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Helmboltz über Kunst. von Or. Laus Schmidkunz. — In Paris.
Lionardo da Vinri. von Hans Makart.
Außerdem muß der Maler streben, durch seine Farben
aus das mäßig empfindliche Auge seines Beschauers den-
selben Eindruck hervorzubringen, wie ihn einerseits die
Wüste auf das geblendete, andererseits die Mondnacht
auf das vollkommen ausgeruhte Auge ihres Beschauers
machen. So muß er seinen Eindruck in eine andere
Empfindungsskala übersetzen. Da nun nach dem so-
genannten „psychophysischen Gesetz" innerhalb sehr breiter
Grenzen der Helligkeit Unterschiede der Lichtstärke gleich
deutlich sind, wenn sie den gleichen Bruchteil der ge-
samten verglichenen Lichtstärke ausmachen — während
hingegen z. B- ein und dasselbe Kerzenlicht zwar ein
Dunkel erhellt, eine Tageshelle jedoch nicht mehr ver-
stärkt — so braucht im allgemeinen der Maler seinen
Farben nur das gleiche Verhältnis der Helligkeiten
zu geben, wie es die Wirklichkeit zeigt, um trotz der ab-
weichenden Beleuchtungsstärke in der Gemäldegalerie für
seinen Beschauer einen gleich groß erscheinenden Unter-
schied hervorzubringen.
Doch nicht genug. Jenes Gesetz gilt für sogenannte
mittlere Lichtstärken, nicht für die Extreme; hier nähern
sich die Unterschiede weit stärker, so daß bei geringerer
Helligkeit die dunkleren Objekte den dunkelsten, bei großer
Helligkeit die helleren den hellsten noch ähnlicher werden,
als zu erwarten wäre. Wollen also die Maler glühen-
den Sonnenschein darstellen, so machen sie alle Objekte
fast gleich hell und erzielen dadurch mit ihren nur mäßig
Hellen Farben, denen sonst schärfere Unterschiede ge-
bührten, denselben Eindruck wie die Wirklichkeit; für
Mondschein hingegen geben sie nur die allerhellsten Ob-
jekte hell an und halten alles andere fast unerkennbar
dunkel. Hieher gehört auch in etwas veränderter Weise
Rembrandts Helldunkel.
(Der Schluß im nächsten Hefte.)
An Wari§.
Von F. pecht.
(Schluß.)')
<>lts n einem der ersten Tage meines Aufenthaltes fuhr ich
nach dem damals ob seines neu errichteten Museums
viel besuchten Versailles. Daß mir dieser gemalte Chau-
vinismus — das Wort existierte danials noch nicht, nur
die Sache — gerade sehr imponiert hätte, kann ich nicht
sagen. Vernets und Delacroix' Bilder gefielen mir am
meisten. Ten vielangefochtenen Meister der letzteren,
dessen ^lussacrs cle Lbios ich noch eben im Luxembourg
bewundert, sollte ich nun auch bald sehen. Denn eines
Tages mit Etex spazieren gehend begegneten wir beim
Palais Royal einem jungen Mann, der sich mit letzterem
in eine kurze Unterhaltung einließ. Schlank und zierlich
*) Den Beginn siehe in Heft 1.
gebaut, fiel er augenblicklich auf ob des Glanzes seiner
mit Schwarz förmlich getränkten Augen. Seit Tieck hatte
ich keine solchen glutvollen Blicke mehr gesehen, und nach
ihm bloß, dreißig Jahre später, wieder bei Makart. Die
gedämpfte Blässe des Gesichts vermehrte noch den Ein-
druck des Ungewöhnlichen, so daß ich den Mann nie
mehr vergaß, dessen ganze Erscheinung in ihrer Ver-
bindung von Feinheit und Feuer etwas durchaus Geniales
hatte, obwohl er sich so anspruchslos als möglich gab
Ich war daher kaum überrascht, als mir Etex sagte
daß dieses so auffallend feine Menschenbild Eugen Dela-
croix, das damals noch gar sehr bestrittene Haupt der
romantischen Schule gewesen, denn daß das kein Sterb-
licher wie wir alle sein könne, davon überzeugte der
Helmboltz über Kunst. von Or. Laus Schmidkunz. — In Paris.
Lionardo da Vinri. von Hans Makart.
Außerdem muß der Maler streben, durch seine Farben
aus das mäßig empfindliche Auge seines Beschauers den-
selben Eindruck hervorzubringen, wie ihn einerseits die
Wüste auf das geblendete, andererseits die Mondnacht
auf das vollkommen ausgeruhte Auge ihres Beschauers
machen. So muß er seinen Eindruck in eine andere
Empfindungsskala übersetzen. Da nun nach dem so-
genannten „psychophysischen Gesetz" innerhalb sehr breiter
Grenzen der Helligkeit Unterschiede der Lichtstärke gleich
deutlich sind, wenn sie den gleichen Bruchteil der ge-
samten verglichenen Lichtstärke ausmachen — während
hingegen z. B- ein und dasselbe Kerzenlicht zwar ein
Dunkel erhellt, eine Tageshelle jedoch nicht mehr ver-
stärkt — so braucht im allgemeinen der Maler seinen
Farben nur das gleiche Verhältnis der Helligkeiten
zu geben, wie es die Wirklichkeit zeigt, um trotz der ab-
weichenden Beleuchtungsstärke in der Gemäldegalerie für
seinen Beschauer einen gleich groß erscheinenden Unter-
schied hervorzubringen.
Doch nicht genug. Jenes Gesetz gilt für sogenannte
mittlere Lichtstärken, nicht für die Extreme; hier nähern
sich die Unterschiede weit stärker, so daß bei geringerer
Helligkeit die dunkleren Objekte den dunkelsten, bei großer
Helligkeit die helleren den hellsten noch ähnlicher werden,
als zu erwarten wäre. Wollen also die Maler glühen-
den Sonnenschein darstellen, so machen sie alle Objekte
fast gleich hell und erzielen dadurch mit ihren nur mäßig
Hellen Farben, denen sonst schärfere Unterschiede ge-
bührten, denselben Eindruck wie die Wirklichkeit; für
Mondschein hingegen geben sie nur die allerhellsten Ob-
jekte hell an und halten alles andere fast unerkennbar
dunkel. Hieher gehört auch in etwas veränderter Weise
Rembrandts Helldunkel.
(Der Schluß im nächsten Hefte.)
An Wari§.
Von F. pecht.
(Schluß.)')
<>lts n einem der ersten Tage meines Aufenthaltes fuhr ich
nach dem damals ob seines neu errichteten Museums
viel besuchten Versailles. Daß mir dieser gemalte Chau-
vinismus — das Wort existierte danials noch nicht, nur
die Sache — gerade sehr imponiert hätte, kann ich nicht
sagen. Vernets und Delacroix' Bilder gefielen mir am
meisten. Ten vielangefochtenen Meister der letzteren,
dessen ^lussacrs cle Lbios ich noch eben im Luxembourg
bewundert, sollte ich nun auch bald sehen. Denn eines
Tages mit Etex spazieren gehend begegneten wir beim
Palais Royal einem jungen Mann, der sich mit letzterem
in eine kurze Unterhaltung einließ. Schlank und zierlich
*) Den Beginn siehe in Heft 1.
gebaut, fiel er augenblicklich auf ob des Glanzes seiner
mit Schwarz förmlich getränkten Augen. Seit Tieck hatte
ich keine solchen glutvollen Blicke mehr gesehen, und nach
ihm bloß, dreißig Jahre später, wieder bei Makart. Die
gedämpfte Blässe des Gesichts vermehrte noch den Ein-
druck des Ungewöhnlichen, so daß ich den Mann nie
mehr vergaß, dessen ganze Erscheinung in ihrer Ver-
bindung von Feinheit und Feuer etwas durchaus Geniales
hatte, obwohl er sich so anspruchslos als möglich gab
Ich war daher kaum überrascht, als mir Etex sagte
daß dieses so auffallend feine Menschenbild Eugen Dela-
croix, das damals noch gar sehr bestrittene Haupt der
romantischen Schule gewesen, denn daß das kein Sterb-
licher wie wir alle sein könne, davon überzeugte der