Neuer Lysolipin Biosynthesegencluster
Gebiet der Erfindung:
Die Erfindung betrifft einen neuen Lysolipin Biosynthesegencluster, neue Gene oder Genfragmente aus einem solchen Biosynthesegencluster,
Expressionsprodukte dieser Gene oder Genfragmente, Transformationsvehikel enthaltend solche Gene, Genfragmente oder Gencluster, transformierte Zellen enthaltend solche Gene, Genfragmente oder Gencluster, Verfahren zur biotechnologischen Herstellung von Lysolipin und Lysolipinderivaten, Verfahren zur kombinatorischen Biosynthese von Lysolipinderivaten, neue
Lysolipinderivate, Verwendungen solcher neuer Lysolipinderivate und pharmazeutische Zusammensetzungen enthalten solche Lysolipinderivate.
Hintergrund der Erfindung und Stand der Technik:
Der Bakterienstamm Streptomyces tendae TÜ4042 (CB28) produziert das Polyketid-Antibiotikum Lysolipin, ein polyzyklisches Xanthon mit starker antibiotischer Wirkung gegen Bakterien sowie Antitumorwirkung gegen verschiedene Tumorzelllinien. 1975 wurde Lysolipin erstmals als ein Metabolit des Stammes Streptomyces violaceoniger Tü96 beschrieben (Drautz et al., 1975, Arch Microbiol. 106, 175-190). Der Begriff Lysolipin beschreibt genau genommen zwei Substanzen. Das vom Produzentenstamm ausgeschiedene Lysolipin X wird durch Licht, Hitze oder UV-Strahlung in das stabilere Lysolipin I umgewandelt (Fig. 1). Lysolipin I weist eine 10-50 fach höhere biologische Aktivität auf. Die antibakterielle Wirkung von Lysolipin I besteht vermutlich in einer Inhibierung der Zellwandbiosynthese durch Interaktion mit dem Carrierlipid, da nach Lysolipin-Zugabe in den inhibierten Zellen verstärkt Mureinvorstufen angehäuft werden. Lysolipin I wirkt sehr effizient gegen Gram- positive (MIC 0,001 μg/ml), sowie gegen einige Gram-negative Bakterien. Desweiteren konnte eine starke tumorstatische Wirkung gegen verschiedene
Tumorzelllinien (IC500,001 μg/ml) nachgewiesen werden (Pultar, 1988, Disseration Uni Tübingen).
Die Biosynthese von Lysolipin wurde mit Hilfe von Einbaustudien radioaktiv markierter Vorstufen untersucht (Bockholt et al. 1994, J. Org. Chem. 59, 2064- 2069). In diesen Untersuchungen wurde festgestellt, dass die Synthese von Lysolipin aus 12 Malonyl-CoA-Einheiten nach einem typischen Polyketidsyntheseschema des Typs Il (charakteristisch für aromatische Polyketide) erfolgt. Eher ungewöhnlich ist die Verwendung von Malonyl-CoA als Starter-Einheit, welches vollständig, d.h. ohne Decarboxylierung, verwendet wird. Bisher gibt es nur wenige bekannte Substanzen, die Malonyl-CoA als Starter verwenden, wie Tetracyclin und Cycloheximid. Vergleicht man die Biosynthese dieser beiden Antibiotika mit der des Lysolipins, so fällt bei Lysolipin der Einbau des Malonat-Moleküls in „umgekehrter" Orientierung auf. Der stickstoffhaltige Heterozyklus des Lysolipins wird vermutlich über die Zwischenstufe eines Malonamid-Intermediats ausgebildet. Nach der
Biosynthese des Grundgerüstes müssen zahlreiche Modifikationen stattfinden, um das Endprodukt Lysolipin X bzw. I zu erzeugen. Dazu zählen eine Zyklisierung und Aromatisierung, Einführen von Sauerstoffatomen (9 der 12 Sauerstoffatome in Lysolipin X werden aus molekularem Sauerstoff vermutlich durch Oxygenasen eingeführt, darunter beide Xanthon Sauerstoffe), Chlorierung vermutlich durch eine Halogenase, und Einführung von Methylgruppen an den Hydroxygruppen (C6, C16, C24), der Methylengruppe C28 und am Stickstoff vermutlich durch Methyltransferasen.
Aufgrund seiner Struktur kann man Lysolipin der Substanzklasse der N-haltigen polyzyklischen Xanthone zuordnen. Weitere verwandte Strukturen bakterieller Herkunft mit pharmazeutisch interessanten Eigenschaften sind die Antibiotika Albofungin/Chloralbofungin, Cervinomycin, Simaomicin, Citreamicin, die cytostatisch und antifungisch wirksamen Actinoplanone und die antifungisch aktiven Substanzen Seh 42137 und Seh 54445.
Der pharmazeutische Einsatz dieser Substanzen wird bisher durch die schlechte Löslichkeit und die aufgrund der Xanthonstruktur antizipierte und für einige Substanzen nachgewiesene Toxizität verhindert. Durch chemische Modifikation ist es jedoch exemplarisch gelungen, nach Acetylierung von Cervinomycin A1 , Derivate zu erzeugen, die besser löslich, weniger toxisch und sogar aktiver sind (US 4,886,884). Die Möglichkeiten der chemischen Variation sind durch das Vorhandensein „natürlicher Schutzgruppen", wie gerade im stark modifizierten Lysolipin, eingeschränkt.
Gegenüber den insofern bekannten Substanzen sind verbesserte pharmakologische Eigenschaften, beispielsweise auch verringerte Toxizität, sowie höhere Selektivität und Spezifität erwünschenswert. Die hierfür erforderliche Derivatisierung ist ohne weiteres aus den vorstehend genannten Gründen schwierig, wenn nicht gar unmöglich.
Technisches Problem der Erfindung:
Der Erfindung liegt daher das technische Problem zu Grunde, Mittel zur Synthese von neuen Lysolipinderivaten, insbesondere von einer chemischen Synthese nicht oder nur schwer zugänglichen Lysolipinderivaten, welche zudem verbesserte pharmakologische Eigenschaften aufweisen, zur Verfügung zu stellen.
Grundzüge der Erfindung und Ausführungsformen:
Zur Lösung dieses technischen Problems lehrt die Erfindung ein isoliertes Protein oder Peptid enthaltend oder bestehend aus einer oder mehrerer Aminosäuresequenzen SEQ-ID 1 bis 46. Erfindungsgemäße Protein oder Peptide können in einer Zelle, insbesondere einer transformierten Zelle, zur Biosynthese exprimiert werden, es ist jedoch auch der Import extern erzeugten
Proteins oder Peptids in eine die Biosynthese ausführende Zelle möglich. In beiden Fällen kann es sich empfehlen, wenn die Expression eines entsprechenden natürlichen Gens der Zelle inhibiert oder reduziert ist. Das Protein oder Peptid ist vorzugsweise für einen Teilsyntheseschritt der Biosynthese eines Lysolipinderivates, insbesondere eines Lysolipin- Antibiotikums, funktional.
Die Erfindung betrifft weiterhin eine isolierte Nukleinsäure, insbesondere DNA, beispielsweise genomische DNA, cDNA, oder RNA, insbesondere mRNA, codierend für ein erfindungsgemäßes Protein oder Peptid.
Mit der Erfindung ist die gezielte molekulargenetische Manipulation von Sekundärmetabolit-Biosynthesegenclustern ermöglicht, wodurch neue, modifizierte Substanzderivate biologisch erzeugt werden können. Die Erfindung beruht in diesem Zusammenhang auf der erstmaligen Identifizierung und Charakterisierung eines Biosynthesegenclusters für bakterielle, N-haltige
Xanthone. Hierdurch ist die Grundlage für jede gezielte genetische Manipulation zur Erzeugung von Lysolipinderivaten, die totalsynthetisch, wenn überhaupt, nur sehr schwer darstellbar sind, geschaffen. Diese können wiederum als Precursor-Moleküle semisynthetisch derivatisiert werden. Darüber hinaus erlauben die aus der Genclustersequenz gewonnenen Erkenntnisse einen schnellen molekulargenetischen Zugang zur Biosynthese aller anderen bakteriellen N-haltigen polyzyklischen Xanthone mit pharmazeutischem Potential.
Mit der Erfindung umfaßt sind auch Homologe der offenbarten Sequenzen, wobei die Homologie zumindest 60% Identität, vorzugsweise mehr als 80 % oder 90% Identität, höchstvorzugsweise mehr als 95% Identität, beträgt (berechnet mit dem Programm MEGALIGN, DNASTAR LASERGENE, in der zum Anmeldezeitpunkt gültigen Fassung). Im Falle der Nukleinsäuresequenzen sind auch komplementäre oder allelische Varianten mit umfaßt. Weiterhin sind Sequenzen umfaßt, welche lediglich Teilsequenzen bzw. Genfragmente der
explizit offenbarten Sequenzen oder komplementärer Sequenzen hierzu darstellen, mit der Maßgabe, daß diese Teilsequenzen im Falle der Nukleinsäuren eine für eine Hybridisierung mit einer erfindungsgemäßen Nukleinsäure hinreichende Länge, zumindest 50 oder 150 Basen, aufweisen und im Falle der Proteine bzw. Peptide, ggf. codiert durch eine Nukleinsäure, mit zumindest gleicher Affinität an ein protein- oder peptidspezifisches Zielmolekül binden. Weiterhin sind alle mit erfindungsgemäß eingesetzten Nukleinsäuren hybridisierende Nukleinsäuren umfasst, nämlich solche, die unter stringenten Bedingungen (5°C bis 25°C unterhalb der Aufschmelztemperatur; siehe ergänzend J. M. Sambrook et al., A laboratory manual, CoId Spring Harbor Laboratory Press (1989) und E. M. Southern, J Mol Biol, 98:503ff (1975)) hybridisieren. Es versteht sich, daß die Erfindung auch Expressionskassetten umfasst, i.e. eine oder mehrere der erfindungsgemäßen Nukleinsäuresequenzen mit mindestens einer Kontroll- oder regulatorischen Sequenz. Eine solche Expressionskassette kann auch eine Sequenz für ein bekanntes Protein umfassen, wobei im Zuge der Translation ein Fusionsprotein aus einem bekannten Protein und einem erfindungsgemäßen Protein oder Peptid entsteht. Ebenso sind auch antisense Sequenzen zu den vorstehenden Nukleinsäuresequenzen umfasst. Im Zusammenhang mit erfindungsgemäßen Verwendungen umfassen die Begriffe der Nukleinsäuren oder Proteine bzw. Peptide neben den Volllängen der offenbarten Sequenzen (siehe auch vorstehender Absatz) auch Teilsequenzen bzw. Genfragmente hieraus, und zwar mit einer Mindestlänge von 21 Nukleotiden, vorzugsweise einer Mindestlänge von 30 bis 90 Nukleotiden, im Falle der Nukleinsäuren und einer Mindestlänge von 7 Aminosäuren, vorzugsweise einer Mindestlänge von 10 bis 30 Aminosäuren, im Falle der Proteine oder Peptide. Insbesondere zwischen 21 und 90 sowie 7 und 30 ist jeder einzelne Zahlenwert als Mindestlänge möglich. Vorbekannte Sequenzen und/oder deren Verwendung, welche unter die im Rahmen dieser Beschreibung verwendeten Definitionen fallen, können durch einen Disclaimer in Patentansprüchen ausgeschlossen werden.
Die Erfindung umfasst weiterhin ein isoliertes Transformationsvehikel,
insbesondere Plasmid oder Cosmid, enthaltend eine erfindungsgemäße
Nukleinsäure. Es kann eine Mehrzahl, insbesondere 1 bis 50, gleicher und/oder verschiedener erfindungsgemäßer Nukleinsäuren enthalten. Dabei wird es sich insbesondere empfehlen, wenn durch die Mehrzahl der Nukleinsäuren ein Biosynthesegencluster oder ein Teil eines Biosynthesegenclusters für ein Lysolipinderivat gebildet ist. Das Transformationsvehikel kann zusätzlich zumindest eine regulatorische Nukleinsäuresequenz enthalten, wobei die erfindungsgemäße Nukleinsäure unter der Kontrolle der regulatorischen Nukleinsäuresequenz, insbesondere eines Promotors, steht. Selbstverständlich können ein oder mehrere regulatorische Sequenzen mit der Maßgabe eingerichtet sein, dass eine Mehrzahl von Nukleinsäuren, insbesondere ein Gencluster oder ein Teil eines Genclusters kontrolliert werden.
Die Erfindung betrifft weiterhin eine Zelle enthaltend eine erfindungsgemäße fremde Nukleinsäure oder mehrere verschiedene solcher fremden Nukleinsäuren und/oder ein erfindungsgemäßes fremdes Protein oder Peptid oder mehrere verschiedene solcher fremden Proteine oder Peptide, wobei die Zelle optional mit einer erfindungsgemäßen fremden Nukleinsäure oder mehreren verschiedenen solcher fremden Nukleinsäuren transformiert sein kann. Hierbei kann eine gewünschte Derivatisierung eines natürlicherweise von der Zelle synthetisierten Lysolipinderivates dadurch erreicht werden, dass in einem Lysolipinbiosynthesegencluster der Zelle an Stelle oder zusätzlich zu einem natürlichen korrespondierenden Gen für einen definierten Teilsynthese¬ schritt ein hiervon verschiedenes fremdes Gen für einen von dem definierten Teilsyntheseschritt verschiedenen anderen definierten Teilsyntheseschhtt eingeführt ist. Dies kann durch Konstruktion und Einführung des gesamten fremden bzw. mutierten Lysolipinbiosynthesegenclusters oder Teilen hiervon erfolgen. Es wird gleichsam eine mutierte Biosynthese maßgeschneidert nach Maßgabe der gewünschten Derivatisierung. Es ist gleichzeitig möglich, ein natürlicherweise in der Zelle enthaltenes Gen codierend für ein Protein oder Peptid, welches für einen Teilsyntheseschhtt der Biosynthese des Lysolipins oder eines Lysolipinderivates funktional ist, zu inhibieren oder zu mutieren,
insbesondere ganz oder teilweise zu deletieren. Dies kann auch für mehrere natürlicherweise in der Zelle enthaltene solche Gene erfolgen.
Mit der Erfindung wird erreicht, dass neben gezielten molekulargenetischen Eingriffen auch durch das Einbringen heterologer Modifizierungsgene, also durch "Kombinatorische Biosynthese", neue Lysolipinderivate erzeugt werden können.
Geeignete Zellen sind vorzugsweise ausgewählt aus der Gruppe der Actinomyceten, wie z.B. die Streptomyceten, oder Enterobakterien, wie z.B. E. coli. Es versteht sich, dass eine erfindungsgemäße Zelle eine mit einem erfindungsgemäßen Transformationsvehikel erzeugte Mutante bzw. Rekombinante bekannter Stämme ist, und dass das damit erzeugbare Antibiotikum gegenüber bekannten Verbindungen derivatisiert ist.
Die Erfindung umfasst auch Lysolipinderivate, insbesondere Lysolipinderivat- Antibiotika, welche dadurch erhältlich sind, dass eine erfindungsgemäße Zelle kultiviert wird, und dass nach Kultivierung das Lysolipinderivat aus der Zelle und/oder aus dem Kultivierungsüberstand isoliert wird. Ein erfindungsgemäßes Lysolipinderivat ist zur Herstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Behandlung von bakteriellen oder viralen Infektionen, Mucosen,
Tumorerkrankungen und/oder inflammatorischen Erkrankungen geeignet. Dabei kann die Biosynthese dahingehend mutiert sein, dass das neue Lysolipinderivat eine verbesserte Wirksamkeit gegenüber bekannten Wirkstoffen aufweist. Es ist aber auch möglich, dass ein erfindungsgemäßes Lysolipinderivat "lediglich" als Ersatztherapie bei Resistenz gegen einen bekannten Wirkstoff Verwendung findet. Dann liegt der Vorteil darin, dass mittels des erfindungsgemäßen Wirkstoffes überhaupt erst wieder eine Therapie möglich ist. Besonders Wünschenwert sind jedoch auch neue Lysolipinderivate mit reduzierten Nebenwirkungen. Schließlich sind mit der Erfindung auch besonders effektive Herstellungsverfahren möglich.
Die Erfindung betrifft des Weiteren eine pharmazeutische Zusammensetzung enthaltend ein erfindungsgemäßes Lysolipinderivat oder mehrere solcher Lysolipinderivate in physiologisch wirksamer Dosis. Zusätzlich enthalten können sein galenische Hilfs- und/oder Trägerstoffe.
Die galenische Herrichtung einer erfindungsgemäßen pharmazeutischen Zusammensetzung kann in fachüblicher Weise erfolgen. Als Gegenionen für ionische Verbindungen kommen beispielsweise Na+, K+, Li+ oder Cyclohexylammonium in Frage. Geeignete feste oder flüssige galenische Zubereitungsformen sind beispielsweise Granulate, Pulver, Dragees, Tabletten, (Mikro-) Kapseln, Suppositorien, Sirupe, Säfte, Suspensionen, Emulsionen, Salben, Tropfen oder Lösungen zur Injektion (i.V., i.p., im, s.c.) oder Vernebelung (Aerosole), transdermale Systeme oder sonstige topische Applikation, sowie Präparate mit protrahierter Wirkstoff-Freigabe, bei deren Herstellung übliche Hilfsmittel wie Trägerstoffe, Spreng-, Binde-, Überzugs-, Quellungs-, Gleit- oder Schmiermittel, Geschmacksstoffe, Süßungsmittel und Lösungsvermittler, Verwendung finden. Als Hilfsstoffe sei Magnesiumcarbonat, Titandioxid, Lactose, Mannit und andere Zucker, Talcum, Milcheiweiß, Gelatine, Stärke, Zellulose und ihre Derivate, tierische und pflanzliche Öle wie Lebertran, Sonnenblumen-, Erdnuss- oder Sesamöl, Polyethylenglycole und Lösungsmittel, wie etwa steriles Wasser und ein- oder mehrwertige Alkohole, beispielsweise Glycerin, genannt. Eine erfindungsgemäße pharmazeutische Zusammensetzung ist dadurch herstellbar, dass mindestens ein erfindungsgemäß verwendeter Wirkstoff in definierter Dosis mit einem pharmazeutisch geeigneten und physiologisch verträglichen Träger und ggf. weiteren geeigneten Wirk-, Zusatz- oder Hilfsstoffen mit definierter Inhibitordosis gemischt und zu der gewünschten Darreichungsform hergerichtet ist. Vorzugsweise ist eine erfindungsgemäße pharmazeutische Zusammensetzung galenisch hergerichtet zur oralen oder parenteralen Gabe.
Als Dosierungen kommen für einen 75 kg Erwachsenen 0,01 bis 5,0 mg/kg/Tag,
insbesondere 0,01 bis 1 ,0 mg/kg/Tag, (oral), 0,001 bis 2,5 mg/kg/Tag, insbesondere 0,005 bis 1 ,0 mg/kg/Tag, (i.p.) in Frage. Im Falle der topischen Anwendung kann die Wirkstoffkonzentration 0,001 bis 1 ,0 Gew.-%, insbesondere 0,01 bis 0,1 Gew.-%, der Salbe betragen.
Im Folgenden wird die Erfindung durch Beschreibung der Identifizierung, Sequenzierung, Annotation des Lysolipin-Biosynthesegenclusters näher erläutert. In diesen Ausführungsformen können einzelne Merkmale der Erfindung allein oder in Kombination mit anderen Merkmalen verwirklicht sein. Die beschriebenen besonderen Ausführungsformen dienen lediglich zur Erläuterung und zum besseren Verständnis der Erfindung und sind in keinster Weise beschränkend zu verstehen.
Beispiel 1 : Identifizierung des Lysolipin-Biosynthesegenclusters durch genetisches Screening und funktioneller Nachweis durch heterologe
Expression des gesamten Genclusters
Die Identifizierung und Analyse aller zur Biosynthese eines bakteriellen Naturstoffs notwendigen Gene, wird in der Ordnung der Actinomyceten, zu denen die bekannte Gattung der Streptomyceten gehört, dadurch ermöglicht, dass in der Regel alle zur Synthese notwendigen Gene auf dem Chromosom physikalisch benachbart, in so genannten Genclustern organisiert sind. Diese Gencluster beinhalten neben den eigentlichen Biosyntheseenzyme kodierenden Genen, auch die Gene, die für die Regulation, Export und die Resistenzvermittlung notwendig sind. Dies bedeutet, dass nach der
Identifikation eines Substanz-spezifischen Biosynthesegens, alle übrigen Gene des Clusters durch die Analyse der angrenzenden Regionen identifiziert werden können.
In den letzten Jahren hat sich der Einsatz der Strategie der „reversen Genetik", die die Konserviertheit von Genen ausnutzt, welche an der Biosynthese
bestimmter konservierter Strukturelemente beteiligt sind, als sehr effizient erwiesen. Bei dieser Strategie nutzt man zunächst die chemische Struktur und Ergebnisse von Einbaustudien dazu, ein potentielles Biosyntheseschema zu postulieren. Im zweiten Schritt werden charakteristische Gene bzw. Enzyme bestimmt, die für die zu identifizierende Strukturklasse konserviert sind. Nach Sequenzvergleich werden von diesen hochkonservierte Motive ermittelt, die zur Generierung von Primersonden für PCR oder Hybridisierung eingesetzt werden können. Die gezielte Kombination unterschiedlicher Sonden führt dann zum Auffinden von Genen bzw. Genclustern, die an der Biosynthese der zu untersuchenden Substanz beteiligt sein könnten.
Die chemische Struktur von Lysolipin und Fütterungsexperimente legen nahe, dass Lysolipin aus 12 Malonyl-CoA-Einheiten nach einem typischen Polyketidsyntheseschema des Typs Il synthetisiert wird. Im Gegensatz zu komplexen Polyketiden (wie z.B. Makrolide), die durch die modular organisierten multifunktionalen Typ I Polyketidsynthasen synthetisiert werden, erfolgt die Biosynthese des Rückgrats aromatischer Polyketide iterativ durch die Minimal PKSII, die aus 3 separaten Enzymen besteht: 2 ß-Ketoacylsynthase Untereinheiten KSa und KSß (zuvor auch als „Chain Length Factor, CLF, bezeichnet) und dem „Acyl Carrier Protein" (ACP). Im Verlauf der Biosynthese sind die KSa- und KSß-Untereinheiten vermutlich für die Auswahl und evtl. Prozessierung des Starterketids, die Kontrolle der Anzahl der Kondensationen und die eigentliche iterative Kondensation zwischen den Acylthioestern und der wachsende C-Kette verantwortlich. Das ACP fungiert als eine Art Anker für die wachsende Polyketid kette.
Vergleicht man die drei Minimal-PKS kodierenden Gene unterschiedlicher PKSII-Biosynthesen untereinander, so fällt auf, dass diese hochkonserviert sind und meist die charakteristische Organisation KSα-KSß-ACP aufweisen. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie z.B. im Daunorubicin-Biosynthesegencluster von S. peucetius, in dessen Gencluster das ACP separiert von KSa und KSß vorliegt.
KSa bzw. KSß sind somit geeignete Markergene für aromatische Polyketide und der Einsatz abgeleiteter Gensonden sollte daher auch im Falle des Lysolipin- Produzenten, zur Identifizierung von PKSII-Clustern führen („reverse Genetik"), die an der Biosynthese von aromatischen Polyketiden, wie Lysolipin beteiligt sein sollten. Diese Strategie wurde bereits erfolgreich zur Identifizierung von unterschiedlichen PKSII Clustern angewendet (Metsä-Ketelä et al., 2002, Appl. Environ. Micorbiol., 68, 4472-4479). Da man in Streptomyceten häufig mehrere PKSII-Gencluster findet, die zum einen an der Biosynthese von Sporenpigmenten aber auch an der Biosynthese mehrerer aromatischer Polyketide in einem Stamm beteiligt sein können, ist der Einsatz einer weiteren Gensonde zur spezifischen Identifizierung des Lysolipin-Biosynthesegenclusters vorteilhaft.
Im Falle von Lysolipin bietet sich hier eine Strategie an, bei der die Einführung des Cl-Substituenten an C1 im Mittelpunkt steht. Die spezifische Halogenierung von Naturstoffen bakteriellen Ursprungs, wie z.B. Chlor-Tetracyclin, Pyrrolnitrin oder Vancomycin wird durch NADH/FAD abhängige Halogenasen katalysiert (van Pee, 2001 , Arch. Microbiol. 175, 250-258). Alle Halogenasen, die an der Halogenierung von Phenyl- bzw. Pyrrolresten beteiligt sind, weisen auf Proteinebene hohe Ähnlichkeiten auf und erlauben die Auswahl hochkonservierter Regionen, die wiederum zur Ableitung von Primern geeignet sind. Derartige Primer lassen sich zur Identifikation von Halogenasegenen und dazugehöriger Biosynthesegencluster einsetzen (Piraee and Vining, 2002, J. Ind. Microbiol. Biotechnol. 29, 1-5).
1.1 .
Die Identifizierung des Lysolipin-Biosynthesegenclusters erfolgte unter Verwendung von PKSII- und Halogenase- spezifischen Gensonden gegen gespottete Klone einer Cosmid-Genbank des Stammes CB28.
Die Methode der Genbankherstellung basiert im Wesentlichen auf Protokollen, die unter Beye et al., 1998, GENOMICS 49, 317-320 und Burgtorf et al., 1998,
GENOMICS 52(2):230-2 beschrieben wurden. Homogenisierte
Bakterienkulturen wurden in 0.5% "low melting point agarose" (SeaPlaque GTG, Biozym) eingebettet und anschließend mit 2 mg/ml HEW-Lysozym (Roth) für 14 h bei Raumtemperatur und mit 1 mg/ml Proteinase K (Merck) für 24 h bei 50 0C inkubiert. Die eingebettete DNA wurde partiell mit Sau3A\ gespalten, mit Gelase (Epicentre) extrahiert und nach beschriebenen Methoden dephosphoryliert. Die genomische DNA wurde mit 750 ng ßamHI gespaltenen Cosmidvektor pOJ436 (Kieser et al., 2000, Practical Streptomyces Genetics, The John Innes Foundation, Norwich, England.) ligiert, entsalzt, verpackt (Gigapack III Gold Packaging Extract, Stratagene) und in DH5α (Invitrogen) transfiziert. Cosmidklone wurden in 384 MTP gepickt und anschließend auf Nylonfilter
(Amersham) gespottet. Nachdem die Kolonien auf den Membranen gewachsen waren, wurden diese nach Nizetic et al., 1991 , PNAS 88:3233-7 prozessiert und unter Verwendung der Standard-Methoden nicht-radioaktiv hybridisiert (Roche). Zur Identifizierung von PKSII-kodierenden Cosmiden wurde zunächst eine homologe Sonde mit Hilfe der genomischen DNA aus CB28 hergestellt (PCR- Primer s. Metsä-Ketelä et al., Appl. Environ. Micorbiol., 68, 4472-4479). Der PCR-Ansatz hatte folgende Zusammensetzung: 1 ,0 μl genomische DNA von CB28 (ca. 0,2 μg), 2,5 μl 10 x Puffer, 2,5 μl PCR-DIG probe Synthesis Mix (Roche), 5,0 μl Q-Solution, 0,5 μl PKSII-FOR -Primer (50 pmol), 0,5 μl PKSII- REV-Primer (50 pmol), 0,5 μl Qiagen-Taq-Polymerase (2,5 u), 14,5 μl H2O. Die PCR wurde in einem PCR-Gerät von MJ Research (PTC-225) unter folgenden Bedingungen durchgeführt: 1 x (2 min, 95°C), 30 x (95°C, 1 min; 72°C, 2 min; 72°C, 1.30 min), 1 x (72°C, 5 min). PKSII-Amplifikate zeigen eine charakteristische Größe von ca. 600 bp. Ein Einsatz der so amplifizierten homologen PKSII-Sonde in einer Hybridisierung gegen die CB28
Cosmidbibliothek ergab 13 hybridisierende Cosmidklone, die sich durch eine Kontroll-PCR bestätigen ließen. Um aus diesen Cosmiden solche auszuwählen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Teile des oder das gesamte Lysolipin- Biosynthesegencluster kodieren, wurde eine weitere Sonde, die gegen Halogenasegene gerichtet war, eingesetzt. Dazu wurde ebenfalls mit Hilfe der genomischen DNA von CB28 folgende konservierte Primer eingesetzt:
Halo-For: GCG GCT GCA G(GC)T GG(AGT)(AT)(GC)A T(CT)C CG(CT) T Halo-Rev: CC(GC) (GC)TG GAT CC(GC) CGGGTC (GC)A(GCT) GAA GC (s. auch: van Pee, Zehner.S., 2003. Enzymology and molecular genetics of biological halogenation. In: Gribble.G. (Ed.), The Handbook of Environmental Chemistry, Part P Natural Production of Organohalogen Compounds. Springer Verlag, Heidelberg, Vol. 3). Die PCR wurde mit Hilfe des PCR DIG Probe
Synthesis Kit (Roche) durchgeführt und hatte folgende Zusammensetzung: 1,0 μl genomische DNA von CB28 (ca. 0,2 μg), 5 μl 10 x Puffer, 5 μl PCR DIG Labeling Mix, je 1 μl Halo-For- und Halo-Rev-Primer (50 pmol), 0,75 μl Enzym- Mix, 36,25 μl H2O. Die PCR wurde in einem PCR-Gerät von MJ Research (PTC- 100) unter folgenden Bedingungen durchgeführt: 1 x (2 min, 940C), 25 x (94°C, 1 min; 610C, 1 min; 72°C, 1 min), 1 x (72°C, 10 min). Charakteristische Halogenase-Amplifikate zeigten eine Größe von ca. 260 bp. Ein Einsatz der so amplifizierten homologen Halogenase-Sonde in einer Hybridisierung gegen die CB28 Cosmidbibliothek ergab 11 hybridisierende Cosmidklone, die sich durch eine Kontroll-Hybridisierung bestätigen ließen. Insgesamt 3 Cosmidklone (28- 4H04, 28-4022 und 28-3J01) zeigten eine Cohybridisierung gegen PKSII- und Halogenase-Sonde, so dass diese mit einer großen Wahrscheinlichkeit Teile bzw. das vollständige Lysolipin Biosynthesegencluster kodieren sollten.
1.2.
Der Nachweis, dass das identifizierte cohybridisierende Cosmid 28-4H04 alle für die Biosynthese von Lysolipin notwendigen Gene kodiert, erfolgte durch heterologe Expression in S. albus.
Biosynthesegencluster für aromatische Polyketide bestehen aus ca. 30 bis 40 ORFs, die eine Kodierkapazität zwischen 30 bis 35 kb aufweisen. Da in der erzeugten Cosmid-Genbank durchschnittliche Insertgrößen von ca. 40 kb erreicht werden, besteht die theoretische Möglichkeit, dass das komplette Lysolipin-Biosynthese-Gencluster auf einem der 3 cohybridisierenden Cosmide lokalisiert ist. Ein funktioneller Nachweis kann durch die heterologe Expression des gesamten Clusters und eine Produktion von Lysolipin in einem fremden Wirt
erfolgen. Als geeigneter Wirt zeichnet sich neben S. coelicolor vor allem S. albus J1074 aus, der u.a. erfolgreich als heterologer Wirt zur Produktion von Rebeccamycin eingesetzt wurde (Sanchez et al. 2002, Chem Biol. 9(4):519-31). Zum Nachweis des evtl. Vorliegens des kompletten Lysolipin Biosynthesegenclusters wurde das cohybridisierende Cosmid 28-4H04 nach S. albus transferiert. Der Transfer genetischer Information nach Actinomyceten ist mit Hilfe der intergenerischen Konjugation von E. coli möglich (Kieser et al., 2000, Streptomyces Genetics, The John Innes Foundation, Norwich, England). Voraussetzung ist hier ein IncP-Plasmid enthaltender E. coli- Donor-Stamm, wie z.B. ET12567(pUB307) [McNeil et al., 1992, Gene 111 , 61-68], der gleichzeitig ein oriT-tragendes und daher mobilisierbares Plasmid enthält, das im Verlaufe der Konjugation durch das IncP-Plasmid nach Actinomyceten mobilisiert werden kann. Der Cosmidgrundvektor pOJ436 verfügt über einen entsprechenden oriT und zusätzlich über eine Integrationsfunktion des Actinomycetenphagen PhiC31 , der die Integration des Cosmids in das Chromosom einer Vielzahl von Streptomyceten, u.a. auch in S. albus, ermöglicht (Kieser et al., 2000). Das Cosmid 28-4H04 wurde von E. coli nach S. albus intergenerisch konjugiert (Standard-Methode siehe: Kieser et al., 2000). Ein erfolgreicher Transfer und Integration der Cosmide kann durch Selektion auf den Apramycin- Resistenzgenmarkers aacC4 nachgewiesen werden. Daher wurde der Transkonjugationsansatz mit 1 mg Apramycin (selektioniert auf Transfer und Integration des Cosmids) und 1 mg Phosphomycin (tötet die im Transkonjugationsansatz vorhandenen unerwünschten E. coli Donoren ab) überschichtet. Nach 4 - 6 Tagen Inkubation bei 28 0C wurden mehrere Transkonjuganden sichtbar, deren Apramycin-Resistenz erfolgreich verifiziert werden konnte.
Um eine potentielle heterologe Lysolipin-Produktion im Transkonjuganten S. a/ιfc>ivs/28-4H04 nachzuweisen, wurde dieser unter Produktionsbedingungen fermentiert und nach Extraktion mit Hilfe der LC-DAD-MS analysiert. Als Negativ-Kontrolle diente eine S. albus Kultur ohne Cosmid, die unter identischen Bedingungen kultiviert und extrahiert wurde.
Die Anzucht erfolgte mit folgenden Kulturen. Vorkultur: 50 ml R5-Medium mit 25 μg/ml Apramycin [Zusammensetzung R5 s. Kieser et al., 2000, pH 7,2] wurden mit der Transkonjugante S. a/ö.vs/28-4H04 angeimpft und für 48 h bei 28 °C und 160 rpm inkubiert; Hauptkultur: 100 ml R5-Medium mit 25 μg/ml Apramycin [Zusammensetzung R5 s.o.] wurden mit 1 ml der Vorkultur beimpft und für 120 h bei 28 0C und 160 rpm inkubiert. Die Kontrollkultur (S. albus) wurde ohne Zugabe von Apramycin kultiviert.
Die Extraktion wurde wie folgt durchgeführt: i) jeweils 1 ml der Hauptkultur wurde nach Zugabe von 50 μl 1 N HCl mit 1 ml Essigsäureethylester extrahiert und die organische Phase zur Trockne eingeengt, ii) der Rückstand wurde in 100 μl MeOH aufgenommen und die Produktion von Lysolipin mittels LC-DAD- MS untersucht. Das Injektionsvolumen betrug 20 μl.
LC-DAD-MS-Analyse (Gerätespezifikationen: HPLC: Waters Alliance 2790; Säule: Grom Sil 120 ODS-4 HE, 3 μm, Dim. 40 x 4 mm; Vorsäule: Phenomenex C18 ODS, 4 mm L x 3.0 mm ID; MS: Micromass Q-TOF 2) wurde mit folgendem Gradientensystem durchgeführt (Lösungsmittel: A - Wasser mit 0.1 % Ameisensäure, B - Acetonitril):
Zeit A% B% Fluss Kurve 0.00 98.0 2.0 1.000 1
5.00 16.7 83.3 1.000 6
6.00 4.0 96.0 1.700 6
8.00 4.0 96.0 1.700 6
8.50 98.0 2.0 1.000 6 10.00 98.0 2.0 1.000 6
Die LC-DAD-MS-Analyse des Transkonjuganten S. aΛbt;s/28-4H04 zeigt deutlich, dass diese im Gegensatz zur Negativkontrolle (S. albus) eine Substanz synthetisiert, deren Retentionszeit, UV-Spektrum sowie Masse der des Lysolipin I entspricht. Hierzu sieht man in Figur 2 bis 5 die Total Ion Current (TIC) Chromatogramme (positiver Modus; Fig. 2), die fokussierten
lonenchromatogramme (positiver Modus und zwischen m/z 597 bis 599
(Lysolipin I [M+H+]+: 598); Fig. 3), DAD-UV-Chromatogramme (Base Peak Index (BPI); Fig. 4) sowie die fokussierten DAD-UV-Chromatogramme (BPI; 260 bis 280 nm, Fig. 5) der Transkonjugante S. a/jbαs/28-4H04 (oben) im Vergleich zur Negativkontrolle S. albus (mitte) und Lysolipin I (unten; reines Lysolipin I in einem Biokatalyse-Ansatz). Im Transkonjuganten Chromatogramm erscheint ein zusätzlicher Peak, der eine Retentionszeit von ca. 4,6 min aufweist. Die diesem Peak entsprechende Substanz zeigt ein UV-Spektrum (Fig. 6, oben), das dem UV-Spektrum von Lysolipin I (reines Lysolipin I in einem Biokatalyse-Ansatz; Fig.6, unten) entspricht. Ein Vergleich der heterolog synthetisierten Substanz bei 4,6 min (Fig. 7, oben) mit Lysolipin (reines Lysolipin I in einem Biokatalyse- Ansatz; Fig. 7, unten) zeigt, dass im Transkonjuganten eine Substanz gebildet wurde, deren Masse und Isotopenverteilungsmuster der des einfach chlorierten Lysolipin I entspricht.
Beispiel 2. Sequenzierung des kompletten Biosynthesegenclusters,
Sequenzannotation und Entwicklung eines Biosyntheseschemas
Die vorstehende erfolgreiche heterologe Expression zeigte, dass das Cosmid 28-4H04 alle zur Synthese von Lysolipin notwendigen Gene trägt. Zur
Bestimmung der Sequenz des putativen Lysolipin-Biosynthesegenclusters wurde das ca. 43 kb große Insert des Cosmids komplett shotgun sequenziert. Insgesamt wurde eine Sequenz von 43.202 bp doppelsträngig ermittelt, wozu auf das Sequenzprotokoll verwiesen wird (SEQ. -ID 93). Der GC-Gehalt des gesamten sequenzierten Bereiches wurde mit für Actinomyceten typischen 72,2 % bestimmt. Zur Identifizierung potentieller Lysolipin-Biosynthesegene wurden umfassende ORF (Open Reading Frame)-Analysen unter Verwendung des ORF-Finders "zCurve" (Guo et al., 2003, Nucleic Acids Res. 31(6):1780-9) und BlastP-Analysen durchgeführt. Insgesamt konnten 46 putative ORFs identifiziert werden, wobei 'ORF46 unvollständig ist (die Charakteristika und Bezeichnungen der ORFs sind in Fig. 8 zusammengefasst). Diese ORFs sind in 9 Gruppen
unterschiedlicher Transkriptionsrichtung organisiert (Fig. 9). Aufgrund der Annotation sollte das Lysolipin-Biosynthesegencluster 44 ORFs (L/p-Gene) mit einem Kodierbereich von ca. 38,6 kb umfassen. Das Genprodukt des wm 5'- Bereich, vermutlich außerhalb des Cluster lokalisierten ORFs 1 zeigt höchste Homologie zu einem konservierten hypothetischen Protein aus S. coelicolor (75% Identität), während im 3'-Bereich des Clusters der unvollständige 'ORF46 höchste Ähnlichkeit (86% Identität) zu dem terminalen Protein TpgR2 aus Streptomyces rochei zeigt. Generell ist auffallend, dass die Produkte von insgesamt 16 Lysolipin-Biosynthesegenen (LIpOII, LIpOIII, LIpZI, LIpB, LIpCI, LIpD, LIpE, LIpF, LIpCII, LIpCIII, LIpOVI, LIpMI, LIpMII, LIpQ, LIpZIII, LIpRIV, s. Fig. 8) höchste Homologien zu Genprodukten der Biosynthesen von Pradimicin, Rubromycin bzw. Griseorhodin aufweisen (Pradimicin-Typ-Antibiotika). Diese drei Substanzen stellen ebenfalls durch eine Typll-PKS synthetisierte, polyzyklische Polyketide dar. Auch wenn sich die Spiroketal-Antibiotika Rubromycin und Griseorhodin strukturell von Lysolipin unterscheiden, so zeigt doch das postulierte hexazyklische Biosynthese-Intermediat Pradimicin auffallende strukturelle Ähnlichkeiten zu Lyolipin (Li und Piel, 2002, Chem. & Biol. 9, 1017-1026). Dies könnte erklären, warum gerade die Backbone synthetisierenden Enzyme (u.a. die Lysolipin Minimal-PKS LIpD-E, s.u.) hohe Homologien zueinander aufweisen. Eine weitere Auffälligkeit besteht darin, dass aufgrund der Annotation 16 Llp-Genprodukte höchste Ähnlichkeit zu Enzymen aufweisen, die an Redoxprozessen beteiligt sind. Diese Tatsache erklärt den hoch oxidierten Charakter von Lysolipin. Derzeit ist kein anderes Cluster bekannt, das mehr Enzyme dieser Klasse aufweist.
Im Folgenden wird die aufgrund des Proteinsequenzvergleichs gefundene Funktion der einzelnen Lysolipin-Biosynthesegene bzw. Genprodukte entsprechend des postulierten Biosyntheseschemas beschrieben. Die Biosynthese des Lysolipin-Rückgrats ist in Fig. 10 dargestellt. Eine Besonderheit des Lysolipins ist die Verwendung einer Malonat-Einheit als Startereinheit der in umgekehrter Orientierung eingebaut wird (Bockholt et al. 1994, J. Org. Chem. 59, 2064-2069). Die Interpretation der Einbaustudien legen weiterhin nahe, dass
der Malonyl-CoA Starter in Malonamid-CoA überfuhrt werden muss, was die notwendige Einfuhrung der N-Gruppe in den Heterozyklus A des Lysohpins zur Folge hat Innerhalb des Clusters ist mit HpA ein Gen zu finden, dessen Genprodukt höchste Ähnlichkeit zu Asparaginsynthasen/Glutaminamido- transferasen aufweist Diese Enzyme übertragen Aminogruppen von Glutamin auf Aspartat, was die Synthese von Asparagin und Glutamat zur Folge hat In ähnlicher Weise konnte LIpA die Ammogruppe von Glutamin auf Malonyl-CoA übertragen, was die Bildung von Malonamid-CoA zur Folge hatte Diese These wird durch die Tatsache untermauert, dass LIpA eine Identität von 51% zu der Asparaginsynthase TcsG des Oxytetrazykhnclusters aufweist Auch bei der Tetrazykhn-Biosynthese wird mit Malonamoyl-CoA ein Stickstoff-modifizierter Starter postuliert (Hunter und Hill, 1997, in Biotechnology of Antibiotics (Strohl, W R , ed), 2nd Ed , pp 659-682, Marcel Decker, Ine , New York) Die Kondensation der putativen Malonamid-Einheit mit 11 weiteren Malonat- Einheiten wird durch die Mmimal-PKS katalysiert Diese wird durch die drei Gene HpD, HpE und HpF kodiert Die abgeleiteten Genprodukte zeigen höchste Ähnlichkeiten (52, 69 und 78%) zum ACP und zu den ß-Ketoacylsynthase Untereinheiten KSß und KSa des Rubromycin-Biosynthesegenclusters Da die KSß-Untereιnheιt einen Emfluss auf die Kettenlange des Polyketids haben sollte, ist es nicht verwunderlich, dass mit 78% die höchste Homologie zur KSß- Untereinheit der Rubromycin-Biosynthese gefunden wird, da Rubromycin mit 12 erforderlichen Kondensationen zu den größten Polyketiden gehört (die Biosynthese von Lysohpin erfordert 11 Kondensationen) Die Biosynthese von Lysohpin erfordert mehrere praaromatische Deoxygenierungen, die eventuell schon wahrend der Bildung des Polyketids initiiert werden (Bockholt et al 1994, J Org Chem 59, 2064-2069) Im Lysolipin-Biosynthesegencluster sind mit HpZI, HpZIII und HpZIV drei Gene vorhanden, deren Genprodukte höchste Identität zu 3-oxoacyl-ACP Reduktasen aufweisen, die für die in Fig 10 dargestellten Reduktionen verantwortlich sein konnten Diese Reduktionen stellen die Voraussetzung für die Deoxygenierung bestimmter Ketogruppen dar Die Biosynthese eines aromatischen Backbones
wird meist mit Hilfe von Cyclasen bzw. Aromatasen abgeschlossen, wobei mindestens 2 Cyclasen benötigt werden. Im Lysolipin-Biosynthesegencluster sind mit den Genen //pC/-/// drei Gene vorhanden, deren Genprodukte höchste Identität zu Cyclasen der Griseorhodin/Rubromycin-Biosynthese zeigen. Die höchste Identität von LIpCI-III gerade zu Cyclasen, die in der Synthese Pradimicin-artiger Antibiotika involviert sind, unterstreicht die Tatsache, dass diese Antibiotika ein zu Lysolipin ähnliches Intermediat bilden.
Folgend werden Tailoring-Reaktionen beschrieben.
Oxidoreduktionen sind in Fig. 11 dargestellt. Da 9 der 12 in Lysolipin X (Fig. 1) vorhandenen Sauerstoffatome aus molekularem Sauerstoff stammen, ist das Vorhandensein einer großen Anzahl von Sauerstoff-einführenden Oxidoreduktasen nicht verwunderlich. Die zu den Oxidoreduktasen gehörenden Oxygenasen katalysieren die Einführung von einem (Monooxygenase) oder zwei Sauerstoffatomen (Dioxygenasen) in das entsprechende Substrat. Diese können verschiedene chemische Reaktionen, wie Hydroxylierung, Epoxidierung und oxidative Umlagerungen, wie die Baeyer-Villiger Reaktion katalysieren. Sie unterscheiden sich in ihren Kofaktoren. In der PKS-Biosynthese sind Cytochrom P-450 Monooxygenasen (CYP450) und FAD-abhängige Mono- und Dioxygenasen verbreitet (Rix et al., 2002, Nat. Prod. Rep. 19 , 542-580).
Im Lysolipin-Biosynthesegencluster sind aufgrund der Sequenzannotation mit LIpOI, LIpOV und LIpOVIII drei FAD-abhängige Mono- oder Dioxygenasen vorhanden. Die abgeleiteten Genprodukte weisen eine Größe von 461 , 397 und 541 Aminosäuren (AS) auf. Aufgrund der Proteinsequenz und Homologie, lässt sich derzeit nicht vorhersagen, an welcher konkreten Oxygenierung die jeweilige FAD-abhängige Oxygenase beteiligt ist. Dennoch erscheint es wahrscheinlich, dass eines dieser Enzyme an der Bildung des Xanthons bzw. an der oxidativen Ringspaltung beteiligt ist, da eine solche Baeyer-Villiger Oxidation in der Mithramycin-Biosynthese durch die FAD abhängige Monooxygenase MtmOIV katalysiert wird (Rodriguez et al. 2003, J Bacteriol. 185(13):3962-5). Interessant ist allerdings die Tatsache, dass LIpOVIII höchste Ähnlichkeit (47% Identität) zur
Tetracenomycin-Hydroxylase TcmG aufweist, die für eine 3-fach Hydroxylierung verantwortlich ist (Rafanan et al., 2000, Org Lett. 5; 2(20):3225-7). Darüber hinaus befinden sich im Cluster 3 Gene HpOIV, HpOVI und HpOVII, deren abgeleitete Genprodukte höchste Identität zu Cytochrom P450- abhängigen Monooxygenasen (CYP450) aufweisen. LIpOIV zeigt höchste Ähnlichkeit zu MycG (48% Identität), eine CYP450, die im Verlauf der
Mycinamycin-Biosynthese sowohl für eine Hydroxylierung als auch Epoxidierung verantwortlich ist (Inouye et al., 1994 Mol Gen Genet. 245(4):456-64). Wie bei einigen anderen CYP450, die an der Biosynthese von Sekundärmetaboliten beteiligt sind, befindet sich auch stromabwärts von HpOIV mit HpK ein Gen, das für ein Ferrodoxin kodiert. LIpOVI zeigt größte Ähnlichkeit zu einer CYP450 aus dem Pradimicin-Biosynthesegencluster. Die abgeleiteten Genprodukte LIpOII und LIpOIII zeigen ebenfalls höchste Ähnlichkeit zu Genen der Pradimicingruppe (RubT, GrhV, GrhU), für die keine Funktion beschrieben ist. Eine Motivsuche (Pfam-Analyse) ergibt jedoch für beide Enzyme ein eindeutiges „Antibiotic biosynthesis monooxygenase"-Motiv, so dass auch diese beiden
Enzyme an Oxygenierungsreaktionen beteiligt sein sollten. Weiterhin kodiert HpL für ein Genprodukt, das höchste Homologie zu dem als Hydroxylase annotierten Enzym SnoaW aufweist. Die genaue Funktion dieses Enzyms innerhalb der Lysolipin-Biosynthese bleibt ebenso wie die Funktion aller übrigen Lysolipin Oxygenasen zu klären.
Darüber hinaus sind im Cluster noch folgende weitere Gene lokalisiert, deren Genprodukte höchste Ähnlichkeiten zu Oxidoreduktasen zeigen: LIpU: Genprodukt weist „alcohol dehydrogenase" Motiv auf und zeigt höchste Ähnlichkeit zu Dehydrogenasen.
LIpZII: Genprodukt zeigt höchste Identität (42%) zu MmcJ, einer F420 abhängigen Tetrahydromethanopterin (H4MPT) -Reduktase der Mitomycin-Biosynthese. Dieses Enzym katalysiert eine Carbonyl- Reduktion und könnte eventuell an der Biosynthese des Lysolipinstarters beteiligt sein.
LIpS: Genprodukt zeigt höchste Identität (37%) zu 3-Hydroxybutyrat-
Dehydrogenasen, die im Lipidstoffwechsel involviert sind.
Eine mögliche Funktion der beiden Dehydrogenasen, LIpU oder LIpS könnte in der Oxidation einer Lysolipin-Vorstufe bestehen, die zur Einführung der Methylengruppe notwendig ist (Fig. 12).
Das Gen HpH kodiert ein Genprodukt, das höchste Ähnlichkeiten zu NADH/FAD- abhängige Halogenasen (37-39%) zeigt. Somit wird LIpH für die Halogenierung an C1 verantwortlich sein.
Für die Biosynthese von Lysolipin sind 4 O-Methylierungen und eine N- Methylierung notwendig. Im Cluster können 6 Gene identifiziert werden (HpMI bis HpMVI), deren Genprodukte höchste Ähnlichkeiten zu O-Methyltransferasen unterschiedlicher Antibiotika-Biosynthesen, wie Tetracenomycin, Griseorhodin und Enterocin aufweisen. Auffallend ist, dass das Cluster für 6 O- Methyltransferasen kodiert, obwohl nur 5 benötigt werden.
Im Cluster befinden sich 4 Regulatorgene (llpRI-llpRIV). LIpRIV weist hohe Homologie (39%) zu dem Regulator RubS der Rubromycin-Biosynthese auf, der zu den sog. SARPs („Streptomyces antibiotic regulatory protein") gehört. SARP- Regulatoren stellen Biosynthese-spezifische Transkriptionsaktivatoren dar. Vor einigen Lysolipin-Genen können dementsprechend typische SARP-spezifische Erkennungssequenzen gefunden werden. LIpRI zeigt Homologie zu einem Transkriptionsregulator (vermutlich einem Repressor) und könnte den Beginn des Clusters markieren. LIpRII und LIpRIII zeigen höchste Ähnlichkeit zu Transkriptionsaktivatoren (s. Tabelle 1).
Das Cluster beherbergt mit //pΛ/ ein Gen, dessen abgeleitetes Genprodukt höchste Identität (30%) zu einem „multidrug transporter" aus Lactococcus lactis zeigt. Dieses Protein ist wahrscheinlich an der Resistenzvermittlung beteiligt. Darüber hinaus kodiert das Lysolipin-Biosynthesegencluster mit LIpB und LIpQ,
2 Genprodukte, die die höchste Identität (40-50%) zu den Membranproteinen RubQ und GrhM der Rubromycin- bzw. Griseorhodin-Synthese zeigen. Eine Funktion dieser Proteine ist bisher nicht beschrieben. Dennoch könnten beide Membranproteine ebenfalls zur Resistenzvermittlung beitragen. Überraschenderweise ist im Lysolipin-Gencluster mit HpG ein Gen lokalisiert, dessen abgeleitetes Genprodukt signifikante Identität (42%) zu
Glykosyltransferasen zeigt. Es gibt mit Kigamycin sehr wohl glykosylierte Lysolipin-ähnliche Xanthone (Kunimoto et al., 2003, 56, 1012-1017), allerdings sind glykosylierte Lysolipin-Derivate bisher nicht bekannt. Ob wie bei Makroliden eine evtl. intermediäre Glykosylierung ein Resistenzmechanismus darstellt, bleibt zu prüfen.
Im Cluster befinden sich mit HpT und HpV weiterhin 2 Gene, deren Genprodukte höchste Homologie zur einer als Polyketidsynthase CurD annotierten Sequenz bzw. zu WhiE aufweisen. Die Funktion innerhalb der Synthese ist aufgrund dieser Homologien jedoch nicht vorhersagbar. Weitere Gene/ORFs unbekannter Funktion sind HpX, HpY, HpP und //pJ
Für das Sequenzprotokoll ergibt sich die folgende Genliste (ID Nukleinsäure / ID
Protein): ORF1 47/1 ; HpX 48/2; HpY 49/3; HpP 50/4; MpRI 51/5; HpOI 52/6; HpJ 53/7; HpOII
54/8; HpOIII 55/9; HpZI 56/10; HpB 57/11 ; HpCI 58/12; NpD 59/13; HpE 60/14; HpF
61/15; HpCII 62/16; HpCIII 63/17; HpU 64/18; HpG 65/19; MpA 66/20; HpRII 67/21 ;
HpOIV 68/22; HpK 69/23; HpT 70/24; HpL 71/25; HpOV 72/26; HpN 73/27; llpRIII
74/28; MpOVI 75/29; MpMI 76/30; HpOVII 77/31 ; HpMIl 78/32; llpOVIII 79/33; HpMIII 80/34; HpQ 81/35; HpZII 82/36; MpMIV 83/37; MpS 84/38; MpV 85/39; HpZIII
86/40; HpH 87/41 ; HpRIV 88/42; HpZIV 89/43; HpMV 90/44; MpMVI 91/45; und
ORF46 92/46.
SEQ. -ID 93 ist die Gesamtnukleinsäuresequenz.