Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Schätzung der Restlebensdauer einer
Vorrichtung, die während des Betriebs einem Verschleiss unterliegt. Die
Erfindung betrifft ferner die Verwendung eines solchen Verfahrens für die
Wartungsplanung.
Für viele Vorrichtungen, wie beispielsweise Turbinen oder Strahltriebwerke
von Flugzeugen, ist der Verschleiss von oder an wesentlichen Bauteilen der
Hauptgrund für die begrenzte Lebensdauer, wobei mit "Lebensdauer"
üblicherweise die Zeitspanne bzw. die Betriebsdauer zwischen zwei
ordentlichen Revisionen gemeint ist. Verschleiss kann sich durch
Veränderungen der mechanischen Eigenschaften von Bauteilen
manifestrieren, was beispielsweise auf Reibung, Hitze oder Ermüdung
zurückzuführen ist. Diese Veränderungen an den Bauteilen bewirken auch
bei gleichbleibenden Betriebsbedingungen ein geändertes Verhalten der
gesamten Vorrichtung. Es ist daher notwendig, in regelmässigen Abständen
Revisionen oder Wartungsarbeiten an der Vorrichtung vorzunehmen.
Heute bekannte Verfahren zur Planung solcher Wartungsarbeiten basieren
üblicherweise auf rein zeitbestimmten Wartungsintervallen, das heisst es wird
ein fixes Zeitintervall für die Lebensdauer zwischen zwei Revisionen
angesetzt. Aus Sicherheitsgründen werden sehr konservative Näherungen für
die bereits verbrauchte Lebenszeit angenommen. Es ist klar, dass solche rein
zeitgestützten Verfahren nicht zu einer optimalen Ausnutzung der
Möglichkeiten der Vorrichtung führen, weil der tatsächlich aufgetretene
Verschleiss, der auch durch die konkreten Betriebs- und
Umgebungsbedingungen beeinflusst wird, nicht berücksichtigt wird. Um die
Effizienz der Nutzung von solchen Vorrichtungen, beispielsweise
Flugzeugtriebwerken, zu steigern, ist es daher wünschenswert, eine
realistischere Schätzung für die Restlebensdauer zur Verfügung zu haben,
bei welcher auch die tatsächlichen Betriebs- und Umgebungsbedingungen
berücksichtigt werden, um so eine effizientere und wirtschaftlichere
Wartungsplanung zu ermöglichen.
Dieser Aufgabe widmet sich die vorliegende Erfindung. Es soll also ein
Verfahren für die Schätzung der Restlebensdauer einer Vorrichtung
vorgeschlagen werden, bei welchem die konkreten Betriebsbedingungen und
somit die effektiv bzw. real verbrauchte Lebensdauer der Vorrichtung
berücksichtigt wird.
Das diese Aufgabe lösende Verfahren ist durch die Merkmale des
unabhängigen Verfahrensanspruchs gekennzeichnet.
Erfindungsgemäss wird also ein Verfahren zur Schätzung der
Restlebensdauer einer Vorrichtung vorgeschlagen, die während des Betriebs
einem Verschleiss unterliegt, mit den folgenden Schritten:
a) für mindestens einen charakteristischen Parameter, der sensitiv für den
Verschleiss ist, wird ein Zusammenhang mit einer Zeitgrösse ermittelt, welche
repräsentativ für die Betriebsdauer ist; b) für den charakteristischen Parameter wird ein Grenzwert festgelegt, der
den maximal zulässigen Verschleiss angibt; c) es wird ein Kennfeld erstellt, das einen Zusammenhang zwischen dem
charakteristischen Parameter, der Zeitgrösse und dem Verschleiss angibt; d) mit Hilfe messtechnisch erfasster Daten werden Ist-Werte für den
charakteristischen Parameter in Abhängigkeit von der Zeitgrösse ermittelt; e) aus den Ist-Werten wird jeweils anhand des Kennfelds der momentan
vorhandene Verschleiss ermittelt; f) ausgehend von dem momentanen Ist-Wert des charakteristischen
Parameters wird mittels Extrapolation auf den Grenzwert bestimmt, für
welchen Endwert der Zeitgrösse der maximal zulässige Verschleiss erreicht
wird; g) durch Vergleich dieses Endwerts mit dem Wert für die Zeitgrösse, der zu
dem momentan vorhandenen Verschleiss gehört, wird die Restlebensdauer
geschätzt.
Bei dem erfindungsgemässen Verfahren wird der Verschleiss anhand
mindestens eines charakteristischen Parameters quantifiziert, der sensitiv
bezüglich des Verschleisses ist. Für die Vorrichtung wird ein Kennfeld erstellt,
welches den Zusammenhang zwischen dem charakeristischen Parameter,
der Zeitgrösse und dem Verschleiss beschreibt. Im Falle nur eines
charakteristischen Parameters lässt sich dieses Kennfeld als eine Fläche in
einem dreidimensionalen Raum darstellen, welcher Raum durch den
charakteristischen Parameter, die Zeitgrösse und den Verschleiss
aufgespannt wird.
An der Vorrichtung werden messtechnisch Daten erfasst, aus denen ein Ist-Wert
für den Parameter in Abhängigkeit von der Zeit ermittelt werden kann.
Anhand des Kennfelds kann dann ermittelt werden, wie weit der Verschleiss
quantitativ, beispielsweise in Prozent, fortgeschritten ist. Durch eine
Extrapolation auf den maximal zulässigen Grenzwert für den
charakteristischen Parameter kann dann die Restlebensdauer geschätzt
werden.
Das erfindungsgemässe Verfahren berücksichtigt somit die tatsächlich und
effektiv bereits verbrauchte Lebenszeit, um davon ausgehend die
Restlebensdauer abzuschätzen. Es wird also nicht nur die Zeitgrösse
berücksichtigt, sondern zusätzlich werden die Betriebs- und gegebenenfalls
die Umgebungsbedingungen berücksichtigt, unter denen die Vorrichtung bis
zum gegenwärtigen Zeitpunkt betrieben wurde. Diese betriebsabhängige
Schätzung der Restlebensdauer, welche die Historie der Vorrichtung
berücksichtigt, ermöglicht eine wesentlich effizientere Ausnutzung der
Vorrichtung, weil Wartungen erst dann durchgeführt werden brauchen, wenn
sie tatsächlich notwendig sind. Die zuverlässige Vorhersage der
Verschleissentwicklung ermöglicht somit eine zustandsbasierte
Wartungsplanung.
Vorzugsweise wird die Restlebensdauer für unterschiedliche Stadien im
Lebenszyklus ermittelt, das heisst mit fortschreitendem Verbrauch der
Lebenszeit -gemessen durch die Zeitgrösse- wird die Restlebensdauer
mehrmals neu geschätzt.
In einem besonders bevorzugten Ausführungsbeispiel wird das Kennfeld mit
Hilfe von a-priori-Wissen über das Verschleissverhalten erstellt. Da
Vorrichtungen, wie beispielsweise Flugzeugtriebwerke (Strahltriebwerke) sehr
komplexe Systeme darstellen, ist es in der Regel -wenn überhaupt- nur mit
grösserem Aufwand möglich eine genügend genaue physikalische oder
deterministische Modellierung der Vorrichtung durchzuführen. Daher wird es
bevorzugt, a-priori-Know-how für die Erstellung des Kennfeldes
heranzuziehen. Die Erfahrungen, Beobachtungen oder auch Messungen, die
man an gleichen oder ähnlichen Vorrichtungen gesammelt hat, werden
verwendet, um das qualitative und/oder quantitative Verhalten des
charakteristischen Parameters mit fortschreitendem Verschleiss zu
beschreiben. Durch die Verwendung von solchem a-priori-Wissen vereinfacht
sich die Erstellung des Kennfelds erheblich. Ferner führt die Verwendung des
a-priori-Wissens normalerweise dazu, dass das Kennfeld die Vorrichtung
besser oder exakter beschreibt.
Vorzugsweise umfasst das a-priori-Wissen den qualitativen und/oder
quantitativen Verlauf von Verschleisskurven, welche den Zusammenhang
zwischen dem charakteristischen Parameter und der Zeitgrösse angeben.
Da das a-priori-Know-how meist in verbaler Form vorliegende Spezifikationen
umfasst, wird das Kennfeld besonders bevorzugt mittels einem linguistischen
Fuzzy Modell erstellt. Dadurch kann beispielsweise zuerst ein rein qualitatives
Modell zur Bestimmung des Verschleisses generiert werden, dass dann auf
der Basis von gemessenen Lebenszyklen bezüglich seiner quantitativen
Eigenschaften ausreichend optimiert wird.
Auch hat es sich in der Praxis als vorteilhaft erwiesen wenn das Kennfeld
anhand von Messdaten oder basierend auf Plausibilitätsbetrachtungen
modifiziert wird. Solche Plausibilitätsbetrachtungen haben sich beispielsweise
als sehr nützlich erwiesen, um gewisse Randbereiche des Kennfeldes zu
modellieren, die Zuständen entsprechen, welche die reale Vorrichtung selten
erreicht.
Ferner ist es bevorzugt, wenn die messtechnisch erfassten Daten zur
Ermittelung der Ist-Werte für den charakteristischen Parameter jeweils einer
Filterung oder einer Mittelung unterzogen werden. Häufig sind die
messtechnisch erfassten Daten von einem Rauschen oder einer sonstigen
Störgrösse überlagert, sodass ihre direkte Verwendung, insbesondere bei
Fuzzy Modellen, keine robuste Aussage bezüglich des Verschleissgrades
erlaubt.
Zur Bestimmung der Ist-Werte wird vorzugsweise mit Hilfe mehrerer Sätze
von messtechnisch erfassten Daten ein Modell erstellt, mit dem ein Ist-Wert
für den charakteristischen Parameter ermittelt wird.
Das erfindungsgemässe Verfahren eignet sich insbesondere für die
Schätzung der Restlebensdauer von einem Triebwerk, insbesondere von
einem Flugzeugtriebwerk.
Das erfindungsgemässe Verfahren ist besonders gut geeignet für die
Wartungsplanung, insbesondere eines Flugzeugs oder einer Vielzahl von
Flugzeugen (Flottenmanagement).
Weitere vorteilhafte Massnahmen und bevorzugte Ausgestaltungen der
Erfindung ergeben sich aus den abhängigen Ansprüchen.
Im Folgenden wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels und
anhand der Zeichnung näher erläutert. In der schematischen Zeichnung
zeigen:
- Fig. 1:
- typische Verschleisskurven für ein Flugzeugtriebwerk,
- Fig.2:
- Zugehörigkeitsfunktion (membership function) eines Fuzzy Sets,
- Fig. 3:
- ein Kennfeld in einem dreidimensionalen Raum, der durch die
A-Achse, die T-Achse und die V-Achse aufgespannt wird,
- Fig. 4:
- Eine Projektion von historischen Daten in die Ebene, die von der
A-Achse und der V-Achse aufgespannt wird,
- Fig. 5:
- eine Darstellung der A-T-Ebene zur Illustration einer
Extrapolation in einem Ausführungsbeispiel eines
erfindungsgemässen Verfahrens,
- Fig. 6:
- wie Fig. 4, jedoch zusätzlich mit der Projektion einer
Extrapolation; und
- Fig. 7:
- mehrere Darstellungen jeweils wie in Fig. 6, jedoch zu
unterschiedlichen Zeiten des Lebenszyklus, zur Verdeutlichung
der jeweiligen Schätzung der Restlebensdauer nach dem
Ausführungsbeispiel des erfindungsgemässen Verfahrens.
Das erfindungsgemässe Verfahren wird im Folgenden mit beispielhaftem
Charakter unter Bezugnahme auf ein Strahltriebwerk eines Flugzeugs
erläutert. Dabei steht das Triebwerk als repräsentatives Beispiel für eine
Vorrichtung, die während des Betriebs einem Verschleiss unterliegt und für
die eine Schätzung der Restlebensdauer erfolgen soll. Selbstverständlich ist
die Erfindung nicht auf diese Anwendung beschränkt, sondern eignet sich in
sinngemäss gleicher Weise auch für andere Vorrichtungen wie beispielsweise
landgestützte Turbinen, Strömungsmaschinen oder sonstige mechanische
Systeme, die während des Betriebs einem Verschleiss unterliegen und daher
gewartet werden müssen.
Mit dem Begriff "Lebensdauer" ist der Abschnitt zwischen zwei ordentlichen
Revisionen bzw. Wartungen gemeint, das heisst unmittelbar nach der
Wartung wird der Verschleissgrad mit "neu" beurteilt.
Als charakteristischer Parameter der sensitiv bezüglich des Verschleisses des
Flugzeugtriebwerkes ist, wird die Änderung der Gasaustrittstemperatur des
Triebwerks gewählt. Diese Temperaturänderung wird im Folgenden mit T
bezeichnet.
Als Zeitgrösse, welche repräsentativ für die Betriebsdauer bzw. die
Lebensdauer ist, wird die Anzahl der Flüge gewählt, die im Folgenden mit A
bezeichnet wird. Natürlich würden sich auch andere Zeitgrössen,
beispielsweise die Anzahl der Betriebsstunden, eignen.
Der Verschleiss V wird durch eine Zahl aus dem Intervall von null bis eins
beschrieben, wobei V=0 'neu' bedeutet, es ist noch kein Verschleiss
aufgetreten und V=1 'verbraucht', das heisst die zulässige Verschleissgrenze
ist erreicht. Ein Verschleiss von V=0.6 bedeutet also beispielsweise, dass der
Verschleissgrad 60% des maximal zulässigen Verschleisses beträgt.
Als Grenzwert G für die Temperaturänderung T, der das Erreichen des
maximal zulässigen Verschleisses angibt, wird eine Temperaturerhöhung von
40 K gewählt. Dieser Wert beruht auf Erfahrungen, die als a-priori-Know-how
eingebracht werden.
Fig. 1 zeigt mehrere typische Verschleisskurven K1-K4, die jeweils einen
möglichen Zusammenhang zwischen der Temperaturänderung T als
charakteristischen Parameter und der Anzahl A der Flüge als Zeitgrösse
angeben. Derartige Verschleisskurven stellen a-priori-Wissen dar, welches im
vorliegenden Ausführungsbeispiel zur Erstellung des Kennfelds
herangezogen wird. Die Verschleisskurven basieren auf Erfahrungen bzw.
messtechnisch erfassten Daten, die man an gleichen oder ähnlichen
Triebwerken gemacht hat.
Ferner ist in Fig. 1 der Grenzwert G=40K für die Temperaturerhöhung
eingezeichnet sowie ein Intervall L, das einen typischen Lebenszyklus für ein
solches Triebwerk angibt.
Es ist zu erkennen, dass die Kurven K1-K4 zwar alle unterschiedlich
aussehen, jedoch qualitativ das gleiche Verhalten zeigen. Am Anfang des
Lebenszyklus, der bei A=0 und T=0 beginnt, ist zunächst ein stärker Anstieg
der Verschleisskurven zu erkennen, es folgt ein Plateau, auf welchem sich
die Temperaturerhöhung kaum ändert und gegen Ende des Lebenszyklus ist
wieder ein stärkerer Anstieg der Temperaturerhöhung zu beobachten. Alle
Verschleisskurven enden bei T=40K, also beim Erreichen des Grenzwerts G.
Eine Möglichkeit, den Verschleiss zu quantifizieren, besteht darin, dass man
das Wegintegral über die gesamte Verschleisskurve auf eins normiert. Dann
definiert die Weglänge für jeden Punkt auf der Verrschleisskurve gerade den
entsprechenden Verschleiss. Hat man beispielsweise A1 Flüge zurückgelegt,
so ergibt sich der quantifizierte Verschleiss aus dem Wegintegral über die
Verschleisskurve von 0 bis A1.
Das Problem ist jedoch, dass für ein gegebenes Triebwerk, die
messtechnisch erfasste Verschleisskurve erst am Ende seiner Lebenszeit
bekannt ist. Anders ausgedrückt: Für ein neues, d.h. frisch gewartetes
Triebwerk ist nicht bekannt, entlang welcher der beliebig vielen
Verschleisskurven es sich während seines Lebenszyklus bewegen wird.
Etwas vereinfacht ausgedrückt wird bei dem hier beschriebenen
Ausführungsbeispiel des erfindungsgemässen Verfahrens im Verlauf des
fortschreitenden Verbrauchs der Lebensdauer die Schätzung der
Restlebensdauer dadurch verbessert, dass die Vorhersage ständig (das
heisst beispielsweise nach jedem Flug) auf die richtige Verschleisskurve
angepasst wird.
Aus Sicht eines Input/Output Modells sind damit der charakteristische
Parameter und die Zeitgrösse, welche die bisher verbrauchte Lebensdauer
misst, als Inputs und der Verschleiss als Output als notwendige und
hinreichende Informationen für die Schätzung der Restlebensdauer zu
verwenden.
Bei dem erfindungsgemässen Verfahren wird zunächst ein Kennfeld KF
(siehe Fig. 3) erstellt, das einen Zusammenhang zwischen den
charakteristischen Parameter (hier die Temperaturerhöhung T), der
Zeitgrösse (hier die Anzahl A der Flüge) und dem Verschleiss V angibt.
Vorzugsweise wird dieses Kennfeld mit Hilfe von a-priori-Know-how erstellt,
also beispielsweise unter Verwendung von Verschleisskurven K1-K4, wie sie
in Fig. 1 dargestellt sind.
Für die Umsetzung dieses a-priori-Wissens wird besonders bevorzugt ein
linguistisches Fuzzy Modell (MAMDANI-Modell) verwendet. Da solche Fuzzy
Modelle bzw. die Fuzzy Logik an sich dem Fachman hinreichend bekannt
sind, wird hier nur kurz erläutert, wie bei dem Ausführungsbeispiel der
erfindungsgemässen Verfahrens das Kennfeld KF mit Hilfe eines
linguistischen Fuzzy Modells erstellt wird.
Für das linguistische Fuzzy Modell stehen bei dem hier beschriebenen
Ausführungsbeispiel folgende Informationen als a-priori-Know-how zur
Verfügung: Kenntnis über den qualitativen und quantitativen Verlauf von
Verschleisskurven (siehe Fig. 1); zusätliche Anforderungen an die
Vorhersage in Randgebieten.
Als Inputgrössen dienen die Temperaturerhöhung T und die bisher
verbrauchte Lebensdauer, gemessen durch die Anzahl A der Flüge, als
Outputgrösse der Verschleiss V. Jede der Input- und der Outputgrössen wird
durch ein Fuzzy Set charakterisiert. Als Beispiel zeigt Fig. 2 die
Zugehörigkeitsfunktion (membership function) des Fuzzy Set für die
Inputgrösse Temperaturerhöhung T. Für die linguistische Variable T sind die
linguistischen Werte "klein", "mittel" und "gross" vorgesehen.
Für die Inputgrösse A "Anzahl Flüge" sind die linguistischen Werte "wenig",
"viel", "limit" vorgesehen und für die Outputgrösse "Verschleiss" V die
linguistischen Werte "neu", "neuwertig", "gebraucht", "verbraucht".
Anschliessend wird unter Verwendung der Fuzzy Sets das Regelwerk
definiert, das im konkreten Fall die folgenden vier Regeln umfasst
IF (T is klein) AND (A is wenig) then (V is neu) IF (T is klein) AND (A is viel) then (V is neuwertig) IF (T is mittel) AND (A is viel) then (V is gebraucht) IF (T is gross) AND (A is limit) then (V is verbraucht)
Aus diesen Informationen lässt sich dann ein Kennfeld KF erstellen wie es in
Fig. 3 als Netz (Mesh) dargestellt ist. Natürlich ist es möglich und
normalerweise auch üblich, dass zunächst ein erster "Entwurf" für das
Kennfeld KF erstellt wird und dieses dann verfeinert wird. Derartige
Verfeinerungen können zum Beispiel erfolgen durch Versuchs- und
Irrtumsstrategien (trial and error), Berücksichtigung von Messdaten,
händisches Nachmodellieren aufgrund von Plausibilitätsbetrachtungen (z. B.
dass der Rand der Kennfelds auf der Linie mit T=40K und V=1 liegt) oder
sonstige Optimierungs- oder Kalibrierungsverfahren. Das sich daraus
ergebende Kennfeld KF für das hier beschriebene Ausführungsbeispiel ist in
Fig. 3 dargestellt.
Mithilfe dieses Kennfelds KF, welches den Zusammenhang zwischen
Temperaturerhöhung T, Anzahl der Flüge A und Verschleiss V beschreibt,
wird nun während des Lebenszyklus des Triebwerks die Schätzung der
Restlebensdauer vorgenommen, was im Folgenden erläutert wird.
Während des Lebenszyklus des Triebwerks werden messtechnisch Daten
des Triebwerks erfasst - beispielsweise bei oder nach jedem Flug -, aus
denen dann Ist-Werte für den charakteristischen Parameter (hier die
Temperaturerhöhung T) in Abhängigkeit von der Zeitgrösse (hier die Anzahl A
der Flüge) ermittelt werden. Natürlich ist es je nach konkretem
Anwendungsfall auch möglich und gegebenenfalls auch vorteilhaft, als Ist-Werte
jeweils die direkt messtechnisch erfassten Daten zu verwenden, im
vorliegenden Ausführungsbeispiel hat es sich jedoch als vorteilhaft erwiesen,
die messtechnisch erfassten Daten einer Filterung bzw. einer Mittelung zu
unterziehen. Der Grund hierfür ist, dass die Änderung der
Gasaustrittstemperatur T aufgrund des hohen Absolutwerts der
Gasaustrittstemperatur von einem starken Rauschen überlagert ist. Eine
typische Rauschamplitude kann die Hälfte oder sogar noch mehr der
messtechnisch erfassten Datensignale betragen.
Prinzipiell eigen sich natürlich sehr viele an sich bekannte Verfahren und
Methoden, um die messtechnisch erfassten Daten einer Mittelung oder einer
Filterung zu unterziehen. Mit beispielhaften Charakter wird eine Möglichkeit
erläutert, die eine Methode verwendet, welche in der EP-A-0 895 197
(P.6822) offenbart ist.
Die Änderung der Gasaustrittstemperatur T wird in regelmässigen Abständen,
also beispielsweise bei jedem Flug messtechnisch erfasst. Dies führt zu
einem Datensatz der Form [Ti; Ai] mit i = 1, ...,n, wobei Ti die
Temperaturänderung für den Flug mit der Nummer Ai bezeichnet. Nun wird
jeweils ein Teil dieses Datensatzes, beispielsweise die Daten mit i=1,2,..., 20;
die Daten mit i=21,22,...,40; usw. dazu verwendet, um ein Modell zu erstellen.
Dies führt zu einer Mehrzahl von Modellen. Jedes dieser Modelle wird dann
für den gleichen Zustand, den sogenannten Nominalzustand, ausgewertet,
um so die Ist-Werte für den charakteristischen Parameter zu ermitteln.
Bezüglich weiterer Details wird auf die EP-A-0 895 197 verwiesen.
Durch diese Massnahme erfolgt eine Mittelung der messtechnisch erfassten
Daten, welche die Rauschamplitude erheblich reduziert. Auf diese Weise
lassen sich Ist-Werte für die Temperaturerhöhung T in Abhängigkeit von der
Anzahl A der Flüge ermitteln.
Für das Triebwerk stehen zu der Zeit, zu der die Schätzung der
Restlebensdauer erfolgen soll, die historischen Messdaten bzw. die Ist-Werte
für die Temperaturerhöhung T bis zur Gegenwart zur Verfügung. Jedem
Wertepaar (Tk,Ak) aus einem Ist-Wert für die Temperaturerhöhung und der
zugehörigen Lebensdauer, gemessen durch die Anzahl der Flüge Ak
entspricht ein Punkt in der von der A-Achse und der T-Achse aufgespannten
Ebene (sieh Fig. 3). Aus Gründen der besseren Übersicht ist in Fig. 3 nur ein
solcher Punkt mit den Koordinaten (Tk,Ak) in der T-A-Ebene als Kreuz
eingezeichnet. Dieser Punkt wird nun auf das Kennfeld KF projeziert, also
darstellungsgemäss nach oben auf das durch das Netz dargestellte Kennfeld
KF. Dann lässt sich direkt der zu (Tk,Ak) gehörende Verschleiss Vk ablesen.
Wie bereits erwähnt, sind bis zur Gegenwart alle Wertepaare (Tk,Ak) bekannt.
Bildet man jedes Wertepaar auf das Kennfeld KF ab und projeziert das
Ergebnis auf diejenige Ebene, die von der A-Achse (Anzahl Flüge) und der V-Achse
(Verschleiss)aufgespannt wird, so ergibt sich beispielsweise die in
Fig. 4 dargestellte Kurve. Sie beschreibt für alle historischen Daten den
quantifizierten Verschleiss V in Abhängigkeit von der bereits verbrauchten
Lebenszeit, gemessen durch die Anzahl A der Flüge. Im konkreten Beispiel
sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwa 1300 Flüge absolviert und der
Verschleiss liegt bei etwa 55%.
Für die Vorhersage des künftigen Verlaufs des Verschleisses V und damit für
die Schätzung der Restlebensdauer erfolgt nun eine Extrapolation auf den
Grenzwert G für die Temperaturerhöhung T. Selbstverständlich gibt es
zahlreiche Möglichkeiten einer Extrapolation. Die Wahl einer geeigneten
Extrapolation hängt vom konkreten Anwendungsfall ab. Es muss
insbesondere berücksichtigt werden, wie konservativ die Schätzung sein darf
oder soll, das heisst wie hohe Anforderungen an die Sicherheit der Prognose
gestellt werden müssen. Dementsprechend können bei der Extrapolation
mehr oder weniger pessimistische Entwicklungen in Betracht gezogen und
durch die Extrapolation errechnet werden.
Bei sehr sensiblen Anwendungen, wie beispielsweise im vorliegenden Fall
eines Flugzeugtriebwerks, wird man mit pessimistischeren Prognosen
arbeiten, um genügend Sicherheitsreserven zu haben und ein Erreichen der
Verschleissgrenze vor dem Ablauf der geschätzten Restlebensdauer
auszuschliessen.
Im hier beschriebenen Ausführungsbeispiel lässt sich eine pessimistische
Entwicklung der Temperaturerhöhung über die Anzahl der Flüge ableiten, die
im Normalfall mindestens benötigt werden um den Grenzwert G=40K für die
Temperaturerhöhung T zu erreichen. Man kann beispielsweise anhand
solcher Verschleisskurven K1-K4, wie sie in Fig. 1 dargestellt sind,
abschätzen, welches die minimale Anzahl A der Flüge bis zum Erreichen des
Grenzwerts ist. In Fig. 1 ist diese minimale Anzahl durch den Punkt gegeben,
wo die Verschleisskurve K1 den Grenzwert erreicht.
Aus den Daten, die dem Kennfeld KF in Fig. 3 zugrunde liegen, ergibt sich die
minimale Anzahl von Flügen zu 2000 Flügen.
Bezüglich der Extrapolation wird nun wie folgt vorgegangen. Fig. 5 zeigt die
Ebene die von der A-Achse und der T-Achse aufgespannt ist. Wie bereits in
Fig. 3 ist nur ein Punkt (Ak, Tk) eingezeichnet. Dies sei der aktuellste Punkt,
also derjenige, welcher der Gegenwart entspricht, in der die Schätzung
vorgenommen wird. Von diesem Punkt wird nun, wie dies die strichpunktierte
Linie E zeigt, linear auf den Grenzwert G=40K für die Temperaturerhöhung T
extrapoliert. Der Gradient mit dem die Linie E an den Punkt (Tk,Ak)
"angehängt" wird, ist wie folgt bestimmt worden. Davon ausgehend, dass die
minimale Anzahl von Flügen zum Erreichen des Grenzwerts G der
Temperaturerhöhung T wie oben erwähnt A= 2000 Flüge beträgt, bestimmt
man die zugehörige Steigung, die sich ergibt, wenn man die Punkte T=0, A=0
(Neuzustand) und T=40K, A=2000 Flüge durch eine Gerade miteinander
verbindet. Der daraus resultierende Gradient wird dann aus
sicherheitsgründen noch reduziert, im vorliegenden Beispiel wurde er halbiert,
das heisst, es wurde angenommen, dass der Grenzwert bereits nach der
halben Anzahl Flüge erreicht wird. Die daraus resultierende Extrapolation ist
die in Fig. 5 dargestellte Linie E.
Im nächsten Schritt wird die Linie E in das Kennfeld KF abgebildet, wodurch
sie im allgemeinen zu einer gekrümmten Linie wird. Projeziert man nun das
Kennfeld KF wieder -analog zu der Darstellung in Fig. 4- auf die von der V-Achse
und der A-Achse aufgespannte Ebene, so resultiert die in Fig. 6
gezeigte Darstellung. Neben den historischen Werten (die natürlich identisch
mit denen in Fig. 4 sind) ist nun auch die Projektion E' der Extrapolation zu
sehen, die strichliert dargestellt ist. Die Projektion E' der Extrapolation erreicht
die Verschleissgrenze V=1 nach einer Anzahl Flügen, die als Endwert mit AG
bezeichnet ist. Die Schätzung der Restlebensdauer ergibt sich nun durch
Differenzbildung aus dem Endwert AG und dem gegenwärtigen Wert für die
Anzahl der Flüge, also dem jüngsten der historischen Werte. In Fig. 6 ist dies
der letzte Punkt der durchgezogenen Kurve.
Dieses Verfahren zur Schätzung der Restlebensdauer wird nun während der
Lebensdauer des Triebwerks ständig oder in vorgebbaren Abständen
wiederholt. Dabei ist der Voraussagehorizont im wesentlichen durch die Wahl
des Gradienten bestimmt. Die Wahl eines vernünftigen Gradienten hat
anwendungsspezifisch zu erfolgen.
Zum besseren Verständnis illustriert Fig. 7 die Schätzung der
Restlebensdauer für sieben Stadien im Lebenszyklus eines Triebwerks. In
jeder der Abbildungen in Fig. 7 ist jeweils in gleicher Weise wie in Fig. 4 und
Fig. 6 die von der V-Achse und der A-Achse aufgespannte Ebene dargestellt,
die sich durch Projektion des Kennfelds ergibt. Die historischen Daten, das
heisst diejenigen Daten, die auf messtechnisch erfassten Daten basieren,
sind jeweils als durchgezogene Linien dargestellt, die Extrapolationen, die der
Schätzung zugrunde liegen, sind strichliert dargestellt. Der Übergang von der
durchgezogenen zur strichlierten Linie gibt also die jeweilige Gegenwart an, in
der die Schätzung erfolgte. Rechts neben den Darstellungen ist jeweils die
geschätzte Restlebensdauer RL in Anzahl Flügen anzusehen. In der obersten
Darstellung, in der noch keine historischen Daten vorliegen, ist die
Restlebensdauer im wesentlichen durch den gewählten Gradienten bestimmt.
In der von oben gesehen zweiten bis fünften Abbildung wird stets eine
Restlebensdauer von etwa 500 Flügen prognostiziert. Das heisst, der
Flugzeugbetreiber bekommt beispielsweise nach 650 Flügen (dritte
Abbildung) die Information, dass noch mindestens 500 Flüge bis zur nächsten
Wartung möglich sind. Nach etwa 1000 Flügen (vierte Darstellung) bekommt
der Betreiber die Information, dass immer noch mindestens 480 Flüge
durchführbar sind. Nach etwas mehr als 1300 Flügen (fünfte Darstellung)
erhält der Betreiber wieder die Information, dass noch mindestens 480 Flüge
durchführbar sind. Auch diese Prognosen in der zweiten bis fünften
Darstellung sind im wesentlichen noch durch den Voraussagehorizont und
somit durch die Wahl des Gradienten bestimmt.
Erst in der sechsten Darstellung (sechste Schätzung) zeichnet sich das Ende
des Lebenszyklus ab ,sodass der Betreiber nun die Revisionsplanung
ansetzen kann. Aufgrund des gewählten Gradienten für die Extrapolation
lässt sich das sich abzeichnende Ende des Lebenszyklus etwa 500 Flüge vor
Erreichen der Verschleissgrenze erkennen. Bezieht man dies auf den
gesamten Lebenszyklus von etwa 2000 Flügen, so bleibt dem Betreiber für
die Wartungsplanung ein erheblicher Handlungsspielraum von etwa 25% des
Lebenszyklus.
Zwar liesse sich der Voraussagehorizont durch Wahl eines kleineren
Gradienten für die Extrapolation erweitern bzw. verlängern. Dies würde
jedoch in der Praxis nicht zu einem deutlich grösseren Nutzen führen, aber
das Risiko einer zu optimistischen Schätzung der Restlebensdauer erhöhen.
Durch die hier beschriebene Schätzung der Restlebensdauer des
Flugzeugtriebwerks, die quantifizierten Verschleiss berücksichtigt, wird es
möglich das Potential der Triebwerke wesentlich effizienter zu nutzen, ohne
dass dafür Zugeständnisse an die Betriebssicherheit vonnöten sind. Die
gesamte Wartungs- oder Revisionsplanung lässt sich optimieren, wodurch ein
wirtschaftlich deutlich günstigerer Betrieb ermöglicht wird. Somit lässt sich
das erfindungsgemässe Verfahren insbesondere für die Wartungsplanung an
Flugzeugtriebwerken vorteilhaft einsetzen. Dies ermöglicht auch eine deutlich
effizientere Planung der Wartungsarbeiten an einer Vielzahl von Flugzeugen.
Das erfindungsgemässe Verfahren ermöglicht folglich ein äusserst
leistungsfähiges Flottenmangement einer ganzen Flotte von Flugzeugen.
Die vorne beschriebene Art der Extrapolation ist natürlich nur beispielhaft zu
verstehen. Es können auch andere Arten der Extrapolation, z. B. nicht-lineare
oder auf qualitativ bekannten Entwicklungen basierende verwendet werden.
Die spezielle Wahl einer an die jeweilige Anwendung angepassten
Extrapolation bereitet dem Fachmann keine Probleme.
Auch wenn bei dem konkret beschriebenen bevorzugten Ausführungsbeispiel
für die Bestimmung des Kennfelds ein linguistisches Fuzzy Modell zur
Verarbeitung von a-priori Know-how Verwendung findet, so ist die Erfindung
nicht auf solche Modellierungen beschränkt.
Es ist auch nicht notwendigerweise so, dass das Kennfeld mittels a-priori-Know-how
erstellt werden muss. Es sind auch andere Methoden möglich, um
ein Kennfeld zu bestimmen, welches den Zusammenhang zwischen dem
charakteristischen Parameter, der Zeitgrösse und dem Verschleiss angibt. So
können beispielsweise je nach Anwendungsfall ab-initio-Rechnungen
durchgeführt werden, oder Auslegungsrechnungen,
Dimensionierungsrechnungen, physikalische Modellierungen, datengestützte
Modellierungen, Systemverhaltensberechnungen. Ferner ist es möglich, das
Kennfeld in Form von Polynomen, Look-up Tabellen, multilayer Perceptrons
(neuronale Netzwerke), radial basis functions, Singleton und Takadi-Sugeno
Fuzzy Modellen sowie Hinging Hyperplanes zu beschreiben.
Selbstverständlich ist es auch möglich, mehr als einen charakteristischen, für
den Verschleiss sensitiven Parameter zu verwenden, wodurch das Kennfeld
in einem höher dimensionalen Raum definiert ist.