
261
Von links nach rechts sind dies Santa Chiara, San Domenico Maggiore, San Lorenzo Maggiore und
der Dom. Rechts daneben schließt sich San Giovanni a Carbonara an.
262
Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924. Außerdem sind als einzelne Beiträge zu nennen Middione,
Splendori, 1996; Pagano, San Giovanni, 1999; Musella, Napoli, 2000; Sabatino, La fravica, 2002. Siehe
außerdem D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 155-164.
263
Die Augustiner-Eremiten reihen sich seit ihrer Gründung im Jahre 1256 in die Bewegung der
Bettelorden ein, die sich seit dem 12. Jahrhundert mit den Franziskanern, Dominikanern und Karmeliten
in ganz Europa ausbreitete. Zur Geschichte dieses Bettelordens ausführlich Gutièrrez, Geschichte des
Augustinerordens, 2 Bde., 1982 u. 1985. Allgemein dazu siehe auch Campisano/Ruffini, Arte e
spiritualità, 1992. Ursprünglich hatten die neapolitanischen Augustiner-Eremiten ihren Sitz in der von
Karl II. von Anjou um 1259 vollendeten Kirche S. Agostino alla Zecca im Südosten der Stadt. Vgl.
Venditti, Urbanistica, 1969, S. 694. Zur Kirche S. Agostino alla Zecca siehe Thoenes, Neapel, 1971,
S. 35-37 und jüngst ausführlich Russo, Sant’Agostino, 2002.
264
Siehe dazu Dittelbach, Nelle distese, 1992, S. 118.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
55
Die Kirche zeichnet sich durch eine schlichte Architektur aus, die die von den
Mendikanten propagierte asketische Bauweise widerspiegelt. Basierend auf den
Konstitutionen des Augustiner-Eremiten-Ordens von 1281, die ausdrücklich das
Heranziehen erfahrener Architekten beim Bau neuer Konventsgebäude forderten,265 ist
davon auszugehen, dass auch San Giovanni a Carbonara einer professionellen Planung
unterzogen wurde.
Als Gründer gilt der neapolitanische Stadtadlige Gualtiero Galeota, der am 11. Oktober
1339 im Nordosten der Stadt den Boden für die Errichtung des neuen Konventes und
der dazugehörigen Kirche schenkte,266 um hier seine Grabstätte zu errichten.267 Wenige
Jahre später erneuerte Galeota seine Schenkung und erweiterte diese durch zwei
angrenzende Höfe am 30. September 1343.268 Am 22. November desselben Jahres
wurde sie vom neapolitanischen Erzbischof bewilligt und der Grundstein gelegt.269 Als
Gualtiero 1347 starb, wurde er jedoch in der Kirche Santa Maria Donnaregina
bestattet,270 während sein Sohn vermutlich die Vollendung des Kirchen- und
Klosterbaus übernahm.271 Dass Gualtiero seine letzte Ruhestätte nicht in der von ihm
gestifteten Kirche fand, macht die Annahme sehr wahrscheinlich, dass sie zu diesem
Zeitpunkt noch nicht vollendet war. Ob der Bau jemals ausgeführt wurde, ist in der
Forschung umstritten.272
265
„Wir ordnen an: Wenn man eine Kirche oder ein großes Haus errichten muß, hole man den Rat kluger
und in der Baukunst erfahrener Männer ein, so daß der Bau nach deren Weisung in rechter Ordnung vor
sich gehen kann.“ Zitiert nach Gutièrrez, Geschichte des Augustinerordens, 1985, S. 74.
266
Dieses Gebiet, ehemals „Carbonetum“ genannt, weil hier die Abfälle der Stadt gelagert worden waren,
war ein seit Karl II. von Anjou beliebter Austragungsort für Turnierspiele. Diese Spiele wurden jedoch
aufgrund ihrer Grausamkeiten kritisiert, so dass man sich entschloss, den Platz durch die Errichtung von
Sakralbauten aufzuwerten und attraktiver zu machen. Zur Vorgeschichte dieses Areals ausführlich siehe
Ferraro, Napoli, 2003, S. 500; De Seta, Le città, 1981, S. 50; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 712; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 78. Der bekannteste Kritiker dieser grausamen Turnierspiele war
Petrarca während seines Besuches 1343 in Neapel. Siehe dazu Rosi, Napoli, 2004, S. 63-64; Thoenes,
Neapel, 1971, S. 152, der auch darauf hinweist, dass zur Attraktivitätssteigerung dieses Gebietes die
Kirche Santa Maria della Pietà unterhalb des Augustinerkonventes 1382 errichtet wurde.
267
Die einzigen Ausführungen dazu in der „Platea“ fasst Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 15,
folgendermaßen zusammen: „Gualtiero Galeota, neapolitanischer Adliger des Capuaner Sitzes, [...]
schenkte am 11. Oktober 1339 dem Bruder Giovanni d’ Alessandria, provinciale in Neapel des Ordens
des S. Agostino, und dem Bruder Dionigi di Burgo [...] einige Häuser und einen Garten außerhalb der
Stadtmauern, im Gebiet genannt a Carboneto, nahe der Kirche S. Sossio und angrenzend an den Garten
von Maffeo Caracciolo, damit die eremitischen Brüder dort eine Kirche erbauen sollten, dem Battista
geweiht“.
268
Siehe dazu Musella, Napoli, 2000, S. 273, Anm. 2f.; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 15f.
269
Siehe Musella, Napoli, 2000, S. 273; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 802.
270
Siehe Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 17.
271
Siehe Ferraro, Napoli, 2003, S. 500. Dagegen spricht Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 18,
von einer dokumentarlosen Folgezeit.
272
Während Sabatino einen dokumentarischen Hinweis auf die Errichtung der kleinen Kirche sowie einer
Konventsanlage mit wenigstens 13 Zellen – zwölf für die Mönche und eine für den Abt – in der
Schenkung von 1343 gefunden hat und deren Ausführungen in den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts
vermutet, zweifeln andere an der Vollendung der Kirche. Es wird dabei auf die Entdeckung eines
56
Grit Heidemann-Schirmer
Nachdem die alte Kirche des Augustinerkonventes zugunsten neuer profaner Gebäude
abgerissen worden war, kam es um 1400 in diesem Areal aufgrund der Stiftung durch
König Ladislaus von Anjou-Durazzo zu solch grundlegenden architektonischen
Veränderungen, dass die Forschung einhellig von einer Neugründung der Kirche San
Giovanni a Carbonara spricht.273 Da viele der Bauakten aus dem Konventsarchiv
verloren sind, lassen sich heute nur wenige belegte Daten zur weiteren Baugeschichte
finden. Gesichert ist, dass König Ladislaus die Aula und einen neuen Kreuzgang für die
Mönche gestiftet hatte, der seinen Namen trug.274 Das Auftragsdatum ist nicht
überliefert. Betrachtet man die Biographie des Königs, so lassen sich nur wenige
Zeiträume finden, in denen sich Ladislaus in Neapel aufhielt und sich dem Bau widmen
konnte.275 Ein möglicher Beweggrund zur Stiftung einer neuen Kirche könnte der
alleinige Herrschaftsantritt 1393 gewesen sein, allerdings war Ladislaus damals noch im
Exil. Die Überwindung der Großen Pestepidemie im Jahre 1399, nach der sich
Ladislaus durch die Gründung eines neuen Gotteshauses dem Volk als wohltätiger
Herrscher hätte präsentieren können, ist ebenfalls dafür denkbar.276
wundertätigen Madonnenfreskos unterhalb der Treppe „in einer Tischlerwerkstatt“ im Jahre 1620
verwiesen, die der Adlige Pirro Capece Galeota zum Anlass nahm, darin einen Beweis für die
ursprünglich bestandene, dann aber bald zerstörte Kirche des Konventes zu sehen. Er wollte daraufhin die
Wiederherstellung des Ursprungsbaus als neue Unterkirche rechtfertigen, weil dieser von seinem
Vorfahren Gualtiero Galeota gestiftet worden war. Venditti weist auf das Fehlen jedweden
architektonischen Zeugnisses dieses angenommenen Sakralbaus hin, wobei er sich aber nicht auf ein
letztendliches Resultat festlegt. Die Entweihung der alten Kirche und deren Umwandlung in Werkstätten
und Wirtshäuser werden als Erklärung des quellenlosen Umstandes vermutet, wobei eine genaue
Datierung dieser Prozesse vermieden wird. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 147, Anm. 2; Thoenes,
Neapel, 1971, S. 153; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 808; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 28.
Auch Ferraro, Napoli, 2003, S. 500, übernimmt bedenkenlos die Annahme der Vollendung dieser alten
Kirche. Es scheint mir dagegen plausibel, dass die ursprünglich gestiftete Kirche nicht vollendet wurde
und es daher nach dem frühzeitigen Tod des Stifters sowie seiner Bestattung in einer anderen Kirche
wenig Bedenken gab, diesen Sakralbau abzureißen, um Platz für die derzeit benötigten Werkstätten zu
erhalten. Es bleibt allein bedenklich, dass keine architektonischen Überreste gefunden wurden, da man
üblicherweise Baustrukturen älterer Gebäude für Neubauten, auch aus ökonomischen Gründen, weiter
verwendete. Die Vermutung jedoch, dass die Kirche San Giovanni nie existiert habe, ist aufgrund der
handfesten Indizien einer zumindest begonnenen Errichtung dieser Konventskirche nicht haltbar.
273
Siehe u.a. Sabatino, La fravica, 2002, S. 135; Thoenes, Neapel, 1971, S. 153. Erst die Bestattung in
dem Gründungsbau wurde als „Besiegelung der Stiftung angesehen“, so dass Ladislaus als eigentlicher
Stifter von San Giovanni a Carbonara zu betrachten ist. Vgl. dazu im allgemeinen Kontext Sauer,
Fundatio und Memoria, 1993, S. 330. Delle Foglie, Leonardo da Besozzo 2008, S. 291, verweist darauf,
dass schon unter Ladislaus’ Vater, Karl III. von Durazzo, eine neue Kirche im Gebiet Carbonetum für die
Augustiner-Eremiten geplant war.
274
Filangieri di Candida spricht bezüglich des ganzen Augustinerkonventes von einer Inbesitznahme
durch König Ladislaus. Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 18.
275
Ladislaus war zwischen 1395-99 auf Feldzügen unterwegs durch Italien, ab 1400 nach Ungarn. Nach
dem 20. Juni 1404 verweilte er eine kurze Zeit in Neapel, um wenig später seine Kriegszüge fortzusetzen.
Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 137; Cutolo, Re Ladislao, 1968, S. 207-339.
276
Diese Situation sieht auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 136, als möglichen Beweggrund für die
Errichtung der neuen Kirche.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
57
Die Rückkehr nach Neapel aus dem Gaetaner Exil am Ende desselben Jahres erscheint
mir jedoch als ein weitaus bedeutender Beweggrund für die Planung einer königlichen
Memorialkirche zu sein, die den Legitimationsansprüchen des jungen Königs als
Nachfolger des berühmten Robert von Anjou und seiner für San Giovanni a Carbonara
vorbildhaften Grablege Santa Chiara einen visuellen Nachdruck verlieh.
Neben dem Kreuzgang und dem Langhaus wurde auch der Chor unter dem königlichen
Stifter errichtet, so dass die erste Bauphase der einschiffigen Saalkirche mit dem gerade
abschließenden Rechteckchor in die Zeit zwischen 1400 und 1414 zu datieren ist
(Abb. 9).277 Nach dem Tod von Ladislaus am 6. August 1414 oblag der
Thronnachfolgerin, seiner Schwester Johanna II. von Anjou-Durazzo, die Vollendung
des Kirchenbaus. Sie kann als Stifterin der im Süden an die Kirche angrenzenden
Treppe, des Eingangsportals und insbesondere des imposanten Königsgrabmals im
Presbyterium bestätigt werden.278 Die zweite Bauphase von San Giovanni a Carbonara
unter den Anjou-Durazzo lässt sich demnach in ihre Regierungszeit von 1414 bis 1435
einordnen (Abb. 10).279
Das Königsgrabmal und der Anspruch auf die Kirche als „ecclesia reale“
Unmittelbar nach dem verfrühten Tod von Ladislaus (†1414) ließ seine Schwester und
einzige Thronerbin Johanna II. von Anjou-Durazzo ein Grabmal in Auftrag geben, das
277
Sabatino geht von einer Bauzeit der Kirche San Giovanni a Carbonara zwischen 1400 und bis nach
1423 aus, da ein um 1423 verfasstes Dokument in der sog. „Platea“ verdeutlicht, dass in diesem Jahr noch
Bauarbeiten an der Kirche stattfanden. Filangieri di Candida hingegen gibt eine Inschrift der
Restaurierungsarbeiten von 1856 wieder, in der es heißt, dass König Ladislaus den Kirchenneubau „in
gotischer Norm 1400 vollendet“ hat, was ich jedoch für sehr unwahrscheinlich halte. Vgl. Sabatino, La
fravica, 2002, S. 136; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 26f.
278
Die Königin ließ im Jahre 1434 die Gebäude vor der Kirche abreißen, um dort eine Treppe zu erbauen.
Siehe Musella, Napoli, 2000, S. 273; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 18. Zum Eingangsportal,
das auch die Embleme der Familie Caracciolo del Sole trägt und in die Zeit von 1427-1430 zu datieren
ist, siehe Venditti, Urbanistica, 1969, S. 808; Amodio, Ricerche, 1941, S. 324; Bock, Kunst am Hofe,
2001, S. 241; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 82.
279
Zum Grundriss ist Folgendes anzumerken: Die im Norden des Chores anschließende Cappella
Caracciolo di Vico wurde bisher in der Forschung als Neubau ab 1499 in einem noch freien Areal der
Kirche behandelt. Sabatino argumentiert anschaulich dagegen, denn an den Außenmauern des
Kirchengebäudes ist eine in situ befindliche Baustruktur erkennbar, die einen quadratischen Grundriss
und womöglich ein Kreuzgewölbe vorzuweisen hatte. Daraus wird die ursprüngliche Funktion als
Sakristei für die Mönche des Augustinerkonventes ersichtlich, die um 1500 verlegt wurde, um der
Stiftung der Familienkapelle Caracciolo di Vico Platz zu machen. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002,
S. 145f. Siehe auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 79. Das erste gesicherte Datum bezüglich des
Augustinerkonventes ist das Jahr 1419, in dem sich die Kongregation in San Giovanni a Carbonara
formierte. Siehe Gutièrrez, Geschichte des Augustinerordens, 1982, S. 68ff.; Filangieri di Candida, La
chiesa, 1924, S. 19, Anm. 2.
58
den
Grit Heidemann-Schirmer
Herrschaftsansprüchen
der
beiden
letzten
Dynastiemitglieder
in
einer
kulminierenden Form Geltung verleihen sollte. Das zwischen 1414 und 1428 von
Andrea da Firenze und anderen norditalienischen Bildhauern gefertigte Wandgrabmal
(Abb. 11) erhebt sich vor der Ostwand des gerade abschließenden Rechteckchors und
befindet sich damit in direkter Nähe zum Hauptaltar der Kirche.280 Schon in dieser
Aufstellung verweist es ganz offensichtlich auf das Grabmal für Robert von Anjou
(†1343, Abb. 12) in Santa Chiara, das auch in weiteren Details als formales und
demzufolge programmatisches Vorbild diente.281 Mit seinen über 14 beziehungsweise
18m Höhe282 und den entlang der Nord- und Südwand um etwa 1,50m ausgreifenden
Seiten, durch die es wie ein geöffneter Flügelaltar wirkt, nimmt das Ladislaus-Grabmal
nahezu den gesamten Raum des Presbyteriums von San Giovanni a Carbonara in
Anspruch.
Das marmorne Monument besteht aus drei Ebenen, von denen die oberste das
eigentliche Grabmal des Verstorbenen bildet. Im Sockelgeschoss sind vier kolossale
Tugendkaryatiden aufgestellt, die das gesamte Ensemble tragen und zugleich einen
Durchlass in der Mitte zur dahinter anschließenden Cappella Caracciolo del Sole
eröffnen. Die Tugenden sind nicht nur durch ihre Attribute klar gekennzeichnet,
sondern auch inschriftlich benannt. Sie präsentieren von links nach rechts Temperantia,
Fortitudo,
Prudentia
und
Magnanimitas.
Während
der
Einsatz
der
vier
Kardinalstugenden dem traditionellen Kanon der neapolitanischen Grabmäler des
14. Jahrhunderts entspricht, wird hier Iustitia durch Magnanimitas (Großherzigkeit)
ersetzt, die erstmals in Petrarcas 1373 veröffentlichtem Fürstenspiegel auftaucht.283 Die
280
Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 41, geht von zwei Bauphasen aus, wobei die beiden unteren
Geschosse zwischen 1414 und 1420 entstanden und die obere Ebene zwischen 1424 bis 1428 vollendet
wurde. Middione, Splendori, 1996, S. 40, meint, dass das Grabmal erst zwischen 1430 und 1440 errichtet
wurde, da es von dem „Schlüsselwerk der Renaissance“ – dem Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio,
welches 1428 von Pisa nach Neapel gebracht und in Sant’Angelo a Nilo aufgestellt wurde – beeinflusst
worden sei. Dem widerspricht jedoch die inschriftlich benannte Jahreszahl „1428“ am Ärmel der SpesFigur in der zweiten Ebene. Siehe dazu Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 241; Pagano, San
Giovanni, 1999, S. 83. Zu Andrea da Firenze und weiteren beteiligten toskanischen sowie lombardischen
Künstlern siehe weiterhin Bottari, Per Andrea di Guido, 1958; Salvatore, Vita di Andrea Ciccione, 2003;
Venditti, Urbanistica, 1969, S. 802.
281
Ausführlich zum Robert-Grabmal und seiner Grablege Santa Chiara siehe Michalsky, Memoria und
Repräsentation, 2000. Zuletzt siehe auch Heidemann/Scirocco, Die Kirchen, 2010, bes. S. 11f., wobei
Scirocco herausstellt, dass das Robert-Grabmal von den florentinischen Bildhauern Pacio und Giovanni
Bertini, in der Nachfolge von Tino di Camaino, zwischen 1343 und 1345 gefertigt worden war.
282
Während Sabatino eine Höhe von etwa 14,30m angibt, ebenso wie Pagano von über 14m ausgeht,
beschreibt Thoenes das Grabmal als über 18m hoch. Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 149, Anm. 26;
Pagano, San Giovanni, 1999, S. 83; Thoenes, Neapel, 1971, S. 157.
283
Siehe dazu vor allem Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 245. Ausführlich zu den
Tugenddarstellungen an den neapolitanischen Grabmälern des 14. Jahrhunderts siehe ders., Kunst am
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
59
für die beiden mittleren Stützen gewählten Tugenden der Stärke und der Klugheit leiten
programmatisch zu dem direkt darüber befindlichen königlichen Geschwisterpaar über.
Zudem wird das Sockelgeschoss von einem profilierten Architrav abgeschlossen, auf
dem folgende Inschrift angebracht ist:
„QVI POPVLOS BELLO TVMIDOS QVI CLADE TYRANNOS/
PERCVLIT INTREPIDVS VICTOR TERRAQVE MARIQVE/ LVX
ITALVM
REGNI
SPLENDOR
CLARISSIMVS
HIC
EST/
REX
LADISLAVS DECVS ALTVM ET GLORIA REGVM/ CVI TANTO HEV
LACHRYMAE
SOROR
ILVSTRISSIMA
FRATRI/
DEFVNCTO
PVLCHRVM DEDIT HOC REGINA IOANNA/ VTRAQVE SCVLPTA
SEDENS MAIESTAS VLTIMA REGVM/ FRANCORVM SOBOLES
CAROLI SVB ORIGINE PRIMI.“284
In dieser Inschrift wird ganz unmissverständlich auf die Erblinie der Anjou verwiesen,
ebenso wie Johanna II. als Stifterin des Grabmals und als Thronfolgerin ihren
Machtanspruch proklamiert. Gleichermaßen ist auch sie am Monument verbildlicht. Das
zweite Geschoss wird von reich verzierten Nischen gegliedert, die den Blick freigeben
auf das in der Mittelachse thronende Geschwisterpaar, das von dem weit ausladenden
Segmentbogen gerahmt wird. Ladislaus und Johanna sind vollplastisch und leicht
überlebensgroß dargestellt.285 Sie sitzen mit den königlichen Insignien ausgestattet
frontal unter dem mit den goldenen Anjou-Lilien verzierten Gewölbe und richten den
Blick in den Kirchenraum. Johannas Präsenz an diesem Grabmal zeigt ihren Willen des
Machterhalts, der auch in der Inschrift anklingt. Zur Linken und Rechten schließen sich
die Theologaltugenden Fides, Spes und Caritas mit der im unteren Geschoss
ausgetauschten Iustitia286 sowie mehrere Heiligenfiguren287 an, die das Bildprogramm
Hofe, 2001, S. 230-232. Allgemein zu Petrarca außerdem Stierle, Francesco Petrarca, 2003; Ariani,
Petrarca, 1999; Rotondi Secchi Tarugi, Petrarca, 1997.
284
Die Übersetzung nach Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 250, Anm. 39: „Dies ist der
hochberühmte König Ladislaus, der aufrührerische Völker durch Krieg, Tyrannen aber mit Niederlage
überwand, ein unerschrockener Sieger zu Lande wie zur See, das Licht der Italer, der Glanz des Reiches,
herausragende Zierde und Ruhm der Könige, dem als ihrem toten Bruder seine erhabene Schwester und
Königin Johanna, wehe, unter soviel Tränen dieses Grabmal stiftete, die zusammen mit ihm in ihrer
Majestät thronend dort dargestellt ist als letzte Nachfahrin der französischen Könige, die unter Karl dem
Ersten ihren Anfang hatten.“
285
Zur Sitzstatue Johannas neben ihrem verstorbenen Bruder siehe auch Bock, Antiken- und
Florenzrezeption, 2001, S. 244; Sabatino, La fravica, 2002, S. 139.
286
Von links nach rechts bilden sie die Reihenfolge: Spes, Iustitia und Caritas, Fides.
287
Die Interpretation der Figuren in den Nischenpilastern ist in der Forschung nicht eindeutig. Während
Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244, von „wahrscheinlich biblische[n] Könige[n]“
ausgeht, gibt Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 35f., folgende Zuweisungen: am linken
60
Grit Heidemann-Schirmer
des Grabmonuments auf die Vorbildhaftigkeit der beiden Herrscherpersönlichkeiten
lenken. Dabei befinden sich männlich bevorzugte Tugenden, wie die Stärke und die
Gerechtigkeit, auf der Seite beziehungsweise in unmittelbarer Nähe zu Ladislaus,
während die Liebe und der Glaube als vornehmlich weibliche Tugenden neben und
unter Johanna II. erscheinen, deren Person durch die Allegorie der Klugheit zusätzlich
nobilitiert wird.288
In den beiden Seitenflügeln des zweiten Geschosses sind die von dem lombardischen
Künstler Leonardo da Besozzo gemalten Fresken in flache Nischen eingearbeitet,289
welche links den Kirchenpatron Johannes den Täufer und rechts den Ordensheiligen
Augustinus zeigen, die auch an anderen Stellen des Monuments wiederkehren. Die
Ebene wird, neben fein gearbeiteten Wimpergen, durch ein einfaches Gesims
abgeschlossen, auf dem folgende Inschrift angebracht ist:
„IMPROBA MORS HOMINVM HEV SEMPER OBVIA REBVS/ DVM
REX MAGNANIMVS TOTVM SPE CONCIPIT ORBEM/ EN MORITVR
SAXO TEGITVR REX INCLYTVS ISTO/ LIBERA SYDEREVM MENS
IPSA PETIVIT OLYMPVM.“290
Darüber erhebt sich das dritte Geschoss, das in seiner Breite zwar nur noch die
Mittelachse des gesamten Ensembles umfasst, jedoch das eigentliche Grabmal des
Verstorbenen bildet, welches schon in der Inschrift angekündigt wird und in einer für
Neapel außergewöhnlichen Weise bis knapp unter die Gewölbedecke aufragt. Im
Aufbau entspricht das Grabmal jenem traditionellen Typus aus der Anjou-Zeit, auf den
gleich genauer zurückzukommen sein wird. Es besteht aus vier Ebenen, die von
Nischenpilaster ist der Hl. Georg dargestellt, am daran anschließenden Pilaster (links neben Ladislaus)
folgen der Hl. Paulus und der Hl. Bartholomäus, rechts neben Johanna sind der Hl. Petrus und der
Hl. Andreas und am äußeren Pilaster rechts der Hl. Konstantin dargestellt.
288
Zu den Tugenden siehe noch einmal Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 230-232. Johanna wurde trotz
ihrer Zuwendungen für die Grablege ihres Bruders in der Kirche SS. Annunziata bestattet. Siehe Garzilli,
Cronica, 1845, S. 79. Interessanterweise handelt es sich dabei um eine Kirche, die von der Königin Sancia
von Mallorca, Ehefrau des Robert von Anjou, 1336 gegründet worden war. Vgl. Thoenes, Neapel, 1971,
S. 52. Die Parallele der für ihre Legitimation bedeutenden Vorfahren Robert und Sancia zu Ladislaus und
Johanna ist demnach mehr als offensichtlich. Zur Kunstpatronage Johannas II. siehe auch Mocciola,
Giovanna II, 2010.
289
Siehe Sabatino, La fravica, 2002, S. 149, Anm. 26; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 83; Filangieri di
Candida, La chiesa, 1924, S. 36, gibt dazu die unter dem Hl. Augustinus angebrachte Künstlerinschrift:
„LEONARDUS DE BISSUCIO DE MEDIOLANO ORNAVIT.“ Zu Leonardo da Besozzo siehe
Kap. III.2.
290
Folgendermaßen zu übersetzen: „Oh schändlicher Tod der Menschen, immer [stehst du] den Dingen
entgegen. Noch hält mit Hoffnung der hochherzige König den ganzen Erdkreis [zusammen]. Siehe! Der
König stirbt, ist bedeckt mit diesem Stein. Der freie Geist selbst erstrebte den gestirnten Olymp.“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
61
Nischenpfeilern mit reich verzierten Fialen gerahmt werden.291 Über dem reliefierten
Sarkophag, der die letzten vier Familienmitglieder der Anjou-Durazzo292 in ähnlicher
Weise wie die Angiovinen am Robert-Grabmal präsentiert und damit dessen politisch
konnotierte Argumentation aufgreift,293 erhebt sich die camera funebris. Hier ist der
verstorbene König aufgebahrt als Liegefigur mit den Insignien der Macht dargestellt,
während im Hintergrund ein Bischof mit zwei Ministranten die Totenmesse hält.294
Während am Grabmal des Robert von Anjou in der darauf folgenden Ebene die
Majestas-Darstellung
des
angiovinischen
295
bildprogrammatische Neuerung anschließt,
Königs
als
eine
damalige
folgt beim Ladislaus-Grabmal die
traditionelle, an die seelsorgerische Verpflichtung erinnernde Empfehlungsszene mit
Maria und dem Christuskind, die zwischen den beiden für den ansässigen Konvent
wichtigen Hll. Johannes dem Täufer und Augustinus eingefügt ist. Demgegenüber wird
der Darstellung des thronenden Herrschers das gesamte zweite Geschoss des
Monuments zur Verfügung gestellt.
Was das Ladislaus-Grabmal in Neapel – neben den gewaltigen Ausmaßen – einzigartig
und für seine Entstehungszeit höchst innovativ erscheinen lässt, ist die alles bekrönende
Reiterstatue des Verstorbenen. Die Spitze des abschließenden Wimperggiebels wurde
zugunsten der Standfläche für das Postament gerade abgeschlossen, das die
selbstredenden Worte DIVVS LADISLAVS präsentiert und das kolossale Reiterstandbild
trägt. Der König wird hier in Seitenansicht zum vierten Mal an seinem Grabmonument
gezeigt, wobei er auf einem vorwärts schreitenden Pferd sitzt, das mit edlen Stoffen
gekleidet ist und einen Verweis auf die einst an diesem Ort ausgetragenen Turnierspiele
offeriert. Ladislaus sitzt in stolzer Pose und hält in seiner Rechten das Schwert erhoben,
dabei den Blick geradeaus gerichtet auf ein imaginäres Ziel seines Triumphes, der
291
Die in den Nischen aufgestellten Statuen werden unterschiedlich interpretiert. Während Abbate die
Figur unten rechts als David zu identifizieren glaubt, betitelt Filangieri di Candida die vier Statuen als die
Heiligen Könige Stephan von Ungarn, Heinrich, Albert und Karl den Großen. Vgl. Abbate, Il
monumento, 1994, S. 21, Abb. 6; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 38. Die innerhalb der Fialen
stehenden Statuen sind dagegen eindeutig als Verkündigungsgruppe mit dem Erzengel Gabriel links und
Maria rechts zu identifizieren.
292
Dass Ladislaus und Johanna II. zwischen ihren Eltern Karl III. und Margarita von Durazzo sitzen,
befürworten Pagano, San Giovanni, 1999, S. 84, und Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 37. Laut
Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244, wurden dagegen Ladislaus und Johanna rechts, Karl
und Margarita links gesetzt. Dem entspricht auch meine Beobachtung, dass es sich bei den beiden
äußeren Figuren um die Frauen handelt, während in der Mitte demzufolge die männlichen Thronfolger
Karl und Ladislaus positioniert sind.
293
Siehe dazu u.a. Sabatino, La fravica, 2002, S. 139, 149, Anm. 26; Pagano, San Giovanni, 1999,
S. 83f.; Thoenes, Neapel, 1971, S. 157.
294
Siehe dazu Thoenes, Neapel, 1971, S. 157.
295
Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 56-64.
62
Grit Heidemann-Schirmer
schon in der Inschrift am Sockel erwähnt wird. Als mögliche motivische Vorbilder aus
dem Repertoire der mittelalterlichen Grabplastik sind die Scaliger-Reiterbilder in
Verona oder das Grabmal des Bernabò Visconti in Conca zu nennen.296 Doch auch eine
Ähnlichkeit mit dem antiken Reiterstandbild des Marc Aurel auf dem Kapitol in Rom,
das noch von den Zeitgenossen als Ehrenmal für Kaiser Konstantin fehlinterpretiert
wurde,297 ist erkennbar. Dies lässt sich Bock zufolge historisch untermauern, denn das
römische Volk wollte „dem neapolitanischen König aus Dank und zur Erinnerung ein
Reiterstandbild auf dem Kapitol […] errichten“, nachdem Ladislaus am 19. Oktober
1403 in die Ewige Stadt einmarschiert war und erfolgreich in der „prekären Situation
der Kirche“ interveniert hatte.298
Auch wenn, oder gerade weil diese Dankesgeste in Rom nicht verwirklicht wurde, wird
Ladislaus – beziehungsweise seiner Schwester als Auftraggeberin des Grabmals – die
Ausführung solch eines prestigeträchtigen Ehrenmals in seiner Residenzstadt Neapel
gerade Recht gewesen sein.299 Die Darstellung des Königs in zeitgenössischer Kleidung
und seines Pferdes mit einem ebensolchen mittelalterlichen Turnierumhang rückt das
Monument wiederum in die damalige Entstehungszeit und somit in die Nähe des
Grabmals für Bernabò Visconti, das große Berühmtheit im Europa des ausgehenden
14. Jahrhunderts erlangt hatte und demzufolge auch vorbildhaft für das LadislausGrabmal gewesen sein dürfte.300
296
So auch Thoenes, Neapel, 1971, S. 157; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 84; Bock, Antiken- und
Florenzrezeption, 2001, S. 244f. Allgemein zu den Scaliger-Gräbern siehe u.a. Poeschke 1998, S. 186188; Körner, Grabmonumente, 1997, S. 96f.; Seiler, Mittelalterliche Reitermonumente, 1989, S. 172-213;
Arduini, Il sogno oscuro, 1992. Zum 1363-1385 geschaffenen Visconti-Grabmal in Conca siehe auch
Vergani, L’arca, 2001; Lee Palmer, Bonino, 1997.
297
Dieses bronzene Reiterstandbild des römischen Kaisers Marcus Aurelius wurde nach 162 n. Chr. unter
Kaiser Commodus in Rom errichtet. Erst im 10. Jahrhundert fand es seinen Aufstellungsort auf dem
Kapitol, während der ursprüngliche Standort bis heute nicht genau lokalisiert werden konnte. Die
Reiterstatue hat in den folgenden Jahrhunderten maßgeblich die Kunst beeinflusst, was allerdings auf die
Fehlinterpretation als Reiterbild Konstantins des Großen zurückzuführen ist, aufgrunddessen es auch die
Zerstörungswelle antiker Statuen, insbesondere der wertvollen Bronzen, überlebt hat. Vor allem in der
Haltung des antiken Reiters sowie dem eleganten Vorschreit-Motiv des Pferdes ist m.E. die
Vorbildhaftigkeit für die Reiterstatue Ladislaus’ ersichtlich. Zu Marc Aurel und seinem Reiterstandbild
siehe u.a. Dankwarth, Marc Aurel, 1997; Bergemann, Römische Reiterstatuen, 1990, S. 105ff., Kat.Nr.
P51, Tafeln 78-80.
298
Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 51, Anm. 97.
299
Auch Schmidt, Typen, 1990, S. 19, verweist auf den Denkmalcharakter des mit einem Reiterstandbild
kombinierten Grabmals, der von den italienischen „Despoten“ ihrem herrschaftlichen „Selbstverständnis“
zufolge eingesetzt worden war.
300
Dies vor allem durch seine Thematisierung in einem veröffentlichten Streitgespräch zwischen Petrarca
und Jean de Hesdin. Siehe dazu noch einmal Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 244f.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
63
Exkurs: Der angiovinische Grabmalstyp des Trecento
Das Wandgrabmal mit rahmendem Baldachin stellte im mittelalterlichen Italien einen
besonderen Grabtypus dar, der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhundert generiert
worden war.301 Eine Weiterentwicklung lässt sich an den Grabmälern feststellen, die
von Giovanni Pisano und vor allem von seinem Schüler Tino di Camaino Anfang des
Trecento geschaffen wurden. Der seitdem gängige Typus mit der charakteristisch
umrahmenden
Baldachinarchitektur
zeichnete
sich
durch
einen
reliefierten
Kastensarkophag und der darüber befindlichen Liegefigur des Toten in der camera
funebris aus.302 Er wurde 1324 in Neapel durch das von Tino di Camaino gefertigte
Grabmal für Katharina von Österreich in San Lorenzo Maggiore (Abb. 36) eingeführt,
allerdings kombiniert mit neuartigen Motiven, wie zum Beispiel die zwei den Vorhang
zur Totenkammer aufhaltenden Engel und die Darstellung der commendatio animae.303
Die Wandgrabmäler, die für Familienangehörige der Anjou in Neapel gefertigt wurden,
zeigen eine Entwicklung hin zur Monumentalisierung, vor allem aber das Motiv der
Tugendkaryatiden stellt das Alleinstellungsmerkmal fast aller Anjou-Grabmäler dar.304
Dadurch entstand der neue Typus des Karyatidengrabmals.305 Die dargestellten
Tugenden sind als Nobilitierung der Verstorbenen zu interpretieren, die somit als
Mitglieder einer „tugendhafte[n] Königsfamilie“306 repräsentiert wurden. Dieses
Konzept tritt besonders deutlich an dem schon oben erwähnten Grabmal für König
Robert von Anjou in Santa Chiara (Abb. 12) zutage.307
301
Zu den ersten gotischen Wandbaldachingrabmälern für Pietro di Vico (†1268) und Hadrian V. (†1276)
in S. Francesco in Viterbo siehe Körner, Grabmonumente, 1997, S. 67ff. u. Abb. 55f.
302
Siehe Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 43. Dazu auch Kühlenthal, Zwei Grabmäler,
1976, S. 48f.
303
Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 45, Anm. 18, verweist auf die Einführung des
Vorhangmotivs durch Arnolfo di Cambio, der allerdings noch Diakone und nicht Engel als
vorhanghaltende Figuren verwendet hat. Zur Einführung der Empfehlungsszene siehe ebd., S. 75; Bock,
Kanon und Variation, 2002, S. 17f.
304
Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 47.
305
Die Anzahl der Tugendfiguren konnte dabei differieren. Während an den Monumenten für Katharina
von Österreich und für Maria von Valois noch zwei Kardinaltugenden als den Sarkophag stützende
Figuren eingesetzt wurden, so nahm die Anzahl bei den darauf folgenden Gräbern zu. So besitzt das
Grabmal für Maria von Ungarn vier Kardinaltugenden im Stützengeschoß, während es beim Grabmal für
König Robert von Anjou insgesamt sechs Tugenden sind, die sich jedoch auf zwei Pfeiler verteilen. Dazu
Bock, Kanon und Variation, 2002, S. 13 u. 33f.; Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 80.
306
Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 153.
307
Siehe dazu ausführlich dies., „Quis non admireretur“, 2000. Außerdem Heidemann/Scirocco, Die
Kirchen, 2010, bes. S. 11f.
64
Grit Heidemann-Schirmer
Dieser angiovinische Grabmalstypus wurde demnach zuerst an den Auftragswerken für
Angehörige aus dem angiovinischen Königshaus im Trecento eingesetzt, fand seinen
Höhepunkt in dem Grabmal für König Ladislaus von Anjou-Durazzo im frühen
15. Jahrhundert und wurde sukzessive an mehreren Adelsgrabmälern adaptiert, wie im
Folgenden sowie vor allem in Kapitel IV noch genauer zu zeigen sein wird.308
Die Vorstellung des Ladislaus-Grabmals sollte nicht nur die formale Entwicklung des
angiovinischen Grabmalstypus, der die neapolitanische Grabmalslandschaft über das
14. Jahrhundert hinaus lange dominierte, einführend beleuchten, sondern auch die
Auswirkungen politisch instabiler Zeiten auf die Grabplastik verdeutlichen, die ein
wichtiges Medium zur Repräsentation insbesondere der Hinterbliebenen waren.309
Während des dynastischen Niedergangs, den Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo
nicht mehr aufhalten konnte, wurde dieses kolossale Erinnerungsmonument geschaffen.
Durch seine Größe, die auf Bescheidenheitstopoi verzichtende und seine überdeutliche
retrospektive Reminiszenz an berühmte, ebenfalls politisch konnotierte Monumente,
wie des vorbildhaften Vorfahren Robert von Anjou310 oder des damals als Kaiser
Konstantin verehrten Denkmals in Rom, sollte es den Status von Ladislaus sowie den
Willen des Machterhalts von Johanna unmissverständlich und auf Dauer bekräftigen.
Durch die Stiftung und vor allem durch die beeindruckende Präsenz des königlichen
Geschwisterpaares an diesem den Kirchenraum dominierenden Grabmal stieg San
Giovanni a Carbonara in den Rang einer Königskirche, der „ecclesia reale“ auf,311 die
308
Siehe dazu vor allem Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 43. Sie verweist dabei auf die
Vorbildhaftigkeit der in der Camaino-Werkstatt geschaffenen Anjou-Gräber „als Prototypen einer in
Süditalien neuen Sepulkralskulptur“. Vgl. ebd., S. 153. Bock, Patronage, 2008, S. 582, macht deutlich,
dass es seit Beginn des 15. Jahrhunderts zu einer gewissen Emanzipation des städtischen Adels
hinsichtlich der Grabmalsaufträge kam, die nun nicht mehr dem königlichen „Standard“ folgten wie noch
im Trecento. Zu den Adelsgrabmälern, die diesen Typus rezipierten, siehe unten Kap. IV.1.2.
309
„Das Grabdenkmal als memoratives Denkmal erinnert an den Toten ebenso wie an die Lebenden, die
sich dem Toten als ihrem Repräsentanten anverbinden: so erscheinen neben dem Namen des Verewigten
etwa in Setzungsvermerken [...] eben die Namen der Nachkommen, die ihre eigene Identität aus der des
Toten definierten.“ Vgl. Zajic, Zu ewiger gedächtnis aufgericht, 2004, S. 18.
310
Auch Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 243, und Sabatino, La fravica, 2002, S. 137,
sehen im Ladislaus-Grabmal ein bewusstes Zurückgreifen auf das Grabmal König Roberts von Anjou,
das als eine „politisch motiviert[e] [...] Entscheidung für diesen Grabmalstyp und sein Programm“ zu
verstehen ist. Die Übernahme des traditionellen Formenrepertoires der Anjou-Grabmäler am LadislausGrab verdeutlicht demzufolge eine „Kontinuität der Anjou-Herrschaft und die von [...] [ihm] ererbte
Souveränität“. Vgl. Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 245.
311
So auch Quinterio/Cocchieri, Il sepolcro, 2007, S. 99; Sabatino, La fravica, 2002, S. 147; Thoenes,
Neapel, 1971, S. 152.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
65
sie trotz ihrer peripheren Lage und kleinen Dimension gegenüber den Stadtkirchen
Neapels nobilitierte und für weitere Stifter attraktiv machte.
Die erste Kapellenstiftung eines Adligen in San Giovanni a Carbonara war die Cappella
Recco. Sie befand sich an der Nordseite des Langhauses und wurde 1423 von Giosuè
Recco gestiftet, der als Haushofmeister von Johanna II. tätig war und demzufolge alle
Ausgaben der Königin verwaltete, darunter auch jene für die Vollendung der
Augustiner-Eremiten-Kirche.312 Die einstige Ausstattung ist nicht mehr erhalten.313 Erst
spät wurde das Kapelleninnere von einer nachweislich 1484 fertig gestellten hölzernen
Krippengruppe geschmückt, die auf den Kapellweihetitel „del Presepe“ Bezug nahm
und zwei Drittel des Fußbodens beanspruchte.314 Die Cappella Recco stand offenbar
ganz im Zeichen der Frömmigkeit eines adligen Hofangestellten, der durch die
Standortwahl seine Loyalität zum Herrscherhaus demonstrieren wollte.
Politisch weitaus brisanter waren hingegen jene wenig später errichteten Kapellen,
aufgrund derer die Kirche zu einem Austragungsort politischer Rivalitäten avancierte.
III.2. Die Cappella Caracciolo del Sole – Demonstration der einzigartigen
Machtstellung eines neapolitanischen Stadtadligen
Ebenso wie Giosuè Recco war auch Sergianni Caracciolo del Sole am Königshof der
Anjou-Durazzo tätig.315 Seine Karriere markiert jedoch eine bis dato singuläre
Machtposition eines Adligen in Neapel, die auch ihren Niederschlag in der Ausstattung
seiner Grabkapelle finden sollte.
Sergianni Caracciolo entstammte einer der ältesten und nobelsten Adelsfamilien
Neapels, die im Seggio di Capuana sesshaft war. Er wurde um 1372 geboren und ging
schon früh an den königlichen Hof, wo er in die Dienste von König Ladislaus trat. Im
Krönungsjahr des Königs (1390) erhielt er das Amt des Kämmerers und begleitete den
312
Zu der notariell bezeugten Stiftung vom 9. Mai 1423 siehe Sabatino, La fravica, 2002, S. 135ff. und
die Originalquelle S. 146f.
313
D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 161, nennt eine Grabplatte von 1531, die sich noch zu
seiner Zeit in der Kapelle befand.
314
Diese Krippe wurde von dem Skulpteur Pietro Alamanno und seinem Sohn Giovanni angefertigt. Zur
Ausstattung siehe Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 121; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 92.
Heute dient die Kapelle als Ausstellungsraum für die in der gesamten Kirche gefundenen MajolikaFliesen. An den Wänden sind noch Reste von Fresken erkennbar, die vermutlich den malerischen
Hintergrund der Krippe darstellten.
315
Ausführlich zu Sergianni siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 286-290; Manselli, Caracciolo, 1983;
Cutolo, Re Ladislao, 1968, S. 152; Garzilli, Cronica, 1845, S. 71-75; Caracciolo, Vita, 1843.
66
Grit Heidemann-Schirmer
Souverän als enger Vertrauter auf zahlreichen Feldzügen. Nach dem Tod von Ladislaus
wurde Sergianni 1417 von der Thronfolgerin Johanna II. von Anjou-Durazzo zum
Großseneschall des Reiches ernannt, darüber hinaus erlangte er durch ihre Protektion
nahezu
uneingeschränkte
politische
Macht.316
Seine
Selbstwahrnehmung
als
eigentlicher Herrscher neben der Regentin, dem nur der Königstitel fehle, fand auch
Eingang in der noch zu besprechenden Grabinschrift.317 Aus diesem Machtanspruch
kam es zu einer Verschwörung gegen ihn durch andere neapolitanische Adlige, die eine
befürchtete Throninbesitznahme Sergiannis verhindern wollten und ihn in der Nacht des
19. August 1432 während der Feierlichkeiten zur Hochzeit seines Sohnes ermordeten.318
Fünf Jahre zuvor hatte Sergianni die königliche Grablege San Giovanni a Carbonara als
Standort für seine Grabkapelle erwählt, um damit offensichtlich seiner politisch
einzigartigen Machtstellung in Neapel Ausdruck zu verleihen, die sich von dem
Gruppenbewusstsein der neapolitanischen Maggiore Nobiltà deutlich abhob.
Dokumentarisch belegt ist, dass die Stiftung der Kapelle im Jahre 1427 in zwei
Schritten erfolgte.319 Durch den Notar Antonello Scarpato wird bestätigt, dass der
Auftraggeber am 25. September ein Grundstück mit einem Haus erwarb, das an den Hof
der Augustiner-Eremiten-Kirche angrenzte und das er dem Konvent wenig später
übergab. Am 10. Dezember desselben Jahres bezeugt der Notar Gabriele de Riso die
Vereinbarung zwischen den Augustiner-Eremiten und dem Stifter, eine Kapelle im
Klostergebiet hinter der Tribüne der Kirche zu erbauen, die der Geburt der Hl. Jungfrau
Maria geweiht werden sollte. Die Abschrift dieser Vereinbarung lautet folgendermaßen:
„[...] esso Gran Senescallo avea fatto edificare una sua cappella magnifica
a sue spese, contigua, e congionta alla no[str]a chiesa di S. Gio[vanni a
316
Sergianni erhielt durch die Heirat mit Caterina di Filangieri das Herzogtum von Avellino, desweiteren
wurde er zum Herzog von Venosa und Fürst von Capua ernannt. Die Forschung berichtet einhellig von
einer Affäre mit Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo, mithilfe derer Sergianni seinen politischen
Erfolg weitest möglich ausbauen konnte. Siehe u.a. Pagano, San Giovanni, 1999, S. 85; Galasso, Il
Regno, 1992, S. 287; Thoenes, Neapel, 1971, S. 158; Venditti, Urbanistica, 1969, S. 804. Außerdem
Caracciolo, Vita, 1843, bes. S. 68: „[…] quello amore che la Regina avea posto in Sergianni e quegli
onori che a lui compartivansi.“
317
Dazu auch De Lellis, Parte seconda, 1654, S. 148. Laut Middione, Splendori, 1996, S. 49, war
Sergianni zwischen 1424 und 1432 der „wahre Herrscher des Staates“ und auch Galasso, Il Regno, 1992,
S. 302, Anm. 2, bezeichnet ihn als „König“ in Zeiten des Friedens.
318
Notar Giacomo gibt den Neid („per invidia“) als Grund seiner Ermordung an. Vgl. Garzilli, Cronica,
1845, S. 75. Dazu auch Caracciolo, Vita, 1843, S. 43 u. 67f. Caracciolo schildert die Vorbereitungen zur
Hochzeit des Sohnes Traiano und der daran anschließenden Ermordung Sergiannis. Siehe ebd., S. 70-76.
319
Siehe Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 42-45; Filangieri di Candida, La
chiesa, 1924, S. 43; Faraglia, La tomba, 1899, S. 21. Mitunter ist diese archivalisch belegte Aussage nicht
genau beachtet worden und man zog aus dem genannten Datum die Schlussfolgerung, dass die Cappella
Caracciolo del Sole im Jahre 1427 geweiht und architektonisch schon fertig gestellt gewesen sei. Siehe
u.a. Ferraro, Napoli, 2003, S. 501; Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 241; Middione, Splendori, 1996, S. 49;
Venditti, Urbanistica, 1969, S. 695.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
67
Carbonara]; col consenso, e volontà del Priore, e frati di d[etto] luogo,
sotto il vocabolo della Natività della B[eata] V[ergine] Maria, nella quale
Cappella il nos[tro] Mon[aster]o concesse ad esso Sergianni, e suoi eredi il
jus funerandi, et inferendi mortuos; e riservò il d[etto] Sergianni a se, e suoi
eredi, e succ[essi]vi il juspatronato di d[ett]a Cappella, insegno, e
ricognizione del quale debba il d[etto] Mon[astero] dare ad esso
Fondatore, e suoi eredi, facem una vividem libram trium in die Nativitatis
B[eatae] Mariae Virginis, e detta assegnazione di candela debba farsi
dentro d[etta] Cappella, o nella Casa del Fondatore, e suoi eredi in Napoli
esistentino; e dono al nos[tro] Mon[aster]o alcuni Orti ed case siti a
Carbonara, e li P[adri] P[riori] del d[etto] nos[tro] Mon[aster]o in
riguardo di d[etta] donazione, e beneficenza, ed anche come Fondatore di
d[etto] luogo, si offersero a Messe, ed orazioni p[er] d[etto] Fondatore, e
suoi eredi, e promisero celebrare una speciale Messa quotidianam in
d[etta] Cappella, per la salute di esso Fondatore, e suoi Predecessori, e
successori, ed un solenne Anniversario nel giorno della morte di d[etto]
Fondatore, per lo quale Anniv[ersario] esso Fondatore promise dare un
annua speciale rendita di un oncia.“320
Die Stiftung erfolgte also zu einer Zeit, als der Kirchenneubau zwar schon weitgehend
abgeschlossen, das von der Königin beauftragte monumentale Wandgrabmal für ihren
verstorbenen Bruder Ladislaus im Presbyterium noch nicht vollendet war. Direkt
dahinter sollte sich die Kapelle von Sergianni anschließen. Bezeichnenderweise wurde
das untere Geschoss des Königsgrabmals als einziger Zugang zur Kapelle konzipiert,
wodurch sich eine Synthese von Königsgrabmal und Adelskapelle ergab, die die
320
Vgl. ASN, Platea, I, Monasteri Soppressi, 6079, 24. Folgendermaßen zu übersetzen: „[…] der
Großseneschall lässt sich auf seine Kosten eine herrliche Kapelle erbauen, die an unsere Kirche des hl.
Johannes angrenzt und mit dieser verbunden ist; mit dem Einverständnis und dem Willen des Priors und
der Brüder dieses Ortes, unter dem Patrozinium der Geburt der hl. Jungfrau Maria. Unser Kloster
gewährte jenem Sergianni und seinen Erben das Recht, die Toten in diese Kapelle hineinzubringen und
dort zu bestatten. Der besagte Sergianni reservierte für sich und seine Erben und Nachfolger das
Patronatsrecht für diese Kapelle. Zur Anerkennung muss das genannte Kloster dem Stifter und seinen
Erben eine drei Pfund schwere Kerze am Tag des Festes zur Geburt der hl. Jungfrau Maria geben und die
Übergabe der Kerze soll in der Kapelle oder im Haus des Stifters und seiner in Neapel wohnhaften Erben
stattfinden. Er spendete dem Kloster einige Gärten und Häuser, die sich in der Region Carbonara
befanden. Die Ältesten unseres Klosters boten im Hinblick auf die Spenden und Wohltätigkeiten und weil
es sich um den Gründer der Kapelle handelt, Messen und Gebete für den Stifter und seine Erben an und
versprachen, täglich in der genannten Kapelle eine Privatmesse für das Seelenheil des Stifters, seiner
Vorfahren und Nachfolger sowie ein festliches Anniversar am Todestag des Stifters zu zelebrieren. Für
dieses Anniversar versprach der Stifter, eigens einen jährlichen Betrag von einer Unze zu geben.“
68
Grit Heidemann-Schirmer
damalige besondere Stellung Sergiannis am Hof reflektierte und offensichtlich nur in
Absprache mit der königlichen Auftraggeberin möglich war. Die exzeptionelle Lage,
die Größe und die reiche Ausstattung der Kapelle vermitteln jedoch ein
Repräsentationsbedürfnis des Stifters, das über seine Loyalität zum Königshaus weit
hinausging und vielmehr seine persönliche Identität321 widerspiegelte. Zudem waren
nach seinem plötzlichen Tod weitere Familienmitglieder an der Vollendung der Kapelle
beteiligt, auf deren Stellenwert noch zurückzukommen sein wird.
Im Folgenden werden die Architektur und Ausstattung der Kapelle näher beleuchtet, um
ihre Besonderheiten im Kontext der Selbstinszenierung des Stifters und seiner
Nachkommen herauszuarbeiten.
Die architektonische Gestalt der Kapelle
Die Cappella Caracciolo del Sole (Abb. 13) erhebt sich auf einem oktogonalen
Grundriss, der durch die mächtigen Strebepfeiler akzentuiert wird.322 Auf drei Pfeilern
waren marmorne Statuen angebracht, die Moses, Elias (der sich heute nicht mehr in situ
befindet) und Sergianni darstellten.323 Markant wurden die Familienembleme Sonne
und Löwe in die Dekoration des Baus mit einbezogen.324 Im mittleren Segment eines
dreiteiligen Relieffeldes befindet sich das aufwendig gestaltete Wappen mit den
Initialen Sergiannis. Dieses Relief wurde am oberen Ende jener Kapellenwand
angebracht, die zum öffentlichen Platz ausgerichtet war und den Zeitgenossen ostentativ
vor Augen führte, wer der Auftraggeber dieses beeindruckenden Baus war.
Die Kapelle wird von einer mächtigen Kuppel abgeschlossen, durch die die adlige
Grablege das Langhaus und den Chor der Kirche an Höhe übersteigt. Dieser Eindruck
wurde ursprünglich durch eine Laterne verstärkt, die im sog. „Baratta-Plan“ von 1629
(Abb. 14) noch bildlich dokumentiert,325 jedoch bei dem Erdbeben im Jahre 1688
321
Zur personalen Identität, die „sich auf die Einmaligkeit des einzelnen Individuums im Zusammenhang
mit seiner unverwechselbaren Lebensgeschichte“ bezieht, siehe Hillmann, Wörterbuch, 2007, S. 355.
322
Zum Sepulkralcharakter der Kapelle, der durch die Polygonalität schon außen angedeutet zu sein
scheint, siehe Binding, Architektonische Formenlehre, 1998, S. 17; Untermann, Der Zentralbau, 1989,
S. 147f.
323
Diese marmornen Skulpturen sind überlebensgroß und zwischen 1440 und 1450 zu datieren. Siehe
Pagano, La cappella, 1998, S. 5. Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 114, vermutet, dass diese Statuen
ursprünglich einen anderen Aufstellungsort hatten. Wo dieser jedoch gewesen sein soll, gibt er nicht an.
324
Offensichtlich wird dies an den Strebepfeilern, wo das Wappen mehrfach angebracht ist.
325
Zum sog. „Baratta-Plan“ von Neapel siehe Ferraro, Napoli, 2003, S. 502; De Seta, Napoli, 1997,
S. 105-145; Baratta, Fidelissimae urbis neapolitane, 1986.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
69
eingestürzt ist. Von Sabatino wird die These vertreten, dass diese Kuppelform formal
der alten Apsis des Neapler Doms entsprach,326 was einen visuellen und damit
programmatisch wichtigen Bezug zwischen der Stiftung des aus dem Seggio di Capuana
stammenden
Adligen
und
der
dortigen
Hauptkirche
bedeuten
würde.
Die
Untersuchungen zum Dom werden jedoch bis heute kontrovers diskutiert und erlauben
aufgrund der unsicheren Rekonstruktion der ursprünglichen Gestalt kaum gesicherte
Rückschlüsse auf weitere Sakralbauten der Stadt.327 Dagegen lässt sich ein anderer
formaler Vergleich heranziehen. Besonders auffällig ist die Ähnlichkeit der Kapelle mit
jener wenig später und ebenfalls auf einem oktogonalen Grundriss errichteten Grablege
des damals einflussreichsten Feudaladligen Giovanni Antonio Orsini del Balzo in der
Franziskanerkirche Santa Caterina d’Alessandria im apulischen Galatina (Abb. 15).328
Die evidenten Parallelen in der Kapellengestaltung und der exponierten Lage hinter dem
Presbyterium geben einen Hinweis auf die Rezeption der Cappella Caracciolo del
Sole,329 deren damalige Prominenz als außergewöhnliche Familienkapelle in Süditalien
somit unterstrichen wird.
Die Kapelle erscheint in ihrer äußeren Form fast wie ein autonomer Zentralbau, der sich
nur mit einer Seite des Oktogons an die Kirche anfügt.330 Diese besondere Position
erklärt sich im Inneren von San Giovanni a Carbonara, denn nur dort ist sie mittels eines
breiten Durchgangs in der Ostwand des Rechteckchors zugänglich. Diese Wand wird
fast vollständig von dem zuvor besprochenen monumentalen Grabmal für König
Ladislaus von Anjou-Durazzo (Abb. 11) eingenommen. Der Zugang liefert auch für die
Datierung wichtige Anhaltspunkte, denn er ermöglicht einen zeitlichen Zusammenhang
326
Vgl. Sabatino, La fravica, 2002, S. 143 und S. 140, Abb. 5.
Siehe dazu Kap. IV.1.1.1.
328
Dazu auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 143. Sie nimmt an, dass der junge Orsini del Balzo den
neapolitanischen Vorläufer bei seiner Auftragsvergabe noch gut in Erinnerung hatte. Die Familie del
Balzo war ursprünglich aus Frankreich mit den Anjou nach Neapel gekommen und hatte sich dort seit
dem 13. Jahrhundert im Seggio di Capuana angesiedelt. Durch die Vereinigung mit der Familie Orsini
entstand im Laufe des 14. Jahrhunderts das feudaladlige Geschlecht der Orsini del Balzo. Die Kirche
Santa Caterina d’Alessandria wurde von Raimondello Orsini del Balzo in Galatina Ende des
14. Jahrhunderts gegründet und von seinem Sohn Giovanni Antonio 1460 vollendet, dabei wurde das
Oktogon erst Mitte des 15. Jahrhunderts an den Chor angefügt. Zur Kirche und der Familie siehe
Mersch/Ritzerfeld/Schiel, Differenzwahrnehmung, 2008; Cassiano/Vetere, Dal Giglio all’Orso, 2006;
Russo, La parola, 2005; Zimdars, Die Ausmalungen, 1988; Presta, La basilica, 1984; Antonaci, Gli
Affreschi, 1966, bes. Tafel 23.
329
Zur Cappella Caracciolo del Sole und dem Sergianni-Grabmal als Vorläufer für die Galatiner Kapelle
und deren Ausstattung siehe Zimdars, Die Ausmalungen, 1988, S. 158f.
330
Dadurch unterscheidet sie sich auch von der Galatiner Kapelle, die mit zwei Seiten an den
Rechteckchor der Kirche angrenzt. Als Vergleich könnte man hier die Hauptchorkapelle von
SS. Annunziata in Florenz anführen, die im Auftrag von Giovanni Francesco Gonzaga zwar ebenfalls auf
einem oktogonalen Grundriss und als Grablege, allerdings erst ab 1444 errichtet wurde. Siehe dazu auch
Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988.
327
70
Grit Heidemann-Schirmer
zwischen der Anfertigung des Königsgrabmals und dem Bau der Kapelle. Das
monumentale Wandgrabmal wurde zwischen 1414 und 1428 in zwei Phasen errichtet,
während die Kapellenstiftung Ende des Jahres 1427 erfolgte. Es ist also davon
auszugehen, dass es schon vor Vollendung des Königsgrabmals die Idee dieser Kapelle
oder zumindest eines weiteren Raumes gab, der sich dahinter anschließen sollte,
weshalb man einen Durchgang konzipierte. Parallel dazu wird aufgrund des
mangelnden Platzes im Chorbereich, der sich durch das Ladislaus-Grabmal ergab, die
Verlegung des Mönchschors in die Cappella Caracciolo del Sole vermutet. Darauf wird
an anderer Stelle zurückzukommen sein.
Vom Betrachterstandpunkt im Langhaus der Kirche wird die bewusst gewählte
Blickachse durch die Öffnung im Königsgrabmal zum genau in dieser Ausrichtung
aufgestellten Grabmal für Sergianni (Abb. 16) offensichtlich. Die Einbeziehung des
Betrachters unterstreicht einmal mehr die Intention des Stifters, sich als Nachfolger des
Königs in dessen Grablege zu proklamieren.
Das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole (1433–1449)
In dem politisch brisanten Entstehungskontext des Ladislaus-Grabmals, das vor allen
Dingen der Legitimation der letzten Anjou-Durazzo diente, wurde auch das Grabmal für
Sergianni konzipiert. Aufgrund der engen Beziehungen der Protagonisten zueinander
verwundert es nicht, dass die damaligen politischen Ereignisse einen unmittelbaren
Einfluss auf dessen Standort und Gestalt ausübten.
Das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole (Abb. 17) wird bis heute in der
Forschung kontrovers diskutiert, was zum einen den Zustand betrifft, der entweder als
teilweise zerstört oder unvollendet gilt.331 Zum anderen kann die Künstlerfrage nicht
abschließend geklärt werden,332 denn was die stilistische Zuordnung des Grabmals so
331
Die Forschung geht davon aus, dass es in zwei Phasen errichtet und nie vollendet wurde. Pane, Il
Rinascimento (I), 1975, S. 112, geht von einem Abbruch der Arbeiten aufgrund des plötzlichen Todes
Sergiannis aus. Das abrupte Ende des Grabmals verleitete Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S.48,
dazu, ein ursprünglich weiteres Geschoss zu vermuten, welches heute zerstört sei. Siehe zuletzt
Quinterio/Cocchieri, Il sepolcro, 2007.
332
Zwar wird Andrea di Guido da Firenze als beteiligter Künstler vermutet, doch nicht allein der Stil,
sondern vor allem seine zeitnahe Beteiligung in San Giovanni a Carbonara am Ladislaus-Grabmal und am
Grabmal des Ruggiero Sanseverino in der benachbarten Cappella Santa Monica werden als Argumente
angeführt. Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, weist darauf hin, dass das Werk keinem Bildhauer eindeutig
zuzuschreiben ist, während Venditti, Urbanistica, 1969, S. 804, für die erste Phase Andrea di Guido da
Firenze vermutet. Auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 86, nennt Andrea da Firenze und schreibt ihm die
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
71
schwierig macht, ist seine Konzeption, die sich ganz deutlich von dem traditionellen
Typus abhebt und einzigartig in Neapel bleiben sollte. Es handelt sich um ein
monumentales Wandgrabmal, das aus weißem Marmor gefertigt wurde, mit Gold- und
Farbverzierungen versehen ist und vor die östliche Kapellenwand gesetzt wurde, wo es
vom Kirchenschiff aus durch die Öffnung im Ladislaus-Grabmal auch heute noch gut
sichtbar ist (Abb. 16).333
Das Grabmal besteht aus drei Geschossen, die in ihrer Zusammensetzung noch den
traditionellen Aufbau der gotischen Monumente erkennen lassen, der auffällig oft an
den Grabmälern des alten Seggio-Adels übernommen wurde.334 Doch zugleich sind
auch viele innovative Elemente beigegeben, die der Frührenaissance zuzuordnen sind.
Das untere Geschoss wird von drei männlichen Stützfiguren in Gestalt antiker Krieger
getragen, die auf einem stark profilierten Sockel stehen. In der hinteren Reihe schließen
sich die Personifikationen von Macht und Herrschaft in Gestalt zweier alter Männer an,
die in antike Togen gekleidet und mit den Attributen Kugel und Säule sowie Turm und
Schwert gekennzeichnet sind. Diese fünfköpfige Figurengruppe ist für ihre Zeit höchst
innovativ, denn zuvor wurden fast ausschließlich weibliche Figuren – vorrangig die
Tugenden – als Karyatiden an Grabmälern eingesetzt.335 Als lokales Vorbild kann das
Grabmal für Ludovico Aldemorisco (Abb. 18) angeführt werden, das 1421 vom
Hofbildhauer Antonio Baboccio in San Lorenzo Maggiore errichtet worden war und an
den vier Stützpfeilern ebenfalls männliche Krieger präsentiert, die durch die
beigegebenen Inschriften mit Familienangehörigen des Verstorbenen zu identifizieren
sind.336 Über Neapels Stadtgrenzen hinaus findet sich dagegen kaum ein entsprechendes
Vergleichsbeispiel.337 Zu nennen wäre das in der Lombardei befindliche Grabmal für
Nischenpilaster zu. Ebenso Negri Arnoldi, La scultura, 1994, S. 131. Sowohl Filangieri di Candida, La
chiesa, 1924, S. 50, als auch Faraglia, La tomba, 1899, S. 23, halten dagegen einen lokalen Bildhauer für
das Grabmal verantwortlich und argumentieren im Hinblick auf die künstlerische Umsetzung, die im
Vergleich zum Ladislaus-Grabmal als qualitativ minderwertiger anzusehen sei. Zum Bildhauer Andrea di
Guido da Firenze und dem Ladislaus-Grabmal siehe noch einmal oben.
333
Auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 151, Anm. 50, verweist auf diese bewusste Setzung des
Caracciolo-Grabmals. Die Frage nach dem Standort des Kapellenaltars ist bis heute nicht genau geklärt.
Noch vor der Restaurierung der Kapelle war ein barocker Altar direkt vor dem Grabmal Sergiannis
aufgestellt, doch gibt es keinen Beleg dafür, dass sich hier auch der ursprüngliche Altar befunden hat. Auf
diesen verweisen Regina, Napoli antica, 1994, S. 230; Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 45.
Serra, Gli affreschi, 1909, S. 121, spricht gar von einem „insignificante e inutile altare“, so auch Faraglia,
La tomba, 1899, S. 22. Siehe vor allem die Abbildung bei Bock, Patronage, 2008, S. 581, Abb. 5.
334
Siehe dazu noch einmal oben.
335
Siehe dazu Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 230-232.
336
So auch Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 49. Zum Ludovico Aldemorisco-Grabmal
ausführlich siehe Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 187-190, 329-409 u. Kat. Nr. A 4, S. 433-436; Vitale,
Élite, 2003, S. 167-175.
337
Die Tugendfigur der Fortitudo von Nicola Pisano an der Kanzel im Pisaner Baptisterium wäre als
Vorläufer einer männlichen Stützfigur zu vermuten. Sie ist aber aufgrund ihrer klein dimensionierten
72
Grit Heidemann-Schirmer
Vitaliano und Giovanni Borromeo, das in Gestalt und Größe vergleichbare männliche
Stützfiguren aufweist.338 Diese als Krieger dargestellten Karyatiden sind aber erst später
entstanden, mit einer primär heraldischen Funktion konzipiert und tragen dem
Tugendkanon entsprechende Attribute.339
Die drei als antikisierte Krieger dargestellten Figuren am Sergianni-Grabmal tragen
Rüstungen, auf denen die Stifterembleme Sonne und Löwe wiederkehren.340 Ihre
Darstellung in antiker Kleidung erinnert an die Karyatiden des Grabmals für Kardinal
Rinaldo Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (Abb. 42), das wenige Jahre zuvor von
Donatello und Michelozzo geschaffen wurde und erstmals auf die Antike rekurrierende
Motive in die neapolitanische Grabmalslandschaft eingeführt hat.341
Weitere Gegenstände sind den Karyatiden am Sergianni-Grabmal beigegeben. Während
der linke Krieger mit seinem kurzen Gladus in Händen als der Jüngste der Gruppe zu
identifizieren ist, wirkt der rechte Krieger etwas älter. Er hält in der einen Hand die
körperlichen Überreste einer geköpften Schlange und in der anderen das verwendete
Beil. Der mittlere, bärtige Krieger erscheint als der Älteste der Gruppe. Er trägt die
Attribute eines der großen antiken Helden in seinen Händen, und zwar eine Keule und
einen offensichtlich damit erlegten Löwen. Der Verweis auf Herkules könnte nicht
deutlicher sein, auch wenn der Löwe das Wappentier der Caracciolo darstellt.342 Der
Mythos von Herkules beziehungsweise Herakles, der schon in der griechischen Antike
„als unsterbliches Ideal eines Mannes [galt], der sich, vom Schicksal dazu auserkoren,
dem Wohle der Menschheit opferte“343, war schon damals sehr populär. Doch hier
scheint es sich erneut um die Repräsentation konkreter Familienmitglieder zu handeln.
Mittelstellung zwischen den Säulen und dem Kanzelpult bei weitem nicht so präsent wie die kolossalen
Karyatiden am Sergianni-Grabmal. Siehe dazu u.a. Melcher, Die mittelalterlichen Kanzeln, 2000, S. 300;
Seidel, Die Kanzel als Bühne, 1993, S. 28f.
338
Schon Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 49, und Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, verweisen
beim Sergianni-Grabmal auf die nach 1445 errichteten Borromeo-Grabmäler auf der Isola Bella in
Oberitalien.
339
Siehe dazu ausführlich Gentilini, Virtù, 1997.
340
Jüngst hat Bock, Patronage, 2008, S. 582, darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Darstellung große
Parallelen zu den Rüstung tragenden Figuren „from the destroyed cycle of the uomini famosi painted by
Masolino, […], for Cardinal Orsini in Monte Giordano in 1432“ aufweist. Zu diesem Zyklus im Kontext
des Sergianni-Grabmals siehe auch Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008, S. 294f.
341
Siehe dazu Kap. IV.1.2.
342
Auch Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 246, identifiziert diese Figuren als „weltliche
Karyatiden“, die allerdings nicht als eindeutig erkennbare Familienmitglieder, sondern als „antikische
Helden“ zu interpretieren seien, welche eine mythologische Überhöhung der Caracciolo-Familie durch
die Präsenz ihrer Embleme veranschaulichen würden. Einen Interpretationsversuch als Herkules gibt
Bock jedoch nicht.
343
Wappenschmidt, Metamorphosen, 2004, S. 20. Auch Jorde, Cristoforo Landinos, 1995, S. 137, weist
darauf hin, dass der Herkules-Mythos eines der beliebtesten „Exempla“ innerhalb der Nobilitas-Debatte
des Quattrocento war und der antike Held als „wahrhaft Edler“ interpretiert wurde.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
73
Als Auftraggeber des Grabmals kann Sergiannis Sohn Traiano angeführt werden und so
ließe sich auch der Wunsch nach Rehabilitierung des Ermordeten im Verständnis seiner
Hinterbliebenen interpretieren. Demzufolge erscheint es plausibel, Sergianni als
historisches Exemplum des Herkules zu identifizieren, während der links daneben
befindliche junge Krieger offenbar seinen Sohn Traiano darstellt, der Krieger rechts
dagegen den jüngeren Bruder Sergiannis, Marino Caracciolo, auf den gleich noch
zurückzukommen sein wird.344
In der zweiten Ebene des Grabmals befindet sich der Sarkophag des Verstorbenen,
dessen Ecken risalitartig vorspringen und Muschelnischen mit den Tugenden
Magnanimitas und Fides enthalten. Auf der Frontseite ist mittig ein großes Relieffeld
eingelassen mit einem runden, von zwei geflügelten Genien gehaltenen Lorbeerkranz, in
dem sich die Familienembleme Löwe und Sonne befinden.345 Daneben schließen sich
halbplastische Krieger an, während der untere Rand des Sarkophags vegetabil
ornamentiert ist und drei Löwen als apotropäische Zeichen aufweist. Unterhalb des
Sarkophags ist das Familienwappen mit den Initialen des Stifters in gleicher Weise wie
außen an der Kapellenwand angebracht und an den Seiten wird der Erzengel Michael im
Kampf gegen den Drachen präsentiert. Über dem Sarkophag folgt ein hoher Rahmen in
Attikaform, der folgende, von dem Humanisten Lorenzo Valla,346 verfasste Inschrift
trägt:
„NIL
MIHI NI TITVLVS SVMMO DE CVLMINE DE[E]RAT. REGINA
MORBIS
INVALIDA
ET
SENIO/
F[O]ECVNDA
POPVLOS
PROCERESQVE IN PACE TVEBAR. PRO DOMIN[A]E IMPERIO
NVLLIVS ARMA TIMENS/ SED ME IDEM
344
LIVOR QVI TE
Diese drei Caracciolo würden damit nicht nur das legendär bis in die Antike zurückführende Alter
ihrer Familie, sondern auch deren Stärke in Gestalt siegreicher antiker Krieger versinnbildlichen. Zur
Interpretation dieser Figuren als „Familienangehörige des Bestatteten“ siehe auch Vitale, Èlite, 2003, S.
168, die zudem ebenfalls die mittlere Figur als Herkules interpretiert. Dies., Nobiltà, 2000, 385, macht
auch den Vorschlag, die drei Figuren als Sergiannis Brüder Marino und Urbano sowie Sergiannis Sohn
Traiano zu interpretieren. In ähnlicher Weise konnte Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 32, die männlichen
Karyatiden am Aldemorisco-Grabmal in San Lorenzo Maggiore als Familienmitglieder des Verstorbenen
identifizieren. Ebenso Vitale, Élite, 2003, S. 167. Auch Gentilini, Virtù, 1997, S. 50, versucht, die
Kriegerstatuen am Borromeo-Grabmal auf konkrete Familienmitglieder zu beziehen. Allgemein zur
„Genealogie als Denkform in Mittelalter und Früher Neuzeit“ siehe Heck/Jahn, Genealogie, 2000.
Außerdem Kellner, Ursprung und Kontinuität, 2004.
345
Die Darstellung des Verstorbenen als Porträt bzw. die Verwendung einer Inschrift in einem runden
Kranz, der von geflügelten Wesen, wie z.B. Eroten oder Victorien gehalten wird, war auf römisch-antiken
Sarkophagen seit der Mitte des 2. Jahrhunderts ein beliebtes Motiv. Allgemein dazu Koch, Sarkophage,
1993, S. 89f.
346
Diese Zuschreibung geben Caracciolo, Vita, 1843, S. 79, und De Stefano, Descrittione, 1560, S. 154.
So auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 88; Thoenes, Neapel, 1971, S. 158. Ausführlich zu Lorenzo
Valla (1407-1457) siehe Santoro, Valla e Napoli, 2007; Hoffmann, Philosophie in Italien, 2007, S. 217231. Im neapolitanischen Kontext vor allem Bentley, Politics and Culture, 1987, bes. S. 108-122.
74
Grit Heidemann-Schirmer
FORTISSIME C[A]ESAR. SOPITVM EXTINXIT NOCTE IVVANTE
DOLOS/ NON ME SED TOTVM LACERAS MANVS IMPIA REGNVM.
PARTHENOPESQVE SVVM PERDIDIT ALMA DECVS.“347
Die Inschrift spiegelt ganz offensichtlich die Auffassung Sergiannis wider, der
eigentliche Herrscher neben Johanna II. von Anjou-Durazzo zu sein, dem nur der
Königstitel fehle. Durch diese Forderung und gleichzeitige Verurteilung der Ermordung
Sergiannis wollte Traiano als Auftraggeber des Grabmals augenscheinlich den Vater
politisch rehabilitieren und dessen Taten sowie gleichermaßen sich selbst legitimieren.
Neben der Inschrift sind zu beiden Seiten weitere Figurennischen mit den Tugenden
Caritas und Temperantia in die Pfeiler eingelassen. Am Grabmal wurden demnach
traditionelle Tugenden eingesetzt, die zusammen mit den männlichen Personifikationen
der Macht und Herrschaft das Bild des ehemals politisch mächtigen Verstorbenen
moralisch-vorbildlich wiedergeben sollten, dabei aber eine Neuaufstellung aus dem
Sockelgeschoss in die Pfeilernischen erfahren haben. Die moralisch konnotierte
Auffassung wird durch die frontal gesetzte Herkules-Figur unterstrichen und erhält
damit zugleich eine heroisierende Komponente, die die Vermutung nahe legt, dass
Sergianni als vorbildhafter Ahnherr der Familie Caracciolo del Sole vermittelt werden
sollte.348
Über dem Inschriftfeld würde dem traditionellen Grabaufbau entsprechend die camera
funebris mit dem Gisant des Verstorbenen folgen, doch ist hier mittig eine Standfigur
Sergiannis in derselben Achse zur unten befindlichen Herkules-Figur aufgestellt.349 Sie
markiert zusammen mit den zwei flankierenden Löwen die dritte Ebene des Grabmals.
Der direkt vor dem Fenster gewählte Standort der Statue hinterlässt durch das stark
einfallende Licht einen etwas unausgewogenen ästhetischen Eindruck. Aus dem
vielfältigen Einsatz des Stifteremblems der Sonne am Grabmonument und im
Kapellenraum kann man jedoch schlussfolgern, dass der Einfall der Sonnenstrahlen
ganz bewusst für die Aufstellung des zum Gedenken auffordernden Stiftergrabmals
347
Folgendermaßen zu übersetzen: „Nichts fehlte mir oben auf dem Gipfel außer ein Titel. Weil die
Königin von Krankheit schwach und vom Alter gebeugt war, gab ich im Frieden Acht auf die Völker und
die Nachkommen, für das Reich der Herrin keine Waffen fürchtend. Aber als ich schlief, löschte mich aus
derselbe Neid, wie dich, tapferster Cäsar, tückenhaft im Schutze der Nacht. Nicht mich, sondern das
ganze Königreich hast du zerrissen, frevlerische Hand, und das holde Parthenope richtete zugrunde seine
Zier.“
348
Zur herausgehobenen Bedeutung des Ahnherrn für das Herkunftsbewusstsein adliger Familien siehe
auch Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990, S. 67 u. ff.
349
Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, geht davon aus, dass das Grabmal nie vollendet wurde und nimmt für
diese Statue die ursprünglich gedachte Position an der Spitze des Grabmals an.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
75
eingeplant worden war.350 Nicht nur durch diesen besonderen Standort, sondern auch in
ihrer Motivwahl ist diese Standfigur im Kontext der damaligen neapolitanischen
Grabmalslandschaft als einzigartig einzustufen.351
Wird der Blick für gewöhnlich nach Nord- und Mittelitalien gelenkt, um etwaige
Vorbilder zu finden,352 so kann man an dieser Stelle den Bezugsrahmen innerhalb
Süditaliens ziehen. In der schon oben besprochenen Familienkapelle der Orsini del
Balzo im apulischen Galatina findet sich am 1420–1430 gefertigten Grabmal für
Raimondello (Abb. 15a) eine vergleichbare vollplastische Stifterfigur, die den oberen
Abschluss bildet und als Ideenvorlage für das Sergianni-Grabmal gedient haben dürfte,
unabhängig ihrer nicht ganz eindeutigen stehenden oder knienden Position.353
Die Baldachinpfeiler des neapolitanischen Monuments schließen über zwei weiteren
Nischen mit einer darin aufgestellten Verkündigungsgruppe abrupt ab und unterstützen
den unvollendeten Charakter. Da uns Dokumente zur Auftragsvergabe fehlen, kann man
die Konzeptionsfrage heute nicht mehr eindeutig beantworten.354 Ein mögliches Indiz
zur Nichtvollendung des Sergianni-Grabmals liefert die kleine Inschriftentafel, die sich
links unter dem Stützengeschoss befindet und in der Forschung mit dem verloren
geglaubten obersten Geschoss in Verbindung gebracht wird.355 Sie lautet:
350
Ein Vergleich ließe sich hierzu mit der Arena-Kapelle in Padua ziehen, wo zu einem bestimmten
Zeitpunkt die Sonnenstrahlen direkt auf den Eingang des im Fresko verbildlichten Kapellenmodells
fallen, das der Stifter Scrovegni Maria darbietet. Siehe hierzu Thomas, Sonneneffekte, 1995, S. 284,
Abb. 5.
351
Auch Michalsky, Strukturiertes Gedächtnis, 2005, S. 213f., Anm. 37, bezeichnet diese Standfigur als
„in der Sepulkralplastik dieser Zeit noch ungewöhnlich“ und Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001,
S. 246, betitelt das Sergianni-Grabmal aufgrund der Standfigur als ein „Ehrenmal“, welches bis zu diesem
Zeitpunkt einzigartig in Neapel war.
352
Michalsky, Strukturiertes Gedächtnis, 2005, S. 213f., Anm. 37, führt beispielsweise das Grabmal für
Pietro Mocenigo in Venedig als Vergleichsbeispiel an, das jedoch erst in den späten 1470er Jahren
entstanden ist. Man könnte auch auf einzelne Grabmäler der französischen Könige aus dem
13. Jahrhundert verweisen, an denen erstmals die „Grabfigur als Standfigur“ auftritt. Vgl. Körner,
Grabmonumente, 1997, S. 146f. Schmidt, Typen, 1990, S. 22, wiederum nennt das Grabmal für Enrico
Scrovegni in der Paduaner Arena-Kapelle wiederum als den „Prototyp“ eines „Standbildes über dem
Grab“. Doch auch das wenig früher entstandene Grabmal in Galatina scheint eine Vorbildfunktion für das
Sergianni-Grabmal eingenommen zu haben.
353
Zum Grabmal für Raimondello Orsini del Balzo siehe Zimdars, Die Ausmalungen, 1988, S. 82-84, die
die Positionierung der Stifterfigur als nicht eindeutig beschreibt: „In der Mitte auf dem Gebälk steht oder
kniet eine wohl ehemals betende Figur.“ Vgl. ebd., S. 84.
354
Auch das um 1446-1463 gefertigte Grabmal für Giovanni Antonio Orsini del Balzo in der Galatiner
Kapelle gilt als unvollendet, doch zieht Zimdars, Die Ausmalungen, 1988, S. 159f. u. 173f., hier einen
formalen Vergleich mit dem Ladislaus-Grabmal. Durch diese bewusste Retrospektivität folgt es als
Legitimationsargument der einst mit dem König sehr eng verbundenen Familie der Orsini del Balzo. Zur
Beziehung der Familie Orsini del Balzo durch die Heirat der Witwe Maria D’Enghien mit König
Ladislaus von Anjou-Durazzo siehe ebd., S. 88f. Demgegenüber ist, wie oben schon angeführt, das
Sergianni-Grabmal eher mit dem Monument für Raimondello in Verbindung zu bringen.
355
Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 48-51. Allerdings lokalisiert auch schon D’Engenio
Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 160, diese Inschriftentafel unterhalb des Grabmonuments, woraus zu
schlussfolgern wäre, dass das Grabmal mit den beiden Inschriften entweder so konzipiert wurde oder
76
Grit Heidemann-Schirmer
„SYRIANNI CARAZOLO AVEL/ LINI COMITI VENVSII DVCI/ AC
REGNI MAGNO SENESCAL/ LO ET MODERATORI TRAIANVS/
FILIVS MELPHIAE DVX PARENTI/ DE SE DEQ[VE] PATRIA
OPTIME/ MERITO ERIGENDVM CVRAVIT/ MCCCCXXXIII.“356
Diese Inschrift verlieh nicht nur der Stiftung des Grabmals einen auf Dauer angelegten
Nachdruck, sondern sie verweist auf den hohen sozialen Status des Verstorbenen, der
zusammen mit seinem Sohn in den Titeladel aufgestiegen war.357 Es ist zu vermuten,
dass nach dem Tod von Traiano im Jahre 1449 die Arbeiten am Grabmal eingestellt
wurden und – meines Erachtens – der die Stifterfigur bekrönende Baldachin nicht zur
Vollendung kam.358 Dessen ungeachtet übernahm Marino Caracciolo offenbar die
Umsetzung der weiteren Kapellenausstattung, wodurch sie zu einer der ersten Kapellen
der Frührenaissance in Süditalien avancierte.359 In der Forschung geht man davon aus,
dass der Bau eine spätere Umgestaltung im Inneren erfahren hat, die mit der
Freskenausmalung in unmittelbarer Verbindung steht.360
Das Freskenprogramm der Kapelle
Sämtliche acht Wände der Cappella Caracciolo del Sole sind mit Fresken ausgemalt
(Abb. 19), die in verschiedene Register unterteilt und nachweislich von den Malern
Leonardo da Besozzo und Perinetto da Benevento angefertigt wurden.361
nach seiner Zerstörung, die noch vor D’Engenios Ausführungen von 1623 stattgefunden haben müsste, in
der heute sichtbaren Weise notdürftig zusammengesetzt wurde.
356
Folgendermaßen zu übersetzen: „Sergianni Caracciolo, dem Grafen von Avellino, Herzog von
Venusium, Großseneschall und Leiter des Reiches, der sich um ihn [Traiano] und das Vaterland bestens
verdient gemacht hat, besorgte der Sohn Traiano, Herzog von Melfi, die Errichtung [dieses Grabmals],
1433.“
357
In der bisherigen Forschung wird Sergiannis Sohn mit Troiano betitelt, während die Inschrift am
Grabmal den Namen TRAIANVS anführt. Da die Forschung keine Erläuterung für den von ihr
eingesetzten Namen liefert, folge ich der Inschrift und bleibe bei der Benennung des Sohnes als Traiano
Caracciolo. Ebenso bei Caracciolo, Vita, 1843, S. 70; De Stefano, Descrittione, 1560, S. 155. Auch
Lionello bezeichnet in seiner Stadtbeschreibung von 1444 Sergiannis Sohn als „Trayano“. Vgl. Foucard,
Fonti di storia napoletana, 1877, S. 735.
358
Das Todesjahr Traianos nennen Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008, S. 295; Arbace, Il
pavimento, 1998, S. 26.
359
Siehe u.a. Sabatino, La fravica, 2002, S. 143; Pagano, La cappella, 1998, S. 5; Pane, Il Rinascimento
(I), 1975, S. 112.
360
Siehe dazu u.a. Pagano, San Giovanni, 1999, S. 78; Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education,
1988, S. 45.
361
Zu beiden Malern, die unter den Fresken signiert haben, siehe vor allem Urbani, Leonardo da Besozzo,
1953; Donatone, Documenti, 1988. Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 45, geht
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
77
Mit Ausnahme des Eingangs im Westen und der östlichen Wand, vor der das
Stiftergrabmal aufgestellt ist, befindet sich in dem unteren Register die Thebais
(Abb. 20). Sie ist auf sechs aneinander gereihte Fresken verteilt und zeigt verschiedene
Szenen aus dem Leben der Eremiten. Die Auffassung Musellas, dass die dargestellten
Episoden zusammenhanglos aneinander gefügt seien,362 kann ein Vergleich mit der
etwa ein Jahrhundert früher entstandenen Thebais im Pisaner Camposanto revidieren.
Dabei handelt es sich zwar um ein einziges monumentales Fresko, in dem in drei
übereinander liegenden Bildzonen die Szenen aus dem Leben der Eremiten mit
erklärenden Inschriften veranschaulicht werden.363 Der Inhalt dieser Szenen, nämlich
das Leben der „ersten Eremiten und Mönche der Christenheit“364, ist jedoch
biographisch wiedergegeben und den Szenen in den Neapler Fresken sehr ähnlich. Auch
hier werden die Eremiten bei ihrer „ländliche[n] Handarbeit“365, im Gebet oder im
gemeinsamen Gespräch in einer hügeligen und kargen Landschaft, die nur teilweise von
Bäumen und wenig Architektur gegliedert wird, gezeigt. Daran schließen sich einzelne
Legendendarstellungen an,366 wobei die künstlerische Umsetzung ihrer jeweiligen
Entstehungszeit geschuldet ist.367 Was sich in der Cappella Caracciolo del Sole von den
Pisaner Szenen unterscheidet, sind die fehlenden inschriftlichen Erläuterungen. Die in
diesem Raum anwesenden Augustiner-Eremiten bedurften sicherlich keiner erklärenden
davon aus, dass Perinetto da Benevento zwischen 1454 und 1459 in Neapel tätig war. Serra, Gli affreschi,
1909, S. 124f., liefert dazu dokumentarische Belege. Laut Pagano, La cappella, 1998, S. 6, war Leonardo
da Besozzo 1438 in der Neapler Kirche San Lorenzo Maggiore tätig. Cirillo Mastrocinque, Leonardo da
Besozzo, 1978, S. 44, gibt den Zeitraum von 1433 bis 1454 für den Neapel-Aufenthalt Leonardo da
Besozzos an. Zu diesem siehe auch Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008; Serra, Gli affreschi, 1909,
S. 131-134, der die Jahre 1428, 1454, 1456, 1458 und 1488 als dokumentarisch belegte Aufenthalte
Leonardo da Besozzos in Neapel nennt. Für die neben den Fenstern dargestellten Heiligen wird zudem
ein dritter, unbekannter Maler vermutet. Urbani, Leonardo da Besozzo, 1953, S. 301, nennt Antonio da
Fabriano, so auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 87. Zu diesem siehe u.a. Cleri, Antonio da Fabriano,
1997.
362
Vgl. Musella, Napoli, 2000, S. 274.
363
Dieses Fresko wurde von Buonamico Buffalmacco zwischen 1330 und 1345 gemalt. Ausführlich dazu
siehe Frojmovič, Eine gemalte Eremitage, 1989.
364
Ebd., S. 201.
365
Ebd., S. 205. Eine ausführliche Bildbeschreibung, jedoch ohne Nennung von Namen der Dargestellten,
gibt Serra, Gli affreschi, 1909, S. 122-124.
366
So finden wir zum Beispiel sowohl in Pisa als auch in Neapel zum einen die Szene, in der der tote
Onuphrius von Paphnutius „mit Hilfe zweier Löwen [...] begraben wird“, zum anderen die Ordensheiligen
Paulus Eremita, Antonius und Hilarion im Kampf gegen den Teufel. Vgl. Frojmovič, Eine gemalte
Eremitage, 1989, S. 204. Musella, Napoli, 2000, S. 274, nennt für die Neapler Szenen zwar auch diese
Ordensväter, meint jedoch, in fast allen Fresken den Hl. Augustinus zu erkennen.
367
Fast zeitgleich zu der Thebais in Neapel sind die Eremiten-Szenen in der Kirche S. Salvatore in
Lecceto entstanden, welche eine ähnlich detaillierte Architekturkulisse präsentieren, die der
Entstehungszeit zuzurechnen ist. Die Fresken in Lecceto haben jedoch einen anderen thematischen
Schwerpunkt als in Neapel und Pisa. Zu diesen Eremiten-Szenen siehe u.a. Marcelli, Il deserto, 2000,
S. 135-142. Etwas früher, um 1420 entstanden die Darstellungen aus dem Leben des Hl. Antonius in der
Kirche Sant’Agostino in Gubbio, die jedoch weder inhaltlich noch stilistisch in Relation zu den Fresken
in der Cappella Caracciolo del Sole zu setzen sind. Dazu Elliott, Augustine, 2007, S. 123f.
78
Grit Heidemann-Schirmer
Inschriften, da sie die Vitae Patrum kannten und somit auch die Darstellungen mit den
Legenden identifizieren konnten. Demgegenüber war im Pisaner Camposanto vor allem
das Laienpublikum als Rezipient für die Thebais vorgesehen, die zu ihrer
Entstehungszeit eine völlig neue Ikonographie lieferte.368
Eine Szene fällt in der Cappella Caracciolo del Sole besonders auf, die in Pisa nicht
vorhanden ist. Sie zeigt zwei Mönche, die zusammen mit einem Engel musizieren
(Abb. 21). Diese Episode gab Trinchieri Camiz Anlass dazu, der Kapelle eine
Zweitfunktion als Mönchschor zuzuschreiben.369 Ihr Argument dazu ist die detailgenaue
Wiedergabe eines zeitgenössischen Musikinstruments, das der Organologe Edwin M.
Ripin „as one of the earliest depictions of the clavichord“370 bezeichnet, und das die
Musik interessierten Augustiner-Eremiten offensichtlich kannten, ja sicherlich sogar
selbst nutzten.371
Eine mögliche Verlagerung des Mönchschors nach der Aufstellung des Königsgrabmals
im Presbyterium in die Kapelle liegt nahe, wie ein Vergleich mit anderen Kapellen
zeigt.372 In den Apsiden beziehungsweise in den Chorkapellen der mittelalterlichen
Augustiner-Kirchen wurden bevorzugt Szenen aus dem Marienleben dargestellt.373 Die
Cappella Caracciolo del Sole folgt als eine Chorscheitelkapelle dieser augustinischen
Tradition.374 Ob sie dabei auch die Funktion als Mönchschor übernahm, ist zwar nicht
eindeutig zu beantworten, soll aber durch die hier aufgeführten Thesen zur weiteren
Diskussion gestellt werden.
Über dem Kapelleneingang und an den flankierenden Seitenwänden sind in den oberen
Registern Szenen aus dem Leben der Jungfrau Maria dargestellt (Abb. 22).375 Dabei
handelt es sich um die „Marienkrönung“ als größtes Fresko im Raum, weiterhin die
368
Siehe dazu Frojmovič, Eine gemalte Eremitage, 1989, S. 205.
Vgl. Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 54.
370
Zitiert nach ebd., S. 41f., Anm. 2.
371
Zur Musikausbildung bei den Augustiner-Eremiten siehe ebd., S. 59. Wie wichtig den Mönchen die
Musik war, zeigen die Konstitutionen des Augustiner-Eremiten-Ordens, die vorschrieben, dass jeder
größere Konvent eine Gesangsschule beinhalten müsse und dass nur diejenigen Novizen aufgenommen
würden, die fähig zum Singen seien. Siehe Gutièrrez, Geschichte des Augustinerordens, 1985, S. 13; ebd.,
1982, S. 122.
372
Siehe dazu auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 141f. Trinchieri Camiz, Augustinian Musical
Education, 1988, S. 55f., zieht dazu den Vergleich mit der Chorkapelle in SS. Annunziata und anderen
Florentiner Kirchen.
373
Siehe dazu Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 46. Laut Reinle,
Zeichensprache, 1984, S. 165, war es seit dem Mittelalter üblich, den Chorkapellen das
Marienpatrozinium zu übertragen. Ebd., S. 175, verweist auf den spätantiken Vorläufer, die Sancta Maria
Rotunda in Rom.
374
Thoenes, Neapel, 1971, S. 158, betitelt die Positionierung der Kapelle hinter dem Chor nach „Art
hochgotischer Marienkapellen“. Im Vergleich dazu siehe auch die mittelalterlichen englischen Lady
Chapels.
375
Eine ausführliche Beschreibung der Szenen gibt Serra, Gli affreschi, 1909, S. 127-131.
369
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
79
„Geburt der Jungfrau“ und darüber die „Verkündigung“ links sowie der „Tempelgang
Marias“ und der „Marientod“ rechts. Die Leserichtung dieser fünf Szenen kreuzt bei
jedem Wechsel von einem Bild zum anderen die „Marienkrönung“ und kulminiert
schließlich in diesem bedeutendsten Motiv der Verherrlichung der Mutter Gottes.
Bezeichnenderweise wurde das Grabmal des Kapellenstifters direkt gegenüber
aufgestellt, so dass sich dieser seines Seelenheils im Angesicht der himmlischen
Fürbitterin vergewissern konnte.
Darüber hinaus wurde Sergianni in einigen Szenen identifiziert. So findet man ihn in
der linken unteren Ecke der „Marienkrönung“, wo er – Filangieri di Candida zufolge –
mit weiteren „Männer[n] aus dem Hause der Caracciolo“ dargestellt ist.376 Dadurch
wird das Heilsgeschehen zum Bild im Bild, vor dem der Stifter, neben anderen, betet. In
gleicher Weise ist seine Anwesenheit im Fresko „Geburt der Jungfrau“ (Abb. 22a) zu
verstehen, dessen
Hauptszene Anna im
Wochenbett darstellt,377 vor deren
Treppenzugang der Kapellenstifter auftritt. Die Mutter Marias wird hier von mehreren
Frauen umringt, unter denen Delle Foglie die Ehefrau Sergiannis, Caterina Filangieri, in
ihrer zeitgenössischen Kleidung mit dem gemeinsamen Sohn Traiano erkannt hat.378
Verfolgt man diese historische Bezugnahme weiter, dann ließe sich jene Person, die
direkt hinter Sergianni am Pfeiler steht, mit seinem jüngeren Bruder Marino
identifizieren, dem die Figur rechts hinter dem Stiftergrabmal augenscheinlich
entspricht. Die Anwesenheit Sergianni Caracciolo del Soles neben weiteren
Familienangehörigen als historische Exempla war offensichtlich darauf ausgerichtet,
den in diesem Raum betenden Mönchen die Stifterfamilie dauerhaft vor Augen zu
führen und an die vertraglich festgehaltene Seelenfürsorge zu erinnern.
In den fünf anschließenden Wänden sind um die Lanzettfenster die vier Evangelisten
mit den zwölf Aposteln (Abb. 23) angeordnet,379 von denen Petrus und Paulus
(Abb. 23a) das Stiftergrabmal zu umringen scheinen. Unterhalb dieser beiden Heiligen
erkennt man zwei kleiner dimensionierte weltliche Personen, die mit ihrer
376
Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 54. Außerdem Cirillo Mastrocinque, Leonardo da Besozzo,
1978, S. 43-48.
377
Zu dieser in der italienischen Frührenaissance geläufigen Szene siehe Sachs/Badstübner/Neumann,
Wörterbuch, 2004, S. 35. Außerdem Feigel, S. Anna im Wochenbett, 1914/15.
378
Vgl. Delle Foglie, Leonardo da Besozzo, 2008, S. 296, die in der den Betrachter ins Bild führenden
Figur am linken unteren Bildrand zudem den ausführenden Maler Leonardo da Besozzo vermutet.
379
Eine Identifizierung der Heiligenfiguren hat in der bisherigen Forschung kaum stattgefunden.
Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 56, tut deren Bedeutung als dekorativen Schmuck ab. Allein
Urbani, Leonardo da Besozzo, 1953, S. 301, versucht eine partielle Interpretation, verweist jedoch auf
den schlechten Erhaltungszustand der Fresken, der die Identifizierungen erschwert. Er verweist erstmals
auf die Evangelisten. Vgl. ebd., S. 303f., Abb. 8-12.
80
Grit Heidemann-Schirmer
zeitgenössischen Kleidung und ihrer Körperdrehung eine visuelle Verbindung mit dem
am Grabmal vergegenwärtigten Verstorbenen eingehen. Eine mögliche Interpretation
als Traiano und Marino Caracciolo wie schon bei den Stützfiguren am Grabmal wäre
nahe liegend und wird an anderer Stelle noch einmal aufgegriffen.
Weitere Ausstattungselemente in der Kapelle
Der Fußboden der Kapelle ist komplett mit aufwendig gestalteten Majolika-Fliesen
(Abb. 24) dekoriert,380 die auf das Grabmal Rücksicht nehmen und post quem zu
datieren sind. Sie geben florale, geometrische und figürliche Dekorvariationen wieder,
die um drei emblematische Motive arrangiert sind. Dabei handelt es sich erneut um die
Sonne und den Löwen als Familienembleme der Caracciolo del Sole sowie um ein „M“,
das seine formale Entsprechung auf der Grabplatte für Marino Caracciolo (Abb. 25)
rechts neben dem Grabmal seines Bruders Sergianni findet.381 Marino begnügte sich
offenbar mit einer einfachen Grabplatte, auf der das Familienwappen und seine Initiale
wiedergegeben sind. In der Umrandung wird sein Todesdatum, der 12. März 1467,
genannt, das einen wichtigen Anhaltspunkt für die Datierung der Kapelle liefert.
Die Datierungsproblematik der Kapelle
Wie im Laufe dieser Untersuchung zur Cappella Caracciolo del Sole ersichtlich wurde,
stellt sich eine genaue Datierung der Kapelle als problematisch dar. Es stehen mehrere
Daten zur Verfügung, die den architektonischen Bau und die Kapellenausstattung
zeitlich unterschiedlich einordnen. Daher werden die Jahreszahlen im Folgenden noch
einmal aufgeschlüsselt und in eine chronologische Reihenfolge gebracht.
Die Stiftung der Kapelle erfolgte nachweislich in zwei Schritten im Jahre 1427. Bis zum
Tod des Auftraggebers 1432 war der Bau schon so weit vorangeschritten, dass eine
Bestattung Sergiannis darin ermöglicht werden konnte. Das Grabmal wurde im darauf
folgenden Jahr begonnen, wie es die kleine Inschriftentafel dokumentiert. Auftraggeber
war der Sohn des Kapellenstifters, Traiano Caracciolo. Offenbar gerieten die Arbeiten
380
381
Siehe dazu vor allem Middione, Storia, 1998.
Zu Marino Caracciolo siehe Petrucci, Caracciolo, 1976; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 130f.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
81
am Grabmonument nach dem Tod der letzten Königin aus dem Hause Anjou-Durazzo
1435 ins Stocken, da die darauf folgenden kriegerischen Zustände in Neapel kaum eine
Weiterführung erlaubten und auch Traiano zeitweilig eingesperrt sowie aller Güter und
Titel beraubt war. Seine Rehabilitierung und Wiederaufnahme des Titels als Herzog von
Melfi im Jahre 1441,382 der in der kleinen Inschrifttafel am Grabmal erwähnt wird,383
lassen vermuten, dass ab diesem Zeitpunkt die Fertigstellung des Grabmals
vorangetrieben wurde. Im darauf folgenden Jahr kam es zum Dynastienwechsel in
Neapel, indem Alfons von Aragon den Thronfolgestreit für sich entschied. Die wenig
später einsetzenden, auf die antiken Wurzeln der Stadt zurückweisenden Impulse,
welche durch die Förderung humanistischer Gelehrter vom neuen Königshof
ausgingen,384 fanden auch ihren Niederschlag am Sergianni-Grabmal, sowohl in der
motivischen Umsetzung als auch in der Valla-Inschrift über dem Sarkophag. Es ist
davon auszugehen, dass die Arbeiten am Grabmal im Todesjahr von Traiano Caracciolo
(†1449) schließlich beendet wurden und der Baldachin nicht mehr seine Ausführung
fand.
Dessen
ungeachtet
übernahm
Marino
Caracciolo
die
Vollendung
der
Kapellenausstattung. Die Ausmalung des Kapellenraumes und die Gestaltung des
Fußbodens wurden insofern erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen. Dies lässt
sich zum einen mit den Neapel-Aufenthalten der beiden ausführenden Maler Leonardo
da Besozzo und Perinetto da Benevento belegen, aus denen zu schlussfolgern ist, dass
die Fresken in den 1450er Jahren entstanden sind. Sehr wahrscheinlich waren die
Konventsmitglieder von San Giovanni a Carbonara am Freskenprogramm beteiligt, das
vielleicht noch in Absprache mit dem Kapellenstifter geplant worden war, da dieser in
zwei Szenen dargestellt ist und auch sein Grabmal einen axialen Bezug auf die
„Marienkrönung“ nimmt. Als eigentlicher Auftraggeber der Fresken ist jedoch Marino
382
Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 126, führt dagegen das Jahr 1443 zur Wiederaufnahme des
Herzogtitels an Traiano durch den neuen König Alfons von Aragon an.
383
Bock, Antiken- und Florenzrezeption, 2001, S. 246, nimmt an, dass das Grabmal noch vor dem Tod
Sergiannis begonnen wurde, weil dieser 1432 darin seine letzte Ruhestätte fand. Die Epigraphik der
separat gesetzten Inschriftentafel ist laut Bock eine stilistisch andere als jene über dem Sarkophag, welche
wiederum vergleichbar mit den Inschriften am Ladislaus-Grabmal vom Ende der 1420er Jahre wäre.
Andere deuten die separat gesetzte Inschrift als Hinweis auf die Errichtung des Grabmals im Jahre 1441,
begründet durch die Betitelung Traianos als „Melphiae Dux“. Siehe u.a. Pagano, San Giovanni, 1999,
S. 86; Trinchieri Camiz, Augustinian Musical Education, 1988, S. 45. Filangieri di Candida, La chiesa,
1924, S. 51, nimmt eine Unterbrechung der Arbeiten während der Thronfolgestreitigkeiten zwischen den
Angiovinen und Aragonesen nach dem Tod der Königin 1435 bis zum Wechsel der Dynastien 1442 an.
Auch er geht von einem Beginn der Aufstellung im Jahr 1432 aus.
384
Siehe dazu vor allem Beyer, Parthenope, 2000 und Bentley, Politics and Culture, 1987.
82
Grit Heidemann-Schirmer
Caracciolo zu nennen,385 der offensichtlich auch den Majolikafußboden stiftete und sich
neben seinem älteren Bruder bestatten ließ.386 Sein auf der Grabplatte genanntes
Todesjahr 1467 bildet gleichsam den terminus ante quem für die Vollendung der
Familienkapelle.
Die Funktion und der Bedeutungsgehalt der Kapelle
Die Cappella Caracciolo del Sole erfüllte mehrere Funktionen, die sich in ihrer
Architekturform und dem Ausstattungsprogramm manifestierten.387 Sie wurde primär
von Sergianni als Familiengrablege in Auftrag gegeben, was durch die vorhandenen
Gräber bestätigt wird. Ihr besonderer Standort als Chorscheitelkapelle, die zudem
weitaus mehr Platz als der davor befindliche Rechteckchor bot, eröffnete den ansässigen
Augustiner-Eremiten einen neuen Raum für die Liturgie. Dass diese Kapelle nach der
Einengung
des
Presbyteriums
durch
das
monumentale
Königsgrabmal
eine
Zweitfunktion als Mönchschor erfuhr, findet einen argumentativen Rückhalt im
Freskenprogramm, an dessen Konzeption die Konventsmitglieder sicherlich beteiligt
waren.388 Die bildkontemplative Thebais ermöglichte den anwesenden Mönchen eine
Gottesschau in eremo, die für sie zur Rückbesinnung auf ihre grundlegenden Werte im
Angesicht der angrenzenden großen Stadt von fundamentaler Bedeutung war.
Darüber schließen sich die Heiligen und die Szenen aus dem Leben der Gottesmutter an,
welche einen spirituellen Übergang für die in diesem Raum betenden Mönche
ermöglichten. Gleichsam konnte sich der Stifter um die Fürsorge seines Seelenheils
durch die hier stattfindende liturgische Memoria und im Angesicht der in den Fresken
thematisierten himmlischen Fürbitter sicher sein.
385
Laut Arbace, Il pavimento, 1998, S. 28, soll Marino Caracciolo den Maler Leonardo da Besozzo für
die Fresken beauftragt haben. Wenn die Vermutung stimmt, dass es sich bei den beiden äußeren
Karyatiden an der Frontseite des Sergianni-Grabmals um Traiano links und Marino rechts handelt, die
ihre Entsprechung in den beiden gemalten Figuren hinter dem Grabmal finden, dann könnte man
schlussfolgern, dass Marino auch im auf das Kapellenpatronat Bezug nehmenden Fresko der „Geburt der
Hl. Jungfrau“ vertreten ist. Es sei noch einmal auf die Figur hingewiesen, die direkt hinter Sergianni an
der Ecke des Loggiabogens steht und eine gestalterische Ähnlichkeit mit der Person zeigt, welche in
gemalter Version rechts hinter der Standfigur des Verstorbenen am Grabmal erscheint.
386
Zum Wunsch Marinos, in der Kapelle seines Bruders bestattet zu werden, siehe Petrucci, Caracciolo,
1976, S. 413.
387
So auch Sabatino, La fravica, 2002, S. 141: „[...] una duplice funzione: funeraria e liturgica, luogo di
sepoltura di un nobile personaggio e coro dei frati“.
388
Allgemein zum Einfluss des Klerus auf die beauftragten Bildinhalte im sakralen Raum siehe auch
Boerner, Bildwirkungen, 2008.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
83
Sergianni Caracciolo del Sole hat eine Familienkapelle errichten lassen, die zwar das
Bestattungsrecht für sich und seine Nachkommen vorsah, doch letztlich seiner
Selbstinszenierung als damals mächtigster Adliger Neapels diente. Strategisch wichtig
war dafür die Standortwahl. Er ließ sie nicht in der Hauptkirche seines Seggio innerhalb
der Stadtmauern errichten, sondern angrenzend an die königliche Grablege in San
Giovanni a Carbonara. Das Marienpatrozinium wurde dabei in Absprache mit den
Konventsmitgliedern bewusst gewählt, um die exponierte Lage in Form einer
Chorscheitelkapelle zu legitimieren und sich der Fürsorge um sein Seelenheil zu
versichern.389 Zugleich konnte die Kapelle ihren Zugang unmittelbar mit dem
Erinnerungsmonument der letzten Familienmitglieder der Anjou-Durazzo verbinden,
denen Sergianni seine einzigartige Machtposition verdankte. Durch ihre Größe und
prestigeträchtige Form kam diese Stiftung hinsichtlich der relativ klein dimensionierten
Königskirche jedoch eher einem Akt der Hybris gleich – eine Darbietungsweise, die
sich in der Verschwörung um ihn und in seiner Ermordung bestätigt findet.
Mit dem einzigen Zugang zur Kapelle, der als Durchgang vom Presbyterium unter dem
Königsgrabmal
konzipiert
wurde,
sind
die
beiden
politisch
motivierten
Erinnerungsräume eng miteinander verzahnt und zugleich voneinander abgegrenzt. An
der Decke des Durchgangs sind zwei Wappen nebeneinander eingelassen (Abb. 26), die
in doppelter Form das königliche Emblem der beiden letzten Anjou-Durazzo
wiedergeben, deren Konterfeie sich direkt in der Ebene darüber befinden.
Bezeichnenderweise sind diese Wappen in ihrer Ausrichtung so eingelassen, dass der
Betrachter sie beim Heraustreten aus der Cappella Caracciolo del Sole in das
Presbyterium in heraldisch richtiger Form erkennen kann. Die königlichen Embleme
weisen demzufolge unmissverständlich darauf hin, wem der Kirchenraum als
Erinnerungsort vorbehalten war. Demgegenüber stellte die Chorscheitelkapelle einen
Ort zur Verfügung, der zur Demonstration der einzigartigen Machtstellung des in den
höchsten Rang der neapolitanischen Oberschicht aufgestiegenen Stadtadligen Sergianni
Caracciolo del Sole diente.
Die Ausstattung der Cappella Caracciolo del Sole wurde unter den Anjou-Durazzo
begonnen, doch erst Jahrzehnte später, als die aragonesische Dynastie in Neapel
regierte, vollendet. Infolge des politischen Machtwechsels vollzog sich auch ein Wandel
in der neapolitanischen Kunst, der in der hier vorgestellten Kapelle besonders
anschaulich wird. Architektonisch ist sie, entgegen ihrer äußeren oktogonalen Gestalt,
389
So auch Michalsky, Strukturiertes Gedächtnis, 2005, S. 214.
84
Grit Heidemann-Schirmer
im Innern als Rotunde konzipiert.390 Auch das Stiftergrabmal bricht aus der lokalen
Grabmalstradition aus, indem es neue Motive liefert, die mit dem Antikenverständnis
der am aragonesischen Königshof geförderten humanistischen Kultur einhergehen. Es
stellt damit einen wichtigen stilistischen Wendepunkt in der neapolitanischen
Grabmalskunst zwischen der Spätgotik und der Frührenaissance dar, dem sich auch
zahlreiche Darstellungen im Freskenprogramm anschließen.
Der Rückgriff auf diese damals hochaktuelle Kunstform ist nicht allein mit der
exklusiven Selbstinszierung des Kapellenstifters zu erklären, dem sein Biograf und
Nachfahre Tristano Caracciolo ein aktuelles Modebewusstsein attestierte.391 Auch die
Hinwendung von Traiano und Marino zum aragonesischen Königshof wird bei der
Auswahl dieses innovativen Formenvokabulars mit ausschlaggebend gewesen sein.
Für die vorliegende Studie von großem Belang ist demnach die Feststellung, dass
Sergiannis unmittelbar nachfolgende Verwandten, nämlich sein Sohn Traiano und
dessen Onkel Marino, die Familienkapelle im Sinne des Stifters vollendet und die
genealogische Memoria zugunsten der Repräsentation eines Einzelnen weitgehend
vernachlässigt haben. Während auf Sergianni unzählige Male in und an der Kapelle
verwiesen wird, so tauchen Traiano und Marino nur vereinzelt in Gestalt historischer
Exempla am Grabmal sowie in den Fresken auf.392 Das Bestattungsrecht für
Familienangehörige wurde insofern auch nur von Marino in Anspruch genommen,
dessen einfache Grabplatte jedoch keinerlei Konkurrenzpotential gegenüber dem
Sergianni-Grabmal bietet, sondern sich diesem ganz unterordnet. Traiano wird hingegen
nur nominell in der kleinen Inschriftentafel aufgeführt mit dem Hinweis auf sein
Herzogtum Melfi, wo seine Grabstätte zu vermuten ist, aber letztlich nicht belegt
werden kann.
Gegenüber den anderen adligen Grablegen des frühen 15. Jahrhunderts in Neapel ist die
Cappella Caracciolo del Sole demnach divergent, da an ihrer Vollendung mehrere
Akteure beteiligt waren. Dem Stifter sind die noch zu seinen Lebzeiten ausgeführte
Umsetzung der gotisch anmutenden Architektur der Kapelle ebenso wie die traditionelle
Konzeption des Grabmalsaufbaus zuzurechnen, wodurch sein Selbstverständnis als dem
exklusiven, alteingesessenen Adel zugehörig vermittelt wird. Nach Sergiannis
390
Siehe dazu Quinterio/Cocchieri, Il sepolcro, 2007, bes. S. 99-103.
Vgl. Caracciolo, Vita, 1843, S. 78: „Vestivasi ognora di vesti guernite di armellino e di oro, il più
delle volte eleganti per la novità [...].” Dazu auch allgemein Borggrefe, Stil, 2008, S. 116f.: „Moden
entwickeln sich aus eudämonischem Glauben an die Kraft des visuell Neuen. Magnetisch wirken sie auf
jene, die sozialen Erfolg wollen und sich deshalb dem Neuartigen anschmiegen.“
392
Siehe noch einmal die oben besprochenen Sockelfiguren am Sergianni-Grabmal, das Fresko „Geburt
der Jungfrau“ und die Darstellungen unter den Hll. Petrus und Paulus hinter dem Grabmal.
391
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
85
Ermordung und der zeitweiligen Verhaftung Traianos musste sich die Familie
Caracciolo del Sole in der neapolitanischen Gesellschaft neu positionieren, wozu der
Dynastienwechsel eine geeignete Möglichkeit bot. Durch die Rückgabe des Herzogtitels
an den Sohn Traiano und der Förderung des Bruders Marino sicherte sich der neue
König Alfons von Aragon die Loyalität dieser einst durch Sergiannis Position in Neapel
so mächtigen Familie. Zugleich waren es diese Nachkommen, die sich zwar als Erben
des ehemals mächtigen Ahnherrn verstanden, doch nun am aragonesischen Hof eigene
Karrieren verfolgten und sich demzufolge mit diesem neuen Umfeld identifizierten. Die
in der Familienkapelle sichtbaren Formfindungsprozesse werden demnach erst durch
die Berücksichtigung der drei aufeinander folgenden Auftraggeber verständlich, welche
zwar die Inszenierung eines Einzelnen umsetzten, doch durch ihr jeweiliges
Zugehörigkeitsbewusstsein zugleich eine Verschmelzung von alten und neuen Formen
in einem Kapellenraum ermöglichten.
Im Folgenden wird eine weitere Kapelle vorgestellt, die nahezu zeitgleich an die
königliche Grablege angebaut wurde. Ihre Auftraggeber waren ein Feudaladliger und
seine Ehefrau, deren Konkurrenz- und Rivalitätsverhalten gegenüber den bisher
thematisierten Protagonisten frappierender nicht sein könnten.
III.3. Die Cappella Santa Monica – Provokante Nähe eines rebellierenden
Feudaladligen
Am östlichen Ende des Kirchenlanghauses schließt sich nach Süden die Cappella Santa
Monica an (Abb. 10). Das Besondere an der Kapelle ist nicht nur der separate Eingang,
der sich dem Betrachter als erstes präsentiert, wenn er die Stufen zur Kirche – damals
wie heute – emporsteigt (Abb. 8), sondern auch die imposante Ausdehnung (Abb. 27)
im Vergleich zur angrenzenden Königsgrablege. Durch diesen Zugang und ihre Größe
wird die Cappella Santa Monica zuweilen auch als eigenständige Kirche („chiesa“)
betitelt und taucht demzufolge in manchen Grundrissen von San Giovanni a Carbonara
nicht auf.393
393
Als „chiesa” wird sie bezeichnet von Venditti, Urbanistica, 1969, S. 810; Filangieri di Candida, La
chiesa, 1924, S. 27f. u. 126. Bei Pagano und Thoenes fehlt sie wiederum im Grundriss der Kirche. Vgl.
Pagano, San Giovanni, 1999, S. 81, Abb. 54; Thoenes, Neapel, 1971, S. 154.
86
Grit Heidemann-Schirmer
Die rechteckige Kapelle ist im Grundriss nach Norden orientiert, einschiffig und
zweijochig mit gerade abschließender Altarwand, die gleichzeitig die Südwand des
Presbyteriums der Augustiner-Eremiten-Kirche bildet. Die innere Zweijochigkeit wird
außen durch die Strebepfeiler angedeutet, die in ihrer Ausführung jenen der Cappella
Caracciolo del Sole sehr ähneln und zeitnah entstanden sein dürften. Konkrete Daten
zur Stiftung der Cappella Santa Monica sind nicht überliefert, weshalb die Datierung
des Kirchenkomplexes und die Berücksichtigung der historischen Belege zum
Kapellenstifter sowie eine vergleichende Analyse der Architektur und Ausstattung als
Datierungshilfen herangezogen werden müssen.
Die Positionierung von San Giovanni a Carbonara auf einer Anhöhe erforderte eine
Treppe, die den südlichen Kircheneingang mit dem davor gelagerten Platz verbinden
sollte. Die auch heute noch den gesamten Vorplatz dominierende riesige Treppenanlage
stammt jedoch erst aus dem 18. Jahrhundert, während man für das frühe 15. Jahrhundert
von einer sehr viel einfacheren Anlage ausgehen muss, die ihre Bestätigung in der
Stiftung durch Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo im Jahre 1434 findet.394 Eine
Hilfe zur Rekonstruktion dieser ursprünglichen Treppe bietet die Darstellung der Kirche
auf verschiedenen historischen Stadtplänen. So erkennt man zum Beispiel auf dem
schon erwähnten „Baratta-Plan“395 von 1629 (Abb. 14) eine gerade aufsteigende, oben
an die Cappella Santa Monica anschließende Treppe. Als problematisch stellt sich dabei
allerdings der Zugang zur Kirche dar, denn die Kapelle bot keinen Durchgang. Nimmt
man eine frühere Darstellung von San Giovanni a Carbonara auf dem „Lafréry-Plan“396
von 1566 hinzu (Abb. 28), so kann man davon ausgehen, dass jene Treppe zwar in der
oben beschriebenen Form existiert hatte, sie aber nicht direkt mit der Cappella Santa
Monica verbunden war, sondern an den Vorhof der Kirche anschloss, welcher genug
Platz dafür bot.
In der sog. „Platea“, einer Abschrift der Archivalien des Konventes aus dem
18. Jahrhundert, findet die Kapelle erst ab 1546 Erwähnung, doch konnte Filangieri di
Candida überzeugend darlegen, dass sie weitaus älter ist und zeitlich mit der Errichtung
des Stiftergrabmals konform geht.397 Die Cappella Santa Monica wurde von dem
Feudaladligen Ruggiero Sanseverino di Bisignano und seiner Frau Covella Ruffo vor
394
Zur Errichtung einer neuen Treppe durch die Königin siehe noch einmal Anm. 278.
Ausführlich zum „Baratta-Plan” siehe noch einmal Anm. 325.
396
Ausführlich zum „Lafréry-Plan“ siehe Michalsky, Gewachsene Ordnung, 2008, S. 271-272 u. Abb. 2;
De Seta, Napoli, 1997, S. 55-97; Grieco, La pianta, 1992.
397
Vgl. Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126f.
395
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
87
seinem Todesjahr 1433 gestiftet.398 Sie war als Familienkapelle der Barone „dei
Sanseverino Principi di Bisignano“399 den Hll. Philippus und Jakobus geweiht und
diente den Augustinermönchen als Oratorium mit dem Zweitnamen Santa Monica, der
auch heute noch geläufig ist. Der Monica-Kult steht interessanterweise in einem zeitlich
engen Zusammenhang, denn die Reliquien der Mutter des Ordensheiligen Augustinus
wurden 1430 unter Papst Martin V. von Ostia nach Rom in die dortige AugustinerEremiten-Kirche S. Agostino transloziert.400
Diese hochaktuelle Überführung der Gebeine jener Heiligen, die auch für den
neapolitanischen Augustiner-Eremiten-Orden von konstitutiver Bedeutung war, ist als
Anlass
für
Demgegenüber
die
Zweitweihe
war
Konventsmitgliedern
sie
in
der
ihrer
vorbehalten,
Sanseverino-Kapelle
Zweitfunktion
als
sodass
die
sich
sehr
wahrscheinlich.
Oratorium
Frage
allein
nach
den
ihrer
öffentlichkeitswirksamen Zugänglichkeit stellt. Betrachtet man dabei ihre äußere
Gestalt, insbesondere was das Eingangsportal betrifft, so wird die Inszenierungsabsicht
der Stifterfamilie auch über den Fürbittanspruch, der sich im Innern der Kapelle
manifestiert, offensichtlich.
Für den hier untersuchten historischen Kontext von großem Belang ist die Tatsache,
dass die Barone Sanseverino di Bisignano am Aufstand gegen König Ladislaus von
Anjou-Durazzo beteiligt waren, während Ruggieros Frau, Covella Ruffo, Gräfin von
Sessa, jene Verschwörergruppe gegen Sergianni Caracciolo del Sole anführte, die für
seine Ermordung verantwortlich war.401 Diese politische Brisanz ist für die
Kapellenerrichtung im Umfeld von San Giovanni a Carbonara, also genau jenem Ort,
der sowohl von König Ladislaus als auch von Sergianni als repräsentative Grablege
ausgewählt worden war, von außerordentlicher Bedeutung. Dem Kirchenbesucher, dem
der Zugang allein von Süden aus möglich ist, wird die imposante Größe dieser Kapelle
mit den bezeichnenden Stifterwappen der Sanseverino und der Ruffo am Eingangsportal
schon vom öffentlichen Platz aus gewahr, bevor er überhaupt die eigentliche Kirche
398
Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 47, gibt darüber hinaus Covella Ruffos Todesjahr 1445 an.
Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126.
400
Siehe dazu Barcellona, Monika, 1993. Zur Hl. Monika und ihrem Sohn Augustinus, der sich mit ihrem
Tod in seinen „Confessiones“ auseinandersetzt, siehe Bernhard, Augustinus, 1972, bes. S. 23-28, 110113, 137-159. Zur Kirche S. Agostino in Rom außerdem Buchowiecki, Handbuch der Kirchen Roms,
1967, S. 296-308.
401
Zum Baronenaufstand gegen König Ladislaus siehe noch einmal Kap. II.4. Zu Ruggiero Sanseverino
in diesem Kontext siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 215f. u. 378. Schon Summonte, Dell’ Historia (III),
1675, S. 492f., bezeichnet die Sanseverino als die „capi della rivolta“. Zu Covella Ruffo und ihrer
führenden Rolle bei der Verschwörung gegen Sergianni siehe Galasso, Il Regno, 1992, S. 303;
Caracciolo, Vita, 1843, S. 67-69 u. 72.
399
88
Grit Heidemann-Schirmer
betreten kann. Erst dort wird ihm deren Bedeutung als „ecclesia reale“ sowie als
Repräsentationsort des damals mächtigsten Adligen visuell vermittelt.
Im Folgenden wird die Cappella Santa Monica von außen nach innen vorgestellt. Dabei
sind die Synthese von Portal und Grabmal und deren inhärente Repräsentationsstrategie
ihrer Auftraggeber besonders in den Blick zu nehmen.
Das Kapellenportal
Der Zugang zur Kapelle erfolgte durch ein reich dekoriertes marmornes Eingangsportal
(Abb. 29), das stilistisch in enger Beziehung und demzufolge in zeitlicher Nähe zum
benachbarten südlichen Kirchenportal von San Giovanni a Carbonara steht.402
Das Portalgewände ist besonders aufwendig gestaltet. Es besteht aus einer Kombination
von breiten Pilastern und schmalen Säulen, die im Sockel miteinander verkröpft sind.
Die Pilaster werden über dem Architrav und dem Gesimsband nach oben weitergeführt,
wo sie den gedrückten Spitzbogen mit dem darüber abschließenden Wimperg rahmen.
Die Pfeiler sind durch jeweils vier Muschelnischen gegliedert, die vollplastische
Statuetten beherbergen. Dabei handelt es sich zum einen um die Verkündigungsgruppe
im oberen Teil,403 zum anderen um weibliche Heilige, die links von oben nach unten die
Hll. Barbara, Katharina und Agatha sowie auf der rechten Seite die Hll. Ursula,
Apollonia und Anastasia darstellen.404 Über dem Sockel und dem Gesimsband schließen
sich vier Wappen an, die repräsentativ für beide Stifterfamilien stehen.405 Dabei
befindet sich das Wappen der Sanseverino unten links und jenes der Familie Ruffo
unten rechts, während im oberen Bereich beide Wappen miteinander vereint sind.
Die Pilaster und der Wimperg werden von weiteren Statuen bekrönt, die als Maria in
der Mitte, der Kirchenpatron Johannes dem Täufer (links) und der Ordensheilige
Augustinus (rechts) identifiziert werden können. Im darunter befindlichen Tympanon
wurde ein Fresko eingelassen, das die Himmelfahrt Marias darstellt, das jedoch später
402
Pagano datiert das Kapelleneingangsportal in das erste Viertel des 15. Jahrhunderts, ohne auf den
deutlichen Rückbezug zum Kirchenportal einzugehen, welches zwischen 1427-30 zu datieren ist. Vgl.
Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96. Venditti hingegen erwähnt, dass das Kirchenportal schon vollendet
war, als mit dem Portal an der Cappella Santa Monica begonnen wurde. Vgl. Venditti, Urbanistica, 1969,
S. 809.
403
Hier erkennt man links den Erzengel Gabriel und rechts Maria.
404
Siehe dazu Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96; Thoenes, Neapel, 1971, S. 159.
405
Siehe noch einmal Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126. Auf die Zuordnung der Wappen
unten verweist auch Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
89
zu datieren ist. Über dem Portal ist ein profiliertes Rundfenster angebracht, das heute
jedoch kein Licht mehr in den Kapellenraum hineinlässt, da es von innen geschlossen
wurde.
Hervorzuheben ist, dass das Portal der Cappella Santa Monica in Form und Gestaltung
ganz offensichtlich das im Innern befindliche Stiftergrabmal vorwegnimmt.406 Die
Errichtung von Kirchenportalen zeigt in Neapel eine Entwicklung,407 die sich von der
lokalen Grabmalstradition ableiten lässt. Bock hat aufgezeigt, dass sich spätestens mit
dem Bildhauer Antonio Baboccio eine gestalterische Bezugnahme von Portalen und
Grabmälern in Neapel etabliert hat.408 Als wichtiges Beispiel im Vergleich mit der hier
thematisierten Kapelle ist das noch zu besprechende Eingangsportal des Domes San
Gennaro in Bezug zum Grabmal des Kardinals Enrico Minutolo zu nennen, das
deutliche formale Parallelen erkennen lässt (Abb. 40 u. 38).409 Das Domportal wurde
von Minutolo 1406 in Auftrag gegeben und avancierte in den folgenden Jahrzehnten
zum formalen Vorbild für viele weitere sepulkrale Eingangsportale Neapels.410 Die
Ähnlichkeit im Aufbau ist auf den ersten Blick im Vergleich mit dem Portal zur
Cappella Santa Monica ersichtlich. So wie am Domportal eindeutige Hinweise auf die
Selbstinszenierungsstrategie des Stifters Minutolo gegeben sind,411 so zeigt auch das
Portal der Cappella Santa Monica eine deutliche Repräsentationsabsicht der
Stifterfamilie Sanseverino, die sich gegen das Königshaus aufgelehnt hatte.
Wenn auch im gesamten Mittelalter die Portale von Sakralbauten eine symbolische
Funktion als Porta coeli einnahmen und man daraus resultierend einen Einfluss dieses
Motivs auf die im Innern befindlichen Grabmäler erwartet, so ist diese Schlussfolgerung
406
Auch Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 127, betont die Imitierung des Sanseverino-Grabmals
am Kapellen-Eingangsportal.
407
Siehe Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, S. 6 u. 161ff.; Bock, Antiken- und Florenzrezeption,
2001, S. 249, Anm. 11.
408
Vgl. Bock, Kunst am Hofe, 2001. Grabmäler in Form von Kirchenportalen gab es auch schon früher in
Frankreich. So ist z.B. das Doppelgrabmal für Otger den Dänen und seinen Knappen Benedikt zu nennen,
das um 1160 in Saint-Faron die beiden Verstorbenen auf einer Tumba liegend und von einem typisch
französischen Portalgewände umrahmend zeigt. Vgl. Körner, Grabmonumente, 1997, S. 65 u. Abb. 51. In
seiner Umrahmung durch Pilaster mit Fialen und einem krabbenbesetzten Wimperg, den neapolitanischen
Typus schon in etwa vorwegnehmend, präsentiert sich auch das Grabmal Dagoberts in St.-Denis, das um
1250/60 in Anlehnung “an ein gotisches Kirchenportal mit Säulenfiguren und Tympanonreliefs” gefertigt
wurde. Vgl. ders. 1997, S. 86f. u. Abb. 67.
409
Siehe dazu Kap. IV.1.2.
410
Siehe Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 14.
411
Laut ebd., S. 21ff., verweist das Bildprogramm am Domportal auf die Verbundenheit des Stifters mit
dem Königshaus. Dass sich Enrico Minutolo aber auch als privilegiert verstand aufgrund seines
erworbenen Kardinalsstatus und seiner Zugehörigkeit zum höchsten Seggio di Capuana erklärt erst
hinreichend diese prominente in Szenesetzung am Eingang der wichtigsten Kirche der Stadt.
90
Grit Heidemann-Schirmer
in Neapel zu revidieren. Hier haben die schon viel früher etablierten angiovinischen
Grabmäler eine Vorbildrolle für die Kirchen- und Kapellenportale gespielt. Als ein
weiteres lokales Vergleichsbeispiel lässt sich die Cappella Pappacoda (Abb. 30)
anführen, die ebenfalls ein opulentes und schon in den historischen Reiseführern viel
gerühmtes Eingangsportal aufweist, das zum öffentlichen Platz hin der Kapelle einen
autonomen Charakter ähnlich wie bei der Cappella Santa Monica verleiht.412 Im
Gegensatz dazu wird hier jedoch nicht auf das im Innern befindliche Grabmal Bezug
genommen, da der Stifter Artusio Pappacoda sich mit einer schlichten Grabplatte im
Chorbereich begnügte. Dennoch vermittelt das Portal den Sepulkralcharakter der
Kapelle in gleicher Weise, wie dieser am Eingangsportal der Cappella Santa Monica
durch die formale Vorwegnahme des Stiftergrabmals verdeutlicht wird.
Das Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano (nach 1433)
Das in der Forschung bisher wenig beachtete Grabmal für Ruggiero Sanseverino
(†1433) wurde vor der nördlichen, gerade abschließenden Altarwand der saalartigen
Kapelle aufgestellt (Abb. 31).413 Sein Todesjahr und die überlieferten Daten des
nachweislich am Grabmal arbeitenden Bildhauers Andrea da Firenze, der schon am
Ladislaus-Grabmal beteiligt war und Neapel spätestens im Jahre 1440 verließ,414
markieren den Datierungszeitraum für das Monument. Es besteht aus vier Ebenen, die
sehr deutlich dem angiovinischen Grabmalstypus folgen.
Das Stützengeschoss wird von drei Karyatiden gebildet, welche von links nach rechts
die drei Theologaltugenden Spes, Fides und Caritas personifizieren und den Sarkophag
darüber tragen. Dieser Kastensarkophag, an dem noch Reste von Gold- und
Farbverzierungen erkennbar sind, wird durch fünf Reliefs gegliedert, in denen
halbplastische Sitzstatuen eingearbeitet wurden. Dabei ist das mittlere Feld doppelt so
breit wie die seitlichen Pendants gearbeitet und sehr aufwendig verziert. Zudem trägt es
412
Zur 1415 errichteten Cappella Pappacoda und dem Eingangsportal, das von Antonio Baboccio
gefertigt wurde, siehe Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 67-89; Abbate, La Cappella Pappacoda, 1989;
Petrelli, La cappella Pappacoda, 1991; Del Pezzo, La cappella, 1898; D’Engenio Caracciolo, Napoli
Sacra, 1623, S. 257-258.
413
Ein Grund für die rudimentäre Forschungslage ist die äußerst schwierige Zugänglichkeit zur Kapelle,
die seit Jahrzehnten geschlossen ist und nur vom zuständigen Pfarrer geöffnet wird.
414
Siehe Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 126-131. Die Zuweisung als Werk des Andrea da
Firenze wird durch zwei Signaturen des Künstlers am Grabmal, speziell „am Sarkophag und am
Dachgesims“, bestätigt. Vgl. Thoenes, Neapel, 1971, S. 159. Siehe auch Venditti, Urbanistica, 1969,
S. 803; Pagano, San Giovanni, 1999, S. 96; Negri Arnoldi, La scultura, 1994, S. 130f.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
91
die Künstlerinschrift, die direkt oberhalb der von einem Rundbogen gerahmten und von
Engeln umgebenen Madonna mit dem Christuskind angebracht ist. Links schließen sich
in den motivisch neuartigen und aufwendig gestalteten Muschelnischen die
Hll. Johannes der Täufer und Katharina an, denen rechts Lucia und Johannes
Evangelista folgen.415 Die Seitenplatten des Sarkophags zeigen zudem den
Ordensheiligen Augustinus links sowie den Ordensbruder Nikolaus von Tolentino
rechts (Abb. 31a).
Über dem Sarkophag ist ein schmales Feld eingelassen, das sehr wahrscheinlich die
Inschrift präsentierte, die heute jedoch nicht mehr zu entziffern und auch nicht
überliefert ist. Darüber befindet sich in der dritten Ebene die camera funebris, die zwei
den Vorhang zur Totenkammer aufhaltende Engel präsentiert. Auch die Liegefigur des
Verstorbenen entspricht in ihrer Rüstung und den beigegebenen Hunden am Fußende
jener traditionellen Darstellung, auf die an anderer Stelle schon eingegangen wurde. Das
Walmdach der Kammer ist mit einem Girlandenrelief und dem Familienwappen
verziert, während darüber die Kreuzigungsgruppe mit Christus, Maria und Johannes
dem Täufer aufgestellt ist.
Das Grabmal wird schließlich von einem mit dem segnenden Christus dekorierten
Wimperg bekrönt, den vier mächtige Pfeiler tragen, die wiederum auf kleinen
Postamenten ruhen, auf denen die Stifterwappen wiederkehren. Die Pfeiler werden bis
auf Höhe des Walmdaches von jeweils drei Muschelnischen gegliedert, in denen die
zwölf Apostel aufgestellt sind, die das zur Fürbitte auffordernde Bildprogramm des
Monuments unterstreichen. In den beiden unteren Nischen der vorderen Pilaster sind die
Hll. Petrus und Paulus (Abb. 31b) noch inschriftlich benannt. An den beiden vorderen
Pilastern folgen im oberen Teil Moses, Elias und die Verkündigungsgruppe, die auch
am Kapellenportal den oberen Abschluss bildet.416
Vor allem die architektonische Rahmung des Grabmals markiert einen direkten
formalen Bezug zum Eingangsportal der Kapelle und dürfte demnach in einem zeitlich
engen Zusammenhang stehen. Während jedoch außen am Portal vornehmlich weibliche
Heilige präsentiert werden, treten im Innern der Cappella Santa Monica hauptsächlich
männliche Heilige am Grabmal auf, was auf den Repräsentationsanspruch beider
Ehepartner, Ruggiero Sanseverino und Covella Ruffo, zurückzuführen sein dürfte.
Demgegenüber findet sich kein visueller Bezug zu den Patronen der Kapelle, Jakobus
415
Diese Identifizierung gibt auch Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 130. Zu dem Motiv der
Muschelnischen siehe auch Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, S. 49, bes. Anm. 96.
416
Diese Zuschreibungen gibt Filangieri di Candida, La chiesa, 1924, S. 130.
92
Grit Heidemann-Schirmer
und Philippus.417 Allein ein Triptychon, das als ursprüngliches Ausstattungsstück der
Kapelle im Fotoarchiv der Soprintendenza von Neapel aufgeführt wird und stilistisch
ins frühe 15. Jahrhundert zu datieren ist, zeigt vermutlich die Hl. Monika – deren junges
Aussehen, soweit erkennbar, jedoch von der traditionellen Ikonographie abweicht –
neben ihrem Sohn, dem Hl. Augustinus, auf dem rechten Flügel. Währenddessen ist auf
dem Mittelfeld die von Engeln umgebene, auf einem reich verzierten Thron sitzende
Madonna mit dem Christuskind präsentiert, der sich auf dem linken Flügel Johannes der
Täufer und Johannes Evangelista anschließen.418 Wo dieses Triptychon innerhalb der
Kapelle einst angebracht gewesen war, ist nicht mehr rekonstruierbar. Man kann davon
ausgehen, dass es für den Kapellenaltar vorgesehen war.
Die zahlreichen Heiligenfiguren, die das Grabmal für Ruggiero Sanseverino
schmücken, lassen Rückschlüsse auf die Frömmigkeitsauffassung des Kapellenstifters
zu, der sich in diesem den Mönchen als Oratorium dienenden Raum vorrangig seiner
Seelsorge vergewissern wollte. Demgegenüber fanden die Zurschaustellung seines
sozialen Status’ und seiner individuellen Machtstellung, ebenso wie jene seiner Frau,
ihre Vermittlung im Außenbereich der Kapelle, der für die Zeitgenossen öffentlich
zugänglich, also sichtbar war.
Im Vergleich zur Cappella Caracciolo del Sole mutet die Cappella Santa Monica in
ihrer Form und Ausstattung eher traditionell und für die Entstehungszeit retrospektiv an.
Nur wenige Elemente am Stiftergrabmal, wie der Rundbogen, die Muschelnischen und
die Kämpferblöcke, zeugen von dem schon an der Caracciolo-Kapelle besprochenen
Formenwandel, der sich in Neapel zur Jahrhundertmitte abzeichnete. Diese
rückweisende Ausrichtung der Erinnerungsmonumente scheint im Sinne einer
konservativen Repräsentationsstrategie der neapolitanischen Feudaladligen zu stehen,
die laut Bentley „[…] wenig Interesse an der Hochkultur zeigten.“419 Die Barone
verstanden sich vielmehr als privilegierte Feudaladlige, die ihre altehrwürdige Herkunft
mithilfe
eines
traditionellen,
auf
die
Vergangenheit
zurück
gerichteten
Formenvokabulars ähnlich wie die alteingesessenen Seggio-Adligen zu vermitteln
suchten, denn Alter war traditionsgebunden. Dazu bildeten die Kunstformen aus
417
Die Kapelle war vermutlich mit weiteren Kunstwerken, wie z.B. Fresken, ausgestattet, die aber heute
aufgrund der mangelhaften Quellenlage und dem desolaten Erhaltungszustand nicht mehr ermittelt
werden können.
418
Die genaue Datierung und Künstlerzuschreibung des Triptychons können aufgrund des
Quellendesiderates nicht abschließend geklärt werden.
419
Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 48.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
angiovinischer
Zeit
passende
Vorlagen,
da
sie
93
die
entsprechenden
Gruppenzugehörigkeiten visuell eindrücklich vermittelten.420
Die Cappella Santa Monica wirkt vom Platz aus durch ihre verhältnismäßige Größe und
durch ihren separaten Eingang wie ein autonomes Gebäude. Dass der Eingang nicht
vom Kircheninnern aus gewählt wurde, ist sicherlich mit der späteren Entstehung der
Kapelle gegenüber der bis dato vollendeten Kirche San Giovanni a Carbonara zu
erklären. Trotz der Abgeschlossenheit vom Kirchenraum wird der Stifter den Wunsch
gehabt haben, sein Grabmal so dicht wie möglich zum Hauptaltar, ad sanctos, aufstellen
zu lassen. Die Positionierung direkt vor der Nordwand der Kapelle, die gleichzeitig die
Südwand des Presbyteriums bildet, wird diesem Wunsch gerecht.
Es erscheint dennoch offensichtlich, dass Ruggiero Sanseverino ganz bewusst die
Trennwand zum Kirchenpresbyterium beibehalten wollte, um sich von dem dort
kommemorierten König zu distanzieren und einen für die Mönche weitaus
repräsentativeren Eingang zur Kapelle vom öffentlichen Platz aus zu ermöglichen. Die
enorme Größe im Vergleich zur dahinter befindlichen Kirche verstärkt dieses
Repräsentationsbedürfnis des Stifters.421 Ein dadurch ersichtliches Konkurrenzverhalten
des Feudaladligen zum königlichen Kirchenstifter, ebenso wie seiner Frau zum damals
mächtigsten Stadtadligen, wird historisch durch die Beteiligung am Aufstand unter
Ladislaus und der Ermordung Sergiannis untermauert. Daher lässt sich die Cappella
Santa Monica in ihrer äußeren Gestalt als provokante Zeichensetzung eines gegen das
Königshaus der Anjou-Durazzo rebellierenden Feudaladligen interpretieren, während
der Kapelleninnenraum ganz im Zeichen seiner Frömmigkeit gegenüber den dort
betenden Mönchen steht.
III.4. Zusammenfassung des Kapitels
Die kleine Augustiner-Eremiten-Kirche San Giovanni a Carbonara avancierte in der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zum Austragungsort politischer Rivalitäten, die mit
dem Herrschaftsniedergang der Anjou-Durazzo einhergingen. Während sie durch die
Neugründung von Ladislaus zu Beginn des Quattrocento als königliche Grablege
ausgebaut wurde, kam es nahezu zeitgleich mit der Schwächung der Dynastie zu
420
Siehe noch einmal die verschiedenen „Lager“ der Adligen in Kap. II.4.
„Die geläufigste Art, eine soziale oder politische Überlegenheit geltend zu machen, ist das Imponieren
durch quantitative Größe.“ Vgl. Warnke, Politische Architektur, 1984, S. 14.
421
94
Grit Heidemann-Schirmer
weiteren Kapellenanbauten, die bezeichnenderweise von Adligen gestiftet wurden,
welche in einem politisch brisanten Konkurrenzverhältnis nicht nur untereinander,
sondern auch zum Königshaus standen. An der Standort- und Formwahl ihrer Kapellen
und
Grabmäler
trat
dieses
besondere
Beziehungsgeflecht
der
Protagonisten
öffentlichkeitswirksam zutage.
Das Kircheninnere steht ganz im Zeichen der Memoria König Ladislaus’ von AnjouDurazzo. Sein Grabmal dominiert den sakralen Raum in einer maximal möglichen
Weise und verdeutlicht dem Betrachter unmissverständlich, dass es sich hier um die
königliche Grablege der letzten Throninhaber aus dem Hause Anjou-Durazzo handelt,
„die unter Karl dem Ersten ihren Anfang hatten.“422 Es verwundert daher nicht, dass
sich die eigentliche Initiatorin dieses Grabmals, Johanna II. von Anjou-Durazzo, neben
ihrem verstorbenen Bruder in der Ebene der Majestas-Darstellung als gleichberechtigt
darstellen ließ, um so ihre legitime Nachfolge der mittlerweile geschwächten Dynastie
den Zeitgenossen noch zu ihren Lebzeiten zu proklamieren.
Dagegen war es Sergianni Caracciolo del Sole offensichtlich erst nach dem Tod seines
königlichen Förderers möglich, zum einen auf einzigartige Weise am königlichen Hofe
aufzusteigen und zum anderen eine Familienkapelle in Auftrag zu geben, die in einem
räumlich engen Bezug zur Grablege der letzten Anjou-Durazzo stand, diese jedoch bei
weitem übertreffen sollte. In ihrer nahezu autonomen und in den Ausmaßen gewaltigen
Gestalt
vermittelt
die
Cappella
Caracciolo
del
Sole
das
individuelle
Repräsentationsbedürfnis eines Stadtadligen, der in Neapel unter der Protektion der
letzten Königin zu höchstmöglichen Ämtern und Titeln gelangt war.423 Diese singuläre
Machtposition Sergiannis wurde innerhalb seines Standes als Bedrohung der sozialen
Ordnung empfunden, weshalb es zu einer Verschwörung gegen ihn kam, die 1432
seinen Tod zur Folge hatte. Dennoch wurde die Selbstinszenierungsstrategie des
ehemals mächtigsten Adligen von seinem Sohn Traiano und seinem Bruder Marino in
Form der Kapelle vollendet, deren Ausstattung bildprogrammatisch vor allen Dingen
auf die Glorifizierung und Rehabilitierung des Stifters ausgerichtet war.
Die Cappella Santa Monica scheint in diesem Kontext wie eine Antwort auf die
Caracciolo-Kapelle zu wirken. Auch sie vermittelt durch ihre imposante Größe und vor
allem ihre Lage, die dem vom öffentlichen Platz aus kommenden Kirchenbesucher
suggeriert, es handele sich beim Kapelleneingang um den Zugang zu San Giovanni a
422
Zitat aus der Grabinschrift. Vgl. Anm. 284.
Zu seiner besonderen Position siehe auch Caracciolo, Vita, 1843, S. 77: „[…] la gloria di quello
altissimo personaggio […].“
423
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
95
Carbonara, das Repräsentationsbedürfnis eines Feudaladligen, der sich den königlichen
Normen widersetzte. So verweist das aufwendig gestaltete Kapellenportal – in Form der
Wappen – auf die beiden Stifter Ruggiero Sanseverino und Covella Ruffo, die
nachweislich in einem eklatanten Konkurrenzverhältnis zum König und zum damals
mächtigsten Adligen standen. Während Ruggiero Sanseverino am Baronenaufstand
gegen Ladislaus von Anjou-Durazzo beteiligt war, so gehörte Covella Ruffo zu jener
Verschwörergruppe, die Sergianni Caracciolo del Sole ermordet hatte. Die Vorlagerung
der Cappella Santa Monica vor der recht klein dimensionierten königlichen Grablege,
scheint bewusst konzipiert worden zu sein. Dies war ebenso der Fall bei der Cappella
Caracciolo del Sole, die ihre exzeptionelle Lage hinter dem Presbyterium jedoch mittels
ihrer Funktion als Chorscheitelkapelle legitimierte.
Die politische Brisanz der Konstellation der am Kirchenbau beteiligten königlichen und
adligen Auftraggeber fand somit bereits in der Standort- und Formwahl der beiden
thematisierten Adelskapellen ihren sprechenden Ausdruck. In der Architektur und
Ausstattung der Kirche San Giovanni a Carbonara manifestiert sich die Konfrontation
jener sozialen Gruppen, die sich in Neapel zu arrangieren hatten.
Resümierend lässt sich feststellen, dass der politische Umbruch in Neapel, der das Ende
der Anjou-Durazzo und den Beginn der Herrschaft unter den Aragonesen Mitte des
15. Jahrhunderts markiert, im Ausstattungsprogramm von San Giovanni a Carbonara
deutlich zutage tritt. Erst durch die Schwächung der Dynastie konnten die großen
neapolitanischen Adelsfamilien ihre Machtansprüche in solch prägnanter Weise zur
Schau stellen. Der Rückgriff auf das traditionelle lokale Formenrepertoire wurde dabei
vor allem als Anciennitätsnachweis der eigenen Herkunft sowie als Verweis auf die
mittlerweile als vorbildhaft empfundene Epoche der Anjou-Könige eingesetzt, wie dies
am Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano ersichtlich wird. Schon der
königliche Kirchenstifter Ladislaus von Anjou-Durazzo und seine Schwester nutzten
dieses retrospektive Formenrepertoire zur Proklamierung ihrer gerechtfertigten
Thronnachfolge, die besonders nach der Rückkehr in die süditalienische Hauptstadt aus
dem über zehn Jahre dauernden Exil der Dynastie notwendig war. Erst mit der
Beteiligung des Adligen Sergianni Caracciolo del Sole und seiner dem aragonesischen
Königshaus treu ergebenen Verwandten an dem Bauprojekt der Augustiner-EremitenKirche wurden auch innovative Elemente in den bestehenden Formenkanon der
Architektur, Skulptur und Malerei eingeführt, die den Weg zur Frührenaissance in
96
Grit Heidemann-Schirmer
Neapel bereiteten und die humanistischen Tendenzen ankündigten, welche sich am
Hofe der Aragonesen wenige Zeit später etablieren sollten.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
97
IV. DIE MAGGIORE NOBILTÀ DES SEGGIO-ADELS:
DEMONSTRATION VON EXKLUSIVITÄT
Zur Maggiore Nobiltà des neapolitanischen Seggio-Adels gehörten die Familien aus
Capuana und Nido, die sich aufgrund ihres Alters und insbesondere aufgrund ihrer
neapolitanischen Herkunft als höchste Adelskorporationen innerhalb der Stadt
verstanden. Ihr privilegiertes Selbstverständnis, das sich auch aus der Übernahme
höchster Kirchen- und politischer Ämter speiste, führte einerseits zu einem
Gruppenbewusstsein, das sie gesellschaftlich abgrenzte von den anderen Adligen in
Neapel, andererseits zu einer Formulierung von Einzelinteressen, mithilfe derer man
sich im Beziehungsgeflecht der Korporationen hervorheben wollte. Diese besonders
ausgeprägte Ambiguität der höheren Seggio-Adligen spiegelt sich auch in ihrer
Grablegepraxis in Neapel wider, die in diesem Kapitel genauer untersucht werden soll.
Dabei wird der Frage nachgegangen, inwieweit sie ihre Exklusivitätsansprüche im
Kontext der gesellschaftlichen Veränderungen, die sich zum Ende des 15. Jahrhunderts
in Neapel abzeichneten, geltend und – anhand ihrer Grabmäler und Familienkapellen –
sichtbar machten.
IV.1. Abgrenzung nach außen
Die Familien der neapolitanischen Maggiore Nobiltà sind als eine Gruppe zu verstehen,
die sich in ihrer sozialen Vorrangstellung von den anderen Adligen zu distanzieren
suchte.424 Insbesondere durch die Konfrontation mit den Neuen in der Stadt, die mit den
immer wieder wechselnden Herrscherhäusern nach Neapel kamen und von den
Ortsansässigen als fremd empfunden wurden, kam es zu jenem Abgrenzungsbedürfnis,
das konstituierend und zugleich charakteristisch für die kollektive Identität der höheren
Seggio-Adligen war.425 Diese Wahrnehmung lässt sich beispielhaft an ihren Grablegen
424
Siehe dazu noch einmal Kap. II.1.1.
Zur Abgrenzung von Fremden in jeder sozialen Gruppe „zur eigenen Identitätskonstitution“ siehe u.a.
Reinhard, Lebensformen, 2004, S. 275f. Außerdem zum „Wir-Bewusstsein, das seine Intensität durch die
Abgrenzung gegen ein sie gewinnt“ siehe Assmann, Das Kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 156. Immer
noch grundlegend zu sozialen Gruppen in der Vormoderne siehe Oexle, Soziale Gruppen, 1998. Zur
425
98
Grit Heidemann-Schirmer
in Neapel ablesen, und zwar nicht nur in der gewählten Form, sondern auch in dem
gewählten Standort.
IV.1.1. Die Bestattungsorte
Die Grablegepraxis der neapolitanischen Seggio-Adligen beinhaltete ein privilegiertes
Anrecht, sich in den großen Kirchen der Stadt bestatten zu lassen. Die ostentative
Besetzung der öffentlich bedeutenden sakralen Räume und der materiell fassbare
Verweis auf ihre Zugehörigkeit zu den Seggi förderte das Ansehen der jeweiligen
Adelsfamilie innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft.426 Von historischer Seite
wurden die Verbindungen der fünf adligen Seggi zu den großen Kirchen Neapels längst
herausgearbeitet, von denen jeweils eine als Hauptkirche des entsprechenden Quartiers
fungierte und demzufolge einen identitätsstiftenden Ort für die ansässigen Adligen
darstellte.427 An den Ausstattungen dieser Hauptkirchen lässt sich demnach die
Zuordnung
besonders
gut
ablesen,
transferieren
sie
doch
visuell
das
Gruppenbewusstsein ihrer Auftraggeber.
Besonders signifikant ist dies bei den beiden Hauptkirchen der Maggiore Nobiltà. So
errichteten die Angehörigen des Seggio di Capuana, die bezeichnenderweise auch einen
Großteil der Kleriker in Neapel stellten, ihre Grabmäler und Familienkapellen fast
ausschließlich im Dom, ebenso wie die Adligen des Seggio di Nido den Kirchenraum
von San Domenico Maggiore besetzten, sodass es für die Neuen in der Stadt und die
niederen Seggio-Adligen kaum Möglichkeiten zum Kapellenerwerb in der Kathedrale
ablehnenden Haltung der höheren Seggio-Adligen gegenüber Fremden in Neapel siehe auch Esch, Das
Papsttum, 1976, bes. S. 715f.
426
So auch Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 315: „[...] la cappella nella chiesa del seggio diviene la
massima aspirazione delle famiglie nobili.” Noch einmal zur Anführung von Kapellenstiftungen für
genealogische Nachweise siehe Vitale, Nobiltà, 2000, S. 372; Del Bagno, Reintegrazione, 1984, bes.
S. 198f.
427
Dazu vor allem Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982; dies., Il bisogno di eternità, 1988, bes. S. 122-139.
Ihren Ausführungen folgt auch Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 286: „Visceglias Erkenntnis liegt
nun darin, dass sie feststellte, dass neben den Kollektivkirchen der seggi eine besonders markante Form
von neapolitanischen Patronaten darin bestand, dass die Familien eines bestimmten seggio bevorzugt und
gehäuft in einer bestimmten Kirche ihre Grabkapellen errichteten.“ Neben dem Dom und San Domenico
Maggiore als Hauptkirchen der beiden höheren Seggi war dies im Seggio di Montagna die große
Franziskanerkirche San Lorenzo Maggiore. In den beiden jüngeren Seggi di Porto und Portanova sind
jeweils zwei Kirchen für das 15. Jahrhundert zu verzeichnen, die von den angehörigen Adligen bevorzugt
ausgestattet wurden, und zwar San Giovanni Maggiore und San Pietro Martire (Porto) sowie
Sant’Agostino Maggiore und Santa Maria di Portanova, ehemals Santa Maria in Cosmedin (Portanova).
Zu den Seggi-Hauptkirchen siehe auch Vitolo, Ordini mendicanti, 2005; Rugna, La nobiltà napoletana,
1997, S. 311-314, jedoch ohne Bezug zu Porto und Portanova. Zu San Lorenzo Maggiore und dem
Seggio di Montagna siehe zuletzt Di Meglio, Nobiltà di seggio, 2012; dies., Ordini mendicanti, 2005.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
99
und der Dominikanerkirche gab. Diese beiden Hauptkirchen werden im Hinblick darauf
nun etwas genauer vorgestellt.
IV.1.1.1. Der Dom
Die Kathedrale galt gemeinhin als das religiöse Zentrum einer Stadt und wurde
dementsprechend nicht nur von Königen, sondern auch von weiteren Angehörigen der
höchsten Gesellschaftsschichten gefördert und oft frequentiert.428 So verhielt es sich
auch mit der Kathedrale in Neapel, die eine lange (Um-)Baugeschichte mit vielen
Auftraggebern vorzuweisen hat. Als eine der ältesten kirchlichen Institutionen liegt sie
am antiken decumanus maiorus (heutige Via dei Tribunali) und basiert auf zwei
frühchristlichen Basiliken, von denen die Kirche Santa Restituta in den von König
Karl II. von Anjou ab 1294 initiierten Neubau einverleibt wurde.429 Das Projekt eines
großen Doms, der der Hl. Maria Assunta geweiht werden sollte, wurde im frühen
14. Jahrhundert zwar umgesetzt, erfuhr jedoch in den folgenden Jahrhunderten durch
mehrere Restaurierungen und Umbauarbeiten solch gravierende Veränderungen, dass
seine ursprüngliche Gestalt heute nur noch schwer nachvollziehbar und in der
Forschung umstritten ist.430
428
Dazu Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 312: „La cattedrale aveva di certo un fascino e un
prestigio particolari essendo la regina delle chiese cittadine [...].“ Auch Bock, I re, 2002, verweist auf den
Stellenwert des hohen Klerus, neben den Anjou-Königen, als Auftraggeberschaft im Dom. Zum Dom als
Grabstätte für Angehörige aus dem Hause der Anjou siehe vor allem Michalsky, Memoria, 2000, bes.
S. 101-109. Zu den großen Ereignissen wie Königskrönungen, Hochzeiten, politische Bekanntmachungen
u.a., die in der Kathedrale unter den Aragonesen stattfanden, siehe Canterà, Riccordi, 1894, S. 47-59.
Allgemein zur besonderen Stellung der Kathedrale in mittelalterlichen Städten siehe Suckale, Stil und
Funktion, 2003, S. 392f.
429
Die einstige Lage und Übernahme der beiden frühchristlichen Basiliken Santa Restituta und Santa
Stefania in den Domneubau werden in der Forschung kontrovers diskutiert. Während sich Santa Restituta
im Westteil des heutigen Baus erhalten hat, jedoch durch die zahlreichen Umbaumaßnahmen gleichfalls
verändert wurde, so fiel Santa Stefania, deren ursprüngliche Lage im Querschiff vermutet wird, schon
Ende des 8. Jahrhunderts einem Brand zum Opfer. Sie wurde zwar im 9. Jahrhundert durch einen dem
Stadtheiligen Januarius geweihten Neubau ersetzt, der jedoch nicht in den Domneubau übernommen
wurde. Siehe dazu vor allem Lucherini, La Cattedrale, 2009, bes. Kap. I; dies., L’invenzione, 2004;
Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, bes. S. 79-88 u. S. 230, Anm. 20; dies., Ipotesi, 2002; Coroneo, Il
complesso, 2002; Leone de Castris, Un laborioso restauro, 2002; Di Stefano, La Cattedrale, 1974, bes.
S. 187-198; Thoenes, Neapel, 1971, S. 113.
430
Siehe die zahlreiche Literatur zum Dom bei Janulardo, La città e la cattedrale, 2013; Lucherini, La
Cattedrale, 2009; Romano/Bock, Il Duomo, 2002; Strazzullo, Neapolitanae Ecclesiae, 2000; Di Stefano,
La Cattedrale, 1974; Canterà, Riccordi, 1894. Außerdem Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, bes.
S. 78-95; Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, bes. S. 101-109; Thoenes, Neapel, 1971,
S. 113-134; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 1-40; De Stefano, Descrittione, 1560, ff. 7v16r.
100
Grit Heidemann-Schirmer
Ausschlaggebend für das 15. Jahrhundert war das schwere Erdbeben im Dezember
1456, das die Kathedrale wie andere Bauten auch in großen Teilen zerstörte.431 Unter
König Ferrante von Aragon beteiligten sich viele neapolitanische Adlige an der
Wiederherstellung der Kirche.432 Zum Ende des Quattrocento wurde ihre ohnehin hohe
Attraktivität dadurch gesteigert, dass die Reliquien des Stadtheiligen Januarius am
13. Januar 1497 von Montevergine nach Neapel in den Dom transloziert und das schon
1412 erteilte Kirchenpatronat erneuert wurde, welches sich auch heute noch in dem
Beinamen San Gennaro widerspiegelt.433
Wie schon unter den Anjou, so waren es auch im 15. Jahrhundert fast ausnahmslos hohe
Geistliche, die als Auftraggeberschaft im Dom agierten. Für unseren Kontext von
besonderer Bedeutung ist ihre Zugehörigkeit zum Seggio di Capuana, der, wie eingangs
erwähnt, die Kathedrale als Hauptkirche des Quartiers beanspruchte, die meisten
Kleriker in Neapel stellte und dementsprechend wichtige Beziehungen zum Domkapitel
pflegte.434 So besaßen unter anderem die Baraballo, Caracciolo, Carbone, Crispano,
Filomarino, Minutolo, Teodoro und Tocco Familienkapellen in der Kathedrale und
führten den Zeitgenossen ostentativ vor Augen (Abb. 33), wem dieser bedeutende
Sakralbau als Repräsentations- und Erinnerungsstätte vorbehalten war.435
Die Kapellenpatronate und Grabmäler aus dem 15. Jahrhundert sind zwar aufgrund der
zahlreichen Umbaumaßnahmen der Folgezeit nur rudimentär erhalten. Für das frühe
Quattrocento können jedoch beispielhaft die weiter unten noch ausführlicher zu
besprechenden Kardinalsgrabmäler für Enrico Minutolo und Francesco Carbone
angeführt werden.436
431
Dazu u.a. Canterà, Riccordi, 1894, S. 49f.; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 5.
Zu den Restaurierungsmaßnahmen unter den Aragonesen siehe u.a. Di Stefano, La Cattedrale, 1974,
S. 25f. Auf die Beteiligung namhafter Adliger am Wiederaufbau des Doms nach dem Erdbeben verweist
auch D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 5.
433
Siehe dazu zuletzt Hills, The Neapolitan Seggi, 2012, bes. S. 167. Außerdem die Schilderung von
Notar Giacomo bei Garzilli, Cronica, 1845, S. 213. Vitale, Committenza, 2008, S. 77, verweist auf die
Neuweihe des Hauptaltars an den Hl. Januarius und den Erzengel Michael im Jahre 1412. Zu weiteren
Reliquien im Dom siehe De Stefano, Descrittione, 1560, f. 10r.
434
Auch Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 286, verweist darauf, dass im Dom fast ausschließlich
Familien aus dem Seggio di Capuana vertreten waren. Dies geht einher mit der hohen Zahl an Klerikern,
die aus diesem Seggio gestellt wurden und die, wie in anderen mittelalterlichen Städten auch, ein
privilegiertes Anrecht auf eine Grabstätte in der Kathedrale hatten. Beispielhaft zu den einzelnen
Restaurierungsmaßnahmen am Dom durch neapolitanische Kardinäle seit dem späten 15. Jahrhundert
siehe Di Stefano, La Cattedrale, 1974, bes. S. 25-76.
435
Zu den Familien im Dom siehe Visceglia, Il bisogno, 1988, S. 125; dies., Corpo e sepoltura 1982,
S. 597; Di Stefano, La Cattedrale, 1974, S. 25.
436
Für die weitere Ausführung werden die Grabplatten im Dom und Santa Restituta vernachlässigt, da
diese durch den teilweise schlechten Erhaltungszustand nicht identifizierbar sind. Auch auf das Grabmal
für Kardinal Rinaldo Piscicelli (†1457) kann nicht näher eingegangen werden, da es verschollen ist. Nur
432
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
101
IV.1.1.2. San Domenico Maggiore
San Domenico Maggiore hat eine ähnlich wechselvolle (Bau-)Geschichte vorzuweisen
wie der Dom.437 Der von der Familie Morfisa nahe dem antiken decumanus inferiorus
errichtete Vorgängerbau Sant’Angelo a Morfisa war seit dem frühen 12. Jahrhundert
Sitz der Benediktiner. Ab 1231 wurden hier die sich in Neapel verbreitenden
Dominikaner aufgenommen, die wenige Jahre später schließlich den Konvent samt
Kirche übernahmen und ihrem Ordensgründer weihten.438 Im späten 13. Jahrhundert
gehörte sie, wie der Dom, zu den königlichen Bauprojekten, indem Karl II. von Anjou
die Erneuerung der Dominikanerkirche initiierte, die den kleinen Vorgängerbau in sich
aufnahm, nach Norden in Richtung des decumanus maiorus ausgebaut und nun der
Hl. Maria Magdalena geweiht wurde.439 Wie schon bei der Kathedrale so beteiligten
sich auch hier mehrere neapolitanische Adlige an den Bauarbeiten und dem
Ausstattungsprogramm.440 Ihre Attraktivität begründete sich nicht nur darin, dass sie
strategisch günstig zwischen den beiden Hauptachsen der Stadt gelegen war und als
Hauptkirche des Dominikanerordens in Neapel fungierte.441 Sie hatte vor allem durch
ein
dort
aufbewahrtes
wundersames
Altarbild
der
„Kreuzigung“
aus
dem
13. Jahrhundert, welches der Überlieferung nach zu dem in diesem Konvent tätigen
Thomas von Aquin gesprochen haben soll, Berühmtheit erlangt und wurde folglich von
den Herrscherhäusern als öffentlichkeitswirksame Repräsentations- und Memorialstätte
einzelne Artefakte der ehemaligen Ausstattung der Cappella Piscicelli finden sich heute museal
zusammengestellt im Vorraum zum Baptisterium von Santa Restituta. Zum Grab von Rinaldo Piscicelli
siehe u.a. Strazzullo, Neapolitanae Ecclesiae, 2000, S. 157. Zu den Resten der Kapellenausstattung siehe
ders., Neapolitanae Basilicae, 2001, S. 67-70.
437
Zu San Domenico Maggiore siehe vor allem Vitolo, Ordini mendicanti, 2005; Ascher, The Church,
2002; Kaeppeli, Dalle pergamene, 1962; Filangieri, Documenti (III), 1885; Valle/Minichini, Descrizione,
1854; De Simone, Le chiese, 1845, S. 83-132; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 264-294.
438
Siehe dazu De Divitiis, Architettura, 2007, S. 138. Zur Ansiedlung der Dominikaner in Neapel und
Süditalien weiterhin Wagner-Rieger, Zur Typologie, 1957/58, S. 268; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623,
S. 264f.
439
Zum Neubau unter Karl II. von Anjou siehe vor allem Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, S. 9599; Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 110-112. Zur urbanen Lage von Vorgängerkirche
und Neubau siehe Ascher, The Church, 2002, bes. S. 95f. Die Kirche wurde trotz der Neuweihe auch
weiterhin von den Neapolitanern als San Domenico bezeichnet. Darauf verweist u.a. D’Engenio, Napoli
Sacra, 1623, S. 267f.
440
Dazu Vitolo, Ordini mendicanti, 2005; Bruzelius, The Stones of Naples, 2004, bes. S. 161-163; De
Simone, Le chiese, 1845, S. 87. So verweist auch D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 267, auf die Stiftung
des Kirchenportals durch Bartolomeo da Capua. Siehe außerdem die Dokumente zu den Zuwendungen
zahlreicher Adliger bei Kaeppeli, Dalle pergamene, 1962, bes. S. 286-312.
441
Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 113, bezeichnet sie als „die bedeutendste Dominikanerkirche
Neapels“.
102
Grit Heidemann-Schirmer
instrumentalisiert.442 So hatte schon Karl II. von Anjou (†1309) testamentarisch verfügt,
dass sein Leichnam in die französische Heimat der Dynastie, Aix-en-Provence,
überführt, sein Herz jedoch in San Domenico bestattet werden sollte.443 Dieser
Grablegepraxis folgte auch Alfons I. von Aragon (†1458), der anordnete, dass er in
seiner katalonischen Heimat bestattet, sein Herz wiederum in der Neapler
Dominikanerkirche verwahrt werden solle.444
In der Folgezeit wurde die Sakristei als Aufbewahrungsort der Särge königlicher
Mitglieder aus dem Hause Aragon genutzt. Es handelt sich dabei um hölzerne Särge, die
mit einem aufwendig aus Brokat und Gold verzierten Stoff überdeckt (Abb. 34) und für
Alfons I., Ferrante, Ferrandino und dessen Frau Johanna von Aragon angefertigt
wurden.445 Demzufolge wurde in der bisherigen Forschung die These vertreten, dass die
Aragonesen in eben dieser Kirche ihre dynastische Grablege errichten wollten.446 Es
gibt jedoch mehrere Indizien, die belegen, dass dieser Aufbewahrungsort nur
vorübergehend sein sollte.447 So überliefert Pietro Summonte in seinem 1524 an einen
Freund verfassten Brief, dass Alfons von Kalabrien, der spätere Alfons II. von Aragon,
eine neue dynastische Grablege nahe dem Castel Nuovo geplant hatte.448 Dieses
Vorhaben konnte letztlich nicht umgesetzt werden, da es zu jener dynastischen Krise
und den kriegerischen Auseinandersetzungen kam, die aus der Eroberung Neapels durch
442
Zum wundersamen Altarbild und Thomas von Aquin im Konvent des neapolitanischen
Dominikanerordens siehe vor allem De Divitiis, Architettura, 2007, S. 144f.; Michalsky, Die Porosität,
2007, S. 114; Krüger, Bilder als Medien, 2003, S. 155f. Außerdem D’Engenio, Napoli Sacra, 1623,
S. 268f. u. 276.
443
Siehe dazu Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 111 u. Kat. Nr. 16, S. 271.
444
Siehe u.a. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 237.
445
Siehe dazu vor allem D’Arbitrio, San Domenico, 2001, bes. S. 73-104; Le arche, 1991; D’Engenio,
Napoli Sacra, 1623, S. 289f.; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 107r-109v. Die Särge für Alfons I. und
Ferrante von Aragon befanden sich erst an der Seitenwand des Kirchenhauptaltars, wurden aber nach dem
Brand von 1506 in die Sakristei verlegt. Zuvor war der Leichnam von Alfons im Castel dell’Ovo
aufbewahrt worden. Mit dem Tod seines Sohnes Ferrante wurde er in San Domenico untergebracht und
erst im Jahre 1666 in die katalonische Heimat überführt, wie es der König testamentarisch verfügt hatte.
Zur Aufbahrung König Ferrantes im Chor von San Domenico Maggiore siehe auch Ferraiolos Bericht in
Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, S. 86.
446
Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 114, vermutet, dass San Domenico Maggiore als aragonesische
Grablege vorgesehen war, „[…] deren Umsetzung allerdings durch einen Brand vereitelt wurde.“ Ascher,
The Church, 2002, S. 96, interpretiert den Neubau der Dominikanerkirche unter den Aragonesen als
königliches Grablegeprojekt.
447
Zu diesem Provisorium siehe auch Michalsky, Conivges, 2005, S. 77.
448
Vgl. Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 172. Dazu weiter unten Kap.V.1.2. Das Bedürfnis nach einer
neuen Grablege für das aragonesische Geschlecht in der süditalienischen Residenzstadt als nunmehr neue
Heimat wurde demzufolge spätestens in der dritten Generation konkret, wie es sich auch schon bei den
Anjou ereignete. Denn der dritte König auf dem neapolitanischen Thron war Robert von Anjou, der mit
dem Neubau des Doppelklosters Santa Chiara im frühen 14. Jahrhundert seine Idee einer repräsentativen
dynastischen Grablege in Neapel realisierte. Siehe dazu vor allem Michalsky, Memoria und
Repräsentation, 2000, bes. S. 125-152.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
103
den französischen König Karl VIII. (1495) und der Flucht Alfonsos resultierten.449
Zudem überliefert De Lellis, dass – einige Jahre später – Königin Johanna III. von
Aragon (†1517) den Wunsch geäußert hatte, in der nahe dem Castel Nuovo befindlichen
Kirche Santa Maria la Nova ein Grabmal für die Verstorbenen der aragonesischen
Dynastie errichten zu lassen, deren Särge sich immer noch in der Sakristei von San
Domenico befanden.450 Obwohl es nicht dazu kam, so verdeutlicht es doch zusammen
mit dem Vorhaben Alfonsos II., dass die Aragonesen eine eigene Grablege für ihr
Geschlecht in Neapel errichten lassen wollten und San Domenico Maggiore nur als
temporäre Grabstätte diente.
Wichtig zu erwähnen ist, dass die Dominikanerkirche, ebenso wie der Dom und weitere
Sakralbauten der Stadt, durch das Erdbeben im Jahr 1456 erheblich zerstört wurde.451
Daraufhin trieben die Aragonesen den Wiederaufbau der Kirche voran, sicherlich auch
um sich der neapolitanischen Bevölkerung als frommes Herrscherhaus, das neu in der
Stadt war, sich aber umfassend der Probleme vor Ort zuwandte, zu empfehlen. In dieser
Zeit entstand die beeindruckende Platzanlage an der Südseite der Kirche, für die König
Alfons I. einige umstehende Gebäude abreißen ließ.452 Die Beteiligung neapolitanischer
Adliger an dem Neubauprojekt verdeutlicht zugleich ihren Stellenwert als Hauptkirche
des zugehörigen Seggio di Nido.453 So ließ beispielsweise der aus diesem Quartier
stammende Inigo d’Avalos 1465 die monumentale Treppe errichten, welche von der
neuen Piazza aus einen Zugang zur alten Kirche Sant’Angelo a Morfisa ermöglichte,
durch die man auch in die Dominikanerkirche gelangte.454 Desweiteren wurde beim
Kapitel des Jahres 1507 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Prokuratoren von
San Domenico die Kapellenvergabe nicht ohne die Zustimmung des Rates der Fünf des
Seggio di Nido vornehmen dürften.455
449
Siehe dazu noch einmal Kap. II.4.
Siehe dazu De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 18r-v u. 25v-26r. Außerdem Kap.V.1.1.
451
Siehe dazu D’Aloe, Catalogo, 1883, S. 287; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 267, der jedoch
fälschlicherweise das Jahr 1446 angibt.
452
Siehe dazu Ascher, The Church, 2002, S. 95f. Zu weiteren Umbaumaßnahmen infolge der
Zerstörungen durch das Erdbeben siehe ebd., S. 98.
453
Weitere große Kirchen im Seggio di Nido waren Santa Chiara, in der jedoch kaum Grabmäler im
Quattrocento errichtet wurden sowie Santa Maria Donnarómita, Santa Maria Maggiore und Santa Maria
di Montevergine, in denen sich jedoch fast keine Gräber aus dem 15. Jahrhundert erhalten haben. Zu
nennen ist auch die Kirche San Sebastiano, die jedoch zerstört wurde. Aufgrund des schlechten
Überlieferungsstandes werden die genannten Kirchen nicht näher thematisiert.
454
Zur Treppenanlage, die somit als Seiteneingang zu San Domenico fungierte, siehe Ascher, The
Church, 2002, S. 96-98.
455
Vgl. Vitale, Élite, 2003, Appendix I, S. 128, Nr. 11: „[…] non debiano né possano consentire in
nisciuna alienatiune né permutatione de qualsevoglia cappella […].“
450
104
Grit Heidemann-Schirmer
Folgerichtig war der Kirchenraum fast ausschließlich von Familien aus dem
zugehörigen Seggio besetzt, die auch ihre Paläste um die Kirche herum errichteten und
somit die Beanspruchung der berühmten Dominikanerkirche und des sie umgebenden
Stadtraumes als exklusives Vorrecht ihrer Adelskorporation demonstrierten.456 Bis ins
frühe 16. Jahrhundert lassen sich Kapellenpatronate für die Familien Brancaccio,
Carafa, Capece, Dentice, Riccia, Rota, Tomacelli und Vulcano in San Domenico
Maggiore nachweisen (Abb. 35), die alle aus dem Seggio di Nido stammten.457 Ähnlich
wie beim Dom manifestiert sich demnach auch hier in den Familienkapellen das enge
Netzwerk und Zusammengehörigkeitsgefühl der neapolitanischen Maggiore Nobiltà.
Darüber hinaus wird die Dominanz mehrerer Familienzweige der Brancaccio und
Carafa in San Domenico offensichtlich, die unter dem Aspekt des in einer sozialen
Gruppe typischen Distinktionsstrebens weiter unten genauer erörtert wird.
Dass die Abgrenzung nach außen nicht nur durch die Standort-, sondern auch durch die
Formwahl der Grabmäler kommuniziert wurde, wird im Folgenden thematisiert.
IV.1.2. Zur Persistenz des alten Grabmalstyps
Im Neapel des frühen Quattrocento dominierte ein lokaler Grabmalstypus, der sich im
14. Jahrhundert entwickelt und bis weit ins 15. Jahrhundert trotz dem Aufkommen
neuer Typen erhalten hat. Die Rede ist von dem schon in Kapitel III vorgestellten
angiovinischen Grabmalstyp, den Tino di Camaino und seine Werkstatt im Trecento
kreiert haben und der sich durch einen mehrgeschossigen Aufbau zwischen
Wandbaldachinpfeilern mit spezifischen Motiven auszeichnete.
Seit der Einführung dieses Grabtyps, der ursprünglich der Repräsentationsstrategie von
Mitgliedern des angiovinischen Königshauses verpflichtet war, wurden viele ähnlich
gestaltete Adelsgrabmäler in und um Neapel errichtet. Dies unterstreicht einmal mehr
die Vorbildhaftigkeit dieser Anjou-Gräber „als Prototypen einer in Süditalien neuen
Sepulkralskulptur“.458 Auffällig ist dabei, dass es sich fast ausnahmslos um
456
Auch Esch, Das Papsttum, 1972, S. 729f., betont die Nähe der Familienpaläste der Angehörigen des
Seggio di Nido um die Kirche. Dazu ebenso Michalsky, Einleitung, 2012, S. 12; dies., Die Porosität,
2007, S. 114.
457
Auch Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 317, verweist auf die Okkupierung der „zone più
prestigiose della chiesa“ durch die „famiglie più importanti“ dieses Seggio.
458
Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 231. Sie sieht in dem konzeptionellen Aufbau der
Anjou-Gräber einen „vorgegebenen Standard“ für die Erinnerungsmonumente der neapolitanischen
Adligen. Vgl. ebd., S. 236. Zur Vorbildhaftigkeit der Königsgrabmäler seit den Anjou in Neapel siehe
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
Erinnerungsmonumente
für
Mitglieder
der
alteingesessenen
105
neapolitanischen
Adelsfamilien handelt, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Das Grabmal für Kardinal Enrico Minutolo im Dom (1402–1405)
Die Cappella Minutolo (Abb. 37) war am Ende des 13. Jahrhunderts als zweite Kapelle
rechts im Querschiff des Domes von Erzbischof Filippo Minutolo errichtet und dem
Hl. Petrus geweiht worden.459 Zwei auf Stützen getragene Sarkophage für den
Kapellenstifter (†1301) und für ein weiteres Mitglied dieser aus dem Seggio die
Capuana stammenden Adelsfamilie, die zu den ältesten und reichsten Neapels zählte,
Erzbischof Orso Minutolo (†1333), bildeten die skulpturale Ausstattung zusammen mit
dem klein dimensionierten, in feiner Graffito-Technik gearbeiteten Altarblock.460
Kardinal Enrico Minutolo, der zu Zeiten des Abendländischen Schismas (1378–1417)
und den Machtkämpfen zwischen den Anjou und den Durazzo um den neapolitanischen
Thron eine erfolgreiche klerikale Karriere zu verzeichnen hatte, ließ die Familienkapelle
ab 1402 um eine polygonale Apsis erweitern, die Platz für sein monumentales Grabmal
schaffen sollte.461 Dieses nahm zugleich den Altar in sich auf, der nun auch seiner
römischen Titelkirche der Hl. Anastasia geweiht wurde.462
auch Bock, Kunst am Hofe, 2001, bes. S. 275-309; ders., Künstler, 2000; Beyer, Parthenope, 2000, S. 4043.
459
Zur Kapelle und deren früherer Ausstattung siehe Janulardo, La città e la cattedrale, 2013, bes.
S. 223f.; Furelli, La Cappella Minutolo, 2009; Paone, La Cappella Minutolo, 2009; Furelli/Gianandrea,
L’Altare, 2008; Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007; Strazzullo, Neapolitanae, 2000, S. 64-67; Borea, I
ritrovati affreschi, 1962. In dem alten Kapellenraum, der fortan den Vorraum zur Apsis bildete, kam das
aufwendig mit cosmatesken Mosaiken verzierte Paviment vollständig zur Geltung, in dem mittig die
Grabstätte der hier Bestatteten durch eine runde, mit dem Familienwappen verzierte Platte markiert
wurde. Dazu vor allem Furelli/Gianandrea, L’Altare, 2008, S. 200-204. An den Wänden finden sich
zudem noch Reste der Fresken aus dem frühen 14. Jahrhundert, die – neben der „Kreuzigung“ in der
Nische des Seitenaltars und Martyrienszenen weiterer Heiliger – im unteren Register umlaufend eine
Reihe von Rittern präsentieren, die in voller Rüstung kniend hintereinander in Richtung des Hauptaltars
beten. Sie tragen auf der Kleidung oder den beigegebenen Schilden die Familienembleme der Minutolo
und können daher als eine Art idealisierte Ahnengalerie verstanden werden, die in den Grabmälern der
hier Bestatteten kulminieren. Bei der Verlagerung der beiden älteren Sarkophage an die Seitenwände der
neuen Apsis, die somit das monumentale Grabmal für Enrico Minutolo flankierten, wurde diese
Blickführung beibehalten. Die zeitgleich entstandenen Fresken an der Rückwand, in denen Szenen aus
der Passion Christi dargestellt sind, umrahmen das Grabmal zusätzlich und bekräftigen im Angesicht der
compassio den Wunsch nach einer dauerhaften Seelenfürsorge für den Bestatteten. Zu den Fresken siehe
vor allem Paone, La cappella Minutolo, 2009; Furelli, La Cappella Minutolo, 2009; Ricciardi, La
Cappella Minutolo, 2007, S. 131-135; Borea, I ritrovati affreschi, 1962.
460
Zum Grabmal für Orso Minutolo siehe Aceto, Per l’attività, 1988/89. Auf dem Altar sind die
Hll. Aaron und Zacharias dargestellt, darunter befindet sich die Stifterinschrift von Filippo Minutolo.
Siehe dazu vor allem Furelli/Gianandrea, L’Altare, 2008, bes. S. 196f.
461
Zu Enrico Minutolo, der am 18. Dezember 1389 zum Kardinal ernannt wurde, und seiner Familie, die
ihre eigene Position mittels der Übernahme und Weitergabe höchster politischer sowie vor allem
106
Grit Heidemann-Schirmer
Das noch zu Lebzeiten des Auftraggebers zwischen 1402 und 1405 errichtete Grabmal
wurde schon eingehend in der Dissertation von Nicolas Bock analysiert.463 An dieser
Stelle gilt es – nach einer kurzen Beschreibung und Einordnung in die neapolitanische
Grabmalslandschaft – die Repräsentationsstrategie des Kardinals im Kontext der
herausgearbeiteten Gruppenzugehörigkeiten herauszuarbeiten.
Das Grabmal für Kardinal Enrico Minutolo (Abb. 38) folgt dem oben vorgestellten
Typus der monumentalen Wandbaldachingrabmäler, die in Italien weit verbreitet waren
und seit den Anjou die neapolitanische Grabmalslandschaft prägten.464 Insbesondere im
Aufbau steht es in dieser trecentesken Tradition, wie unter anderem der Einsatz von
Tugendfiguren als Karyatiden in der ersten Ebene, namentlich Caritas Dei und Caritas
Proximi, zeigt.465 Was das Monument jedoch einzigartig im lokalen Kontext macht, ist
die Einverleibung des Kapellenaltars, indem die Mensa über dem alten Altarblock von
zwei gedrehten und reich verzierten Säulen getragen wird und zusammen mit den
flankierenden Tugenden die erste Ebene des Grabmals bildet. Zudem wurde eine
Predella eingefügt, die ein fein gearbeitetes Säulenrelief an der Frontseite zeigt, auf dem
in 13 Nischen die thronende Madonna mit dem Christuskind inmitten der zwölf Apostel
dargestellt ist.
Eine vergleichbare Kombination von Kapellenaltar und Grabmal nach Art eines
Altarziboriums lässt sich in Rom an dem heute nicht mehr in seinem Originalzustand
erhaltenen Grabmal für Kardinal Philippe d’Alençon (†1397) in Santa Maria in
kirchlicher Ämter insbesondere in Zeiten der neapolitanischen Päpste zu stärken suchte, siehe vor allem
Vitale, Minutolo, 2010; dies., Committenza, 2008, bes. S. 84-92; dies., Élite, 2003, S. 232-238.
Außerdem Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 118-120; Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 66; Esch,
Das Papsttum, 1972, S. 743 sowie S. 714, 719-723 u. 767. Enrico Minutolos privilegierte Position an der
Kurie spiegelt sich auch darin wider, dass er Papst Gregor XII. von 1406 bis 1407 mit elf weiteren
Kardinälen nach Siena begleitete. Aufgrund eigener Interessen folgte er jedoch drei Jahre später dem
Gegenpapst Alexander V. (1409–1410) nach Bologna. Dort starb Enrico Minutolo am 17. Juni 1412. Sein
Leichnam wurde daraufhin nach Neapel gebracht und in der Familienkapelle im Dom bestattet.
462
Siehe dazu Vitale, Minutolo, 2010, S. 732; Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 123; Bock,
Kunst am Hofe, 2001, S. 53f. Furelli/Gianandrea, L’Altare, 2008, S. 197, verweisen auf die Inschrift am
Altar, die an den eigentlichen Stifter Filippo erinnert und somit auch den für Enrico besonderen
Stellenwert seines berühmten Ahnen verdeutlicht. Zum Altar vor allem ebd., S. 195-200. Die Bekanntheit
Filippos und der Familienkapelle spiegelt sich auch darin wider, dass „seine Beisetzung [in der Cappella
Minutolo, Anm.d.V.] i. J. 1301 den Hintergrund der 5. Novelle des 2. Tages des Decamerone
[Boccaccios] bildet […].“ Vgl. Thoenes, Neapel, 1971, S. 132. Dazu auch Ricciardi, La Cappella
Minutolo, 2007, S. 117f.
463
Vgl. Bock, Kunst am Hofe, 2001, bes. S. 52-67 u. Kat.-Nr. 19.
464
Zu den mittelalterlichen Wandbaldachingrabmälern in Italien siehe vor allem Körner,
Grabmonumente, 1997, bes. S. 70f.
465
Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 55, interpretiert dagegen die linke Figur als Fides.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
107
Trastevere (Abb. 39) finden.466 Auch in weiteren Details sind einige Parallelen
erkennbar. So erscheinen am rahmenden Baldachin des Alençon-Monumentes ebenfalls
je zwei übereinander gestellte Säulen, die die mit Figurennischen verzierten Fialen und
den mit Krabben besetzten sowie mit dem Kardinalswappen im Bogenzwickel
dekorierten Wimperg tragen. Dessen ursprüngliche „Gesamtanordnung“, die ihrerseits
durch die Aufeinanderfolge von „Altar – Grabnische – figürliche Darstellung“467 dem
römischen Prototyp des über einem Altar angebrachten Wandnischengrabs, jenes für
Papst Bonifaz VIII. (†1303) in Alt-St. Peter, folgte, lässt sich am Minutolo-Grabmal
noch erahnen. Doch erscheint hier der Altar buchstäblich dem Grabmal untergeordnet,
das in seinem Aufbau und der Motivwahl deutlich auf lokale Vorbilder verweist.
So führt die motivisch fast stereotype Aufeinanderfolge des von Tugendkaryatiden
gestützten Sarkophags mit der camera funebris und dem von einer vollplastischen
Figurengruppe
bekrönten
Walmdach
die
lokale
Tradition
des
trecentesken
Grabmalstyps fort und unterstreicht somit die Vorbildrolle jener Monumente für
Angehörige aus dem Hause der Anjou und Durazzo in Neapel. Dies lässt sich auch in
weiteren Motiven verfolgen, wie zum Beispiel die den Vorhang zur Totenkammer
aufhaltenden Engel, die Zelebrierung der Totenmesse im Hintergrund der camera, die
imago pietatis an der Frontseite des Walmdaches und die Kreuzigung Christi als dessen
bekrönender Abschluss.468
Gleichwohl ist in der Anbringung des Kardinalswappens an den Seitenplatten der
Predella und des Sarkophags sowie im Giebel des Wimpergs – wie schon am römischen
Pendant469 – zusammen mit weiteren Details eine Modifizierung der königlichen
Vorbilder erkennbar, die mit dem Bedürfnis nach einer Selbstinszenierung Minutolos
einhergeht. So wird das Konterfei des Kardinals zum einen in der camera funebris als
Liegefigur, die entsprechend seines Amtes im Kirchenornat bekleidet ist, zum anderen
im linken Relieffeld an der Frontseite des Sarkophags präsentiert, in der die
466
Siehe dazu Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, bes. S. 38-48. Auf dieses sowie weitere römische
Vergleichsbeispiele, die jedoch später als das Minutolo-Grabmal entstanden sind, verweist Bock, Kunst
am Hofe, 2001, S. 55 u. 59f.
467
Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, S. 44.
468
Zur Übernahme dieser Motive am Minutolo-Grabmal, die im neapolitanischen Grabmalskontext allein
auf königliche Vorläufer zurückzuführen sind, siehe vor allem Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 56f. Auf
das Grabmal für Katharina von Österreich in San Lorenzo Maggiore als formalen Vorläufer verweist
Ricciardi, La Cappella Minutolo, 2007, S. 138. Die größte Ähnlichkeit im Aufbau und in der Übernahme
einzelner Motive lässt sich m.E. am Grabmal für Maria von Durazzo (†1366) in Santa Chiara feststellen.
Zu diesem Grabmal siehe u.a. Bock, Kunst am Hofe, 2001, Kat.-Nr. 12; Michalsky, Memoria und
Repräsentation, 2000, Kat.-Nr. 40 u. Abb. 67.
469
Vor allem die Anbringung des Kardinalswappens im Zwickel des Wimpergs verweist auf das römische
Vorbild in Santa Maria in Trastevere.
108
Grit Heidemann-Schirmer
commendatio animae des Stifters durch die Hll. Hieronymus und Anastasia in Richtung
der im breiteren Mittelfeld dargestellten Protagonisten der „Geburt Christi“ erfolgt. Die
im rechten Relief anschließenden Petrus und Januarius erweitern die spezifische
Auswahl von Heiligen, die das Kapellenpatronat ebenso wie das Selbstverständnis von
Enrico Minutolo als Kardinal versinnbildlichen.470
Die rahmende Baldachinarchitektur des Grabmals lässt wiederum einen direkten Bezug
zum Domportal erkennen, welches wenig später von demselben Auftraggeber beim
Hofbildhauer Antonio Baboccio veranlasst worden war.471 Das Portal (Abb. 40) geht
dabei eine deutliche Synthese mit dem Grabmal des Auftraggebers ein. Es erhebt sich
wie die Architektur des Minutolo-Grabmals über zwei Löwen, die als Sockelfiguren das
Ensemble stützen. Darüber folgt auf der linken und der rechten Seite je eine dunkel
marmorierte Säule, während am Grabmal jeweils zwei aufwendig dekorierte
Spiralsäulen aufragen. Am Portal sind darüber drei Nischen auf jeder Seite angebracht,
die von Postamenten mit dem Familienwappen gegliedert und im oberen Teil von
Fialen bekrönt werden, in denen eine weitere Nische eingearbeitet ist. Hier waren einst
insgesamt acht Heiligenfiguren aufgestellt, von denen heute jedoch nicht alle erhalten
sind. Es handelt(e) sich dabei um Anastasia, Petrus Martyr, Eufebius und Agrippinus
links sowie um Nikolaus Pellegrinus, Thomas von Aquin, Restituta und Agnellus
rechts, die als Stadtheilige eine große Bedeutung für die Bewohner Neapels hatten.472
An Stelle der vierten Ebene des Grabmals, also der Kreuzigungsszene, befindet sich am
Portal ein reich dekoriertes Tympanon, in dem eine vollplastische Figurengruppe die
Empfehlung des Kardinals durch die Hll. Januarius und Petrus an die in der Mitte
thronende Madonna darstellt. Durch dieses Motiv wurde gleichsam ein visueller Bezug
zum Tympanon des römischen Alençon-Grabmals geschaffen, dessen Relief das gleiche
Bildthema wiedergibt, wenn auch im Halbrelief und mit mehreren Figuren ausgestattet.
470
Es sei noch einmal auf die Kapellweihe an die Hll. Petrus und Anastasia hingewiesen, wobei
Letztgenannte auf die Titelkirche des Kardinals zurückzuführen ist. Der Hl. Hieronymus galt in seiner
einstigen Funktion üblicherweise allen Kardinälen als Vorbild und Januarius hatte als einer der
Stadtheiligen eine besondere Position in Neapel.
471
Zum Domportal und dem Auftragsverhältnis zwischen Enrico Minutolo und Antonio Baboccio siehe
vor allem Bock, Kunst am Hofe, 2001, bes. S. 22-52. Außerdem Vitale, Minutolo, 2010, S. 731f.; dies.,
Committenza, 2008. Während das Domportal nachweislich von Minutolo bei Baboccio 1406 beauftragt
und 1407 beendet wurde, ist das Grabmal nicht demselben Bildhauer zuzuschreiben, sondern man muss
von einem heute unbekannten Künstler ausgehen. So revidiert zuletzt Ricciardi, La Cappella Minutolo,
2007, S. 138f., mit großem Nachdruck die Zuschreibung des Minutolo-Grabmals an Baboccio. Allgemein
zum Motiv des Baldachins an mittelalterlichen Grabmälern siehe Körner, Grabmonumente, 1997, S. 8489.
472
Zur Vorstellung der einzelnen Heiligen im neapolitanischen Kontext siehe vor allem Vitale,
Committenza, 2008, bes. 74-84.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
109
Beim Domportal handelt es sich um jene zwei Heiligen, die auch auf der rechten Seite
der Sarkophagfrontplatte des Minutolo-Grabmals begegnen, aber am Portal sind sie es,
die den Stifter – einer Spiegelung gleich – zur Fürbitte unter sich aufgenommen haben.
Die
darunter
befindliche
Inschrift
vermittelt
nunmehr
im
Wortlaut
die
Selbstdarstellungsabsicht Enrico Minutolos als wichtige Persönlichkeit sowohl für
Neapel als auch für die römische Kurie.473
Der spitz aufragende Wimperg ist schließlich an beiden Auftragswerken und im
Vergleich mit dem römischen Vorläufer ähnlich gearbeitet. Er unterscheidet sich in nur
wenigen Details, wie dem Okulus am Portal, das eine vollplastische Marienkrönung
beherbergt, während an derselben Stelle am Grabmal das Kardinalswappen angebracht
ist.
Das Domportal schafft in seiner formalen und gestalterischen Konzeption eine
offensichtliche Bezugnahme zum Grabmal des Kardinals, der sich dadurch sowohl am
Außenbau als auch im Innern der Kathedrale den Zeitgenossen als herausragender
Stifter präsentierte.474 Diese Selbstinszenierung an der wichtigsten Kirche der Stadt, die
zugleich die Hauptkirche des Seggio di Capuana war, offenbart das Bedürfnis von
Enrico Minutolo, sich nicht nur innerhalb der als exklusiv empfindenden
Adelskorporation Neapels, sondern auch im Kreise seiner Familie hervorzuheben.475
Dies wurde zum einen durch den gewählten Standort in der exponierten Lage innerhalb
der Kathedrale ermöglicht, die sich gleichermaßen in der zeitgenössischen Relevanz der
Cappella Minutolo manifestiert. So bildete die Familienkapelle schon einen Schauplatz
in Boccaccios „Decamerone“ (um 1350), ebenso wie sie von den Angehörigen des
Seggio di Capuana als Versammlungsort, wie am 22. September 1500, genutzt
wurde.476 Zum anderen ermöglichte das Grabmal in seiner für Neapel singulären
473
Die Inschrift wird gegeben von Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 31, Anm. 25, mit folgender
Übersetzung: „Ohne jegliches Zeichen von Würde war ich für lange Zeit nur eine Pforte, jetzt bin ich eine
Tür, die im Glanze erstrahlt, überreich an Schmuck. Henricus Minutulus zierte mich auf eigene Kosten,
weiland Bischof dieser heiligen Kirche, jetzt fester Angelpunkt des apostolischen Pfeilers. Für ihn bitte
ich nach dem Tode um ein ewiges heiles Leben. Dieses Werk wurde ausgeführt als 1407 Jahre vergangen
waren nachdem das Wort Fleisch geworden.“ Am Grabmal wurde dagegen keine Inschrift angebracht,
mit Ausnahme der schon vorhandenen Stifterinschrift Filippo Minutolos am inkorporierten Altarblock.
474
Wenn auch im gesamten Mittelalter die Portale von Sakralbauten eine symbolische Funktion als Porta
coeli einnahmen und man daraus resultierend einen Einfluss dieses Motivs auf die im Innern befindlichen
Grabmäler erwartet, so ist diese Schlussfolgerung in Neapel zu revidieren. Hier haben die schon viel
früher etablierten angiovinischen Grabmäler eine Vorbildrolle für die Portale gespielt.
475
Dazu auch Vitale, Minutolo, 2010, S. 732: „Nell’operazione di ristrutturazione della cappella è
evidente la volontà di esaltare la personalità del M. [Enrico] anche all’interno del lignaggio.“
476
Zur Einbeziehung der Cappella Minutolo im „Decamerone“ siehe noch einmal Anm. 261. Zur
Nutzung der Kapelle als Versammlungsort der Adligen des Seggio di Capuana siehe Rugna, La nobiltà
napoletana, 1997, S. 308, Anm. 4.
110
Grit Heidemann-Schirmer
Konzeption die visuelle und damit dauerhafte Vermittlung des von Enrico Minutolo
angestrebten privilegierten sozialen Status innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft.
Das Monument wird dabei nicht nur durch die imposanten Gold- und Farbverzierungen
optisch aufgewertet, sondern insbesondere durch die in Neapel einzigartige
Inkorporierung des Kapellenaltars, die bezeichnenderweise auf römische Vorbilder
verweist und somit das damalige Handlungsumfeld des Kardinals visuell nach Neapel
transferiert.
In der Betrachtung des Minutolo-Grabmals wurde derweil offensichtlich, dass es formal
und motivisch weitaus enger mit den neapolitanischen Erinnerungsmonumenten für
Angehörige der Königshäuser Anjou und Durazzo verwandt ist.477 Dies erklärt sich aus
dem spezifischen Kontext der damaligen Ereignisse, die sich durch das Abendländische
Schisma ergaben, in dem der Königshof erfolgreich intervenierte und dadurch den
neapolitanischen Klerikern eine führende Rolle in der päpstlichen Politik zusicherte.478
Die Beziehungen mit den Königshäusern der Anjou und der Durazzo setzten am Ende
des 14. Jahrhunderts demnach jene Formfindungsprozesse in Gang, die eine Übernahme
signifikanter Elemente und Motive des angiovinischen Grabmalstypus auf die
neapolitanischen Adelsgrabmäler ermöglichten.479 Das Grabmal für Enrico Minutolo
folgte zu Beginn des Quattrocento dieser Praxis und vermittelte somit das
Gruppenbewusstsein der neapolitanischen Kleriker, die bezeichnenderweise aus den
höheren Seggi stammten.480 Es bildete den Auftakt für die Aufrechterhaltung dieses
mittlerweile traditionellen Grabmalstyps bis weit ins 15. Jahrhundert hinein, der fast
ausschließlich an den Monumenten der Maggiore Nobiltà eingesetzt wurde, die durch
diese Retrospektivität auf die zunehmende Verdrängung ihrer ehemals privilegierten
Position reagierten und die Gruppenidentität ihrer Familien zu stärken suchten,481 wie
an weiteren Beispielen noch zu zeigen sein wird.
477
Die Einbeziehung des königlichen Familienwappens der Anjou-Durazzo am Domportal interpretiert
Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 21, als sichtbares Zeichen von Enrico Minutolos „Treue zum
Herrscherhaus“, das jedoch von der „Prachtentfaltung“ seiner Selbstdarstellung übertrumpft wird.
478
Siehe dazu vor allem Esch, Das Papsttum, 1972. Außerdem Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 65f. u.
313f.
479
Siehe dazu vor allem Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 275-309.
480
Auch Vitale, Minutolo, 2010, S. 731, betont, dass Enrico Minutolo dadurch seine Beziehungen zum
Königshaus demonstrieren wollte. So auch ebd., Committenza, 2008, S. 92. Siehe auch Bock, I re, 2002,
S. 141. Zur Gruppenwahrnehmung der neapolitanischen Kleriker im frühen 15. Jahrhundert siehe vor
allem Esch, Das Papsttum, 1972, bes. S. 714-716 u. 722f.
481
Siehe dazu auch Preyer, Rolle, 2012, S. 122: „Zu der Stabilisierung der Gruppenkommunikation
gehört, dass sie zu einer konservativen Identitätsbildung neigen, da sie über ihre Geschichte bestimmt
sind.“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
111
Darüber hinaus wollte Enrico Minutolo seine Familie ihrem Status entsprechend im
Beziehungsgeflecht
der
höheren
Adelskorporationen
repräsentiert
wissen,
im
Besonderen war er an der Inszenierung seiner eigenen Person interessiert, die jedoch bei
den Zeitgenossen höchst umstritten war. So geriet er durch ein offenbar rücksichtsloses
Auftreten, das einzig und allein dem Streben nach Macht und Einfluss für sich und seine
Familie gelte, bei den Zeitgenossen in die Kritik, die ihn als einen „Dummkopf,
ignorant und unbedeutend“ („sciocco, ignorante e da poco“) beschimpften.482
Interessanterweise wurde nahezu zeitgleich zur Errichtung seines Grabmals ein weiteres
Monument im Dom aufgestellt, das formale Parallelen erkennen lässt und Bock zu der
These veranlasst hat, es handele sich hierbei um die zeichenhafte Vermittlung einer
„Konkurrenzsituation“ beider Auftraggeber.483 Dies wird im Folgenden zu klären sein.
Das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone im Dom (1405)
Francesco Carbone stammte wie Enrico Minutolo aus dem Seggio di Capuana und
verfolgte
eine
ebenso
erfolgreiche
klerikale
Karriere.484
Seine
persönliche
Verbundenheit mit Rom spiegelt sich vor allem darin wider, dass er sich ab 1390 in der
Papststadt dauerhaft niederließ.485 Als er jedoch am 18. Juni 1405 starb, wurde der
Leichnam in seine Heimatstadt Neapel gebracht und in der Familienkapelle im Dom
bestattet, die nun das Patrozinium seines Titulus der Hl. Susanna erhielt.486 Sein
Grabmal wurde posthum von seinen Angehörigen errichtet und so stellt sich dabei die
Frage, inwieweit die Aussage Bocks tragbar bleibt, dass es sich zum auffallend ähnlich
482
Zitiert nach Vitale, Minutolo, 2010, S. 733.
Vgl. Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 62.
484
Francesco Carbone erhielt unter anderem 1382 das Bistum Monopoli und am 17. Dezember 1384
wurde er durch Papst Urban VI. (1378–1389) zum Kardinal mit der Titelkirche der Hl. Susanna ernannt.
Sein Einfluss an der römischen Kurie lässt sich insbesondere dadurch erklären, dass er mit dem ebenfalls
aus Neapel stammenden Folgepapst Bonifaz IX. verwandt war und von dessen Nepotismus profitierte. Zu
seiner Person siehe vor allem Esch, Carbone, 1976; ders., Das Papsttum, 1972, S. 730, 735-737, 740f.,
753 u. 763. Außerdem Strazzullo, Neapolitanae, 2000, S. 49; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623,
S. 19.
485
Zu seiner Familienresidenz in Rom siehe Esch, Carbone, 1976, S. 692.
486
Zur Cappella Carbone siehe u.a. Strazzullo, Neapolitanae Ecclesiae, 2000, S. 49-51; D’Engenio
Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 19f. Diese befindet sich heute in der 5. Seitenkapelle rechts, die jedoch
damals noch vor den Umbauarbeiten im Dom als 7. Kapelle im rechten Seitenschiff fungierte. Siehe dazu
die Abbildung des rekonstruierten Grundrisses aus dem frühen 16. Jahrhundert bei Strazzullo,
Neapolitanae Ecclesiae, 2000.
483
112
Grit Heidemann-Schirmer
gestalteten Grabmal für Enrico Minutolo um eine sichtbare „Konkurrenzsituation
[beider Kardinäle]“487 handelt.
Das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone (Abb. 41) gehört ebenfalls zur Gruppe
der monumentalen Wandbaldachingrabmäler und folgt im Aufbau dem traditionellen
lokalen Grabmalstypus.488 Nicht nur die Baldachinarchitektur ist auffallend ähnlich zum
Minutolo-Ensemble gestaltet. Auch hier übernehmen Löwenfiguren die Stützfunktion
und tragen die jeweils zwei übereinander gesetzten Spiralsäulen, auf denen wiederum
der krabbenbesetzte und von Fialen gerahmte Wimperg ruht. In dessen spitzem
Bogenzwickel ist das Kardinalswappen eingearbeitet, das in derselben Achse an der
Frontseite des Walmdaches des Grabmals wiederkehrt und demzufolge eine motivische
Verbindung beider Monumentteile herstellt.
Das Carbone-Grabmal weist zudem die gleiche Abfolge der vier Ebenen des MinutoloMonuments auf. Allerdings, und darin besteht der signifikante Unterschied, wurde der
Kapellenaltar nicht inkorporiert. Anstelle dessen ist Fides zwischen Spes und Caritas in
der ersten Ebene eingefügt und komplettiert damit den Einsatz der Theologaltugenden
als Karyatiden. Der darüber folgende Kastensarkophag präsentiert eine reliefierte
Frontplatte, die im Gegensatz zum Minutolo-Grabmal ein gänzlich anderes
Bildprogramm aufweist.489 Hier ist der Bestattete als thronender Richter inmitten einer
Gerichtsverhandlung prominent in Szene gesetzt. Auch der Hintergrund der
Totenkammer weist in seiner Vielzahl an „Personen, die […] das Totenoffizium
zelebrieren“,490 eine bewusste Neukomposition auf. Die Verlagerung der commendatio
animae des Kardinals in die vierte Ebene des Grabmals richtet sich demgegenüber nach
dem Einsatz am von Minutolo beauftragten Domportal.491 In Gestalt vollplastischer
Figuren wird Francesco Carbone von seiner Titelheiligen Susanna und der begleitenden
Hl. Sabina der Gottesmutter empfohlen. Beide Heiligen werden in der Inschrift erwähnt,
die zwischen der Sarkophagfrontplatte und der camera funebris eingefügt ist und in
gotischen Lettern folgendermaßen lautet:
487
Während Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 62, annimmt, dass Francesco Carbone noch zu Lebzeiten
sein Grabmal selbst geplant hat, so relativiert er diese Aussage auf S. 314, indem er nahe legt, dass die
„Erben des Kardinals Carbone“ dessen Grabmal in Auftrag gaben, „ausgelöst eventuell durch eine
testamentarische Verfügung“, die jedoch nicht überliefert ist.
488
Zum Grabmal für Francesco Carbone, auch im Vergleich mit dem Minutolo-Grabmal siehe vor allem
Bock, Kunst am Hofe, 2001, S. 62-66, 310-328 u. Kat.-Nr. 20.
489
Ausführlich zum Bildprogramm der Sarkophagfrontplatte siehe ebd., bes. S. 314-325.
490
Ebd., S. 62.
491
Im Gegensatz dazu siehe noch einmal die Darstellung der Empfehlungsszene Kardinal Enrico
Minutolos an der Sarkophagfrontplatte seines Grabmals.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
113
„CLARUS IN EXCELSA CARBONUM PARTHENOPEA/ INGENUA
TELLURE SATUS DE STIRPE COLUNNAS/ INTER APOSTOLICAS
VELUT IGNE MICANCIUS ASTRUM/ CARDINEIQ[UE] CHORI LUX
GLORIA SPES QUOQ[UE] MULTIS/ QUI SABINENSIS APES
TITVLUMQ[UE] SUSANNA DEDERE/ CRIMINA QUI LAVACRO
LAXABAT
CUNCTA
SECUNDO//
ET
PIUS
IN
CUNCTIS
SOLERSQ[UE] AD MISTICA/ REBUS CONSILII PROBITATE NITENS
DVXQ[UE] ORDINIS ALTI/ CORPORE MARMOREA IACET HAC
FRANCISCUS IN ARCHA/ LETUS IN ETHEREA PLAUDIT SET
SPIRITUS AVLA/ ANNO MILLENO DOMINI QUINTO QUATRICENO/
OCTENA DENAQ[UE] DIE IUNII REQUIEVIT.“492
Die Inschrift, die das Grabmal durch ihren Einsatz, neben den genannten motivischen
Änderungen, vom inschriftlosen Minutolo-Grabmal emanzipiert, macht deutlich,
welchen Stellenwert die Auftraggeber dem verwandten Bestatteten nicht zuletzt für ihre
eigenen Repräsentationszwecke beimaßen. Obwohl Kardinal Francesco Carbone seinen
Wohnsitz in Rom eingerichtet hatte, wurde sein Leichnam nach Neapel gebracht, was
darauf schließen lässt, dass seine Nachfahren großen Wert legten auf die posthume
Repräsentation des angesehenen Ahnherrn und ihrer daraus resultierenden Legitimation
inmitten der hochrangigen Adelskorporationen der Stadt. Francesco Carbone gehörte
ebenso wie Enrico Minutolo zu jenen herausragenden Persönlichkeiten des Klerus, der
aus den höheren neapolitanischen Adelsfamilien stammte und entscheidend an den
damaligen politischen Ereignissen in Italien beteiligt war.493
Ist das Grabmal für Kardinal Francesco Carbone also wirklich als Konkurrenzprojekt
zum Grabmonument für Kardinal Enrico Minutolo zu verstehen, wie es Bock
postuliert? Meines Erachtens weist es über die für eine soziale Gruppe typischen
Distinktionsmerkmale hinaus. Viel wichtiger erscheint mir die an beiden Grabmälern
492
Die Übersetzung nach Bock, Kunst am Hofe, 2001, Kat.-Nr. 20: „Berühmt im hehren Land von
Parthenope, Sproß aus dem edlen Stamm der Carbone unter den apostolischen Säulen gleichsam ein
heller als Feuer strahlender Stern, Licht des kardinalischen Chors, Ruhm und Hoffnung vieler, die [ihm]
die Sabinische Tiara und den Titulus Susanna gegeben haben, [ihm], der alle Sünden durch eine zweite
Taufe mildert, allseits fromm verstand er sich auf Mystik in praktischen Dingen glänzte er durch die
Lauterkeit seines Sinnens und Trachtens. Als Leiter des hohen Ordens liegt des Franziskus Leiche in
diesem marmornen Grab, sein Geist frohlockt im Himmelspalast, er legte sich zur Ruhe im 1405. Jahr des
Herrn am 18. Tag des Juni.“
493
Zur Wahrnehmung der neapolitanischen Kleriker als eine Gruppe zur Zeit des Schismas siehe noch
einmal Esch, Das Papsttum, 1972, bes. S. 715f.
114
Grit Heidemann-Schirmer
Gestalt gewordene Abgrenzung nach außen, denn in ihren Gemeinsamkeiten
manifestiert sich das Gruppenbewusstsein und die damit einhergehende exklusive
Selbstwahrnehmung der Maggiore Nobiltà an der römischen Kurie und demzufolge
innerhalb der neapolitanischen Adelsgesellschaft.494 Die hier vorgestellten Grabmäler
waren demnach bedeutend für die Aufrechterhaltung des alten Grabmalstyps im
15. Jahrhundert in Neapel, wie weitere Beispiele zeigen.
Das Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (1426–1428)
Das wenige Jahrzehnte später geschaffene Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio
(Abb. 42) wurde in der von ihm errichteten Familiengrablege Sant’Angelo a Nilo
aufgestellt, die weiter unten zusammen mit dem Auftraggeber ausführlich erörtert
wird.495 Durch seine architektonische Rahmung gehört es ebenfalls zur Gruppe der
Wandbaldachingrabmäler, die die neapolitanische Grabmalslandschaft seit dem
14. Jahrhundert prägten. Überdies wurden innovative Elemente und Motive signifikant
eingesetzt, sodass es von dem alten, gotischen Grabmalstypus abweicht und in der
Forschung als eines der wichtigsten Monumente der Frührenaissance in Neapel gilt.496
Dabei handelt es sich um schlank aufragende Kompositsäulen, die zusammen mit
kleinen Kämpferaufsätzen einen Faszienbogen stützen, der ebenso all’antica gearbeitet
ist wie die seitlichen Doppellisenen und das darüber befindliche Zahnschnittgesims. Als
bekrönender Abschluss kam nicht ein spitzer Wimperg zum Einsatz, sondern ein
geschweifter Knickgiebel,497 der zwar den traditionellen Krabbenbesatz übernommen
hat, jedoch durch seine profilierte Rahmung und den kleinen Muschelmedaillons, die
einen Tondo mit dem im Halbrelief gezeigten segnenden Gottvater flankieren, völlig
494
Siehe dazu auch allgemein Preyer, Rolle, 2012, S. 134: „Eine Person, die in einem
Gruppenzusammenhang steht, verfolgt ein bestimmtes Ziel in der Situation, in der sie darum weiß, dass
andere auch dieses Ziel verfolgen. Das ist ein einfaches Beispiel für eine konforme Einstellung, die in
diesem Fall von der Gruppe geteilt wird. Der Wir-Modus ist im Ich-Modus abgeschwächt.“
495
Zum Grabmal für Rinaldo Brancaccio siehe ausführlich Lightbown, Donatello & Michelozzo (I),
1980, S. 83-127; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 99-105; Morisani, Il monumento, 1968; ders., Per
una rilettura, 1964; Martinelli, La compagnia, 1963. Außerdem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 4654; Poeschke, Die Skulptur, 1990, S. 121f.; Beck, Donatello, 1987.
496
Siehe dazu u.a. De Divitiis, Architettura, 2007, S. 147; Middione, Splendori, 1996, S. 40, der es als
„Schlüsselwerk der Renaissance“ in Neapel bezeichnet. Außerdem Regina, Napoli antica, 1994, S. 99;
Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 99.
497
Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 46f., bezeichnet diesen als „gegeneinanderlaufend konvex-konkav
geschwungener Giebel“.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
115
neuartig im Neapel des frühen 15. Jahrhunderts war.498 Die an den Giebelrändern
aufgestellten Posaune spielenden Putten leiten optisch von der Architektur zum
Grabmal über.
Dieses folgt im Aufbau weitgehend der lokalen Tradition, doch finden sich auch hier
sichtbare Neuerungen im Detail. Das Sockelgeschoss wird von drei Karyatiden gebildet,
die als weibliche Figuren in antikisierten Gewändern zu charakterisieren sind, jedoch
ohne jegliche Attribute oder andere Hinweise eine Interpretation als Tugenden
verwehren.499 Sie tragen den althergebrachten Kastensarkophag, dessen Frontplatte
durch antikisierte Halbpilaster in drei Relieffelder unterteilt ist. Während links und
rechts das mit roter Farbe akzentuierte Kardinalswappen prominent in Szene gesetzt ist,
so wird im breiteren Mittelfeld die „Himmelfahrt Marias“500 präsentiert, die durch die
angewandte schiacciato-Technik des ausführenden Bildhauers Donatello besondere
Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren hat.501 Darüber befindet sich der Gisant des
verstorbenen Kardinals, der im Kirchenornat aufgebahrt liegt. Die traditionelle
Totenkammer erscheint hier jedoch aufgebrochen und auf den architektonischen
Rahmen des Monuments ausgeweitet, was als eine der wichtigsten motivischen
Neuerungen in der neapolitanischen Grabmalskunst eingestuft werden kann. Zwar
erscheinen auch hier zwei Figuren, die den Vorhang zur camera funebris aufhalten,
doch handelt es sich dabei nun nicht mehr um Engel, die eine räumliche Abgrenzung
der Totenkammer zum Vordergrund markieren, sondern es sind dem Gisant in Größe
vergleichbare „Jünglingsgestalten“502, die hinter der Liegefigur am Kopf- und Fußende
aufgestellt wurden. Mit ihren erhobenen Händen bekommen sie nur noch den unteren
498
Siehe dazu im Vergleich noch einmal die oben besprochenen Grabmäler für Kardinal Enrico Minutolo
und Kardinal Francesco Carbone im Neapler Dom. Auch hier lässt sich die für neapolitanische
Portalgestaltungen typische Beeinflussung durch Grabmäler erkennen, denn so weist das Seitenportal von
San Domenico Maggiore, das sich schräg gegenüber zu Sant’Angelo a Nilo und damit in Sichtweite
befindet, einen auffallend ähnlich gestalteten Giebel auf. Darauf verweist auch Pane, Il Rinascimento (I),
1975, S. 102. Zum Bau der Treppenanlage und dem Seitenportal von San Domenico in den 1460er bis
1470er Jahren siehe vor allem Ascher, The Church, 2002, S. 96-98.
499
Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 95, vermutet in diesen Figuren die drei
Theologaltugenden, die „conventional for the tomb of a great ecclesiastic“ waren. Diese Annahme
übernimmt Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 46, kommentarlos als Feststellung.
500
Zur Wahl dieses Reliefmotivs hinsichtlich Rinaldos Selbstverständnis als Erzpriester von Santa Maria
Maggiore in Rom und seiner Anbetung der Muttergottes siehe Lightbown, Donatello & Michelozzo (I),
1980, bes. S. 112-115.
501
Zu diesem von Donatello angefertigten Relief siehe Kanz, Linien, 2010, S. 101f.; Niehaus, Florentiner
Reliefkunst, 1998, S. 93-95; Lions Club, La Cappella Brancaccio, 1996, S. 96f.; Regina, Napoli antica,
1994, S. 99; Poeschke, Die Skulptur, 1990, bes. S. 100; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 99-107;
Morisani, Per una rilettura, 1964, S. 7-10; Martinelli, La compagnia, 1963, bes. S. 221-226.
502
Thoenes, Neapel, 1971, S. 39. Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 102, bezeichnet die
den Vorhang aufhaltenden Figuren wiederum als Engel. Doch haben sie keine Flügel, sondern sind
vielmehr als irdische Gestalten in einem antikisierenden Gewand dargestellt.
116
Grit Heidemann-Schirmer
Teil des drapierten Vorhangs zu fassen, der an dem darüber befindlichen Rundbogen
angebracht ist. Zwischen diesen beiden vermutlich als Messdiener zu interpretierenden
Figuren sind auffällig großformatige Kompositpilaster im Halbformat an der Rückwand
der camera funebris angebracht, die folgende Inschrifttafel rahmen:
„RAYNALDVS
BRANCATIVS/
S.R.E.
CARDINALIS
HVIVS/
ECCLESIE ET SACRI/ HOSPITALIS FVNDATORI/ OBIIT XXVII
MARTII/ AO D MCCCCXXVII.“503
Die Inschrift gab Anlass zur Annahme, dass Rinaldo Brancaccio am 27. März 1427
gestorben sei. Doch wurde dies sehr einleuchtend von Lightbown und Girgensohn
revidiert.504 Bei dieser Tafel handelt es sich nachweislich um ein sehr viel später
angebrachtes Epitaph, das zusammen mit den Pilastern an der Rückwand der
Totenkammer die am Grabmal vorgenommenen Überarbeitungen und Ergänzungen
deutlich vor Augen führt.505 In der darüber befindlichen Lünette, die optisch durch den
mit dem Vorhang verzierten Faszienbogen hervorgehoben wird, erscheinen halbfigurig
und im Halbrelief die Hll. Johannes Evangelista und Michael, die der Gottesmutter den
in der darunter befindlichen Ebene aufgebahrten Verstorbenen anempfehlen.506
Das Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio wurde nachweislich ab 1426 in der
Pisaner Werkstatt der beiden Florentiner Künstler Donatello und Michelozzo angefertigt
und 1428 nach Neapel gebracht, allerdings in einem unvollendeten Zustand, wie
Lightbown an mehreren Details überzeugend dargelegt hat.507 Der offensichtliche
Formentransfer der Florentiner Frührenaissance, für den die ausführenden Künstler
verantwortlich zeichneten, markiert das Spezifikum dieses Monuments innerhalb der
neapolitanischen Grabmalslandschaft des frühen 15. Jahrhunderts.508 So kann als
503
Folgendermaßen zu übersetzen: „Rinaldo Brancaccio, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche,
Gründer dieser Kirche und des heiligen Hospitals, starb am 27. März im Jahr des Herrn 1427.“
504
Siehe dazu noch einmal oben.
505
Auf die spätere Entstehung der Rückwand verweist Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980,
S. 94f., der für die Anbringung des Epitaphs das Jahr 1605 und den Auftraggeber Ottavio Brancaccio
anführt.
506
Zur Bedeutung dieser beiden Heiligen für Rinaldo Brancaccio siehe ebd., S. 106.
507
Vgl. ebd., bes. S. 94, 101-103 u. 116-118. Seine Erklärung, S. 118, dazu: „In all probability then the
executors discovered late in 1427 or early in 1428 that the building of hospital and chapel had cost too
much for the chapel to be decorated as the Cardinal had intended or for more work to be done on his
tomb, and brought the sculptors to a halt by sending to Pisa for the tomb. In Pisa it was hastily made as
presentable as possible […] and despatched in the spring of 1428 to Naples, where the Cardinal’s
executors had it erected, painted and gilded […].“
508
An konkreten Details siehe dazu u.a. Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 100; Martinelli, La
Compagnia, 1963. In diesem Kontext erkennt Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 50 u. 51f., das
Konkurrenzpotential des Rinaldo-Grabmals gegenüber den Anjou-Gräbern. Lightbown, Donatello &
Michelozzo (I), 1980, S. 119, kritisiert dagegen die in der Forschung verbreitete Auffassung, dass Cosimo
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
117
unmittelbares Vorbild das von denselben Künstlern wenige Jahre zuvor geschaffene
Grabmal für den Gegenpapst Johannes XXIII. (Abb. 43) in Florenz herangezogen
werden, das jedoch auch deutliche Unterschiede im Detail erkennen lässt.509 Dort
fungieren beispielsweise die Tugenden nicht als Karyatiden, sondern sie sind über
einem reliefierten Sockel in Muschelnischen gesetzt. Auch der Sarkophag weist eine
andere Form als jener in Neapel auf und der Vorhang wird am Florentiner Monument
nicht von Figuren bewegt, sondern dient gleichzeitig als Baldachinmotiv. Entscheidend
für unseren Kontext ist, dass sich das Brancaccio-Grabmal trotz aller Innovationen
offensichtlich einem lokalen „Standard“ unterzuordnen hatte, was sich vor allem in
seinem Aufbau manifestiert.510
Auch hier scheint das Gruppenbewusstsein der höheren Seggio-Adligen von
grundlegender Bedeutung gewesen zu sein, deren Verweis auf ihre neapolitanische
Herkunft in Form von Monumentsetzungen konstituierend und identitätsstiftend war
und zu denen Rinaldo Brancaccio gehörte. Trotz seiner engen Beziehungen zur
römischen Kurie und trotz seines Aufenthalts in Florenz, der sicherlich hinsichtlich der
dortigen Monumente einen nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht haben dürfte, so war
die persönliche Verbundenheit mit seiner Heimatstadt Neapel das ausschlaggebende
Argument bei der Konzipierung seines Grabmals. Diese für die gesamte Familie
Brancaccio so bedeutsame Repräsentationsstrategie wirkte auch noch viele Jahrzehnte
später entscheidend nach, wie das folgende Beispiel zeigt.
de’ Medici als eigentlicher Auftraggeber des Grabmals fungiert haben soll. Vielmehr war Cosimo als von
Rinaldo eingesetzter Bankier für die Bezahlung der Stiftung und die Ausübung seines Testaments
zuständig. Siehe dazu weiterhin ebd., S. 77 u. 84f. Dazu auch Beck, Donatello, 1987, S. 126f. Rinaldo
hielt sich in den Jahren 1419-20 in Florenz zusammen mit dem Papst auf und lernte sicherlich die
Monumente der Stadt kennen. Doch hatte er ganz konkrete Vorgaben für seine Grablege gemacht, die ein
Bewusstsein für seine Heimatstadt suggerieren. Siehe dazu noch einmal oben.
509
Zum Vergleich beider Grabmäler siehe vor allem Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes.
Kap. II u. IV-V. Zum Grabmal für Papst Johannes XXIII. siehe auch Poeschke, Die Skulptur, 1990, S. 9799.
510
Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 236, bemerkt, dass dieses Grabmal das lokal
typische „Anspruchsniveau der verbindlich geprägten Form [aufweist], das nicht nur die lokale
Nachfolge, sondern Bildhauer von überregionalem Renommée eines Donatello auf einen vorgegebenen
Standard verpflichtete.“ Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 101, und Morisani, Per una rilettura, 1964,
S. 3, charakterisieren es dagegen als rückständig, was dem Monument jedoch nicht gerecht wird.
Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. S. 84 u. 115f., wiederum führt die Grabmäler für
Minutolo und Carbone als die entscheidenden lokalen Vorbilder an und verweist auf die zahlreichen
Neuerungen, die im neapolitanischen Kontext verhandelt wurden.
118
Grit Heidemann-Schirmer
Das Grabmal für Tommaso Brancaccio in San Domenico Maggiore (1492)
Am 20. März 1492 beauftragte Giulia Brancaccio bei dem Bildhauer Jacopo della Pila
ein Grabmal für ihren kurz zuvor verstorbenen Ehemann Tommaso Brancaccio
(Abb. 44).511 Im Vertrag wurde festgelegt, dass es aus Carrara-Marmor, mit der
Bemeißelung des Familienwappens sowie dem Konterfei des Verstorbenen gefertigt
und in der Familienkapelle im alten Vorgängerbau von San Domenico Maggiore,
S. Angelo a Morfisa, aufgestellt werden soll. Für unseren Kontext von besonderem
Belang ist die weitergehende Forderung, das Grabmal ähnlich dem Monument für
Kardinal Rinaldo Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo zu gestalten: „[…] dictus magister
Jacobus facere in ipso cantaro inbassiamentum inferiorem adornatum prout est in
cantaro domini Cardinalis brancatii posito intus ecclesiam sancti Angeli ad Nidum.“512
Dass diese Forderung umgesetzt wurde, lässt sich auch heute noch deutlich erkennen.
So weist das Grabmal für Tommaso dem Vorbild entsprechend und wie im Vertrag
gefordert, drei Karyatiden in der unteren Ebene auf, die als die Tugenden Iustitia,
Temperantia und Prudentia zu identifizieren sind und den darüber befindlichen
Sarkophag tragen. Auch dieser folgt der mittlerweile sicherlich altertümlich wirkenden
Kastenform des Rinaldo-Grabmals und präsentiert gleichfalls auf der Frontplatte drei
Relieffelder, in denen jedoch nicht das Familienwappen und die „Himmelfahrt Marias“
eingearbeitet sind, sondern die Hll. Johannes und Jakobus im Halbformat sowie
folgende Inschrift:
„MAGNIFICO MILITI THO/MASIO BRANCATIO DE/ NEAPOLI QVI
CVM MO/RIENS DE SEPVLCRA/ NIHIL EXCOGITASSET/ IULIA
BRANCATIA CO/NIVGI DILECTISSIMO/ AC BENE MERENTI
FACI/VNDAM CVRAVIT/ MCCCCLXXXXII.“513
Die kanonhafte Darstellung der darüber befindlichen Liegefigur in Rüstung, mit Waffen
und zwei Hunden versinnbildlicht die in der Inschrift festgehaltene Charakterisierung
511
Der Vertrag wird überliefert bei Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 15-20, der auch auf die desolate
Quellenlage zum Verstorbenen hinweist. Zur alten Familienkapelle der Brancaccio in S. Angelo a
Morfisa, in der sich seit dem 14. Jahrhundert Grabmäler für Familienangehörige befanden, siehe Grund,
Teatri della Gloria, 2006, S. 35f. Zum Grabmal für Tommaso Brancaccio außerdem Michalsky, Schichten
der Erinnerung, 2005, S. 118-121; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 95-100.
512
Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 19.
513
Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem großartigen Ritter Tommaso Brancaccio aus Neapel, der vor
seinem Tod nichts für sein Begräbnis veranlasst hat. Giulia Brancaccio besorgte dem geliebten und
verdienstvollen Ehemann die Errichtung [dieses Grabmals im Jahre] 1492.“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
119
des Verstorbenen als verdienstvollen Ritter, dem die Ehefrau nach seinem frühzeitigen
Tod das Grabmal errichten ließ. Dabei wurde fast ausschließlich der Gisant aus dem im
Vertrag geforderten Carrara-Marmor gefertigt.514 An der Rückwand der camera
funebris erscheint wie beim Vorbild das Motiv der Madonna mit Christuskind, doch ist
diese in einen von einer Fruchtgirlande gebildeten Tondo gesetzt, der von Engeln
flankiert wird. Dieses Motiv erinnert an das wenige Jahre zuvor entstandene Grabmal
für Maria von Aragon (Abb. 61) in Santa Maria di Monteoliveto, das in seiner
Konzeption völlig neuartig war und die neapolitanische Grabmalslandschaft nachhaltig
beeinflusste.515 Maßgebend war jedoch das im Vertrag festgelegte Vorbild des
Grabmals für Rinaldo Brancaccio.
Auch die architektonische Rahmung des Tommaso-Monuments übernimmt weitgehend
dessen Konzeption, lässt aber einige Neuerungen im Detail erkennen, die seiner
Entstehungszeit zuzurechnen sind. So wurden nicht jene Kompositsäulen mit
Kämpferaufsätzen eingesetzt, sondern reliefierte Pilaster, die scheinbar nahtlos in einen
Rundbogen übergehen. Diese ist mit vier Cherubimköpfchen und einem aufwendig
drapierten Vorhang geschmückt, der auf Höhe des Gisant endet. Hier halten zwei, auf
polygonalen Konsolen aufgestellte Engel das verbleibende Endstück des Vorhangs und
verweisen dadurch auf das Vorbild in Sant’Angelo a Nilo. Während sie als Engel
auftreten und somit an das den traditionellen Grabmalstypus charakterisierende Motiv
erinnern, so haben sie durch ihre neuartige Aufstellung an der Frontseite der Pilaster die
Totenkammer endgültig und raumgreifend aufgebrochen, wie es beim Kardinalsgrabmal
bereits angeklungen ist. Das Erinnerungsmonument für Tommaso Brancaccio wird von
dem über dem Bogen angebrachten und aufwendig gestalteten Familienwappen bekrönt,
das im Vertrag gefordert wurde.
Es lässt sich festhalten, dass die schriftliche Vereinbarung vom ausführenden Bildhauer
weitgehend umgesetzt wurde. Maßgebend dafür war das Grabmal für Kardinal Rinaldo
Brancaccio, der fast 80 Jahre zuvor gestorben war und dennoch augenscheinlich als
vorbildhafter Ahnherr zu Repräsentationszwecken der verbliebenen Familienmitglieder
beansprucht wurde. Die formale Bezugnahme auf sein Grabmal scheint aufgrund der
räumlichen Distanz zum Monument für Tommaso Brancaccio, das im Vorgängerbau
der Seggio-Hauptkirche Aufstellung fand, notwendig gewesen zu sein.
514
Dazu Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 17, der auf das für die verbleibenden Teile genutzte
Material des kampanischen Travertins verweist.
515
Zum Grabmal für Maria von Aragon siehe unten Kap. V.2.
120
Grit Heidemann-Schirmer
Schließlich kann ein weiteres Monument angeführt werden, das die Persistenz des alten
Grabmalstyps besonders eindrücklich als eine bewusste Entscheidung der jeweiligen
Auftraggeber reflektiert.
Das Grabmal für Antonio Malizia Carafa in San Domenico Maggiore (nach 1470)
Der unter den Anjou-Durazzo erfolgreiche Adlige Antonio Malizia Carafa starb am
10. Oktober 1438 und wurde in der Familienkapelle in San Domenico Maggiore
bestattet.516 Erst Jahrzehnte später, und zwar nach 1470, ließ ihm sein jüngster Sohn
Diomede Carafa ein Grabmal (Abb. 45) errichten.517 Dieses folgt deutlich dem
traditionellen Grabmalstypus, wodurch es im betreffenden Entstehungszeitraum
besonders charakterisiert ist.518 Sehr ähnlich zum Grabmal für Tommaso Brancaccio
wurden auch hier die drei Tugenden Iustitia, Temperantia und Prudentia als Karyatiden
im Sockelgeschoss eingesetzt, allein die Drapierung ihrer Gewänder und die Haltung
ihrer Köpfe differieren, was als eine leichte Modifikation in der Ausführung desselben
Bildhauers zu interpretieren ist. Der darüber angebrachte Sarkophag markiert das
Spezifikum des Malizia-Monuments, ist er doch ein Werk aus dem Trecento, das hier
wieder verwendet wurde.519 Insbesondere die Gestaltung der Frontplatte mit der
Unterteilung in drei Vierpässe, in denen flach reliefierte Figuren auf einem von
Mosaiksteinchen verzierten Grund eingearbeitet sind, verweist auf das Umfeld Tino di
Camainos, dessen Arbeiten aus dem 14. Jahrhundert prägend für die neapolitanische
Grabmalslandschaft waren.520
Am Sarkophag für Antonio Malizia ist die Madonna mit dem Christuskind zwischen
den Hll. Katharina und Johannes Evangelista dargestellt. In den Zwischenräumen der
Medaillons erscheinen zudem zwei kleine Tondi, in denen das Familienwappen der
Carafa neu eingearbeitet wurde. Über und unter diesen ist der verbleibende Freiraum
mit Engelfiguren gefüllt, die den Verstorbenen unter sich aufgenommen haben und der
516
Zu Antonio Malizia Carafa siehe vor allem Petrucci, Carafa, Antonio, 1976; Ammirato, Delle famiglie
(II), 1651, S. 144f.
517
Zum Grabmal für Antonio Malizia Carafa siehe vor allem De Divitiis, Architettura, 2007, S. 161-165.
Außerdem Michalsky, The local eye, 2008, bes. S. 497f.; dies., Die Porosität, 2007, S. 119-121; Leppien,
Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 76-84; D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 286.
518
Zur Übernahme des alten Grabmalstyps siehe auch De Divitiis, Architettura, 2007.
519
Darauf verweisen De Divitiis, Architettura, 2007, S. 162; Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 119;
Pace, Morte a Napoli, 2000, S. 51f.
520
Auf die „höchstwahrscheinlich[e]“ Herkunft dieses Sarkophags „aus der Werkstattproduktion der
Tino-Nachfolge“ verweist Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 119.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
121
Gottesmutter anempfehlen (Abb. 45a). Auch die am Sarkophagrand umlaufende
Inschrift zeigt eine Veränderung durch die Übernahme der Daten des Verstorbenen. Sie
lautet:
„MAGNIFICVS DNS MALICIA CARRAFA MILES OBIIT AN DNI
MCCCCXXXVIII DIE X OCTROBRIS II IND.“521
In der folgenden Ebene befindet sich die camera funebris, deren unterer Rahmen von
zwei kleinen Postamenten und einer dazwischen angebrachten Inschrifttafel mit
folgendem Wortlaut gegliedert wird:
„AVSPICE ME LATIAS ALFONSVS VENIT I[N] ORAS REX PIVS VT
PACE[M] REDDERET AVSONIAE/ NATORV[M] HOC PIETAS
STRVXIT MIHI SOLA SEPVLCHRV[M] CARRAFE DEDIT H[A]EC
MVNERA MALITIE.“522
Die Inschrift nennt interessanterweise nicht explizit den Auftraggeber des Grabmals,
Diomede Carafa, sondern ist vorrangig der Erinnerung an die ruhmvollen Taten des
verstorbenen Vaters gewidmet. Doch durch die Einbeziehung des Königs Alfons von
Aragon, der erst nach dem Tod Malizias (†1438) den neapolitanischen Thron bestieg
(1442) und dessen Charakterisierung als „gerechter König“ offenkundig auf die
Inschrift an dem von ihm beauftragten Triumphbogen verweist, wird auch eine indirekte
Bezugnahme zu Diomede geschaffen, der eine der wichtigsten Persönlichkeiten am
aragonesischen
Königshof
war.523
Darauf
wird
weiter
unten
noch
einmal
zurückzukommen sein.
Die weitere Gestaltung der camera funebris mit der Liegefigur des Verstorbenen in
Rüstung, dem Motiv der Vorhang aufhaltenden Engel und dem abschließenden
Walmdach lässt unübersehbare Parallelen zu den neapolitanischen Grabmälern des
14. Jahrhunderts erkennen und bietet insofern eine harmonische Ergänzung zum wieder
521
Folgendermaßen zu übersetzen: „Der großartige Herr und Ritter Malizia Carafa starb im Jahr des
Herrn 1438 am 10. Tag des Oktober der zweiten Indiktion.“
522
Folgendermaßen zu übersetzen „Durch mein Kommando ist Alfonso, gerechter König, in diese
Gegend gekommen, um den Bewohnern Unteritaliens den Frieden zurück zu bringen. Allein durch die
Frömmigkeit meiner [Nachfahren] Carafa wurde dieses Grabmal gestiftet und dem [hier] bestatteten
Malizia gewidmet.“
523
Zu Diomede Carafa siehe unten. Zum Triumphbogen des Alfons von Aragon am Castel Nuovo, der
zwischen 1450 und 1471 errichtet wurde, siehe zuletzt Heidemann, Prozessionen, 2012, bes. S. 145. Die
erwähnte Inschrift unter dem Fries lautet: „ALFONSVS REX HISPANVS SICVLVS ITALICVS/ PIVS
CLEMENS INVICTVS.“ Auch Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 121, verweist darauf, dass die Inschrift
am Malizia-Grabmal „bewusst in Vergangenheit und Zukunft [greift], um die Generationen zu
verklammern.“
122
Grit Heidemann-Schirmer
verwendeten Sarkophag aus dieser Zeit.524 Einzig die Architekturrahmung in Form
eines Triumphbogens vermittelt die auf die Antike rekurrierenden Tendenzen der
Entstehungszeit des Grabmals im späten 15. Jahrhundert. Die Rahmung zeichnet sich
durch schlanke Säulen mit Kompositkapitellen, die über einem flachen Kämpferaufsatz
die Lisenen mit einem dazwischen aufragenden Rundbogen tragen, und durch ein nach
antiker Art gefertigtes Gebälk aus.
Abgesehen von der Architektur stellt sich die Frage, warum sich dieses Grabmal in
seiner Formensprache so deutlich von anderen zeitgleichen lokalen Auftragswerken
distanzierte, die ein völlig neuartiges Formenrepertoire in Neapel einführten.525 Als
Erklärung können der soziale Status des Verstorbenen und seine Wahrnehmung durch
die Zeitgenossen angeführt werden, die sein Sohn Diomede auch noch Jahrzehnte später
für die Repräsentation der Familie und der daraus folgenden Legitimation ihrer sozialen
Vorrangstellung nutzen wollte.526
Antonio Malizia Carafa hatte im frühen 15. Jahrhundert wichtige Ämter und Titel am
Königshofe der Anjou-Durazzo erlangt und war unter anderem als Gesandter der
Königin Johanna II. zuständig für die Aushandlung der Adoption Alfonsos von Aragon
bei Papst Martin V. im Jahre 1420.527 Malizia setzte sich nach dem Tod der Königin
(†1435) und den ausbrechenden Thronfolgestreitigkeiten für den Aragonesen ein und
beteiligte sich an dessen Eroberung des süditalienischen Königreiches, auch wenn er
den siegreichen Ausgang dieses Ereignisses (1442) nicht mehr erlebte. Von besonderer
Bedeutung ist, dass er den neuen Familienzweig der Carafa della Stadera begründet
hatte.528 Bei den nachfolgenden Generationen war Malizia zu Ruhm gelangt, wie es
auch Ammirato anführt, insofern auch das Ansehen des neuen Familienzweiges
gesteigert wurde.529 Es erscheint mehr als plausibel, dem Auftraggeber des Grabmals,
also seinem Sohn Diomede Carafa, eine soziale Rekonstruktion Malizias als ruhmvollen
Ahnherrn der Familie zu attestieren, indem Diomede den Rückgriff auf das alte und
524
Dazu auch Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 120.
Als Vergleiche seien die unten thematisierten Grabmäler für Diomede und Francesco Carafa sowie die
Ausstattung der Cappella Piccolomini in Santa Maria di Monteoliveto zu nennen, auf die in Kap.V.2.
ausführlicher eingegangen wird.
526
Auch Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 120, erwägt, „Diomede Carafa […] die Ambition zu
unterstellen, am Grab des Vaters auf eine nunmehr vergangene Zeit und damit auf die Dauer der eigenen
Familientradition zu verweisen.“
527
Siehe dazu noch einmal Kap. II.4. Zur Vita Antonio Malizia Carafas siehe noch einmal die o.g.
Literatur.
528
Zur Geschichte der Familie Carafa, die seit dem 13. Jahrhundert im Seggio di Nido sesshaft war und
sich in den Folgejahrhunderten in mehrere Zweige aufspaltete, wie die Spina im 14. Jahrhundert und die
Stadera durch Malizia im Quattrocento siehe zuletzt ausführlich De Divitiis, Architettura, 2007, S. 21-41.
529
Vgl. Ammirato, Delle famiglie (I), 1580, S. 144.
525
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
123
lokal traditionelle Formenrepertoire anordnete.530 Dafür war der Bildhauer Jacopo della
Pila überaus geeignet, dessen Stilidiom es doch offensichtlich war, den alten
Grabmalstyp auch noch im späten 15. Jahrhundert weiter zu tradieren und somit eine für
die alteingesessenen Adligen in Neapel legitimierende und gruppenbindende
Vermittlung von Anciennität zu ermöglichen.531 Dieser Künstler wurde demnach nicht
nur von einer Familie zu Repräsentationszwecken instrumentalisiert, sondern von
mehreren Adelshäusern beauftragt. Doch wie schon Donatello und Michelozzo bei dem
Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio so hatte der ebenfalls auswärtige Jacopo della
Pila dem für die Grabmäler der neapolitanischen Maggiore Nobiltà „vorgegebenen
Standard“532 zu folgen, der das Charakteristikum der lokalen Grabmalslandschaft
darstellte.
Generell sind mittelalterliche Adelsgrabmäler durch standestypische Motive wie die
Darstellung des Verstorbenen in Rüstung, mit Waffen und ein bis zwei Hunden am
Fußende als Allegorien der Treue gekennzeichnet, die dem Selbstverständnis der
Auftraggeber als Ritterschaft gerecht werden und somit den „Idealtyp des Adligen“533
visuell vermitteln. Die für die neapolitanische Grabmalslandschaft spezifischen Motive
und
Elemente
waren
darüber
hinaus,
wie
schon
erwähnt,
die
rahmende
Baldachinarchitektur, die Tugendkaryatiden, der reliefierte Sarkophag, die camera
funebris
und
eine
das
Walmdach
bekrönende
Figurengruppe,
welche
bezeichnenderweise den angiovinischen Königsgrabmälern folgten und im Laufe des
15. Jahrhunderts nur wenige Modifizierungen erfahren haben. Michalsky betont zwar,
dass die Adelsgrabmäler „schon durch die Übernahme des königlichen Typus
ausgezeichnet [sind] […] [und] nicht aus demselben Legitimationsdruck heraus
entstanden,
der
die
königlichen
Gräber
geprägt
hatte“.534
Dass
sich
die
Aufrechterhaltung dieses Typs innerhalb Neapels jedoch bis ins späte Quattrocento
530
Auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 161, spricht von einer „angemessene[n] Beisetzung für den
Stammvater des Familienzweigs der Stadera“. Ihr zufolge wollte Diomede durch den Rückgriff auf das
alte Formenvokabular auf Malizias Leben unter den Anjou-Durazzo rekurrieren. Vgl. ebd., S. 165.
Visceglia, Il bisogno, 1988, S. 33, bezeichnet den Familienzweig als „Carafa di Malizia“.
531
Siehe die Beispiele oben. Vereinzelt wird dies auch an Grabmälern für niedere Seggio-Adlige und für
die Neuen in der Stadt greifbar. Siehe dazu Kap. V.2.2. und V.5. Zur auffallend ähnlichen Gestaltung des
Grabmals für Diego Cavaniglia in Montella im Vergleich mit dem Carafa-Grabmal siehe auch De
Divitiis, Architettura, 2007, S. 161; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 76f., der das CarafaMonument jedoch wenig überzeugend und allein stilkritisch später datiert.
532
Siehe noch einmal Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 236.
533
Paravicini, Einleitung, 1997, S. 15. Zur standestypischen Darstellung des Adligen mit Rüstung auf
seinem Grabmal siehe auch Zajic, Einen grabstain, 2007, S. 325.
534
Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 232.
124
Grit Heidemann-Schirmer
hinein zog, erscheint im Hinblick auf das zeitgleiche Aufkommen der Renaissance in
anderen
italienischen
Grabmalslandschaften
als
erklärungsbedürftig.535
Meines
Erachtens handelt es sich dabei um eine bewusste Persistenz des alten angiovinischen
Grabmalstyps, der fast ausschließlich an den Erinnerungsmonumenten der Maggiore
Nobiltà eingesetzt wurde, um das exklusive Selbstverständnis ihrer Gruppe über die
politischen Umbrüche und gesellschaftlichen Veränderungen hinweg dauerhaft zu
vermitteln und demzufolge zu legitimieren. Diese Adelsgrabmäler standen zwar in
enger Disposition zu den angiovinischen Königsgrabmälern in Neapel, doch in ihren
verbindenden Elementen stärkten sie auch das Gruppenbewusstsein ihrer Auftraggeber
bis weit nach dem Ende dieser Dynastie.
Während der Baldachin im späten Quattrocento von einer triumphbogenartigen
Architektur abgelöst wurde, so blieb der Einsatz von in der Regel drei Tugendfiguren
als Karyatiden das gesamte Jahrhundert hindurch nahezu kanonisch und für Neapel
spezifisch, wie die vorgestellten Beispiele der Grabmäler für Francesco Carbone (1405,
Abb. 41), Rinaldo Brancaccio (1426–1428, Abb. 42), Sergianni Caracciolo del Sole
(1433–1449, Abb. 17), Antonio Malizia Carafa (1470, Abb. 45) und Tommaso
Brancaccio (1492, Abb. 44) zeigen.536 Auch der reliefierte Sarkophag bestand in seiner
archaisch anmutenden Kastenform an den Grabmälern für Angehörige der Maggiore
Nobiltà fort, denen das nur bruchstückhaft erhaltene Grabmal für Nicola Tomacelli
(1473, Abb. 46) als weiteres Exemplum beizufügen ist.537 Die camera funebris mit dem
charakteristischen Motiv der Vorhang aufhaltenden Engel blieb zwar ebenfalls ein
535
Erst im 16. Jahrhundert setzte sich die Renaissance an den neapolitanischen Grabmälern gänzlich
durch, wobei nun einzelne Grabmäler des Quattrocento mit ihren innovativen Elementen der
Frührenaissance als Vorbilder galten. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 605f., Anm. 95, gibt dazu
folgende Beispiele: „Giovanni Antonio Caracciolo (1546), Herzog von Oppido, fordert in seinem
Testament, dass nach seinem Tod ein marmornes Bild der glorreichen Geburt des Retters zu bestellen ist,
wie jenes in der Kapelle des Duca di Amalfi in der Kirche Monteoliveto […]“, und dass das Grabmal
seines Vaters „wie jenes von Galeazzo Caracciolo in der Kapelle des Marchese di Vico in San Giovanni a
Carbonara und das Grabmal meiner Mutter wie jenes gemacht für die duchessa di Amalfi, D. Dianora di
Aragona in [der gleichen Kirche] Monteoliveto […]“ anzufertigen sei. Im Kontext des 16. Jahrhunderts
handelt es sich hierbei also erneut um einen Rückgriff auf derzeit „altes“ Formenvokabular.
536
Modifizierungen an den Tugendfiguren, wie besonders an den Grabmälern für Diomede und Francesco
Carafa ersichtlich, werden weiter unten besprochen. Dass die Tugenden als wichtiger Bestandteil des
Grabmalprogramms in Neapel fungierten, zeigt ein Vergleich mit anderen Grabmalslandschaften wie zum
Beispiel in Rom, wo diese „eher selten“ vorzufinden sind. Vgl. Götzmann, Römische Grabmäler, 2010,
S. 29. Allgemein zum Spezifikum der Tugenden an neapolitanischen Grabmälern siehe auch Bock, Kunst
am Hofe, 2001, S. 230-232.
537
Auch hier nehmen die Grabmäler für Diomede und Francesco Carafa ebenso wie das für Pietro
Brancaccio eine Sonderrolle ein. Siehe dazu Kap.IV.2.2. Zum Grabmal für Nicola Tomacelli, bei dem
wie am Malizia-Grabmal ein Sarkophag aus dem Trecento wieder verwendet wurde, siehe u.a. Pace,
Morte a Napoli, 2000, S. 52, Anm. 45; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 167; D’Engenio,
Napoli Sacra, 1623, S. 283. Das Grabmal ist nur noch in Teilen erhalten und wird in dieser Arbeit nicht
eingehender erörtert.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
125
wichtiger Bestandteil der Monumente, erfuhr aber sukzessive eine signifikante
Umformulierung, indem sie erstmals am Grabmal für Rinaldo Brancaccio (1426–1428,
Abb. 42) und dann erneut am Monument für Tommaso Brancaccio (1492, Abb. 44)
transformiert und aufgebrochen wurde. Die Gisants zeigen hingegen eine motivische
Beharrlichkeit, die mit der standestypischen Darstellung des Verstorbenen entweder im
Kirchenornat oder in der Rüstung einhergeht und das Selbstverständnis der Adligen als
hohe Kleriker beziehungsweise als Ritterschaft vermitteln. Zudem bekunden sie durch
ihre allgemein im Mittelalter übliche „Aufbahrungssituation“ die am Grabmal
„verewigt[e] […] Phase der Totenliturgie“,538 derer sich die Auftraggeber dauerhaft
vergewissern wollten.
Das für den alten Grabmalstypus charakteristische Walmdach mit der bekrönenden
Figurengruppe wurde schließlich im Laufe des 15. Jahrhunderts aufgegeben, was mit
der formalen Entwicklung der Totenkammer sowie der umrahmenden Architektur des
jeweiligen Monumentes zu erklären ist.
Festzuhalten bleibt, dass es durch die Aufrechterhaltung des Aufbaus sowie einzelner
Elemente zu einer Persistenz des alten Grabmalstyps im Quattrocento kam, der die
damalige neapolitanische Grabmalslandschaft entscheidend prägte.539 Der bewusste
Einsatz dieses retrospektiven Formenvokabulars erklärt sich aus dem Bedürfnis der
alteingesessenen Adligen nach einer visuellen Vermittlung ihres durch das Alter und die
neapolitanische Herkunft legitimierten exklusiven Status’ und nach einer daraus
resultierenden Abgrenzung gegenüber den anderen Adelsgruppen in Neapel.540 Es
handelt sich demnach um das für soziale Gruppen charakteristische Phänomen, dass sie
sich erst durch „die Abgrenzung von einer anderen Gruppe [definiert]“541 und dabei „die
Differenz nach außen betont, die nach innen dagegen herunter[…]spielt. Zudem bildet
sie ein Bewußtsein ihrer Identität durch die Zeit hindurch aus, so daß die erinnerten
538
Schmidt, Typen, 1990, S. 24.
Zur Übernahme des alten Typus vereinzelt auch an Grabmälern für Feudaladlige und die Neuen in der
Stadt wie z.B. am Grabmal für Ruggiero Sanseverino di Bisignano und für Giovanni Cavaniglia siehe die
Kap. III.3. und V.5.
540
Allgemein zum Traditionsbewusstsein von Adel siehe Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen,
2008, bes. S. 4f. Beispielhaft aus der Antike der Vergleich zweier attischer Kouroi, die trotz ihrer
unterschiedlichen Entstehungszeiten die „traditionellen Werte[…] der attischen Adelsfamilien“ durch
einen kanonhaften Statuentypus „öffentlich und auf Dauer visualisierte[n].“ Vgl. Boschung, Adlige
Repräsentation, 2008, bes. S. 184-188. Zum italienischen Wandbaldachingrabmal, das im Spätmittelalter
„anfangs nur für die Spitzen der geistlichen und weltlichen Hierarchie in Anspruch genommen worden
[war] [und] in der Folge […] seine ursprüngliche Exklusivität [einbüßte]“ siehe auch Schmidt, Typen,
1990, S. 59.
541
Kröll, Einführung, 2007, S. 12.
539
126
Grit Heidemann-Schirmer
Fakten stets auf Entsprechungen, Ähnlichkeiten, Kontinuitäten hin ausgewählt […]“
werden.542 Dies erfolgt – wie in der vorliegenden Studie ersichtlich – durch den Einsatz
„wieder erkennbare[r] Formen“,543 die „nicht nur identitätsstiftend und bindend
innerhalb der Gruppe [wirken], sondern […] gleichzeitig die Unterschiede zu den
anderen [verdeutlichen].“544
Die Adelsfamilien befanden sich jedoch auch immer in einem distinktiven Wettstreit
um die sozial privilegierte Stellung innerhalb der jeweiligen Gesellschaft, worauf im
Folgenden näher eingegangen wird.
IV.2. Konkurrenz nach innen
Zu Distinktionsbestrebungen kommt es in aller Regel innerhalb einer sozialen Gruppe,
die von hierarchischen Strukturen wie der vormodernen Ständegesellschaft geprägt
war.545 Dies betraf insbesondere die Adelsgesellschaften, die überaus heterogen waren
und sich über das Alter sowie die Herkunft ihrer Familien definierten. Somit stand „jede
adlige Familie in Konkurrenz zu anderen. Es […] [gab] Legitimation nicht nur nach
außen, sondern je nach Familie und Individuum auch nach innen, um den Rang zu
halten und zu erhöhen.“546
Der Wettstreit beziehungsweise die Konkurrenz um die sozial privilegierte Stellung
innerhalb der jeweiligen Adelsgruppe schlug sich auch in Monumentsetzungen nieder,
die in der Öffentlichkeit oder zumindest von den Angehörigen der entsprechenden
Gruppe als Rezipienten zugänglich waren, wie es beispielsweise bei den aufwendig
gestalteten Familienpalästen, die das Stadtbild maßgeblich prägten, oder auch bei den
besonders reich ausgestatteten Familienkapellen und Grabmälern in den großen Kirchen
542
Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 40. Siehe dazu auch Assmann, Zeit und Tradition, 1999.
Borggrefe, Stil, 2008, S. 116.
544
Kröll, Einführung, 2007, S. 12.
545
Zur Differenzierung als Qualitätsmerkmal sozialer Hierarchisierung siehe Luhmann, Soziale Systeme,
1987, S. 264. Zur mittelalterlichen Ständegesellschaft siehe Korte/Schäfers, Einführung, 2002, S. 188190. Außerdem Schmidt/Carl, Stadtgemeinde, 2007; Füssel/Weller, Ordnung und Distinktion, 2005.
546
Paravicini, Einleitung, 1997, S. 22. Auch Beck/Scholz/Walter, Die Macht der Wenigen, 2008, S. 5,
stellen „eine gruppenspezifische Konkurrenz“ als typisches Merkmal von Adelsgesellschaften heraus.
Siehe auch Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, 1990. Zu Rivalitäten und Konkurrenzdenken unter
den neapolitanischen Adligen während der Begräbniszeremonien siehe außerdem Visceglia, Corpo e
sepoltura, 1982, S. 586.
543
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
ersichtlich
wird.547
Grabmonumente
Visceglia
eine
hat
besondere
herausgerbeitet,
Aufmerksamkeit
127
dass
in
der
den
Gestaltung
der
Testamenten
der
neapolitanischen Adligen zukam, die deutlich macht, wie wichtig die zeichenhafte und
auf Dauer angelegte Vergegenwärtigung des eigenen Geschlechts innerhalb der
Gesellschaft war.548
Insbesondere die Familien der neapolitanischen Maggiore Nobiltà versuchten sich nicht
nur nach außen abzugrenzen, sondern standen auch in einem ständigen Wettstreit um
die hierarchische Vorrangstellung untereinander. Ein wahrhaft sprechendes Abbild der
Seggio-Zugehörigkeiten lieferten dabei die Ausstattungen der großen Kirchen Neapels,
wie oben schon angeklungen ist und am folgenden Fallbeispiel nun ausführlicher
gezeigt werden soll.
IV.2.1. Wettstreit um die Besetzung des Kirchen- und des Stadtraums – Die
Grablegen der Brancaccio und Carafa in Sant’Angelo a Nilo und San Domenico
Maggiore
Betrachtet man noch einmal die Kapellenverteilung in San Domenico Maggiore um
1500 (Abb. 35), so wird die Dominanz von zwei Adelsfamilien ersichtlich, die damals
zu den größten und einflussreichsten in Neapel gehörten und im Seggio di Nido sesshaft
waren.549 Es handelt sich offensichtlich um einen Wettstreit um die Besetzung der
Seggio-Hauptkirche, der sogar über den Kirchenraum hinausging.
Während bis in das frühe 16. Jahrhundert für alle vier Familienzweige der Carafa
Kapellen in San Domenico eingerichtet wurden, so besaßen die zu den ältesten
neapolitanischen Familien zählenden Brancaccio550 sowohl im rechten Seitenschiff zwei
Kapellen als auch eine weitere im alten Vorgängerbau, S. Angelo a Morfisa, der einen
separaten Eingang hatte und dem von der Piazza eintretenden Besucher mit Blick auf
547
Siehe dazu auch Michalsky, Die Porosität, 2007.
Vgl. Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 605. Allgemein dazu Schmidt/Carl, Stadtgemeinde, 2007,
S. 22: „Der politische Führungsanspruch der städtischen Eliten musste mit allen Mitteln symbolischer
Kommunikation in alltäglichen wie zeremoniellen Situationen untermauert werden.“ Auch Oexle,
Soziale, Gruppen, 1998, S. 21, betont in diesem Zusammenhang den für die Adligen grundlegend
wichtigen „Nachweis einer langen Generationenfolge“.
549
Darauf verweisen auch Vitolo, Ordini mendicanti, 2005, S. 12; Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982,
S. 598f.
550
Zur „antichità di nobiltà“ der Familie Brancaccio siehe u.a. Brancaccio, Breve notamento, 1715, f. 1r.
Allgemein zur Familie Brancaccio siehe vor allem Vitale, Èlite, 2003, Anhang; dies., Uffici, 1993.
Außerdem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 26-31. Dementsprechend verortet Esch, Das Papsttum,
1972, S. 729, die Brancaccio „im Innersten dieses seggio [Nido]“.
548
128
Grit Heidemann-Schirmer
die dort befindlichen Grabmäler verdeutlichte, welche Familie hier kommemoriert
werden sollte.551 Darüber hinaus ließ der schon oben vorgestellte Kardinal Rinaldo
Brancaccio
die
familiäre
Eigenkirche
Sant’Angelo
a
Nilo
gegenüber
der
Dominikanerkirche errichten, die somit nicht nur eine visuelle Verbindung mit der alten
Familiengrablege
einging,
sondern
auch
unmittelbar
an
den
alten
Seggio-
Versammlungsbau anschloss und damit ein deutliches Zeichen des Machtbereichs der
Brancaccio innerhalb des Stadtraums setzte.552
Zu Recht hat Weber darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu den Kapellen in den
großen Kirchen nur wenige eigene Familienkirchen in Neapel errichtet wurden.553 Jene,
die sich aus dem 15. Jahrhundert erhalten haben, weisen jedoch eine Gemeinsamkeit
auf, und zwar ihre Nähe zu den adligen Versammlungsbauten. Diese „Planung völlig
neuer, individueller Graborte“ an prominenten Plätzen im urbanen Raum spiegelt nicht
nur „das Streben nach persönlicher Memoria“ wider,554 es vermittelt auch ein besonders
ausgeprägtes Distinktionsbedürfnis der Auftraggeber, das sich öffentlichkeitswirksam
im Stadtbild manifestierte.555
Im Folgenden werden einzelne Grablegen aus dem Quattrocento für die Angehörigen
beider Adelsfamilien in Sant’Angelo a Nilo und San Domenico Maggiore noch einmal
hinsichtlich der distinktiven Repräsentationsstrategien ihrer Auftraggeber vorgestellt,
die aus dem Anspruch auf die soziale Vorrangstellung ihrer Familien innerhalb der
Adelskorporation von Nido resultierten.
Sant’Angelo a Nilo als Familiengrablege der Brancaccio
Die kleine Kirche Sant’Angelo a Nilo (Abb. 47) befindet sich direkt am antiken
decumanus inferiorus (Via S. Biagio dei Librai) angrenzend an die Piazza von San
551
Zu den Brancaccio-Kapellen in San Domenico Maggiore siehe auch D’Engenio, Napoli Sacra, 1623,
S. 271f. u. 282f.
552
Zum Status von Sant’Angelo a Nilo als familiäre Eigenkirche siehe vor allem Grund, Teatri della
Gloria, 2006, S. 38 u. 42. Allgemein zum rechtlichen Stand von Familienkapellen als „Eigenkirchen“
siehe auch Höger, Studien, 1976, S. 37.
553
Vgl. Weber, Familienkanonikate, 1988, S. 280 u. 288. Zur geringen Zahl an Eigenkirchen der
neapolitanischen Adligen aus wirtschaftlichen Gründen siehe auch Vitale, Èlite, 2003, S. 143f.
554
Borgolte, Grablege, 1989, Sp. 1629.
555
Siehe dazu auch Vitale, Èlite, 2003, S. 145. Als weitere Beispiele familiärer Eigenkirchen aus dem
15. Jahrhundert sind die nahe dem Seggio di Nido befindliche Santa Maria Assunta dei Pignatelli und die
nahe dem Seggio di Porto errichtete San Giovanni dei Pappacoda zu nennen.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
129
Domenico.556 Ihre heutige Gestalt ist von den barocken Umbauarbeiten geprägt und so
haben sich nur wenige Architektur- und Ausstattungselemente aus der originalen
Entstehungszeit erhalten.557
Auftraggeber der Kirche war Rinaldo Brancaccio, der wie Enrico Minutolo und
Francesco Carbone in den hohen Klerus an der päpstlichen Kurie in Zeiten des
Schismas aufgestiegen war.558 Höhepunkt seiner Karriere war die Erlangung der
Kardinalswürde, die er am 14. Dezember 1384 von Papst Urban VI. zusammen mit der
Titelkirche S. Vito in Macello übertragen bekam. Zeit seines Lebens hielt er sich
vorrangig in Rom auf oder war im Papstgefolge auf Reisen.559 Dennoch war es ihm
offensichtlich ein großes Bedürfnis, die persönliche Erinnerung in seiner Heimatstadt
Neapel auch über den Tod hinaus zu gewährleisten.560 So bedachte er nicht nur San
Domenico Maggiore mit mehreren Stiftungen, sondern ließ auch ab 1426 das alte
Armenhospital S. Andrea restaurieren, das sich nahe dem Versammlungsort des Seggio
di Nido und dem Familienpalast der Brancaccio befand.561 Die daran anschließende neu
errichtete Kapelle sollte zugleich als neue Familiengrablege dienen.562 Sie wurde dem
Erzengel Michael unter dem Namen Sant’Angelo a Nilo neu geweiht und mit reichlich
Mobiliar ausgestattet.563
556
Zur Kirche Sant’Angelo a Nilo siehe vor allem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 25-127; Lions
Club, La Cappella Brancaccio, 1996; Russo, Regesti, 1991; De Stefano, La chiesa, 1964; D’Engenio
Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 260-262.
557
Zum barocken Umbau siehe u.a. De Stefano, La chiesa, 1964, S. 17-19.
558
Zu Rinaldo Brancaccio siehe vor allem Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. S. 52-82;
Girgensohn, Brancaccio, 1971; Ricca, La nobiltà, 1879, S. 528-562; Brancaccio, Breve notamento, 1715,
f. 51v-56v. Außerdem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 31-35; Vitale, Élite, 2003, S. 55 u. 219; Bock,
Antiken- u. Florenzrezeption, 2001, S. 247; Esch, Das Papsttum, 1972, bes. S. 746 u. 752f; D’Aloe,
Catalogo, 1883, S. 127.
559
Darauf verweist u.a. Girgensohn, Brancaccio, 1971, S. 799.
560
Die Verbundenheit Rinaldo Brancaccios mit seiner Heimat macht auch deutlich Lightbown, Donatello
& Michelozzo (I), 1980, S. 68 u. 79f.
561
Die Stiftungen an San Domenico ergingen in den Jahren 1406 und 1425, die Erlaubnis zur
Restaurierung des Armenhospitals S. Andrea a Nilo erwirkte Rinaldo Brancaccio bei Papst Martin V. am
24. April 1426. Siehe dazu Girgensohn, Brancaccio, 1971, S. 798. So auch Grund, Teatri della Gloria,
2006, S. 40f. Außerdem zur Wiedererrichtung des Hospitals nebst der neuen Kapelle siehe Lightbown,
Donatello & Michelozzo (I), 1980, bes. S. 69-74. Zu zahlreichen weiteren Stiftungen Rinaldo
Brancaccios, auch in Rom, siehe ebd., bes. S. 63 u. 68f. Zum Familienpalast der Brancaccio siehe ebd.,
S. 53.
562
Auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 43, merkt an, dass die Stiftung von Sant’Angelo a Nilo zur
„Absicherung der Familie sowie […] [zur] Aufwertung ihres Status in Neapel“ diente.
563
Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 78f., verweist auf die Anordnung in Rinaldos
Testament, dass die Kapelle mit Fresken ausgestattet werden sollte, die dem Vorbild der heute nicht mehr
erhaltenen Fresken in der Cappella Pappacoda entsprachen. Zudem sollten Glasfenster eingearbeitet und
die in seinem römischen Familienpalast befindlichen liturgischen Gerätschaften hierher gebracht werden.
Zu den geplanten Fresken siehe auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 54-56. Zum nicht mehr
erhaltenen Majolikafußboden siehe ebd., S. 61.
130
Grit Heidemann-Schirmer
Ihre räumliche Nähe zur Hauptkirche des adligen Quartiers, in der nicht nur Rinaldos
Familie mehrere Grabkapellen besaß, dürfte ein entscheidender Grund für die
Standortwahl dieses Bestattungsortes gewesen sein.564 Auch die Lage im antiken
Straßennetz unterstrich die Repräsentation der Anciennität des Hauses Brancaccio.
Zugleich distanzierte sich Rinaldo von der für die neapolitanischen Kleriker
privilegierten Grabstätte des Doms. Seine Verbundenheit mit der Adelskorporation war
offenbar höherwertiger innerhalb des neapolitanischen Netzwerkes und demzufolge
repräsentationswürdiger.565 Dies verdeutlicht auch die von ihm noch zu Lebzeiten am
11. März 1427 verfasste Anweisung, das Juspatronat des Neubaus an die Adligen des
Seggio di Nido zu übereignen, die am 06. Juli 1428 posthum von seinen Erben
Giovanni und Paolo Brancaccio bekräftigt wurde.566
Das Todesdatum von Rinaldo Brancaccio ist in der Forschung umstritten. Während
einerseits von dem in der Grabmalsinschrift genannten 27. März 1427 ausgegangen
wird, so wurde andererseits deutlich gemacht, dass es sich um eine Verwechslung mit
dem an diesem Datum verfassten Testament handelt und Rinaldo Brancaccio
nachweislich erst am 05. Juni desselben Jahres in Rom gestorben war.567 Einigkeit
besteht indes darin, dass Sant’Angelo a Nilo im Jahre 1428 nach dem in seinem
Testament gemachten Vorgaben vollendet und Rinaldos Leichnam hier bestattet worden
war.568
Der kleine Sakralbau erhebt sich auf einem einfachen Grundriss (Abb. 48) mit gerade
abschließendem Rechteckchor. Zwei Eingänge an der Nord- und der Westseite führen in
das Kircheninnere. Dem heutigen Besucher steht nur der Eingang vom antiken
decumanus im Norden zur Verfügung, während einst die Westseite als Haupteingang
564
Zu diesem „prestigeträchtigen Ort […] als Hauptabsicht der neuen Kapellengründung“ siehe auch
Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 39.
565
Allgemein zur „Zuschreibung von Prestige“ durch eine Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken siehe
Preyer, Rolle, 2012, S. 25.
566
Siehe dazu Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 72-74 u. 90; Girgensohn, Brancaccio,
1971, S. 798; De Stefano, La chiesa, 1964, S. 16. Den Abdruck der Verfügung vom 06. Juli 1428 gibt
Russo, Regesti, 1991, S. 44. Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 62, weist darauf hin, dass sich durch
diese Übergabe Sant’Angelo a Nilo „von einer Eigenkirche zu einer öffentlichen Konsortialkirche“
gewandelt hatte. Dennoch wurde die Erinnerung an die Stifterfamilie Brancaccio in Form der Grabmäler
aufrechterhalten.
567
So vor allem Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 75 u. 80f.; Girgensohn, Brancaccio,
1971, S. 798f. Dem folgt auch Beck, Donatello, 1987, S. 125. Das Testament von Rinaldo Brancaccio im
Abdruck geben Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 312-315; Lightbown, Donatello & Michelozzo (II),
1980, Appendix B, S. 293-297. Zum Todesdatum am 27. März 1427 siehe zuletzt Grund, Teatri della
Gloria, 2006, S. 34.
568
Auf den von Rinaldo persönlich angefertigten Plan sowie auf die Vorgaben in seinem Testament zur
Umsetzung seines Bauvorhabens verweisen De Stefano, La chiesa, 1964, S. 16; Regina, Napoli antica,
1994, S. 98f. Zu den Vorgaben im Testament siehe auch Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980,
S. 75-80.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
131
gedient hatte.569 Ein Hinweis darauf findet sich auch in der Gestaltung des Westportals
(Abb. 49). So ist auf dem Architrav das von zwei Engeln gehaltene Kardinalswappen
prominent in Szene gesetzt, während das Fresko in der darüber befindlichen Lünette die
commendatio animae des Stifters durch die dem Armenhospital und der Kirche
zugewiesenen Patrone Michael und Andreas an die Gottesmutter präsentiert.570
Der heutige Besucher des Kirchenraums muss sich erst einmal orientieren. Das schon
oben vorgestellte Grabmal für Kardinal Rinaldo Brancaccio (Abb. 42) befindet sich
nämlich nunmehr im nach Süden angrenzenden Teil des Chorbereichs, war jedoch
ursprünglich an einem anderen Ort aufgestellt. Diese Verlagerung ist mit einem
besonderen Ereignis in Verbindung zu bringen. So planten die Adligen des Seggio di
Nido 1476 einen Neubau ihres Versammlungsortes nahe der Kirche Santa Maria
Donnaròmita, im Zuge dessen der alte Bau aufgegeben wurde.571 Es erscheint
verlockend, die Einverleibung des verlassenen Seggiogebäudes in dem im frühen
16. Jahrhundert nach Osten erweiterten Chorbereich von Sant’Angelo a Nilo zu
vermuten, wie es De Stefano konstatiert, und folglich das Kardinalsgrabmal dort seine
Neuaufstellung fand.572 Doch lässt sich dies leider nicht archivalisch belegen. Selbst
wenn man eine Inkorporierung des alten Versammlungsbaus infrage stellt, so bleibt die
unmittelbar angrenzende Nähe der Kirche zu diesem Gebäude und die Verlagerung des
Stiftergrabmals in beziehungsweise nahe diesem ehemals politisch konnotierten
Territorium ein deutliches Indiz der Prestigesteigerung der kleinen Kirche und der
Zurschaustellung des Machtbereichs der Brancaccio im neapolitanischen Stadtraum.573
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Sant’Angelo a Nilo weitere Neugestaltungen erfahren574
569
Darauf verweist auch Regina, Napoli antica, 1994, S. 98. Zu beiden Eingangsportalen siehe auch
Valente, Analisi, 1966, S. 97-101.
570
Als ausführender Maler des Freskos wird Perinetto da Benevento vermutet und dieses zeitgleich zum
Grabmal für Rinaldo auf 1427-28 datiert. Siehe dazu Regina, Napoli antica, 1994, S. 98. Grund, Teatri
della Gloria, 2006, S. 55, interpretiert die dargestellten Heiligen wiederum als „Michael und Bacolus“.
571
Siehe dazu De Stefano, La chiesa, 1964, S. 16f.; Carletti, Topografia, 1776, S. 113.
572
Vgl. De Stefano, La chiesa, 1964, S. 15-18. Auch Thoenes, Neapel, 1971, S. 37, vermutet den alten
Seggio aus dem 12. Jahrhundert unter der heutigen Chorapsis von Sant’Angelo a Nilo. So auch Grund,
Teatri della Gloria, 2006, S. 44f. Lightbown, Donatello & Michelozzo (I), 1980, S. 89-91, wiederum
bezweifelt dies, verweist aber auf die Umbauarbeiten am Anfang des 16. Jahrhunderts und geht von einer
dadurch bedingten Umstellung des Grabmals innerhalb des Kirchenraums aus. Er vermutet den Platz
hinter dem Hauptaltar als ursprünglichen Standort des Kardinalsgrabmals. Ohne kritische Reflektierung
zu De Stefanos These folgt Lightbowns Vermutung auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 52f. Dass
die Einverleibung alter Seggio-Bauten in Kirchen jedoch nicht unüblich in Neapel war, zeigt das Beispiel
von San Lorenzo Maggiore und dem Seggio di Montagna. Siehe dazu Hirpinus, San Lorenzo, 1961/62.
573
Allgemein zur Notwendigkeit „einer Statussymbolik“ für die Generierung und Aufrechterhaltung von
„Prestige“ siehe Preyer, Rolle, 2012, S. 71.
574
Zu den Ende des 15. Jahrhunderts gefertigten Holztüren an beiden Eingangsportalen der Kirche, die in
jeweils sechs Felder unterteilt wurden und Heiligenfiguren im Halbrelief präsentieren, siehe Grund, Teatri
della Gloria, 2006, S. 61f.; Regina, Napoli antica, 1994, S. 98.
132
Grit Heidemann-Schirmer
und war längst als neue Grablege der Familie etabliert, wie das gleich noch
ausführlicher vorzustellende Grabmal für Pietro Brancaccio zeigt.
Kardinal Rinaldo Brancaccio hatte somit seinen Hinterbliebenen einen neuen Raum zu
Selbstinszenierungszwecken geschaffen, während die alte Familiengrablege in San
Domenico weiterhin erhalten blieb, ebenso wie die dortige Vorgängerkirche S. Angelo a
Morfisa als Bestattungsort für Tommaso Brancaccio diente. Die offensichtlich in
Konkurrenz zu den Brancaccio stehende Familie Carafa suchte wiederum ihre
Machtsteigerung
innerhalb
der
großen
Dominikanerkirche
von
Neapel
öffentlichkeitswirksam zu demonstrieren.
Die Familienkapellen der Carafa della Stadera in San Domenico Maggiore
Für das 15. Jahrhundert lassen sich zwei Kapellen in San Domenico (Abb. 35) anführen,
die
aufs
engste
mit
dem
Bedürfnis
nach
Inszenierung
und
somit
für
Legitimationszwecke des Zweiges della Stadera der Familie Carafa verbunden sind.
Dazu zählt zum einen die zweite Kapelle im linken Seitenschiff, die dem Patronat dieser
im Seggio di Nido sesshaften Familie unterstand und dem Hl. Johannes Evangelista
geweiht war.575 Bekannt wurde sie vor allem durch die Bestattung von Antonio Malizia
Carafa, der am 10. Oktober 1438 gestorben war.576 De Divitiis zufolge ist ein Grabmal
aus dieser Zeit zwar nicht überliefert, auch wenn man Teile des heute an der Nordwand
der Kapelle angebrachten Ensembles, das sein Sohn Diomede Carafa nach 1470 bei
dem Bildhauer Jacopo della Pila in Auftrag gegeben hatte und das oben schon
besprochen wurde, als originales Erinnerungsmonument vermuten kann.577 Dennoch hat
dieser Begräbnisort einer der bedeutendsten Persönlichkeiten Neapels solche Wirkung
auf die Zeitgenossen ausgestrahlt, dass er – im Zusammenhang mit dem dort Bestatteten
– auch als „Kapelle des Malizia Carafa“ bezeichnet wurde.578
Zum anderen ließ der Grabmalsauftraggeber Diomede Carafa seine neu gestiftete
Cappellone del Crocifisso (Abb. 50) nahezu zeitgleich im rechten Seitenschiff von San
Domenico umbauen, wodurch sie zu einer der raumgreifendsten Kirchenkapellen
avancierte, die nicht nur dadurch, sondern auch aufgrund des dort verehrten
575
Zur Kapelle siehe u. a. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 111r-v.
Zu Antonio Malizia Carafa siehe noch einmal oben.
577
Vgl. De Divitiis, Architettura, 2007, S. 162.
578
Vgl. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 111r, der sie als „cappella della Malitia Carrafa“ bezeichnet.
576
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
133
wundertätigen Bildes einer „Kreuzigung Christi“, das zu Thomas von Aquin gesprochen
haben soll, schon bei den Zeitgenossen große Berühmtheit erlangt hatte.579 Hier ließ
sich Diomede Carafa noch zu Lebzeiten ein Grabmal errichten, das weiter unten
ausführlicher vorgestellt wird, bevor er am 17. Mai 1487 verstarb und mit großem Pomp
bestattet wurde.580 Trotz der zeitgleichen Einrichtung dieser neuen gigantisch
anmutenden Familiengrablege im rechten Seitenschiff entschied sich Diomede dafür,
den Leichnam seines Vaters Antonio Malizia Carafa an dessen ursprünglichen
Begräbnisort im linken Seitenschiff zu belassen.581 Damit war eine Ausweitung der
Familienrepräsentation innerhalb des Kirchenraums von San Domenico gewährleistet,
wie es schon die Brancaccio mit ihren Kapellen vorgeführt hatten.
Sowohl den Brancaccio als auch den Carafa war also gemeinsam, dass sie sich als
herausragende Familien innerhalb der Adelskorporation insbesondere in Form
prestigeträchtiger Grablegen an bedeutungsvollen Stätten inmitten des alten Stadtkerns
von Neapel inszenieren wollten. Der Verweis auf ihre berühmten Ahnherrn, Rinaldo
Brancaccio und Antonio Malizia Carafa, ermöglichte zugleich Grabmalsaufträge mit
einem bewussten Rückgriff auf das alte Formenvokabular, kombiniert mit neuen
Elementen. In diesen Formfindungsprozessen manifestiert sich beispielhaft der ständige
Wettstreit unter den höheren Seggio-Adligen um die soziale Vorrangstellung und das
Bedürfnis nach Konsolidierung ihrer Machtposition innerhalb der Gruppe.
IV.2.2. Formfindungsprozesse im Kontext des Selbstverständnisses von
Exklusivität
Während das Phänomen des lang anhaltenden retrospektiv wirkenden Grabmalstyps der
Alteingesessenen im 15. Jahrhundert eingehend erörtert wurde, so soll nun der Fokus
auf die innovativen Elemente gelegt werden, die sich an den neapolitanischen
Adelsgrabmälern ab den späten 1420er Jahren, vor allem aber in der zweiten Hälfte des
Quattrocento festmachen lassen und die somit die Problematik der Darstellung von
Anciennität im Kontext der politischen Umbrüche und des sozialen Wandels
579
Zur Cappellone del Crocifisso siehe u.a. De Divitiis, Architettura, 2007, bes. S. 142-146; Michalsky,
Die Porosität, 2007, S. 114-118; dies., Schichten der Erinnerung, 2005, S. 109f.; D’Engenio, Napoli
Sacra, 1623, S. 274-276.
580
Zu seinem Tod und den in San Domenico Maggiore abgehaltenen Exequien im Beisein des Königs
und der höchsten Adligen Neapels siehe beispielhaft die zeitgenössische Schilderung von Notar Giacomo
bei Garzilli, Cronica, 1845, S. 163f.
581
Dies vermutet De Divitiis, Architettura, 2007, S. 161.
134
Grit Heidemann-Schirmer
verdeutlichen. Besonders signifikant tritt dies an Grabmälern zutage, die in
unmittelbarer Nähe zu bereits bestehenden und als retrospektiv ausgerichteten
Monumenten errichtet wurden, wie die vorangegangenen und nun folgenden Beispiele
zeigen.
Das Grabmal für Pietro Brancaccio in Sant’Angelo a Nilo (1483)
Dem heutigen Betrachter begegnet das Grabmal für Pietro Brancaccio (Abb. 51) links
neben dem Erinnerungsmonument für Kardinal Rinaldo Brancaccio, wobei es
eigentümlich hoch an der Ostwand des nachträglich erweiterten Chorbereichs von
Sant’Angelo a Nilo angebracht ist und die unweigerliche Frage nach einer ursprünglich
anderen Aufstellung aufkommen lässt.582 Durch die Standortwahl in Sant’Angelo a Nilo
trat dieses Monument in unmittelbare Nähe und somit in eine direkte kommunikative
Beziehung zum Grab des berühmten Familienmitglieds Kardinal Rinaldo Brancaccio.
Allein durch seine Gestalt ist es von diesem emanzipiert.
Es handelt sich um ein monumentales Wandnischengrab, das durch eine all’antica
gearbeitete Architekturrahmung gekennzeichnet ist. Diese setzt sich zusammen aus den
korinthisierten und mit floralem Muster verzierten Pilastern sowie einem ähnlich reich
dekorierten Gebälk, das an antike Tempelfronten erinnert. Zwischen den Pilastern
befindet sich im unteren Teil des Grabmals ein hohes Postament, dessen Frontseite in
drei Relieffelder unterteilt ist und eine Reminiszenz zum Kastensarkophag des
Grabmals für Kardinal Rinaldo Brancaccio schafft. In gleicher Weise ist hier links und
rechts das Familienwappen im Flachrelief angebracht, während das breitere Mittelfeld
folgende Inschrift trägt:
„PETRO BRANCATIO FVSCI/ FILIO HIC BELLO FERRARIENSI/
SVSCEPTA ADVERSVM VENETOS/ EXPEDITIONE ALFONSVM
DVCEM/ CALABRIAE CVIVS CONTVBER/NALIS ERAT SECVTVS
AGRO/ BRIXIENSI TOTOFERME CAPTO/ DVM ARX MONTIS
CLARE OPPV/GNATVR COLVBRINA ICTVS INTE/RIIT CORPVS
NEAPOLIM FRATRIS OP/ERA RELATVM ET HIC SITVM EST/
MARINVS
582
BRANCATIVS
QVI
EO
IN/
BELLO
CVMPRIMIS
Zum Grabmal für Pietro Brancaccio siehe vor allem Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 57-59, die
auch auf die rudimentäre Forschungslage hinweist. Außerdem Regina, Napoli antica, 1994, S. 98,
Thoenes, Neapel, 1971, S. 40; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 81f.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
135
PRAEFVIT FRATRI/ OPTEMPERANTISSIMO SVAQVE FAMI/LIA ET
PATRIA DIGNIS MORIBVS PRAEDI/TO AC BENE MERENTI
FACIVNDVM CVRAVIT.“583
Die Inschrift gibt nicht nur Auskunft über den Status des Verstorbenen als den
Aragonesen treu ergebener Ritter, sondern auch über den eigentlichen Auftraggeber
dieses Grabmals, und zwar Pietros Bruder Marino Brancaccio. Zudem wird die Familie
zusammen mit dem Vaterland hervorgehoben, was das Selbstverständnis der Brancaccio
als Alteingesessene vermittelt. Über dem Postament öffnet sich die für das Grabmal
charakteristische Wandnische, in der der Sarkophag aufgestellt ist. Dieser verweist in
Form und Dekor – zusammen mit der Architekturrahmung des Monuments – auf
römische Vorbilder, wie auch schon Grund angemerkt hat und worauf gleich
zurückzukommen sein wird.584
Der von drei Löwenfüßen gestützte Wannensarkophag ist mit Girlandenfriesen
geschmückt, zwischen denen in der Mitte eine tabula ansata angebracht ist, die das
Auftragsjahr des Monuments beziehungsweise das Todesjahr des Verstorbenen liefert:
„AN D MCCCC/ LXXXIII“ (1483).585
Auf der Deckplatte befindet sich die Liegefigur, die den Verstorbenen dem adligen
Stand entsprechend und wie schon in der Inschrift betont als treuen Ritter repräsentiert.
An der Nischenrückwand ist eine weitere Inschrifttafel angebracht, die jedoch deutlich
später entstand und einem anderen Familienmitglied gewidmet ist.586 Dadurch wird die
Vermutung bestätigt, dass das Grabmal für Pietro Brancaccio eine Umarbeitung
583
Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem Pietro Brancaccio, Sohn des Fosco. Dieser war, nachdem man
im Krieg von Ferrara einen Feldzug gegen die Venezianer unternommen hatte, dem Alfons, Herzog von
Kalabrien, gefolgt und nach der Einnahme des gesamten Gebiets von Brescia, als man gerade die
herrliche Bergfestung belagerte, durch einen Schlangenbiss zu Tode gekommen. Der Körper ist auf
Veranlassung des Bruders nach Neapel gebracht und hier beigesetzt worden. Marino Brancaccio, der im
Krieg zusammen mit den Ersten die Führung innehatte, kümmerte sich um die Errichtung [dieses
Grabmals] für seinen gehorsamsten und seiner Familie und dem Vaterlande in würdiger Manier treu
ergebenen und verdienstvollen Bruder.“
584
Vgl. Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 58, die als Vergleichsbeispiele die „römischen
Kardinalsgrabmäler[...] des Andrea Bregno“ anführt.
585
Während ebd., S. 57, davon ausgeht, dass es sich bei dem genannten Datum um den Zeitpunkt der
Grabmalsstiftung handelt, so macht Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 81, darauf
aufmerksam, dass dies nicht eindeutig ist und es sich auch um das Todesjahr von Pietro Brancaccio
handeln könnte.
586
Diese lautet: „D O M/ SACHACIO ALEXANDRO THOME ANTONELLO/ BRANCACIIS/
QVORVM PRIMVS BASILIO ET COSTANTINO CAESARIBVS/ DVX EXERCITVS CONSILIO
MANVQVE STRENVVS/ ALTER IOANNA I TERTIVS LVDOVICO II POSTREMVS/ RENATO
REGE DIFFICILLIMIS ARMORVM TEMPORIBVS/ SICILIAE MARESCIALLI/ NE EXTINCTO
DIV CINERE NOMEN QVOD PRECLARA VIRTVS/ HVC VSQVE SERVAVERAT LABENTE
AEVO INTERCIDERET/ OCTAVIVS BRANCACIVS GENTILE SVOS/ MONVMENTO HOC
POSTERITATI COMENDAVIT/ MDCXVII.“
136
Grit Heidemann-Schirmer
erfahren hat. Denkt man sich einmal die Tafel weg, so entsteht ein eigentümlicher
Leerraum, der – im Rückblick auf die traditionelle camera funebris – ein Relief oder
Fresko mit religiösem Bildinhalt erwarten ließe, das sich nicht mehr erhalten hat.587
Nicht nur dieses Indiz, sondern auch die viel zu hohe Anbringung des Grabmals
erfordern ein Umdenken, was seinen originalen Standort innerhalb des Kirchenraumes
von Sant’Angelo a Nilo betrifft. Meiner Ansicht nach befand es sich ursprünglich an der
nördlichen Seitenwand, eventuell sogar gegenüber dem Kardinalsgrabmal, auf
ebenerdigem Niveau.588 In dieser Positionierung wäre auch die Liegefigur liturgisch
richtig zum Altar ausgerichtet gewesen. Die Umbauarbeiten an der Kirche seit dem
frühen 16. Jahrhundert betrafen demnach auch das Grabmal für Pietro Brancaccio,
welches zusammen mit dem Monument für Rinaldo in den neuen Ostanbau umgestellt
wurde.
Während das Grabmal des Kirchenstifters einen Formentransfer aus Florenz erkennen
lässt und somit einen Hinweis auf das toskanische Handlungsumfeld von Rinaldo gibt,
so zeigt jenes für Pietro Brancaccio eine frappante Ähnlichkeit mit dem von Andrea
Bregno und Mino da Fiesole wenige Jahre zuvor gefertigten Grabmal für Kardinal
Cristoforo della Rovere (†1478, Abb. 52) in der Kirche Santa Maria del Popolo in
Rom.589 Hier begegnen ähnlich reliefierte Pilaster, die statt dem gerade abschließenden
Gebälk zwar eine reich dekorierte Archivolte tragen, doch in gleicher Weise wie am
neapolitanischen Pendant ein mit dem Familienwappen und der Inschrift verziertes
hohes Postament und einen darüber befindlichen Sarkophag rahmen. Der römische
Sarkophag ist dabei nach vorne herausgezogen, wodurch dem gesamten Monument
mehr Plastizität verliehen wird. Auch die stützenden Konsolen, die Gestaltung der
Rückwand der Nische mit drei von einem Kreuz und Kandelabern geschmückten
Relieffeldern sowie die figurierte Lünette wurden in Neapel nicht rezipiert.
Betrachtet man die Biografie des Auftraggebers Marino Brancaccio, der am
aragonesischen Hof unter anderem als nach Rom gesandter Diplomat zu Titel und Ehren
gelangte, so wird der Rekurs auf die ihm sicherlich bekannten römischen Monumente
verständlich.590 Es ist zu vermuten, dass Marino seinem verstorbenen Bruder Pietro –
587
Darauf verweist auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 59.
Diese ursprüngliche Position des Grabmals vermutet auch ebd.
589
Zum Grabmal für Kardinal Cristoforo della Rovere siehe zuletzt Pöpper, Skulpturen, 2010, bes.
S. 241-257.
590
Zu Marino Brancaccio siehe vor allem Zapperi, Brancaccio, 1971; Brancaccio, Breve notamento,
1715, f. 22v-23r. Auch Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 57, verweist auf den höheren
588
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
137
und nicht zuletzt sich selbst – ein Erinnerungsmonument in der Heimatstadt setzen
wollte, an dem adäquat zum Grabmal des berühmten Ahnherrn Rinaldo ein
entsprechend aktuelles Formenvokabular zum Einsatz kam.591 Verantwortlich dafür
zeichnete der lombardische Bildhauer Jacopo della Pila, der vor seinem langjährigen
Aufenthalt in Neapel (1471–1502) auch in Rom bei Mino da Fiesole tätig war.592 Die
Zuweisung dieses Bildhauers geht in der Forschung mit dem Verweis auf einen am
12. Mai 1494 aufgesetzten Vertrag zur Anfertigung eines weiteren Grabmals, und zwar
für Niccolò d’Alagno (Abb. 53) in Torre Annunziata, einher, in dem das Monument für
Pietro Brancaccio als Vorlage angeführt ist.593 Damit wird die damalige Bekanntheit
und Wertschätzung dieses Grabmals offensichtlich, das inmitten zwischenfamiliärer
Konkurrenzverhältnisse einen wichtigen Beitrag zum sozial privilegierten Statuserhalt
der Familie Brancaccio auch zum Ende des 15. Jahrhunderts leistet. Ähnlich verhält es
sich mit folgenden Erinnerungsmonumenten.
Die Zwillingsgrabmäler für Diomede und Francesco Carafa in San Domenico
Maggiore (späte 1470er und 1490er)
Das Grabmal für Diomede Carafa (Abb. 54) ist als das erste Humanistengrabmal in
Neapel zu bezeichnen,594 folgt es doch deutlich diesem in Florenz am Monument für
Leonardo Bruni (†1444) generierten und wenig später auch in Rom verbreiteten Typus,
wie das schon oben genannte Beispiel für Kardinal Cristoforo della Rovere (†1478,
Bekanntheitsgrad Marinos gegenüber seinem Bruder Pietro, was sich in der Forschungslage
widerspiegelt.
591
Zur Bedeutung der römischen Bregno-Werkstatt seit den späten 1460er Jahren siehe zuletzt Pöpper,
Skuplturen für das Papsttum, 2010. Dazu auch Ladegast, Liturgie und Memoria, 2010, S. 84.
592
Darauf verweist Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 58, die auch auf die rudimentäre Forschungslage
zu Pila hinweist. Zu Jacopo della Pila siehe vor allem Sorce, Jacopo, 2004; Leppien, Die neapolitanische
Skulptur, 1962, bes. S. 56-156. Zu Mino da Fiesole, dem auch einige Auftragswerke in Neapel attestiert
werden, siehe immer noch grundlegend Zuraw, The sculpture, 1993. Zu seinem Aufenthalt in Neapel
1455-1456 siehe ebd., bes. S. 112-118; Pepe, Sul soggiorno, 1966.
593
Das Dokument des Vertrags ist überliefert bei Filangieri, Documenti (III), 1885, S. 24-26. Die
Zuweisung in der Forschung wird zusammengefasst von Grund, Teatri della Gloria, 2006, S. 58, die
jedoch zu bedenken gibt, dass durch den Bezug nicht eindeutig gesichert ist, dass Jacopo della Pila selbst
das Grabmal für Pietro Brancaccio angefertigt hat. Vom Grabmal für Niccolò d’Alagno sind heute nur
noch Reste im Museo Filangieri aufbewahrt, doch zeigt zumindest die Gestaltung des Sarkophags nebst
Gisant deutliche Parallelen zum Vorbild in Sant’Angelo a Nilo.
594
Darauf verweist auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 154. Ausführlich zum Grabmal für Diomede
Carafa siehe ebd., S. 146-154. Außerdem Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 115; Leppien, 1962, S. 8493.
138
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 52) in S. Maria del Popolo zeigt.595 Die Architekturrahmung und einzelne
Elemente des alten Grabmalsaufbaus sind am Diomede-Monument miteinander
verschmolzen und zeigen neue Motive auf, die bezeichnenderweise Parallelen zu den
fast zeitgleich errichteten römischen Kardinalsgrabmälern aufweisen.596 So wurden in
die seitlichen Pilaster je zwei Muschelnischen eingefügt, in denen die ehemals für das
Sockelgeschoss vorbehaltenen Tugendkaryatiden Platz fanden.597 Es handelt sich um
die vier Kardinaltugenden Prudentia und Iustitia links sowie Fortitudo und Temperantia
rechts. Die von den Pilastern gebildeten zwei Ebenen werden von einem all’antica
gearbeiteten Gebälk getrennt und schaffen in der Mitte Platz für die charakteristische
Nische. Während im unteren Teil an vergleichbaren Monumenten in Rom eine
Inschrifttafel angebracht oder der Sarkophag aufgestellt wurde, so tritt am Neapler
Pendant ein Novum auf.598 Hier wurde eine Sitzbank mit reliefierter Rückwand
eingearbeitet, die das Familienwappen der Carafa sowie das persönliche Motto von
Diomede „FINE IN TANTO“ präsentiert. Der Sockel dieser Bank gibt zudem das
Auftragsdatum der Kapelle wieder, und zwar „MCCCCLXX“ (1470). Während De
Divitiis dieses Motiv auf die „toskanischen hölzernen Ausstattungen“ zurückführt,599 so
erscheint mir die „auskragende, benutzbare Sitzbank“600 am Grabmal für Kardinal
Cristoforo della Rovere (Abb. 52a) weitaus relevanter für den Formfindungsprozess am
Neapler Pendant, das doch so offensichtlich und in mehreren Details auf römische
Monumente rekurriert. Die Form der Nische dürfte als Ideenvorlage für die
Einverleibung einer Sitzbank gedient haben, die sich zum einen aus der Notwendigkeit
heraus ergab, den Mitgliedern der Confraternità del Crocifisso einen Platz am Altar
595
Zum Grabmal für Cristoforo della Rovere siehe oben. Zum Prototyp des Humanistengrabmals für
Leonardo Bruni, das zwischen 1445-1450 von Bernardo Rossellino in S. Croce, Florenz, gefertigt wurde,
siehe u.a. Giusti/Venticonti, Monumento, 1992. Allgemein zum Typus des italienischen
Humanistengrabmals siehe Dopychai, Studien, 1993. Zuletzt auch Wolff, Zur Gruppe, 2007.
596
Einen grundlegenden Zugang zu den römischen Kardinalsgrabmälern der Frühen Neuzeit bietet die
vom Requiem-Projekt erarbeitete Datenbank http://requiem-projekt.de/db/ (08.11.2012). Auch
Michalsky, Schichten der Erinnerung, 2005, S. 110, verweist bei dem Diomede-Grabmal auf die
Orientierung „an römische[…] Vorbilder“.
597
In der Gestaltung der Pilaster mit Nischenfiguren sind die römischen Kardinalsgrabmäler für Pietro
Riario (†1474) in SS. Apostoli und für Filippo de Levis (†1475) in S. Maria Maggiore anzuführen, die
von Andrea Bregno und Mino da Fiesole gefertigt wurden. Siehe dazu zuletzt u.a. Pöpper, Skulpturen für
das Papsttum, 2010, S. 183-191.
598
Als Vergleichsbeispiele in Rom können die schon genannten von Andrea Bregno gefertigten
Kardinalsgrabmäler für Pietro Riario, Filippo de Levis und Cristoforo della Rovere sowie für Alain de
Coetivy (†1474) in S. Prassede und für Louis d’Albret (†1465) in S. Maria in Aracoeli herangezogen
werden. Zum letztgenannten siehe zuletzt Pöpper, Skulpturen für das Papsttum, 2010, S. 130-140.
599
De Divitiis, Architettura, 2007, S. 148.
600
Pöpper, Skulpturen für das Papsttum, 2010, S. 247.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
139
dieser berühmten Kapelle zu ermöglichen.601 Zum anderen lässt sich damit
argumentieren, dass der gegenüberliegende Platz an der Südwand der Kapelle bewusst
frei gehalten wurde für ein später zu errichtendes Monument, auf das gleich näher
eingegangen wird, anstatt hier eine komfortable Sitzgelegenheit aufzustellen und dem
Diomede-Grabmal mehr Raum zu geben. In jedem Fall handelt es sich um das früheste
Beispiel einer Kombination von Grabmal und Sitzbank im neapolitanischen Kontext,
wie schon Michalsky herausgearbeitet hat.602
In der darüber befindlichen Nische ist der Sarkophag des Verstorbenen aufgestellt.
Auch hier wird eine Rezeption römischer Vorbilder, insbesondere aus der BregnoWerkstatt, greifbar.603 So ist der nach antiker Art gefertigte, auf zwei Löwenfüßen
gestützte Wannensarkophag an der Frontseite mit Girlandenfriesen sowie einer tabula
ansata geschmückt, auf der folgende Inschrift steht:
„HVIC/
VIRTVS
GLORIAM
GLO/RIA
INMORTALITATEM/
COMPARAVIT.“604
Darüber ist auf einer reich drapierten Kline die Liegefigur des Verstorbenen aufgebahrt,
die sich motivisch durch die Rüstung, Waffen und Hunde wiederum an die
standesgemäße Darstellung hält. Die dahinter aufragende Nischenrückwand wurde
offenbar in jüngerer Zeit übertüncht, ihre ursprüngliche Gestaltung lässt sich aber mit
dem gleich noch zu besprechenden Gegenstück des Grabmals für Diomedes Bruder
Francesco rekonstruieren. Der obere Abschluss des Monuments mit dem verkröpften
Gebälk und der Archivolte folgt wiederum dem derzeit auch in Rom beliebten Typus
des Humanistengrabmals. Dabei sind an der Frontseite des Bogens Cherubimköpfchen
aneinandergereiht, während in der Lünette die „Verkündigung“ eindrucksvoll im
Halbrelief präsentiert wird.605
Das Grabmal für Diomede Carafa befindet sich an der Nordwand der Cappellone del
Crocifisso unmittelbar angrenzend zum Altar, wo das wundertätige Bild der
601
Auf die Funktion dieser Sitzbank in Verbindung mit dieser für die Kapelle zuständigen Bruderschaft
verweist De Divitiis, Architettura, 2007, S. 152, die sowohl florentinische als auch römische Vorbilder
anführt.
602
Vgl. Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, bes. S. 192-194, die hierbei von der Integration „erstmals
äußerst unscheinbare[r] Bänke in die Grabarchitektur“ spricht. Dazu auch De Divitiis, Architettura, 2007,
S. 149.
603
Darauf verweist auch De Divitiis, Architettura, 2007, S. 149, die den formprägenden Sarkophag am
Grabmal für Kardinal Louis d’Albret anführt.
604
Folgendermaßen zu übersetzen: „Die Tugendhaftigkeit hat diesem [hier Bestatteten] Ruhm
eingebracht und der Ruhm die Unsterblichkeit.“
605
Die Cherubimköpfchen treten auch an den schon oben genannten römischen Kardinalsgrabmälern für
Alain de Coetivy (†1474) und für Filippo de Levis (†1475) auf.
140
Grit Heidemann-Schirmer
„Kreuzigung Christi“, das zu Thomas von Aquin gesprochen haben soll, verehrt wird.606
Direkt an die Südwand gegenübergestellt erhebt sich das Grabmal seines Bruders
Francesco Carafa,607 das in seiner spiegelbildlichen Konzeption die Betrachtung beider
Monumente als Zwillingsgrabmäler erlaubt.608
Das Grabmal für Francesco Carafa (Abb. 55) ist nahezu identisch zum Pendant für
Diomede aufgebaut, nur wenige Änderungen sind erkennbar. So ist in der Lünette nicht
die „Verkündigung“, sondern die gleichfalls beliebte Szene der commendatio animae
des Verstorbenen mit den Ordensheiligen Thomas von Aquin und Dominikus
dargestellt. In den Pfeilernischen begegnen erneut die Tugenden Fortitudo und
Prudentia links, während rechts die Hll. Petrus und Johannes Evangelista die fehlenden
Kardinalstugenden ersetzen. Die Rückwand der oberen Nische, in der sich der
Sarkophag des Verstorbenen befindet, weist zudem eine flache Reliefierung auf, die
einen über die gesamte Länge aufgespannten Vorhang suggeriert. Dieser kann in
gleicher Weise am Diomede-Grabmal vermutet werden, wo sich die originale
Gestaltung der Nischenrückwand nicht erhalten hat. Die Frontseite des Sarkophags für
Francesco Carafa wurde wiederum geringfügig modifiziert, wie sich an den anders
gearbeiteten Löwenfüßen und der Einfügung zweier Putten in die Girlandenfriese zeigt,
die auf die reicher geschwungene tabula ansata mit der Inschrift „PAR VITAE/
RELIGIOSVS/ EXITVS“609 verweisen.
Überdies ist auf dem Sockel der Sitzbank keine Inschrift eingemeißelt wie am DiomedeGrabmal, wohl aber im analog verzierten Relieffeld der unteren Nischenrückwand mit
folgendem Wortlaut:
„FRANCISCO
CARRAPHA
EQVITI
NEAP[OLITANO]
INSIGNI
CHRISTIANAE/ RELIGIONIS OBSERVANTISS[IMO] QVI SVMMA
OMNIVM
MORTALIVM
BENIVOLENTIA/
AC
VENERATIONE
AETATIS ANNVM AGENS LXXXIIII OBIIT SENII/ NVNCQVAM
606
Heute befindet sich anstelle dessen eine Kopie, während das Original im Konvent aufbewahrt wird.
Zu dem in der Forschung wenig thematisierten Francesco Carafa, der der älteste Sohn von Antonio
Malizia war, siehe u.a. Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 145f. Zu seinem Grabmal siehe De
Divitiis, Architettura, 2007, S. 154-157.
608
Zur „seltenen Gruppe der Zwillingsgrabmäler“, die charakteristisch für die römische
Grabmalslandschaft waren, siehe Ladegast, Liturgie und Memoria, 2010, S. 67, hier am Beispiel der
Ammanati-Grabmäler in S. Agostino. Zur besonderen Form der römischen Zwillingsgrabmäler und deren
Bedeutung für die „gesellschaftliche Gruppenbildung“ siehe auch Karsten/Zitzlsperger, Gesellschaftliche
Gruppen, 2007, bes. S. 77f.
609
Folgendermaßen zu übersetzen: „Das Ende ist ehrfürchtig gewesen wie [sein] Leben.“
607
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
141
QVESTVS OLIVERIVS CARD[INALIS] NEAP[OLITANVS] PARENTI
OPTIMO POS[VIT].“610
Diese Inschrift würdigt nicht nur den verstorbenen Francesco als ehrenhaften Ritter mit
neapolitanischer Herkunft, der durch seine pietätische Lebensweise ein hohes Alter
erreicht habe. Sie gibt auch den entscheidenden Hinweis auf den Auftraggeber des
Grabmals, und zwar seinen Sohn Oliviero Carafa, der spätestens seit der Ernennung
zum Kardinal im Jahre 1467 einen hohen Bekanntheitsgrad auch über die Heimatstadt
hinaus erlangt hatte.611 Olivieros Funktion als Vermittler zwischen Rom und Neapel
kann nicht hoch genug eingeschätzt werden und so geht auch De Divitiis davon aus,
dass schon Diomede Carafa die höchst aktuellen römischen Grabmonumente vermutlich
durch Zeichnungen gekannt hat, die ihm sein Neffe Oliviero mitgebracht hatte.612
Der Blick nach Rom eröffnete eine Auseinandersetzung mit den dort geschaffenen
Grabmälern und bewirkte einen Formentransfer nach Neapel, mithilfe dessen sich die
Angehörigen des neuen Familienzweiges der Carafa della Stadera repräsentieren und in
ihrer angestrebten sozialen Vorrangstellung innerhalb der neapolitanischen Gesellschaft
legitimieren wollten. Dies bestätigt Oliviero selbst, der das Grabmal für seinen schon
um 1458 verstorbenen Vater Francesco nach Art der römischen Kardinalsgrabmäler der
Bregno-Werkstatt errichten ließ.613 Dass dieses aber zugleich eine mehr als deutliche
610
Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem Francesco Carafa, ehrenhafter neapolitanischer Ritter [und] der
christlichen Religion folgend, der mit großem Wohlwollen und Verehrung der Sterblichen mit 84 Jahren
[und] sich nie über das Alter beklagend starb. Oliviero, neapolitanischer Kardinal, hat dem vortrefflichen
Vater dieses Grabmal errichtet.“
611
Zu Oliviero Carafa, der aus dem Seggio di Nido stammte und zu einem der einflussreichsten Kleriker
am Ende des 15. Jahrhunderts wurde, siehe vor allem Petrucci, Carafa, Oliviero, 1976; Strazzullo, Il Card.
Oliviero, 1965; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 148f.
612
Vgl. De Divitiis, Architettura, 2007, S. 149.
613
Francesco Carafa war nach seinem Tod 1458 in der von ihm gestifteten Franziskanerkirche in Portici
begraben worden, sein Sohn Oliviero ließ ihn jedoch nach Neapel in die neue Familiengrablege der
Cappella del Crocifisso translozieren. Siehe dazu ebd., S. 155. Zur eigenen Selbstinszenierung in der
Heimatstadt wurde für den berühmten Kardinal ein Priant im Dom aufgestellt, der in unmittelbarer
Verbindung zu seinem prestigeträchtigsten Auftragswerk steht, und zwar der Errichtung einer Krypta
unterhalb des Hauptaltars der Kathedrale. Diese sollte als Aufbewahrungsort der am 13. Januar 1497 nach
Neapel translozierten Reliquien des Stadtheiligen Januarius dienen, für die Oliviero Carafa zusammen mit
seinem Bruder Erzbischof Alessandro Carafa verantwortlich war. Der lombardische Künstler Tommaso
Malvito fertigte diesen komplett marmorierten Raum an, der als sog. „Succorpo“ bekannt wurde und
1506 fertiggestellt war. Innerhalb dieser als „Kaiserin aller Kapellen“ gewürdigten Krypta wurde die
monumentale Betfigur des Stifters direkt gegenüber der verehrten Reliquie aufgestellt, um die Erinnerung
an Kardinal Oliviero Carafa als Verantwortlichen dieses in Neapel einzigartigen Bauensembles aufrecht
zu erhalten. Zum Succorpo und dem Priant siehe die zahlreiche Literatur, u.a. Hills, The Neapolitan
Seggi, 2012, bes. S. 166-170; De Divitiis, Architettura, 2007, S. 171-179; Divenuto, Architetture, 2006,
S. 194-200; Michalsky, Strukturiertes Geächtnis, 2005, S. 217-221; Ascher, Tommaso Malvito, 2000,
bes. S. 126f.; Abbate, Le sculture, 1981; Norman, The Succorpo, 1986; Strazzullo, Il Card. Oliviero,
1965. Zum Auftraggeber Oliviero Carafa siehe vor allem Norman, Cardinal, 2010; Petrucci, Carafa,
Oliviero, 1976; Strazzullo, Il Card. Oliviero, 1965; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 148f.
142
Grit Heidemann-Schirmer
Synthese mit dem wenig früher errichteten Monument für Diomede Carafa einging,
erlaubt die These, dass Oliviero und sein Onkel Diomede gemeinsam eine
Doppelgrabanlage in der Familienkapelle planten. Die Datierungsproblematik und die
rein stilistisch argumentierte Künstlerzuschreibung beider Monumente stehen dieser
Annahme nicht entgegen.614
Das Grabmal für Diomede Carafa wird in der Forschung zwischen 1470, also dem
Beginn der Umbauarbeiten in der Cappella del Crocifisso, und 1477 datiert, wobei
dieser terminus ante quem sich auf den Frontispiz der in diesem Jahr von Diomede
verfassten Memoriale-Ausgabe für Eleonore von Aragon (Abb. 56) bezieht, dessen
Gestaltung signifikante Parallelen zur Architekturrahmung seines Grabmals erkennen
lässt.615 Die Zuschreibung an Jacopo della Pila, die mir nur aufgrund der relativen
Datierung nachvollziehbar erscheint, ist hingegen weitaus fragwürdiger, wurde doch
ersichtlich, dass sich Pilas Stilidiom an den neapolitanischen Aufträgen durch einen
Rekurs auf das traditionelle lokale Formenrepertoire auszeichnet, dem sich das
Diomede-Grab augenscheinlich entzieht.616
Das Pendant für Francesco Carafa wiederum wird in die späten 1480er beziehungsweise
1490er Jahre datiert und Tommaso Malvito zugeschrieben, was auch mit der wenig
späteren und dokumentarisch gesicherten Auftragsvergabe des sogenannten Succorpo
durch denselben Stifter Oliviero an diesen Künstler zu erklären ist.617
Es soll an dieser Stelle nicht weiter das Für und Wider der Zuschreibungen dieser
Grabmonumente an die genannten Bildhauer diskutiert werden, deren Œuvre schon seit
Längerem eingehenden Studien harrt. Vielmehr geht es darum zu zeigen, dass beide
Grabmäler zusammen geplant wurden, demzufolge das – meiner Meinung nach – erst in
den späten 1470er Jahren errichtete Monument für Diomede Carafa zwar in
größtmögliche Nähe zu dem durch das wundertätige Bild verehrten Kapellenaltar
gesetzt, jedoch an der gegenüber liegenden Wand bewusst Platz gelassen wurde für ein
später zu errichtendes Grabmal, das sein Neffe Oliviero für den längst verstorbenen
614
Auf das Problem einer eindeutigen Datierung und Künstlerzuschreibung an beiden Monumenten
verweist auch Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 193, Anm. 33.
615
Siehe dazu zuletzt De Divitiis, Architettura, 2007, S. 148.
616
Auf dieses Problem verweist auch ebd., S. 147f., die zudem eine Zusammenfassung der
Forschungslage zur Künstlerzuschreibung gibt.
617
Zur Datierung des Francesco-Grabmals in die 1490er Jahre und der Zuschreibung an Tommaso
Malvito zuletzt zusammengefasst bei De Divitiis, Architettura, 2007, S. 155. Ascher, Tommaso Malvito,
2000, S. 115f., datiert das Grabmal zwar auf 1487, weist aber ebenso auf die schwierige Datierung und
Zuschreibung hin. Zu Olivieros Succorpo siehe auch noch einmal Anm. 613.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
143
Vater Francesco plante. Aufgrund der an diesem prominenten Standort erforderlichen
Kombination von Memoria und Liturgie wurde in beide Monumente eine Sitzbank
eingefügt, durch deren Nutzung gleichermaßen eine Verschränkung der Sichtachsen auf
und von beiden Grabmälern entstand, die die verwandtschaftliche Beziehung der beiden
hier kommemorierten Brüder unterstreicht und somit die Konzeption einer
Zwillingsgrabmalsanlage, wie sie im damaligen Rom vorzufinden war, offenbart.
Die ausführenden Bildhauer entwickelten dabei keine Bezüge zu bestehenden lokalen
Monumenten, wie an anderen Beispielen gezeigt werden konnte, sondern sie hatten sich
nach den aktuellen Tendenzen in Rom zu richten, die insbesondere der Identifikation
von Kardinal Oliviero Carafa mit diesem neuen Handlungsumfeld dienten.618 Es scheint
fast paradox, dass Oliviero, obwohl er in Rom sesshaft wurde und dort die meiste Zeit
seines Lebens als eine der wichtigsten Persönlichkeiten an der Kurie sowie als
bedeutender Kunstmäzen verbrachte, doch eng mit seiner Heimatstadt Neapel
verbunden blieb. Dies verdeutlicht das ständige Oszillieren der Protagonisten zwischen
dem Anspruch, den die Gruppe der alteingesessenen Seggio-Adligen an ihre Mitglieder
stellte, und dem individuellen Bedürfnis nach einer Selbstdarstellung zur persönlichen
Machtsteigerung inmitten des sozialen Wandels, der sich im späten 15. Jahrhundert in
der neapolitanischen Adelsgesellschaft abzeichnete.
Diomede Carafa ging es ähnlich. Auch er stammte aus dem Seggio di Nido, als jüngster
Sohn von Antonio Malizia Carafa wuchs er jedoch ab 1423 am aragonesischen Hof auf,
wo er einen hoch angesehenen Status erlangte.619 Wie schon sein Vater, so unterstützte
auch er Alfons von Aragon im Kampf um die Eroberung des süditalienischen
Königreichs (1435–1442). Nach der Thronübernahme des Aragonesen blieb Diomede
am Königshof, wo ihm wichtige Aufgaben übertragen wurden. Seine Treue zum neuen
618
Strazzullo, Il Card. Oliviero, 1965, S. 3, betont die enge Bindung Olivieros mit Rom. Dort war er auch
am 18. September 1467 unter Papst Paul II. (1464–1471) zum Kardinal mit der Titelkirche der SS. Pietro
e Marcellino ernannt worden. Auf seine herausgehobene Position an der Kurie verweist Petrucci, Carafa,
Oliviero, 1976, S. 590. Zu seiner Bedeutung als Kunstmäzen in Rom siehe zuletzt Hills, The Neapolitan
Seggi, 2012, S. 167. Zu seinen Kunstprojekten und seiner Verbundenheit mit Neapel siehe auch Norman,
Cardinal, 2010. In der Forschung ist man sich bis heute nicht einig, ob Oliviero wirklich nach seinem Tod
am 22. Januar 1511 von Rom nach Neapel transloziert und in der außergewöhnlichen Kapelle des
Succorpo bestattet wurde, oder ob der testamentarisch festgehaltene Wunsch nicht zur Ausführung kam
und der Leichnam stattdessen in seiner um 1490 errichteten Familienkapelle in S. Maria sopra Minerva in
Rom verblieb. Siehe dazu die o.g. Literatur zur Krypta. Zu beiden Kapellen Oliviero Carafas in Rom und
Neapel siehe Dreszen, Oliviero Carafa, 2004. Zur römischen Carafa-Kapelle und deren Ausmalung durch
Filippino Lippi siehe auch Ganz, Bild und Buch, 2004.
619
Zu Diomede Carafa, dessen Berühmtheit sich auch in der umfangreichen Literatur widerspiegelt, siehe
vor allem De Divitiis, Architettura, 2007; Vitale, Élite, 2003, S. 138-140; Sricchia Santoro, Tra Napoli e
Firenze, 2000/2001; Beyer, Parthenope, 2000, bes. S. 67-80, der das Datum nennt; Bentley, Politics and
Culture, 1987, S. 141-147; Petrucci, Carafa, Diomede, 1976; Persico, Diomede Carafa, 1899, der auch
sein Testament im Abdruck liefert; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 158.
144
Grit Heidemann-Schirmer
Herrscherhaus spiegelt sich auch darin wider, dass er mit der Erziehung der Kinder des
designierten Thronnachfolgers Ferrante betraut und unter anderem 1451 zum
Generalverwalter der königlichen Güter ernannt wurde.620 Er avancierte zu Ferrantes
wichtigsten Beratern und sein Ansehen am Königshof wurde „bis an die Grenzen des
Reiches“621 bekannt. 1465 stieg Diomede in den feudalen Titeladel auf, indem er die
Grafschaft Maddaloni übertragen bekam. Diese Prestigesteigerung war offenbar nicht
nur Anlass für den Bau seines Familienpalastes inmitten des Seggio di Nido, der in der
Forschung als eines der bedeutendsten Bauwerke der neapolitanischen Renaissance
gerühmt wird.622 Überdies steigerte der Ausbau der von ihm gestifteten großen
Cappellone del Crocifisso als neue Familiengrablege im rechten Seitenschiff von San
Domenico Maggiore in den 1470er Jahren sein Ansehen als lokal bedeutsamer
Auftraggeber. Gleichermaßen avancierte er durch seine zahlreichen verfassten Schriften
und Traktate zu einem wichtigen Vertreter des neapolitanischen Humanismus.623 Sein
Netzwerk ging dementsprechend über die süditalienische Residenzstadt hinaus. So
pflegte Diomede gute Beziehungen nach Florenz, insbesondere zu Lorenzo de’ Medici,
ebenso wie er in seinem Neffen Kardinal Oliviero Carafa einen wichtigen Vermittler
nach Rom fand.624 Dass sich dies auch auf die Konzeption seines Grabmals auswirken
sollte, wurde soeben dargelegt.
Diomede Carafa war es demnach offensichtlich ein großes Anliegen, seinen Status als
Gelehrter auf Dauer zu inszenieren, sodass sich an seinem Grabmal weder ein Hinweis
auf seine politische Stellung am Hof noch auf seinen gehobenen sozialen Status als Graf
wiederfindet.625 Die Auseinandersetzung mit der antiken Kultur, derer sich die
Humanisten – und demzufolge auch Diomede Carafa – verschrieben hatten, führte zu
einem Wiederaufleben des antiken Formenvokabulars, wie es bezeichnenderweise auch
an den Werken des römischen Bildhauers Andrea Bregno ersichtlich wird, der sich in
620
So betont Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 142, dass Diomede „always exceptionally loyal to the
Aragonese dynasty of Naples“ war. Dazu auch Beyer, Parthenope, 2000, S. 70f.
621
Petrucci, Carafa, Diomede, 1976, S. 525.
622
Zum Familienpalast siehe vor allem De Divitiis, Architettura, 2007, S. 43-135; Beyer, Parthenope,
2000, Kap. II. Außerdem Petrucci, Carafa, Diomede, 1976, S. 526.
623
Siehe dazu vor allem Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 141-147; Petrucci, Carafa, Diomede,
1976, S. 526-529. Zu Diomede und seiner Beziehung zu Leon Battista Alberti siehe auch Pane, Tavola
Strozzi, 2009, S. 141 u. Anm. 292.
624
Zu seinen Beziehungen mit Florenz und Lorenzo de’ Medici siehe u.a. Beyer, Parthenope, 2000, S. 72;
Petrucci, Carafa, Diomede, 1976, S. 529; Borsook, Documents (I), 1970, S. 741. Zu Diomede und
Oliviero Carafa siehe noch einmal oben.
625
Die Aufzählung seiner Titel und Ämter am Hof hätte man zumindest in der Inschrift erwarten können.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
145
gleicher Weise dem Antikenstudium widmete.626 Durch den Einsatz dieses für die
neapolitanische Grabmalslandschaft innovativen Formenrepertoires verfolgte Diomede
Carafa zusammen mit seinem Neffen Oliviero eine distinktive Repräsentationsstrategie,
die den neuen Familienzweig innerhalb der Adelskorporation von Nido hervorheben
und nachhaltig etablieren sollte. Gleichwohl war zur Legitimierung desselben die
Repräsentation des Ahnherrn, und zwar Diomedes Vater Antonio Malizia Carafa, an
einen Verweis auf die traditionellen Werte und Normen der Maggiore Nobiltà
gebunden, die mittels einer Retrospektive auf den lokalen Grabmalstypus an dessen
Erinnerungsmonument kommuniziert wurden. Das Bewusstsein für die Zugehörigkeit
zur Gruppe wurde demnach vor allem in Zeiten des Wandels, der sich in Neapel zum
Ende des 15. Jahrhunderts abzeichnete, verstärkt hervorgerufen.
Die vorgestellten Beispiele haben gezeigt, dass der alte Formenkanon im Sinne von
Anciennität zwar das gesamte 15. Jahrhundert zumindest in Teilen erhalten blieb, doch
zunehmend auch innovative Formen und Motive aufkamen, die eine Etablierung neuer
Typen zur Folge hatten. Ein Grund hierfür wird die Absenz vorbildhafter
Königsgrabmäler unter den Aragonesen gewesen sein, wie sie dem privilegierten Adel
noch unter den Anjou zur Verfügung gestanden hatten. Zum anderen dürfte es sich um
die Emanzipation der nachfolgenden Generationen der Alteingesessenen handeln, die
sich mit den veränderten politischen Voraussetzungen arrangieren mussten und ihre
Chancen des sozialen Aufstiegs nun am aragonesischen Königshof wahrnahmen, wo
eine auf die Antike rekurrierende Kulturpatronage betrieben wurde. Aus dem Ringen
der adligen Auftraggeber zwischen traditionellen Werten und kulturellen Neuerungen
wurden Formfindungsprozesse in Gang gesetzt, die weitaus facettenreichere
Monumente ermöglichten und deren Vorbilder eng mit den Viten der einzelnen Adligen
in Zusammenhang stehen.627 So wurden neue Typen wie das in Florenz generierte
sogenannte Humanistengrabmal (siehe das Grabmal für Diomede Carafa, Abb. 54) oder
die für die römische Grabmalslandschaft charakteristischen Wandnischengräber (siehe
das von Marino Brancaccio beauftragte Grabmal für seinen Bruder Pietro, Abb. 51) und
Wandpfeilergräber (siehe die Zwillingsgrabmäler der beiden Carafa-Brüder, Abb. 54–
55) in Neapel bezeichnenderweise von jenen Adligen eingeführt, die zu den beiden
626
Zur „Antikensammlung des Andrea Bregno“, die sich auch auf seine Kunstfertigkeit auswirken sollte,
siehe zuletzt Pöpper, Skulpturen für das Papsttum, 2010, Kap. V.
627
Zur Bedeutung von Grabmälern im sozialgeschichtlichen Kontext siehe auch Valentinitsch,
Grabinschriften und Grabmäler, 1990, S. 15f.
146
Grit Heidemann-Schirmer
Metropolen besondere Beziehungen pflegten. Der Formentransfer spiegelte demnach
das soziale Netzwerk der adligen Auftraggeber.
Für die einzelnen Motive lässt sich folgendes festhalten: Die Architekturrahmung der
Grabmäler für die höheren Seggio-Adligen gab spätestens in der zweiten Hälfte des
Quattrocento den Baldachin auf und übernahm nun den all’antica gefertigten
Triumphbogen beziehungsweise die Archivolte.628 Die Tugenden wurden entweder
ganz aus dem Repertoire entfernt oder in die neu geschaffenen Pfeilernischen gesetzt,
wobei ihre Anzahl jedoch auch weiterhin auf maximal vier beschränkt blieb. Eine
Ausnahme bildeten die Grabmäler für Antonio Malizia Carafa (Abb. 45) und für
Rinaldo sowie Tommaso Brancaccio (Abb. 42 und 44), die – abgesehen von ihrer
Architekturrahmung – den traditionellen Aufbau mit seinen Tugendkaryatiden, dem
Kastensarkophag und der camera funebris beibehielten, um in dieser Retrospektivität
auf die Ahnherrn ihrer jeweiligen Familie zu verweisen.629 Der Sarkophag – abgesehen
von den soeben genannten – erfuhr wiederum eine Transformation von der
altertümlichen Kastenform hin zur all’antica gearbeiteten Wannenform, die weitere auf
die Antike rekurrierende Verzierungen übernahm. Die für den alten Typus so
charakteristische Totenkammer zeigt eine Entwicklung von der Öffnung in und der
Einbeziehung von den sie umgebenden Ebenen (siehe noch einmal die Grabmäler für
Rinaldo und Tommaso Brancaccio) bis hin zur Umwandlung in eine Nische, die nun
das Vorhangmotiv vollends negierte, dafür aber neue Motive an der Rückwand
bereitstellte. Das Walmdach schließlich wurde ganz aufgegeben, mit Ausnahme des
Grabmals für Antonio Malizia Carafa, das ohnehin durch die Einverleibung eines
trecentesken Sarkophags eine retrospektive Repräsentationsabsicht verfolgte. Als ein
gänzlich neuartiges Element ist die erstmals an den Zwillingsgrabmälern der CarafaBrüder aufkommende Sitzbank zu nennen, die wenig später als eigenständiges
Monument weiter ausformuliert wurde und die neapolitanische Grabmalslandschaft
nachhaltig prägen sollte.630
628
Zum auch für die römische Grabmalslandschaft neuartigen Triumphbogenmotiv siehe zuletzt
Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 15 u. bes. 50-53. Für den neapolitanischen Kontext war vor
allem der Triumphbogen König Alfons’ I. von Aragon maßgebend, der eine grundlegende
Wechselbeziehung mit der lokalen Grabmalskunst aufweist. Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, bes.
S. 40f., der den Triumphbogen auch als geplanten Ersatz für ein Grabmal des Königs Alfons in seiner
neuen Residenzstadt argumentiert. Vgl. ebd., S. 43.
629
Dem lässt sich auch das Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole anfügen, welches in Kap. IV.2.
genauer besprochen wird.
630
Siehe dazu die im Kap. V.2. besprochenen Sediali.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
147
Doch wie lassen sich nun diese Formfindungsprozesse, die sich im Laufe des
15. Jahrhunderts vollzogen, im Kontext des exklusiven Selbstverständnisses der
höheren Seggio-Adligen erklären? Ein entscheidender Aspekt dürfte der kulturpolitische
Hintergrund gewesen sein, der sich personell insbesondere in dem aus dem Seggio di
Capuana stammenden Adligen Tristano Caracciolo (1437–1528) manifestiert.631 Dieser
ist dem neapolitanischen Humanistenkreis zuzurechnen und verfasste zahlreiche
Schriften, die der mittlerweile notwendigen Aufwertung des alten neapolitanischen
Adels dienen sollten.632 Infolge der sich in ganz Italien zum Ende des 15. Jahrhunderts
mehrenden Kritik am privilegierten Selbstverständnis des Erbadels und seinem
Anspruch auf Exklusivität wurde eine Debatte ausgelöst, innerhalb derer Tristano
Caracciolo als Verfechter der damit auch angesprochenen neapolitanischen Maggiore
Nobiltà – zu der er ja selbst gehörte – eintrat.633 In den Streitschriften, die er mit
anderen, die Vorzüge des neuen Adels propagierenden Gelehrten wie Giovanni Pontano
führte,634 wollte er die Bedeutung und Unverzichtbarkeit der Alteingesessenen „für die
Administration des Rechts und die Erhaltung der Ordnung im Reich“ deutlich
machen.635
631
Zu Tristano Caracciolo siehe vor allem Bentley, Politics and Culture, 1987, bes. S. 276-283.
Zu seinen Schriften, vor allem im Vergleich mit Pontanos Propagierung, siehe Vitale, Modelli
culturali, 2002, bes. S. 31f. u. 107-109. Zuletzt auch Santangelo, Spazio urbano e preminenza sociale,
2014, bes. S. 168-172. Zu Caracciolos frühestem erhaltenen Werk Nobilitatis Neapolitanae defensio von
ca. 1480 siehe Jorde, Cristoforo Landinos, 1995, S. 108-111; Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 276.
633
Siehe u.a. die Auffassung des maßgeblich an der Nobilitas-Debatte beteiligten Florentiners Cristoforo
Landino in seiner Schrift De vera nobilitate (1487): „Die Neapolitaner haben eine ganz andere Art und
Weise; indem ich diese sorgfältig betrachte und recht genau erwäge, komme ich schließlich zu der
Ansicht, dass sie, außer einer genussvollen Freizeit und einer im Reichtum, den sie zwar nicht haben, aber
dennoch mit höchstem Eifer vortäuschen, eitlen Geltungssucht, meiner Meinung nach in unseren Zeiten
nichts besitzen, was irgend bewundernswert wäre. Fünf uralte Familien gibt es in dieser Stadt; und von
diesen haben die einzelnen an verschiedenen Orten in der Stadt einzelne Säulenhallen (Porticus), in denen
sie sich niederlassen und schwatzen, und auf diese kleine Ehre lauern sie, denn wenn der König
vorbeigeht, ebenso wie die Stadtoberen, grüßt er sie recht vertraut zurück. Diese also, die auf jene ihre
Bejahrtheit der Familie alles setzen, halten sich für umso adliger, je mehr sie in ihrer allerträgsten Freizeit
erschlaffen. Deshalb werden wir solcherlei Menschen nicht nur nicht als adlig loben, sondern von ihnen,
weil sie die unadligsten sind, Leben und Tod für gleich erachten, weil über beide geschwiegen wird. Aber
man wird sagen: Es gab einst und es gibt heute welche, die unter ihnen durch wunderbare Leistungen
geglänzt haben., was ich freilich nicht nur zugebe, sondern ganz offen bekenne. Allerdings möchte ich
jene aus besonders diesem Grunde die Adligsten nennen, nicht weil sie aus dieser Familie stammen,
sondern weil sie selbst sich den Adel durch eigene hervorragende Taten errungen haben.“ Vgl. im
Originalwortlaut Landino, De vera nobilitate, 1970, S. 40f. Ausführlich zu Landinos Werk siehe auch
Jorde, Cristoforo Landinos, 1995. Für die Übersetzung danke ich meinem alten Studienfreund Martin
Schrage.
634
Zu den Streitschriften zwischen Pontano und Caracciolo siehe vor allem Vitale, Modelli culturali,
1987. Zu Giovanni Pontano siehe auch unten Kap. V.3.
635
Bentley, Politics and Culture, 1987, S. 277. Jorde, Cristoforo Landinos, 1995, S. 108, verweist darauf,
dass Tristano Caracciolo „die neapolitanische Nobilitas mit Hilfe der drei klassischen aristotelischen
Komponenten [verteidigt]: So führt er zunächst ihr hohes Alter an […] und verweist anschließend auf die
erfahrungsgemäß notwendige Ergänzung durch Tugenden und äußere Güter […].“
632
148
Grit Heidemann-Schirmer
Die höheren Seggio-Adligen wurden demnach zum Ende des 15. Jahrhunderts mit
zunehmender Kritik konfrontiert, die sie nicht länger ignorieren konnten. Dies wirkte
sich auch auf ihre Grabmäler aus, die zwar in ihren der Maggiore Nobiltà exklusiv
vorbehaltenen Standorten eine Kontinuität aufwiesen, welche legitimierend für ihre
Gruppenidentität war. Doch insbesondere in der Formwahl spiegelt sich das Austarieren
zwischen traditionellen Werten mithilfe des alten lokalen Formenkanons und
notwendigen Neuerungen in Gestalt innovativer Formen. Dabei bewirkten die sowohl
topologisch als auch typologisch offensichtlichen Bezugnahmen der Grabmäler eine
Gruppenbildung und stärkten somit das Zusammengehörigkeitsgefühl des zum Ende des
Quattrocento zunehmend bedrängten alten Adels.
IV.3. Zusammenfassung des Kapitels
Die höheren Seggio-Adligen hatten noch im frühen 15. Jahrhundert unter den AnjouDurazzo einen unangefochtenen privilegierten Status zu verzeichnen, der sich vor allem
im Erwerb höchster Kirchenämter und Titel niederschlug und das exklusive
Selbstverständnis
innerhalb
der
neapolitanischen
Gesellschaft
untermauerte.
Dementsprechend waren ihnen auch die prestigeträchtigsten Kirchen der Stadt wie die
Kathedrale und die Hauptdominikanerkirche als Bestattungsorte vorbehalten ebenso wie
ihnen ein klar definierter Formenkanon für die Errichtung ihrer Grabmäler zur
Verfügung stand. Mithilfe dieser auf Kontinuität und Traditionsbewusstsein
rekurrierenden Standorte und Grabmalsformen wurde die Gruppenidentität gestärkt und
zugleich die Abgrenzung gegenüber den anderen in Neapel vertretenen Adelsgruppen
befördert.
Seit dem Dynastienwechsel um die Jahrhundertmitte sahen sich die Alteingesessenen
jedoch zunehmend mit den nach Neapel immigrierenden Adligen konfrontiert, die am
aragonesischen Königshof ihren sozialen Aufstieg anstrebten und demzufolge ein neues
Verständnis von Adel herbeiführten, das die Exklusivitätsansprüche der Maggiore
Nobiltà infrage stellte. Während sie an ihren privilegierten, den Seggi zugewiesenen
Bestattungsorten festhalten konnten, so wurden hinsichtlich der Gestaltung ihrer
Grabmäler Formfindungsprozesse in Gang gesetzt, die die Auseinandersetzung der
adligen Auftraggeber mit den gesellschaftlichen Veränderungen und der Suche nach
neuen Netzwerken am deutlichsten offenbaren. Sowohl die Hinwendung zum
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
149
aragonesischen Königshof, an dem ein auf die Wiederbelebung der antiken Kultur
ausgerichtetes Mäzenatentum gefördert wurde, als auch die Ausweitung familiärer
Beziehungen sowie Einzelinteressen in die anderen großen Kulturzentren Italiens, wie
Florenz und Rom, die wegweisende Impulse für die Wiederaufnahme des antiken
Formenvokabulars in ganz Italien setzten, bewirkten einen Formentransfer, der die
Renaissance an den Adelsgrabmälern in Neapel etablieren sollte, doch dabei die lokalen
Traditionen auch weiterhin berücksichtigte.
150
Grit Heidemann-Schirmer
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
151
V. DIE NEUEN IN DER STADT:
INNOVATIONSPROZESSE IN DER ADLIGEN GRABLEGEPRAXIS
Dieses Kapitel nimmt die Gruppe der Nobili fuori Piazza in den Blick und geht der
Frage nach, welchen Einfluss die Neuankömmlinge auf die adlige Grablegepraxis in
Neapel hatten. Dabei soll die Aneignung des von den Seggio-Adligen dominierten
Stadtraums und der Umgang mit dem lokalen Formenvokabular unter Berücksichtigung
der standesinternen Gruppenbildungen diskutiert werden, die sich aus der Konfrontation
der Ortsansässigen mit den Fremden entwickelten.
Während für das frühe 15. Jahrhundert unter den Anjou-Durazzo nur wenige auswärtige
Adlige zu verzeichnen sind, die sich in Neapel dauerhaft niederließen und dort ihre
Grabmäler errichteten, so kam es nach dem Herrschaftswechsel in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts zu einer zunehmenden Immigration auswärtiger Adliger, die nicht
nur einen sozialen Wandel in Neapel begünstigten.636 Die zahlreichen aus anderen
Teilen Italiens sowie von der iberischen Halbinsel stammenden Adligen verdeutlichen
die hohe Attraktivität, die der aragonesische Königshof durch seine Reformen und der
verstärkt betriebenen Kulturpatronage in ganz Europa genoss.637 Mit der Förderung des
Humanismus wurde ein Kulturtransfer in Neapel in Gang gesetzt, der nicht nur das
außerneapolitanische Netzwerk seiner Akteure stärkte, sondern auch eine kollektive
Identitätsbildung für die Neuen in der Stadt ermöglichte.638 Dies manifestiert sich in
ihren Grabmälern und Familienkapellen, die sie in ihrer neuen Heimat Neapel errichten
ließen, und zwar nicht nur in der gewählten Form, sondern auch in dem gewählten
Standort.
636
Siehe dazu noch einmal Kap. II.
Dazu Ryder, Alfonso the Magnanimous, 1990; Beyer, Parthenope, 2000; Bentley, Politics and Culture,
1987.
638
Zum Kulturtransfer in der Frühen Neuzeit und seiner Bedeutung für die Repräsentation sowie
Netzwerkbildung seiner Akteure siehe Nolde und Opitz, Grenzüberschreitende Familienbeziehungen,
2008. Zum Kulturtransfer im frühneuzeitlichen Italien der Sammelband Campbell/Milner, Artistic
Exchange, 2004.
637
152
Grit Heidemann-Schirmer
V.1. Die Suche nach alternativen Bestattungsorten
Der für die Grablege gewählte Standort war ein entscheidender Faktor zur visuellen
Vermittlung der bestehenden beziehungsweise angestrebten Positionierung innerhalb
der neapolitanischen Gesellschaft.639 Der aus dem 15. Jahrhundert in Neapel erhaltene
beziehungsweise dokumentarisch rekonstruierbare Denkmälerbestand macht deutlich,
dass der Standort der Grabmäler weitgehend dem sozialen Netzwerk der Verstorbenen
entsprach. Wie im vorangegangenen Kapitel schon erfahren, so waren im Dom und in
San Domenico Maggiore als den Hauptkirchen der beiden höheren Seggi fast
ausschließlich die zugehörigen alteingesessenen Adligen bestattet, während die Neuen
in der Stadt kaum Möglichkeiten hatten, Patronatsrechte für Kapellen in diesen Kirchen
zu erwerben.640 Sie wählten daher andere Bestattungsorte aus, die in den niederen Seggi
beziehungsweise am Rande der Stadtmauern gelegen waren und bezeichnenderweise
von den Aragonesen gefördert wurden, mit denen sie sich verbunden fühlten.641
Die Auswahl der Standorte geht demnach einher mit den verstärkten Zuwendungen der
Aragonesen an diese Kirchen, die auch in den Quellen schriftlich fixiert sind.642
Insbesondere König Alfons II. von Aragon, noch in seiner Princeps-Funktion als
Herzog von Kalabrien, bedachte mehrere Kirchen mit Stiftungen und widmete sich
einzelnen Neu- sowie Umbauten. So ließ er um 1490 die Kirche Santa Caterina a
Formiello östlich vom Castel Capuano neu errichten und stiftete darin eine Kapelle,643
ebenso wie er den Neubau der Kirche SS. Severino e Sossio im Seggio di Portanova
639
Die Bedeutung des Bestattungsortes in den neapolitanischen Adelstestamenten des 16. und
17. Jahrhunderts unterstreicht Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 595. Allgemein dazu auch noch
einmal Kap. I.2.
640
Zum neapolitanischen Phänomen der Weitervererbung von Kapellen innerhalb eines Seggio im Falle
des Aussterbens der Besitzerfamilie siehe noch einmal Kap. II.1. Dadurch wurde es den Nobili fuori
Piazza erschwert, bestehende Kapellen in den Hauptkirchen der Seggi zu übernehmen. Zu den
Hauptkirchen der beiden höheren Seggi siehe noch einmal Kap. IV.1.1.
641
Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 600, und Rugna, La nobiltà napoletana, 1997, S. 318, verweisen
zwar auf das demographische Wachstum am Ende des 15. Jahrhunderts, demzufolge die großen Kirchen
bald überfüllt gewesen seien und es ein verstärktes Bedürfnis nach neuen Bestattungsorten gegeben habe.
Bei meiner Analyse der quattrocentesken Adelsgrabmäler finden sich jedoch in den Hauptkirchen auch
am Ende des Jahrhunderts weitere Neuerrichtungen, die fast ausschließlich dem Seggio-Adel
zuzuschreiben sind. Demgegenüber fanden die Kirchen am Stadtrand seit der zweiten Hälfte des
15. Jahrhunderts einen regen Zulauf, und dass vorrangig von Angehörigen der Seggi minori und der
Nobili fuori Piazza. Das Erdbeben von 1456 mit seiner verheerenden Zerstörung des Stadtbildes dürfte
unter anderem ein Grund dafür gewesen sein, dass sich die Neuen in der Stadt diesen
renovierungsbedürftigen Bauten annahmen, die nicht im Einzugsgebiet der Maggiore Nobiltà lagen. Zu
den neuen Bestattungsorten in Neapel an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert siehe auch Visceglia, Il
bisogno di eternità, 1988, S. 128f.
642
Siehe insbesondere in den Guiden zu den einzeln aufgeführten Kirchen.
643
Die Kapelle wurde der Hl. Maria dei Martiri geweiht. Siehe dazu D’Aloe, Catalogo, 1883, S. 140f.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
153
initiierte.644 Darüber hinaus wurden die am südwestlichen Stadtrand gelegenen und
noch zu besprechenden Kirchen Santa Maria la Nova und Santa Maria di Monteoliveto
durch die Aufstellung von Grabmälern für Dynastieangehörige mit Bedeutung
aufgeladen und somit attraktiv für weitere Stifter.
Die Grablegepraxis der Aragonesen in Neapel lässt vereinzelt Bezüge zu den
angiovinischen Grablegen erkennen.645 So wollte Alfons I. von Aragon in seiner
katalonischen Heimat bestattet werden, sein Herz sollte aber in der Neapler Kirche San
Domenico Maggiore verwahrt werden,646 ebenso wie dies Karl II. von Anjou (†1309)
testamentarisch für seine Eingeweide verfügt hatte.647 Die Dominikanerkirche, welche
vor allem durch den dort tätigen Thomas von Aquin und durch das wundersame Kreuz
Berühmtheit erlangt hatte, wurde von den Herrscherhäusern als öffentlichkeitswirksame
Repräsentations- und Memorialstätte instrumentalisiert.648 So diente die Sakristei auch
als Aufbewahrungsort der Särge königlicher Mitglieder aus dem Hause Aragon
(Abb. 34).649 Aus diesem Grund wurde in der bisherigen Forschung die These vertreten,
dass die Aragonesen in eben dieser Kirche ihre dynastische Grablege errichten
wollten.650 Das Bedürfnis nach einer neuen Grablege für das aragonesische Geschlecht
in der süditalienischen Residenzstadt als nunmehr neue Heimat wurde aber spätestens in
der dritten Generation konkret,651 als Alfons von Kalabrien, der spätere Alfons II., eine
644
Maßgeblich am Neubau beteiligt war die Familie Mormile aus dem Seggio di Portanova. Die Arbeiten
an der Kirche wurden nach dem Fall der aragonesischen Dynastie abgebrochen und erst ab 1537 durch
Troiano Mormile und seine Nachfolger weitergeführt. Siehe dazu De Stefano, Descrittione, 1560, f. 107r109v, der die Kirche zu seiner Zeit als „non anco complita“ bezeichnet. Außerdem Garzilli, Cronica,
1845, S. 184.
645
Zu den Grablegen der Anjou-Könige in Neapel immer noch grundlegend Michalsky, Memoria und
Repräsentation, 2000.
646
Siehe u.a. Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 237.
647
Auch Karl II. von Anjou hatte in seinem Testament vom 16. März 1308 angeordnet, dass sein Körper
in der französischen Heimat Aix-en-Provence bestattet, sein Herz aber in der Neapler Dominikanerkirche
aufbewahrt werden sollte. Siehe Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, Kat. Nr. 16, S. 271.
648
Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.1.2.
649
Es handelt sich dabei um die Särge von Alfons I., Ferrante, Ferrandino und dessen Frau Johanna von
Aragon. Siehe dazu vor allem D’Arbitrio, San Domenico, 2001, bes. S. 73-104; Le arche, 1991; De
Stefano, Descrizione, 1560, f. 107r-109v. Außerdem auch noch einmal Kap. IV.1.1.2.
650
Michalsky, Die Porosität, 2007, S. 114, vermutet, dass San Domenico Maggiore als aragonesische
Grablege vorgesehen war, „[…] deren Umsetzung allerdings durch einen Brand vereitelt wurde.“ Auch
Ferraiolo (vgl. Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, S. 86) berichtet im Zusammenhang mit der
Thronfolge Alfons II.’ von der Aufbahrung des verstorbenen Vaters Ferrante im Chor von San Domenico
Maggiore, ebenso wie D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 76, der die Bestattung jedoch in der
Sakristei derselben Kirche lokalisiert. Alfonsos Wunsch jedoch, eine neue dynastische Grablege errichten
zu lassen, macht deutlich, dass dieser Aufbewahrungsort der königlichen Särge nur temporär sein sollte.
Zu diesem Provisorium siehe auch Michalsky, Conivges, 2005, S. 77.
651
Auch hier findet sich die Parallele zu den Angiovinen, denn der dritte König auf dem neapolitanischen
Thron war Robert von Anjou, der mit dem Neubau des Doppelklosters Santa Chiara im frühen
14. Jahrhundert seine Idee einer repräsentativen dynastischen Grablege in Neapel realisierte. Siehe dazu
vor allem Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, bes. S. 125-152.
154
Grit Heidemann-Schirmer
königliche Grablege nahe dem Castel Nuovo plante.652 In diesem Sinne ist auch die rege
Stiftungstätigkeit des Thronanwärters zu erklären, die in der oben angeführten
Aufzählung seiner Zuwendungen schon angeklungen ist.
Mit Blick auf den historischen Stadtplan von Neapel (Abb. 1) fällt auf, dass die von den
Aragonesen geförderten Kirchen nahezu alle am Stadtrand gelegen waren und insofern
einmal mehr die Besetzung der Quartierszentren durch die Seggio-Hauptkirchen vor
Augen führen. Demgegenüber erfuhren die randständigen Kirchen zum Ende des
15. Jahrhunderts zahlreiche Zuwendungen, und zwar vorrangig von den Neuen in der
Stadt, die bewusst die Nähe zu diesen von den Aragonesen frequentierten Bauten
suchten. Es handelt sich demnach um eine topologische (An-)Ordnung der
Grabmonumente und -kapellen im neapolitanischen Stadtraum, denn die von den
adligen Auftraggebern bewusst gewählten Orte der Erinnerung verdeutlichen das
Wissen um die Strukturierung des sozialen Raumes und seiner öffentlichkeitswirksamen
Orte.653 Im Folgenden werden zwei der oben angeführten und besonders repräsentativen
Kirchen als Bestattungsorte der Neuen in der Stadt exemplarisch vorgestellt.
V.1.1. Santa Maria la Nova
Zu den großen Bettelordenskirchen Neapels zählte auch die Franziskanerkirche Santa
Maria la Nova, die 1268 von Karl I. von Anjou am damaligen Rand der Stadtmauern im
Gebiet des Seggio di Porto errichtet worden war, nachdem der König die erste
Konventskirche Santa Maria ad Palatium zugunsten seiner neuen Residenz des Castel
Nuovo abgerissen hatte.654 Der Bau bestand ursprünglich aus drei Kirchenschiffen, die
auch das Areal des später errichteten kleinen Kreuzgangs S. Giacomo umfassten. Unter
den Aragonesen erhielt die Kirche neue Zuwendungen und wurde als Bestattungsort
von den Adligen des zugehörigen Seggio di Porto sowie vor allem von den Nobili fuori
Piazza genutzt, was, wie bereits oben angesprochen, mit der Präsenz der Aragonesen in
652
Dies wird überliefert von Pietro Summonte in seinem 1524 verfassten Brief. Vgl. Nicolini, L’arte
napoletana, 1925, S. 172. Dazu weiter unten Kap.V.1.2.
653
Allgemein zur Bedeutung von Orten „für die Konstruktion kultureller Erinnerungsräume” siehe
Assmann, Erinnerungsräume, 2009, hier S. 299.
654
Zu Santa Maria la Nova siehe vor allem Rocco, Il convento, 1927; Di Sena, S. Maria, 2005. Zur
königlichen Stiftung durch Karl I. siehe auch Michalsky, Memoria und Repräsentation, 2000, S. 96. Zur
Kirche in den Guiden siehe u.a. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 124v-129v; D’Engenio Caracciolo,
Napoli Sacra, 1623, S. 485-499; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 11r-34v.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
155
dieser Kirche zu erklären ist.655 So wurde Peter von Aragon (†1491), Sohn von Alfons
II., hier bestattet, ebenso wie für Königin Johanna III. von Aragon (†1517), der letzten
Ehefrau Ferrantes, eine Grabplatte vor dem Hauptaltar errichtet wurde.656 Darüber
hinaus war es jene Königin, die den Wunsch äußerte, in dieser Kirche ein Grabmal für
die Verstorbenen der aragonesischen Dynastie errichten zu lassen, deren Särge sich
immer noch in der Sakristei von San Domenico befanden.657 Wenn es auch nicht zur
Umsetzung dieses Vorhabens kam, so verdeutlicht es doch den besonderen Stellenwert,
der Santa Maria la Nova am aragonesischen Hof beigemessen wurde.
Desweiteren befand sich in der linken Chorkapelle das wundertätige und berühmte
Madonnenbild „SS. Maria delle Grazie“, das Ferrandino von Aragon 1496 „mit
königlichem Pomp“ von Fragneto Monforte nach Neapel gebracht hatte und das
zahlreiche Kirchenbesucher versprach.658 Zudem war hier der den Zeitgenossen
bekannte Franziskanermönch Giacomo della Marca (†1476) bestattet, dessen
Seligsprechung nur wenig später nach seinem Tod gefordert wurde.659 Die Kirche
wurde dementsprechend zum Ende des 15. Jahrhunderts zunehmend attraktiver als
Repräsentations- und Bestattungsort. So hatte sich beispielsweise schon der am
berühmten aragonesischen Triumphbogen beteiligte und von König Ferrante in den
Ritterstand erhobene Bildhauer Pietro da Milano (†1473) hier bestatten lassen.660
Weitere Adlige, die dem Beziehungsgeflecht des aragonesischen Hofes zuzuordnen
sind, ließen ihre Familienkapellen und Grabmäler in der Franziskanerkirche errichten.
Aufgrund des gravierenden Umbaus am Ende des 16. Jahrhunderts lassen sich jedoch
die einzelnen Kapellen und Grablegen aus dem Untersuchungszeitraum des
655
Laut Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 599, sind die Umstrukturierungsprozesse des Adels unter
den Aragonesen und den spanischen Vizekönigen auch an dieser Kirche erkennbar, indem der alte und
der neue Adel gemeinsam den Kirchenraum besetzte. Dies lässt sich allerdings erst für das
16. Jahrhundert festmachen. Auch Rocco, Il convento, 1927, S. 91, betont, dass die Kirche zusammen von
neapolitanischen und auswärtigen Adligen für die Stiftungen von Altären, Kapellen und Grablegen
genutzt wurde.
656
Zur Bestattung von Peter siehe Filangieri, Una cronaca, 1956, S. 78f., Nr. 43; Garzilli, Cronica, 1845,
S. 172; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 19r. Zu Peter von Aragon siehe Borsari, Aragona, 1961.
Zum Grabmal von Johanna siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 132f., mit Beschreibung des Grabmals und
dem Hinweis, dass dieses hier erst einmal nur provisorisch aufgestellt werden sollte, bevor es in die
Kirche del Gesù überführt würde, wozu es jedoch nicht kam. Zum Grabmal auch De Lellis, Aggiunta
(IV), vor 1689, f. 18r-v u. 25v-26r. Außerdem Thoenes, Neapel, 1971, S. 213.
657
Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.1.2.
658
Dazu ausführlich Rocco, Il convento, 1927, S. 143-177, Zitat S. 155. Thoenes, Neapel, 1971, S. 214,
nennt dazu den Maler Angelillo Arcuccio.
659
Zu diesem und der ihm geweihten Kapelle in Santa Maria la Nova siehe Rocco, Il convento, 1927,
S. 226-234; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 16v-17r, 20v-21v.
660
Sein Grabmal befand sich einst neben dem Hauptportal. Siehe dazu Rocco, Il convento, 1927, S. 53;
De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 33v. Zu Pietro da Milano siehe auch Kruft/Malmanger, Der
Triumphbogen, 1977, S. 274-277; Abbate, Appunti, 1984.
156
Grit Heidemann-Schirmer
Quattrocento kaum noch rekonstruieren.661 Es haben sich nur wenige Grabmäler aus
dem späten 15. Jahrhundert erhalten, die sich einst in der Kirche befanden, infolge der
Umbauarbeiten am Ende des 16. Jahrhunderts jedoch in den kleinen Kreuzgang
S. Giacomo gebracht wurden, wo sie auch heute noch zu besichtigen sind. Dabei
handelt es sich beispielsweise um drei Erinnerungsmonumente für Adlige, deren
Herkunft außerhalb der Residenzstadt lag oder die zum niederen Seggio di Porto
gehörten, deren Gemeinsamkeit aber ihre Verbundenheit mit dem aragonesischen
Königshof war.662
Dies war zum einen das Grabmal für den Neuadligen und am Hofe zu einer
erfolgreichen Karriere gelangten Matteo Ferrillo (Abb. 77), das sich ursprünglich und
der Inschrift zufolge innerhalb des Kirchenraums in der gleichnamigen Familienkapelle
befand, die der Himmelfahrt Marias geweiht war, bevor es in den kleinen Kreuzgang
versetzt wurde.663 Zum anderen handelt es sich um das Erinnerungsmonument für
Bischof Costantino Castriota (Abb. 78), Sohn des Neuankömmlings Giovanni Castriota,
der bezeichnenderweise mit der Familie Ferrillo verwandt war, und dessen Grabmal bis
1926 am rechten Pfeiler vor dem Hauptaltar der Kirche aufgestellt war.664 Als drittes
Beispiel ist das Doppelgrabmal für die von der amalfitanischen Küste stammenden
Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (Abb. 79) zu nennen, das sich ebenfalls einst
661
Die Kirche wurde 1596-99 grundlegend umgebaut und erhielt in diesem Zuge ihre auch heute noch
sichtbare einschiffige Gestalt. Darauf verweist Rocco, Il convento, 1927, S. 41 u. 51f.
662
Auf die Grabplatte für den Spanier Pasquasio Diaz Garlon von 1487, die sich heute ebenfalls im
kleinen Kreuzgang befindet, wird hier nicht näher eingegangen. Dazu und zur Person siehe Di Sena,
S. Maria la Nova, 2005, [o.S.] Kap. III.3.4; Volpicella, Regis, 1861, S. 66, Anm. 1; De Lellis, Aggiunta
(IV), vor 1689, f. 19v. Auch die Vorstellung des im rechten Querschiff befindlichen Wandgrabmals für
Galeazzo Sanseverino (†1477), der aus dem feudalen Familienzweig der Marsico stammte, wird hier
vernachlässigt, da seine Motivation, sich in Santa Maria la Nova bestatten zu lassen, vor allem aus seiner
Verehrung des an diesem Konvent tätigen und hier bestatteten Ordensheiligen Giacomo della Marca
(†1476) resultiert. Zum anderen gibt die zweite Inschrifttafel im unteren Teil bekannt, dass das Grabmal
1544 wiederaufgebaut („restituendum“) wurde, wobei nicht klar ist, inwieweit die originale Gestalt des
15. Jahrhunderts verändert wurde. Zu Galeazzo Sanseverino und seinem Grabmal, das Pietro da Milanos
Werkstatt zugeschrieben wird, siehe u.a. Abbate, La scultura, 1992, S. 8ff.; Rocco, Il convento, 1927,
S. 117f.; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 490; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 16v17r u. 25v.
663
Siehe Salvatore, Tra Fiandre e Napoli, 1998, S. 16, Anm. 27; Rocco, Il convento, 1927, S. 274. Schon
D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 491, lokalisiert das Grabmal im Kreuzgang, gibt aber als
Randnotiz den Hinweis, dass es „è stato qui dalla Chiesa trasferito“, sich also ursprünglich in der Kirche
befunden hat. De Stefano, Descrittione, 1560, erwähnt es gar nicht, verweist aber auf die Fülle an
Grabmälern, von denen er nur einige vorstellen will: „[…] de’ quali ne narrarò alcuni […]“. Vgl. ebd.,
f. 124v. Allein De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 17v, erwähnt eine unter diesem Patronat geweihte
Kapelle, die im Altbau der Kirche „al lato destro poi dell’Altar Maggiore“ eingerichtet war. Man kann
daher vermuten, dass die Cappella Ferrillo einst als rechte Chorkapelle fungiert hatte.
664
Darauf verweist Rocco, Il convento, 1927, S. 274. Zur ursprünglichen Lokalisierung des CastriotaGrabmals im Kirchenraum siehe ebd., S. 280, Anm. 4; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623,
S. 493; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 125r.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
157
innerhalb der Kirche von Santa Maria la Nova befand, bevor es zu einer unbestimmten
Zeit in den kleinen Kreuzgang verlegt wurde.665
Die drei genannten Beispiele, die weiter unten detailliert in ihrer Formensprache erörtert
werden, veranschaulichen die Entscheidungen von Angehörigen der niederen Seggi und
insbesondere von den Neuen in der Stadt, um ihr Zugehörigkeitsgefühl zum
aragonesischen Königshof in Neapel durch die Standortwahl ihrer Grabmäler zu
vermitteln. Weitaus deutlicher manifestiert sich das aragonesische Netzwerk in dem nun
zu besprechenden Bestattungsort.
V.1.2. Santa Maria di Monteoliveto
Santa Maria di Monteoliveto (Abb. 57) wurde 1409 als Konventskirche für den
benediktinischen Olivetanerorden von dem neapolitanischen Stadtadligen Gurello
Origlia gegründet und zwei Jahre später wurde der Grundstein gelegt.666 Zu dieser Zeit
befand sie sich im Westen vor der Stadt (Abb. 1), erst 1499 wurde sie durch die
Stadterweiterung in den Mauerring aufgenommen.667 Ihre Bedeutung als adliger
Bestattungsort stieg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts augenscheinlich an, wie
weiter unten an konkreten Beispielen noch zu zeigen sein wird. Dies lag insbesondere
daran, dass sich die Aragonesen dem Wiederaufbau der Kirche nach ihrer Zerstörung
665
Zur ursprünglichen Lage in der Kirche siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 272. Über Sanzio
Vitagliano, für den das Grabmal zusammen mit seiner Ehefrau Ippolita Imperato bestimmt war, ist nur
sehr wenig bekannt. Die Familie Vitagliano war einst aus Padua nach Tramonti im Herzogtum Amalfi
übergesiedelt. Fest steht, dass auch die Familie seiner Ehefrau von der amalfitanischen Küste stammte
und somit beide zu den Nobili fuori Piazza in Neapel zählten. Siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 272f.
Außerdem http://www.nobili-napoletani.it/Vitagliano.htm (16.07.2012). Zur Familie Imperato siehe
http://www.nobili-napoletani.it/Imperato.htm (16.07.2012).
666
Mutterkirche und damit Vorbild für den neapolitanischen Olivetanerkonvent war die nahe bei Siena
gelegene Kirche Monteoliveto Maggiore, welche um 1320 erbaut worden war. Siehe dazu De Stefano,
Descrittione, 1560, S. 94; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 501. Zur neapolitanischen
Gründung siehe vor allem Strazzullo, La fondazione, 1964, bes. S. 107-109; Divenuto, Napoli Sacra,
1990, S. 69-71; Venditti, La fabbrica, 1999, bes. S. 37. Santa Maria di Monteoliveto war damit
ursprünglich die Patronatskirche der neapolitanischen Adelsfamilie Origlia aus dem Seggio di Porto. Zur
Familie siehe Vitale, Élite, 2003.
667
Zur Lage der Kirche im Stadtraum siehe De Seta, Napoli, 1997, S. 17. Auch De Lellis, Aggiunta (IV),
vor 1689, f. 51v, verweist darauf, dass Santa Maria di Monteoliveto zum Zeitpunkt ihrer Gründung
außerhalb der Stadt lag. Nach dem Tod des Stifters (†1412) gibt es nur sehr wenige Zeugnisse von der
Weiterführung der Bauarbeiten. Bekannt ist, dass seine Söhne Pietro, Roberto, Bernardo und Raimondo
Origlia die Kirchengründung und das Testament ihres Vaters am 03. April 1414 bestätigten und sich
verpflichteten, dem Olivetanerkonvent 750 Unzen zu zahlen, um das Patronatsrecht aufrecht zu erhalten.
Siehe Strazzullo, La fondazione, 1964, S. 109. Auch von königlicher Seite sind mehrere Schenkungen
überliefert, u.a. von Johanna II. von Anjou-Durazzo und Alfons I. von Aragon. Siehe Capaccio, Il
forastiero, 1634, S. 891. Die älteste erhaltene Grabplatte im Langhaus für den königlichen Sekretär
Antonello da Teano von 1430 lässt schlussfolgern, dass der Bau zum genannten Datum schon so weit
voran geschritten war, dass darin eine Bestattung ermöglicht werden konnte.
158
Grit Heidemann-Schirmer
durch das Erdbeben von 1456 widmeten und sie später vermutlich auch als ihre
Grablege vorsahen.668 Dieses Vorhaben konnte jedoch nicht umgesetzt werden, da der
eigentliche Initiator König Alfons II. von Aragon 1495 abdankte und aus Neapel vor
dem herannahenden Eroberungsfeldzug des französischen Königs Karl VIII. fliehen
musste.669 Einige Indizien sind für die Planung einer königlichen Grablege in Santa
Maria
di
Monteoliveto
überliefert.670
So
wurden
einerseits
Grabmäler
für
Dynastieangehörige realisiert, die sich den Schriftquellen zufolge im Chorbereich
befanden, die Zeiten aber nicht überdauert haben.671 Andererseits wurde das Grabmal
für Alfonsos Schwester in einer Seitenkapelle errichtet, auf die gleich noch
zurückzukommen sein wird.672 Zudem ist in den Quellen die enge Bindung zwischen
Alfons und den Olivetanermönchen überliefert, die nach seinem Tod eine Gedenktafel
668
Diese These vertritt vor allem Hersey, Alfonso II, 1969, S. 109f. Er sieht in Alfons II. von Aragon,
noch in seiner Princeps-Funktion als Herzog von Kalabrien, den eigentlichen Initiator der Umgestaltung
von Santa Maria di Monteoliveto zur dynastischen Grablege. Wichtige Indizien sind für Hersey die
hölzernen Särge der Aragon-Könige in der Sakristei von San Domenico Maggiore, welche vermuten
lassen, dass sie den Verstorbenen nur vorübergehend Platz bieten sollten, während in Santa Maria di
Monteoliveto die Anfertigung marmorner Grabmäler vorgesehen war. Schon Pietro Summonte verweist
in seinem Brief von 1524 auf den Wunsch von Alfons II., eine neue Grablege für das aragonesische
Geschlecht und der bis dato verstorbenen Angehörigen in der Nähe des Castelnuovo errichten zu lassen,
der jedoch aufgrund der Invasion des französischen Königs Karl VIII. (1495) nicht realisiert werden
konnte. Vgl. Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 172. Daraus ließe sich schlussfolgern, dass entweder
die Kirche Monteoliveto damit gemeint war oder diese als „temporäre“ Grablege für die Aragonesen
diente, bevor ein Neubau errichtet werden sollte. Aufgrund der einsetzenden dynastischen Krise wurde
dies jedoch nicht umgesetzt, sodass Monteoliveto weiterhin als Grablege der Aragonesen und ihrer
Anhänger fungierte. Hinweise dazu finden sich in den historischen Guiden. Vgl. u.a. Capaccio, Il
forastiero, 1634, S. 892; Parrino, Napoli città nobilissima, 1700, S. 104, der allerdings fälschlicherweise
annahm, dass Alfons II. in Monteoliveto begraben sei. Auch die Sekundärliteratur unterstreicht diesen
besonderen Stellenwert der Kirche. So bezeichnet Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 238, sie als
„Lieblingskirche“ der Aragonesen. Ebenso del Pesco, Architettura feudale, 1994, S. 115. Auch Weber,
Familienkanonikate, 1988, S. 283, Anm. 1082, nennt die Kirche das „Zentrum der Bautätigkeit der
aragonesischen Dynastie“.
669
Siehe dazu noch einmal Kap. II.4. Alfons II. von Aragon starb noch im Exil und wurde im Dom von
Messina bestattet. Vgl. D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 503; De Lellis, Aggiunta (IV),vor
1689, f. 53v.
670
Auch die Darstellung von Santa Maria di Monteoliveto auf der schon oben behandelten „Tavola
Strozzi“ von 1472 (Abb. 7) scheint Hinweise darauf zu geben. Während im Vordergrund dieser ältesten
Stadtansicht Neapels die siegreiche Rückkehr der Flotte Ferrantes von Aragon dargestellt ist, heben sich
über der Stadtkulisse die großen Kirchen der Anjou-Zeit sowie die königliche Grablege der AnjouDurazzo deutlich ab. Diesen ist nahezu in der Mitte der beiden Bildachsen Santa Maria di Monteoliveto
angefügt. Ihre zentrale Positionierung vermittelt den besonderen Status dieser Kirche zur Zeit der
Aragonesen, deren Herrschaftslegitimation das eigentliche Thema der Tafel ist.
671
Es handelte sich um die Grabmäler für die beiden Söhne Francesco (†1486) und Karl von König
Ferrante von Aragon. Vgl. De Stefano, Descrittione, 1560, f. 94v; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689,
f. 65v; Sarnelli, Guida, 1685, S. 275f.; Parrino, Napoli città nobilissima, 1700, S. 104; Volpicella, Regis,
1861, S. 18, Anm. 2. Ferraiolo gibt zudem ein weiteres Grabmal für den Sohn Peter von Alfons II. an, der
am 27. Februar 1491 starb und in Santa Maria di Monteoliveto bestattet worden sein soll. Vgl. Filangieri,
Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 43, S. 78-80. Notar Giacomo verortet das Grabmal für Peter dagegen
im Kloster von Santa Maria la Nova. Vgl. Garzilli, Cronica, 1845, S. 172.
672
Siehe Kap. V.2.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
159
an der Chorrückwand anbrachten, um an ihn als Zweitgründer der Kirche zu erinnern.673
Auch die von ihm 1492 bei Guido Mazzoni in Auftrag gegebene Terrakottagruppe der
„Beweinung Christi“ (Abb. 59) unterstreicht dies.674 Die Gruppe fand in der
raumgreifenden Cappella Origlia im rechten Querarm ihre Aufstellung und besteht
heute aus sieben Figuren, die sich um den toten Leib Christi versammelt haben. Von
links nach rechts handelt es sich um die historischen Exempla des Auftraggebers
Alfons, seiner Tochter Isabella zusammen mit seinen Schwestern Eleonore und Beatrix
als die drei Marien, um seinen Sohn und Thronerben Ferrandino als Johannes
Evangelista, um den Hofhumanisten Giovanni Pontano in Gestalt des Nikodemus und
ganz rechts um Alfonsos Bruder Friedrich von Aragon.675 Folgt man Pietro Summontes
Äußerungen in seinem 1524 an einen Freund verfassten Brief, der die derzeit
wichtigsten Kunstwerke Neapels behandelt, so befand sich auch der damalige König
Ferrante von Aragon als historisches Exemplum unter den Figuren.676 Es handelt sich
demnach um eine auf Dauer und Erkennbarkeit angelegte Vergegenwärtigung von
damals noch lebenden Mitgliedern des aragonesischen Königshauses in diesem
Kirchenraum.677
Aufgrund der visuellen Präsenz der Aragonesen in dieser Kirche kam es zur sukzessiven
Übernahme der Seitenkapellen (Abb. 58) durch adlige Stifter, die durch familiäre
beziehungsweise politische Beziehungen eng mit dem Königshaus verbunden waren. So
handelt es sich ohne Ausnahme um Hofangestellte, Berater sowie enge Vertraute
Alfons’ I. und seiner Nachfolger, die das Kircheninnere (vor allem nach 1470)
maßgeblich ausgestattet haben.678 Dazu zählen Antonio Bertrando,679 Giovanni
673
Siehe De Stefano, Descrittione, 1560, f. 94v; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 502f.; De
Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 53r; Celano, Notitie, 1692, S. 14; Parrino, Napoli città nobilissima,
1700, S. 101. Selbstredend zieht auch Capaccio, Il forastiero, 1634, S. 896, den Vergleich mit König
Robert von Anjou und seiner engen Verbindung zu den Franziskanern von Santa Chiara. Siehe dazu auch
Heidemann und Scirocco, Die Kirchen, 2010.
674
Zu dieser Figurengruppe siehe vor allem Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 75-101; ders., Guido
Mazzoni, 1972; Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 168; Celano, Notitie, 1692, S. 20.
675
Diese Identifikationen gibt Pane, Guido Mazzoni, 1972, bes. S. 55-58, der jedoch darauf hinweist, dass
es sich bei der heutigen Aufstellung nicht um die ursprüngliche Anordnung der Figuren handelt. Diese
versucht er zu rekonstruieren, ebd., S. 60. So auch Thoenes, Neapel, 1971, S. 49. Venditti, La fabbrica,
1999, S. 71, nennt zudem noch Jacopo Sannazzaro in Gestalt des Joseph von Arimathäa. Zu Giovanni
Pontano siehe unten.
676
Vgl. Nicolini, L’arte napoletana, 1925, S. 168. So auch Pane, Guido Mazzoni, 1972, S. 56.
677
So auch De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 60v: „[...] per memoria della grandezza Regale
Aragonese.“
678
Es scheint sich hierbei um eine gängige Praxis im kollektiven Verständnis einer sozialen Gruppe zu
handeln, denn auch in Rom und Florenz finden sich ähnliche Vergleiche. So wurde z.B. Santa Maria del
Popolo in Rom als „Modekirche“ der Papstfamilie della Rovere bevorzugt von den Anhängern des
päpstlichen Förderers Sixtus IV. ausgestattet, ebenso wie San Lorenzo in Florenz als prädestinierter
160
Grit Heidemann-Schirmer
Cavaniglia,680 Marino Correale,681 Antonio d’Alessandro,682 Alfonso d’Avalos,683
Andrea de Gennaro,684 Antonio Piccolomini,685 Francesco Scala686 und Paolo Tolosa.687
Für
unseren
Kontext
Auftraggeberschicht
von
ihre
großem
Belang
außerneapolitanische
ist
die
Herkunft
Tatsache,
dass
beziehungsweise
dieser
ihre
Zugehörigkeit zu den niederen Seggi gemeinsam ist. Es oblag diesen Adligen, eine
Vielfalt an für Neapel innovativen Grabmals- und Kapellentypen in Santa Maria di
Monteoliveto zu ermöglichen, die jenen humanistischen Idealen folgten, welche am
aragonesischen Hof gefördert wurden.688 Interessant ist bei der Einzelanalyse, dass
mehrere
Monumente
formal
aufeinander
Bezug
nehmen
und
somit
das
Gruppenbewusstsein sowohl durch den gemeinsamen Ort, als auch durch ästhetische
Paradigma visuell unterstreichen. Von herausragender Bedeutung dazu war die nun
vorzustellende Kapelle.
Bestattungsort für die Medici-Treuen galt. Dagegen statteten „vornehmlich Patrizier der Anti-MediciPartei“ die Florentiner Kirche S. Croce aus. Vgl. Schedler, Filippo Brunelleschi, 2004, S. 21. Zu den
anderen Beispielen siehe Karsten/Zitzlsperger, Gesellschaftliche Gruppen, 2007, S. 77; Elam, Cosimo de’
Medici, 1992.
679
Dieser wird in der Grabinschrift als „fachkundig und sehr verdienstvoll seinem König gegenüber“
beschrieben. Er starb 1467, seine Grabplatte befindet sich im Langhaus der Kirche vor der
2. Seitenkapelle rechts. Dazu siehe Cundari, Il complesso, 1999, S. 530; D’Engenio Caracciolo, Napoli
sacra, 1623, S. 505.
680
Zu diesem ausführlich unten Kap. V.5.
681
Dieser aus Sorrent stammende Adlige fungierte als Großkämmerer und Haushofmeister am
aragonesischen Hof. Zu seiner Person und seiner Kapelle siehe unten Kap. V.2.1.
682
Die Familie D’Alessandro gehörte dem niederen Seggio di Porto an. Antonio wurde als Jurist zum
königlichen Berater, Hofrichter und Protonotar am aragonesischen Hof ernannt. Zu seiner Person und
seiner Kapelle siehe unten Kap. V.2.2.
683
Alfonso d’Avalos war unter seinem feudalen Titel als Marchese de Pescara weitaus bekannter. Er
fungierte als Kämmerer am aragonesischen Hof und war einer der wenigen neapolitanischen
Feudaladligen, die dem König auch nach der Baronenverschwörung treu blieben. Er wurde 1495
ermordet, hatte aber noch zu Lebzeiten die 2. Kapelle im linken Seitenschiff erworben. Zu seiner Person
siehe [o.V.], Avalos, 1962. Zur Cappella D’Avalos siehe u.a. De De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689,
f. 56-57. D’Engenio Caracciolo, Napoli sacra, 1623, S. 512, verweist auf dessen Vater Iñigo, Marchese
del Vasto, der mit den Aragonesen nach Neapel gelangt war und in der von seinem Sohn errichteten
Familienkapelle bestattet wurde.
684
Dieser aus dem Seggio di Porto stammende Adlige galt als sehr enger Vertrauter am Hof. Er war auch
an der Bestätigung des Testaments von König Alfons II. von Aragon beteiligt. Zu seiner Person siehe
Petrucci, De Gennaro, 1988. Andrea De Gennaro übernahm in Santa Maria di Monteoliveto die rechte
Chorkapelle und ließ darin sein Grabmal noch zu Lebzeiten 1490 errichten. Dieses hat sich zwar nicht
erhalten, aber De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 64v, spricht von einem „Sepolcro di marmo“ und
übermittelt die Inschrift, ebenso D’Engenio Caracciolo, Napoli sacra, 1623, S. 511.
685
Zu diesem aus Siena stammenden Adligen, der in die königliche Familie einheiratete, siehe unten
Kap. V.2.
686
De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 62r, vermutet, dass Francesco, der Sohn des spanischen, im
Gefolge Alfons’ I. nach Neapel gekommenen Andrea Scales, die Familienkapelle in Santa Maria di
Monteoliveto gestiftet hat. Dies findet sich in der Inschrift bestätigt, die D’Engenio Caracciolo, Napoli
sacra, 1623, S. 506, liefert.
687
Zu diesem aus Spanien stammenden Händler, der am aragonesischen Königshof zu Reichtum gelangte
und in den Adelsstand erhoben wurde, siehe unten Kap. V.4.
688
Zur Förderung des Humanismus am aragonesischen Hof siehe Bentley, Politics and Culture, 1987.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
161
V.2. Neue Kapellenraumauffassung – Die Cappella Piccolomini und ihre Folgen
Die Cappella Piccolomini (Abb. 60) wurde in den 1470er Jahren als ein Neubau im
linken Seitenschiff von Santa Maria di Monteoliveto angefügt.689 Der aus Siena
stammende Auftraggeber Antonio Piccolomini ließ die Kapelle als Grabstätte für seine
frühzeitig verstorbene Ehefrau Maria von Aragon (†1469) errichten.690 Die Wahl dieses
Bestattungsortes resultiert dabei nicht nur aus dem Umstand, dass die Mutterkirche des
neapolitanischen Olivetanerordens nahe der Heimatstadt des Stifters, Siena, gelegen
war. Sie steht auch – so meine These – in unmittelbarem Zusammenhang mit den
Verwandtschaftsverhältnissen und demzufolge dem Zugehörigkeitsbewusstsein der
Protagonisten, wie im Folgenden dargelegt wird.
Die Verstorbene war keine geringere als die Tochter des Königs Ferrante von Aragon
und Schwester des Thronanwärters Alfons II., der, wie schon erwähnt, enge Kontakte zu
den hier sesshaften Mönchen pflegte und als Zweitgründer dieser Kirche galt.
Demzufolge war der Kapellenstifter Antonio Piccolomini mit Alfons verschwägert und
er durfte seit seiner Heirat mit Maria (1461) den königlichen Beinamen sowie das
aragonesische Wappen tragen.691 Dies ist von außerordentlicher Bedeutung, wenn man
bedenkt, dass Antonio zugleich der Neffe von Papst Pius II. war, sich aber offenbar mit
dem Königshaus in Neapel verbunden fühlte. Die soziale Relevanz dieses neuen
Adelsgeschlechts spiegelt sich auch in der Titelvergabe des Herzogs von Amalfi an den
zum Großjustiziar ernannten Antonio Piccolomini von Aragon und seine Nachfolger
wider.692 Darüber hinaus wurde ihm um 1480 die Ehre zuteil, in den höheren Seggio di
689
Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 100, geht von der Errichtung der Kapelle zwischen 1475-77 aus, Carl,
Benedetto da Majano, 2006, S. 381f., datiert den Altar auf 1471-74 und das Maria-Grabmal auf 1481-91.
Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44, gibt für die Ausführung des Grabmals die Jahre 1475-81 an. Bei der in
der Grabmalsinschrift genannten Jahreszahl 1470 ist zu vermuten, dass es sich um das Datum der
Kapellenstiftung handelt, während sich die Ausstattung um einige Jahre hinzog. Hersey, Alfonso II, 1969,
S. 112, fügt die Jahre 1488-89 zur Vollendung der Kapelle an. Zur Cappella Piccolomini in den
historischen Guiden siehe beispielhaft De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, ff. 57r-v.
690
Zu Antonio Tedeschini Piccolomini, der als Neffe von Papst Pius II. 1461 mit Ferrantes Tochter Maria
von Aragon verheiratet wurde und sich in Neapel niederließ, wo er den neuen Familienzweig der
Piccolomini von Aragon begründete, siehe u.a. Puglia, I Piccolomini d’Aragona, 2005; Volpicella, Regis,
1861, S. 53, Anm. 2; Ammirato, Delle famiglie (II), 1651, S. 269-271.
691
Darauf verweist auch De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57r. Ebenso Hersey, Alfonso II, 1969,
S. 111. Fortan wurde sein Familienzweig als Piccolomini d’Aragona bezeichnet. Dazu vor allem Puglia, I
Piccolomini, 2005. Siehe auch die Inkorporierung des Königswappens in der Kapelle.
692
Zur langen Titelinhabe durch die „Duchi d’Amalfi“ unter den Aragonesen siehe Ammirato, Delle
famiglie (I), 1580, S. 41.
162
Grit Heidemann-Schirmer
Nido aufgenommen zu werden, der sich wiederum damit rühmen konnte, einen
Anverwandten des Königshauses inkorporiert zu haben.693
In ihrer Ausstattung vermittelt die Kapelle eine für Neapel völlig neue Raumauffassung,
die erst durch eine vergleichende Analyse mit einer in Florenz erbauten Grabkapelle
verständlich wird. Die Rede ist von der Kapelle des Kardinals Jakobus von Portugal,
welche 1460–1468 von Antonio und Bernardo Rossellino in der Florentiner Kirche San
Miniato al Monte (Abb. 61) errichtet worden war.694 Zur auffälligen Ähnlichkeit dieses
Baus mit der Neapler Cappella Piccolomini wurde in der Forschung schon viel
geschrieben.695 Der Grund, warum Antonio Piccolomini jedoch gerade diese Kapelle als
so offensichtliches Vorbild für seine Stiftung in Neapel auswählte, geht meines
Erachtens über den gemeinsamen ausführenden Künstler und die Bewunderung dieser
auch außerhalb von Florenz berühmten Kapelle hinaus.696
Erneut lohnt eine Betrachtung des sozialgeschichtlichen Kontextes, denn der Kardinal
war königlichen Geblüts und unter anderem mit Eleonore von Portugal verwandt, also
jener Schwester des Alfons V. von Aragon, der Süditalien 1442 erobert und die
aragonesische Dynastie in Neapel begründet hatte.697 Die Schnittmenge zwischen den
beiden Protagonisten in Florenz und Neapel ist demzufolge ihre Verwandtschaft mit
dem aragonesischen Königshaus, die eines der grundlegenden Argumente für die Wahl
des Kapellenvorbildes darstellt.
693
Darauf verweist De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57r. Das Datum dazu, jedoch ohne
Quellenverweis, liefert www.genmarenostrum.com/pagine-lettere/letterap/piccolomini.htm (09.05.12).
Die Aufnahme eines mit dem Königshaus verwandten Adligen war eine besondere Ehre für diesen
höheren Seggio, während es sonst nicht üblich war, auswärtige Adlige zu inkorporieren. Siehe dazu noch
einmal Kap. II.1.1.
694
Kardinal Jakobus von Portugal kam als Gesandter nach Florenz und starb dort 1459. Zur Kapelle siehe
Hansmann, Die Kapelle des Kardinals, 1993; Koch, The Early Christian Revival, 1996. Koch gibt zu
bedenken, dass nicht der Kardinal der eigentliche Auftraggeber dieser Kapelle war, sondern die
Florentiner Kommune maßgeblich an dem Bauprojekt beteiligt war. Ich danke Linda Koch für die rege
Diskussion zu diesem Thema. Ihre Ausführungen sollen demnächst publiziert werden.
695
Siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 381-392; Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 191;
Venditti, La fabbrica, 1999, bes. S. 44; Pepe, Le tre cappelle, 1998; Carl, New documents, 1996; Pane, Il
Rinascimento (I), 1975, S. 230-232; Hersey, Alfonso II, 1969, S. 112f.; Leppien, Die neapolitanische
Skulptur, 1962, S. 151-154.
696
So vor allem Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 381; dies., New documents, 1996, S. 318.
Außerdem Michalsky, Seggi und sediali, 2005, S. 191. Dass auch schon Pius II. den Bruder Antonios,
Bernardo Rossellino, beauftragt hatte (zur Umgestaltung Pienzas als Papst-Stadt), wird angeführt bei
Alberti, Das Standbild, 2011, S. 11.
697
Eleonore stammte aus dem Hause Aragon und war 1428 mit König Eduard I. von Portugal verheiratet
worden, aus deren Ehe u.a. der spätere Thronfolger Alfons V. von Portugal hervorging. Auf diesen
bezieht sich auch Koch, The Early Christian Revival, 1996, S. 527, und verweist darauf, dass Kardinal
Jakobus von Portugal der erste Cousin von Alfons war. Für unseren Kontext ist aber besonders die
Herkunft von Eleonore interessant, die – wie oben erwähnt – Schwester von Alfons von Aragon war, der
Süditalien 1442 erobert hatte. Zu Eleonore von Aragon siehe Pferschy-Maleczek, Kaiserin Eleonore,
1997; Zierl, Kaiserin Eleonore, 1966.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
163
Das künstlerisch sowie programmatisch exzeptionelle Ausstattungsprogramm der
Kardinalskapelle spiegelt in vielen Details das durch seine königliche Abkunft
privilegierte Selbstverständnis des Kardinals wider,698 welches ganz offensichtlich von
den Zeitgenossen auch so verstanden und von Antonio Piccolomini in seiner
Familienkapelle in Neapel adaptiert wurde, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.
Das Grabmal für Maria von Aragon (1475–1491)
Bei dem Grabmal für Maria von Aragon (Abb. 62) handelt es sich um ein
Wandnischengrab, das im Neapel des späten 15. Jahrhunderts als neuartig einzustufen
ist.699 Es wurde an der linken Kapellenwand angebracht, also auf der Evangelienseite,
die den Frauen vorbehalten war, während sich das Florentiner Vorbild für Kardinal
Jakobus von Portugal (Abb. 63) spiegelbildlich dazu auf der den Männern
vorbehaltenen Epistelseite befindet. In beiden Fällen war der Florentiner Antonio
Rossellino der ausführende Bildhauer, dessen Arbeiten am neapolitanischen Monument
jedoch nach seinem Tod (1479) von dem ebenfalls aus Florenz stammenden Benedetto
da Majano beendet wurden.700 Beide Grabmäler nehmen die jeweilige Kapellenwand
nahezu vollständig ein und bestehen, neben der architektonischen Rahmung, aus vier
Ebenen, die sich nur in wenigen Details voneinander unterscheiden.
Der hohe stufenartige Sockel bildet die erste Ebene. Er ist mit einem antikisierten
Girlandenfries geschmückt und an den Seiten des Sockels befinden sich weitere Motive
aus dem Repertoire der antiken Mythologie. So werden rechts Herkules im Kampf
gegen die Hydra und links Amor präsentiert.701
698
Koch, The Early Christian Revival, 1996, bes. S. 538f. u. 553f., betont, dass das Märtyrertum eines der
wichtigen Themen in der Kardinalskapelle ist. Der Kardinal war zwar „neither a martyr nor a saint“, er
wurde jedoch von den Zeitgenossen wie ein Heiliger wahrgenommen. Desweiteren steht das
Ausstattungsprogramm in direktem Zusammenhang mit dem Kirchenpatronat von S. Miniato, die dem
einzigen Florentiner Märtyrer mit königlichen Wurzeln geweiht ist.
699
Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, spricht hierbei von einem „bedeutsamen Wendepunkt“. Zum Grabmal
für Maria von Aragon ausführlich siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, Kap. X.A.; Hersey, Alfonso II,
1969, S. 111-115, der ebenfalls das Maria-Grabmal als „radical departure from local tradition“ einordnet.
Vgl. ebd., S. 113. Zum Aufkommen des neuen Typus’ des Wandnischengrabmals, erstmals in Florenz um
die Mitte des 15. Jahrhunderts, siehe Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 25, die die Grabmäler für
Leonardo Bruni und Carlo Marsuppini in S. Croce als „die beiden wichtigsten Prototypen“ nennt.
700
Zu Antonio Rossellino siehe Negri Arnoldi, La scultura, 1994, bes. S. 297; Petrioli, Antonio
Rossellino, 1966. Zu Benedetto da Majano zuletzt ausführlich Carl, Benedetto da Majano, 2006.
Außerdem Caglioti, Benedetto da Majano, 2002.
701
Darauf verweisen Thoenes, Neapel, 1971, S. 46; Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 385, die zudem
das Florentiner Vorbild anführt, an dem rechts der Mithras-Kult und links Helios auf seinem Wagen
dargestellt sind. Dazu auch Hansmann, Die Kapelle, 1993, S. 298f.
164
Grit Heidemann-Schirmer
Über einer weiteren Stufe folgt der hoch aufragende Sarkophag, der mit seinen
kannelierten Beinen, den Löwenfüßen und dem Walmdach ebenfalls auf antike
Vorläufer, wie dem „großen antiken Porphyrsarg[…] vom Pantheon“ in Rom,
rekurriert.702 Im unteren Teil der Sarkophagfrontseite ist folgende Inschrift angebracht:
„QVI LEGIS SVMMISIVS LEGAS NE DORMIENTEM EXCITES/ REGE
FERDINANDO ORTA MARIA ARAGONA HIC CLAVSA EST/ NVPSIT
ANTONIO PICCOLOMINEO AMALFAE DVCI STRENVO/ CVI
RELIQVIT TREIS FILIAS PIGNVS AMORIS MVTVI/ PVELLAM
QVIESCERE CREDIBILE EST QVAE MORI DIGNA NON FVIT/ VIX
ANN XX/ A D MCCCCLXX.“703
Die Inschrift verweist nicht nur auf die königliche Herkunft der verstorbenen Prinzessin
Maria, sondern sie nobilitiert zugleich den Auftraggeber des Grabmals, ihren Ehemann
Antonio Piccolomini, als Anverwandten des königlichen Hauses und als Titeladligen.
Darüber hinaus liefert die genannte Jahreszahl 1470 den terminus post quem für die
Errichtung der Kapelle und ihrer Ausstattung.704
Auf dem Sarkophag befindet sich die Liege mit dem Gisant der Verstorbenen, der von
zwei Putten ebenso wie bei dem Florentiner Vorbild leicht gekippt präsentiert wird.
Während der Kardinal von Portugal mit seinem klerikalen Status entsprechenden
Insignien dargestellt ist, so wird Maria von Aragon als junges Mädchen in einem
schlichten Gewand schlafend gezeigt, wie auch schon die Inschrift im unteren Teil des
Sarkophags postuliert.705 Ihr Kopf ist leicht zum Betrachter geneigt und unterstreicht
damit die in der Inschrift gegebene Aufforderung, die friedlich Schlafende nicht zu
702
Thoenes, Neapel, 1971, S. 46. Auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 113, zieht den Vergleich mit den
„antique sarcophagus“.
703
Folgendermaßen zu übersetzen: „Du, der du dies liest, lies mit leiser Stimme, damit du nicht jene
weckst, die schläft. Hier ist Maria von Aragon verschlossen, Nachfahrin des Königs Ferdinand. Sie war
verheiratet mit Antonio Piccolomini, tatkräftiger Herzog von Amalfi, dem sie drei Töchter hinterließ im
Bund der Liebe. Du könntest glauben, dass es sich hier um ein schlafendes Mädchen handelt, das es nicht
verdient hat zu sterben. Sie wurde 20 Jahre alt. Im Jahr des Herrn 1470.“
704
Zum Todesdatum von Maria 1469 und der genannten Jahreszahl 1470, die offensichtlich nicht mit
Maria in Verbindung zu bringen ist, siehe Carl, New documents, 1996, S. 318. Zuweilen wird das
inschriftlich genannte Datum mit dem Tod der Bestatteten fälschlicherweise gleichgesetzt. Siehe u.a. bei
Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44.
705
Laut De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57v, soll die Inschrift von dem aragonesischen
Hofhumanisten Giovanni Pontano verfasst worden sein. Auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 111, Anm. 16,
macht darauf aufmerksam und betont, dass das Motiv des „death of living sleep“ sehr beliebt in der
Begräbnisdichtung der Renaissance war. Zugleich bezeichnet er das Grabmal als Marias „marriage bed“.
Vgl. ebd., S. 114.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
165
wecken. Schon hier wird dem Motiv des Schlafens eine besondere Aufmerksamkeit
zuteil.706
Sockel und Sarkophag werden von einer rahmenden Architektur umfangen, die sich
durch reich verzierte korinthisierte Halbpilaster und einem ebenfalls nach antikem
Muster gegliedertes Gesims auszeichnet. Auf den verkröpften Ecken sitzen zwei Engel,
die durch ihre vitale Haltung dem Betrachter besonders ins Auge fallen. Sie lockern
nicht nur das durch die vielen architektonischen Rahmungen statisch und linear
erscheinende Monument bewusst auf, sondern leiten in ihrer Anbringung und
Körperdrehung zu den beiden anschließenden Ebenen über. Diese beiden obersten
Ebenen erscheinen dabei nahezu losgelöst vom unteren Teil des Monuments, was durch
die beigegebenen Engelfiguren optisch verstärkt wird.707 In der Mitte des verkröpften
Gesimses befindet sich eine Ädikula, die einen Tondo mit der Darstellung der
Auferstehung Christi beherbergt. Dieses Detail unterscheidet sich vom Florentiner
Monument, wo sich anstelle dessen das Gruftfenster befindet, das mit einem großen
Onyx verziert ist.708
Den oberen Abschluss der Grabmalsnische bildet die letzte Ebene, welche aus dem von
zwei fliegenden Engeln gehaltenen und von einer Fruchtgirlande umrahmten Tondo
besteht, in dem die Madonna mit dem Christuskind dargestellt ist und ihre Rolle als
himmlische Fürsprecherin für die Verstorbene verdeutlicht. Der Tondo erscheint fast
wie ein eigenständiges Motiv, denn die Verbindung zum Grabmal ist nahezu vollständig
aufgebrochen, allein die Cherubim und Engel bilden eine optische Verschränkung mit
den darunter liegenden Ebenen, während der architektonische Rahmen der Nische das
gesamte Monument umfasst. Dieses wird, wie die anderen Kapellenwände auch, von
zwei mächtigen korinthisierten Halbpilastern gerahmt, die den Rundbogen tragen, der
zugleich die Nische in der Kapellenwand definiert. Dieser Rundbogen ist von einem
weit aufgespannten und an den Seiten drapierten Vorhang akzentuiert, der trotz seines
marmornen Materials äußerst realistisch wiedergegeben ist und nur noch in seiner
Motivwahl an den alten lokalen Grabmalstypus erinnert.
In den Bogenzwickeln wurden zudem Reste von Malerei freigelegt. Während in der
Florentiner Kapelle an dieser Stelle weitere Engel sowie Heilige mit Spruchbändern
706
Dazu im Kontext des erst Jahrzehnte später aufkommenden Motivs des Demigisants siehe Kap.V.3.
Diese „lockere Anordnung der Figuren im Gegensatz zu seinem Vorbild in San Miniato“ wurde in der
älteren Forschung „abschätzig beurteilt“, wie Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 383, kritisiert.
708
Auf diesen verweisen ebd., S. 390; Thoenes, Neapel, 1971, S. 46.
707
166
Grit Heidemann-Schirmer
dargestellt sind, so ist in der Cappella Piccolomini das Wappen des neuen, mit dem
Königshaus verwandten Adelsgeschlechts prominent in Szene gesetzt.
Das Kardinalsgrabmal in Florenz wird als nahezu direktes Zitat am Grabmal für Maria
von Aragon aufgegriffen, um offenbar die gemeinsame königliche Herkunft beider
Verstorbenen visuell zu unterstreichen. Das signifikanteste Unterscheidungsmerkmal
beider Kapellen bildet jedoch die gegenüber aufgestellte Thronbank, die eine formale
Umwandlung in der Neapler Kapelle erfahren hat.
Der Sediale für Antonio Piccolomini (1480er)
Der Sediale (Abb. 64) wurde in der Rundbogennische der rechten Kapellenwand, also
der den Männern vorbehaltenen Epistelseite, aufgestellt, wo er vom Kirchenlanghaus
gut sichtbar ist. Insofern wurde die Aufstellung im Kapelleninnern gegenüber dem
Florentiner Vorbild aufgrund der liturgischen Zuordnung der Altarseiten vertauscht.
Auch hinsichtlich der Formgebung sind deutliche Unterschiede zu erkennen, handelt es
sich doch im Original um eine Thronbank (Abb. 65). Der symbolisch stark aufgeladene
sogenannte „leere“ Thron des portugiesischen Kardinals wäre nicht mit dem sozialen
Status und demzufolge Repräsentationsbedürfnis des Sieneser Adligen vereinbar
gewesen, weshalb auf dieses Motiv in Neapel verzichtet wurde.709 Die seitlichen Bänke
des Thrones jedoch konnten auch im Sinne der üblichen liturgischen Praxis der
Memoria übernommen werden.
Aus diesem Formfindungsprozess entstand der Sediale, der in Neapel zum Ende des
15. Jahrhunderts ein überaus beliebtes Ausstattungsstück in vielen Grabkapellen
wurde.710 Sicherlich wurden schon früher Sitzbänke als liturgisches Mobiliar in
709
Schon in der frühchristlichen Kunst findet sich das Motiv des leeren Throns, der von den Hll. Peter
und Paul präsentiert wird. Vgl. Koch, The Early Christian Revival, 1996, bes. S. 536-538. Linda Koch hat
in ihrem Paper auf der 57. Jahrestagung der Renaissance Society of America (24.-26. März 2011,
Montreal, Kanada) die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten des leeren Thrones erörtert, die vom
Bischofsthron, ausgehend vom ersten Bischof der Christenheit, dem Papst in Rom, zum Davidthron
reichen und die Abwesenheit des Verstorbenen symbolisieren sollen. Vor allem aber scheint das Motiv
auf die Figur der Justitia zu verweisen, die ein fester Bestandteil der Florentiner Kunst war und dem
Selbstverständnis des Kardinals gedient haben dürfte. In der Diskussionsrunde kam die Frage auf, ob der
Thron nicht auch sinnbildlich für das Jüngste Gericht steht und der Weltenrichter darauf Platz nehmen
würde. Doch auch hier erscheint Justitia plausibel. Koch will ihre Ausführungen demnächst publizieren.
710
Dazu vor allem Michalsky, Seggi und Sediali, 2005. Sie interpretiert die Sediali als über die liturgische
Funktion hinausreichende Zeichensetzungen des Seggio-Adels, der diese Bänke im Sinne des kollektiven
Selbstverständnisses eingesetzt habe. Nach einer eingehenden Analyse der Seggi-Zugehörigkeiten der
betreffenden Auftraggeber bzw. Kommemorierten ist diese Hypothese jedoch nicht haltbar. Auf dieses
Problem verweist auch Vitale, Ritualità monarchica, 2006, S. 138.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
167
Kapellen genutzt, die jedoch aufgrund ihres hölzernen Materials die Zeiten nicht
überdauert haben.711 Demgegenüber diente die marmorne Rückwand mit den Wappen,
Emblemen und der Inschrift, in welcher der Auftraggeber sowie die Stiftung selbst
thematisiert sind, zur materiellen und damit dauerhaften Bestätigung des Patronatrechts,
das einen festen Bestandteil der adligen Vererbungsgüter bildete.712 Dieses Sitzelement
entstand zeitnah zum schon besprochenen Grabmal für Diomede Carafa in San
Domenico Maggiore (Abb. 54), doch ist es dort in das Monument eingefügt und stellt
demzufolge noch kein eigenständiges Werk dar.
Der Sediale für Antonio Piccolimini war demnach ein völlig neuartiger Monumenttypus
in der neapolitanischen Sepulkralkunst des 15. Jahrhunderts,713 der durch den Einsatz
von Buntmarmor sowie opus sectile zusätzlich ästhetisch aufgewertet war. Er setzt sich
aus drei Teilen zusammen:
1. dem Sockel in Form einer Stufe,
2. der eigentlichen Sitzbank, die auch in anderen Grablegekontexten geläufig war und
dementsprechend auch seitlich am Thron in der Kardinalskapelle auftritt,714 und
3. die auch als „spalliera“715 bezeichnete hohe Rückwand.
Während bei dem Florentiner Vorbild diese Rückwand farblich in fünf Abschnitte
unterteilt ist und allein der Thron in der Mitte durch kleine korinthisierte Pilaster
akzentuiert wird, so ist die Rückwand des neapolitanischen Sediale durchgängig mit
Halbpilastern in drei Felder unterteilt, die in der Mitte das Familienemblem
präsentieren. Die Pilaster tragen das fein gearbeitete Gebälk, auf dessen Architrav
einstmals die Inschrift angebracht war, von der heute nur noch die Buchstaben „[…] IN
A […]“ erhalten sind. Über dem Sediale ist um das Okulusfenster herum ein Fresko
arrangiert, dessen erhaltene Reste die Protagonisten der „Verkündigung“ erkennen
lassen und insofern das gleiche Motiv wiedergeben wie in der Kardinalskapelle in
711
Dazu Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 180, Anm. 10. Allgemein zu Sitzbänken im Italien der
Renaissance siehe Thornton, The Italian, 1991, bes. S. 171-173.
712
Dazu auch Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 179.
713
Ebd., S. 191, spricht hierbei von dem „Prototyp“.
714
Zu den steinernen Sitzbänken im frühneuzeitlichen Florenz, die den sozialen Praktiken im urbanen
Raum zu genügen hatten, siehe Elet, Seats of power, 2002. Als ein weiterer Vergleich sind die steinernen
Sitzbänke in der römischen Cappella della Rovere in Santa Maria del Popolo zu nennen, die nahezu
zeitgleich mit dem neapolitanischen Sediale entstanden sind. Sie weisen jedoch nicht die fein gearbeitete
Rückwand auf, sondern sind der Kapellenwand und dem später entstandenen Grabmal für Cristoforo della
Rovere vorgelagert.
715
Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 175.
168
Grit Heidemann-Schirmer
Florenz.716 Zudem erscheint erneut das Familienwappen der Piccolomini von Aragon in
den Bogenzwickeln der Wandnische.
Der Kapellenaltar
Die gegenübergestellte Anordnung von Grabmal und Sediale wird durch den Altar
(Abb. 66) in der Rundbogennische der verbleibenden Wand komplettiert. Dieser ist
direkt auf den eintretenden Besucher ausgerichtet und markiert das liturgische Zentrum
der Cappella Piccolomini. Dementsprechend ist hier der Weihetitel der Kapelle bildlich
umgesetzt. Über einem relativ schlicht gestalteten Altarblock und der Mensa ist das
Retabel aufgesetzt. Während es sich in der Florentiner Kardinalskapelle um ein
Tafelbild handelt, das den Namenspatron des Stifters Jakobus zwischen dem
Hl. Vincentius und dem Kirchenpatron Eustachius großformatig präsentiert, so ist in der
Cappella Piccolomini der Altar, wie die anderen Ausstattungselemente, gänzlich aus
Marmor gefertigt. Dabei greift das Retabel die dreiteilige Gliederung der Rückwand des
Sediale auf, wobei hier jedoch dem Mittelfeld weitaus mehr Platz eingeräumt wird.
In diesem Mittelfeld ist das Kapellenpatronat der „Geburt Christi“ in sehr fein
gearbeitetem Relief bildlich umgesetzt, das schon von den Zeitgenossen aufgrund seiner
besonderen Qualität gerühmt wurde und an Donatellos schiacciato-Technik erinnert.717
In den seitlichen schmaleren Feldern schließen sich die Hll. Jakobus und Johannes
Evangelista unterhalb der Büsten zweier Propheten an, die sich optisch von dem dunkel
gefertigten Marmor des Hintergrundes deutlich absetzen.718 Auf dem fein gearbeiteten
Gesims sind vier Putten aufgestellt, die dem Okulusfenster in der Mitte Platz
einräumen, dabei eine Fruchtgirlande halten und insofern eine zusätzliche motivische
Abweichung gegenüber dem Florentiner Vorbild darstellen.
716
Das Fresko in der Cappella Piccolomini soll laut Thoenes, Neapel, 1971, S. 46, von „einem
Nachahmer des Piero della Francesca“ gemalt worden sein. So auch Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44.
717
Es wird in allen Guiden erwähnt. Darauf verweist Venditti, La fabbrica, 1999, S. 44. So auch bei De
Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57r. Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, rühmt es zudem als das „eigentliche
Glanzstück“ der Kapelle und verweist auf dessen einzigartige Umsetzung des Bildthemas, indem „nie
zuvor […] die Skulptur in so engen Wettbewerb mit der Malerei getreten [war]“. Zu Donatellos
berühmter Relieftechnik des rilievo schiacciato siehe zuletzt Kanz, Linien, 2010. Außerdem im Kontext
des Grabmals für Rinaldo Brancaccio siehe noch einmal Kap. IV.1.2.
718
Auf diese verweist u.a. Hersey, Alfonso II, 1969, S. 114. Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, folgt dagegen
älteren Interpretationen, die in den Seitenfiguren die vier Evangelisten zu erkennen glauben.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
169
Der Kapellenaltar wurde nachweislich von Antonio Rossellino in seiner Florentiner
Werkstatt zwischen 1471 und 1474 angefertigt und drei Jahre später nach Neapel
gebracht.719 Im Gegensatz zum Altar in der Kardinalskapelle komplettiert er die
gänzlich marmorne Ausstattung der Cappella Piccolomini, die sich demzufolge auch
ästhetisch von dem Florentiner Vorbild emanzipiert.720 Schließlich begegnet erneut das
Familienwappen in den Bogenzwickeln, das unmissverständlich deutlich macht, wer der
Auftraggeber dieser in Neapel so völlig neuartigen Kapelle war.
Antonio Piccolomini wählte bezeichnenderweise nicht die Grablege seiner Familie in
Siena als formales Vorbild für seine Kapellenstiftung,721 sondern ihm erschien
offensichtlich die kurz zuvor errichtete Kapelle des Jakobus von Portugal als geeignete
Vorlage, um seiner verstorbenen Ehefrau Maria von Aragon eine angemessene
Grabstätte zu errichten und insofern seine sozial privilegierte Stellung als Anverwandter
des aragonesischen Königshauses in Neapel zu inszenieren. Er selbst starb am
11. Januar 1492 im kalabrischen Capistrano, wo er auch bestattet wurde.722
Für den vorliegenden Kontext von besonderer Bedeutung ist die Auswirkung der
Cappella Piccolomini auf die Grablegepraxis der Folgezeit in Neapel. In demselben
Kirchenraum von Santa Maria di Monteoliveto finden sich weitere zeitgenössische
Beispiele, die in ihrer reziproken Umsetzung nun genauer vorgestellt werden.
V.2.1. Die Cappella Correale
Die um 1490 im rechten Seitenschiff von Santa Maria di Monteoliveto ebenfalls neu
errichtete Cappella Correale (Abb. 67) rezipiert nahezu analog sowohl die Architektur
als auch die Anordnung von Grabmal, Sediale und Altar der Cappella Piccolomini.723
719
Siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 381 u. 384f. Thoenes, Neapel, 1971, S. 45, „zählt [den
Altar] zu den besten Werken des Florentiner Bildhauers Antonio Rossellino […].“
720
Dazu auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 114.
721
Zur Kirche S. Francesco in Siena, die Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II. und Onkel
von Antonio, zum Mausoleum umbauen ließ, siehe Alessi, Le opere, 2005, bes. S. 284. Zur
Verwandtschaft der beiden siehe De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57. Zur Familienkapelle der
Piccolomini im Dom von Siena außerdem Caglioti, La Cappella, 2005, S. 386-481.
722
Puglia, 2005, S. 49, liefert nur das Todesdatum, vermerkt allerdings, dass Antonios zweite Frau Maria
im Dom von Amalfi bestattet wurde. Allein De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 57v, und Ammirato,
Delle famiglie (II), 1651, S. 271, geben an, dass Antonio Piccolomini im kalabrischen Capistrano starb
und dort bestattet wurde. Die dortigen Gegebenheiten eines möglichen Grabmals konnten allerdings nicht
abschließend geklärt werden.
723
Zur Cappella Correale, die demnach auch als Pendant zur Cappella Piccolomini argumentiert wird,
siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, bes. 393-418; Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, bes. S. 177180; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 45-49; Pepe, Le tre cappelle, 1998, bes. S. 103-105; Hersey, Alfonso
170
Grit Heidemann-Schirmer
Sie transferiert damit eine gewisse Stiluniformität desselben ausführenden Künstlers
Benedetto da Majano,724 den Correale wohl deshalb beauftragte, um eine formale wie
stilistische Ähnlichkeit beider Kapellen zu gewährleisten. Dadurch kann die Cappella
Correale als bewusste Zeichensetzung ihres Auftraggebers verstanden werden, der seine
privilegierte soziale Position im Netzwerk des aragonesischen Hofes vergleichbar mit
jener von Antonio Piccolomini verstanden wissen wollte.
Marino Correale kam aus Sorrent nach Neapel, nachdem sein Bruder Gabriele, ein
Zögling und Liebling König Alfons I.’ von Aragon, mit 19 Jahren verfrüht gestorben
war.725 Marino übernahm daraufhin Gabrieles Ländereien und verfolgte am Hof eine
aussichtsreiche Karriere. Er wurde zum Berater und Großkämmerer des aragonesischen
Königs ernannt, in den 1450er Jahren folgten weitere Ämter in den Provinzen des
süditalienischen Reiches. Bevor der König 1458 starb, übergab er Marino die Grafschaft
Terranova, wodurch dieser in den Titeladel aufstieg. Auch dem Thronfolger Ferrante
treu ergeben, wurde Marino 1463 zum Gouverneur von Sarno und zum Haushofmeister
der Königin Johanna von Aragon ernannt.
Nach der Baronenverschwörung und dem Prozess gegen den Mitbeteiligten Antonello
Petrucci im Jahre 1486 übertrug Ferrante dessen konfiszierten Familienpalast an
Marino,
was
seine
besondere
Stellung
am
aragonesischen
Hof
und
das
Vertrauensverhältnis zum König verdeutlicht.726 Bezeichnenderweise befand sich der
Palazzo Petrucci im Seggio di Nido. Aufgrund dieses Immobilienerwerbs wurde Marino
Correale, wie schon Antonio Piccolomini wenige Jahre zuvor, in diesen höheren Seggio
aufgenommen.727 Als er 1499 starb, war seine Familienkapelle in Santa Maria di
Monteoliveto längst vollendet.728
II, 1969, S. 115-118. De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 60r, gibt als Datum der Kapellenerrichtung
allerdings das Jahr 1495 an.
724
Benedetto da Majano werden der Sarkophag und der Kapellenaltar zugeschrieben. Laut Caglioti,
Benedetto da Majano, 2002, S. 118, wurde hingegen der Sediale von einer neapolitanischen Werkstatt
angefertigt.
725
Zu Marino Correale siehe vor allem Petrucci, Correale, 1983. Die Schlüsselrolle seines Bruders
Gabriele wird schon in den Schriftquellen hervorgehoben. Vgl. u.a. De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689,
f. 59v; Summonte, Dell’ Historia (IV), S. 51 u. 190. Zu Gabriele Correale siehe auch Ryder, The
Kingdom of Naples, 1976, S. 71.
726
Auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116, verweist darauf und gibt als historischen Beleg einen Auszug
aus dem Brief der Königin Johanna an Lorenzo de’ Medici an, in dem diese Marino Correale als
„principale homo de nostra casa“ bezeichnet. Zur Baronenverschwörung und dem Prozess gegen Petrucci
siehe noch einmal Kap. II.4.
727
Hierbei handelt es sich um zwei konkrete Beispiele des Titel- und Immobilienerwerbs auswärtiger
Adliger, die in die neapolitanischen Adelskorporationen drängten und insbesondere den höheren Seggi
mit ihren exklusiven Aufnahmeregeln Probleme bereiteten, wodurch es um 1500 schließlich zu den schon
in Kap. II.1.1. und II.3. genannten Neuregelungen und Einschränkungen gegenüber den Titeladligen kam.
728
Das Todesdatum geben Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 118; Petrucci, Correale, 1983, S. 421.
Carl, New documents, 1996, S. 417, nennt allerdings das Jahr 1501. In der Forschung wurde teilweise das
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
171
Die Architektur der Cappella Correale folgt weitestgehend dem Vorbild der Cappella
Piccolomini
und
unterstreicht
somit
visuell
das
Gruppenbewusstsein
beider
Auftraggeber.729 Demgegenüber lassen sich in der Ausstattung einige Unterschiede
erkennen, die dem Selbstverständnis des Einzelnen entsprachen und nun genauer
erörtert werden.
Der Sarkophag für Gabriele Correale (um 1490)
Das einzig vorhandene Grabmal (Abb. 68) der Cappella Correale wurde in der
Rundbogennische der linken Kapellenwand auf einem flachen Podest aufgestellt,
wodurch es jener Anordnung in der Cappella Piccolomini folgt. Im Gegensatz zum
monumentalen Wandgrabmal für Maria von Aragon handelt es sich hier um einen
marmornen Wannensarkophag mit gewölbtem Deckel, der all’antica gefertigt ist.730 Er
wird von fein gearbeiteten Löwenfüßen getragen, die apotropäische Löwenköpfe als
Vorsprünge aufweisen. Auf der Sarkophagfrontseite sind zwei fliegende Eroten im
Halbrelief dargestellt, die in der Mitte eine tabula ansata mit folgendem Wortlaut
präsentieren:
„QVI FVIT ALFO[N]SI QVO[N]DAM/ PARS MAXIMA REGIS/
MARINVS HAC MODICA/ NVNC TVMVLAT[VR] HVMO.“731
Die Inschrift rühmt Marino zwar als wichtige Persönlichkeit an der Seite von König
Alfons, täuscht allerdings über den Umstand hinweg, dass das Grabmal eigentlich
einem anderen Familienmitglied vorbehalten war.732 Schon De Lellis und Summonte
verweisen auf ein Epitaph, das bei Antonio Beccadelli, gen. Il Panormita, 1455 erstmals
genannt wird und persönlich von König Alfons I. von Aragon für seinen frühzeitig
verstorbenen Zögling Gabriele Correale mit folgendem Wortlaut beauftragt worden
am Sediale aufgeführte Datum 1490 mit dem Todesjahr des Kapellenstifters gleichgesetzt, doch handelt
es sich dabei, wie schon in der Cappella Piccolomini, um das Auftragsdatum der Stiftung.
729
Zu den wenigen Unterschieden in einigen Details der Kapellenarchitektur siehe u.a. Hersey,
Alfonso II, 1969, S. 116. Außerdem im Vergleich siehe Pepe, Le tre cappelle, 1998.
730
Siehe dazu Koch, Sarkophage, 1993, bes. S. 23, der auch auf die Kenntnis der antiken Sarkophage im
Italien des 15. Jahrhunderts hinweist. Vgl. ebd., S. 6.
731
Folgendermaßen zu übersetzen: „Marinus, der eine bedeutende Persönlichkeit unter König Alfons
gewesen ist, liegt nun bescheiden unter der Erde begraben.“
732
Dazu vor allem Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 27 und Caglioti,
Benedetto da Majano, 2002, S. 118f.
172
Grit Heidemann-Schirmer
war: „Qui fuit Alfonsi quondam pars maxima regis/ Gabriel [sic!] hac modica nunc
tumulatur humo“.733
Die Parallele zur heute sichtbaren Inschrifttafel am Sarkophag ist mehr als
offensichtlich. Während die bisherige Forschung davon ausgegangen ist, dass es sich
bei dem Sarkophag um das Grabmal für den Kapellenstifter Marino Correale handelt,734
so hat Caglioti deutlich gemacht, dass hier eine Verwechslung vorliegt, die übrigens
auch schon von De Lellis angemerkt wurde.735 Demnach hatte Marino Correale zwei
Altarretabel und zwei Grabmäler bei Benedetto da Majano zeitgleich in Auftrag
gegeben.736 Je ein Retabel und ein Grabmal waren für die Familienkapelle in Neapel
bestimmt, die anderen beiden Pendants dagegen für die ebenfalls um 1490 gestiftete
Grabkapelle in der Kirche Santa Caterina d’Alessandria in Correales kalabrischem
Herzogtum Terranova.737
Caglioti klärt weiterhin, dass Marino 1499 nicht in Neapel, sondern in Terranova
gestorben war und in der dortigen Kapelle bestattet wurde.738 Man kann also davon
ausgehen, dass in Santa Maria di Monteoliveto, noch vor dem Tod von König Alfons I.
(†1458), Gabriele Correale bestattet und ein Epitaph für ihn mit oben zitiertem Wortlaut
gefertigt wurde. Einige Jahrzehnte später ließ Marino Correale seinen Bruder in die neu
gestiftete Familienkapelle translozieren und ihm dort ein neues Grabmal errichten,739
eben jenen Sarkophag, dessen Inschrifttafel das ursprüngliche Epitaph aufgreift,
während der dort angegebene Name zu einer unbestimmten Zeit mit dem des
Kapellenstifters ausgetauscht wurde.740
733
Diese Inschrift liefert Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 129, Anm. 14. Dazu auch Summonte,
Dell’ Historia (IV), Buch 6, Kap. 1, S. 51; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 59v.
734
Siehe u.a. Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 415; Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 178f.;
Venditti, La fabbrica, 1999, S. 45.
735
Vgl. Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 27, und ders., Benedetto da
Majano, 2002, bes. S. 118f. Schon De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 59v, spricht von einem
Ablesefehler: „[…] in questo epitaffio vi è errore nel nome, volendo invece di Marinus di Gabriel […].“
Siehe auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116, Anm. 32. Noch bei De Stefano, Descrittione, 1560, f. 97r,
und bei D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 505, wird „Marinus“ in der Inschrift genannt.
736
Zu Benedetto da Majano und Marino Correale als seinen „bedeutendste[n] Auftraggeber“ siehe auch
Carl, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 393, die allerdings nicht auf die verschiedenen
Bestimmungsorte eingeht.
737
Dazu vor allem Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006.
738
Vgl. ebd., S. 27.
739
Der Bestattungsort für Gabriele kann demzufolge unter der kleinen marmornen Grabplatte vermutet
werden, die sich inmitten des Kapellenfußbodens befindet und das Familienwappen der Correale
präsentiert. Auf eine Bestattung unter der Erde wird auch in der Inschrifttafel des Sarkophags verwiesen.
740
Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116, Anm. 32, geht davon aus, dass es sich bei der Inschrifttafel am
Sarkophag um eine „variant of one composed by Alfonso I for Gabriele“ handelt. Wenn es sich jedoch
wirklich um den Sarkophag für Marino handeln würde, dann würde man nicht die Nennung von Alfons,
sondern von Ferrante als Marinos Förderer erwarten.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
173
Marino Correale bestimmte demnach seine neapolitanische Familienkapelle in der vom
aragonesischen Königshof favorisierten Kirche als Grabstätte für seinen Bruder
Gabriele, in dessen Nachfolge er sich am Hof verstand. Der Sarkophag ist dabei als ein
für Neapel einzigartiger Grabtypus einzustufen,741 der formal betrachtet augenscheinlich
den wenige Jahre zuvor aus schwarzem Marmor gefertigten Sarkophag für Filippo
Strozzi in der Florentiner Kirche Santa Maria Novella zitiert und demzufolge erneut die
sozialen Netzwerkstrukturen bedeutender Protagonisten des aragonesischen Königshofs
und aus Florenz medial transferiert.742 Insofern handelt es sich um eine
Repräsentationsstrategie, die schon bei Antonio Piccolomini an dem von ihm
beauftragten Grabmal für seine Frau Maria ersichtlich geworden ist: Das Grabmal
wurde – sowohl in der Cappella Piccolomini als auch in der Cappella Correale – für ein
Familienmitglied beauftragt, dem der Kapellenstifter seine Karriere in Neapel
verdankte. Demgegenüber ließen sich die beiden in den Titeladel aufgestiegenen und
am aragonesischen Königshof erfolgreichen auswärtigen Adligen in den feudalen
Provinzen bestatten, um ihren dortigen Machtanspruch zu legitimieren.
In ihren neapolitanischen Familienkapellen avancierte dagegen ein anderer, neuartiger
Monumenttypus zum formidablen Repräsentationsmedium beider Kapellenstifter.
Der Sediale für Marino Correale (um 1490)
Analog zur Cappella Piccolomini wurde in der Cappella Correale der marmorne Sediale
(Abb. 69) gegenüber dem Grabmal in die Rundbogennische der Epistelseite eingefügt.
Auch hier ist er dem Kapellenstifter zu Selbstinszenierungszwecken vorbehalten und
setzt sich, wie sein formales Vorbild im linken Seitenschiff, aus den drei Teilen Sockel,
Sitzbank und spalliera zusammen. Die hohe Rückwand ist wiederum durch kleine
Halbpilaster in drei Felder unterteilt, die allerdings nicht mit Buntmarmor verziert sind,
741
Es lassen sich für das 15. Jahrhundert keine vergleichbaren Grabmäler in Neapel nachweisen.
Zu Filippo Strozzi (1428-1491), der enge Kontakte zum aragonesischen Königshof pflegte, sogar
einen seiner Söhne nach Alfons von Aragon benannte, ein wichtiger Auftraggeber von Benedetto da
Majano war und sich mehrere Jahre in Neapel aufhielt, siehe Pane, La Tavola Strozzi, 2009; Gregory,
The Return, 1985; Borsook, Documents (I), 1970. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Filippo Strozzi auch
beide Correale-Brüder kennengelernt hatte und Marino sich bewusst für dessen Grabmal als formale
Vorlage für Gabrieles Sarkophag entschied, um die mit diesem einflussreichen Florentiner unterhaltenen
Beziehungen visuell zu bekräftigen. Zum Grabmal für Filippo Strozzi, das über dem Sarkophag in der
niedrigen Rundbogennische auch Elemente des neapolitanischen Grabmals für Maria von Aragon –
beziehungsweise, um in Florenz zu bleiben, desjenigen für Kardinal Jakobus von Portugal – aufgreift und
ca. 1487/88 von Benedetto da Majano gefertigt wurde, siehe u.a. Carl, Benedetto da Majano, 2006,
S. 367-380; Borsook, Documents (I), 1970, bes. S. 742.
742
174
Grit Heidemann-Schirmer
sondern im Halbrelief das Familienwappen der Correale in der Mitte sowie links und
rechts die auch schon am Kapelleneingang gezeigten Impresen – Astrolabium und zwei
sich kreuzende Flügel – präsentieren.743 Darüber folgt das ebenfalls nach antikem
Muster gearbeitete Gebälk, auf dessen Architrav folgende Inschrift angebracht ist:
„MARINVS CVRIALIS SVRRENTINVS TERRENOV[A]E COMES. VIR
BELLO AC PACE FERDINANDO REGI FIDVS/ ALFONSO ETIAM
REGI MAXIME CARVS. CAPPELLAM HANC SIBI POSTERISQ[VE]
SVIS FECIT AN[NO] D[OMINI] MCCCCLXXXX.“744
Die Inschrift belegt zum einen die Sorrentiner Herkunft von Marino Correale und
verweist auf seine soziale Stellung als Titeladliger am Hof der Aragonesen, wobei die
Bedeutung seines königlichen Förderers Ferrante sowie die Bezugnahme auf den
Förderer seines verstorbenen Bruders Gabriele, König Alfons I. von Aragon, besonders
hervorgehoben wird.745 Dadurch werden die Erinnerungsmonumente Sarkophag und
Sediale für beide Correale-Brüder zusätzlich miteinander verschränkt.
Zum anderen gibt die Inschrift ganz deutlich die über die liturgischen Bedürfnisse
hinausreichende Funktion der Sitzbank wieder, nämlich das Kapellenpatronat „für sich
und seine Nachkommen“ visuell auf Dauer zu sichern.746 An der verbleibenden Wand
befindet sich der Altar, der die marmorne Ausstattung des Kapellenraums
komplettiert.747
Der Kapellenaltar
Der auf 1489 datierte Altar (Abb. 70) der Cappella Correale folgt nicht nur in seiner
Anbringung in einer Rundbogennische, die direkt auf den eintretenden Betrachter
743
Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 179, Anm. 7, interpretiert die Impresen als „Himmelsglobus
sowie geflügelte Wolken, aus denen Regentropfen fallen.“ Zur oben genannten Interpretation siehe Carl,
Benedetto da Majano, 2006, S. 415, Anm. 169.
744
Folgendermaßen zu übersetzen: „Marino Correale aus Sorrent, Graf von Terranova, treuer
Gefolgsmann von König Ferdinand im Krieg und im Frieden, außerdem hoch geachtet von König Alfons,
hat diese Kapelle für sich und seine Nachkommen errichtet, im Jahr des Herrn 1490.“
745
Es handelt sich demnach nicht um König Alfons II. von Aragon, wie Carl, Benedetto da Majano,
2006, S. 415, und Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 179, annehmen, da dieser im Jahr 1490 noch als
„Duca di Calabria“ fungierte und erst fünf Jahre später die Thronfolge übernahm. So auch Caglioti,
Benedetto da Majano, 2002, S. 118.
746
Mit Verweis auf dieselbe Inschrift am Kapelleneingang siehe Michalsky, Seggi und Sediali, 2005,
S. 179f.
747
Zu den „drei Elemente[n] Sarkophag, Altar und Bank [die] passgenau in die aufwendige
Kapellenarchitektur eingefügt [sind]“, siehe ebd., S. 178.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
175
ausgerichtet ist, dem Vorbild der Cappella Piccolomini.748 Auch im Aufbau verweist er
auf das Vorbild und unterstreicht damit die bewusste Bezugnahme der CorrealeKapelle. Nur in wenigen Details lassen sich einige Unterschiede festmachen, die
insbesondere
dem
Bildprogramm
geschuldet
sind,
welches
den
jeweiligen
Kapellweihetitel thematisiert. Während am Altar in der Piccolomini-Kapelle das
Patronat der „Geburt Christi“ im mittleren Feld veranschaulicht wird, so ist am
Correale-Retabel die Darstellung der „Verkündigung“ aufwendig in Szene gesetzt.749 In
ihrer bildhauerischen Ausführung handelt es sich um die von Benedetto da Majano
übernommene Relieftechnik des schiacciato,750 durch die der Erzengel Gabriel in seiner
vitalen Haltung und Plastizität besonders ins Auge fällt und zugleich Assoziationen mit
dem gleichnamigen, hier bestatteten Bruder des Kapellenstifters hervorruft.
In den schmaleren Seitenfeldern schließen sich links Johannes der Täufer und rechts
Johannes Evangelista unterhalb der Büsten zweier Sibyllen an, die sich auch hier, wie
schon am Piccolomini-Altar, optisch von dem dunkel gefärbten Hintergrund abheben.751
Auf dem darüber befindlichen Gesims sind nur zwei Girlanden tragende Putten erhalten,
man kann aber auch hier das Vorbild zur Rekonstruktion heranziehen und von
ursprünglich vier Figuren ausgehen.752
Demgegenüber zeigt die Predella statt eines Girlandenfrieses sieben fein gearbeitete
Reliefs mit Szenen aus dem Leben Christi und Marias. Von links nach rechts sind dies:
die „Geburt Christi“, die „Anbetung der Könige“, die „Auferstehung Christi“, die
„Grablegung Christi“, die „Himmelfahrt Christi“, die „Ausschüttung des Hl. Geistes“
und der „Tod der Jungfrau“.753 Dass sich der Erzengel Gabriel in der
Verkündigungsszene direkt über das Predella-Relief der „Grablegung“ neigt, ist in
subtiler Weise erneut eine Anspielung auf den in dieser Kapelle bestatteten Gabriele
748
Zum Altar siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006, bes. S. 393-418; Caglioti, Benedetto da Majano,
2002; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 47; Hersey, Alfonso II, 1969, S. 116f.; Leppien, Die neapolitanische
Skulptur, 1962, S. 54f. Zudem Caglioti/Hoyte/Speranza, Benedetto da Majano, 2006, die auch das zweite
Retabel für die Kapelle in Terranova thematisieren.
749
Laut Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 399, handelt es sich bei der „Verkündigung“ um eine
„Darstellung [die] der Geburt Christ ebenbürtig [war].“
750
Zum rilievo schiacciato, das Benedetto da Majano nach dem Vorbild Donatellos anwandte, siehe
zuletzt Kanz, Linien, 2010, bes. S. 107.
751
Zur Identifizierung dieser weiblichen Büsten als Sibyllen siehe Carl, Benedetto da Majano, 2006,
S. 410; Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, S. 117. Venditti, La fabbrica, 1999, S. 47, interpretiert sie
dagegen als die Heiligen Katharina und Agnese.
752
Darauf verweisen Caglioti, Benedetto da Majano, 2002, bes. S. 120; Hersey, Alfonso II, 1969, S. 117.
753
Laut Hersey, Alfonso II, 1969, S. 117, sind die Szenen nicht chronologisch angeordnet, sondern
thematisch, sodass die Szene der „Grablegung“ sich in der Mitte und damit direkt unterhalb der beiden
Protagonisten der Verkündigungsszene befindet. Dazu auch Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 402f. u.
404.
176
Grit Heidemann-Schirmer
Correale, dessen Grabplatte sich bezeichnenderweise in derselben Achse zu Füßen des
Altars befindet.754
Marino Correale hat in den einzelnen Ausstattungselementen seiner neapolitanischen
Familienkapelle offensichtlich Bezug genommen auf seinen frühzeitig verstorbenen
Bruder Gabriele, dem er seine Karriere am aragonesischen Königshof verdankte.755 In
der Kapellengestalt und der Form der Monumente – mit Ausnahme des seinem Bruder
vorbehaltenen Sarkophags – werden jedoch deutliche Verweise auf die von Antonio
Piccolomini gestiftete Kapelle evident, mit dem sich Marino offenbar sozial
gleichstellen oder diesem zumindest nacheifern wollte und durch dieses Bedürfnis nach
sozialer Anerkennung innerhalb des Netzwerkes des aragonesischen Hofes auf die
Strategie der formalen Angleichung zurückgriff. Wenig anders verhielt es sich in der
nun zu besprechenden Kapelle.
V.2.2. Die Cappella d’Alessandro
Die erste Kapelle, die im rechten Querarm von Santa Maria di Monteoliveto (Abb. 58)
zugänglich ist, unterstand einst dem Patronat der Familie d’Alessandro.756 Sie fungiert
als ein Durchgangsraum zur anschließenden Cappella Origlia und dem dazu gehörenden
Altarraum, in dem Mazzonis Terrakotta-Gruppe der „Beweinung Christi“ (Abb. 59)
aufgestellt ist.757 Laut der noch zu besprechenden Inschrift auf dem Sediale wurde die
Kapelle von Antonio d’Alessandro 1491 gestiftet, also nahezu zeitgleich zur Cappella
Correale.
Im
Gegensatz
zum
Sorrentiner
Adligen
war
Antonio
d’Alessandro
zwar
neapolitanischer, jedoch bürgerlicher Herkunft und er wurde erst 1460 als Neuadliger in
den niederen Seggio di Porto aufgenommen.758 Als ausgebildeter Jurist avancierte er
wie Correale zu einem angesehenen Vertrauten am aragonesischen Hof. So wurde er
754
Siehe noch einmal Abb. 67.
Siehe der Sarkophag, die Inschrift am Sediale und die Figur des himmlischen Namenspatrons am
Altar.
756
Die Kapelle wurde in Ermangelung von Erben laut der Inschrift der Bodenplatte 1533 von Antonino
Fiodo übernommen. Zur Cappella d’Alessandro siehe u.a. Venditti, La fabbrica, 1999, S. 67f.; De Lellis,
Aggiunta (IV), vor 1689, f. 61v-62r.
757
Zu dieser Figurengruppe mit historischen Exempla aus dem aragonesischen Königshaus siehe noch
einmal Kap.V.1.2.
758
Die Familie d’Alessandro bestand ursprünglich aus Kaufleuten, schrieb sich aber 1460 in den niederen
Seggio di Porto ein. Dazu siehe De Frede, Schede, 1997, S. 121. Zu Antonio d’Alessandro siehe ebd.,
S. 121-124; Petrucci, D’Alessandro, 1985; Volpicella, Regis, 1861, S. 59f.; Giustiniani, Memorie (I),
1787, S. 38-44; De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 61v; Terminio, Apologia, 1633, S. 100f.
755
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
177
1447 zum königlichen Berater von Alfons ernannt – ein Amt, das er auch unter den
Thronfolgern weiterführte. Darüber hinaus fungierte er als Diplomat und Gesandter des
Königshauses sowie als Richter, Protonotar und ab 1480 schließlich als Präsident des
Heiligen Königlichen Rates. Sein besonderes Vertrauensverhältnis zur Krone spiegelt
sich auch darin wider, dass er 1495 als einer der Zeugen des Testaments von König
Alfons II. ernannt wurde. Er hinterließ viele juristische Schriften und wurde
dahingehend von dem Hofhumanisten Giovanni Pontano gewürdigt.759 Die größte Ehre
wurde ihm in Spanien zuteil, wo er als Gesandter weilte und für seine Bemühungen den
Kannenorden verliehen bekam.760 Als Antonio d’Alessandro am 27. Oktober 1499
starb, wurde er
in seiner Familienkapelle „con de’ pomposi funerali“ („mit einer
prunkvollen Trauerfeier“) bestattet.761
Die ursprüngliche Ausstattung der Cappella d’Alessandro, die sich in ihrer originalen
Form nicht mehr erhalten hat, setzte sich einst aus einem Grabmal und einem gegenüber
aufgestellten Sediale zusammen, während ein Altar für das 15. Jahrhundert nicht
nachweisbar ist.762 Wie schon in den zuvor besprochenen Kapellen handelt es sich auch
hier zuvorderst um die Stiftung einer Grabstätte für ein Familienmitglied, indem
Antonio nach dem Tod seiner Ehefrau ein Grabmal beauftragte, das jedoch auch ihm
einen Platz bereithalten sollte.
Das Doppelgrabmal für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia (1492)
Wenn man heute die Cappella d’Alessandro betritt, dann begegnen einem nur noch
einzelne Teile eines Grabmals, die einst auseinander genommen und im Kapellenraum
(Abb. 71) verteilt wurden.763 Dabei scheint die Lünette, die heute in eigentümlicher
759
Die einzelnen Traktate nennt De Frede, Schede, 1997, S. 124.
Darauf verweist ebd. Zum aragonesischen Kannenorden siehe Boulton, The Knights of the Crown,
1987, S. 330-338.
761
Giustiniani, Memorie (I), 1787, S. 42, der allerdings den 26. Oktober 1499 nennt. Volpicella, Regis,
1861, S. 59, Anm. 1, wiederum nennt zwar denselben Tag, jedoch das Jahr 1498.
762
Von D’Engenio, Napoli Sacra, 1623, S. 508, ebenso wie von De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689,
f. 62r, werden zwar ein Altarbild mit der „Darbringung Christi im Tempel“ genannt, das sie jedoch
Leonardo da Pistoia zuschreiben und das demzufolge erst im 16. Jahrhundert hier Aufstellung fand.
Folglich nachdem die Kapelle von den Fiodo-Bovio übernommen worden war. Es ist zu vermuten, dass
aufgrund der Konzeption als Durchgangsraum im 15. Jahrhundert noch kein adäquater Platz für einen
Altar zur Verfügung stand und demzufolge auf den Kapellenaltar des angrenzenden Raumes
zurückgegriffen wurde, vor dem heute die Terrakotta-Gruppe steht.
763
Zum Alessandro-Grabmal siehe vor allem Michalsky, Conivges, 2005, bes. S. 78f.; Pane, Il
Rinascimento (II), 1977, S. 154f. Auch Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 159-163,
760
178
Grit Heidemann-Schirmer
Kombination mit dem noch zu besprechenden Sediale an der südlichen Kapellenwand
angebracht ist, den Originalstandort des ehemaligen Grabensembles zu markieren.
Anhand zweier Zeichnungen, die von Tobias Fendt (Abb. 72) und von Silloge del
Boissard (Abb. 73) Ende des 16. Jahrhunderts angefertigt wurden, lässt sich die
ursprüngliche Fassung weitestgehend rekonstruieren.764 Es handelte sich demnach um
ein
monumentales
Wandgrabmal,
das
von
einer
aufwendig
gestalteten,
triumphbogenähnlichen Architektur gerahmt und in drei Ebenen unterteilt war.
Das Sockelgeschoss wurde von vier Karyatiden gebildet, die auf einer flachen Stufe
standen.765 Diese Stützenfiguren lassen sich als Tugenden interpretieren, von denen
jedoch nur die beiden auf der linken Seite anhand der beigegebenen Attribute eindeutig
als Prudentia und Fortitudo identifizierbar sind. Sie trugen den Doppelsarkophag
(Abb. 74), der einst die zweite Ebene markierte, sich heute aber links neben dem
Kapelleneingang befindet. Die Frontplatte des Sarkophags wird vollständig von der
Liegefigur der Stifterehefrau Magdalena Riccia eingenommen, die sich in nur leicht
erhabenem Relief vom Hintergrund abhebt.766 Magdalena wird schlafend präsentiert,
den Kopf auf einem Kissen ruhend und die Hände auf dem Bauch verschränkt. Die
Figur ist vor allem durch die stark akzentuierten und statisch anmutenden horizontalen
Faltenlinien ihres Gewandes charakterisiert, die dem Monument ein weitaus
archaischeres Aussehen verleihen als für ihre Entstehungszeit üblich.767
Entlang der Kopf- und der Sockelleiste der Frontplatte ist folgende Inschrift angebracht:
„ANTONII DE ALEXANDRO ET MAGDALENE RICIE CONIVGVM/
QVOS DEVS CONIVNXIT HOMO NON SEPERET.”768
thematisiert das Monument, erkennt allerdings nicht, dass es sich um ein auseinander genommenes
Wandgrabmal handelt.
764
Vgl. Fendt, Monumenta, 1574, Tafel 87 und Boissards Zeichnung von 1597-98, die abgedruckt ist bei
Muñoz, Studii, 1909, S. 93, Fig. 21. Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 154f., kritisiert Boissards
Zeichnung als „idea del monumento che non ebbe mai esecuzione.“ Besonderes Augenmerk legt er dabei
auf die „assurda presenza“ der vier Karyatiden, die nicht in das Konzept passen. Dem kann ich nicht
folgen, da beide Zeichnungen, sowohl Boissard als auch Fendt, dieses Motiv wiedergeben und meines
Erachtens gerade dieses Stützengeschoss im Rekurs auf den traditionellen Grabmalstyp der
alteingesessenen Adligen Neapels auf die Zugehörigkeit von Antonios Ehefrau verweist, demzufolge
mehr als plausibel erscheint.
765
In Fendts Zeichnung ist statt der Stufe die Grabplatte angeführt.
766
Zu dieser nicht nur positionell, sondern auch ästhetisch untergeordneten Darstellung der Ehefrau siehe
Michalsky, Conivges, 2005, bes. S. 80 u. 84, die zugleich darauf aufmerksam macht, dass es sich dabei
dennoch um eine besondere Ehre handelte, war es doch, zumindest in Neapel, sonst nicht üblich, Frauen
auf Grabmälern darzustellen.
767
Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 162, beschreibt die Gewänder dementsprechend als
„wie aus Brettern gezimmert.“
768
Folgendermaßen zu übersetzen: „Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia, im Bunde vereint. Was
Gott zusammengefügt, soll der Mensch nicht trennen.“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
179
Die Inschrift verweist demnach auf das hier bestattete Ehepaar und leitet von der
Liegefigur Magdalenas zum Gisant Antonios über, der sich auf dem Deckel des
Sarkophags befindet und leicht angeschrägt ist, um dem einstigen Besucher eine bessere
Erkennbarkeit des hier Repräsentierten zu ermöglichen. Im Gegensatz zu Magdalena ist
die Liegefigur von Antonio zwar vollplastisch gearbeitet, doch wird dieser ebenfalls
schlafend und mit derselben Armhaltung gezeigt, ebenso wie sein Gewand die strenge
Linienführung weiterführt. Antonio sind individuelle Attribute beigegeben, die seinem
sozialen Status gerecht werden sollten. So ist das Gewand als Richterrobe zu
charakterisieren,
dem
auch
die
Kopfbedeckung
entspricht.
Der
Kopf
ruht
bezeichnenderweise auf zwei geöffneten Büchern, die seine verfassten Schriften in
Erinnerung rufen. Zudem ist der obere Saum seiner Robe mit dem Symbol des
aragonesischen Kannenordens (Krug mit drei Lilien) verziert, der ihm einst verliehen
worden war. Schließlich ruhen zu seinen Füßen zwei Hunde, die das Selbstverständnis
des Neuadligen als Ritter zeichenhaft vermitteln.
Über der Liegefigur Antonios befand sich die Lünette, in der Maria mit dem
Christuskind
zwischen
zwei
Engeln
präsentiert
wird.
Der
heute
sichtbare
Anbringungsort dieses Bogenfeldes an der linken Kapellenwand (Abb. 71) liefert ein
Indiz für den originalen Platz des Wandgrabmals. Somit wären die Liegefiguren der
beiden Verstorbenen zum Altar des benachbarten Kapellenraums ausgerichtet gewesen,
ebenso wie die in ihrer Körperdrehung leicht in diese Richtung geneigten Tugenden.769
Die an der linken Kapellenwand vermutete Aufstellung des Grabmals findet auch einen
argumentativen Rückhalt in deren Zuweisung als Evangelienseite des anvisierten Altars,
zumal das Monument nicht nur für den Kapellenstifter, sondern auch für seine Frau
bestimmt war.
Das Doppelgrabmal wird in der Forschung dem lombardischen Bildhauer Tommaso
Malvito zugeschrieben, was sich indirekt in einem Vertrag aus dem Jahre 1506 bestätigt
findet, in dem das auffallend ähnlich gestaltete Monument für Mariano d’Alagno und
Caterinella Orsini (Abb. 75) Bezug nehmend auf das Alessandro-Grabmal verhandelt
wird.770 Demnach hatte Malvito eine Modellzeichnung für das Alagno-Grabmal
angefertigt, das jenem Alessandro-Monument entsprach. Da diese Vorlage jedoch
769
Im Vergleich mit den historischen Zeichnungen würden demnach auch die Proportionen der einzelnen
Ebenen übereinstimmen.
770
Siehe dazu Michalsky, Conivges, 2005; dies., Seggi und Sediali, 2005, S. 194f.; Abbate, La scultura,
1992, S. 36f.; Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 154; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, 159;
Muñoz, Studii, 1909, S. 91f., mit Abbildungen. Auf Tommaso Malvito als ausführenden Künstler des
Alessandro-Grabmals verweist auch De Frede, Schede, 1997, S. 122f.
180
Grit Heidemann-Schirmer
mittlerweile als altertümlich galt, wurde sie vom neuen Auftraggeber nicht akzeptiert
und stattdessen eine Modifikation gefordert, die sich in der Auswechslung der
Tugendfiguren in der unteren Ebene durch einen inkorporierten Sediale niederschlug.
Nicht nur am Anfang des 16. Jahrhunderts, sondern auch schon zur Entstehungszeit des
Doppelgrabmals für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia wurde das Monument
als „alt“ empfunden. Dies lag insbesondere an der Formgebung, die im Aufbau dem
traditionellen angiovinischen Grabmalstypus folgte und auch in der Umsetzung
weitgehend innovative Details vermied. Wie ist dies aber im Kontext der am
aragonesischen Königshof tätigen Protagonisten zu erklären, die doch so offensichtlich
den Einsatz neuer Formen vorantrieben und zu denen auch Antonio d’Alessandro
zählte?
In diesem Fall scheint Antonios Ehefrau die entscheidende Rolle gespielt zu haben.771
Magdalena Riccia kam bezeichnenderweise aus dem höheren Seggio di Nido, dessen
alteingesessene Familien sich aufgrund ihres Alters und ihrer neapolitanischen Herkunft
als privilegiert unter den Adligen in der Hauptstadt verstanden und dies auch in Form
des alten lokalen Grabmalstypus zu vermitteln suchten.772 So wie schon Antonio
Piccolomini und Marino Correale in ihren Familienkapellen Grabmäler für Angehörige
errichten ließen, die im jeweiligen sozialen Kontext ihre höchst unterschiedlichen
Formgebungen erfuhren, so findet sich dies auch am Doppelgrabmal für Antonio
d’Alessandro und seine Frau Magdalena Riccia wieder. Dem Kapellenstifter blieb
wiederum der Sediale als innovatives und individuelles Repräsentationsmedium
vorbehalten.
Der Sediale für Antonio d’Alessandro (1491)
Der Sediale für Antonio d’Alessandro (Abb. 76) befindet sich heute unterhalb der
Grabmalslünette an der linken Kapellenwand.773 Seine ursprüngliche Positionierung
lässt sich auf der gegenüberliegenden Epistelseite rekonstruieren, wo nunmehr der 1540
gefertigte Sediale für Antonino Fiodo steht.774
771
Zur besonderen Stellung Magdalenas, die Antonio „den Zugang zu den relevanten politischen Zirkeln
wenn nicht ermöglicht, so doch erleichtert [hatte]“, siehe Michalsky, Conivges, 2005, S. 84.
772
Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.2.
773
Zum Sediale für Antonio d’Alessandro vor allem Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, bes. S. 181-184.
774
Zu dieser dem Grabmal gegenübergestellten Position des Sediale siehe auch dies., Conivges, 2005,
S. 78; dies., Seggi und Sediali, 2005, S. 184.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
181
Das Monument folgt im Aufbau exakt den beiden Vorläufern für Antonio Piccolomini
und Marino Correale. Allein der Sockel hat sich nicht erhalten oder wurde vom späteren
Fiodo-Monument aufgenommen. Die drei Felder der Rückwand geben im fein
gearbeiteten Relief großformatig das Familienwappen in der Mitte sowie links und
rechts das Emblem des Kannenordens wieder, auf dessen Erwerb Antonio zu Lebzeiten
sicherlich besonders stolz gewesen war. Auf dem Architrav des oben abschließenden
Gebälks ist folgende Inschrift angebracht:
„ANTONIVS DE ALEXANDRO IVRISCONSVLTVS AD SVAS ET
SVOR
RELIQVIAS
REPONENDAS
QVOVSQVE
SACELLVM
OMNES
CONSTRVXIT
RESVR/
ET
GAMVS
REDEMPTORI
NOSTRO DICAVIT MCCCCLXXXXI.“775
Erneut werden hier der Stifter und das für seine Familie erworbene Kapellenpatronat in
Erinnerung gehalten. Schon Michalsky macht auf die im Wortlaut hervorgehobene
Formulierung „quousque omnes resurgamus“ aufmerksam, die den intendierten
Betrachter mit einschließt.776 Die Inschrift verdeutlicht demnach den besonderen
Stellenwert, den die Kapelle als Durchgangsraum zu dem schon von den Zeitgenossen
viel beachteten Altarraum einnahm, in dem Mazzonis Terrakotta-Gruppe mit den
historischen Exempla der aragonesischen Dynastieangehörigen aufgestellt war.
Trotz dieser Funktion als Durchgangsraum rekurrierte die Cappella d’Alessandro auf
die vorbildhafte Piccolomini-Kapelle, was sich insbesondere in der ursprünglichen
Gegenüberstellung von Grabmal und Sediale manifestiert. Während das Doppelgrabmal
nicht nur dem Kapellenstifter, sondern auch seiner Ehefrau als angemessenes
Repräsentations-
und
Erinnerungsmonument
vorbehalten
war,
das
in
seiner
Formgebung die exklusive Herkunft von Magdalena und den daraus resultierenden
gehobenen Status des angeheirateten Neuadligen medial transferierte, so folgte der
Sediale dem neu geschaffenen Typus, der von Antonio Piccolomini wenige Jahre zuvor
erstmals in Neapel beauftragt worden war und in der Folgezeit von bedeutenden
Protagonisten des aragonesischen Hofes im Sinne einer corporate identity rezipiert
wurde.
775
Folgendermaßen zu übersetzen: „Der Rechtsgelehrte Antonio d’Alessandro errichtete diese Kapelle,
um die Überreste von sich und seinen Angehörigen zu bewahren, bis dass wir alle auferstehen, und er
weihte sie unserem Erlöser [im Jahr] 1491.“
776
Vgl. Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 183f.
182
Grit Heidemann-Schirmer
Die Sitzbank avancierte um 1500 auch in den anderen Kirchen der Stadt zum
modischen Requisit einer adligen Familienkapelle.777 Gleichermaßen wurde das
Grabmal für Maria von Aragon an vielen Folgewerken zum motivischen Vorbild,
sicherlich
stellvertretend
für
die
fehlenden
aragonesischen
Königsgrabmäler.
Demgegenüber zeigen die Stiftergrabmäler der beiden Kapellen Correale und
d’Alessandro eine Formenvielfalt, die mit dem Geltungsanspruch des jeweiligen
Auftraggebers in Bezugnahme auf die jeweiligen Familienangehörigen zu erklären ist.
V.3. Zum Aufkommen neuer Grabmalstypen
Bei den bisher in diesem Kapitel thematisierten Adelsgrabmälern lässt sich folgendes
feststellen: Parallel zum verstärkten Zuzug auswärtiger Adliger nach Neapel im späten
15. Jahrhundert wurden auch vermehrt Grabmonumente mit einem neuartigen
Formenvokabular sowie neue Typen eingeführt. Während das Doppelgrabmal für
Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia auf die lokalen, traditionell gefertigten
Vorläufer rekurrierte und demzufolge das Herkunftsbewusstsein insbesondere der
beteiligten Ehefrau vermittelte, die aus der neapolitanischen Maggiore Nobiltà stammte,
so wurden bei den meisten Grabmalsaufträgen der Nobili fuori Piazza und der
Neuadligen andere Repräsentationsstrategien verfolgt. Dies lässt sich an weiteren
Monumenten ablesen, die bezeichnenderweise alle in Santa Maria la Nova errichtet
wurden.
Das Grabmal für Matteo Ferrillo (1492–1499)
Das für Matteo Ferrillo nach 1492 errichtete monumentale Wandgrabmal (Abb. 77)
präsentiert sich dem heutigen Betrachter im Kreuzgang der Franziskanerkirche mit einer
triumphbogenartigen
Umbauarbeiten
architektonischen
erkennen
lässt,
778
16. Jahrhunderts ausgesetzt war.
777
denen
Rahmung,
das
die
Monument
deutliche
seit
dem
Spuren
der
Ende des
Auch der mächtige Sockel, der die Liegefigur des
Dazu noch einmal ebd.
An dem Monument sind einige Bruchstellen deutlich erkennbar, die vermutlich infolge der Umsetzung
am Ende des 16. Jahrhunderts oder bedingt durch eines der zahlreichen Erdbeben der letzten Jahrhunderte
entstanden. Aufgrund der fehlenden Schrift- und Bildquellen ist die Rekonstruktion des ursprünglichen
778
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
183
Verstorbenen trägt, weist diese Überarbeitungsspuren auf und lässt die Frage
aufkommen, inwieweit die heutige Zusammensetzung der originalen Gestalt entspricht.
Das Grabmal wird von einem hoch aufragenden Postament charakterisiert, das im
zentralen Bildfeld das aufwendig mit einem Helm und arabeskenartigem Dekor sowie
mit einem Drachen verzierte Familienwappen präsentiert, dem sich seitlich weitere
flach reliefierte Darstellungen anschließen.779 Dieses Feld wird von fein gearbeiteten
Pilastern und Konsolen umrahmt, welche die zweigeteilte Inschrift visuell verbinden,
die folgendermaßen lautet:
„MATHEVS FERILLVS NOBILI ET EQVESTRI ORDINE INSIGNIS
MVRI COMES/ ALPHONSI II. REGIS ARAG. A CVBICVLO PRIMVS,
EIVSQ. DVM PATERENTVR/ ANNI GVBERNATOR POSTERITATI
CONSVLENS
SACELLVM
HOC
VIRGINIS/
ASSVMPTIONI
DICATVM, VIVENS SIBI ET SVIS F.C./ A CHRISTI NATALIBVS
MCCCCLXXXXVIIII.“780
Die Inschrift verweist nicht nur auf das Juspatronat der Kapelle, sondern sie macht auch
deutlich, dass das Grabmal noch zu Lebzeiten des Stifters errichtet wurde.781 Darüber
hinaus rühmt es den Verstorbenen als einen neuen Titeladligen und treuen Gefolgsmann
von König Alfons II. von Aragon. Dies täuscht allerdings über den Umstand hinweg,
dass Matteo Ferrillo den Quellen zufolge zwar eine erfolgreiche Karriere am
aragonesischen Königshof zu verzeichnen hatte, die ihm die Funktionen als Kämmerer
und Berater von Ferrante und Alfons II. einbrachte.782 Doch laut Patroni Griffi lag sein
Zustandes jedoch kaum durchführbar. Wenige überkommene Dokumente lassen zumindest Rückschlüsse
auf die ursprüngliche Kapellenausstattung zu. Demnach schloss der Stifter Matteo Ferrillo mit dem
sizilianischen Maler Riccardo Quartararo einen Vertrag am 4. November 1491 sowie am 18. November
1492 für ein Altarbild und wenige Wochen später, am 17. Dezember desselben Jahres, folgte eine
schriftliche Festlegung mit dem lombardischen Bildhauer Jacopo della Pila, in der die Verwendung von
Carrara-Marmor für das Stiftergrabmal gefordert wird. Daraus ergibt sich eine Datierung des Grabmals
auf 1492 post quem.
779
Zur Beschreibung dieses Mittelfelds siehe auch Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 158, der die
beiden seitlichen Flachreliefs als heraldische Motive interpretiert. Meines Erachtens scheinen diese
jedoch einen mit Sphingen geschmückten Altar wiederzugeben, der von einem Vorhang umfangen ist.
780
Folgendermaßen zu übersetzen: „Matteo Ferrillo, hervorragender Adliger und Ritter, Graf von Muro,
erster Kämmerer des aragonesischen Königs Alfons II. und sein Statthalter, solange das Alter es zuließ,
ermöglichte der Nachwelt zu Lebzeiten die Errichtung dieser der Himmelfahrt der Jungfrau bestimmte
Kapelle, für sich und die Seinen. Von der Geburt Christi [im Jahr] 1499.“ Die heute kaum noch lesbare
Inschrift geben Salvatore, Tra Fiandre e Napoli, 1998, S. 16, Anm. 27; Rocco, Il convento, 1927, S. 273.
781
Das Todesdatum von Matteo Ferrillo ist nicht bekannt. Siehe Patroni Griffi, Ferrillo, 1997, S. 182.
Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 106, vermutet zwar die angegebene Jahreszahl 1499 als
Todesdatum von Matteo Ferrillo und datiert das Grabmal auf 1492-93. Doch die Inschrift selbst
vermittelt, dass der Stifter zum angegebenen Zeitpunkt, 1499, noch lebte.
782
Zu seiner Person siehe Patroni Griffi, Ferrillo, 1997.
184
Grit Heidemann-Schirmer
besonderes Interesse im Erwerb feudaler Güter, mittels derer er zu Reichtum und
gesteigertem sozialen Prestige gelangen wollte.783 Für Matteo Ferrillo scheint die
privilegierte Position am aragonesischen Königshof weniger wichtig für die dortige
Gruppenbildung zum Ausdruck von Loyalität als vielmehr Mittel zum Zweck der
persönlichen Machtsteigerung gewesen zu sein, denn in Zeiten der dynastischen Krise
wechselte er bezeichnenderweise zum Gefolge des französischen Königs Karl VIII.
über.784 Erst nach der Rückeroberung Neapels durch Ferrandino von Aragon bemühte er
sich um die Wiedererlangung des Vertrauens am Hof,785 was sich auch in der Inschrift
seines Grabmals durch den Verweis auf seine höfische Stellung widerspiegelt.
Über dem all’antica gearbeiteten Gesims des Sockels befindet sich die in Rüstung
gekleidete Liegefigur des Verstorbenen, die auf einer Matratze mit Kissen aufgebahrt ist
und am Fußende die Reste zweier Hunde als dem Ritterstand entsprechende Symbole
der Treue aufweist. Ganz offensichtlich handelt es sich hierbei um einen
Sarkophagdeckel, während der eigentliche Sarkophag heute fehlt.786 Dies wird im
Vergleich
mit
zwei
anderen,
ebenfalls
von
Jacopo
della
Pila
gefertigten
Adelsgrabmälern deutlich, die signifikante Parallelen zum Ferrillo-Monument,
insbesondere bei der Liegefigur, erkennen lassen und den dort fehlenden Sarkophag
aufweisen. Die Rede ist von den schon in Kapitel IV besprochenen Grabmälern für
Pietro Brancaccio von 1483 und für Niccolò d’Alagno von 1494 (Abb. 51 u. 53), deren
formale Bezugnahmen auch vertraglich festgehalten sind.787 Der vermutlich sehr
ähnlich gestaltete Sarkophag des Ferrillo-Grabmals befand sich einst vielleicht anstelle
des heutigen Gesimses, andernfalls würde die Liegefigur weitaus höher liegen, sodass
kaum noch Platz für den darüber befindlichen Tondo bliebe. Im Vergleich mit einem
weiteren Werk desselben Bildhauers, dem ebenfalls schon vorgestellten Grabmal für
Tommaso Brancaccio von 1492 (Abb. 44), bleibt dieses Motiv des Tondos über der
Liegefigur auch für das Ferrillo-Grabmal plausibel, nur das es die Madonna mit
Christuskind in etwas anderer Körperhaltung zeigt.788 Interessanterweise taucht es
erstmals an dem besagten Grabmal für Prinzessin Maria von Aragon (Abb. 62) auf, das
783
Vgl. ebd., S. 181. So erwarb Matteo Ferrillo 1477 die Stadt Muro, die ihm 1483 als Grafschaft vom
König zuerkannt wurde; weitere Ländereien folgten. Vgl. ebd., S. 182.
784
Siehe dazu vor allem Filangieri, Una cronaca napoletana, 1956, Nr. 51, bes. S. 93. Zur Invasion Karls
VIII. nach Neapel 1495 siehe noch einmal Kap. II.4.
785
Darauf verweist Patroni Griffi, Ferrillo, 1997, S. 182.
786
Dies wurde in der bisherigen Forschung nicht beachtet.
787
Siehe dazu Filangieri, Documenti (VI), 1891, S. 283f. Zu beiden Grabmälern noch einmal Kap. IV.2.2.
788
Zum Grabmal für Tommaso Brancaccio siehe noch einmal Kap. IV.1.2.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
185
in den 1480er Jahren von Benedetto da Majano vollendet wurde und in der Folgezeit
einen großen Einfluss auf die neapolitanische Grabmalslandschaft ausübte.789
Das Grabmal für Matteo Ferrillo bediente sich also verschiedener Motive, wodurch es
einen beinahe eklektischen Charakter hinsichtlich des Zugehörigkeitsbewusstseins
seines Auftraggebers aufweist. Folgt man der Biographie des Stifters, so lassen sich
einige Parallelen erkennen in seiner Persönlichkeit als Adliger, der aus dem niederen
Seggio di Porto stammte und über den Königshof zu Reichtum und Rangerhöhung
gelangen wollte, dabei aber über Loyalitäten hinweg sah. Insofern dürften die
Grabmäler der mit sozial hohem Prestige ausgestatteten Adligen der Maggiore Nobiltà
vorbildhaft für Ferrillo gewesen sein, was sich auch in den formalen und motivischen
Bezugnahmen auf deren Monumente manifestiert.790 Darüber hinaus lässt sich die
Einbeziehung eines seit dem Grabmal für Maria von Aragon in Neapel bekannten
Motivs, dem Marientondo, als zusätzliche Nobilitierung seines Erinnerungsmonumentes
verstehen, das durch die Darstellung der Madonna mit dem segnenden Christuskind
dem Verstorbenen zugleich die commendatio animae visuell auf Dauer zusicherte und
einen Verweis auf das Kapellenpatronat lieferte.
Das Grabmal für Bischof Costantino Castriota (um 1500)
Das Grabmal für Costantino Castriota (Abb. 78) zeigt in seiner heutigen Gestalt viele
innovative Elemente und eine für die damalige neapolitanische Grabmalslandschaft
völlig neuartige Zusammensetzung, die folgende vier Ebenen umfasst.791
In der Mittelachse des Wandgrabmals befindet sich statt eines Sockels eine
sphinxähnliche Figur, die den traditionellen Karyatiden entsprechend die Stützfunktion
übernommen hat, hier nun aber eine Inschrifttafel mit folgendem Wortlaut trägt:
„CONSTANTINVS CASTRAYOTVS HIC/ TEGITVR SANGVINE ET
COGNATIONE/
REGIA
AC
CAESAREA
CLARVS
MORVM/
CANDORE INSIGNIS DIGNITATE/ PONTIFEX ESERNIENSIS DVM
789
Zum Grabmal für Maria von Aragon siehe noch einmal oben Kap. V.2. Zum Madonnentondo im
Vergleich mit dem Ferrillo-Grabmal siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 274.
790
Insbesondere Pietro Brancaccio dürfte als Vorbild gedient haben, gehörte er doch einer der ältesten
Adelsfamilien Neapels an, die im höheren Seggio di Nido sesshaft war.
791
Zu diesem bisher kaum in der Forschung beachteten Grabmal siehe Pane, Il Rinascimento (II), 1977,
S. 159f.; Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 195-197; Rocco, Il convento, 1927, S. 280f.
186
Grit Heidemann-Schirmer
PROBE/
VIVIT
INTEMPESTIVE
MORITVR/
ANDRONICA
COMINATA PATERNA/ AVIA NEPOTI OPTIMO POSVIT/ M.D.“792
Schon in dieser Inschrift wird die besondere soziale Stellung des viel zu früh
Verstorbenen angedeutet, die sich in den darauf folgenden Ebenen auch bildlich
manifestiert. So befindet sich in der dritten Ebene der Sarkophag, der mit seinen
Löwenfüßen und der Riefelung ganz offensichtlich römisch-antiken Vorbildern folgt
und somit auf subtile Weise einen Bezug zur Papststadt schafft.793 Die aufgebahrte
Liegefigur des Verstorbenen trägt das Bischofsornat, welches den Bestatteten einst
ausgezeichnet hatte, denn Costantino Castriota war 1497 von Papst Alexander VI.
(1492–1503) zum Bischof von Isernia ernannt worden.794
Auch in der von aufwendig dekorierten Pilastern gebildeten architektonischen Rahmung
dieser „kastenförmige[n]“795 camera funebris vermittelt die Mitra über dem
Familienwappen die einstige kirchliche Funktion des Verstorbenen. Der Hintergrund
der Totenkammer wird von den vier halbfigurig dargestellten Kardinaltugenden
eingenommen, die durch ihre Attribute von links nach rechts als Temperantia, Justitia,
Fortitudo und Prudentia zu interpretieren sind. Sie markieren in ihrer Positionierung die
auffälligste Neuerung im Kontext der damaligen neapolitanischen Grabmalslandschaft,
indem die ehemals als Karyatiden im Sockelgeschoss befindlichen Tugenden nun in
direkte Nähe zum steinernen Konterfei des Verstorbenen gerückt sind und an deren
Stelle das Motiv der Sphinx in die untere Ebene eingefügt wurde.796 Über einem
all’antica gearbeiteten Gebälk schließt das Grabmal mit einem Dreiecksgiebel ab, der
von den Seiten spitz zulaufend in einem Segmentbogen am Scheitelpunkt endet und
unter dem der segnende Gottvater erscheint.797
792
Folgendermaßen zu übersetzen: „Hier ist Costantino Castriota begraben, der, solange er durch
königliches und kaiserliches Blut und Verwandtschaft und durch die Reinheit der adligen Sitten [sowie]
durch die päpstliche Würde von Isernia gut lebte, vorzeitig starb. Andronica Cominata, Großmutter
väterlicherseits, ließ für den vortrefflichen Enkel [dieses Grabmal] errichten [im Jahre] 1500.“
793
Zur Kenntnis der antiken Sarkophage im Italien des 15. Jahrhunderts siehe Koch, Sarkophage, 1993,
S. 6.
794
Siehe dazu Rocco, Il convento, 1927, S. 280f.
795
Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 195.
796
Auch an anderen neapolitanischen Adelsgrabmälern des 15. Jahrhunderts, wie z.B. für Sergianni
Caracciolo del Sole (1433-1449) in San Giovanni a Carbonara und bei den Carafa-Grabmälern (1470er
und 1490) in der Cappellone del Crocifisso von San Domenico Maggiore sind die Tugenden in die
Pilasternischen gerückt, werden allerdings im Sockelgeschoss von anderen Karyatiden beziehungsweise
liturgischem Mobiliar ersetzt. Zu den Vergleichsbeispielen siehe Kap. III.2. und Kap. IV.2.2.
797
Dass dies im 15. Jahrhundert ein beliebtes Motiv im abschließenden Giebel war, lässt sich auch an den
neapolitanischen Wandgrabmälern für Rinaldo Brancaccio (†1427) in Sant’Angelo a Nilo, für Giovanni
Miroballo (†1465) in San Giovanni a Carbonara und für Galeazzo Sanseverino (†1477) in Santa Maria la
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
187
Aufgrund der innovativen Elemente und zahlreichen antikisierenden Motive wird das
Grabmal in der Forschung dem lombardischen Bildhauer Tommaso Malvito
zugeschrieben.798 Es verweist erneut auf den bereitwilligen Umgang mit neuen Formen
durch die Nobili fuori Piazza, zu denen die Castriota zählten. Die Familie stammte aus
Albanien und war im 15. Jahrhundert untrennbar verbunden mit dem „großen
albanischen Türkenbezwinger“ Giorgio Castriota Scanderbeg, der schon für König
Alfons I. von Aragon ein wichtiger Bündnispartner gewesen war.799 Nach dem Tod von
Giorgio (†1468) siedelte die Familie von Albanien nach Süditalien über, wo sie vom
Ruhm des verstorbenen Ahnherrn profitierte.800 So wurde dem Sohn Giovanni
Castriota, der zugleich der Vater von Costantino war, die Grafschaft Monte
Sant’Angelo im heutigen Apulien von König Ferrante übertragen, dem er
gleichermaßen seine Loyalität zusicherte.801
Costantino Castriota wuchs demnach im süditalienischen Regnum auf und verfolgte,
wie schon erwähnt, eine klerikale Karriere, die ihm den Titel als Bischof von Isernia
1497 einbrachte. Als er mit noch jungen Jahren starb – so vermittelt es jedenfalls die
Inschrift –, ließ ihm seine Großmutter Andronica Cominata, die einstige Ehefrau
Scanderbegs, das hier vorgestellte Grabmal in Santa Maria la Nova im Jahr 1500
errichten. Ihre explizite Namensnennung in der Inschrift mit dem Verweis auf das
Verwandtschaftsverhältnis zur väterlichen Linie muss bei den Zeitgenossen sofort die
Erinnerung an den berühmten Vorfahren hervorgerufen haben. Es verdeutlicht das
Bedürfnis der Auftraggeberin nach einer eigenen dauerhaften Kommemorierung in der
Nova festmachen, deren Giebelformen zwar unterschiedlich geartet sind, doch dasselbe Motiv des
segnenden Gottvaters zwischen Engeln präsentieren.
798
Dazu Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 195 u. 197, der den Vergleich mit dem
„fragmentarischen Cuncto-Grabmal im Dom von Amalfi“ gibt und auf die antikisierten
„Groteskenmotive“ an den Pilastern hinweist. Vor allem in der ungewöhnlichen Sockelfigur lässt sich
eine Parallele mit einem weiteren neapolitanischen Werk von Tommaso Malvito ziehen, und zwar dem
Kenotaph für Antonio Rota und Lucrezia Brancia von 1497 in San Domenico Maggiore. Siehe dazu
Ascher, Tommaso Malvito, 2000, S. 115. Außerdem zu dem in Neapel tätigen Bildhauer Tommaso
Malvito siehe Pane, Il Rinascimento (II), bes. S. 145-163; Muñoz, Studii, 1909. Dagegen wird das
Grabmal auch Jacopo della Pila zugeschrieben von Sorce, Jacopo, 2004, S. 83 und Pane, Il Rinascimento
(II), 1977, S. 159, zumindest für die Tugenden. Dessen neapolitanische Grabmalsaufträge zeichnen sich
allerdings durch weitaus mehr retrospektive Formen und Motive aus, was eine Zuschreibung für das
Castriota-Monument schwierig macht.
799
Siehe Rocco, Il convento, 1927, S. 280f. Zu Giorgio Castriota Scanderbeg siehe ebd., S. 282; Ryder,
The Kingdom of Naples, 1976, S. 267 u. 274. Zitat von Thoenes, Neapel, 1971, S. 214. Außerdem
D’Agostino, La Capitale ambigua, 1979, S. 30-32.
800
Darauf verweist Petrucci, Cavaniglia, 1979, S. 221.
801
Zu Giovanni Castriota siehe Petrucci, Cavaniglia, 1979, S. 221; Volpicella, Regis, 1861, S. 148,
Anm. 1. Die wenigen Daten zu Costantino Castriota lassen sich nur der Biografie seines Vaters
entnehmen.
188
Grit Heidemann-Schirmer
süditalienischen Hauptstadt, in der die Familie zur Gruppe der Nobili fuori Piazza
gehörte.
Das Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato (1510er)
Als drittes Beispiel in der Franziskanerkirche ist das Doppelgrabmal für Sanzio
Vitagliano und Ippolita Imperato (Abb. 79) zu nennen. Es handelt sich um ein
monumentales Wandgrabmal, das eine Architekturrahmung nach Art antiker
Triumphbögen aufweist und aus vier Ebenen besteht.802
Die erste Ebene befindet sich über einem hohen, profilierten Sockel. Sie weist eine
breite Inschrifttafel mit folgendem Wortlaut auf:
„SANTIO VITALIANO REG. ARAG. ALUMNO/ PATRI PIENTISS./
HIPPOLITAEQ. IMPERATAE CONIVGI DVLCISS./ BENEMERENTIQ./
NICOLAVS
FRANCISCVS
VITALIANVS/
AD
PERPETVAM
MEMORIAM/ ERIGENDVM CVR./ A. SAL. M CCCC L XXXXVII.“803
Die Inschrift gibt zum einen den Sohn des verstorbenen Ehepaars, Nicola Francesco
Vitagliano, als Initiator zu erkennen, der das Grabmal 1497 für seinen Vater beauftragt
hatte. Zum anderen kommuniziert sie die enge Bindung zwischen Sanzio und dem
aragonesischen Königshaus, welche – meiner These zufolge – auch ausschlaggebend für
die Standort- und Formwahl dieses Grabmals war. Die Inschrift wird zudem flankiert
von Pilasterpostamenten, auf deren Frontseite das vereinte Wappen beider Verstorbenen
im Relief eingearbeitet ist.
In der zweiten Ebene befindet sich der Doppelsarkophag für das verstorbene Ehepaar,
der in seiner Kastenform und der Anbringung beider Figuren zwar dem traditionellen
Grabmalstypus folgt, aber in der motivischen Darstellung der beiden Kommemorierten
802
Zu diesem „klassizierenden Triumphbogen mit Viktorien“ siehe Michalsky, Conivges, 2005, S. 80. Im
römischen Kontext zum neu aufkommenden Triumphbogenmotiv an den Grabmälern des frühen 16.
Jahrhunderts siehe Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, bes. S. 50-53. In Neapel war allerdings der
von König Alfons I. von Aragon beauftragte Triumphbogen (1471 vollendet) am Castel Nuovo
maßgebend für die Skulptur der Folgezeit. Siehe dazu Beyer, Parthenope, 2000, S. 13-61; Bologna, Un
passo, 1994; Kruft/Malmanger, Der Triumphbogen, 1977; Hersey, The Aragonese Arch, 1973.
803
Folgendermaßen zu übersetzen: „Für Sanzio Vitagliano, Zögling des aragonesischen Königs,
hingebungsvoller Vater, gütigster Ehemann von Ippolita Imperato und voller Verdienste. Nicola
Francesco Vitagliano besorgte die Errichtung [dieses Grabmals] zum ewigen Gedächtnis im Jahr der
Erlösung 1497.“
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
189
grundlegende Fragen hinsichtlich der Datierung aufwirft.804 Es handelt sich um den aus
der Liegeposition aufgerichteten Demigisant, der in der bisherigen Grabmalsforschung
bei den von Andrea Sansovino zwischen 1505 und 1509 in der römischen Kirche Santa
Maria del Popolo geschaffenen Kardinalsgrabmälern für Ascanio Maria Sforza und
Girolamo Basso della Rovere erstmals nachgewiesen wurde.805
Sowohl Sanzio Vitagliano, hier als vollplastische Figur auf dem Sarkophagdeckel, als
auch seine Ehefrau Ippolita Imperato, im Halbrelief auf der Frontplatte, werden
schlafend dargestellt, wobei ihre Oberkörper leicht erhoben und ihre Köpfe auf dem
jeweils linken Arm aufgestützt sind.806 Auch die gekreuzte Beinhaltung von Sanzio
ähnelt dem „sansovinischen Typus“.807 Sollte es sich bei dem Vitagliano-Grabmal
tatsächlich um eine Rezeption dieses höchst modernen römischen Grabmalstyps
handeln, dann läge dies aber nicht, wie Götzmann für den römischen und
norditalienischen Kontext argumentiert, an dem sozialen Status der Auftraggeber als
geistliche Würdenträger, die diese „Chiffre für Erfolg“ verstärkt an ihren Grabmälern
einsetzten.808 Sanzio ist hier entsprechend seiner Stellung als Höfling präsentiert,
während seine Frau demutsvoll das Franziskanergewand trägt. Außerdem handelt es
sich bei dem neapolitanischen Monument nicht um einen aufwendig all’antica
gearbeiteten Sarkophag, sondern um eine einfache Kastenform, die sicherlich aufgrund
der Doppelbelegung des Grabmals zu argumentieren ist, denn nur so war auch der Platz
für die Darstellung der Ehefrau auf der Frontseite gewährleistet.
Ippolitas rechter Arm ist locker auf den Körper gelegt. In der durch das Anwinkeln
entstehenden Linienführung wird der Blick des Betrachters auf den Zeigefinger gelenkt,
804
Zur zumindest für neapolitanische Ehegrabmäler typischen Anbringung der Frau in leicht erhabenem
Relief auf der Frontplatte des Sarkophags und des Mannes als vollplastische Figur auf dem
Sarkophagdeckel siehe Michalsky, Conivges, 2005.
805
Siehe dazu zuletzt Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, bes. S. 31-49, zu den beiden genannten
Grabmälern S. 57-100, die sie als „Prototypen“ bezeichnet. Vgl. ebd., S. 14. Überzeugend ist ihr
Argument, dass der zeitgenössische Historiograph Leandro Alberti „in seiner Abhandlung [Descrittione
di tutta Italia von 1551] […] die ersten beiden Monumente in Italien aufführt, die diese neuartige
Typologie prägten.“ Und zwar eben jene beiden von Sansovino geschaffenen Kardinalsgrabmäler. Vgl.
ebd., S. 33f. Außerdem zu möglichen etruskischen und spanischen Vorbildern sowie
kulturgeschichtlichen Einflüssen, wie dem Gelehrtenstreit um die menschliche Seele, der erst auf dem
Fünften Laterankonzil von 1513 beendet wurde, siehe Ascher, Form and Content, 2002; Röll, Do we
affect, 1998. Diese und ältere Forschungsliteratur wurde zuletzt von Götzmann kritisch reflektiert, bes.
S. 35-39.
806
Das Motiv des Schlafens wurde schon am Ende des 15. Jahrhundert in der Kunst thematisiert und
blieb auch für die Folgezeit eines der wichtigen Themen theologischer und philosophischer Debatten.
Siehe dazu Röll, Do we affect, 1998, bes. S. 175f. Darüber hinaus ist für Götzmann, Römische
Grabmäler, 2010, S. 40, dieses neuartige Motiv „bildlicher Ausdruck einer veränderten Ikonographie des
Todes“.
807
So mehrfach bezeichnet bei Götzmann, Römische Grabmäler, 2010.
808
Vgl. ebd., S. 49, zitiert nach Martin Gaier.
190
Grit Heidemann-Schirmer
der subtil auf die darunter liegende Inschrift verweist, und zwar explizit auf die
Textpassage „reg. aragon. alumno“. In derselben vertikalen Achse ist auch Sanzios
rechte Hand positioniert, die sich zwar auf ein Buch stützt, aber mit den Fingern
ebenfalls nach unten auf die entsprechende Inschriftstelle hindeutet.809 Die an den
beiden Figuren eingesetzte visuelle Blickführung wird demnach ganz bewusst auf den
sozialen Status des Verstorbenen Vitagliano gelenkt und unterstreicht damit den Bezug
zu den Aragonesen, mithilfe dessen sich die Familie in Neapel legitimierte.
Abgesehen von Bezugnahmen zu römischen Grabmälern lässt sich auch in der
süditalienischen Residenzstadt ein zeitnahes Vergleichsbeispiel finden, das die
Zuordnung des Monuments an eine bestimmte Bildhauerwerkstatt erlaubt. Es handelt
sich um das Doppelgrabmal für Giovannello Cuncto und Lucrezia Filangieri di Candida
(Abb. 80), das nachweislich von Giovan Tommaso Malvito ab 1516 in Santa Maria
delle Grazie a Caponapoli errichtet wurde.810 Demzufolge wird die Datierung des
Vitagliano-Grabmals in die 1510er Jahre gelegt und man geht von Tommaso Malvito
beziehungsweise dessen Sohn Giovan Tommaso Malvito als ausführenden Bildhauer
aus.811
Wenn auch die aufgrund der Inschrift („erigendum curavit“) vorgenommene Datierung
der älteren Forschung auf 1497 heute nicht mehr aus den genannten Gründen haltbar
ist,812 so muss man dennoch davon ausgehen, dass zu diesem Zeitpunkt zumindest
schon die Planung eines Grabmals durch Nicola Francesco Vitagliano für seine Eltern
erfolgt war. In diesem Sinne sei auf das – zumindest für die römischen Demigisants
mittlerweile in der Forschung als Vorbild revidierte – Grabmal für Don Martín Vázquez
de Arce (†1486, Abb. 81) in der Kathedrale von Sigüenza in Spanien verwiesen, das um
1491 von einem unbekannten Bildhauer gefertigt wurde.813 Es kann nicht nachgewiesen
werden, ob Tommaso Malvito, sein Sohn oder gar der Auftraggeber des VitaglianoGrabmals selbst dieses spanische Monument kannten, trotzdem ist die Einflussnahme
809
Zum Buch als einem Attribut römischer Demigisants siehe Ascher, Form and Content, 2002, S. 325.
Siehe dazu Michalsky, Conivges, 2005, S. 79; Abbate, La scultura, 1992, S. 72.
811
Siehe Michalsky, Conivges, 2005, S. 79; Abbate, La scultura, 1992, S. 71f. Zu Giovan Tommaso
Malvito siehe auch Muñoz, Studii, 1909.
812
Auf 1497 datieren es Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 158; Thoenes, Neapel, 1971, S. 214; Muñoz,
Studii, 1909, S. 97f.
813
Dazu im Kontext des italienischen Demigisants siehe Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, bes.
S. 35-39; Ascher, Form and Content, 2002, bes. S. 316; Röll, Do we affect, 1998, S. bes. 155-157.
Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal am spanischen Vorläufer ist die aktive Darstellung der Ritterfigur
mit offenen Augen und ein Buch lesend.
810
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
191
von Spanien nach Neapel aufgrund der seit dem 15. Jahrhundert engen politischen
Beziehungen nicht von der Hand zu weisen und somit überdenkenswert.814
Weitere neuartige Motive zeichnen das Doppelgrabmal aus. So wird an der Frontplatte
des Sarkophags zu Füßen Ippolitas ein Putto mit einer brennenden Fackel präsentiert –
ein Attribut, das laut Götzmann den „Aufstieg und [die] Unsterblichkeit der Seele
symbolisier[t]“.815 Dementsprechend ist unter dem Rundbogen des Grabmals der von
zwei knienden Engeln flankierte Heiland im Halbrelief dargestellt, der den beiden
scheinbar schlafenden Verstorbenen in der darunter befindlichen Ebene „die
Auferstehung […] in Aussicht [stellt].“816
Festzuhalten bleibt, dass das von Antonio Piccolomini beauftragte Grabmal für Maria
von Aragon (Abb. 62), welches nicht nur durch den Einsatz einer rahmenden
Triumphbogenarchitektur den für Neapel neuen Typus des Wandnischengrabes
etablierte, sondern zugleich auch im Detail zahlreiche antikisierende Elemente
präsentierte, wegweisend für die am Königshof tätigen Protagonisten wurde. Es war
sicherlich in Ermangelung anderer Grabmäler für Angehörige aus dem königlichen
Hause vorbildhaft für viele Grabmalsaufträge der Folgezeit, und zwar nicht nur für die
Neuen in der Stadt, sondern auch vereinzelt für die Monumente alteingesessener
Adliger.817
Überdies fanden weitere innovative Grabmalstypen ihren Einzug in Neapel. So sei noch
einmal auf den all’antica gefertigten, eigenständigen Sarkophag für Gabriele Correale
(Abb. 68) ebenso wie auf das hängende Wandgrab für Costantino Castriota (Abb. 78)
verwiesen, die beide zwar ohne Nachfolge im quattrocentesken Neapel blieben – soweit
sich das aus dem überlieferten Denkmälerbestand rekonstruieren lässt – und dennoch
die neapolitanische Grabmalslandschaft bereicherten. Auch das höchst innovative Motiv
des Demigisants am Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita Imperato
(Abb. 79) ist zu nennen, trotz seiner nach dem relevanten Untersuchungszeitraum
datierten Ausführung.
814
Es fehlen bislang eingehende Studien zur Malvito-Werkstatt, insbesondere im Kontext der zunehmend
spanischen Klientel in Neapel, wo seit 1504 die spanischen Vizekönige regierten. In der bisherigen
rudimentären Forschung werden Tommaso Malvito zumindest „a good understanding of structural
problems and a knowledge of modern building methods“ attestiert und seine Beziehungen zu Rom
angeführt. Siehe Ascher, Tommaso Malvito, 2000, Zitat S. 126; Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 147151.
815
Götzmann, Römische Grabmäler, 2010, S. 39.
816
Michalsky, Conivges, 2005, S. 80.
817
Siehe dazu noch einmal Kap. IV.2.2.
192
Grit Heidemann-Schirmer
Selbst der die Grabmäler umgebende Kapellenraum erfuhr durch die neue
Auftraggeberschaft der immigrierten Adligen eine Transformation, insbesondere was
seine architektonische Raumauffassung betraf. Dies geht im neapolitanischen Kontext
einher mit dem Aufkommen eines für die süditalienische Hauptstadt völlig neuartigen
Monumenttyps – der marmornen und im Dekor ausformulierten Sitzbank (Sediale). Als
„Prototyp“818 gilt der Sediale für Antonio Piccolomini (Abb. 64), der durch spezifische
Formfindungsprozesse entstanden ist und in der Folgezeit in zahlreichen weiteren
Grabkapellen (beispielsweise in den Kapellen Correale und d’Alessandro) als besonders
geeignetes Repräsentationsmedium mit der zugleich inhärenten liturgisch wichtigen
Memorialfunktion rezipiert wurde.819 Das Auftraggeberumfeld dieses innovativen
Kapellenmobiliars lässt sich für das späte 15. Jahrhundert eingrenzen auf die Nobili
fuori
Piazza
zusammen
mit
einigen
niederen
Seggio-Adligen,
die
soziale
Schnittmengen basierend auf dem gemeinsamen Netzwerk am aragonesischen Hofe
erkennen lassen.820
Die Grabmäler und Kapellen der Neuen in der Stadt zeichneten sich folglich durch
gruppenspezifische Merkmale aus, die durch den Einsatz innovativer Typen und
antikisierter Formen zu charakterisieren sind. Eine wichtige Grundlage bildeten die
Schriften und Traktate der am aragonesischen Hof geförderten und großteils ebenfalls
von auswärts kommenden Humanisten, unter denen insbesondere Giovanni Pontano
hervorzuheben ist. Er vermittelte ein neues Verständnis von Adel, wodurch er sich
bewusst von den Schriften des zur Maggiore Nobiltà gehörenden Tristano Caracciolos
distanzierte, und lieferte den Neuen in der Stadt ein mondänes Identifikationsangebot
gegenüber dem alten Adel, das sich beispielhaft und zugleich singulär in seiner eigenen
Familienkapelle manifestierte.821 Diese wurde von Pontano, der zwar in den
818
Michalsky, Seggi und Sediali, 2005, S. 191.
Dazu auch Hersey, Alfonso II, 1969, S. 117: „Taken together, the two chapels [Piccolomini und
Correale] fulfill those aspects of the renewal that could be expressed in liturgical sculpture. […] With the
construction of these rooms, furthermore, the Neapolitan funeral monument entered a new phase […].”
820
Erst nach dem Herrschaftswechsel zum Beginn des 16. Jahrhunderts wird der Sediale auch in einigen
Grabkapellen der neapolitanischen Maggiore Nobiltà eingeführt. In Kombination mit dem Grabmal
erweisen sich jedoch dafür vor allem die im späten 15. Jahrhundert errichteten Carafa-Grabmäler aus der
Cappellone del Crocifisso in San Domenico Maggiore als Vorbilder. Dazu noch einmal Kap. IV.2.1. und
IV.2.2.
821
Zu Giovanni Pontano siehe vor allem De Divitiis, Giovanni Pontano, 2010; Monti Sabia, Giovanni
Gioviano Pontano, 2009; Roick, Der sichere Hafen, 2008; Finzi, Re, 2004; Bentley, Politics and Culture,
1987, bes. S. 127-134, 182-194. Außerdem http://www.treccani.it/enciclopedia/giovanni-pontano/
(21.08.2012). Zur Cappella Pontano, die als familiäre Eigenkirche den Weihetitel SS. Maria e Giovanni
Evangelista erhielt, siehe De Divitiis, Giovanni Pontano, 2010, bes. S. 121-130; Naldi, Tra Pontano,
2008; Michalsky, Congivges, 2005, S. 82-84; Regina, Napoli antica, 1994, S. 127-131; Thoenes, Neapel,
819
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
193
neapolitanischen Adel aufstieg, sich aber zeitlebens als „Umbrier“ verstand,822 in der
Nähe seines Palastes zwischen 1490 und 1492 inmitten des Seggio di Nido errichtet, um
einen adäquaten Begräbnisort für seine verstorbenen Familienangehörigen sowie für
sich selbst (†1503) zu schaffen.823 Dabei verdeutlicht die Cappella Pontano sehr
eindrücklich die Affinität des berühmten Humanisten zur antiken Bauweise, die in
seinem Traktat „De magnificentia“ – bezeichnenderweise kurz nach Errichtung der
Kapelle verfasst – als geeignetes Vorbild für die zeitgenössische Architektur
argumentiert wird.824 Mit der Propagierung der antiken Kultur und Wertvorstellungen
hielt auch eine auf die Antike zurückweisende Formensprache nachhaltig Einzug in die
neapolitanische Grabmalslandschaft und ebnete somit den Weg der Renaissance.
Die an den Formfindungsprozessen beteiligten Bildhauer Jacopo della Pila, Antonio
Rossellino, Benedetto da Majano und Tommaso Malvito kamen bezeichnenderweise
ebenfalls als Auswärtige nach Neapel und ermöglichten einen Transfer der zum Teil in
1971, S. 263-265; Pane, Il Rinascimento (II), 1977, S. 199-205; Alisio, La Cappella, 1963/64; Pane,
Architettura, 1937, S. 247-253; Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926; Sarnelli, Guida de’ forestieri,
1685, S. 81-88; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 72r-77v.
822
Pontano wurde 1429 in eine kleinadlige Familie im umbrischen Cerreto di Spoleto hinein geboren, er
verbrachte seine Studienjahre in Perugia und kam 1448 im Gefolge des vom Toskana-Feldzug
heimkehrenden König Alfons I. von Aragon nach Neapel. Dort durchlief er eine fulminante Karriere am
Hofe als königlicher Berater, Hauslehrer und königlicher Sekretär, weitaus berühmter wurde er aber
durch seine zahlreichen gelehrten Schriften und Traktate sowie in seiner Leitungsposition der
humanistischen Akademie Neapels. Auch wenn die süditalienische Residenzstadt zu seiner neuen Heimat
geworden war, so blieb sein Selbstverständnis als Umbrier zeitlebens bestehen. Darauf verweist Monti
Sabia, Giovanni Gioviano Pontano, 2009, S. 78 u. 84. Zu seinen Schriften siehe u.a. De Divitiis, Giovanni
Pontano, 2010; Sabia, Giovanni Gioviano Pontano, 2009, bes. S. 80f., 83f., 86; Pontano, De principe,
2003; Pontano, I libri, 1999; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 37-50.
823
Pontano ließ die Familienkapelle errichten, kurz nachdem seine Frau Adriana Sassone gestorben war.
Das Gebäude wurde zu Recht schon von Pontanos Freund und Akademiemitglied Jacopo Sannazaro mit
einem antiken Tempel verglichen. Darauf verweist De Divitiis, Giovanni Pontano, 2010, S. 127. Zur
Gestalt als Tempel siehe auch der Titel von Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926. Der ausführende
Architekt ist nicht überliefert. Zum Problem der Zuschreibung siehe ebd., S. 26-28; Alisio, La Cappella,
1963/64, S. 32f. In der weiteren Forschung wird Francesco di Giorgio Martini und sein Umkreis
vermutet. So bei Thoenes, Neapel, 1971, S. 263. Das Besondere des Baus sind die zahlreichen in Latein
und Griechisch verfassten Inschriften, welche sowohl die Außenwände als auch das Kapelleninnere
zieren. Zu den von Pontano gesammelten griechischen und lateinischen Inschriften, die an den
Kapellenwänden angebracht sind, siehe vor allem Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926, S. 33-41. In
ihrer Außengestaltung weist sie deutliche Bezüge zu antiken Bauten auf. Im Innern finden sich dagegen
nur wenige Ausstattungselemente, mit Ausnahme des Altars, der bemerkenswerterweise eine profane
Reliquie beherbergt, und zwar einen Arm des römisch-antiken Geschichtsschreibers Titus Livius, der zu
den wichtigsten Vorbildern Pontanos gehörte. Der Raum ist darüber hinaus der Erinnerung seiner
verstorbenen Familienangehörigen sowie eines Freundes vorbehalten, darunter seine Frau, seine Tochter
Lucia Marzia, seine Söhne Lucio Francesco und Lucillo sowie sein Freund Pietro Golino. Die enge
Verzahnung von christlicher Grabstätte und antikem Kultort bildet das Spezifikum der Cappella Pontano,
die inmitten des Stadtraums von Neapel der höchst individuellen Inszenierung eines Hofhumanisten
diente. Zum Altar siehe Filangieri di Candida, Il tempietto, 1926, S. 16. Zu den Epitaphien im Wortlaut
siehe vor allem ebd., S. 9-15; De Stefano, Descrittione, 1560, f. 72r-77r.
824
Zur Schrift „De magnificentia“, die Teil seiner Abhandlung zu den Tugenden ist, siehe
Ebbersmeyer/Kessler/Schmeisser, Ethik, 2007, S. 278-339; Pontano, I libri, 1999, S. 165-219; Pontani,
De Magnanimitate, 1969.
194
Grit Heidemann-Schirmer
Nord- und Mittelitalien generierten Grabmalstypen. Es waren jedoch die adligen
Auftraggeber, die konkrete Vorstellungen in Bezug auf bereits bestehende Monumente
hatten und diese durch die beauftragten Bildhauer zeichenhaft und auf Dauer umgesetzt
wissen wollten. Dies betraf auch den die Grabmäler umgebenden Kapellenraum. Erneut
ist dazu das Beispiel der Cappella Piccolomini zu nennen, das den Transfer
florentinischen Formenvokabulars so konsequent umsetzte, wie es im Neapel des
15. Jahrhunderts bis dahin noch nicht geschehen war.825 Es sollte in derselben Kirche
wenige Jahre später zu einer weiteren Übernahme der Florentiner Bauweise der
Frührenaissance kommen, die zwar in ihrer Ausstattung keinen Bezug zur PiccolominiKapelle erkennen lässt, wohl aber in ihrer für Neapel innovativen Architektur.826
V.4. Die Cappella Tolosa – Zeichensetzung eines immigrierten Aufsteigers
Bei der Cappella Tolosa handelt es sich um einen Neubau, der in Santa Maria di
Monteoliveto im linken Querarm (Abb. 58) am Ende des Quattrocento angefügt
wurde.827 Wie die Cappella Piccolomini so hat auch die Tolosa-Kapelle die toskanische
Bauweise übernommen, folgt jedoch anderen Vorbildern, die in ihrer Auswahl
wiederum dem Selbstverständnis des Auftraggebers zuzurechnen sind.828
Paolo Tolosa war ein Händler aus Katalonien, der während der spanischen Inquisition
nach Neapel gekommen war und mit Finanzgeschäften am aragonesischen Hof reich
825
Es war zwar gängige Praxis, Künstler aus Florenz und anderen Städten Nord- und Mittelitaliens nach
Neapel zu holen, doch hatten sich diese großteils nach dem dortigen Formenvokabular zu richten. Siehe
dazu u.a. Michalsky, The local eye, 2008. Zu den lombardischen, toskanischen und spanischen Künstlern
in Neapel außerdem Negri Arnoldi, La scultura, 1994, S. 140-147; Abbate, La scultura, 1992, S. 5-102.
826
Die Kapellen Piccolomini, Correale und Tolosa werden vor allem hinsichtlich ihrer Architektur als die
drei Renaissance-Kapellen der Kirche zusammen aufgeführt bei Pepe, Le tre cappelle, 1998; Pane, Il
Rinascimento (I), 1975.
827
Zur Kapelle siehe vor allem Maione, Paolo Tolosa, 1942, bes. S. 5-8. Außerdem Guerra, De’ dipinti,
1865; Lorenzetti, Gli affreschi, 1937; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 229-238; Pepe, Le tre cappelle,
1998, S. 97-112; Venditti, La fabbrica, 1999, S. 49-83; Heidemann, Neu in der Stadt, 2011. Die
Datierungen fallen unterschiedlich aus. Pane datiert die Kapelle auf 1492-95, Venditti nennt den Zeitraum
1485-90, Lorenzetti 1495-1510, dahingegen datiert Maione die Kapelle auf 1507-08, dem auch Pepe
folgt.
828
Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 109, weist darauf hin, dass sich die Cappella Tolosa in ihrer Gestalt
sehr stark von den anderen Bauten im damaligen Neapel unterscheidet und demzufolge höchst innovativ
im lokalen Kontext war. Sie transferiere die von Filippo Brunelleschi erbaute Alte Sakristei und die von
ihm konzipierte Cappella Pazzi in den Florentiner Kirchen S. Lorenzo und S. Croce nahezu als direkte
Zitate nach Neapel. Vgl. ebd., S. 98. Zur Vorbildfunktion dieser beiden Florentiner Bauten siehe auch
Hersey, Alfonso II, 1969, S. 110; Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 238; Venditti, La fabbrica, 1999,
S. 60.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
195
wurde.829 Höhepunkt seiner Karriere war die Nobilitierung und Aufnahme in den
niederen Seggio di Portanova im Jahre 1486.830 Es erscheint plausibel, den darauf
folgenden Zeitraum für die Stiftung seiner Familienkapelle anzusetzen, die seinem
sozialen Aufstieg eine sichtbare Geltung verlieh. Dazu wählte er als Standort die Kirche
der Aragonesen aus, denen er seine Karriere in Neapel verdankte.
Die Kapelle (Abb. 82) besteht aus einem Hauptraum mit quadratischem Grundriss, dem
sich ein kleiner Altarraum als Annex anfügt. Während nicht nur ihre Lage und ihr
Zugang in der Kirche, sondern auch die Grundrissform offensichtlich auf die Alte
Sakristei von San Lorenzo in Florenz rekurriert, begegnen die Schirmkuppel und die
Tondi mit den vier Evangelisten in den Bogenzwickeln in der Florentiner Cappella
Pazzi.831 Ein Grabmal für Paolo Tolosa ist nicht überliefert.832 Ausgehend von
Schedlers Überlegungen, dass die Pazzi-Kapelle offenbar ohne Grabmal geplant war
und als „reines Memorium“833 der Familie Pazzi dienen sollte, könnte man eine
Übernahme dieser Funktion auch bei der neapolitanischen Cappella Tolosa vermuten,
wodurch sie nicht nur formale Parallelen erkennen ließe.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich Paolo Tolosa durch den gleichen sozialen Status
mit dem Florentiner Auftraggeber verbunden fühlte – beide waren reiche Kaufmänner
und Bankiers –, sodass er gerade dieses Bauwerk als Vorbild für seine Familienkapelle
in Neapel auswählte.834 Die in einigen Details abweichenden architektonischen
Elemente, welche ihre Vorläufer dagegen in der Alten Sakristei von San Lorenzo
finden, könnten durch den Anspruch des ausführenden Architekten in Neapel zu
829
Zu seiner Person siehe vor allem Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 5-9; Guerra, De’ dipinti, 1865,
S. 214f. Das Todesdatum und der Bestattungsort von Paolo Tolosa sind nicht überliefert. Dagegen finden
sich noch für das Jahr 1508 Einträge zu seiner Person in der neapolitanischen Chronik des Notars
Giacomo. Darauf verweist Lorenzetti, Gli affreschi, 1937, S. 9. Allgemein zur Finanzpolitik unter den
Aragonesen, die vor allem unter Alfons I. von Aragon insbesondere durch katalanische Bankiers in
Neapel betrieben wurde, siehe Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, Kap. VI, bes. S. 188-191.
830
Siehe dazu Tutini, Del origine, 1644, S. 209.
831
Zur Alten Sakristei in S. Lorenzo, die um 1422-29 datiert wird und von Giovanni di Bicci de’ Medici
gestiftet wurde, dessen Grabmal sich inmitten des Hauptraums befindet, siehe u.a. Schedler, Filippo
Brunelleschi, 2004, bes. S. 7-11. Zur Cappella Pazzi, die 1442-69 als neuer Kapitelsaal für den Konvent
von S. Croce erbaut wurde, siehe u.a. ebd., bes. S. 18-33; Gargani, La cappella Pazzi, 1998. Die Tondi in
der Cappella Tolosa werden Andrea della Robbia zugeschrieben. Diese sollen sich erst in der Cappella
del S. Sepolcro im rechten Querschiffarm befunden haben, bevor sie in die Cappella Tolosa gelangten.
Siehe dazu Pane, Il Rinascimento (I), 1975, S. 238; Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 102f.
832
Allein Guerra, De’ dipinti, 1865, S. 214f., bezeichnet die Kapelle als „cappella funebre“. Er erwähnt
ein „memoria eretta a Paolo Tolosa vescovo di Bovino“ in der Unterkirche von SS. Apostoli, welches von
dessen Neffen Aloisio Sanseverino da Bisignano gestiftet worden sei. Dabei handelt es sich jedoch um
den 1619 verstorbenen gleichnamigen Bischof und nicht um den hier thematisierten spanischen Händler.
833
Schedler, Filippo Brunelleschi, 2004, S. 22.
834
Andrea Pazzi (1372-1445) gehörte zur Gruppe von Florentiner Patriziern der „Anti-Medici-Partei“, die
sich bezeichnenderweise bevorzugt S. Croce zuwandten, um eine Präsenz der Medici-Anhänger in dieser
Kirche zu unterbinden. Als Andrea Pazzi 1445 starb, wurde er nicht in seiner Familienkapelle bestattet,
sondern in der Klosterkirche von S. Croce. Siehe dazu ebd., S. 21f.
196
Grit Heidemann-Schirmer
erklären sein, der sich damit in die Nachfolge des berühmten Filippo Brunelleschi
stellte. Trotz des fehlenden Stiftergrabmals war die Cappella Tolosa nachweislich mit
reichlich anderem Mobiliar ausgestattet. So befand sich einst an den Seitenwänden ein
Gestühl mit sehr fein gearbeiteten Holzintarsien, die heute in der Neuen Sakristei von
Monteoliveto aufbewahrt werden.835 Auch die Majolikafliesen mit den Emblemen des
Stifters, die den Fußboden der Kapelle schmückten, sind heute nicht mehr an ihrem
ursprünglichen Ort,836 ebenso wie das von Bernardo Pinturicchio gemalte Altarbild, das
die „Himmelfahrt Marias“ zeigt und sich heute im Museo di Capodimonte befindet.837
Demgegenüber haben sich dank der umfangreichen Restaurierungen die Wandfresken
größtenteils erhalten.
Die Freskenausmalung
Mit Ausnahme des Annex sind an den drei verbleibenden Kapellenwänden Fresken
angebracht, die um 1500 datiert werden.838 Über dem Kapelleneingang (Abb. 83) ist die
Bekehrung des Hl. Paulus sehr eindrücklich in einer weiten, die gesamte Wandbreite
einnehmenden Landschaft dargestellt. An den Seitenwänden folgen Figurenpaare, die
um die Fenster arrangiert sind und im Hintergrund illusionistisch genau jenen
Kapellenraum wiedergeben, der sie umfängt.839 An der rechten Kapellenwand (Abb. 84)
begegnen – in der Blickrichtung vom Eingang zum Altar – der Ordensheilige Benedikt,
der Ordensgründer Bernardo Tolomei und der Kapellenstifter Paolo Tolosa, welcher vor
dem Hl. Paulus kniet. Auf der gegenüberliegenden Seite (Abb. 85) schließen sich der
selig gesprochene Bernardo Tolomei, sein Weggefährte Ambrogio Piccolomini sowie
der vor dem Hl. Petrus kniende König Alfons II. von Aragon an.840
835
Diese sehr aufwendig gearbeiteten Intarsien wurden ähnlich wie jene in der Sieneser Mutterkirche von
dem Olivetaner Fra Giovanni da Verona Anfang des 16. Jahrhunderts angefertigt und im 17. Jahrhundert
in die Neue Sakristei verlagert. Siehe dazu u.a. Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 108; Venditti, La fabbrica,
1999, S. 62; Pane, Tavola Strozzi, 2009, S. 88-93. Giovanni da Verona wird auch als ausführender
Künstler bei der Ausstattung der Cappella Tolosa vermutet. Siehe dazu Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 99.
836
Zum Paviment siehe Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 111.
837
Siehe dazu Venditti, La fabbrica, 1999, S. 62. Anstelle des originalen Altarbildes ist heute in der
Kapelle ein Triptychon angebracht, das aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammt und die
thronende Madonna zwischen den Heiligen Antonius und Hieronymus zeigt.
838
Siehe dazu vor allem Guerra, De’ dipinti, 1865; Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 19f.; Venditti, La
fabbrica, 1999, S. 61. Die Künstlerzuschreibungen gehen von Cristoforo Scacco bis zu Bernardo
Penturicchio, dem auch das Altarbild attestiert wird.
839
Darauf verweist auch Guerra, De’ dipinti, 1865, S. 220.
840
Ambrogio Piccolomini gehörte zu den Gründern des Olivetanerordens, der von Papst Johannes XXI.
bestätigt worden war. Daraufhin wurde die Mutterkirche Monteoliveto Maggiore bei Siena errichtet. Laut
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
197
Das Bildprogramm der Kapelle nimmt also ganz offensichtlich Bezug sowohl auf die
Geschichte des ansässigen Olivetanerordens als auch auf den Stifter selbst, und zwar
nicht nur mithilfe seiner persönlichen Darstellung und der Familienembleme, sondern
auch durch das mehrfache Auftreten seines Namenspatrons, den Hl. Paulus, sowie
seines königlichen Förderers. Die Gegenüberstellung des Neuadligen mit dem
aragonesischen König schafft somit eine visuelle Verbindung beider Protagonisten, die
für die Umsetzung der Kapelle und der Kirche maßgebend waren. Gleichsam wird
erneut ein Verweis auf das Königshaus gegeben, dem Paolo Tolosa seine Karriere in
Neapel verdankte.
Der in den Adelsstand aufgestiegene spanische Händler hatte sich mit dieser
Familienkapelle ein Denkmal in der aragonesischen Residenzstadt gesetzt, die durch
ihre außergewöhnliche Gestalt und reiche Ausstattung das Bedürfnis nach
Selbstinszenierung eines erfolgreichen sozialen Aufsteigers adäquat vermittelte.841
Dabei diente die Synthese zweier Florentiner Sakralbauten, wie sie aufgrund der
politischen Brisanz ihrer konkurrierenden Auftraggeber nur außerhalb von Florenz
möglich
war,
dem
neuadligen
Spanier
in
Neapel
für
seine
eigenen
Repräsentationszwecke.842 Ein weiteres Beispiel einer ebenfalls aus Spanien
stammenden
Auftraggeberfamilie
verdeutlicht
die
Vielfältigkeit
von
Inszenierungsstrategien der Adligen am Ende des 15. Jahrhunderts.
V.5. Soziale Anerkennung durch formale Angleichung? Das Grabmal für Giovanni
Cavaniglia in Santa Maria di Monteoliveto
Giovanni Cavaniglia war der zweite Sohn des aus dem spanischen Valencia
stammenden Adligen Garcia Cabanillas, der im Gefolge des Königs Alfons von Aragon
Guerra wurde Ambrogio von Papst Pius II., ehemals Enea Silvio Piccolomini, selig gesprochen. Das
angegebene Datum 1406 ist jedoch mit den historischen Daten des Papstes nicht vereinbar. Siehe ebd.,
S. 213 u. 221; Maione, Paolo Tolosa, 1942, S. 18.
841
So auch Pepe, Le tre cappelle, 1998, S. 109. Ein ähnliches Beispiel ist die in ihrer Form und
Gestaltung ebenfalls außergewöhnliche Cappella Miroballo in San Giovanni a Carbonara, die von
Giovanni Miroballo 1454 gestiftet worden war. Es handelt sich dabei um einen neapolitanischen Bankier,
der für den aragonesischen Königshof arbeitete und 1444 vom König in den Adelsstand erhoben wurde.
Seine Bank gehörte zu den wichtigsten Geldgebern von Alfons. Dazu und zu seiner Person siehe Ryder,
The Kingdom of Naples, 1976, S. 120, 157f. u. 182-188. Zur Cappella Miroballo vor allem Filangieri di
Candida, La chiesa, 1924, S. 62-69; Abbate, La scultura, 1992, S. 5-48.
842
Zur Auseinandersetzung der Pazzi mit den Medici im Kontext der beiden Sakralbauten siehe noch
einmal Schedler, Filippo Brunelleschi, 2004, S. 21f.
198
Grit Heidemann-Schirmer
nach Süditalien gekommen war.843 Garzia hatte eine erfolgreiche Karriere als
königlicher Gesandter und Berater zu verzeichnen, die ihm mehrere Lehnsgüter sowie
feudale Titel in Süditalien einbrachte.844 So erhielt er nach der Eroberung des
süditalienischen Reiches 1442 von Alfons die Grafschaft Troia zum Dank für seine
Unterstützung, zugleich folgte er dem Wunsch des Königs und heiratete die
neapolitanische Adlige Giulia Caracciolo.845 Alfons vertraute Garzia so sehr, dass er ihn
1453 zum Berater seines Thronerben Ferrante von Aragon ernannte, den er auf dem
Feldzug in die Toskana begleiten sollte, dabei jedoch tödlich verwundet wurde.846 Für
seine Familie galt Garzia fortan als „Stammvater“,847 dem sie ihren Status in Süditalien
zu verdanken hatte.
Als der Vater 1453 starb, war Giovanni neun Jahre alt. Seiner Mutter ist es zu
verdanken, dass er dennoch als unmittelbarer Erbe der von Garzia erworbenen
Ländereien und Titel anerkannt wurde.848 Während er 1459 dem neu gekrönten König
Ferrante von Aragon den Treueid leistete, berichten die Quellen über sein weiteres
Leben vor allem von Misserfolgen, aufgrund derer Giovanni erkrankt sei und schon
1473 mit 30 Jahren und ohne eigene Nachkommen in Neapel verstarb.
In Santa Maria di Monteoliveto unterstand die dritte Kapelle im linken Seitenschiff
(Abb. 58) ursprünglich dem Juspatronat der Familie Cavaniglia.849 Es ist nicht
843
Zu seiner Vita siehe vor allem Petrucci, Cavaniglia, 1979; Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 136-140.
Im Folgenden wird der ins Italienische transferierte Name Garzia Cavaniglia verwendet.
844
Auch Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, S. 59, spricht bei Garzia Cavaniglia von einem „trusted
Spaniard“, dem König Alfons im April 1445 die Städte Montella, Bagnoli und Cassano übertrug.
845
Zur eigenen Machtsicherung stattete Alfons seine spanischen Gefolgsleute nach der Eroberung des
süditalienischen Königreiches mit reichlich Ländereien und Titel im neuen Herrschaftsgebiet aus und
verheiratete sie bevorzugt mit den lokal ansässigen Adelsfamilien. Siehe dazu Cantabene, La
committenza, 2007, S. 135. Außerdem Ryder, The Kingdom of Naples, 1976, bes. S.55-66.
846
Garzia hatte sein Testament schon im Mai 1450 aufgesetzt. Darauf verweist Scandone, I Cavaniglia,
1923, S. 139, Anm. 5. Er wurde in der Kirche S. Francesco in seiner Grafschaft Troia bestattet, wo ihm
seine Ehefrau eine Kapelle und ein Grabmal errichten ließ, das heute – so Petrucci – verloren sei. Vgl.
Petrucci, Cavaniglia, Garzia, 1979, S. 15. Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140, Anm. 1, liefert eine
Beschreibung des marmornen Grabmals, auf dem sich die Liegefigur des bewaffneten Verstorbenen
befand und folgende Inschrift angebracht war: „Hic, quem clara genuit propago/ De Gabanillis,
Hispaniae decus magnatum nobiliumque/ magnanimus dux procerum fuit ipse Gargias/ qui dum humanis
gloriosum nomen adeptus/ statum regni huius solerti diurnaque cura/ atque nocturna indefessis viribus
egit/ summo pro Alphonso utriusque Sicilie rege/ lapis ossa tegit spiritusque ad astra volavit/ anno
domini MCCCCLIII secunda indictione, mense decembris.“
847
Cantabene, La committenza, 2007, S. 141.
848
Zu seiner Person siehe vor allem Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140-145.
849
Zu einem späteren Zeitpunkt wurde die Kapelle von der neapolitanischen Adelsfamilie Vassallo
übernommen. Das genaue Datum ist nicht überliefert. Dafür gibt De Lellis einen Anhaltspunkt. Er
berichtet, dass Luigi Gattola, Sohn von Diana Cavaniglia, als letzter des Familienzweiges nicht nur die
Grafschaft Montella, sondern auch die Familienkapelle in Neapel erbte. In dieser ließ er 1629 für seine
verstorbene Mutter ein heute verlorenes Epitaph gegenüber dem Grabmal für Giovanni Cavaniglia
anbringen, das folgenden Wortlaut hatte: „Dianae Cabanigliae e Troiae, et Montellae sub Alfonso I, et.
Ferdin. I. Aragoneis. Regibus ducentum ante annos bellica virtute comitibus ab Garsia primo Comite
continenti sobole Montellae Comitissae parenti pientissime, et benemerenti posterisque suis Comitibus
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
199
überliefert, ob diese von Garzia oder von seinen Nachkommen gestiftet wurde.850 In den
Quellen findet erst das dort befindliche Grabmal für Giovanni Cavaniglia Erwähnung,
das seine Mutter nach dem verfrühten Tod des Sohnes in Auftrag gegeben hatte.851 Es
ist von einem „maestoso sepolcro“852 aus weißem Marmor die Rede, über dem folgende
Inschrift angebracht war: „Joannes de Cabagnellis Troiae Comes fati acerbitate luctus
perpetuus, quibus merito maxima erat spes. Obijt Anno MCCCCLXXIII. Vixit annos
XXX.”853
In der Cappella Cavaniglia begegnen heute nur noch Fragmente eines Grabmals
(Abb. 86), die zu einer unbestimmten Zeit in die östliche Kapellenwand eingemauert
wurden. Darunter befindet sich eine Inschriftentafel, die einen deutlich späteren
Schriftzug trägt.854 Ihrem Wortlaut zufolge wurde das Grabmal in der bisherigen
Forschung Garzia Cavaniglia zugeschrieben.855 Da diese Inschrift das erste Mal bei
Catalani 1845 erwähnt wird, die historischen Guiden des 16. und 17. Jahrhunderts sie
jedoch nicht aufführen, sondern allein das Grabmal für Giovanni Cavaniglia mit dem
zugehörigen Epitaph, ist zu schlussfolgern, dass spätestens mit den Beschreibungen
Catalanis Mitte des 19. Jahrhunderts das Giovanni-Grabmal teilweise zerstört und die
für Garzia verfasste Inschriftentafel hinzugefügt wurde, während dieser nachweislich in
Aloysius Gattula XI. Montella Comes in avito Cabaniliorum Sacello MDCXXIX.” Vgl. De Lellis,
Aggiunta (IV), vor 1689, f. 56r.
850
Garzia war nachweislich 1443 während des Triumphzuges von König Alfons und dann noch einmal
1445 während der Begräbnisfeier für Peter von Aragon (Bruder Alfons’ I.) in Neapel anwesend.
Demgegenüber wurde er in seiner Grafschaft Troia bestattet, woraus zu schlussfolgern ist, dass er selbst
noch keine Grablege in Neapel vorgesehen hatte. Aufgrund des in dieser Kapelle errichteten Grabmals für
Giovanni Cavaniglia könnte dieser als Kapellenstifter vermutet werden.
851
Siehe De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 56; D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 512; De
Stefano, Descrittione, 1560, S. 96.
852
De Lellis, Aggiunta (IV), vor 1689, f. 56r.
853
De Stefano, Descrittione, 1560, S. 96; ebenso bei D’Engenio Caracciolo, Napoli Sacra, 1623, S. 512.
Folgendermaßen zu übersetzen: „Dem Giovanni Cavaniglia, Graf von Troia, auf dem die größte
Hoffnung lag, in ständiger Trauer über die Härte des Schicksals. Er starb im Jahr 1473 und wurde 30
Jahre alt.“
854
Die Inschrift lautet: „D. GARSIAE CABANILLAE/ AQVO GENS CABANILLA E
TERRACONENSI/ REGNO VBI VALENTIAM/ PER LONGA TEMPORVM SPATIA/ REXERAT/ IN
NEAPOLITANVM TRANSLATA EST/ COPIARVM ALPII REG DVCTORI/ QVO AD EVGEN IV.
LEGATO/ IMPETRAVIT/ REX INVESTITVRAM REGNI PETIIT ET/ IMPERAVIT/ PROVINC
CAPIT ET PRINCP. VLTER MODERATORI/ PRIMO TROIAE ET MONTELLAE COMITI/ MELFI
PRINCIPIS FILIAE VIRO/ D. IOANN CABANILLA SECVND TROIAE COMES P/ AN CHR
MCCCCLIII.”
855
Soweit ich das überblicke, findet dies erstmals statt bei Catalani, Le chiese, 1845, S. 59f. Venditti, La
fabbrica, 1999, S. 52, weist das Grabmal aufgrund der Inschrift Garzia zu, gibt jedoch einen Hinweis auf
das bei D’Engenio genannte Datum 1473, welches der Inschrift für Giovanni Cavaniglia entspricht.
Offenbar fand eine genauere Analyse der beiden unterschiedlichen Inschriften nicht statt. Noch bei Croce
werden allein das Giovanni-Grabmal und das Diana-Epitaph als ursprüngliche Ausstattungsstücke in der
Kapelle aufgeführt und erst Naldi macht auf die Verwechslung aufmerksam, wobei er auf Scandones
Ausführungen verweist. Vgl. Croce, Memorie, 1894, S. 93; Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140-145;
Naldi, Due Virtù, 2008, S. 112f.
200
Grit Heidemann-Schirmer
Troia bestattet worden war.856 Der Urheber der späteren Inschrift lässt sich nicht mehr
ermitteln. Dennoch gibt sie Aufschluss darüber, dass Garzia für die gesamte Familie
noch Jahrhunderte später als vorbildhafter Ahnherr galt, mithilfe dessen sich seine
Nachfolger in der von den Aragonesen bevorzugten Kirche öffentlichkeitswirksam
legitimieren wollten.857
Die heute noch erhaltenen Teile des Giovanni-Grabmals setzen sich folgendermaßen
zusammen: die beiden Seitenplatten mit dem Familienwappen der Cavaniglia sind über
einem profilierten Sockel neben der späteren Inschriftentafel angebracht; darüber folgt
die Deckplatte mit der Liegefigur des Verstorbenen und den oberen Abschluss bildet die
Sarkophagfrontplatte, auf der die Madonna mit Christuskind zwischen den Heiligen
Johannes Evangelista und Hieronymus in Medaillons dargestellt ist. Ein Vergleich mit
dem in der Familienresidenz Montella errichteten Grabmal des letzten Sohnes von
Garzia, Diego Cavaniglia, erlaubt aufgrund der deutlich erkennbaren formalen
Parallelen, die ihre Bestätigung in demselben Bildhauer finden, die Rekonstruktion des
neapolitanischen Monuments.858
Das Grabmal in Montella (Abb. 87) wurde nach Diegos Tod (†1481) von seiner Mutter
und seiner Ehefrau bei Jacopo della Pila in Auftrag gegeben und fand seine Aufstellung
in der Kirche S. Francesco a Folloni.859 Es besteht aus drei Ebenen, die von einem
Rundbogen auf korinthisierten Säulen umrahmt werden. Die drei Kardinalstugenden
Prudentia, Justitia und Temperantia sind als Karyatiden eingesetzt.860 Sie tragen den
Kastensarkophag, dessen Frontseite ebenfalls von drei Medaillons gegliedert wird, in
856
Vgl. noch einmal Catalani, Le chiese, 1845, S. 59f. Auf die Anfertigung einer Kopie der Inschrift für
Garzia Cavaniglia in Troia verweist Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 140. Er bezeichnet das „Schicksal“
des Grabmals für Garzia als „unbekannt“, vermutet aber, dass es zerstört wurde, während die sterblichen
Überreste verloren gingen. Man könnte annehmen, dass diese nach Neapel transloziert wurden. Dabei
fand jedoch nicht eine exakte Kopie des ursprünglichen Epitaphs seinen Weg dorthin, wie ein Vergleich
mit der aus Troia überlieferten Inschrift und der heute in der neapolitanischen Familienkapelle
befindlichen Inschrift belegt. Dazu noch einmal Anm. 846 u. 854.
857
Darauf verweist auch das Epitaph für Diana Cavaniglia von 1629, welches sich ehemals gegenüber
dem Grabmal für Giovanni in derselben Kapelle befand. Siehe noch einmal Anm. 849.
858
Diego wurde in Garzias Sterbejahr 1453 geboren. Er wuchs am aragonesischen Hof in Neapel auf und
galt als Liebling des Königs Ferrante von Aragon. 1476 wurde auch er, wie schon sein Vater, auf Wunsch
des Königs mit einer einflussreichen Adligen verheiratet, Margherita Orsini, und ein Jahr später erhielt er
die Grafschaft Montella, welche nun die neue Residenz der Cavaniglia wurde. Am 10. September 1481
starb er im Krieg von Otranto mit nur 28 Jahren. Zu seiner Person siehe Scandone, I Cavaniglia, 1923,
S. 145-150; http://www.diegocavaniglia.it/life_eng.html (07.02.2011); Cantabene, La committenza, 2007,
S. 138-141.
859
Zum Grabmal für Diego Cavaniglia siehe auch Leppien, Die neapolitanische Skulptur, 1962, S. 68-76.
860
Die vierte Kardinalstugend, Fortitudo, ist laut Cantabene, La committenza, 2007, S. 141, unmittelbar
in der Figur des Verstorbenen verkörpert. Dabei sei jedoch auf den Einsatz dieser Liegefigur an den
neapolitanischen Adelsgrabmälern des 15. Jahrhunderts verwiesen, die sich nahezu durchgängig durch die
Rüstung mit Waffen und ein bis zwei Hunde am Fußende als Symbol der Treue auszeichnet. Es handelt
sich dabei um Attribute, die standestypisch waren und das adlige Selbstverständnis als Ritterschaft
vermitteln. Siehe dazu auch Visceglia, Identità sociali, 1998, S. 105.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
201
denen die Gottesmutter mit den Heiligen Petrus und Paulus dargestellt ist. Darüber
erhebt sich die camera funebris, in der der Verstorbene über dem Inschriftfeld
aufgebahrt liegt und die von einem Walmdach mit dem Familienwappen bekrönt
wird.861
Während am neapolitanischen Pendant nur noch Teile des Kastensarkophags und der
Gisant des verstorbenen Giovanni Cavaniglia erhalten sind, so überzeugt Naldi mit der
Zuweisung zweier Tugendfiguren als ursprüngliche Karyatiden, die ebenfalls von
Jacopo della Pila gefertigt wurden und sich heute in einer toskanischen Privatsammlung
befinden.862 Die beiden wieder gefundenen Skulpturen lassen sich als Fides und
Temperantia identifizieren, denen eine dritte am Giovanni-Grabmal zu ergänzen wäre.
Nicht nur im Aufbau, sondern auch in der gesamten Gestaltung verweist das Grabmal
für Diego Cavaniglia auf ein Vorbild, das von demselben Bildhauer in der Neapler
Kirche San Domenico Maggiore für den Seggio-Adligen Antonio Malizia Carafa um
1470
(Abb. 45)
errichtet
wurde,
den
Diegos
Vater,
Garzia
bezeichnenderweise am päpstlichen Hof kennengelernt hatte.
863
Cavaniglia,
Es ist sehr
wahrscheinlich, dass auch das Grabmal für Giovanni Cavaniglia in Santa Maria di
Monteoliveto bewusst auf diesen lokalen Vorläufer rekurrierte. Doch ist dies nicht
allein mit der Ausführung ein und desselben Bildhauers beziehungsweise derselben
Werkstatt zu erklären, denn dieser auf das Trecento zurückweisende Grabmalstypus war
in Neapel überaus persistent, was damit zu begründen ist, dass er bevorzugt von den
alteingesessenen Adligen eingesetzt wurde, um ihr Selbstverständnis von Anciennität
zeichenhaft zu kommunizieren.864
Hinsichtlich der Vorbildhaftigkeit des „Stammvaters“ der Cavaniglia und seiner
Verbindung zu dem seinerzeit berühmten Antonio Malizia Carafa erscheint es plausibel,
dass seine Söhne – oder vielmehr seine Ehefrau mit neapolitanischer Herkunft als
eigentliche Auftraggeberin beider Grabmäler – diese Beziehung bewusst in Form der
Erinnerungsmonumente inszenierte(n), um den sozialen Status ihrer Familie, die noch
861
Die Inschrift lautet: „D.O.M./ DIECO DE CABANIELLIS MONTELLE COMITI QVI IN TVRCAS
STRENVE DIMICA[N]S/ IDRONTI OCVIBVIT VITE ANNO M CCCC L XXXI DE MENSE
SECTEMBRIS.“ Auch in den Bogenzwickeln erscheint das Wappen der Cavaniglia, während es am
Giovanni-Grabmal zwischen den Medaillons an der Sarkophagfrontplatte und an den Seitenplatten
angebracht ist.
862
Vgl. Naldi, Due Virtù, 2008.
863
Garzia und Malizia trafen als Gesandte von Alfons von Aragon und der Königin Johanna II. von
Anjou-Durazzo 1420 am Hofe von Papst Martin V. aufeinander, um dort die Adoption des Katalanen
durch die neapolitanische Königin zu verhandeln. Siehe Scandone, I Cavaniglia, 1923, S. 136f. Zum
Malizia-Grabmal siehe noch einmal Kap. IV.1.2.
864
Siehe dazu noch einmal Kap. IV.1.2.
202
Grit Heidemann-Schirmer
neu in Süditalien war, zu legitimieren. Es scheint dies der Wunsch nach
Traditionserzeugung und sozialer Anerkennung zu sein, der mittels formaler
Angleichung visualisiert werden sollte.
V.6. Zusammenfassung des Kapitels
Unter den Aragonesen kam es in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu einem
verstärkten Zuzug auswärtiger Adliger nach Neapel. Dort hatten sie sich mit den
alteingesessenen Familien zu arrangieren, die sich bewusst von diesen Nobili fuori
Piazza abgrenzten, um ihre Vormachtstellung innerhalb des Standes aufrecht erhalten
zu können. Der Königshof bot den Neuen in der Stadt jedoch hinreichende
Aufstiegschancen, wodurch sich ein Gruppenbewusstsein entwickelte, das aus ihrer
Abgrenzung zu den alten, lokal ansässigen Familien resultierte und sich nunmehr durch
das
Beziehungsgeflecht
am
aragonesischen
Hof
auszeichnete.
Dieses
neue
Gruppenverständnis manifestiert sich besonders eindrücklich in ihrer Grablegepraxis in
Neapel, indem die Zugezogenen andere Standorte und vor allem innovative Formen für
ihre Grabmäler und Familienkapellen im Sinne einer „Kontra-Distinktion“865 gegenüber
dem alten neapolitanischen Adel kommunizierten.
So wurden bevorzugt jene Kirchen als Bestattungsorte ausgewählt, die sich in den
Territorien der niederen Seggi oder am Rande der Stadtmauern befanden. Einen regen
Zulauf von adligen Stiftern erhielten diese Kirchen zwar einerseits durch die
Attraktivität der zugehörigen großen Mönchsorden, vor allem aber durch die
öffentlichkeitswirksamen Zuwendungen und der Präsenz von Angehörigen des
aragonesischen Hauses, mit denen sich die Neuen in der Stadt auf besondere Weise
verbunden fühlten.
Darüber hinaus fand die am Hof betriebene Kulturpatronage auch in der Formwahl der
Grabmäler und Familienkapellen ihren bildlichen Ausdruck, wurden doch dadurch neue
Wertvorstellungen gefordert, die sich nach der antiken Kultur richteten. Das damit
einhergehende – und insbesondere durch Pontanos Schriften – propagierte neue
Adelsverständnis ermöglichte eine bewusste Distanzierung vom alten Adel, der zum
Ende des 15. Jahrhunderts nicht nur in Neapel zunehmend kritisiert wurde.
865
Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 156.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
203
Schlussfolgernd lässt sich sagen, dass die Nobili fuori piazza einen Innovationsprozess
in der adligen Grablegepraxis in Neapel in Gang setzten, der aus den gesellschaftlichen
Veränderungen zum Ende des Quattrocento resultierte. Dies betraf nicht nur die
Standort-, sondern auch die Formwahl der Monumente. Die zugrunde liegenden
Formfindungsprozesse wurden erst durch das Fehlen vorbildhafter Grabmäler der
aragonesischen Könige möglich, mit Ausnahme des Grabmals für Maria von Aragon,
das offenbar als „Ersatz“ diente, während die kanonhaften Monumente der Anjou des
Trecento die Grabmäler insbesondere des alten Adels noch bis weit ins 15. Jahrhundert
hinein beeinflussten. Demgegenüber zeichneten sich die Grabmäler der Neuen in der
Stadt durch antikisierte Formen und innovative Grabmalstypen aus, die den
Kulturtransfer nach Neapel sowie den Einfluss humanistischer Wertvorstellungen auf
die Sepulkralplastik im späten Quattrocento am eindrücklichsten veranschaulichen.
204
Grit Heidemann-Schirmer
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
205
VI. Schlussbetrachtung
Als Ergebnis der vorliegenden Studie ist festzuhalten, dass mithilfe der differenzierten
Betrachtung einer speziellen Auftraggeberschaft sich auch deren Grabmäler
kategorisieren und näherhin interpretieren lassen. Dabei wurde deutlich, dass die
Grabmäler bestimmter sozialer Gruppen, wie den hier thematisierten neapolitanischen
Adligen, selbst netzwerkartige Strukturen aufweisen, die spezifischen topologischen
und typologischen Ordnungen folgen. Dies manifestiert sich insbesondere in Zeiten
politischer Umbrüche und des sozialen Wandels, wenn es zu einer Sensibilisierung der
Akteure kam, wie beispielhaft an der neapolitanischen Adelsgesellschaft des
15. Jahrhunderts herausgearbeitet werden konnte.
Die neapolitanischen Adligen wurden, wie überall in Europa, an der Schwelle vom
Mittelalter
zur
Frühen
Neuzeit
mit
einer
zunehmenden
Kritik
an
ihren
Exklusivitätsansprüchen und mit einem neuen Adelsverständnis konfrontiert, was sie
unter anderem in Form von Monumentsetzungen zu kompensieren suchten. Die
Grabmäler als Sinnbilder der für den Adel konstituierenden genealogischen Memoria
wurden als auf Dauer angelegte Kommunikationsmedien eingesetzt, um sich in der
verändernden
neapolitanischen
Gesellschaft
zeichenhaft
einzuschreiben.866
Die
Erinnerungsmonumente weisen dabei nicht nur räumliche, sondern auch formale
Bezüge untereinander auf, weshalb der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Analyse
ihrer gewählten Standorte und Formen gelegt wurde.
Insbesondere
in
der
Standortwahl
der
Grabmäler
manifestiert
sich
das
gruppenspezifische Zugehörigkeitsbewusstsein der Adligen. Ausschlaggebend war
dabei stets, wo sich der entsprechende Bestattungsort im urbanen Gefüge befand und
welche Personen – seien es prominente Familienangehörige oder nachstrebenswerte
Höhergestellte – dort ihre Grablege eingerichtet hatten. So wurden der Dom und die
große Dominikanerkirche, die sich in unmittelbarer Nähe zu den adligen
Versammlungsbauten inmitten des alten Stadtkerns von Neapel befanden und durch die
königlichen Grablegen der Anjou zusätzlich ausgezeichnet waren, von den höheren
866
Allgemein zur Bedeutung von Genealogie in der mittelalterlichen Gesellschaft siehe noch einmal
Kellner, Ursprung und Kontinuität, 2004.
206
Grit Heidemann-Schirmer
Seggio-Adligen als Bestattungsorte vereinnahmt. Insofern suchten die Neuen in der
Stadt jene Kirchen auf, die am Rande gelegen waren und von den Aragonesen gefördert
wurden, mit denen sie sich verbunden fühlten und somit eine „Gegen-Identität“867 zur
Maggiore Nobiltà des Seggio-Adels bildeten.
Bisher wurde als Argument für die Suche nach neuen Begräbnisstätten zum Ende des
Quattrocento der damalige Bevölkerungsanstieg in Neapel herangezogen, demzufolge
die großen Kirchen bald überfüllt gewesen seien und es keinen Platz für neue
Grabstätten gegeben habe.868 Die Analyse der quattrocentesken Grabmäler hat jedoch
gezeigt, dass der Seggio-Adel das gesamte Jahrhundert hindurch Monumente in den
Hauptkirchen seiner Quartiere errichten ließ, während die anderen Kirchen am
Stadtrand seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts – also nach dem
Dynastienwechsel – vor allem von den Angehörigen der Seggi Minori und der Nobili
fuori Piazza ausgestattet wurden. Die öffentlichkeitswirksame Visualisierung der
kollektiven Identität einer sozialen Gruppe, die sich durch ihre Bindung zum
aragonesischen Königshof auszeichnete, konnte an mehreren Beispielen innerhalb des
Kirchenraums von Santa Maria di Monteoliveto herausgearbeitet werden.
Demgegenüber stellt die Kirche San Giovanni a Carbonara am nordöstlichen Stadtrand
von Neapel einen Sonderfall dar, dem ein eigenes Kapitel gewidmet wurde. Dieses
Fallbeispiel hat gezeigt, dass sich auch politische Rivalitäten einzelner Protagonisten an
einem Ort durch monumentale Zeichensetzungen bündeln konnten. So wurde die Kirche
sowohl als königliche Grablege der letzten Anjou-Durazzo als auch als Grabstätte des
damals mächtigsten Seggio-Adligen sowie von einem der rebellierenden Feudaladligen
im
frühen
15. Jahrhundert
dazu
in
Anspruch
genommen,
das
spezifische
Beziehungsgeflecht der rivalisierenden Auftraggeber in Zeiten des dynastischen
Niedergangs öffentlichkeitswirksam zu projizieren.
Auch in der Formwahl der neapolitanischen Adelsgrabmäler des Quattrocento konnten
gruppenspezifische Merkmale herausgearbeitet werden. So war die Persistenz des alten,
gotischen Formenrepertoires, das im lokalen Kontext auf die Anjou-Grabmäler des
Trecento zurückwies, das gesamte 15. Jahrhundert hindurch dadurch gewährleistet, dass
es vorzugsweise von den Alteingesessenen als Nachweis ihrer Anciennität und
neapolitanischen Herkunft eingesetzt wurde. Es gab nur wenige auswärtige Adlige, die
867
Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, 2005, S. 154.
Siehe dazu noch einmal Visceglia, Corpo e sepoltura, 1982, S. 600; Rugna, La nobiltà napoletana,
1997, S. 318.
868
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
207
sich mithilfe dieses Formenvokabulars der lokalen Elite anzupassen versuchten.
Vielmehr suchten die Neuen in der Stadt bewusst nach distinktiven Lösungen, die sich
in Form innovativer Grabmonumente niederschlugen und die Etablierung der
Frührenaissance in Neapel ermöglichten.
Die alten Formen an den neapolitanischen Adelsgrabmälern des Quattrocento sind nicht
als rückständig zu bewerten, sondern sie dienten der dem Anspruch auf Exklusivität
legitimierenden
Selbstdarstellung
der
Gruppe
der
Maggiore
Nobiltà.
Ein
Grabmalstypus, der unter den Anjou als Ideal einer tugendhaften Königsfamilie
kommuniziert worden war, wurde noch Jahrzehnte später am Ende dieser Dynastie von
den alteingesessenen Adligen adaptiert. Insbesondere das Motiv der Karyatiden schien
ein symbolischer Code für die Gruppe der höheren Seggio-Adligen zu sein. Es handelt
sich somit um einen Wiedererkennungswert zur Epoche der Anjou, die nun als alt und
vorbildhaft empfunden und zur Inszenierung der eigenen Tradition eingesetzt wurde.
Retrospektivität wurde zu einem Aushängeschild, um sich von den Neuankömmlingen
und den sozialen Aufsteigern zu distanzieren, die dies wahrnahmen und sich selbst im
Gegensatz dazu neu zu definieren suchten, indem sie innovative Grabtypen
beauftragten. Aufgrund der wachsenden Kritik am alten Adel und der gleichzeitigen
Verbreitung einer Wertschätzung des leistungsorientierten Adels, der von den
humanistischen Gelehrten im Laufe des 15. Jahrhunderts propagiert wurde, wurde das
Motiv der Karyatiden an den Grabmälern allmählich aufgegeben und neue
Formfindungsprozesse in Gang gesetzt.
Die Nobili fuori Piazza griffen bei ihren Grabmalsaufträgen nun bevorzugt auf ein
antikisierendes Formenvokabular zurück, das den am aragonesischen Königshof
protegierten humanistischen Idealen folgte und somit ihrem Zugehörigkeitsbewusstsein
zum Hof einen sichtbaren Ausdruck verlieh. Auch hier konnten einige Beispiele aus der
Gruppe der höheren Seggio-Adligen angeführt werden, die deutlich machen, welche
Tragweite
diese
auf
Innovationen
ausgerichteten
Formfindungen
für
die
Repräsentationsstrategien der in einem ständigen Wettstreit um die soziale
Vorrangstellung stehenden alten Familien hatten. So wurden zunehmend auch Bezüge
außerhalb Neapels gesucht, die Formen- sowie Typentransfers aus Rom und Florenz
ermöglichten und insofern das über die Stadtgrenzen ausgeweitete soziale Netzwerk
ihrer Auftraggeber visualisierten.
208
Grit Heidemann-Schirmer
Ein wichtiges Anliegen dieser Arbeit war es, die Adligen als die maßgeblichen
Entscheidungsträger bei der Standortsuche und der Formwahl ihrer Grabmäler
herauszuarbeiten.
Die
ausführenden
Bildhauer
spielten
offenbar
eine
eher
untergeordnete Rolle bei den Formfindungsprozessen, waren sie doch selbst Teil der
Aushandlungen, da sie von den Auftraggebern nach bestimmten Kriterien, wie ihren
Stilidiomen und schon errichteten vorbildhaften Monumenten, gezielt ausgewählt
wurden. Die Adligen projizierten die gruppenspezifischen Identifikationsmuster in die
Monumente, um ihre Vorstellung der eigenen (angestrebten) sozialen Position der
Nachwelt
dauerhaft
mitzuteilen.
Diese
an
den
Grabmälern
fassbaren
Repräsentationsstrategien der Auftraggeber spiegeln sich auch in Verträgen wider, in
denen die Bezugnahmen auf einzelne Monumente schriftlich festgelegt waren. Die
signifikanten Ähnlichkeiten einzelner Grabmäler mussten dem zeitgenössischen
Betrachter ersichtlich sein, insofern die verwendeten Grabmalstypen in das kollektive
Bildgedächtnis übertragen und bei jedem Kirchenbesuch aufs Neue abgerufen wurden.
Es lässt sich also festhalten, dass in den konkreten Bezügen untereinander – sowohl
durch den Standort als auch durch die Form – das jeweilige Gruppenbewusstsein der
Auftraggeber seinen sichtbaren Ausdruck fand. Dabei spielte der gewählte
Untersuchungszeitraum als eine Phase des politischen Umbruchs eine wichtige Rolle,
denn in Konfrontation mit einer vermeintlichen Bedrohung der sozialen Ordnung, wie
es die neapolitanischen Seggio-Adligen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
empfunden haben mussten, wurden das Gruppenbewusstsein und somit die
gruppeninternen Codes zeichenhaft und öffentlichkeitswirksam in Form der
beauftragten Grabmonumente verstärkt. Die Selbstinszenierung Einzelner vermittelte
weitgehend die soziale Identität des jeweiligen Auftraggebers im Kontext des
gruppenspezifischen Systems und verdeutlichte einmal mehr das Auf und Ab inmitten
einer sich verändernden neapolitanischen Gesellschaft.
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
VII. Anhang
209
210
Grit Heidemann-Schirmer
Adelsgrabmäler des Quattrocento in Neapel
211
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VII.2. Abbildungsnachweise
Abb. 1; 14: De Seta, Napoli, 1997, S. 17; 128
Abb. 2: Di Meglio, Nobiltà di seggio, 2012, S. 36
Abb. 3; 5; 8-11; 13; 16; 18; 20-27; 30; 31a-b; 34; 37-38; 40-42; 44-47; 49-50; 52a; 53;
55; 59-60; 62; 64; 66-67; 70-71; 75-79; 83-86: Fotoarchiv der Verfasserin
Abb. 4: Vencato, Gittare li porticali, 2009, S. 202
Abb. 6: Crisconio, La stirpe longobarda, 2008, Buchumschlag
Abb. 7; 57: Cassani, All’ombra del Vesuvio, 1990, S. 109
Abb. 12: Heidemann/Scirocco, Die Kirchen, 2010, Abb. 6 u. 8
Abb. 15: Presta, La basilica, 1984, Tafel 32
Abb. 15a: Russo, La parola, 2005, S. 32
Abb. 17; 19: Luciano Pedicini
Abb. 28: Ferraro, Atlante, 2003, S. 502
Abb. 29; 31: Di Giacomo, Napoli, 1929, S. 47
Abb. 33: Di Stefano, La Cattedrale, 1974, Abb. 36
Abb. 35: Thoenes, Neapel, 1971, S. 94
Abb. 36; 43: Prometheus Bildarchiv
Abb. 39: Kühlenthal, Zwei Grabmäler, 1976, S. 36
Abb. 48: De Stefano, La chiesa, 1964, S. 17
Abb. 51: Grund, Teatri della Gloria, 2009, Abb. 34
Abb. 52: REQUIEM Datenbank
Abb. 54; 74; 80: Abbate, La scultura, 1992, Abb. 25; 29; 69
Abb. 56: De Divitiis, Architettura, 2007, S. 14
Abb. 58; 82: Cundari, Il complesso, 1999, S. 256; 474
Abb. 61; 63; 65: Gurrieri, La Basilica, 1988
Abb. 68-69: Carl, Benedetto da Majano, 2006, S. 297
Abb. 72: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Historische
Drucke, 4” Ph1340: S16
Abb. 73: Muñoz, Studii, 1909, S. 93
Abb. 81: Panofsky, Grabplastik, 1993, Abb. 371
Abb. 87: Cantabene, La committenza, 2007, S. 138
242
Grit Heidemann-Schirmer
Adelsgrabmäler des Quattrocento
VII.3. Abbildungen
Abb. 1: Stadtplan von Neapel mit dem angiovinischen und dem aragonesischen Mauerring sowie der
Lokalisierung der Seggi und wichtigsten Kirchen (Rekonstruktion der Verfasserin nach De Seta)
Abb. 2: Einteilung der Stadt Neapel in die Seggi
243
244
Abb. 3: Reste des Seggio di Capuana
in der Via dei Tribunali
Abb. 5: Sorrent, Sedile Dominova
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 4: Erhaltene Pendentifkuppel
des Seggio di Montagna in der Via dei Tribunali
Abb. 6: Carlo Torelli „Lo splendore della nobiltà napoletana“
zweite Hälfte 17. Jahrhundert, heute in: Dom, Archivio della
Cappella del Tesoro di San Gennaro, Sala dei Sedili
Abb. 7: Francesco Rosselli „Tavola Strozzi“ um 1472, heute in: Neapel, Museo Nazionale di S. Martino
Adelsgrabmäler des Quattrocento
245
Abb. 9: San Giovanni a Carbonara,
rekonstruierter Grundriss der ersten
Bauphase unter König Ladislaus von
Anjou-Durazzo bis 1414
Abb. 8: San Giovanni a Carbonara, Außenansicht
Abb. 10: Rekonstruierter Grundriss der
zweiten Bauphase unter Königin Johanna
II. von Anjou-Durazzo bis 1435
Abb. 11: Grabmal für König Ladislaus von Anjou-Durazzo,
1414–1428, Andrea da Firenze u.a.
Abb. 12: Santa Chiara, Grabmal für
König Robert von Anjou, 1343–1345,
Giovanni und Pacio Bertini
246
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 13: San Giovanni a Carbonara, Cappella Caracciolo del
Sole, Außenansicht
Abb. 15: Galatina, S. Caterina d’Alessandria, Cappella
Orsini del Balzo
Abb. 14: Alessandro Baratta, Stadtplan
Fidelissimae urbis neapolitanae […]
von 1629,
Detail San Giovanni a Carbonara
Abb. 15a: Grabmal für Raimondello
Orsini del Balzo, 1420–1430
Adelsgrabmäler des Quattrocento
Abb. 16: San Giovanni a Carbonara,
Innenansicht nach Osten
247
Abb. 17: Grabmal für Sergianni Caracciolo del Sole,
1433–1449
Abb. 18: San Lorenzo Maggiore,
Grabmal für Ludovico Aldemorisco, 1421, Antonio
Baboccio
248
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 19: Cappella Caracciolo del Sole, Innenansicht
Abb. 20: Ausschnitt aus dem Freskenzyklus
„Thebais“, 1450er, Leonardo da Besozzo und
Perinetto da Benevento
Abb. 22a: Detail „Geburt der Jungfrau“
Abb. 21: Detail der „Thebais“,
Szene der musizierenden Mönche
Abb. 22: Marienszenen
Adelsgrabmäler des Quattrocento
Abb. 23: Fresken der Heiligenfiguren neben den
Lanzettfenstern, Detail Hl. Andreas
Abb. 24: Detail Majolikafußboden
249
Abb. 23a: Detail der Hll. Petrus und Paulus,
hinter dem Stiftergrabmal
Abb. 25: Detail Grabplatte für Marino Caracciolo
Abb. 26: Grabmal für König Ladislaus von AnjouDurazzo, Untersicht des Durchgangs zur Cappella
Caracciolo del Sole
250
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 27: Cappella Santa Monica,
Seitenansicht
Abb. 28: Antoine Lafréry,
Neapel-Stadtplan von 1566,
Detail San Giovanni a Carbonara
Abb. 29: Cappella Santa Monica, Eingangsportal
Abb. 30: San Giovanni Maggiore, Cappella
Pappacoda, Eingangsportal
Adelsgrabmäler des Quattrocento
251
Abb. 31: Grabmal für Ruggiero
Sanseverino di Bisignano,
nach 1433, Andrea da Firenze
Abb. 31a: Detail Sarkophagseitenplatte mit dem Hl.
Nikolaus von Tolentino
Abb. 31b: Detail Pilasternische
mit dem Hl. Petrus
252
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 33: Dom, Grundriss mit Kapellenpatronaten
des 15. Jahrhunderts (Rekonstruktion der Verfasserin
nach Di Stefano)
Abb. 35: San Domenico Maggiore, Grundriss mit Kapellenpatronaten bis
Anfang 16. Jahrhundert (Rekonstruktion der Verfasserin nach Thoenes)
Abb.34: San Domenico Maggiore,
Sakristei, Särge für Angehörige
aus dem Hause Aragon
Abb. 36: San Lorenzo
Maggiore, Grabmal für
Königin Katharina von
Österreich, 1324,
Tino di Camaino
Adelsgrabmäler des Quattrocento
253
Abb. 37: Dom, Cappella Minutolo
Abb. 38: Dom, Grabmal für Kardinal Enrico
Minutolo, 1402–1405
Abb. 39: Rom, Santa Maria in Trastevere, Grabmal
für Kardinal Philippe d’Alençon,
nach 1397 (Rekonstruktion nach Kühlenthal)
254
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 40: Domportal, 1406–1407, Antonio
Baboccio
Abb. 41: Dom, Grabmal für Kardinal Francesco
Carbone, nach 1405, Antonio Baboccio
Abb. 42: Sant’Angelo a Nilo, Grabmal für
Kardinal Rinaldo Brancaccio, 1426–1428,
Donatello und Michelozzo
Abb. 43: Florenz, Baptisterium, Grabmal für
Gegenpapst Johannes XXIII., 1420er, Donatello
und Michelozzo
Adelsgrabmäler des Quattrocento
Abb. 44: San Domenico Maggiore,
Grabmal für Tommaso Brancaccio,
1492, Jacopo della Pila
255
Abb. 45: San Domenico Maggiore,
Grabmal für Antonio Malizia Carafa,
um 1470, Jacopo della Pila
Abb. 45a: Detail der Frontplatte
Abb. 46: San Domenico Maggiore,
Grabmal für Nicola Tomacelli, 1473
256
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 47: Sant’Angelo a Nilo, Außenansicht
Abb. 49: Sant’Angelo a Nilo, Westportal
Abb. 48: Sant’Angelo a Nilo, Grundriss
Abb. 51: Sant’Angelo a Nilo,
Grabmal für Pietro Brancaccio, 1483,
Jacopo della Pila
Adelsgrabmäler des Quattrocento
257
Abb. 50: San Domenico
Maggiore, Cappellone del
Crocifisso
Abb. 52: Rom, S. Maria del Popolo, Grabmal für
Kardinal Cristoforo della Rovere, 1478–1481,
Andrea Bregno und Mino da Fiesole
Abb. 53: Grabmal für Niccolò d’Alagno,
1494, Jacopo della Pila,
heute in: Museo dei Filangieri
Abb. 52a: Detail, umlaufende Sitzbank in der
Cappella della Rovere
258
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 54: San Domenico Maggiore, Grabmal für
Diomede Carafa, späte 1470er, Jacopo della
Pila zugeschrieben
Abb. 55: San Domenico Maggiore, Grabmal für
Francesco Carafa, 1490er,
Tommaso Malvito zugeschrieben
Abb. 56: Frontispiz der Memoriale-Ausgabe von
Diomede Carafa an Eleonora von Aragon, 1477
Adelsgrabmäler des Quattrocento
Abb. 57: „Tavola Strozzi“, Detail Santa Maria di
Monteoliveto (siehe Abb. 7)
259
Abb. 59: Guido Mazzonis Terrakottagruppe der
„Beweinung Christi“ von 1492,
Santa Maria di Monteoliveto
Abb. 58: Santa Maria di Monteoliveto, Grundriss mit Kapellenpatronaten bis Anfang 16. Jahrhundert
(Rekonstruktion der Verfasserin nach Cundari)
260
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 60: Santa Maria di Monteoliveto, Cappella
Piccolomini
Abb. 62: Cappella Piccolomini, Grabmal für Maria
von Aragon, 1475–1491, Antonio Rossellino und
Benedetto da Majano
Abb. 61: Florenz, S. Miniato al Monte,
Cappella del Cardinale di Portogallo, 1460–1468,
Antonio und Bernardo Rossellino
Abb. 63: Florenz, S. Miniato al Monte, Cappella del
Cardinale di Portogallo, Detail Stiftergrabmal
Adelsgrabmäler des Quattrocento
Abb. 64: Cappella Piccolomini, Sediale für
Antonio Piccolomini, 1480er
261
Abb. 65: Florenz, S. Miniato al Monte, Cappella
del Cardinale di Portogallo, Detail Thronbank
Abb. 66: Cappella Piccolomini, Altar,
1471–1474, Antonio Rossellino
262
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 67: Santa Maria di Monteoliveto, Cappella
Correale
Abb. 70: Cappella Correale, Altar, 1489,
Benedetto da Majano
Abb. 68: Cappella Correale, Sarkophag für
Gabriele Correale, um 1490,
Benedetto da Majano
Abb. 69: Cappella Correale,
Sediale für Marino Correale,
um 1490
Adelsgrabmäler des Quattrocento
263
Abb. 71: Santa Maria di Monteoliveto, Cappella d’Alessandro, heutiger Zustand
Abb. 72: Tobias Fendt, Zeichnung des
Doppelgrabmals für Antonio d’Alessandro und
Magdalena Riccia, 1574
Abb. 73: Silloge del Boissard, Zeichnung des
Doppelgrabmals für Antonio d’Alessandro und
Magdalena Riccia, 1597–1598
264
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 74: Cappella d’Alessandro, Doppelsarkophag für Antonio d’Alessandro und Magdalena Riccia1492,
Tommaso Malvito zugeschrieben
Abb. 75: San Domenico Maggiore,
Doppelgrabmal für Mariano d’Alagno und
Caterinella Orsini,
1506, Tommaso Malvito
Abb. 76: Cappella d’Alessandro,
Sediale für Antonio d’Alessandro, 1491
Adelsgrabmäler des Quattrocento
Abb. 77: Santa Maria la Nova, Kreuzgang,
Grabmal für Matteo Ferrillo, 1492–1499, Jacopo
della Pila
Abb. 79: Santa Maria la Nova, Kreuzgang,
Doppelgrabmal für Sanzio Vitagliano und Ippolita
Imperato, 1510er, Tommaso und Giovan Tommaso
Malvito zugeschrieben
265
Abb. 78: Santa Maria la Nova, Kreuzgang,
Grabmal für Bischof Costantino Castriota, um
1500,Tommaso Malvito zugeschrieben
Abb. 80: S. Maria della Grazie a Caponapoli,
Doppelgrabmal für Giovannello Cuncto und
Lucrezia Filangieri di Candida, 1516, Tommaso
Malvito
266
Grit Heidemann-Schirmer
Abb. 81: Sigüenza, Kathedrale, Grabmal für Don
Martin Vázquez de Arce (Detail), um 1491
Abb. 82: Santa Maria di Monteoliveto,
Cappella Tolosa
Abb. 83: Cappella Tolosa, Fresko „Bekehrung des Hl. Paulus“ über dem Eingang, um 1500
Adelsgrabmäler des Quattrocento
Abb. 84: Cappella Tolosa, rechte Wand mit
Fresken
Abb. 86: Santa Maria di Monteoliveto, heutiger
Zustand des Grabmals für Giovanni Cavaniglia,
nach 1473, Jacopo della Pila
267
Abb. 85: Cappella Tolosa, linke Wand mit Fresken
Abb. 87: Montella, S. Francesco a Folloni,
Grabmal für Diego Cavaniglia, 1481,
Jacopo della Pila