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Die Erfindung betrifft ein hochfestes, warmgewalztes Stahlflachprodukt mit hoher lokaler Kaltumformbarkeit. Des Weiteren betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Stahlflachprodukts.
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Unter Kaltumformbarkeit wird vorliegend die Umformbarkeit bei einer Temperatur im Bereich von 10 °C bis 700 °C, bevorzugt zwischen 10 °C und 200 °C, besonders bevorzugt zwischen 10 und 80 °C und insbesondere bevorzugt bei Raumtemperatur zwischen 15 und 40 °C verstanden.
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Insbesondere bezieht sich die Erfindung sich auf ein hochfestes, mikrolegiertes, überwiegend bainitisches Warmband mit einer optimierten Legierungszusammensetzung und Gefügestruktur, welches beispielsweise als Fahrwerkbauteil in der Automobilindustrie Anwendung findet.
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Die Erfindung betrifft weiterhin hochfeste Warmbänder mit Zugfestigkeiten von mindestens 760 MPa bei gleichzeitig hoher Kaltumformbarkeit.
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Die Beschreibung der Kaltumformbarkeit ist komplex und lässt sich nur durch eine UNDverknüpfte Kombination von Kennwerten ausreichend quantifizieren.
Zur Beschreibung der Kaltumformbarkeit des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes werden deshalb folgende Kennwerte herangezogen:
- 1. Bruchdehnung (A)
- 2. Lochaufweitungsverhältnis (LA)
- 3. Maß der Kaltumformbarkeit (FL)
- 4. Verhältnis von lokaler zu globaler Kaltumformbarkeit (LFR)
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Kennwerte wie Bruchdehnung, Gleichmaßdehnung und Lochaufweitungsverhältnis sind etablierte Kennwerte zur Beschreibung der Kaltumformbarkeit.
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Für die Quantifizierung von hoher globaler Kaltumformbarkeit und hoher lokaler Kaltumformbarkeit ist es notwendig, sowohl einen Kennwert der lokalen als auch einen der globalen Kaltumformbarkeit heranzuziehen. Im Rahmen der Erfindung wird der Kennwert Lochaufweitungsverhältnis als Repräsentant der lokalen Umformbarkeit und der Kennwert Gleichmaßdehnung als Repräsentant der globalen Kaltumformbarkeit ausgewählt. Dabei werden die wahren Größen und nicht die technischen (prozentualen) Größen angegeben, deren Bestimmung in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele angegeben ist.
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Von der Erfindung erfasst sind insbesondere Stahlflachprodukte aus Stählen mit einem mehrphasigen Gefüge, das im Wesentlichen, also einen Anteil von mehr als 50 Volumen- %, Bainit enthält und die ein Streckgrenzenverhältnis von mindestens 0,8 aufweisen. Neben einer hohen Zugfestigkeit von mindestens 760 MPa und einer Bruchdehnung A von mindestens 10 %, weist das Stahlflachprodukt zudem ein hohes Lochaufweitevermögen mit einem Lochaufweitungsverhältnis LA von mindestens 30 %, ein Maß der Kaltumformbarkeit FL von mindestens 0,12 sowie ein Verhältnis von lokaler zu globaler Kaltumformbarkeit LFR im Bereich von mindestens 5 und höchstens 13 auf.
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Bainitische Stähle sind bekanntermaßen Stähle, die sich durch eine vergleichsweise hohe Streckgrenze und Zugfestigkeit bei einer ausreichend hohen Dehnung für Kaltumformprozesse auszeichnen. Aufgrund der chemischen Zusammensetzung ist eine gute Schweißbarkeit gegeben. Das Gefüge besteht typischerweise aus Bainit als überwiegendem Bestandteil mit Anteilen von Ferrit. Es können im Gefüge vereinzelt geringe Anteile anderer Phasen, wie z.B. Martensit und Restaustenit, enthalten sein.
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Ein solcher Stahl wird beispielsweise in der Offenlegungsschrift
DE 10 2012 002 079 A1 offenbart. Nachteilig ist hierbei allerdings ein noch nicht ausreichend hohes Lochaufweitevermögen.
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Der stark umkämpfte Automobilmarkt zwingt die Hersteller, stetig Lösungen zur Senkung des Flottenverbrauches und CO2-Abgasausstoßes unter Beibehaltung eines größtmöglichen Komforts und Insassenschutzes zu finden. Dabei spielt einerseits die Gewichtsreduktion aller Fahrzeugkomponenten eine entscheidende Rolle, andererseits aber auch ein möglichst günstiges Verhalten der einzelnen Bauteile unter den hohen statischen und dynamischen Beanspruchungen sowohl während der Nutzung eines Automobils als auch im Crashfall.
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Durch die Bereitstellung hochfester bis höchstfester Stähle mit Festigkeiten von bis zu 1050 MPa oder darüber und durch die mit diesen Stählen erreichbare Verringerung der Blechdicke, kann das Gewicht der Fahrzeuge bei gleichzeitig verbessertem Umformverhalten der eingesetzten Stähle bei der Fertigung und im Betrieb reduziert werden.
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Hochfeste Stähle müssen daher vergleichsweise hohe Anforderungen hinsichtlich ihrer Festigkeit, Duktilität und Energieaufnahme erfüllen, ohne dass bei ihrer Verarbeitung, wie beispielsweise beim Stanzen, Warm- und Kaltumformen, beim thermischen Vergüten (z.B. Lufthärten, Presshärten), Schweißen und/oder einer Oberflächenbehandlung, z.B. einer metallischen Veredelung, organischen Beschichtung oder Lackierung im Vergleich zu konventionellen Stählen Nachteile auftreten.
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Neu entwickelte Stähle müssen sich daher neben der verlangten Gewichtsreduzierung durch verringerte Blechdicken den zunehmenden Materialanforderungen an Dehngrenze, Zugfestigkeit, Verfestigungsverhalten und Bruchdehnung bei guten Verarbeitungseigenschaften, wie Umformbarkeit und Schweißbarkeit, stellen.
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Zur Gewährleistung der geforderten Blechdickenverringerung muss daher ein hochfester Stahl mit ein- oder mehrphasigem Gefüge verwendet werden, um ausreichende Festigkeit der Kraftfahrzeugbauteile sicherzustellen und um den hohen Umform- und Bauteilanforderungen hinsichtlich Zähigkeit, Kantenrissunempfindlichkeit, verbessertem Biegewinkel, Biegeradius, Energieabsorption zu genügen.
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Auch wird zunehmend eine verbesserte Fügeeignung in Form von besserer allgemeiner Schweißbarkeit, ausgedrückt durch einen größeren nutzbaren Schweißbereich beim Widerstandspunktschweißen und ein verbessertes Versagensverhalten der Schweißnaht (Bruchbild) unter mechanischer Beanspruchung sowie eine ausreichende Resistenz gegenüber verzögerter Rissbildung durch Wasserstoffversprödung gefordert.
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Das Lochaufweitevermögen ist eine Materialeigenschaft, welche die Beständigkeit des Materials gegen Risseinleitung und Rissausbreitung bei Umformoperationen in kantennahen und zuvor schergeschnittenen Bereichen, wie zum Beispiel beim Kragenziehen, beschreibt.
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Der Lochaufweitungsversuch ist beispielsweise in der ISO 16630 normativ geregelt.
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Demnach werden in ein Blech gestanzte Löcher mittels eines Dorns aufgeweitet. Die Messgröße ist die auf den Ausgangsdurchmesser bezogene Änderung des Lochdurchmessers zu dem Durchmesser, bei der am Rand des Lochs der erste Riss durch das Blech auftritt.
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Eine verbesserte Kantenrissunempfindlichkeit bedeutet ein erhöhtes Umformvermögen der Blechkanten und wird durch ein erhöhtes Lochaufweitevermögen beschrieben. Dieser Sachverhalt ist unter den Synonymen „Low Edge Crack“ (LEC) bzw. unter „High Hole Expansion“ (HHE) sowie xpand® bekannt.
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Aus der Patentschrift
EP 3 516 085 B1 ist ein Verfahren zur Herstellung eines hochfesten warmgewalzten Stahlbands mit einer Zugfestigkeit von mindestens 570 MPa, vorzugsweise mindestens von 780 MPa bekannt, mit dem eine gute Kaltumformbarkeit des Stahlbands erreicht werden soll. Das Verfahren umfasst dabei die folgenden Schritte:
- - Gießen einer Bramme, gefolgt von dem Schritt eines erneuten Erhitzens der erstarrten Bramme auf eine Temperatur zwischen 1050 und 1260 °C;
- - Warmwalzen der Stahlbramme mit einer Eintrittstemperatur in der letzten Endwalzgerüst zwischen 980 und 1100 °C;
- - Fertigwalzen mit einer Fertigwalztemperatur zwischen 950 und 1080 °C;
- - Abkühlen des warmgewalzten Stahlbands mit einer Primärkühlrate zwischen 50 und 150 °C/s zu einer Zwischentemperatur auf dem ROT (Auslaufrollenbahn) zwischen 600 und 720 °C und gefolgt von:
- - milder Erwärmung des Stahls zwischen 0 und +10 ° C/s durch latente Wärme resultierend aus der Phasenumwandlung von Austenit zu Ferrit oder;
- - isothermes Halten des Stahls, oder;
- - dumildes Abkühlen des Stahls, was insgesamt zu einer Temperaturände-rungsrate führt in die Sekundärstufe der ROT von -20 bis 0 °C/s;- um die Wickeltemperatur zwischen 580 und 660 °C zu erreichen.
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Der hieraus bekannte Stahl besteht aus (in Gewichts-%): zwischen 0,015 und 0,15 C; höchstens 0,5 Si; zwischen 1,0 und 2,0 Mn; höchstens 0,06 P; höchstens 0,008 S; höchstens 0,1 AI sol; höchstens 0,02 N; zwischen 0,02 und 0,45 V; optional eines oder mehrere von: mindestens 0,05 und/oder höchstens
0,7 Mo; mindestens 0,15 und/oder höchstens 1,2 Cr; mindestens 0,01 und/oder höchstens 0,1 Nb; optional Ca in einer Menge, die mit einer Kalziumbehandlung zur
Einschlusskontrolle übereinstimmt; Rest Fe und unvermeidbare Verunreinigungen; und wobei der Stahl eine im Wesentlichen einphasige ferritische Mikrostruktur aufweist, die eine Mischung aus polygonalem Ferrit (PF) und nadelförmigem/ bainitischem Ferrit (AF / BF) enthält und wobei der Gesamtvolumenanteil der Summe der Ferritbestandteile mindestens 95 % beträgt und wobei die Ferritbestandteile mit feinen Verbundkarbiden und/oder Carbo-Nitriden von V und optional von Mo und/oder Nb ausscheidungsverfestigt sind.
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Es hat sich allerdings herausgestellt, dass das Kaltumformvermögen, insbesondere die lokale Kaltumformbarkeit dieses Stahlflachproduktes noch nicht ausreichend groß ist. Zudem ist das Legierungskonzept vergleichsweise kostenintensiv.
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Des Weiteren ist aus der Patentschrift
EP 3 492 611 B1 ein Verfahren zur Herstellung von warmgewalztem Stahl bekannt, mit einer Zugfestigkeit von zumindest 950 MPa und einer Mikrostruktur, welche Bainit mit einem Flächenverhältnis von 70 % oder mehr umfasst, wobei die Differenz eines oder beide der folgenden ist: Martensit mit einem Flächenverhältnis von 30 % oder weniger, und optional Ferrit mit einem Flächenverhältnis von 20 % oder weniger, wobei das Verfahren die folgenden Schritte umfasst:
- - Erhitzen von Stahl mit der chemischen Zusammensetzung auf eine Temperatur von zumindest 1250 °C,
- - Warmwalzen des Stahls bei einer abschließenden Walztemperatur von 850 - 930 °C,
- - Abschrecken des Stahls auf eine Haspeltemperatur von 450 - 575 °C,
- - Haspeln des Stahls bei der Haspeltemperatur,
- - Kühlen des Stahls, und
- - Kaltnachwalzen
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Der Stahl weist folgende Legierungszusammensetzung in Masse-% auf,
C 0,07-0,10, Si 0,01-0,25, Mn 1,5-2,0, Cr 0,5-1,0, Ni 0,1-0,5, Cu 0,1-0,3, Mo 0,01-0,2, AI 0,01-0,05, Nb 0,015-0,04, V 0-0,1, Ti 0-0,1, Differenz Fe und unvermeidliche Verunreinigungen. Der verwendete Stahl ist durch die Zulegierung von Chrom, Kupfer und Nickel vergleichsweise kostenintensiv und weist ebenfalls noch keine ausreichend hohe Kaltumformbarkeit auf. Auf eine lokale Kaltumformbarkeit wird nicht eingegangen.
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Hiervon ausgehend liegt der vorliegenden Erfindung die Aufgabe zu Grunde, ein hochfestes, warmgewalztes Stahlflachprodukt, sowie ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Stahlflachproduktes zu schaffen, und so, bezogen auf den Stahl, eine Kombination von hoher Festigkeit bei gleichzeitig hoher lokaler Kaltumformbarkeit und hoher Wirtschaftlichkeit zu erreichen.
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Diese Aufgabe wird durch ein hochfestes, warmgewalztes Stahlflachprodukt mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und ein Verfahren zur Herstellung eines Stahlflachprodukts mit den Merkmalen des Anspruchs 13 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Erfindungsgemäß bietet ein hochfestes, warmgewalztes Stahlflachprodukt mit hoher lokaler Kaltumformbarkeit, aufweisend eine Zugfestigkeit Rm von mindestens 760 MPa, ein Streckgrenzenverhältnis von mindestens 0,8 und ein Lochaufweitungsverhältnis von mindestens 30 %, vorteilhaft mindestens 40 %, besonders vorteilhaft mindestens 50 %, eine Bruchdehnung von mindestens 10 %, vorzugsweise mindestens 16 %, einem Maß der Kaltumformbarkeit von mindestens 0,12, vorteilhaft mindestens 0,17 und einem Verhältnis von lokaler zu globaler Kaltumformbarkeit von mindestens 5 und höchstens 13, sowie ein Gefüge bestehend aus mehr als 50 Volumen-% Bainit, Rest ausscheidungsverfestigter Ferrit, mit folgender chemischer Zusammensetzung des Stahls (in Gewichts-%):
- C: 0,04 bis 0,08
- Si: 0,1 bis 0,6
- Mn: 1,0 bis 2,0
- P: max. 0,06
- S: max. 0,01
- N: max. 0,012
- AI: bis zu 0,06
- Ti: bis zu 0,18 und/oder Nb: bis zu 0,08
- Mo: bis zu 0,35
- mit Ti+Nb mehr als 0,06 Gewichts-%, wobei ein überstöchiometrischer Anteil an Kohlenstoff und Stickstoff gemäß nachfolgender Formel 1 vorliegt:
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Rest Eisen einschließlich unvermeidbarer stahlbegleitender Elemente, mit optionaler Zulegierung eines oder mehrerer Elemente von Cr, Ni, V, B oder Ca,
wobei die Gefügeverteilung über die Dicke des Stahlflachproduktes in den drei Bereichen oberflächennah, 1/4-Dicke und ½-Dicke des Stahlflachproduktes, charakterisiert ist, durch
- - eine absolute Abweichung von maximal 12, vorteilhaft maximal 7 Volumen-% des Anteils an Ferrit in den Bereichen oberflächennah oder 1/4 Dicke des Stahlflachproduktes, in Bezug auf den Bereich 1/2 Dicke des Stahlflachproduktes, beträgt und/oder
- - die Abweichung im Aspektverhältnis in Walzrichtung in den drei Bereichen des Stahlflachproduktes, zum Mittelwert weniger als 0,3 in jeder der drei Bereiche beträgt, und/oder
- - in den drei Bereichen der Härteunterschied HV0,1 jeweils maximal 20 HV 0,1, vorteilhaft maximal 15 HV 0,1, noch vorteilhafter maximal 10 HV 0,1 im Vergleich zum Mittelwert über die gesamte Dicke des Stahlflachproduktes beträgt, eine ausgezeichnete Kombination von Festigkeits-, Dehnungs- und Umformeigenschaften.
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Für die Messungen der Gefügeverteilung und der Härte über die Dicke des Stahlflachproduktes ist es unerheblich von welcher Oberflächenseite aus diese durchgeführt werden.
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Insbesondere zeichnet sich das Stahlflachprodukt durch eine Kombination von hoher Festigkeit bei gleichzeitig hervorragender Kaltumformbarkeit aus. Außerdem ist die Herstellung dieses erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes auf Basis der Legierungselemente C, Si, Mn, Nb und/oder Ti vergleichsweise kostengünstig.
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Das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt zeichnet sich konkret durch eine hohe Bruchdehnung A von mindestens 10 %, einem hohen Lochaufweitungsverhältnis (LA) von mindestens 30 %, vorteilhaft mindestens 40 %, besonders vorteilhaft mindestens 50 %, einem Maß für die Kaltumformbarkeit (FL) von mindestens 0,12, vorteilhaft mindestens 0,17 und einem Verhältnis von lokaler zu globaler Kaltumformbarkeit (LFR) von mindestens 5 und höchstens 13 aus, bei gleichzeitig hoher Zugfestigkeit von mindestens 760 MPa.
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Zur Einstellung optimierter Eigenschaftskombinationen weist die Stahllegierung in einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung noch optional eines oder mehrerer Elemente von Cr, Ni, V oder B mit folgenden Gehalten in Gewichts-% auf: Cr: mehr als 0,1 bis zu 0,6, Ni: mehr als 0,1 bis zu 0,6, V: mehr als 0,01 bis zu 0,2 und B: mehr als 0,0005 bis zu 0,01, wobei ein überstöchiometrischer Anteil an Kohlenstoff und Stickstoff gemäß nachfolgender Formel 2 vorliegt:
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In einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung, wird dem Stahl Ca zur Einschlusskontrolle zulegiert. Dadurch werden die hinsichtlich der Endeigenschaften ungünstig vorliegenden Einschlüssen von MnS und Al2O3 durch insbesondere hinsichtlich der Morphologie weniger schädliche Ca-haltige Einschlüsse ersetzt. Die Zulegierung zum Stahl beträgt maximal 0,01 Gewichts-%.
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In einer weiteren vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung enthält das Stahlflachprodukt zur Erreichung besonders günstiger Eigenschaftskombinationen folgende Legierungszusammensetzung in Gewichts-%:
- Ti: mindestens 0,02, vorteilhaft mindestens 0,04, noch vorteilhafter mindestens 0,06, Nb:
- mindestens 0,01, Mo: mindestens 0,05 und Ti + Nb: bis zu 0,2.
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Das Gefüge besteht überwiegend aus Bainit und in kleineren Anteilen aus Ferrit. Der Bainit ist ein Gemisch aus Bestandteilen, das charakterisiert ist durch einen Hauptbestandteil von mindestens 50 Volumen-% und Nebenbestandteilen, wobei der Hauptbestandteil aus bainitischem Ferrit besteht, der durch Ausscheidungen von (Ti, Nb, Mo)(C,N) oder V(C,N) verfestigt ist und die Nebenbestandteile aus kohlenstoffreicheren Bestandteilen, wie Martensit, Restaustenit, unterer Bainit, und Perlit bestehen. Vorteilhaft besteht das Gefüge aus mehr als 75 Volumen-% Bainit.
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Zusätzlich darf das Gefüge kohlenstoffreiche Gefügebestandteile enthalten. Besonders günstige Eigenschaften werden nur erreicht, wenn das Gefüge maximal 10 %, vorteilhaft maximal 5 % kohlenstoffreiche Gefügebestandteile (wie z.B. Martensit, Restaustenit, Perlit,) enthält.
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Als vorteilhaft hat es sich ebenfalls erwiesen, wenn die Kornstreckung aller Gefügebestandteile in Walzrichtung gemessen an einer Position an 1/2 Dicke des Stahlflachproduktes unterhalb der Oberfläche des Stahlflachproduktes, charakterisiert durch das flächengemittelte Aspektverhältnis aller Gefügebestandteile in Walzrichtung von höchstens 2,0, und / oder der Mittelwert über die drei Bereiche oberflächennah, 1/4-Dicke und 1/2-Dicke des Stahlflachproduktes höchstens 2,0, vorteilhaft 1,6 beträgt.
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Als vorteilhaft für eine hohe Kaltumformbarkeit hat sich ebenfalls erwiesen, wenn die Hälfte der Ausscheidungen von (Ti, Nb, Mo)(C,N) oder V(C,N), die den Ferrit und den Hauptbestandteil aus bainitischem Ferrit verfestigen, im Mittel einen Durchmesser von weniger als 10 nm und/oder die Ausscheidungen einen mittleren Abstand von weniger als 750 nm aufweisen.
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Auch ist es vorteilhaft, wenn das Verhältnis von Schertexturkomponenten zu Walztexturkomponenten zur Oberfläche hin zunimmt und folgende Werte aufweist:
- - oberflächennah: mindestens 0,9
- - 1/2-Dicke des Stahlflachproduktes: maximal 0,1
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Das erfindungsgemäße warmgewalzte Stahlflachprodukt kann mit einem metallischen oder nichtmetallischen Überzug versehen werden. Der metallische Überzug kann elektrolytisch oder mittels Schmelztauchen auf das Stahlflachprodukt aufgebracht werden und ist vorteilhaft zinkbasiert.
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Verwendung findet ein solches warmgewalztes Stahlflachprodukt vorteilhaft in der Automobilindustrie zur Herstellung von Bauteilen, insbesondere von Fahrwerkbauteilen. Erfindungsgemäße warmgewalzte Stahlflachprodukte weisen dabei Dicken von 1,6 bis 6,0 mm auf. Aber auch geringere Dicken als 1,6 mm oder größere Dicken als 6,0 mm sind von der Erfindung erfasst.
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In vorteilhafter Weise weist das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt längs zur Walzrichtung eine Zugfestigkeit Rm von mindestens 760 MPa, ein Streckgrenzenverhältnis von mindestens 0,8, eine Bruchdehnung A von mindestens 10 %, vorzugsweise mindestens 16 %, ein Lochaufweitungsverhältnis von mindestens 30 %, vorteilhaft mindestens 40 % oder sogar mindestens 50 % auf. Das Maß der Kaltumformbarkeit beträgt mindestens 0,12, vorteilhaft mindestens 0,17 bei einem Verhältnis von lokaler und globaler Kaltumformbarkeit von mindestens 5 und höchstens 13.
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Legierungselemente werden dem Stahl in der Regel zugegeben, um gezielt bestimmte Eigenschaften zu beeinflussen. Dabei kann ein Legierungselement in verschiedenen Stählen unterschiedliche Eigenschaften beeinflussen. Die Wirkung und Wechselwirkung hängt im Allgemeinen stark von der Menge, der Anwesenheit weiterer Legierungselemente und dem Lösungszustand im Werkstoff ab. Die Zusammenhänge sind vielseitig und komplex. Im Folgenden soll auf die Wirkung der Legierungselemente in der erfindungsgemäßen Legierung näher eingegangen werden.
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Bei den im Folgenden und in den Ansprüchen gemachten Zahlenangaben für Legierungselementgehalte und alle anderen Zahlenangaben sollen die Zahlen als Eckwerte miteingeschlossen sein. Die Verwendung des Begriffs „bis“ in den Gehaltsbereichen, z.B. 0,01 bis 1 Gewichts-% bedeutet, dass die Eckwerte, hier 0,01 und 1 miteingeschlossen sind.
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Kohlenstoff C: Wird benötigt zur Bildung von Karbiden, insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten Mikrolegierungselementen Nb, V und Ti, fördert die Bildung von Martensit und Bainit, stabilisiert den Austenit und erhöht im Allgemeinen die Festigkeit. Höhere Gehalte an C verschlechtern die Schweißeigenschaften und führen zur Verschlechterung der Dehnungs- und Zähigkeitseigenschaften, weshalb ein maximaler Gehalt von höchstens 0,08 Gewichts-% festgelegt wird. Um eine ausreichende Festigkeit des Werkstoffs zu erreichen, ist eine Mindestzugabe von 0,04 Gewichts-% erforderlich.
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Mangan Mn: Stabilisiert den Austenit, erhöht die Festigkeit und die Zähigkeit. Höhere Gehalte von > 2,0 Gewichts-% Mn erhöhen das Risiko von Mittenseigerungen, die die Duktilität und somit die Produktqualität signifikant verringern. Geringere Gehalte < 1,0 Gewichts-% erlauben nicht die Erreichung der erforderlichen Festigkeit und Zähigkeit bei angestrebten moderaten Analysekosten. Daher wird der Gehalt an Mn auf 1,0 bis 2,0 Gewichts-% festgelegt.
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Aluminium Al: Wird für die Desoxidation im Stahlwerksprozess eingesetzt. Die Menge des eingesetzten Al ist prozessabhängig. Daher ist kein minimaler Al-Gehalt angegeben. Ein Al-Gehalt von größer 0,06 Gewichts-% verschlechtert das Gießverhalten im Strangguss deutlich. Hierdurch entsteht ein höherer Aufwand beim Vergießen. Daher wird der Gehalt an Al auf maximal 0,06 Gewichts-% festgelegt
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Silizium Si: Gehört zu den Elementen, die die Festigkeitssteigerung von Stahl durch Mischkristallverfestigung auf kostengünstige Art und Weise ermöglichen. Allerdings verringert Si die Oberflächenqualität des Warmbandes durch die Förderung von festanhaftendem Zunder auf den wiedererwärmten Brammen, der bei hohen Si-Gehalten nur mit hohem Aufwand oder nur unzureichend entfernt werden kann. Das ist insbesondere beim anschließenden Verzinken von Nachteil. Daher ist der Si-Gehalt auf maximal 0,6 Gewichts-% begrenzt. Für die Wirksamkeit von Si ist eine Untergrenze von 0,1 Gewichts-% als sinnvoll anzusehen.
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Calcium Ca: Wird dem Stahl zur Einschlusskontrolle zulegiert, um das Entstehen von ungünstigen Einschlüssen von MnS und Al2O3 zu verhindern und mit diesen Elementen hinsichtlich der Morphologie weniger schädliche Ca-haltige Einschlüsse zu bilden. Die Zulegierung zum Stahl beträgt maximal 0,01 Gewichts-%.
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Mikrolegierungselemente werden in der Regel nur in sehr geringen Mengen zugegeben (< 0,2 Gewichts-% pro Element). Sie wirken im Gegensatz zu den Legierungselementen hauptsächlich durch Ausscheidungsbildung können aber auch in gelöstem Zustand die Eigenschaften beeinflussen. Trotz der geringen Mengenzugaben beeinflussen Mikrolegierungselemente die zielführenden Herstellungsbedingungen sowie die Verarbeitungs- und Endeigenschaften des Produkts stark.
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Typische Mikrolegierungselemente sind zum Beispiel Niob und Titan. Diese Elemente können im Eisengitter gelöst werden und bilden mit Kohlenstoff und Stickstoff Carbide, Nitride und Carbonitride. Da die Mikrolegierungselemente vergleichsweise kostenintensiv sind, wird der legierte Anteil möglichst geringgehalten. Andererseits trägt der überstöchiometrisch vorliegende und daher nicht in Ausscheidungen der Mikrolegierungselemente gebundene Kohlenstoff in kohlenstoffreichen Gefügebestandteilen zur kostengünstigen und notwendigen Festigkeitssteigerung bei. Daher wird der überstöchiometrische Anteil an Kohlenstoff und Stickstoff berechnet nach
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Die Wirkung von Nb und Ti hängt insbesondere von der Prozessführung beim Warmwalzen und anschließenden Abkühlvorgang ab. Mit der Zugabe von Mikrolegierungselementen wird angestrebt, im Laufe des Prozesses eine Kornfeinung zu erreichen und Ausscheidungen im Größenbereich von Nanometern zu erzeugen. Daher ist ein Gehalt Nb+Ti von mehr als 0,06 Gewichts-% Voraussetzung, um die angestrebte Festigkeit und die guten Dehnungseigenschaften zu erreichen. Ein Summenwert von über 0,2 Gewichts-% hat dagegen keine die Eigenschaften des Stahls verbessernde Wirkung mehr, da Gehalte oberhalb des angegebenen Summenwertes bei der angegebenen Analyse und bei Verwendung von üblichen Öfen nicht mehr zur Auflösung beim Wiedererwärmen der Brammen gebracht werden können und somit keine positive Wirkung entfalten.
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Niob Nb: Die Zulegierung von Niob wirkt insbesondere durch die Bildung von Karbiden im Walzprozess kornfeinend, wodurch gleichzeitig die Festigkeit, Zähigkeit und Dehnungseigenschaften verbessert werden. Hinzu kommt, dass nach der Phasenumwandlung sehr feine Nb-haltige Ausscheidungen gebildet werden können, die wesentlich zur Festigkeit des Produkts beitragen. Bei Gehalten von über 0,08 Gewichts-% stellt sich ein Sättigungsverhalten ein, weshalb ein Maximalgehalt von kleiner gleich 0,08 Gewichts.-% vorgesehen ist. Für eine ausreichende Wirksamkeit ist ein Mindestgehalt von 0,01 Gewichts-% vorgesehen.
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Titan Ti: Wirkt als Karbidbildner kornfeinend, wodurch gleichzeitig die Festigkeit, Zähigkeit und Dehnungseigenschaften verbessert werden. Gehalte an Ti von über 0,18 Gewichts-% verschlechtern die Duktilität und das Lochaufweitevermögen durch die Bildung sehr grober, primärer TiN Ausscheidungen, weshalb ein Maximalgehalt von 0,18 Gewichts-% festgelegt wird. Für eine ausreichende Wirksamkeit ist ein Mindestgehalt von 0,02, vorteilhaft 0,04, noch vorteilhafter 0,06 Gewichts-% vorgesehen.
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Molybdän Mo: Erhöht die Härtbarkeit bzw. verringert die kritische Abkühlrate und fördert so die Bildung von feinen, bainitischen Gefügen. Darüber hinaus verzögert bereits der Einsatz von geringen Mengen von Mo die Vergröberung von feinen Ausscheidungen, die zur Festigkeitssteigerung von mikrolegierten Gefügen möglichst fein ausgebildet sein sollen. Für eine ausreichende Wirksamkeit ist ein Mindestgehalt von 0,05 Gewichts-% vorgesehen und aus Kostengründen auf max. 0,35 Gewichts-% beschränkt.
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Phosphor P: Ist ein Spurenelement aus dem Eisenerz und wird im Eisengitter als Substitutionsatom gelöst. Phosphor steigert durch Mischkristallverfestigung die Härte und verbessert die Härtbarkeit. Es wird allerdings in der Regel versucht, den Phosphorgehalt soweit wie möglich abzusenken, da er unter anderem stark seigerungsanfällig ist und im hohen Maße die Zähigkeit vermindert. Durch die Anlagerung von Phosphor an den Korngrenzen können Risse entlang der Korngrenzen beim Warmwalzen auftreten. Zudem setzt Phosphor die Übergangstemperatur von zähem zu sprödem Verhalten um bis zu 300 °C herauf. Allerdings kann durch gezielte, prozessseitig präzise gesteuerte Maßnahmen der Einsatz von geringen Mengen an P auch die kostengünstige Erhöhung der Festigkeit realisiert werden. Aus vorgenannten Gründen ist der Phosphorgehalt auf höchstens 0,06 Gewichts-% begrenzt.
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Schwefel S: Ist wie Phosphor als Spurenelement im Eisenerz gebunden. Er ist im Stahl im Allgemeinen unerwünscht, da er zu unerwünschten Einschlüssen von MnS führt, wodurch die Dehnungs- und Zähigkeitseigenschaften verschlechtert werden. Es wird daher versucht, möglichst geringe Mengen an Schwefel in der Schmelze zu erreichen und ggf. die langgestreckten Einschlüsse durch eine sogenannte Ca-Behandlung in eine günstigere geometrische Form zu überführen. Aus vorgenannten Gründen ist der Schwefelgehalt auf höchstens 0,01 Gewichts-% begrenzt.
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Stickstoff N: Ist ebenfalls ein Begleitelement aus der Stahlherstellung. Stähle mit freiem Stickstoff neigen zu einem starken Alterungseffekt. Der Stickstoff diffundiert schon bei geringen Temperaturen an Versetzungen und blockiert diese. Er bewirkt damit einen Festigkeitsanstieg verbunden mit einem rapiden Zähigkeitsverlust. Ein Abbinden des Stickstoffes in Form von Nitriden ist beispielsweise durch Zulegieren von Aluminium, Niob oder Titan möglich. In der Folge stehen die genannten Legierungselemente aber nicht mehr zur Neubildung von kleinen, hinsichtlich der Festigkeit sehr effizienten Ausscheidungen, im späteren Prozess zur Verfügung. Aus vorgenannten Gründen ist der Stickstoffgehalt auf höchstens 0,012 Gewichts-% begrenzt.
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Chrom Cr: Als optional zulegiertes Element, verbessert Cr die Festigkeit und verringert die Korrosionsrate und verzögert die Ferrit- und Perlitbildung. Der maximale Gehalt wird mit höchstens 0,6 Gewichts-% festgelegt, da höhere Gehalte eine Verschlechterung der Duktilität zur Folge haben. Für eine ausreichende Wirksamkeit ist ein Gehalt von mehr als 0,1 Gewichts-% vorgesehen.
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Nickel Ni: Der optionale Einsatz von bereits geringen Mengen von Ni fördert die Duktilität bei gleichbleibender Festigkeit. Aufgrund der vergleichsweisen hohen Kosten wird der Gehalt von Ni auf höchstens 0,6 Gewichts-% begrenzt. Für eine ausreichende Wirksamkeit ist ein Gehalt von mehr als 0,1 Gewichts-% vorgesehen.
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Vanadium V: Bei dem vorliegenden Legierungskonzept ist eine Zugabe von Vanadium nicht zwingend notwendig. Der Gehalt an Vanadium wird aus Kostengründen auf höchstens 0,2 Gewichts-% begrenzt. Ist eine Zugabe von V trotzdem vorgesehen, wird der überstöchiometrische Anteil an Kohlenstoff und Stickstoff berechnet nach Formel 2: (C/12+N/14)/(Ti/48+Nb/93+Mo/96+V/51) auf > 1 festgelegt. Für eine ausreichende Wirksamkeit ist dann auch ein V-Gehalt von mehr als 0,01 Gewichts-% vorgesehen.
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Bor B: B ist ein effektives Element zur Härtbarkeitssteigerung, das bereits in sehr geringen Mengen wirksam wird. Die Martensitstarttemperatur bleibt dabei unbeeinflusst. Um wirksam zu werden, muss Bor in fester Lösung vorliegen. Da es eine hohe Affinität zu Stickstoff hat, muss der Stickstoff zunächst abgebunden werden, vorzugsweise durch die stöchiometrisch notwendige Menge an Titan. Aufgrund seiner geringen Löslichkeit in Eisen lagert sich das gelöste Bor bevorzugt an den Austenitkorngrenzen an. Dort bildet es teilweise Fe-B-Karbide, die kohärent sind und die Korngrenzenenergie herabsetzen. Beide Effekte wirken verzögernd auf die Ferrit- und Perlitbildung und erhöhen somit die Härtbarkeit des Stahls. Zu hohe Gehalte an Bor sind allerdings schädlich, da sich Eisenborid bilden kann, das sich negativ auf die Härtbarkeit, die Umformbarkeit und die Zähigkeit des Materials auswirkt.
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Aus vorgenannten Gründen wird der Bor-Gehalt für das erfindungsgemäße Legierungskonzept auf Werte von maximal 0,01 Gewichts-% begrenzt. Für eine ausreichende Wirksamkeit ist ein Gehalt von mehr als 0,0005 Gewichts-% vorgesehen.
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Ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Herstellung eines warmgewalzten Stahlflachprodukts mit hoher lokaler Kaltumformbarkeit, aufweisend eine Zugfestigkeit Rm von mindestens 760 MPa, einem Streckgrenzenverhältnis von mindestens 0,8 und ein Lochaufweitungsverhältnis von über 30 %, vorteilhaft mindestens 40 %, besonders vorteilhaft mindestens 50 %, einem Maß der Kaltumformbarkeit von mindestens 0,12, vorteilhaft mindestens 0,17 und einem Verhältnis von lokaler und globaler Kaltumformbarkeit von mindestens 5 und höchstens 13, umfassend die Schritte:
- - Erschmelzen einer Stahlschmelze enthaltend (in Gewichts-%):
- C: 0,04 bis 0,08
- Si: 0,1 bis 0,6
- Mn: 1,0 bis 2,0
- P: max. 0,06
- S: max. 0,01
- N: max. 0,012
- Al: bis zu 0,06
- Ti: bis zu 0,18 und/oder
- Nb: bis zu 0,08
- Mo: bis zu 0,35
mit Ti+Nb mehr als 0,06 und wobei ein überstöchiometrisches Verhältnis an Kohlenstoff und Stickstoff gemäß nachfolgender Formel 1 vorliegt: 1,0 < (C/12+N/14) /
(Ti/48+Nb/93+Mo/96) eingestellt wird, mit optionaler Zulegierung eines oder mehrerer Elemente von Cr, Ni, V, B oder Ca, Rest Eisen einschließlich unvermeidbarer stahlbegleitender Elemente
- - Vergießen der Stahlschmelze zu einer Bramme oder Dünnbramme mittels eines horizontalen oder vertikalen Brammen- oder Dünnbrammengießverfahrens,
- - Wiedererwärmen der Bramme oder Dünnbramme auf 1100 °C bis 1270 °C und anschließendes Warmwalzen der Bramme oder Dünnbramme mit folgenden direkt aufeinanderfolgenden Schritten:
- - Walzen im letzten Walzstich zu einem Warmband auf die geforderte Enddicke bei einer Endwalztemperatur EWT wobei gilt:
- - Abkühlen mit einer mittleren Abkühlgeschwindigkeit von 30 K/s bis 150 K/s
- - Aufhaspeln des Warmbandes zu einem Coil bei einer Haspeltemperatur HT, die gering genug ist, um die vorteilhaften Gefügebestandteile einzustellen mit und andererseits geeignet ist, um ausreichend Ausscheidungsverfestigung im anschließendem zeitabhängigen Abkühlprozess T(t) zu erbringen, definiert durch (Formel 5) 17000 ≤ HP ≤ 18800 mit HP(T, t) = T(t) × (In(t) + 20), wobei die Temperatur T in K und die Dauer t in h angegeben wird.
- - Abkühlen in einem Abkühlprozess T(t) mit einer mittleren Abkühlrate von 5 K/h bis 50 K/h zwischen Haspeltemperatur und 100°C, mit anschließendem Abkühlen an ruhender Luft auf Raumtemperatur.
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Nachfolgend wird die der Erfindung zu Grunde liegende Idee erläutert und anhand von Beispielen näher beschrieben.
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Für die Herstellung von hochfestem mikrolegiertem Warmband wird heute üblicherweise das thermomechanische Walzen zur Anwendung gebracht. Dabei erfolgt das Fertigwalzen in einem niedrigen Temperaturbereich von kleiner als EWTmin, in dem der Austenit nicht mehr rekristallisiert und in der Folge die akkumulierten Versetzungen zu einer hohe Keimdichte mit Beginn der Phasenumwandlung führen und so ein feines Warmbandgefüge bewirken. Ein wesentliches Ziel des thermomechanischen Walzens ist die Steigerung der Festigkeit und Duktilität durch eine geringe Korngröße des Warmbandgefüges.
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Bei Legierungen mit einem überstöchiometrischen Verhältnis von Kohlenstoff und Stickstoff zu Mikrolegierungselementen wird der Kohlenstoff im Gegensatz zum Stickstoff nicht vollständig zur Ausscheidung in Form von festigkeitssteigernden Mikrolegierungsausscheidungen gebracht. Der nicht in Mikrolegierungsausscheidungen ausgeschiedene Kohlenstoff führt zu der Bildung kohlenstoffreicher Gefügebestandteile und zu unterschiedlichen kohlenstoffreichen Bestandteilen des Bainits. Für die Kaltumformbarkeit ist entscheidend, dass die kohlenstoffreichen Gefügebestandteile und die kohlenstoffreichen Bestandteile des Bainits hinsichtlich Größe und Verteilung vorteilhaft vorliegen. Vorteilhaft bedeutet, dass eine kleine Größe und eine möglichst gleichmäßige Verteilung vorliegen.
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Zur Einstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von lokaler und globaler Kaltumformbarkeit werden neben unterschiedlicher Legierungszusammensetzungen auch unterschiedliche Prozesse eingesetzt.
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Dabei lassen sich im Wesentlichen drei Prozesswege unterscheiden, in denen die Art und Verteilung der kohlenstoffreichen Gefügebestandteile und der Ausscheidungszustand der Mikrolegierungselemente eingestellt werden. Die Art und Verteilung der kohlenstoffreichen Gefügebestandteile beeinflusst die Kaltumformbarkeit und der Ausscheidungszustand der Mikrolegierungselemente beeinflusst die Festigkeit.
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Die Prozesswege sind
- 1. Niedrige Haspeltemperaturen von z.B. 450 < HT < 550 °C führen zur Einstellung eines Tieftemperaturbainits mit Bestandteilen von kohlenstoffreichen Bestandteilen, die sehr fein verteilt sind, z.B. unterer Bainit. Das resultierende Produkt weist eine hohe Kaltumformbarkeit mit einem ausgeprägten Anteil von lokaler Kaltumformbarkeit auf („hohe lokale Kaltumformbarkeit“). Die Festigkeit ist allerdings vergleichsweise gering, da bei den niedrigen Haspeltemperaturen nur ein geringerer Anteil von Mikrolegierungselementen zur Ausscheidung gebracht werden und entsprechend der Beitrag zu Ausscheidungsverfestigung gering ist.
- 2. Hohe Haspeltemperatur von z.B. HT > 650 °C zur Einstellung eines ferritischen Gefüges. Der Kohlenstoff liegt in Form harter Gefügebestandteile wie Karbide, Perlit oder Martensit vor. Das resultierende Produkt weist eine hohe Kaltumformbarkeit mit einem geringeren Anteil von lokaler Kaltumformbarkeit auf. Die Festigkeit ist höher, weil ein höherer Anteil von Mikrolegierungselemente zur Ausscheidung gebracht werden.
- 3. Eine mittlere Haspeltemperatur von z.B. 550 < HT < 650 °C zur Erzeugung eines Mischgefüges bestehend aus Hochtemperaturbainit (z.B. oberer Bainit und granularer Bainit) und Ferrit mit sowohl hoher lokaler Kaltumformbarkeit als auch hoher Festigkeit durch einen hohen Ausscheidungsanteil war bislang nicht zielführend. Entweder wurde nur eine hohe Kaltumformbarkeit oder es wurde nur eine hoher Festigkeit durch einen hohen Ausscheidungsanteil erreicht.
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Als wesentlich wurde im Rahmen der vorliegenden Untersuchungen gefunden, dass das überwiegend bainitische, mikrolegierte Warmband sowohl eine hohe Festigkeit als auch eine hohe lokale Kaltumformbarkeit aufweist, wenn in Kombination mit der Legierungszusammensetzung und einem überstöchiometrischen Verhältnis von 1,0 < (C/12+N/14) / (Ti/48+Nb/93+Mo/96), das Stahlflachprodukt mit einer Walzendtemperatur von mindestens EWTmin nach Formel 3 fertiggewalzt und anschließend in einem Temperatur-Zeitfenster aufgehaspelt und abgekühlt wird, das durch eine maximale Haspeltemperatur HTmax nach Formel 4 und durch 17000 ≤ HP ≤ 18800 gekennzeichnet ist, wobei HP nach Formel 5 berechnet wird.
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Bei Untersuchungen wurde gefunden, dass das warmgewalzte Stahlflachprodukt einen Festigkeitsbeitrag zur Zugfestigkeit durch Ausscheidungsbildung von mindestens 80 MPa oder mehr aufweist, wenn in einem Temperatur-Zeitfenster aufgehaspelt und abgekühlt wird, das durch 17000 ≤ HP ≤ 18800 gekennzeichnet ist im Vergleich zu einem Temperatur-Zeitfenster, das durch HP ≤ 15990 gekennzeichnet ist. Der Festigkeitsbeitrag ist notwendig, um kostengünstig eine hohe Zugfestigkeit und ein hohes Streckgrenzverhältnis zu erreichen. Gleichzeitig wird bei Einhaltung von HTmax innerhalb des Temperatur-Zeitfensters das für die lokale Umformbarkeit und die Festigkeit günstige Gefüge gebildet.
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Das erfindungsgemäße Stahlflachprodukt ist bei Einhaltung des genannten Temperatur-Zeitfensters dadurch gekennzeichnet, dass die Hälfte der Ausscheidungen von (Ti, Nb, Mo)(C,N) und/oder V(C,N), die den Ferrit und den Hauptbestandteil aus bainitischem Ferrit verfestigen, einen Durchmesser von weniger als 10 nm aufweisen und/oder die Ausscheidungen einen mittleren Abstand von weniger als 750 nm aufweisen.
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Überraschend wurde gefunden, dass bei Einhaltung des genannten Temperatur-Zeitfensters in Kombination mit einer Walzendtemperatur von mindestens EWTmin die lokale Kaltumformbarkeit hoch ist, während bei Einhaltung des genannten Temperatur-Zeitfensters in Kombination mit einer Walzendtemperatur von weniger als EWTmin die lokale Kaltumformbarkeit vergleichsweise gering ist.
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Das erfindungsgemäß hergestellte Stahlflachprodukt weist neben einem kostengünstigen Legierungskonzept eine hohe Festigkeit bei gleichzeitig hoher lokaler Kaltumformbarkeit auf. Zudem ist das erfindungsgemäße Herstellverfahren durch eine hohe Prozessstabilität gekennzeichnet.
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Der Bainit besteht im Gegensatz zu Ferrit üblicherweise aus unterschiedlichen Bestandteilen. Die unterschiedlichen Bestandteile des Bainits bilden sich bei der Herstellung des Warmbandes nach dem Endwalzen mit abnehmender Temperatur aus der austenitischen Phase. Im Vergleich zu Ferrit bildet sich der Bainit bei geringeren Temperaturen und der Bainit weist im Mittel eine höhere Versetzungsdichte auf.
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Nur bei einem überwiegend bainitischen Gefüge werden sowohl die hohe Festigkeit als auch die hohe lokale Kaltumformbarkeit erreicht. Der Grund ist, dass das bainitische Gefüge eine hohe Versetzungsdichte und eine geringe Korngröße aufweist. Bei einem überwiegend ferritischen Gefüge wird die hohe lokale Kaltumformbarkeit nicht erreicht. Der Grund ist, dass die Korngröße des Ferrits vergleichsweise groß ist und der überstöchiometrisch vorliegende Kohlenstoff in Form von sehr harten und vergleichsweise groben Karbiden an Phasengrenzen ausscheidet. Diese Karbide führen beim Kaltumformen zu frühzeitigem Werkstoffversagen durch lokale Spannungskonzentrationen.
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Mit vorbekannten Lösungen lassen sich Warmbänder mit entweder der Eigenschaftskombination vergleichsweise geringe Festigkeiten mit vergleichsweise hoher lokaler Kaltumformbarkeit oder der Eigenschaftskombination vergleichsweise hohe Festigkeit mit vergleichsweise geringer lokaler Kaltumformbarkeit erreichen.
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Die Erfindung erlaubt dagegen die Erzielung der Eigenschaftskombination von hoher Festigkeit und hoher lokaler Kaltumformbarkeit.
Der Grund ist, dass die akkumulierten lokalen Schädigungen während des Umformvorgangs insbesondere bei großen Dehnungsunterschieden nur bei Betrachtung der wahren Größen eine angemessene Berücksichtigung finden.
- - Definition wahre Gleichmaßdehnung: In (1+Ag/100), wobei Ag die technische Gleichmaßdehnung ist
- - Definition wahres Lochaufweitungsverhältnis: In (1+LA/100), wobei LA das technische Lochaufweitungsverhältnis ist
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Das Maß der Kaltumformbarkeit wird durch den geometrischen Mittelwert aus lokaler und globaler Umformbarkeit beschrieben:
- - Definition Maß der Kaltumformbarkeit (Formability Level „FL“): (wahre Gleichmaßdehnung × wahres Lochaufweitverhältnis)0,5
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Das Verhältnis von lokaler und globaler Kaltumformbarkeit wird definiert als: Verhältnis von lokaler und globaler Kaltumformbarkeit (Local Formability Ratio „LFR“) = (wahres Lochaufweitverhältnis / wahre Gleichmaßdehnung)
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Für eine hohe lokale Kaltumformbarkeit insbesondere für das Einsatzgebiet des erfindungsgemäßen Stahlflachproduktes werden folgende Kriterien gefordert:
- - A ≥ 10 %
- - LA ≥ 30 %
- - Maß der Kaltumformbarkeit ≥ 0,12
- - 5 ≤ Verhältnis von lokaler und globaler Kaltumformbarkeit ≤ 13
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Die im Anhang dargestellten Untersuchungsergebnisse erstrecken sich auf Ausführungsbeispiele mit einer Zugfestigkeit von mindestens 760 MPa. Für die Ausführungsbeispiele werden für eine hohe lokale Kaltumformbarkeit insbesondere für das Einsatzgebiet folgende Kriterien gefordert:
- - A ≥ 16 %
LA ≥ 50 %
- - Maß der Kaltumformbarkeit ≥ 0,17
- - 5 ≤ Verhältnis von lokaler zu globaler Kaltumformbarkeit ≤ 13
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Im Rahmen der Untersuchungen wurden die mechanisch-technologischen Eigenschaften sowie die Gefüge der erzeugten warmgewalzten Stahlflachprodukte untersucht. Neben Zugversuchen gemäß ISO 6892-1 zur Bestimmung von Zugfestigkeit Rm, Streckgrenze Rp0,2 und Bruchdehnung A und Gleichmaßdehnung Ag wurden Lochaufweitungsversuche nach ISO 16630 durchgeführt.
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In den im Anhang aufgeführten Tabellen und in der nachfolgenden Beschreibung werden folgende Abkürzungen verwendet:
- EWT = Endwalztemperatur
- HT = Haspeltemperatur
- MW = Mittelwert
- Leg. = Legierung
- GOS = Grain Orientation Spread, (deutsch: Kornorientierungsstreuung)
- KAM = Kernel Average Misorientation, (deutsch: Mittlere Kernel-Missorientierung)
- IQ = Image Quality (deutsch: Beugungsmusterqualität)
- AR = Aspect Ratio (deutsch: Aspektverhältnis)
- SGV= Streckgrenzverhältnis
- SP = Festigkeitsbeitrag durch Ausscheidungsbildung
- SM = Festigkeit in einem überwiegend bainitischen Gefüge, das aufgrund des geringen Wertes des Parameters HP keine Ausscheidungen aufweist
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Bei Warmbanddicken > 3 mm wurde die proportionale Probenform mit der Bruchdehnungsbezeichnung A verwendet. Bei Warmbanddicken von ≤ 3 mm wurde abweichend die nicht proportionale Probenform mit Anfangsmesslänge 80 mm verwendet. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden bei Verwendung der nicht proportionalen Probenform die Werte für die Bruchdehnung aus der Gleichmaßdehnung gemäß A = AG × b umgerechnet, wobei vorher anhand von Vergleichsproben b mit 2,254 bestimmt wurde. Beim Lochaufweitungsversuch wird stets der Mittelwert aus mindestens 3 Einzelversuchen angegeben.
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Für die metallografische Beurteilung der Gefüge des Warmbandes wurden in unterschiedlichen Dickenbereichen der Probe folgende Bereiche definiert:
- - Oberflächennah: Messfeld mit 100 µm × 100 µm mit einem Abstand von der Probenoberfläche von 0,1 mm
- - 1/4 Dicke: Messfeld mit 100 µm × 100 µm mittig zwischen Oberfläche und Probenmitte
- - 1/2 Dicke: Messfeld mit 100 µm × 100 µm mit Abstand von der Probenmitte von 0,1 mm Die Positionierung der Messfelder lässt sich der Skizze in 2 entnehmen.
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Die metallografischen Untersuchungen wurden an Proben längs zur Walzrichtung durchgeführt.
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Zur Charakterisierung der Mikrostruktur wurden Elektronenrückstreuaufnahmen (EBSD) in den oben definierten Messfeldern erstellt. Hierzu wurden Längsschliffe erstellt die mechanisch geschliffen und bis 1 µm poliert wurden. Anschließend wurden die Proben für ca. 10 min mit OP-S poliert, um eine möglichst verformungsfrei präparierte Oberfläche zu erzeugen. Für die Messungen wurde eine EDAX DigiView 5 EBSD-Kamera mit einem Binning von 10 × 10 und einer Aufnahmerate von 140 Hz verwendet, die Beschleunigungsspannung betrug 15 kV. Die Schrittweite zwischen den einzelnen Messpunkten betrug jeweils 0,1 µm. Die für die Erfindung relevanten Parameter wurden folgendermaßen bestimmt:
- GOS (Grain Orientation Spread): Mittlere Missorientierung aller Messpunkte innerhalb eines Kornes zur mittleren Orientierung des Korns. Zur Bestimmung der Körner wird ein Segmentierungswinkel von 15° verwendet.
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KAM (Kernel Average Misorientation) und GKAM: Zur Berechnung der KAM-Werte wird die mittlere Missorientierung eines EBSD-Messpunktes zu seinen übernächsten Nachbarmesspunkten bestimmt. Die maximal zulässige Missorientierung beträgt 4°. Für den GKAM werden die KAM-Werte aller Messpunkte eines Kornes gemittelt, wobei zur Bestimmung der Körner ein Segmentierungswinkel von 15° verwendet wird.
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Die auftretenden Gefügearten werden metallographisch definiert wie folgt:
- - Ferrit besteht aus polygonalem und quasipolygonalem Ferrit und die Körner werden durch Korngrenzen mit Misorientierungswinkeln > 15° abgegrenzt. Im Korninneren des Ferrits treten keine Kleinwinkelkorngrenzen < 15° auf, die Werte des Grain Orientation Spreads (GOS) betragen < 2° und die Werte der Grain Kernel Average Misorientation (GKAM) sind typischerweise < 0,4°. TEM-Aufnahmen zeigen eine hohe Dichte von (Ti, Nb, Mo)(C,N)- Ausscheidungen im Korninneren. Insbesondere im Bereich der Kornzwickel können (Fe,Mn)-Karbide vorliegen.
- - Die Körner des granularen Bainit, werden durch Korngrenzen von > 15° abgegrenzt. Aufgrund der displaziven Phasenumwandlung des Austenits in den Bainit treten im Korninneren Kleinwinkelkorngrenzen auf, die GOS-Werte betragen ≥ 2° und die GKAM-Werte sind typischerweise ≥ 0,4°. In der EBSD IPF (Inverse Pole Figure) -Map sind typischerweise Lanzetten unterschiedlicher Orientierung im Korninneren zu erkennen. Lanzetten, die in der EBSD Image Quality Map keine Zweitphase zeigen, werden im Folgenden mit „bainitischem Ferrit“ bezeichnet. Zwischen den Körnern des bainitischen Ferrits ist eine kohlenstoffreiche Zweitphase in Form von Martensit, MA-Phase, unteren Bainit oder Perlit eingelagert. Insbesondere im Bereich der Kornzwickel können (Fe,Mn)-Karbide vorliegen. Der Flächenanteil der Zweitphase nimmt mit zunehmender Haspeltemperatur ab und kann 0 - 10 % betragen.
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Aspektverhältnis: Die Proben wurden für die EBSD-Messung im Elektronenmikroskop so ausgerichtet, dass die Walzrichtung mit der Y-Richtung des Messfeldes übereinstimmt. Mit Hilfe der Matlab Toolbox MTEX wurden Ellipsen an die Form der einzelnen Körner angepasst (Segmentierungswinkel 15°) und über ihre lange und kurze Halbachse, sowie die Orientierung der langen Achse parametrisiert. Die Ellipsen wurde aus diesen Parametern für jedes Korn berechnet und dann der Schnittpunkt dieser Ellipsen mit den X- und Y-Achsen des Koordinatensystems bestimmt. Das Verhältnis der Schnittpunkte der Kornellipsen mit der X-Achse zu den Schnittpunkten der Kornellipsen mit der Y-Achse entspricht dem Aspektverhältnis der Körner in Walzrichtung zur Blechnormalen. Durch diese Berechnungsmethode wird sichergestellt, dass die Streckung von Körnern deren lange Achse nicht genau in Walzrichtung zeigt, nur in Walz- bzw. Blechnormalenrichtung bestimmt wird.
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Die Härteprüfung HV0,1 erfolgte an der Schliffprobe in Punkten mit unterschiedlichem Abstand zu den Oberflächen. Keine Messung erfolgt in einem Abstand von den Oberflächen und der Mitte von 0,1 mm. Darüber hinaus gilt:
- Die Härtewerte werden als Mittelwert aus 6 Einzelmessungen angegeben.
Jeweils 3 Härteeindrücke für die oberflächennahe Position sind zwischen 0 % und 10 % sowie 90% und 100% Abstand von der Oberfläche bezogen auf die Dicke des Blechs positioniert.
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Jeweils 3 Härteeindrücke für die 1/4 Position sind zwischen 20 % und 30 % sowie 70 % und 80 % Abstand von der Oberfläche bezogen auf die Dicke des Blechs positioniert. Jeweils 3 Härteeindrücke für die 1/2 Position sind zwischen 40 % und 50 % sowie 50 % und 60 % Abstand von der Oberfläche bezogen auf die Dicke des Blechs positioniert. Die Positionierung der Härteeindrücke lässt sich der Skizze in 2 entnehmen.
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Die Legierungszusammensetzungen von zwei Ausführungsbeispielen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Legierungen A und B sind Einzelabgüsse, so dass alle Beispiele A1-A14 und B1 - B20 die gleichen Zusammensetzungen aufweisen. Ebenso zeigt die Tabelle 1 die errechneten Werte für das überstöchiometrische Verhältnis von Kohlenstoff und Stickstoff zu Mikrolegierungselementen (Formel 2), d.h.
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In Tabelle 1 sind die Legierungszusammensetzungen von zwei Ausführungsbeispielen dargestellt.
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In den Tabellen 2 und 3 sind die Ergebnisse an unterschiedlichen Ausführungsbeispielen dargestellt. Dargestellt ist ebenfalls eine Bewertung der Ergebnisse hinsichtlich des Erreichens der geforderten Kennwerte mit J (erreicht) und N (nicht erreicht). Werden die erfindungsgemäßen Vorgaben, gemäß der 2. Zeile in den Tabellen nicht eingehalten, erfolgt eine Markierung mit Unterstrich. Die aufgeführten Werte sind kaufmännisch gerundet.
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Für die Legierungen A und B sind in Tabelle 2 die Ergebnisse für die mechanischen Kennwerte mit unterschiedlichen Prozessbedingungen aufgeführt. Die unterstrichenen Werte liegen außerhalb der geforderten mechanischen Eigenschaften bzw. außerhalb der zielführenden Prozessbedingungen.
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Hinsichtlich der Endwalztemperatur (EWT) ist sicherzustellen, dass eine über Banddicke in jedem Dickenbereich vollständige Rekristallisation erreicht wird. Das ist gegeben, wenn EWT - EWTmin ≥ 0, wobei EWTmin = 682 °C + 464 C + 6445 Nb - 644 × Nb0,5 + 732 V - 230 V0,5 + 890 Ti +363 AI - 36 Si (Formel 3). Alle Elementangaben werden in Gewichts-% angegeben.
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Beim anschließenden Haspeln des Bandes ist sicherzustellen, dass ein Gefüge bestehend aus mehr als 50 Volumen-% Bainit entsteht. Das ist gegeben, wenn die HT - HTmax s 0, wobei HTmax = 761 °C - 217 × C - 77 × Mn + 97 × Si - 47 × Mo - 53 × Cr-34 × Ni - 21 × V (Formel 4). Alle Elementangaben werden in Gewicht.-% angegeben. Werden die Bedingungen für EWT und HT eingehalten, lassen sich die in Tabelle 2 angegebenen Kennwerte für die Umformbarkeit erreichen. Es zeigt sich, dass eine kostengünstige Festigkeitssteigerung nur dann erreicht werden kann, wenn ein ausreichender Beitrag zur Zugfestigkeit Rm durch Ausscheidungsverfestigung SP nach dem Haspeln während des anschließenden Abkühlprozess erbracht wird. Dazu ist notwendig, dass beim Abkühlprozess T(t) eine geeignete Temperatur T für eine geeignete Dauer t vorherrscht. Das ist gegeben (Formel 5), wenn 17000 ≤ HP ≤ 18800 mit HP(T, t) = T(t) × (In(t) + 20), wobei bei der Berechnung von HP stets T in K und t in h angegeben wird.
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Zur Berechnung des Parameters HP wird wie folgt vorgegangen:
- 1. Der Abkühlprozess T(t) wird in n gleiche Zeitabschnitte ti mit den zugehörigen Temperaturen Ti aufgeteilt, wobei n ausreichend groß zu wählen ist, so dass bei Aufteilung in deutlich mehr Zeitabschnitte das Ergebnis nahezu gleich bleibt.
- 2. Berechnung der einzelnen Parameter HPi = HPi (ti, Ti) = Ti × (In (ti) + 20).
- 3. Berechnung der Zeitabschnitte ti* = exp (HPi/T*-20), wobei T* eine beliebige Temperatur darstellt, zum Beispiel die Haspeltemperatur HT.4. Berechnung des Parameters HP mit HP = T* × (ln(t1*+t2*+...+tn*)+20)
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Der Festigkeitsbeitrag SP durch Ausscheidungsbildung wird in folgenden Schritten ermittelt:
- 1. Ermittlung der Festigkeit SM in einem überwiegend bainitischen Gefüge, das aufgrund des geringen Wertes des Parameters HP keine Ausscheidungen aufweist. Mit Hilfe von TEM-Untersuchungen wurde festgestellt, dass der Zustand unabhängig von der Legierung bei HP = 15990 vorliegt. Als erster Schritt werden für alle Anwendungsbeispiele die Daten Rm über HP im Bereich 16080 < HP < 18000 aufgetragen und anschließend eine lineare Regression vorgenommen. im zweiten Schritt wird die Festigkeit bei HP = 15990 mit Hilfe der Regressionsgeraden bestimmt. Im vorliegenden Fall ist das für Legierung A der Festigkeitsbeitrag SM,A (15990) = 804 MPa und für Legierung B der Festigkeitsbeitrag SM,B (15990) = 762 MPa.
- 2. Berechnung der theoretischen Festigkeit eines ausscheidungsfreien Gefüges in Abhängigkeit von HP durch SM (HP) = SM (15990) - 0,0495 (HP-15990)
- 3. Berechnung des Festigkeitsbeitrags SP (HP) durch SP (HP) = Rm (HP) - SM (HP)
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Bei den Legierungszusammensetzungen A und B werden hohe Festigkeiten Rm besonders kostengünstig erreicht, da der Abkühlprozess mit den angegebenen Bereichen von HP einen Festigkeitsbeitrag SP durch Ausscheidungsbildung ≥ 80 MPa erlaubt.
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Eine hohe lokale Kaltumformbarkeit bei einer hohen Festigkeit ist darüber hinaus nur bei 17000 s HP ≤ 18800, nicht aber bei HP > 18800 oder HP < 17000 zu beobachten (Tabelle 2).
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Die werkstoffkundlichen Ursachen für die unterschiedliche lokale Kaltumformbarkeit bei hoher Festigkeit wurden anhand von Gefügebestandteilen und -merkmalen in Längsschliffen analysiert.
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Das bainitische Gefüge des erfindungsgemäß hergestellten Warmbandes besteht aus einem Hauptbestandteil von ≥ 50 % und Nebenbestandteilen, wobei der Hauptbestandteil aus bainitischem Ferrit, der durch Ausscheidungen von (Ti, Nb, Mo)(C,N) verfestigt ist, gebildet wird. Transmissionselektronische Untersuchungen der Ausscheidungen an einzelnen repräsentativen Proben haben gezeigt, dass die Hälfte der Ausscheidungen von (Ti, Nb, Mo)(C,N), die den Hauptbestandteil aus bainitischem Ferrit verfestigen, einen Durchmesser von < 10 nm und/oder die Ausscheidungen einen mittleren Abstand von weniger als 750 nm aufweisen. Die Nebenbestandteile bestehen aus kohlenstoffreicheren Bestandteilen wie beispielsweise Martensit, MA-Phase, unterer Bainit, und Perlit. Da der Hauptbestandteil eine höhere Umformbarkeit als die Nebenbestandteile aufweist, ist ein Mindestanteil des Hauptbestandteils von ≥ 50 % vorteilhaft.
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In der Tabelle 3 sind die Ergebnisse der Gefügeuntersuchungen für Legierung A für verschiedene Endwalztemperaturen nach Formel 3, verschiedene Haspeltemperaturen nach Formel 4 und HP-Werten nach Formel 5 dargestellt.
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Für nicht erfindungsgemäß prozessierte Proben gilt: Die Gefüge der Warmbandproben sind über Banddicke inhomogen und anisotrop. Die Inhomogenität und die Anisotropie lässt sich bei den zwei Proben A2 und A6 mit den HP-Werten 17232 und 18380 wie folgt beschreiben:
- a. Die Proben bestehen aus einem ferritisch-bainitischem Gefüge. Der Ferritanteil beträgt 48 % und 66%.
- b. Die Abweichung im Anteil des Ferrits in der oberflächennahen Position und der Position ¼ Dicke in Bezug auf die Position ½ Dicke beträgt maximal 59 % und 17 %.
- c. Die Gefügestreckung ist vergleichsweise stark ausgeprägt. Dies gilt insbesondere für die Position ½ Dicke; hier beträgt das Aspektverhältnis 2,9 und 2,5.
- d. Die Härte über Dicke variiert vergleichsweise stark. Insbesondere an der Oberfläche ist die Härte geringer und weicht um -24 HV0,1 und -26 HV0,1 vom Mittelwert über die Probendicke ab.
- e. Die Schertexturkomponenten variieren vergleichsweise stark und betragen in der oberflächennahen Position 0,92 und 0,96 und in der Position ½ Dicke 0,01 und 0,01.
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Es ist bekannt, dass das lokale Werkstoffverhalten beim Kaltumformen mit seinen hohen Anforderungen an lokales Kaltumformvermögen durch Gefügeinhomogenitäten negativ beeinflusst wird, da die Schädigung frühzeitig lokalisiert wird und zu Werkstoffversagen führt. Im vorliegenden Falle führen die in a. - d. aufgeführten Merkmale direkt und indirekt zu langgestreckten Bereichen verminderter Umformbarkeit z.B. Bereiche mit erhöhtem Anteil von kohlenstoffreicher Zweitphase des granularen Bainits. Der Einfluss des in e. aufgeführte Merkmals auf die lokale Kaltumformbarkeit ist allerdings nicht bekannt.
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Als Ursache für die Gefügeinhomogenität über Warmbanddicke wurde die unterschiedliche abgeschlossene Rekristallisation des Austenits über Banddicke unmittelbar nach dem letzten Walzschritt und vor der Kühlung identifiziert. Bei angehobenem Temperaturbereich des Fertigwalzens auf mehr als EWTmin aber bei gleichbleibender mittlerer Haspeltemperatur, ist es im Rahmen der Erfindung gelungen, eine über Banddicke in jedem Dickenbereich vollständige Rekristallisation zu erreichen und damit ein über Banddicke homogenes ferritisch-bainitisches Gefüge einzustellen. Das Ergebnis ist überraschend, da das Ausbleiben der Rekristallisation in den letzten Stichen des Walzprozesses bei überstöchiometrischen bainitischen Warmbandgüten zwar erwartungsgemäß zu einem gröberen Gefüge führt, die lokale Kaltumformbarkeit allerdings entgegen der Erwartung positiv beeinflusst wird.
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Für eine über Banddicke in jedem Dickenbereich vollständige Rekristallisation ist eine EWT von mindestens EWTmin nach Formel 3 notwendig.
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Die werkstoffkundlichen Ursachen für die hohe lokale Kaltumformbarkeit wurden anhand von Gefügebestandteilen und -merkmalen in Längsschliffen analysiert. Das Ergebnis der Gefügeanalyse von den Proben A7 und A9 nach Tabelle 3, die erfindungsgemäß prozessiert wurden, ist:
- - Die Gefüge der Warmbandproben sind über Banddicke vergleichsweise homogen und isotrop. Die Homogenität und die Isotropie lassen sich bei den zwei Proben mit den HP-Werten 18380 (Probe A7) und 17232 (Probe A9) wie folgt beschreiben:
- a. Die Proben bestehen aus einem überwiegend bainitischem Gefüge. Der Ferritanteil beträgt 22 % und 49 %.
- b. Die Abweichung im Anteil des Ferrits in der oberflächennahen Position und der Position ¼ Dicke in Bezug auf die Position ½ Dicke beträgt maximal 7 % und -2 %.
- c. Die Gefügestreckung ist vergleichsweise gering ausgeprägt. Dies gilt insbesondere für die Position ½ Dicke; hier beträgt das Aspektverhältnis 1,5 und 1,5.
- d. Die Härte über Dicke variiert vergleichsweise wenig. Dies gilt insbesondere für die oberflächennahe Position. Die Härte weicht an der Oberfläche um -10 HV0,1 und 0 HV0.1 vom Mittelwert ab.
- e. Die Schertexturkomponenten betragen in der oberflächennahen Position 0,98 und 0,98 und in der Position ½ Dicke 0,01 und 0,03.
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Durch weiterführende Untersuchungen wurde das zielführende Gefüge in folgendem Punkt weiterführend charakterisiert:
- Mindestens die Hälfte der Ausscheidungen von (Ti, Nb, Mo)(C,N), die den Hauptbestandteil aus bainitischem Ferrit verfestigen, weisen einen Durchmesser von < 10 nm auf und/oder die Ausscheidungen weisen einen mittleren Abstand von weniger als 750 nm auf.
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- 1 zeigt noch einmal zusammenfassend dargestellt, den erfindungsgemäß beanspruchten Bereich der Kaltumformbarkeit, der durch die Angaben für FL und LFR begrenzt wird.
- 2 zeigt die Positionierung der Härteeindrücke mit einem Abstand von den Oberflächen (0 % und 100 %): 0,1 mm und Abstand von Mitte (50 %): 0,1 mm, sowie der EBSD-Messfelder mit einem Abstand von der Oberfläche (0 %): 0,1 mm Abstand von Mitte (50 %): 0,1 mm.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102012002079 A1 [0010]
- EP 3516085 B1 [0021]
- EP 3492611 B1 [0024]