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Zeitschrift für Sozialen Fortschritt Vol. 4, No. 1, p. 3-22 Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? Benjamin Becker* und Caspar Richter** Zusammenfassung Deutschland gilt als Vorreiter beim Klimaschutz. Die Strategie zur Senkung der CO2-Emissionen ist ein ökologischer Umbau der Wirtschat, durch den zunehmend umweltschonende Technologien eingesetzt und Wohlstand und Wachstum erhalten bleiben sollen. Dieser Umbau wird seit den 1990er Jahren mit einer Vielzahl von Instrumenten vorangetrieben, etwa dem Ausbau regenerativer Energien, der Förderung der Energieeizienz oder der Bepreisung des CO2-Ausstoßes im Emissionshandel. Über politische und institutionelle Grenzen hinweg gilt diese Strategie als überaus erfolgreich, und Deutschland daher als vorbildhat für andere Industrieländer. Ist Deutschland tatsächlich auf dem Weg zur klimafreundlichen Gesellschat? In diesem Artikel setzen wir uns kritisch mit der Geschichte und den Instrumenten des deutschen Klimaschutzes auseinander. Wir zeigen, dass deutsche Klimapolitik bislang wahrscheinlich keine signiikante Senkung des CO2-Ausstoßes bewirkt und keine wirksamen Strategien für die nahe Zukunt vorgelegt hat. Den Begrif des Vorreiters sehen wir deshalb als eine rein rhetorische Figur. Wir plädieren für eine neue, „emissionsfaktische“ Betrachtung von Klimaschutzinstrumenten, bei der die Frage im Vordergrund steht, wie viele fossile Brennstofe im Vergleich zum business-as-usual tatsächlich vermieden wurden. Schlagwörter: Klimaschutz, Klimapolitik, Energiewende, Atomausstieg, Emissionshandel, Klimaschutzdiskurs, Energieizienz Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? Abstract Germany is widely considered particularly successful in climate change mitigation policy. A strong and growing economy coupled with twenty years of decreasing emissions are seen as proof that Germany has taken responsibility for its CO2 and has started on its way towards a low-carbon economy. Past policies like the promotion of energy eiciency and renewable energies, as well as future strategies like Germany’s energy transition (“Energiewende”) and participation in the EU Emission Trading System, are seen as having a recognizable impact on Germany’s CO2-emissions and helping the country to continue on its ambitious mitigation path. Consequently, it is commonly held that Germany can be an example for the climate policies of other countries. Taking a critical look at the past results and future strategies of Germany’s climate change mitigation policies, we arrive at a fundamentally diferent conclusion. We ind that the past reductions in greenhouse gases have very little to do with purposeful legislation, that Germany’s contribution towards global CO2 emission has remained about the same since 1999, and that the net efect of the energy transition policies will be close to zero in the next decade as far as CO2 emissions are concerned. In this light, Germany’s image as a trailblazer in climate change mitigation appears to be mere rhetoric. We suggest that rhetoric is an unlikely path towards more climateprotection, and advocate a new, “carbon-factual” approach for assessing climate policy. Keywords: Climate change mitigation, climate policy discourses, energy transition, energy eiciency, emissions trading *Benjamin Becker (Hauptansprechpartner), Weisestr. 52, D-12049 Berlin, b.becker.berlin@gmail.com **Caspar Richter, Anzengruber Straße 21, 12043 Berlin, caspar.richter@gmail.com Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? trägt zum Energiesparen und zur Senkung der CO2Emissionen bei; zweitens, die deutsche Klimabilanz seit 1990 ist positiv; drittens, die Energiewende ist ein Klimaschutzinstrument; und viertens, die deutschen Klimaziele sind sowohl ambitioniert als auch erreichbar. Wir identiizieren in jeder der vier Grundannahmen entscheidende Widersprüche und blinde Flecken. Zum Teil sind die hier beschriebenen Widersprüche deutscher Klimapolitik bereits in der wissenschatlichen und politischen Debatte identiiziert worden. Die jeweiligen Analysen standen aber bisher zumeist allein. In diesem Artikel führen wir sie erstmals zusammen und formulieren somit eine fundamentale Kritik an der positiven Einschätzung des deutschen Klimaschutzes. Wir verzichten dabei in diesem Artikel bewusst darauf, konkrete Alternativen zu benennen, und treten vielmehr zunächst dafür ein, deutsche Klimapolitik nicht länger als Erfolgsgeschichte zu betrachten – ein Glaube, der der Entwicklung einer klimaverträglichen Gesellschat eher im Weg stehen dürte, als sie zu fördern. Stattdessen plädieren wir für einen nüchternen, „emissionsfaktischen“ Ansatz als zuküntigen Maßstab für Klimapolitik. 1. Einleitung In der europäischen Dauerkrise hat das Klima an Priorität verloren. Politik und Gesellschat konzentrieren sich auf Wachstum, Arbeitsplätze und öfentliche Haushalte. Dennoch waren die Jahre seit 2008 in puncto Emissionsvermeidung keine ganz schlechten für Europa: Auf dem Kontinent sank der CO2-Ausstoß seither überdurchschnittlich schnell. Krise als Klimaschutzerfolg? Aus deutscher Sicht scheint diese Vorstellung absurd. Sie widerspricht diametral dem Leitbild der ökologischen Modernisierung – dem Glauben, dass Ökonomie und Ökologie keine Gegensätze mehr sind, sondern dass entschlossenes umweltpolitisches Handeln auch wirtschatliche Vorteile mit sich bringt. Diesem Leitbild zufolge ist das Klimaproblem mit wissenschatlich-technischen Mitteln und innerhalb einer wachstumsorientierten Gesellschat lösbar, solange der politische Wille dazu besteht. Deutschland gilt in diesem Prozess als Vorreiter. Über politische und institutionelle Grenzen hinweg, ob in staatlichen Institutionen, Umweltverbänden, Parteien, Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder den Medien, herrscht weitgehend Konsens, deutsche Klimapolitik sei erfolgreich und wirksam. Das Land vereine konstantes Wachstum mit sinkenden CO2-Emissionen und einer entwickelten Klimaschutzstrategie, und sei somit auch Vorbild für den Rest der Welt. Zwar gibt es lebhate Kontroversen darüber, ob der jeweils aktuelle Stand der Konzepte und Maßnahmen eines Vorreiters noch gerecht werde, ob Deutschland mehr tun müsse, um auch küntig seine Position zu halten, oder sie gar schon verloren habe. Fast alle relevanten Akteure in Deutschland benutzen jedoch den Vorreiter-Begrif, nicht nur, um Deutschland gegenüber anderen Industrieländern hervorzuheben, sondern im Sinne einer grundsätzlich positiven Bewertung klimapolitischer Maßnahmen und Konzepte. In diesem Artikel stellen wir diesen Konsens infrage und folgende Gegenthese auf: Deutschland hat bislang fast überhaupt keine Erfolge im Kampf gegen den Klimawandel vorzuweisen. Die Klimapolitik hat es bislang weder geschat, den deutschen Beitrag zur globalen Erwärmung nennenswert zu mindern, noch schlüssige Konzepte vorgelegt, wie dies in Zukunt geschehen kann. Wir entwickeln unser Argument, indem wir die vier wichtigsten Grundannahmen beschreiben, auf denen die positive Einschätzung deutscher Klimapolitik beruht, und diese Grundannahmen empirisch prüfen: Erstens, die Förderung von Energieeizienz 2. Klimapolitik in Deutschland: Konzepte und Bilanz 2.1 Energieeffizienz Die Erhöhung der Energieeizienz ist ein zentrales Konzept in der deutschen Klimaschutzstrategie, die Forderung nach eizienterer Nutzung von Energie ein Leitmotiv der deutschen Klimadebatte. Energieeizienz, deiniert als die Verbesserung des Verhältnisses von Energieaufwand und Energienutzen (WuppertalInstitut 2008), soll dazu beitragen, Wachstum und Energieverbrauch zu entkoppeln und so ohne Wohlstandsverlust CO2-Emissionen zu reduzieren. Diverse Instrumente zur Steigerung der Eizienz sind klimapolitisch begründet: von Verbraucherkampagnen für stromsparende Kühlschränke über Fördermodelle für die Gebäudedämmung bis zu Gesetzen zum Verbot von Nachtspeicherheizungen. Mithilfe solcher Instrumente will die Bundesregierung Deutschland zum „energieeizientesten Land der Welt” machen und den deutschen Primärenergiebedarf bis 2050 um 50 % senken (Bundesregierung 2006). Das Streben nach Energieeizienz ist derweil kein neues Phänomen. Es ist vielmehr integraler Bestandteil des technischen Fortschritts, der die Wirtschatsge- Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 4 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? Abbildung 1: Entwicklung des globalen Energieverbrauchs und der Energieproduktivität Quellen: Weltbank 2012; eigene Darstellung. schichte seit Jahrhunderten begleitet. Ihren Eingang in die ökologische Bewegung fand die Eizienz hingegen erst in den 1970er Jahren, als der amerikanische Physiker Amory B. Lovins sie als idealen Weg in eine nachhaltige Zukunt darstellte. Im Kontext der Ölkrise beschrieb er Eizienz als Maßnahme ohne Verlierer, die Ressourcen schone, ohne Verzicht zu bedeuten. Industriegesellschaten hätten das Potenzial, ihren Verbrauch kostenneutral um 60 bis 80 % zu reduzieren. Langfristig würden sich die notwendigen Maßnahmen um ein Vielfaches auszahlen. Alle Akteure, ob Produzenten oder Konsumenten, würden davon proitieren – ebenso die Umwelt (Lovins 1976). „Eiciency is the lunch you’re paid to eat“, ist Lovins vielzitierte Abwandlung des bekannten Credos der Wirtschatswissenschaten, es gebe kein kostenloses Mittagessen. Diese entwicklungsoptimistische Sichtweise hat seit den 1970er Jahren immer weiter an Bedeutung gewonnen,1 ihr Denkmuster dominiert mittlerweile alle relevanten Akteure der Klimapolitik: Regierungen, internationale Organisationen, Umweltverbände und Wissenschat. In Deutschland, wo Lovins hese vor allem durch das 1995 mit Ernst Ulrich von Weizsäcker veröfentlichte Buch „Faktor Vier“ bekannt wurde, hat das Eizienznarrativ mittlerweile Aufnahme in alle Ebenen der Meinungsbildung gefunden. Auf diese Weise sind Technologiefeindlichkeit und damit ver- bundene Subsistenzideen, welche vor allem die frühen Jahre der Umweltbewegung prägten,2 weitgehend dem Eizienznarrativ gewichen. Dessen Postulat einer Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch (in diesem Fall Energieverbrauch) bildet auch das Fundament der Idee einer ökologischen Modernisierung der Wirtschat, an der sich das umweltpolitische Denken in Deutschland heute ausrichtet (z. B. Hajer 1995). Da Wirtschat und Klimaschutz angeblich in gleichem Maße proitieren, ist Eizienzpolitik auch in der internationalen Klimapolitik zum unangefochtenen Konsenspunkt geworden. Im Kyoto-Protokoll erscheint Energieeizienz an erster Stelle der vereinbarten Maßnahmen, noch vor dem Ausbau der erneuerbaren Energien (UNFCCC 1998), ebenso in der von der Europäischen Kommission verabschiedeten „Energiestrategie 2020“ (European Commission 2010). Entwicklungsländer blocken seit Jahren Forderungen nach verbindlichen Emissionszielen mit dem Argument ab, sie hätten sich anspruchsvolle Ziele an die Steigerung der Energieeizienz gesetzt. Beispielsweise will China die Energieintensität seiner Volkswirtschat bis 2020 2 Es gibt in Deutschland natürlich nach wie vor eine lebhate Debatte über Suizienz und die Vereinbarkeit von Wachstum und Nachhaltigkeit (z. B. Miegel 2011; Paech 2012). Jedoch haben Verzicht und Genügsamkeit bis heute keinen größeren Eingang in die Forderungen wichtiger Interessengruppen (z. B. der Umweltverbände) gefunden und sind bislang auch nicht zur Basis klimapolitischer Instrumente geworden. 1 Entwicklung der Nutzung des Begrifs „energy eiciency“: http://goo.gl/w3Vsb www.momentum-quarterly.org 5 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? im Vergleich zu 2000 um 75 % reduzieren, aber keine Zusagen über die absolute Emissionsentwicklung machen (Qian 2008). Der im Eizienznarrativ beschriebene Zusammenhang von besserer Energienutzung und Verbrauchsrückgang mag intuitiv plausibel erscheinen – etwa aus der Perspektive eines Haushalts, der mit einem neuen Kühlschrank die Kilowattstunden auf seiner Stromrechnung reduziert. Gesamtgesellschatlich gesehen jedoch bewegen sich seit der Industriellen Revolution Energieeizienz und Energieverbrauch in die gleiche Richtung: nach oben. Auch in jüngster Zeit hat dieser Trend noch Bestand (siehe Abbildung 1). Einer der Ersten, der hierbei einen Zusammenhang vermutete, war der britische Ökonom William Stanley Jevons. In den 1860er Jahren machte er die verblüfende Entdeckung, dass in England trotz der immer eizienteren Nutzung von Kohle immer mehr davon verbrannt wurde. Jevons erklärte sich das in seinem Buch „he Coal Question“ dadurch, dass gewinnorientierte Marktakteure die durch die Eizienz frei gemachten Ressourcen auf vielfältige Weise wieder in den Wirtschatskreislauf einbrächten (Jevons 1865). Was auf den ersten Blick als Einsparung erschiene, führe auf lange Sicht zu Mehrverbrauch. Diese hese ist heute als Jevons-Paradox bekannt. Ob Energieeizienz zur Ressourcenvermeidung beitragen kann, ist heute Gegenstand eines ganzen Forschungsfeldes. Sicher ist, dass zumindest ein Teil der gespart geglaubten Energie an anderen Stellen wieder verbraucht wird. Sie kehrt gleichsam zurück wie ein Abpraller beim Sport (englisch rebound), weswegen diese Efekte Rebound-Efekte genannt werden. Unterschieden wird dabei zwischen 1) direktem, 2) indirektem 3) und volkswirtschatlichem Rebound (z. B. Santarius 2012: 11). Den Unterschied veranschaulicht ein Beispiel: Eine Familie wohnt in einem schlecht isolierten Haus mit hohen Heizkosten. Um Geld zu sparen, friert sie sich durch die kältesten Wintertage. Eines Tages beschließt die Familie, das Haus mithilfe eines KfW-Kredits energetisch zu sanieren. Nach der Modernisierung wird nur mehr ein Drittel der Energie benötigt, um dieselbe Raumtemperatur zu erreichen. Die Heizkostenersparnis ist so groß, dass nach Bedienung des Kredits noch Geld übrigbleibt. Die Eizienzmaßnahme hat sich inanziell gerechnet, und ceteris paribus wird nun Energie gespart. Allerdings: 1) Da die relativen Kosten für Raumwärme stark gesunken sind, wird die Familie nicht länger bei 17 Grad und mit drei Pullovern um den Esstisch sitzen, sondern bei angenehmeren 21 Grad. Der Komfort steigt erheblich, doch ein Teil der möglichen Energieeinsparung wird so sofort wieder zunichte gemacht. Dies ist der direkte Rebound. 2) Trotzdem bleibt noch Geld in der Familienkasse, nicht alle Ersparnisse werden verheizt. Was übrig ist, wird jedoch auf die eine oder andere Art Verwendung inden, z. B. in einem zusätzlichen Kurzurlaub oder bei einem Essen im Restaurant. Bei diesen Konsumaktivitäten wird wiederum Energie verbraucht. Dies ist der indirekte Rebound. 3) Da sich die Eizienzmaßnahme gerechnet hat, ist durch die Entscheidung einer einzelnen Familie die ganze Wirtschat ein kleines bisschen eizienter geworden. Energie, die vorher nutzlos durch Mauerritzen ins Freie entwich, wird nun in den Wertschöpfungsprozess eingespeist. Die mit der Maßnahme betrauten Handwerker konnten Auträge abschließen, ihre Kosten decken und Familien ernähren. Die KfW arbeitet mit den Zinsen ihrer Investition weiter. Die Familie schließlich kann die Erträge der Maßnahme konsumieren oder gewinnbringend investieren. All diese indirekten Prozesse und deren Folgeprozesse addieren sich zu einer kleinen Steigerung des Bruttoinlandsprodukts und sind jeweils immer mit Verbrauch von Energie verbunden, so gering er auch sein mag. Dies ist der volkswirtschatliche Rebound. Die klimapolitisch entscheidende Frage ist nun: Ist die Summe aller Rebound-Efekte kleiner oder größer als die Einsparung, die am Anfang der Efektkette stand? In ihrer Metastudie „Energy Emergence: Rebound and Backire“ geben Jesse Jenkins und Kollegen einen Überblick über die bisherigen Versuche, Rebound-Efekte empirisch zu quantiizieren. Die zitierten Studien unterscheiden sich stark in ihrem analytischen Rahmen, also etwa der Größe der betrachteten Wirtschatseinheit und dem Entwicklungsgrad der untersuchten Volkswirtschat. Direkter und indirekter Rebound werden vor allem mithilfe mikroökonomischer und sektoral sowie zeitlich limitierter Studien untersucht. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Efekte in entwickelten Ökonomien im Bereich von 0 % bis 25 % bewegen, ein großer Teil der Einsparung also eben nicht an anderer Stelle wieder verbraucht wird. Studien zum volkswirtschatlichen Rebound ergeben jedoch ein anderes Bild. Diese betrachten größere Wirtschatszusammenhänge und längere Zeithorizonte. Das erlaubt, die durch Eizienzsteigerungen ermöglichte, zusätzliche Wertschöpfung und Investitionen zu berücksichtigen, welche weitere ökonomische Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 6 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? Aktivitäten auslösen, und deren Multiplikator-Efekte sich durch die gesamte Wirtschatskette fortsetzen können. Diese Studien ermitteln dadurch wesentlich höhere Rebound-Efekte, die bei teilweise über 100 % liegen (Jenkins et al. 2010). Wenn dies passiert, verkehrt sich Energiesparen ins Gegenteil. Auf Englisch wird dieses Phänomen als „backire“ bezeichnet: Der Schuss in die gewünschte Richtung, des Energiesparens, geht letzten Endes nach hinten los, nämlich in Richtung Mehrverbrauch. Es gibt Ideen, wie man Backire-Efekte verhindern kann – so schlug etwa Ernst Ulrich von Weizsäcker vor, die Erträge der Energieeizienz mit entsprechenden zusätzlichen Steuern abzuschöpfen (Endres 2012). Einer wachstumsorientierten Politik jedoch steht diese Option wohl nicht ofen: Denn aus der makroökonomischen Perspektive dürte Eizienzsteigerung ein integraler Mechanismus des Wirtschatswachstums sein. Diese hese wurde erstmals in den achtziger Jahren von Daniel Khazzoom und Leonard Brookes unabhängig formuliert und wird heute, nach Harry Saunders, als Khazzoom-Brookes-Postulat bezeichnet. Es besagt, dass die immer weiter steigende Energieproduktivität zur fortgesetzten Freisetzung produktiver Ressourcen führt, diese zur Erschließung immer neuer Bereiche wirtschatlichen Handelns und diese wiederum zu weiter zunehmendem Ressourcenbedarf. Eizienz ist demnach ein Grund für den stetig steigenden Energieverbrauch, nicht aber ein Mittel zur Umkehr des Trends (Saunders 1992). die Rebound-Debatte neu angeheizt. Seitdem wird dort intensiv darüber diskutiert, ob Eizienzpolitik überhaupt noch Bestandteil von Klimapolitik sein kann. Verteidiger der Eizienz verweisen dabei auf den in vielen entwickelten Volkswirtschaten stagnierenden oder leicht rückläuigen Energieverbrauch (Vaughn 2012). In Anbetracht des sinkenden Primärenergieverbrauchs und des noch stärkeren Rückgangs der Emissionen könnte man so auch in Deutschland argumentieren. Wie diese Entwicklungen zu bewerten sind und ob sie dem Eizienzparadox widersprechen, untersuchen wir im folgenden Abschnitt. 2.2 Klimabilanz Die bisherige Klimapolitik in Deutschland gilt als efektiv und erfolgreich. Diese Grundannahme stützt sich vor allem auf die deutsche Klimabilanz. Die Bilanz, seit 1994 jährlich vom Umweltbundesamt vorgelegt, ist der oizielle Nachweis des Erfolgs deutscher Klimaschutzbemühungen. Gemäß der Regularien des IPCC weist die Bilanz nach, wie viele Tonnen Treibhausgase pro Jahr auf deutschem Staatsgebiet ausgestoßen wurden. Die Menge der Emissionen des wichtigsten Klimagases CO2 geht demnach seit 1990 kontinuierlich zurück (siehe Abbildung 2) und hat sich bis heute um 23 % reduziert – eine beachtliche Senkung, durch die Deutschland die Vorgaben des Kyoto-Protokolls übererfüllt hat. Gleichzeitig stieg die Wirtschatsleistung seit 1990 um ca. 26 %.3 Die Klimabilanz scheint so eindeutiger Beleg für die Erfolge der deutschen Klimapolitik seit 1990. Darin besteht jedenfalls Konsens zwischen allen relevanten Akteuren des Klimaschutzes, ob Regierungen, internationale Organisationen, Umweltverbänden, Wissenschat oder Medien. Diese führen den deutlichen Rückgang der Treibhausgasemissionen ursächlich auf die deutsche Klimapolitik zurück – auf gesetzliche Maßnahmen also, die explizit das Klima schützen sollen. Diese wurden erstmals im Laufe der 1990er Jahre auf nationaler und internationaler Ebene breit diskutiert und auch implementiert (Michaelowa 2003), und im Laufe der 2000er Jahre kontinuierlich zu einer umfassenden Klimaschutzstrategie ausgearbeitet. Die Implementierung von Klimaschutzmaßnahmen koinzidiert also mit dem in der Bilanz ausgewiesenen Rückgang der Treibhausgasemissionen. Ist die Klimabilanz Zwischenfazit Die Efekte von Energieeizienzmaßnahmen sind noch nicht ausreichend erforscht. Vieles spricht dagegen, dass Eizienz langfristig zu einer Entkopplung von Wachstum und Energieverbrauch führen kann. Daher scheint die von sämtlichen Akteuren der Klimapolitik geteilte Annahme, die Förderung der Energieeizienz sei ein Konzept für den Klimaschutz, äußerst fragwürdig. Sie stützt sich auf eine sektorale, isolierte und lediglich intuitiv plausible Betrachtung ökonomischer Zusammenhänge. Eine Debatte, welche Eizienzpolitik als Klimaschutz infrage stellt, ist daher dringend notwendig. In Deutschland gibt es dazu bisher jedoch kaum mehr als erste Ansätze (z. B. Santarius 2012; Paech 2013). Die USA, gemeinhin für klimapolitisch rückständig gehalten, sind in diesem Prozess schon mehrere Schritte weiter. Hier hat das 2012 erschienene Buch „he Conundrum“ von David Owen unlängst 3 Preisbereinigt; eigene Berechnung nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes (2012). www.momentum-quarterly.org 7 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? Abbildung 2: Die oizielle deutsche Klimabilanz Quellen: Umweltbundesamt 2012a, eigene Darstellung. damit Beleg für die Wirksamkeit deutscher Klimapolitik? Zeigt sie eine Entkopplung von Emissionsentwicklung und Wirtschatsleistung, und widerlegt sie den im vorangegangenen Abschnitt aufgeworfenen Zweifel an der Eizienzpolitik? Das untersuchen wir in diesem Abschnitt, indem wir die deutsche Emissionshistorie genauer betrachten. Betrachten wir dazu zunächst die Emissionen der 1980er Jahre – ein Teil der Emissionshistorie, den die oizielle Klimabilanz gar nicht abbildet. In der Bundesrepublik, dem marktwirtschatlich organisierten Teil Deutschlands, gingen die Emissionen schon damals kontinuierlich zurück, wie Abbildung 3 illustriert. Der Klimawandel wurde in den 1980ern aber erst langsam als Problem identiiziert und erste Lösungsvorschläge formuliert, wie etwa durch die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“ (Deutscher Bundestag 1990). Explizite Klimaschutzmaßnahmen existierten damals noch nicht. Dennoch: mit rund 12 % gleicht der Emissionsrückgang der 1980er Jahre dem gesamtdeutschen Emissionsrückgang der 2000er Jahre. Das Jahrzehnt, in dem Klimaschutz zum Mainstream wurde, hat also augenscheinlich keine signiikant bessere Bilanz als die vorklimapolitischen 1980er. Dieser Vergleich legt zunächst einmal nahe, dass der Rückgang von Emissionen nicht unbedingt mit Klimapolitik zu tun haben muss. Andere Faktoren, wie zum Beispiel die unweigerliche Verlagerung von Industrieprozessen im Zuge des Wandels der globalen Arbeitsteilung, dürten in den 1980ern wie heute ein Grund dafür sein, warum Emissionen in Deutschland sinken. Der Vergleich lässt zudem nach der Jahrtausendwende, der Periode also, in der Klimaschutz in der deutschen Politik zum Querschnittsthema wurde, zunächst einmal keine historische Zäsur erkennen, also ein schnelleres Sinken der Emissionen als in den Jahrzehnten zuvor. Stattdessen stellt sich der Emissionsverlauf der letzten drei Jahrzehnte als ein sog. business-as-usual, gewissermaßen das „gewohnte Geschät“, dar, und es sollte die Frage gestellt werden, ob in Deutschland heute wesentlich mehr CO2 ausgestoßen würde, gäbe es keine Klimapolitik. Zurück zur oiziellen Klimabilanz seit 1990 (Abbildung 2). Diese weist den stärksten Rückgang der Emissionen für die 1990er Jahre aus. Die Frage ist, ob dies als Klimaschutzerfolg zu werten ist. Betrachtet man die Emissionsdaten der alten und neuen Bundesländer getrennt, so wird deutlich, dass sich die deutsche Wirtschat in einer strukturellen Sondersituation befand – welche durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten ausgelöst wurde. Zwar wurden in den 1990ern erste klimapolitisch begründete Maßnahmen implementiert. Die eigentlich emissionswirksamen Efekte aber hatte die Umstellung von einer sozialistischen zu einer kapitalistischen Wirtschatsordnung in den neuen Bundesländern. Diese ließ die gesamtdeutschen Emissionen in nur fünf Jahren um 11 % sinken, was der deutschen Klimabilanz vollständig gutgeschrieben Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 8 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? Abbildung 3: Emissionen Westdeutschland gegenüber Gesamtdeutschland Quellen: Umweltbundesamt 1999, Landesarbeitskreis Energiebilanzen 2012, eigene Darstellung. werden, um die Fliehkräte des Wohlstandsgefälles zwischen Ost und West zu mindern (Busch et al. 2009). Abbildung 4 stellt die daraus resultierende asymmetrische Entwicklung der CO2-Emissionen in den beiden Landesteilen dar. Im Jahr 1990 emittierten die neuen Bundesländer noch 295 Millionen Tonnen CO2. Der nun einsetzende Strukturwandel bewirkte einen weit überdurchschnittlichen Rückgang auf 185 Millionen Tonnen bis 1995, also eine Senkung um 37 %. Auf diesem Niveau pendelten sich die neuen Bundesländer in der Folge ein. Die Emissionen in Westdeutschland hingegen stiegen zunächst, um erst Anfang des neuen Jahrtausends wieder auf das Niveau von 1990 zu sinken. Trotzdem konnte Gesamtdeutschland, dank der Entwicklung in den neuen Bundesländern, bis 1995 schon rund die Hälte der Emissionsreduktion verbuchen, zu der sich die Bundesregierung in Kyoto verplichtet hatte und welche die Klimabilanz 2012 auswies. Der Hauptgrund für den schnellen Rückgang der CO2-Emissionen in den 1990er Jahren war also nicht der politische Wille zum Klimaschutz, sondern ein historischer Zufall. Die überdurchschnittlich schnellen Einsparungen der ersten fünf Jahre hätten schlicht nicht stattgefunden, wenn es nicht zu der unverhoten Eingliederung einer Volkswirtschat mit aufgezehrtem Kapitalstock gekommen wäre. Die Treiber des Emissionsrückgangs, also der ökonomische Strukturwandel und die Angleichung des Lebensstandards an das Westniveau, resultierten nicht aus klimapolitischen wird, da das Vereinigungsjahr 1990 ihr Referenzjahr bildet.4 Warum senkte die Vereinigung die Emissionen in den neuen Bundesländern? Die wirtschatliche Neuordnung der ehemaligen DDR führte vor allem zur Abwicklung großer Teile der energieintensiven Industrie. Grund war ihr Modernisierungsrückstand gegenüber den Ländern der EG, der die neuen Bundesländer über Nacht angehörten. Die Wirtschat der DDR war in Europa nicht wettbewerbsfähig. Sie war in den 1980er Jahren kaum noch gewachsen (hatte dabei aber ihre Emissionen noch einmal um knapp 10 % erhöht, siehe Abb. 3). Der Weiterbetrieb vieler Produktionsmittel im Staatsbesitz lohnte sich nach marktwirtschatlichen Maßstäben nicht, zwangsläuig wurde der Betrieb eingestellt. Ebenso zwangsläuig mussten der Lebensstandard, die Versorgungssysteme und der marode Gebäudebestand dem westlichen Standard angepasst 4 Die schnelle Emissionssenkung im vereinigten Deutschland wurde in den 1990er Jahren unter dem Stichwort der „Wall-Fall-Proits“ diskutiert. Der Begrif lehnt sich an das wirtschatswissenschatliche Konzept des „windfall proit“ an, welcher einen Erfolg bezeichnet, der nicht auf eigene Leistung, sondern auf plötzlich veränderte Bedingungen zurückzuführen ist. Gegenstand der Diskussion war schon damals, welchen Einluss die Politik und welchen der historische Zufall auf das Sinken der Emissionen in Deutschland hatte. www.momentum-quarterly.org 9 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? Abbildung 4: Emissionen der alten und neuen Bundesländer Quellen: Landesarbeitskreis Energiebilanzen 2012, eigene Darstellung. Erwägungen – zumal klimapolitisch begründete Gesetze noch kaum existierten oder bereits hätten wirken können. Der Emissionsverlauf der 1990er Jahre sollte also nicht als Indiz für erfolgreichen Klimaschutz gedeutet werden – was aber mit dem Verweis auf die „positive“ Klimabilanz Deutschlands seit 1990 regelmäßig geschieht. Betrachten wir abschließend die 2000er Jahre noch einmal genauer. Die strukturellen Folgen der Wende waren zu Beginn dieses Jahrzehnts weitgehend abgearbeitet, trotzdem weist die oizielle Klimabilanz sinkende Emissionen aus. Auch grifen jetzt erstmals umfangreiche klimapolitisch begründete Maßnahmen, vor allem der Ausbau der erneuerbaren Energien. Ist der ausgewiesene Emissionsrückgang der 2000er daher ein erstes Indiz für erfolgreiche Klimapolitik? Aus unserer Sicht nicht – vielmehr ist er ein Artefakt der Bilanzierungsmethode. Denn während in Deutschland die Emissionen sanken, stiegen sie global gesehen im letzten Jahrzehnt rapide – und auch daran hat Deutschland über den Außenhandel einen erheblichen Anteil. Denn im Ausland entstehen Emissionen für Güter, ohne deren Import der Lebensstandard in Deutschland nicht aufrechtzuerhalten wäre. Die Emissionen dieser Güter weist die oizielle Klimabilanz jedoch nicht nach, denn das Umweltbundesamt erfasst die deutschen Emissionen nach dem Territorialprinzip, so wie vom Kyoto-Protokoll und dem IPCC vorgesehen (IPCC 1996: 5). Alternativ zur territorialen Bilanz lässt sich eine konsumbasierte Bilanz erstellen. Diese berechnet den Transfer von Emissionen, gemessen am Güteraustausch im globalen Handel. Der territorialen Bilanz werden dafür Emissionen abgezogen, die bei der Herstellung von Exportgütern entstehen, und Emissionen zugerechnet, die im Ausland bei der Herstellung von Importgütern entstehen. Die konsumbasierte Bilanz bildet somit die für den gesamten Lebensstandard eines Landes benötigten CO2-Emissionen ab und teilt die Verantwortung für Emissionen neu auf: Handelspartner werden von den Emissionen ihrer Exporte entlastet, die Emissionen ihrer Importe werden ihnen jedoch aufgebürdet. Eine Reihe von Gründen spricht dafür, Emissionsverantwortung so zu messen. Erstens können Individuen und Gemeinschaten in Demokratien über ihren Lebensstandard und Konsum frei entscheiden, und tragen somit Verantwortung für die damit verbundenen Emissionen. Zweitens trägt die konsumbasierte Bilanzierung einem wichtigen Phänomen der Globalisierung Rechnung: Im Welthandel wird die Güterproduktion in immer stärkerem Maß über Landesgrenzen hinweg verlagert. Territoriale Emissionsbilanzen geben so ein zunehmend verzerrtes Bild der Emissionen, die einzelne Länder verursachen helfen (Davis/Caldeira 2010: 3). Schließlich verlangt der in der deutschen Politik gehegte Anspruch, Vorbild für eine klimafreundliche Gesellschat zu sein, vorzumachen, wie erfolgreiches Wirtschaten mit Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 10 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? Abbildung 5: Konsumbasierte Emissionsbilanz Deutschlands Quellen: Umweltbundesamt 2012b; Peters u. a. 2011, eigene Darstellung. einer absoluten Reduktion der Treibhausgase möglich ist. Dennoch wenden sich einige Kommentatoren gegen die konsumbasierte Bilanzierung. Teilweise ziehen sie dabei technische Gründe heran (Edenhofer 2012: 13), häuiger aber das Argument, dass CO2Exporteure einen Nutzen vom Außenhandel hätten und daher auch die Verantwortung für die Emissionen ihrer Exporte trügen (Burck et al. 2013: 8; Vorholz 2011). Das Argument ist in unseren Augen jedoch nicht stichhaltig. Handel ist keine einseitige Beziehung. Ein Land, das Güter exportiert und daraus einen Nutzen in Form inanzieller Erträge hat, wird mittels dieser Erträge auch wieder Güter importieren und damit Emissionen in einem anderen Land schafen. Diese Emissionen sind in seiner konsumbasierten Bilanz enthalten. Somit entbindet die konsumbasierte Bilanz ein Land keineswegs von seiner Emissionsverantwortung. Sie bildet Verantwortung und Nutzen lediglich anders ab, nämlich import- statt exportbasiert; das Prinzip der Gegenseitigkeit bleibt aber gewahrt. Abbildung 5 stellt die Auswirkungen einer konsumbasierten Berechnung auf die Klimabilanz dar. Die Daten basieren auf einer Arbeit einer Forschungsgruppe um Glen Peters auf Basis eines globalen Warenstrommodells. Veröfentlicht in den Proceedings of the National Academy of Sciences (2011), stellt sie eine der ersten und umfangreichen Veröfentlichungen zu konsumbasierten Emissionen dar. Die Abbildung weist nicht nur die bekannten territorialen Emissionen aus, sondern auch den Emissionssaldo des deutschen Außenhandels. Im Emissionssaldo sind die Emissionen, die bei der Produktion deutscher Exportgüter entstanden sind, mit denen verrechnet, die im Ausland für deutsche Importgüter entstanden sind. Der Saldo ist in jedem Jahr positiv, das heißt, Deutschland hat in jedem Jahr weit mehr Emissionen importiert als exportiert. Territoriale Emissionen und Emissionssaldo addieren sich zu den konsumbasierten Emissionen. Für das Basisjahr 1990 werden die territorialen Emissionen durch das UBA mit rund 1.040 Mio. Tonnen CO2 ausgewiesen. Die konsumbasierten Emissionen lagen jedoch mit 1.250 Mio. Tonnen rund 20 % darüber. In den 1990er Jahren sanken sowohl die territorialen Emissionen als auch der Emissionssaldo. Die konsumbasierten Emissionen lagen im Jahr 2002 nur noch 15 % über den territorialen. Das Jahr 2002 markiert mit 950 Mio. Tonnen CO2 den bis 2008 niedrigsten Stand der konsumbasierten Emissionen. Seitdem sanken nur noch die territorialen Emissionen, der Emissionssaldo stieg jedoch wieder. Somit stiegen auch die konsumbasierten Emissionen auf 1.000 Mio. Tonnen und blieben in den daraufolgenden Jahren auf diesem Niveau. Das bedeutet, dass Deutschland in den 2000er Jahren Emissionen nicht absolut gesenkt, sondern vielmehr verlagert und tendenziell gesteigert hat. So waren im Jahr 2008 fast 30 % der von Deutschland global verursachten Tonnen CO2 nicht Teil der oiziellen Klimabilanz. www.momentum-quarterly.org 11 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? Die Berechnung der genauen Höhe konsumbasierter Emissionen und der vielfältigen CO2-Transfers über Landesgrenzen hinweg stellt die ökonometrische Modellierung vor große Herausforderungen. Die Tendenz jedoch ist jedoch eindeutig: Wie bei vielen Ländern der westlichen Welt steht dem Sinken der territorialen Emissionen in Deutschland ein Steigen der Emissionen für Importe gegenüber. Wie sich die konsumbasierten Emissionen in den kommenden Jahren weiter entwickeln, insbesondere ob sie weiter steigen, ist klimapolitisch von entscheidender Bedeutung. Denn die Verlagerung deutscher Emissionen in andere Länder kann schwerlich als Klimaschutz gewertet werden. Für den Klimaschutz ist relevant, wie viele Tonnen Treibhausgase emittiert werden, nicht wo diese emittiert werden. Die Verlagerung von CO2-intensiver Produktion mag nationale Bilanzen besser aussehen lassen, global gesehen aber ist sie ein Nullsummenspiel. 2.3 Energiewende Wir haben die Bilanz der deutschen Klimapolitik der vergangenen drei Jahrzehnte umrissen und festgestellt, dass sie kein Indiz für erfolgreichen Klimaschutz bietet. Nun mag man argumentieren, die noch ausbleibenden Erfolge seien erwartbare Startschwierigkeiten eines völlig neuen Politikfelds – sie würden sich mit der Weiterentwicklung politischer Instrumente jedoch einstellen. Das kommende Jahrzehnt steht im Zeichen einer solchen Weiterentwicklung: Mit der Energiewende bereitet Deutschland eine massive energiewirtschatliche Transformation vor, deren Ziel nicht zuletzt die Senkung von CO2-Emissionen ist. Seit ihrer Einleitung im Jahr 2011 gilt die Energiewende daher als das wohl deutlichste Zeichen des deutschen Engagements im Klimaschutz. Die Frage lautet: Ist diese Annahme gerechtfertigt? Die Energiewende ist ein Sammelbegrif für die Prozesse, mit denen die Energieerzeugung in Deutschland von erschöplichen auf nachhaltige Quellen umgestellt werden soll. Für den Klimaschutz ist das insofern relevant, als Strom in Zukunt weitgehend aus emissionsarmen Quellen erzeugt werden soll. Das politische Programm zur Umsetzung dieses Vorhabens wurde 2011 mit dem „Eckpunktpapier zur Energiewende“ beschlossen. Demnach wird Deutschland bis 2022 aus der Kernenergie aussteigen, die erneuerbaren Energiequellen stark ausbauen (auf mindestens 35 % bis 2020; Bundesregierung 2010), und Erdgaskratwerke zum Ausgleich von Versorgungsschwankungen zubauen. Längerfristig soll durch erneuerbare Energien genug Strom produziert werden, um fossile Kratwerke verzichtbar zu machen. Parallel dazu ist geplant, Stromnetze und -speicher an die küntige dezentrale und lexible Energieversorgung anzupassen (Bundesregierung 2011). Der Einsatz von CO2-armen erneuerbaren Energien, wie ihn die Energiewende forciert, ist klimapolitisch tatsächlich sinnvoll – allerdings nur, wenn dadurch tatsächlich weniger fossile Energie verbraucht wird. Das eine folgt allerdings nicht notwendigerweise aus dem anderen, und dieser Aspekt geht bei der Diskussion um die Energiewende meist verloren. Rhetorisch vermengt der scheinbar singuläre Begrif zwei aus Sicht des Klimaschutzes gegenläuige Entwicklungen: den Zubau der CO2-armen erneuerbaren Energien und den Rückbau der ebenfalls CO2-armen Atomkrat. Wie wir im Folgenden zeigen, werden sich diese beiden Entwicklungen in den kommenden zehn Jahren nahezu Zwischenfazit Berücksichtigt man dem Außenhandel, so stagnierten die deutschen Emissionen im letzten Jahrzehnt, möglicherweise sind sie sogar wieder gestiegen. Die territorialen Emissionen sind seit 1990 gesunken, weil Deutschland immer mehr Emissionen in andere Länder verlagert – und weil sich, aufgrund eines historischen Zufalls, die Wirtschatsstruktur in den neuen Ländern Anfang der 1990er rapide veränderte. Die Klimapolitik scheint noch nicht einmal auf die Geschwindigkeit des territorialen Emissionsrückgangs Einluss zu nehmen, denn heute sinken die Emissionen nicht schneller als im Westdeutschland der 1980er Jahre. Die oizielle Emissionsbilanz seit 1990 kann daher schwerlich als Beleg für deutsche Erfolge im Klimaschutz gelten. Hingegen liefert der Verlauf der konsumbasierten Emissionen Deutschlands ein Indiz für das in Abschnitt 2.1 erläuterte Jevons-Paradox und für die Zweifel an der absoluten Entkopplung von Emissionen und Wachstum: Fortschritte bei der eizienten Nutzung von Energie, nicht zuletzt aufgrund von Eizienzpolitik, haben die Produktivität in Deutschland gesteigert und ermöglichen es so, energie- und emissionsintensive Importe auszuweiten. Die konsumbasierte Emissionsbilanz lässt also allenfalls eine relative Entkopplung von Wachstum und Emissionen erkennen, trotz stark zugenommener Wirtschatsleistung sind die Emissionen nicht gestiegen. Eine absolute Entkopplung, die für eine emissionsarme Industriegesellschat notwendig wäre, ist aber eben noch nicht eingetreten. Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 12 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? neutralisieren. Die erneuerbaren Energien werden fast genau den Teil der Stromproduktion übernehmen, der aufgrund des vorgezogenen Atomausstiegs nicht mehr von Kernkratwerken erbracht werden kann. Der Gewinn für den Klimaschutz liegt damit bei null. Die Energiewende wird bis 2022 zum Atomausstieg mithilfe der erneuerbaren Energien, und nicht der für den Klimaschutz benötigte Ausstieg aus der Fossilenergie. Atomkrat und fossile Energien werden in der Rhetorik der Energiewende ot als „nicht nachhaltig“ gleichgesetzt. Das ist insofern richtig, als sowohl fossile Brennstofe als auch Uran erschöplich und gefährlich sind. Die Art der Gefährdung unterscheidet sich jedoch wesentlich. Die Atomkrat birgt zu jeder Zeit das Risiko unkontrollierter Strahlung durch Reaktorunfälle oder Fehler bei der Lagerung von Atommüll. Diese Strahlung bleibt zwar regional relativ begrenzt und wird nur im Unglücksfall relevant, dann allerdings mit hohem und langfristigem Schadenspotenzial. Jedoch verursacht Atomkrat relativ geringe CO2-Emissionen (Lübbert 2007: 20-24). Hingegen setzt die Verwendung von fossilen Energien erheblich größere Mengen CO2 frei. Daraus resultieren Veränderungen der Erdatmosphäre, deren Schadenspotenzial noch nicht absehbar ist, aber global sein wird. Mit zunehmender CO2-Konzentration erhöht sich die Wahrscheinlichkeit immenser Schäden. Der Ausstieg aus der Atomenergie verfolgt daher ein anderes Ziel als ein möglicher Ausstieg aus der Fossilenergie: Ersterer schat Sicherheit vor Verstrahlung, Letzterer trägt zur Minderung der Schäden bei, die weltweit durch den Klimawandel entstehen. Deutschland kann kurzfristig sowohl auf Kohleals auch auf Atomenergie verzichten, aber nicht auf beides gleichzeitig: Ein sofortiger doppelter Ausstieg würde zu einem Wegfall an Kapazität führen, der wirtschatlich nicht verkratbare Strompreissteigerungen zur Folge hätte. Somit muss eine Priorität gesetzt werden. Deutschland setzt diese Priorität seit dem Jahr 2000 auf den Atomausstieg. Die damalige rot-grüne Bundesregierung beschloss, die deutschen Atomkratwerke vorzeitig, also vor dem Ende ihrer technischen Laufzeit, vom Netz zu nehmen. Zwar verlängerte die schwarz-gelbe Koalition 2010 die Laufzeiten wieder, nahm diese Position nach dem Reaktorunfall von Fukushima 2011 aber wieder zurück und beschloss mit dem Energiewende-Programm den zweiten Atomausstieg. Ein vorgleichbarer Ausstieg aus der Kohleenergie – ein „Kohleausstieg“ – ist hingegen in Deutschland bisher immer nur als Nachfolgeprojekt zum Atomausstieg diskutiert worden, nicht jedoch als seine Alternativ. Im Gegenteil: Als Übergangslösung sollen die fossilen Energien (vor allem eiziente Erdgaskratwerke) zunächst sogar noch ausgebaut werden. Es gibt also einen Zielkonlikt zwischen Atomausstieg und Klimaschutz. Daher muss die Umsetzung der Energiewende samt Atomausstieg klimapolitische Opportunitätskosten mit sich bringen, nämlich in Form von andernfalls vermeidbaren CO2-Emissionen. Diese Kosten haben wir in einem inputvariablen Mehrszenarien-Modell quantiiziert.5 Im Modell vergleichen wir zwei Szenarien: Das Referenzszenario „Atomausstieg“ entspricht der aktuellen Planung der Bundesregierung bis 2022, während das Alternativszenario „Kohleausstieg“ die Laufzeitverlängerung der Atomkratwerke aus dem Energiekonzept 2010 mit einem gleichzeitigen Ausstieg aus der Kohle modelliert. In beiden Szenarien erreichen die Erneuerbaren bis 2020 einen Anteil von 35 %. Außerdem nehmen wir an, dass Kohlestrom nur in dem Maße erzeugt wird, in dem er tatsächlich benötigt wird, also vorhandene Kapazitäten auch ungenutzt bleiben könnten. Import oder Export von Strom werden nicht abgebildet. Wichtigstes Ergebnis: Der Atomausstieg verhindert, dass der Stromsektor bis 2022 einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Die Emissionsintensität des deutschen Stroms wird sich bis 2020 kaum ändern, eine Kilowattstunde wird dann etwa genauso viel CO2 verursachen wie heute, nämlich ca. 520 g/kWh. Der Zubau der erneuerbaren Energien kompensiert den Rückbau der Atomkrat, die Kohleverstromung bleibt dadurch auf fast konstantem Niveau. Im Modell „Kohleausstieg“ hingegen ermöglichen es die erneuerbaren Energien sofort, die Kohleverstromung zu reduzieren. Die Emissionsintensität des Strommixes sinkt bis 2022 auf ca. 360 g/kWh. Das schlägt sich auf die Emissionen des Stromsektors nieder: Beim Atomausstieg liegen diese 2022 bei kaum veränderten 330 Mio. t CO2, mit Kohleausstieg wären es nur 220 Mio., ein Drittel weniger. Die kumulierten klimapolitischen Kosten des Atomausstiegs liegen damit bis 2020 bei über 900 Mio. Tonnen CO2 – so viel, wie Deutschland heute in einem Jahr insgesamt emittiert. Das selbst gesteckte Klimaziel von 40 % weniger CO2-Emissionen bis 2020 dürte Deutschland nach derzeitigem Stand damit verfehlen – eine Vorhersage, 5 Das Modell ist im Internet veröfentlicht und lässt sich unter http://goo.gl/SHQhn herunterladen und modiizieren. Detaillierte Erläuterungen zur Methode inden sich unter http://goo.gl/IYJGi www.momentum-quarterly.org 13 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? Abbildung 6: Prognosen der Emissionen im deutschen Stromsektor 2010-2022 Quellen: eigene Darstellung nach eigener Berechnung) die auch das Umweltbundesamt trit. Laut einer UBAStudie steuert Deutschland eine Emissionssenkung von 30 bis 33 % an, und wird damit im Jahr 2020 rund 120 Mio. Tonnen CO2 mehr emittieren als anvisiert (Umweltbundesamt 2011:10). Was das UBA nicht sagt: Diese Lücke entspricht, wie Abbildung 6 zeigt, ziemlich genau den Emissionen, die ein Kohleausstieg hätten vermeiden können. Diese Auslassung des Umweltbundesamtes, ob bewusst oder nicht, vermag kaum zu überraschen. Die Frage nach den klimapolitischen Folgen des Atomausstiegs ist schon öter gestellt worden. Die meisten Akteure der deutschen Klimapolitik, UBA eingeschlossen, stehen jedoch fest hinter dem jahrzehntelang angestrebten Ziel des Atomausstiegs und argumentieren stets, der Atomausstieg sei „klimaverträglich“. Dabei werden vor allem die folgenden drei Argumente vorgebracht, die wir kurz kommentieren wollen. Das Flexibilitätsargument: Dieses Argument besagt, Atomkrat sei nicht klimafreundlich, da die Leistungssteuerung der Atomkratwerke nicht lexibel genug sei. Somit verhinderten sie die Umstellung auf erneuerbare und dezentrale Energiequellen und die benötigte Anpassung der Netze (z. B. Renneberg 2011). Dies mag ein grundsätzliches Argument gegen die Atomkrat in einem zuküntigen Energiesystem sein, ist aber kein Argument gegen einen Weiterbetrieb der Atomkratwerke bis in die 2030er Jahre, um den es hier ausschließlich geht. Denn bis in die 2030er bleibt eine – wenn auch immer geringere – Nachfrage nach Grundlast bestehen (Sachverständigenrat Umweltfragen 2010: 52f.). Nach Beschluss des 2010er „Energiekonzepts“ der Bundesregierung wären bis Mitte der 2030er Jahre die Atomkratwerke sukzessive abgeschaltet worden, hätten die sinkende Grundlast also decken können. Nun wird diese Grundlast von Braunkohlekratwerken übernommen werden müssen, die nicht lexibler als Atomkratwerke sind (Bundesumweltministerium 2012: 251). Das Dekarbonisierungsargument: Dieses Argument denkt die Energiewende vom Ende her und besagt, dass der Atomausstieg das schlussendliche Ziel einer weitgehend dekarbonisierten Stromversorgung nicht beeinlusse – 2050 seien sowohl Atomstrom als auch Kohlestrom obsolet. Dieses Argument ignoriert das besondere Problem des Klimawandels: Die zunehmende Konzentration von Treibhausgase richtet nicht punktuell Schaden an, sondern kontinuierlich, solange sich die Gase in der Atmosphäre beinden (vgl. auch Roberts 2013). Deshalb ist nicht nur das Ziel der Senkung der CO2-Emissionen entscheidend, sondern auch der Weg dorthin. Steigt Deutschland wie vorgesehen zuerst aus der Atomenergie und dann erst aus der Fossilenergie aus, wird der Stromsektor nach unseren Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 14 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? Berechnungen bis 2035 über zwei Milliarden Tonnen CO2 mehr verursachen, als wenn die Reihenfolge umgekehrt würde. Diese zusätzlichen Emissionen werden mindestens über Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleiben (Archer/Brovkin 2008) und auch dann noch Schäden anrichten, wenn die Stromversorgung in Deutschland längst CO2-frei ist. Für zwölf zusätzliche Jahre Sicherheit von einer Reaktorhavarie – welche der Atomausstieg gegenüber der Laufzeitverlängerung efektiv darstellt – ist das ein Preis, den zuküntige Generationen werden schultern müssen.6 Das Emissionshandelsargument: Dieses Argument ist anders gelagert als die vorherigen – es erkennt an, dass der Atomausstieg zu Mehremissionen führen könnte, besagt aber, dass der europäische Emissionshandel diese Mehremissionen durch seinen Preismechanismus verhindere, da durch die europäischen Klimaziele der CO2-Entwicklungspfad ohnehin unveränderbar festgelegt sei. Sollte Deutschland durch den Atomausstieg mehr CO2 emittieren als angenommen, würden die Emissionen wegen des steigenden Zertiikatpreises an anderer Stelle automatisch wieder eingespart (Matthes/Ziesing 2011: 10). Das Argument besagt im Umkehrschluss auch, dass eine Laufzeitverlängerung klimapolitisch wirkungslos wäre: Dadurch iele der Zertiikatpreis, und an anderer Stelle würden entsprechend mehr Emissionen ausgestoßen (Matthes/ Ziesing 2008: 30). Verkürzt gesagt: In Deutschland sei mehr Klimaschutz mit Atomkrat aufgrund europäischer Klimaschutzinstrumente nicht möglich. Die Dekonstruktion dieses Arguments ist nicht ohne Weiteres zu leisten, ergibt sich aber aus den Ergebnissen des folgenden Abschnitts 2.4. klimapolitischen Kosten enorm sind: Die Klimabilanz der Energiewende hätte ab sofort positiv sein können, indem Deutschland das Risiko eines Atomunfalls noch bis Anfang der 2030er Jahre eingegangen wäre, und mit dem Senken der strombedingten CO2-Emissionen im Rahmen eines Kohleausstiegs begonnen hätte. Mit dem Atomausstieg sinken, trotz des enormen Ausbaus der erneuerbaren Energien, die Emissionen des Stromsektors bis 2022 nicht. Dieser Zielkonlikt zwischen Atomund Kohlekrat wurde von den relevanten Akteuren der Klimapolitik nie benannt.7 Ein Kohleausstieg wurde und wird zwar häuig gefordert, aber eben als Nachfolger des Atomausstiegs und nicht als politische Alternative. Die Energiewende der nächsten 20 Jahre ist somit nicht primär ein Klimaschutzinstrument, auch wenn sie langfristig gesehen die Weichen für eine emissionsfreie Stromversorgung stellt. 2.4 Klimaziele Im vorigen Abschnitt haben wir erläutert, dass die Energiewende trotz des Ausbaus der erneuerbaren Energien mittelfristig keinen Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen wird leisten können. Viele Befürworter des Atomausstiegs halten das jedoch für unproblematisch. Vielleicht seien die Prioritäten der nationalen Energiewende zunächst nicht geeignet, die CO2-Emissionen im Bereich der Stromerzeugung zu senken, das werde jedoch – so das Argument – die deutschen Klimaziele nicht gefährden. Denn das wichtigste europäische Klimaschutzinstrument, der Emissionshandel, werde dafür sorgen, dass Deutschland nicht mehr Emissionen ausstoße als geplant. Der Handel begrenze die erlaubte Menge CO2, und der Emissionspreismechanismus werde Deutschland automatisch dazu zwingen, seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Ob der Emissionshandel tatsächlich als Baustein einer schlüssigen klimapolitischen Strategie Deutschlands gelten kann, damit setzen wir uns in diesem Abschnitt auseinander. Das Klimaziel der EU ist 2009 im sogenannten Energie- und Klimapaket auf eine Emissionssenkung Zwischenfazit Spätestens seit Fukushima ist die Atomfrage beantwortet: Atomenergie ist in Deutschland politisch nicht vertretbar, eine Rückkehr zur Atomenergie wird es nicht geben. Durch den Ausstieg aus der Atomenergie wird Deutschland erheblich proitieren, vor allem durch den Wegfall des Strahlungsrisikos durch atomare Unfälle. Dazu gehört allerdings auch die Erkenntnis, dass die 7 Den fragwürdigen Umgang mit Widersprüchen im Umweltbundesamt und bei den Grünen hat der Journalist Frank Drieschner in der ZEIT eindrucksvoll geschildert (2010, 2011). Außer ihm ist die Zahl derer, die die klimapolitischen Implikationen des Atomausstiegs beschrieben haben, denkbar klein – der Zürcher Politologe Alex Michaelowa (2003) und der polnische Journalist Łukasz Wójcik (2012) gehören dazu. 6 Natürlich bleibt für die folgenden Generationen auch das sichere Lagern von Atommüll ein großes Problem. Jedoch hätte eine Laufzeitverlängerung der bestehenden Atomkratwerke dieses Problem nicht signiikant verschlimmert. In Deutschland wird schon seit gut sechzig Jahren Atommüll produziert, das Problem besteht also mit oder ohne vorzeitigen Atomausstieg. www.momentum-quarterly.org 15 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? Abbildung 7: Historische Reduktionsrate (0,6 %) und zur Erreichung des EU-Ziels projizierte Rate (0,45 %) der Emissionen der EUMitgliedstaaten Quelle: Black 2010. von 20 % gegenüber 1990 festgelegt worden. Die deutschen Verplichtungen aus dem Klimapaket belaufen sich auf 30 % bis 2020. Die Richtlinie zur Einrichtung eines Emissionshandelssystems (ETS) ist die wichtigste im Paket beschlossene Maßnahme zur Erreichung dieser Klimaziele. Sie verbietet energieintensiven Industrien das unkontrollierte Emittieren von CO2 und setzt jährliche Obergrenzen. Zudem schat sie einen Markt für Treibhausgase. Regulierte Unternehmen müssen ihre Emissionen berichten und eine entsprechende Menge von Emissionszertiikaten erwerben und nachweisen. Die Zertiikate sind handelbar, wodurch ein Marktpreis für CO2-Emissionen entsteht. Der heorie nach sorgt das Preissystem des ETS so für einen eizienten und automatischen Mechanismus zur Emissionsvermeidung. Die Kosten von CO2-Zertiikaten sollen Element der Entscheidungen von Unternehmen werden, so wie es die Kosten für Arbeit und Kapital schon sind. Ist der Emissionshandel geeignet, Deutschland beim Erreichen seiner Klimaziele zu unterstützen? Zunächst muss darauf hingewiesen werden, dass sich Deutschland nicht nur ein, sondern zwei Klimaziele gesetzt hat. Auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung eine Reduktion der deutschen Emissionen um 30 % zugesagt, auf nationaler Ebene hingegen strebt sie 40 % bis 2020 an. Das deutsche EU-Ziel ist in europäischen und deutschen Gesetzen verankert, das nationale Ziel beruht auf Absichtserklärungen im Vertrag der schwarz-gelben Koalition oder dem „Ener- giewendepapier“ (Bundesregierung 2010, Bundesregierung 2011). Das deutsche EU-Ziel scheint nach aktuellem Stand ohne große Mühen erreicht zu werden. Deutschland ist, wie auch die EU als Ganzes, nur noch wenige Prozentpunkte davon entfernt. Das jedoch liegt nicht an der Wirksamkeit des Emissionshandels. Vielmehr geht das Ziel nicht über das emissionshistorische business-asusual, das gewohnte Geschät also, hinaus. Zwar wird das Ziel häuig als „ambitioniert“ bezeichnet. Misst man es jedoch an den europäischen Emissionen der vergangenen dreißig Jahre, so wie wir es im Abschnitt 2.2 bereits für Deutschland getan haben, ergibt sich ein anderes Bild. Mit den Worten einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung: „he EU ofered [...] 20-30 % cuts; the 20 % igure would lead to smaller annual reductions from now to 2020 than have been accomplished on average over the past 30 years.“ (Rogelj u. a. 2010) Veranschaulicht ist diese Aussage in Abbildung 7. Sie zeigt, dass die territorialen europäischen Emissionen kontinuierlich sinken, und zwar schon seit Ende der 1970er Jahre, lange vor dem Aukommen der internationalen und nationalen Klimapolitik. Der Grund für den Rückgang dürte, analog zur deutschen Klimabilanz, auch auf europäischer Ebene nicht im klimapolitischen Engagement der Staaten liegen. Sie sind vielmehr in der Transformation der ehemals sozialistischen Mitgliedstaaten der EU und im globalen Struk- Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 16 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? turwandel zu suchen, durch den Emissionen in andere Weltregionen verlagert werden. Zur Erreichung des selbst gesteckten Ziels der EU müssten die Emissionen in den kommenden Jahren nur mehr um durchschnittlich 0,45 % p. a. sinken – langsamer als im bisherigen jährlichen Schnitt von 0,6 %. Eines zusätzlichen klimapolitischen Einwirkens bedarf die Erreichung das Ziel also gar nicht. Die von der Klimapolitik völlig unabhängige wirtschatliche Entwicklung Europas kommt dem Klimaschutz also schlicht zuvor. Europa stößt derzeit so viele Emissionen aus, wie es Konjunktur, Kratwerkspark und Industrien hergeben, nicht aber, wie es die Politik mit ihrem Klimaziel festlegt. Das Ziel der EU, inbegrifen das deutsche EU-Ziel, ist ein Scheinziel. Der ehemalige UNFCCC-Generalsekretär Yvo De Boer bezeichnete das 20 %-Ziel daher als ambitionslos und hintertrieben: Nun ist das Lamento über die fehlende Steuerungswirkung des ETS so alt wie der Handel selbst. Seine Kritiker adressieren meist allerdings nicht das wahre Problem. Das ETS stattet Industrien nicht, wie ot behauptet, mit zu vielen Zertiikaten aus. Die Zahl der Zertiikate entspricht dem EU-Ziel. Das Problem ist das EU-Ziel selbst: Es liegt zu niedrig, um dem ETS Steuerungswirkung zu verleihen. So lagen die regulierten Industrien bislang in fast jedem Handelsjahr unterhalb des Emissionslimits, also innerhalb des EU-Ziels (European Environmental Agency 2012). Sie waren gar nicht imstande, ihren Emissionsspielraum überhaupt auszureizen. Auch die planmäßige Reduktion der Zertiikate in der kommenden dritten Handelsperiode wird die Lenkungswirkung kaum erhöhen, denn nach der Wirtschatskrise seit 2008 haben die ETS-Industrien bereits einen erheblichen Teil des bis 2020 angestrebten CO2-Volumens unfreiwillig vermieden (KFW/ ZEW 2012: 12). Als Mittel zur Erreichung des deutschen EU-Ziels ist das ETS damit hinfällig, da schlicht unnötig. Befürworter des Atomausstiegs haben insofern recht, als der Ausstieg dieses Ziel nicht gefährdet. Das aber liegt nicht am Emissionshandel, sondern daran, dass sich das deutsche EU-Ziel von selbst erfüllen wird. Hinzu kommt im Falle Deutschlands, dass das deutsche EUZiel zu einem Zeitpunkt gesetzt wurde, als der erste deutsche Atomausstieg beschlossene Sache, der Wegfall der Atomkratwerke also bereits in die Zertiikatausstattung eingerechnet wurde (Knopf u. a. 2011). Der zweite Ausstieg dürte daher den Emissionspreis kaum erhöhen. Eventuell entstehende Mehremissionen wird das ETS mit genügend billigen Zertiikaten aufangen können. So hilt das ETS zwar formal, das Ziel zu erreichen – bringt aber keine reale, politisch induzierte Emissionsreduktion. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass zusätzlicher Klimaschutz in Deutschland mithilfe einer Laufzeitverlängerung und einem gleichzeitigen Kohleausstieg eben doch möglich wäre. Die dadurch im deutschen Stromsektor gesparten Emissionen würden nicht durch zusätzliche Emissionen anderer ETS-Industrien neutralisiert, wie Befürworter des Atomausstiegs behauptet haben (siehe Abschnitt 2.3, Emissionshandelsargument). Denn schon in der Vergangenheit haben die ETSIndustrien in nahezu keinem Handelsjahr Anstalten gemacht, das ihnen zustehende Emissionsbudget voll auszunutzen. Das ist daher auch dann nicht zu erwarten, wenn mit einem deutschen Kohleausstieg noch mehr Zertiikate frei würden. Das ETS wirkt also weder „And the rest of the world knows that the European Commission said to EU countries that achieving the minus 20 % was a piece of cake and that achieving minus 30 % isn’t going to ruin the European economy.“ (EurActiv 2010) Der Emissionshandel, in welchem das ambitionslose EU-Ziel verankert ist, kann daher keinen Einluss auf den europäischen Emissionspfad haben, er muss eine Maßnahme ohne Steuerungswirkung bleiben. Die „Begrenzung“ ohnehin rückläuiger Emissionen kann keine Knappheit erzeugen – entsprechend niedrig ist seit Einführung des Handels der Preis für Emissionszertiikate im Verhältnis zu denen von Arbeit oder Kapital fast durchgängig geblieben. Auch für die kommenden Jahre ist die Preiserwartung niedrig (KFW/ZEW 2012). Als Kosten- und Entscheidungsfaktor für Unternehmen spielt das ETS damit so gut wie keine Rolle. Investitionen in energiesparende Technologie erfolgen zwar, aber, wie schon in den Jahrzehnten vor Einführung des ETS, lediglich als Teil normaler Rationalisierungsprozesse. Unternehmen tätigen sie, um ihre Produktionskosten zu senken und sich gegen luktuierende Energie- und Rohstokosten abzusichern, aber eben nicht, um aufgrund hoher CO2-Preise explizit Emissionen zu vermeiden (KFW/ ZEW 2012: 18). Dass es überhaupt einen Emissionspreis gibt, gilt zwar vielen Befürwortern des ETS als Beweis für seine Wirksamkeit. Gründe für die Preisbildung dürten aber eher die nicht vollständige Vorhersehbarkeit des Zertiikatbedarfs, die Spekulation mit Emissionsrechten und die starke Konzentration derselben bei einigen wenigen Industrien sein (Morris 2012). www.momentum-quarterly.org 17 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? für noch gegen nationalen Klimaschutz – eben weil er wirkungslos ist. Somit war der vorzeitige Ausstieg aus Atomkrat zugunsten der Kohle in Deutschland ein efektiver Verzicht auf Klimaschutz. Völlig ungeeignet ist das Emissionshandelssystem damit folglich auch, den nationalen Klimaschutz zu unterstützen. Denn nachdem die Bundesregierung das 40 %-Ziel ausgegeben hat, sind ETS und EU-Ziele nicht verschärt worden. Das ETS wird daher keinen Druck zur Erreichung des nationalen Ziels ausüben. Ein solcher Druck wäre aber dringend nötig: Das 40 %-Ziel unterscheidet sich vom deutschen EU-Ziel nämlich dadurch, dass es vom bisherigen Emissionspfad, vom gewohnten Geschät, erheblich abweicht. Um das Ziel zu erreichen, müssten die Emissionen bis 2020 doppelt so schnell sinken wie in den vorangegangenen 15 Jahren. Das ETS sorgt so vielleicht formal dafür, dass Deutschland das 30 %-Ziel nicht reißt. Auf die verbleibenden zehn Prozentpunkte wird es jedoch keinen Einluss nehmen. Dafür sind die Zertiikate tatsächlich nicht knapp genug. Natürlich wäre es möglich, diese bisher versäumte Verschärfung der EU-Klimaziele nachzuholen. Dadurch könnte tatsächlich Druck auf den Zertiikatpreis entstehen und die ETS-Industrien würden möglicherweise erstmals ursächlich wegen des ETS Emissionen vermeiden. Allein, eine solche Verschärfung ist nicht abzusehen. Die politischen Barrieren dafür scheinen derzeit zu groß, ob sie nun in Form der Bedenken europäischer Industrieverbände oder der Blockadehaltung der polnischen Regierung daherkommen. Auf europäischer Ebene zeigt sich damit, was auch in Deutschland wiederholt zu beobachten ist: Es inden sich immer Belange, die wichtiger sind als der Klimaschutz. So hat sich der Spielraum für die europäische Klimapolitik auch dadurch verringert, dass mit der deutschen Atomkrat auf eine zumindest im Idealfall günstige Art der CO2-Vermeidung verzichtet wurde (Clark 2012). Das verhindert nicht nur, dass die Emissionen der Stromerzeugung in Deutschland in den nächsten zehn Jahren sinken, sondern beschränkt auch die Mittel, mit denen Deutschland die Verschärfung der europäischen Klimaziele vorantreiben könnte. zu der Erfüllung des 40 %-Ziels leisten können. Wohl aber wäre das Emissionsziel, trotz Emissionshandels, mit einer Laufzeitverlängerung der Atomkrat und einem Kohleausstieg erreichbar gewesen. Das 40 %-Ziel wird jetzt nur noch durch Verschärfung von Maßnahmen in anderen Bereichen, etwa Verkehr, Wohnen oder Gewerbe, zu erreichen sein (Umweltbundesamt 2011) – wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht wesentlich schneller verläut als projektiert. Hier ergeben sich allerdings auf nationaler Ebene dieselben Probleme wie auf europäischer. Zusätzliche klimapolitische Maßnahmen in diesen Bereichen verursachen Kosten und damit Konlikte, die noch längst nicht ausgetragen sind, zum Beispiel um die Belastung von Mietern durch die energetische Gebäudesanierung oder die Veränderung des Landschatsbilds durch den Netzausbau. Das ambitionierte Klimaziel von 40 %, eines der Hauptargumente für die deutsche Vorreiterrolle im Klimaschutz, wird somit wohl Absichtserklärung bleiben. Wie schon 2005, als die damalige Bundesregierung das 25 %-Ziel kassierte, dürte Deutschland 2020 an der Erreichung seiner Klimaziele scheitern. 3. Fazit Anhand empirischer Daten haben wir in diesem Papier vier Grundannahmen geprüt, die gemeinhin als Belege für eine deutsche Vorreiterrolle im Klimaschutz gelten. Keine der Annahmen erwies sich als haltbar. Erstens ist die oizielle Klimabilanz seit 1990 kein Indiz für erfolgreiche Klimapolitik. Eine genaue Betrachtung der Wirtschatsgeschichte legt nahe, dass Emissionen teils aufgrund historischer Zufälle gesunken sind und teils in andere Länder verlagert wurden. Zweitens gibt es für die Annahme, die Förderung von Energieeizienz sei eine wirkungsvolle Maßnahme für den Klimaschutz, keine eindeutigen Belege. Im Gegenteil geben Deutschlands steigende konsumbasierte Emissionen im letzten Jahrzehnt eher einen Hinweis darauf, dass Eizienz und steigende Produktivität den deutschen Wohlstand energie- und emissionsintensiver gemacht haben. In jedem Fall nimmt der deutsche Beitrag zur Konzentration von Klimagasen in der Atmosphäre weiter zu. Eine Umkehrung dieses Trends ist in Zukunt nicht zu erwarten. Denn drittens ist die Energiewende der nächsten zehn Jahre keine Klimaschutzmaßnahme. Sie wird die CO2-Emissionen in den kommenden Jahren im entscheidenden Stromsektor nicht senken, da der Atomausstieg einen zügigen Kohleausstieg verhindert. So mag viertens das deutsche 40 Zwischenfazit Nach jetziger Prognose des Umweltbundesamtes wird Deutschland, wie in Abschnitt 2.3 erwähnt, das 40 %-Ziel 2020 aller Wahrscheinlichkeit nach verfehlen. Der europäische Emissionshandel wird keinen Beitrag Vol. 4 (1) Zeitschrift für Sozialen Fortschritt · Journal for Societal Progress 18 Becker, Richter: Climate change mitigation in Germany: rhetoric or reality? tagsfraktion der Grünen fordert, Deutschland müsse wieder Vorreiter im Klimaschutz werden (Bündnis 90 Die Grünen, Bundestagsfraktion 2013) oder die Bundesregierung konstatiert, Deutschland sei nach wie vor erfolgreich bei der Senkung der CO2-Emissionen (Bundeswirtschatsministerium 2014), ist damit Klimaschutz in einem absoluten Sinne gemeint: als ergebnisorientiertes politisches Handeln, das vom Ziel her gedacht ist und sich am Erreichten, nicht an den Versäumnissen anderer messen lassen will. Erreicht allerdings hat die deutsche Klimapolitik, folgt man zumindest unserer Analyse, in diesem Sinne bislang fast nichts. Die Kategorie des Vorreiters im deutschen Klimaschutzdiskurs ist daher eher eine rhetorische Figur als ein analytischer Begrif. Wie könnte Klimaschutz aussehen, der über bloße Rhetorik hinausgeht? Wir schlagen vor, den Blick zurück zur Tonne Kohlendioxid als basalem Gradmesser von Klimapolitik zu richten – und weg von Proxies wie Eizienzklassen für Elektrogeräte oder Ausbauzielen für erneuerbare Energien. Zur Beurteilung der Klimaverträglichkeit einer Volkswirtschat würden wir primär die Höhe und Entwicklung der konsumbasierten Pro-Kopf-Emissionen heranziehen. Weiterhin gälte in einem solchen „emissionsfaktischen“ Ansatz nur die ursächliche Vermeidung der Verbrennung fossiler Brennstofe als Klimaschutz. Als Klimaschutz wären also emissionssenkende Maßnahmen zu verstehen, die politisch herbeigeführt (nicht konjunkturell bedingt) und nicht ohnehin Teil des business-as-usual sind. Solche politische Maßnahmen, die nachweislich und unter Berücksichtigung aller Folgeefekte zu einem geringeren Einsatz fossiler Brennstofe führten, sind bislang kaum ergrifen worden. Wir gehen davon aus, dass dies vor allem an den damit verbundenen Kosten liegt. Diese Kosten sind nicht allein inanzieller Natur, etwa in Form von Strompreiserhöhungen oder sonstigen Wohlstandseinbußen. Es kann sich auch um abstrakte Kosten etwa in Form von Strahlenrisiko oder dem Verlust individueller oder gesellschatlicher Freiheitsgrade handeln. In aller Regel dürten klimapolitische Maßnahmen daher auch nicht gleichzeitig wirtschatspolitisch sinnvoll sein – statt eines „grünen Wachstums“ dürten sie eher wachstumsbremsend wirken und somit zwangsläuig Ziel- und Verteilungskonlikte zur Folge haben. Diese Konlikte auszuhandeln und unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, dürte die zentrale Herausforderung einer Klimapolitik sein, die eine tatsächliche Minderung des CO2-Ausstoßes herbeiführt. %-Ziel für 2020 zwar ambitioniert sein, wird jedoch aller Voraussicht nach verfehlt, so wie zuvor schon das 25 %-Ziel für 2005. Das europäische Emissionshandelssystem wird dabei kein Korrektiv für klimapolitische Versäumnisse sein, da die darin verankerten deutschen und europäischen Klimaziele nicht ambitioniert genug sind. Zusammengenommen erlaubt diese Betrachtung den vorläuigen Schluss: Deutschland hat bislang kaum Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel vorzuweisen. Weder hat die Klimapolitik Emissionen deutlich und ursächlich gesenkt, noch scheinen die aktuell verwendeten Konzepte und Strategien geeignet, dies bis Mitte der zwanziger Jahre zu tun – ein Schluss, der im diametralen Gegensatz zur grundsätzlichen positiven Einschätzung durch die relevanten klimapolitischen Akteure steht. Diese stützen, über das gesamte politische Spektrum hinweg, die Vorstellung, Deutschland sei besonders erfolgreich beim Senken seiner CO2-Emissionen.8 Heißt das, dass Deutschland nicht als Vorreiter im Klimaschutz gelten kann? Nicht unbedingt – denn im Wortsinne enthält der Begrif ja auch eine komparative Komponente. Es ist durchaus denkbar, dass sich andere Industrieländer noch schlechter im Klimaschutz positionieren. Immerhin gelingt es Deutschland mithilfe der Erneuerbaren Energien, nahezu CO2-neutral aus der Atomenergie auszusteigen, während etwa in Japan die teilweise Abschaltung von Atomkratwerken zum stärksten CO2-Anstieg seit zwanzig Jahren geführt hat (Janssens-Maenhout u. a. 2013: 14). Zum anderen könnte man argumentieren, dass etwa der Ausbau der Erneuerbaren Energien, wenn auch aktuell nicht emissionsmindernd, zumindest die Möglichkeit zuküntigen Klimaschutzes schat – was in anderen Ländern in dieser Form nicht geschieht. Deutschland könnte also als Vorreiter im Sinne eines „Einäugigen unter den Blinden“ gelten. Dies ist jedoch bei Weitem nicht die Bedeutung, die der Vorreiter-Begrif in der politischen Debatte innehat. Hier nämlich bezeichnet er einen seit Jahren erfolgreich beschrittenen Weg in Richtung klimaverträgliche Gesellschat. Wenn etwa die Bundes8 Eine umfassende Kartographierung des deutschen Klimaschutzdiskurses hat es bisher noch nicht gegeben. Dass es nur wenige fundamentale Kritiker gibt (etwa Paech 2013; Hänggi 2008) und ihre Positionen politisch bisher randständig geblieben sind, ist ein erstes, augenfälliges Indiz dafür, wie konsensual die positive Einschätzung der deutschen Klimapolitik bislang noch ist. www.momentum-quarterly.org 19 Becker, Richter: Klimaschutz in Deutschland: Realität oder Rhetorik? Deutschland bei Berücksichtigung der Entwicklung in Europa und global. Berlin. Über die Möglichkeit einer solchen Klimapolitik wissen wir bislang nur sehr wenig. Gewiss scheint indes, dass dieses Wissen nicht entstehen wird, solange wir an der Vorstellung Deutschlands als klimapolitischen Vorreiters festhalten. Stattdessen bedarf es Debatten, die explizit Interessen und Kosten benennen, und die die mit einer schnellen Emissionssenkung verbundenen gesellschatlichen Herausforderungen deutlich machen. Fraglich ist beispielsweise, ob demokratische Gesellschaten die notwendigen Veränderungen auch unter Beibehaltung ihrer Produktions- und Eigentumsverhältnisse durchführen können. Ein solcher neuer Blick auf Klimapolitik muss notwendigerweise interdisziplinär sein und der Versuchung widerstehen, dem allfälligen Wunsch nach schnellen Schlüssen und Handlungsempfehlungen nachzugeben. Die Relexion über die „Möglichkeit von Klimaschutz“ sollte möglichst voraussetzungsfrei sein, Konventionen und Koalitionen brechen, Enttäuschungen hinnehmen und mit Widersprüchen umgehen können. 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