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Neues Verfahren zur Gasreinigung - Aktivierungssorption
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Anwendungsgebiet der Erfindung Die Erfindung betrifft ein Verfahren
zur Schadgasabscheidung in Verbindung mit gleichzeitiger Staubkonditionierung für
die anschließende Staubabscheidung durch Nutzung der bei der mechanischen Aktivierung
von Feststoffen auftretenden Phänomene, wobei unter mechanischer Aktivierung die
Erzeugung von Deformationen, Fehlstellen und Zerstörungen im Kristallgitter von
Feststoffen durch Intensive mechanische Beanspruchung zu verstehen ist.
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Mit dieser sogenannten Aktivierungssorption wird ein Verfahren vorgestellt,
mit dem die Umweltbelastung durch Schadgase wie zum Beispiel SO2, SO3, F, cr und
diverse Kohlenwasserstoffe auf effektive und wirtschaftliche Weise verringert werden
kann, da es als rein trockenes Verfahren mit niedrigerem Kostenaufwand als vergleichbare
Trocken- oder Naßverfahren durchgeführt werden kann und zusätzlich die Nutzung vorhandener
Abgaswärmeinhalte erlaubt.
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Das neue Verfahren ist einsetzbar für alle Anwendungsbereiche, bei
denen Schadgase durch Festkörperreaktionen aus dem Gasstrom abscheidbar sind. Dies
betrifft vor allem die Reinigung von Abgasen aus kohlegefeuerten Kesseln (Entschwefelung),
Abgasen aus kohle-, koks-, öl- oder elektrisch beheizten Schmelzbetrieben (H2S-,
SO2# und F - Abscheidung), Abgasen aus Müllverbrennungsanlagen (Abscheidung von
S02, H2S, C1, F ), Abgasen der keramischen Industrie (Abscheidung von Fluor und
SO2) und Abgasen aus verschiedensten Bereichen der Industrie, dem Handwerk, der
Landwirtschaft und kommunaler Betriebe zur Abscheidung von Kohlenwasserstoffen (Phenole,
Aldehyde u.ä.) auch zur Vermeidung von Geruchsbelästigung.
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Stand der Technik Die bisher zum Einsatz kommenden Verfahren zur Gasreinigung
können grob unterteilt werden in: 1. Verfahren mit Wertstoffgewinnung (Gips, Ammoniumsulfat,
Schwefelsäure usw.) und 2. Verfahren ohne Wertstoffgewinnung Die unter 1. genannten
Verfahren erfordern in der Regel zunächst eine Staubvorabscheidung, für die üblicherweise
die elektrostatische Gasreinigung (EGR) eingesetzt wird. Anschließend erfolgt die
Schadgaseinbindung, die zur Wertstofferzeugung führt, entweder durch naßmechanisch/naßchemische
Verfahren mit nachgeschalteter Entwässerung und Trocknung des Wertstoffes sowie
Aufheizung der schadstofffreien Abgase, durch "halbtrockene" als Hybridverfahren
oder Sprühadsorption bezeichnete Verfahren mit nachgeschalteter trockener Wertstoffabscheidung
durch EGR oder Filter sowie i.d.R. Abgasaufheizung oder durch trockene Adsorptivverfahren
mit Aktivkohle oder Aktivkoks mit Regeneration des Adsorptionsmittels und Weiterverarbeitung
der Schadgase als Reichgase (z.B. S02 zu H25O4).
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Diese Verfahren sind durch ihren apparativen Aufwand kostenintensiv.
Es läßt sich darüberhinaus abschätzen, daß die durch den Gesetzgeber veranlaßten
Maßnahmen zur Schadgasrelnlgung zu einer Überproduktion an spezifischen Wertstoffen
führen und damit ein zusätzliches Deponieproblem erzeugen.
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Bei den unter 2. genannten Verfahren wird auf die Staubvorabscheidung
verzichtet. Um den Nachteil gegenüber den Verfahren mit Wertstofferzeugung (fehlende
Erlöse aus Wertstoffverkauf + Deponiekosten) ausgleichen zu können, wird bei diesen
Verfahren mit deutlich geringerem apparativen Aufwand möglichst in der Nähe der
stöchlometrisch notwendigen Additivmenge gearbeitet.
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Dies Ist für Entschwefelungsverfahren durch "halbtrockene" Sprühadsorption
und anschließende Staubabscheidung# EGR oder Filter) möglich.
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Für die alleinige Chlor- und Fluorabscheldung eignen sich auf Grund
der Reaktionsfähigkeit dieser beiden Schadgase auch rein trockene Addit ivverfahren
mit nachgeschalteter Entstaubung der Abgase.
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Eine Sonderstellung nehmen die apparativ aufwendigen Verfahren zur
Reinigung/Geruchsbeseltlgung durch Ionenaustauschreaktlonen ein, mit denen überwiegend
Kohlenwasserstoffe erfaßt werden.
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Allen im Einsatz befindlichen Verfahren der Schadgasabscheidung ist
gemeinsam, daß sie zu unbefriedigen Kostenbelastungen führen. Dies ist vor allem
auf die nicht zufriedenstellende Stöchiometrie der Verfahren, die Verlagerung der
Problemstellung aus dem gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand, den Einsatz
aufwendiger Staubabscheidung und die Deponiekosten zurückzuführen.
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Deshalb fehlt es nicht an Versuchen, effektivere Verfahren zu entwickeln.
Hierfür bieten sich vor allem trockene Verfahren an, weil durch diese eine Nutzung
der Wärmeinhalte von gereinigten Abgasen möglich wird. Als nachteilig wirkt sich
bei trockenen Reinigungsverfahren jedoch bisher stets die geringe Reaktionsfähigkeit
zwischen den Reaktionspartnern bei den überwiegend vorhandenen Reaktionsbedingungen
(geringe Verweilzeit, geringe Schadgaskonzentration, Temperaturen von 1500 C - 2500
C) aus. Zur Erreichung der Abscheidungsziele sind deshalb überwiegend mehrfache
stöchiometrische Verhältnisse zwischen Additivmenge und Schadgas notwendig, die
zu einer mengen- und kostenmäßiger Doppelbelastung führen: im Prozeß und für die
Deponie.
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Die Entwicklungsbemühungen verschiedenster Institute und Unternehmen
konzentrieren sich deshalb besonders auf die Verbesserung der Reaktionsfähigkeit
von Additiven. So existiert beispielsweise ein Verfahren der Fa. Lühr, Stadthagen
(Patentanmelder wahrscheinlich Herr Dipl.-Ing. Margraf), das als Kugelrotoren-Verfahren
bezeichnet die Oberflächenenergie feinster Staubteilchen zur Schadstoffbindung und
Staubagglomeration nutzt.
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Die vorliegende Erfindung hat nine ähnliche, jedoch weiterführende
Zielsetzung durch Nutzung der mechanischen Aktivierung.
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Ziel der Erfindung ist es, durch Erhöhung der Reaktionsfähigkeit der
Additive unter den gegebenen Reaktionsbedingungen eine überwiegend chemische sowie
restphysikalische Schadgasbindung unter stöchiometrischen Bedingungen zu erreichen.
Für die Erhöhung der Additivreaktlvität wird die mechanische Aktivierung eingesetzt:
durch intensive mechanische Beanspruchung, wie sie durch die schlagende und stoßende
Mahigutbeanspruchung in Schwingmühlen möglich ist, werden im Kristallgitter des
Mahlgutes (hier: der Additive) Deformationen, Fehlstellen, partielle oder völlige
Zerstörungen erzeugt. Das nach einem materlaispezifischen, definierbaren Ordnungszustand
strebende Mahlgut/Addltlv ist durch die Gitterveränderungen instabil und reaktlonsfreudig.
Im Kontakt mit Schadgasen reagiert es chemisch durch Einbau der Gasatome und -ionen
in das Gitter, durch Besetzung von Gitterfehlstellen oder durch völlige Stoffneubildung.
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Das Bestreben, schnell in den alten oder einen neuen geordneten Gitterzustand
zurückzufinden, kommt der Reaktionskinetlk zugute. Die chemische Reaktion wird durch
die dem Additiv infolge Freisetzung der Gitterenergle innewohnende freie Enthalpie
unterstützt und beschleunigt.
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Zusätzlich wird Schadgas physikalisch an den außerordentlich großen
spezifischen Oberflächen der Additive gebunden, die zwangsläufig bei der intensiven
mechanischen Aktivierung entstehen.
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Die Erfindung baut darauf auf, daß durch den Aktivierungserfolg bereits
die üblicherweise im Abgasstrom vorhandene Flugstaubmenge zur ausreichenden Schadgasbindung
(im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung) befähigt wird. Weiterhin lassen sich durch
die mechanisch erzeugte, außerordentliche Reaktionsfähigkeit Abfallstoffe wie z.B.
der eisenoxydreiche Rotschlamm aus der Aluminiumrerzeugung für die Schadgasabscheidung
aus staubarmen Abgasen aktivieren.
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Als Nebeneffekt wird die die ebenfalls durch den Aktivzustand hervorgerufene
Agglomerationsneigung des Additiv-Mahigutes, die trotz der Inakl;ivierung infolge
chemischer und physikalischer Schadgasbindung noch ausgeprägt vorhanden ist, für
die anschließende Abscheldung der staubförmigen Reaktionsprodukte genutzt. Die in
der Größenordnung von û,03 - 0,05 mm vorliegenden Agglomerate lassen
sich
durch einfache mechanische Abscheider (Umlenkkammern oder Zentrifugalabschelder)
aus dem Abgasstrom abscheiden und verringern damit den verfahrenstechnischen und
wirtschaftlichen Aufwand des Gesamtverfahrens.
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Aufgabe und Wesen der Erfindung Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde,
durch Integration der mechanischen Aktivierung in den Prozeß der Abgasreinigung
die außergewöhnliche Reaktionsfähigkeit von aktivierten Feststoffen/Additiven zur
Schadgasbindung zu nutzen. Zur Realisierung der Aufgabenstellung kommen zwei verschiedene
Verfahrenswege in Frage: 1. die Nutzung des Aktivierungsreaktors - Mehrkammerschwlngmühlen
oder ähnliche, speziell für die Funktion der Aktivierungssorption konstruierte Aggregate
-direkt als Schadgasbindungsreaktor in Verbindung mit mechanischen Staubabscheidern
(siehe Figur 1), 2. die Parallelschaltung von Aktivierungsreaktor und Reaktionsraum
für die Schadgasbindung. Hierfür ist die Kreislaufführung eines Teiles der Additive
und Reaktionsprodukte zur Mehrfachbeanspruchung vorgesehen. Die Staubabscheidung
der Reaktionsprodukte erfolgt durch mechanische oder filternde Entstauber (s. Fig.
2).
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Bei Nutzung des unter 1. genannten Verfahrensweges treten die vergleichsweise
günstigeren Reaktionsbedingungen auf, weil die Reaktion unmittelbar im Moment des
Entstehens der aktivsten Festkörperzu stände, also quasi im statu nascendi erfolgt.
Zusätzlich bietet die schwingende Masse aus Reaktionsraum, Mahikörpern und Additiv-Mahlgut
geradezu optimale Bedingungen für eine ausgezeichnete Reaktionskinetik. Durch die
einstellbare Mehrfachbelastung der Feststoffe entsteht darüberhinaus auch aus dem
Reaktlonsprodukt ein aktiviertes Material, das über das Potential an freier Enthalpie
und Oberflächenenergie zusätzliche Schadgasanteile bindet und gleichzeitig zur Agglomeration
des Endproduktes führt. Dadurch läßt sich bei diesem Verfahrensweg die Abscheidung
der Reaktionsprodukte aus dem Gasstrom durch einfache mechanische Entstauber bewerkstelligen,
d.h. durch die intensive
mechanische Beanspruchung fällt das Endprodukt
der Reaktion in Form von gleichmäßigen kugeligen Agglomeraten an. Fein- oder Feinststaub
(kleiner 0,01 mm) tritt quasi nicht auf. Bei der Agglomeratgröße von 0,03 - 0,05
mm erfahren die brikettierten Reaktionsprodukte auf Grund von Massenkräften (Schwerkraft
und vor allem Trägheitskräfte) im Abgasstrom bereits eine deutlich differenzierte
Beschleunigung. Diese genügt zur ausreichenden Staubabscheidung (im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung).
Die deshalb zum Einsatz als Entstauber verwendbaren Fliehkraftabscheider oder Umlenkkammern
sind im Vergleich mit anderen Entstaubern (naßmechanische Systeme, filternde Abscheider
oder elektrostatische Abscheider) mit Abstand die in Handhabung, Robustheit, Verfügbarkeit,
Wartungsarmut, Temperaturempfindlichkeit und vor allem Kostenbelastung günstigsten
Abscheidesysteme. Ihre Gesamtkosten (Kapital- und Betriebskosten) liegen größenordnungsmäßig
um den Faktor 10 niedriger als die der genannten anderen Abscheidersysteme.
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Zur effektiven mechanischen Aktivierung von Additiven wird die unter
Nr. 3 143 756.7 angemeldete Erfindung genutzt. Diese Anmeldung betrifft Schwlngmühlen
oder ähnlich schwingende Aggregate mit speziellen beweglichen (mitschwlngenden)
Einbauten, durch die die Anbackung des Mahlgutes verhindert und die Beanspruchung
wesentlich intensiviert wird.
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Diese sogenannten Drehkammerschwingmühlen kommen auch zum Einsatz,
wenn der unter 2. genannte Verfahrensweg beschritten wird.
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Die Parallelschaltung von Aktivierungsreaktor und Schadgasbindungsreaktor
ist vor allem für große Abgasmengen sinnvoll.
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Bei Einsatz dieser Verfahrensvariante wird der Nachteil (gegenüber
Verfahrensweg 1.) der geringeren Reaktionskinetik durch eine längere Verwellzelt
des aktivierten Additivs im Abgasstrom durch Kreislaufbetrieb ausgeglichen. Die
Verwendung von filternden Staubabscheidern bietet eine weitere Möglichkeit, die
Reaktionszeit zu verlängern.
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Durch geeignete Verfahrensweise beispielsweise durch Erzeugung einer
deutlichen Differenzgeschwindigkeit zwischen Additivzugabe und Gasstrom läßt sich
darüberhinaus die Reaktionsmöglichkeit zwischen den Reaktlonspartnern erhöhen.
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