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In Kraftfahrzeugen werden Radarsensoren zur Erfassung von Umgebungsobjekten eingesetzt. Basierend auf diesen Sensordaten werden z.B. Funktionen wie eine adaptive Geschwindigkeitsregelung (Adaptive Cruise Control) oder Abstandswarnung oder Totwinkelüberwachung umgesetzt.
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Ein typisches Radarsystem für ein Kraftfahrzeug umfasst Mittel zum Senden und Empfangen von Signalen mit mehreren Empfangsantennen und somit mehreren Empfangskanälen. Für die Winkelschätzung wird die Tatsache ausgenutzt, dass das Empfangssignal eines einzelnen Ziels unterschiedliche Phasen in den Empfangskanälen verursacht, deren Struktur vom Raumwinkel abhängt.
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In der Offenlegungsschrift
WO 2010/ 000 252 A2 wird ein Radarsystem zur Umfelderfassung offenbart, dass eine Pulskompression mit linear frequenzmodulierten Signalen vorsieht. Die empfangenen Signale von Reflektionen an Objekten werden verarbeitet, um Objekte zu detektieren und die Objektmaße Entfernung, Relativgeschwindigkeit und azimutaler Winkel zum Radarsystem zu bestimmen. Für die Winkelschätzung wird auch hier die Tatsache ausgenutzt, dass das Empfangssignal eines einzelnen Ziels unterschiedliche Phasen in den Empfangskanälen verursacht, deren Struktur vom Raumwinkel abhängt.
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Bekannte Radarsysteme für Kraftfahrzeuge umfassen Mittel und Verfahren zur Verarbeitung der empfangenen Radarsignale. Im Rahmen einer Signalvorverarbeitung sind i.d.R. Prozessierungszellen in Abhängigkeit von der Entfernung und der Relativgeschwindigkeit vorgesehen, die jeweils von einem räumlichen Beobachtungsvektor repräsentiert werden.
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In der Schrift
WO 2010/ 000 252 A2 wird ein Verfahren zur Signalvorverarbeitung offenbart, dass zwei Fourier Transformationen umfasst, jeweils über die schnelle Abtastzeit und über die Pulse. Die hier vorliegende Erfindung ist auch für andere FMCW Radarsysteme geeignet, bei denen die Prozessierungszellen gemäß Entfernung und Relativgeschwindigkeit jeweils von einem räumlichen Beobachtungsvektor repräsentiert werden. Bei mehreren kohärenten Beobachtungsvektoren kann z.B. ein gleichwertiger einzelner Beobachtungsvektor durch eine kohärente Mittelung erstellt werden.
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Darüber hinaus sind auch aus HEIDENREICH et al. „Computationally simple criteria for detecting a multi-target scenario in automotive radar array processing“ (In: 18th European Signal Processing Conference (EURASIP), 2010. S.224-228) und der
DE 10 2006 054 721 A1 gattungsgemäße Verfahren zur Winkelschätzung für ein Radarsystem zur Umfelderfassung für ein Fahrzeug bekannt.
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Es ist entscheidend für die Güte einer Funktion, wie z.B. Abstandregeltempomat oder Spurwechsel-Assistent, dass eine verlässliche Erkennung von Objekten und deren Position im Fahrzeugumfeld anhand der Sensordaten erfolgt, insbesondere wenn sich mehr als ein Objekt im Fahrzeugumfeld befindet.
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I.d.R. können mehrere Ziele zumeist durch die Objektmaße Entfernung und Relativgeschwindigkeit unterschieden werden, sodass sich nicht mehr als ein Ziel in einer Prozessierungszelle befindet. In diesem Fall stellt eine Richtungsschätzung mithilfe des räumlichen Spektrums ein optimales und rechengünstiges Verfahren dar. Es gibt jedoch bestimmte Situationen, in denen mehrere Ziele ähnliche Objektmaße für Entfernung und Relativgeschwindigkeit besitzen, so dass sie überlagert in einer Prozessierungszelle vorliegen. Typische Anwendungsfälle sind die Gassensituation mit gleichschnellen Fahrzeugen auf der Autobahn, die Mehrwegeausbreitung an einer Leitplanke mit Geisterziel oder die Ausprägung von mehreren Streuzentren bei nahen Objekten. Wenn mehrere Ziele nicht im räumlichen Spektrum aufgelöst werden können, sind Verfahren der hochauflösenden Winkelschätzung notwendig, um die Situation korrekt zu erfassen. Verfahren der hochauflösenden Winkelschätzung sind in der Regel wesentlich rechenaufwendiger als das Standverfahren mithilfe des räumlichen Spektrums, so dass eine generelle Auswertung mit einer hochauflösenden Winkelschätzung die Auswertung verlangsamen würde bzw. höhere Kosten für eine Auswerteeinheit mit einer erhöhten Rechenkapazität verursachen würde.
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Bei den Standardverfahren der hochauflösenden Winkelschätzung und Detektion können zwei Ansätze unterschieden werden. Einen optimalen Ansatz stellt die Maximum Likelihood Schätzung, unter Verwendung von mehrdimensionaler Optimierung, und ein verallgemeinerter Likelihood-Quotienten Test dar. Wenn viele räumliche Beobachtungsvektoren vorliegen, sind unterraumbasierte Verfahren mit numerisch komplexer Eigenwertzerlegung eine gute Alternative, wie z.B. MUSIC. Wenn nur ein räumlicher Beobachtungsvektor vorliegt, ist die Leistungsfähigkeit von unterraumbasierten Verfahren im Allgemeinen begrenzt.
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Es ist die Aufgabe der hier vorliegenden Erfindung ein optimiertes Verfahren und eine Vorrichtung zur Winkelschätzung von Umgebungsobjekten mit einem Radarsystem zur Umfelderfassung für ein Fahrzeug anzugeben.
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Die Aufgabe wird durch die Merkmale der unabhängigen Ansprüche gelöst.
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Es wird ein Verfahren zur Winkelschätzung für ein Radarsystem zur Umfelderfassung für ein Fahrzeug angegeben. Das Radarsystem umfasst Sendemittel, M Empfangsantennen bzw. M Empfangskanäle mit M > 1, und Mittel zur Verarbeitung der empfangenen Radarsignale. Im Rahmen der Signalverarbeitung werden empfangene Radarsignale einer Signalvorverarbeitung mit Prozessierungszellen in Abhängigkeit von der Entfernung und der Relativgeschwindigkeit der Umgebungsobjekte zugeführt. Einer Prozessierungszelle ist ein räumlicher Beobachtungsvektor [x1,... , xM] zugeordnet, wobei M der Anzahl der Empfangsantennen entspricht. Es wird ein räumliches Spektrum für eine Prozessierungszelle in Abhängigkeit von dem räumlichen Beobachtungsvektor berechnet. Danach werden lokale Maxima des räumlichen Spektrums analysiert und anhand der Analyse entschieden, ob eine Situation mit einem einzelnen Ziel, eine Situation mit mehreren aufgelösten Zielen oder eine Situation mit mehreren nicht aufgelösten Zielen vorliegt. Nur bei einer Situation mit nicht aufgelösten Zielen wird eine hochauflösende Winkelschätzung durchgeführt.
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In einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung umfasst diese Analyse die Bestimmung von signifikanten Maxima in Abhängigkeit von der Winkellage der Maxima φ̂1, φ̂2) und der Spektralwerte (p̂1,p̂2) für zumindest zwei lokale Maxima. Ein signifikantes Maximum wird insbesondere angenommen, wenn
- i) der Betrag der Differenz der Winkellagen größer als ein Schwellwert δ (|φ̂2 - φ̂1| > δ) ist und
- ii) das Verhältnis der Spektralwerte kleiner als ein Schwellwert α (p̂2/p̂1̂ < α) ist, wobei p̂1 > p̂2.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird die Analyse für zwei benachbarte lokale Maxima oder die beiden größten lokalen Maxima im räumlichen Spektrum einer Prozessierungszelle durchgeführt.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird analysiert, ob ein signifikantes Maximum mit einer Breite im Spektrum ungleich Null einer Einziel- oder Mehrzielsituation zuzuordnen ist. Die Zuordnung umfasst
- i) die Berechnung einer Modellanpassung mit einer Einzielhypothese, d.h. es wird das Spektrum eines Ziels berechnet und
- ii) den Vergleich der berechneten Modellanpassung mit zumindest einem Teil des auf Sensordaten basierenden räumlichen Spektrums einer Prozessierungszelle und
- iii) die Entscheidung anhand der Übereinstimmung von berechneten und dem auf Sensordaten basierenden räumlichen Spektrum, ob eine Einziel- oder eine Mehrzielsituation vorliegt, wobei nur bei einer Mehrzielsituation eine hochauflösende Winkelschätzung durchgeführt wird.
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Vorzugsweise wird bei der Modellanpassung die Winkellage des signifikanten Maximums φ̂1 als die Position des globalen Maximums des räumlichen Spektrums definiert.
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Die Überprüfung der Übereinstimmung von berechneten und dem auf Sensordaten basierenden räumlichen Spektrum umfasst insbesondere eine Analyse der Fehlerquadrate. Wenn die Summe der Fehlerquadrate größer als ein vorgegebener Schwellwert ist, also die Abweichung zwischen berechnetem Modell und dem auf Sensordaten basierenden räumlichen Spektrum erheblich ist, wird eine Mehrzielsituation angenommen und es wird eine hochauflösende Winkelschätzung durchgeführt.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird ein geeigneter Schwellwert in Abhängigkeit von einer Rauschleistung von prozessierten Messdaten des Radarsystems bestimmt.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen und einer Abbildung näher erläutert.
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Das betrachtete Modell für den komplexwertigen Beobachtungsvektor [x
1, ... ,x
M] einer Prozessierungszelle mit M Sensorelementen und D Zielen ist:
wobei s
k und φ
k der komplexe Signalwert und elektrischer Winkel des k-ten Zieles ist. Der zugehörige Raumwinkel θ
k steht durch
mit dem elektrischen Winkel in Beziehung, wobei λ die Wellenlänge ist und d der Abstand benachbarter Sensorelemente, die zum Empfangen von Radarstrahlen vorgesehen sind. Das räumliche Spektrum wird definiert als:
wobei S(φ) die räumliche Fourier Transformierte ist und w
m, m = 1, ..., M eine geeignete Fensterfunktion mit normierten Koeffizienten (Summe der Quadrate gleich M). Die signifikanten lokalen Maxima des räumlichen Spektrums entsprechen aufgelösten Zielen, deren elektrischer Winkel um mindestens
(Auflösungsgrenze des räumlichen Spektrums) getrennt ist. Bei einem einzelnen signifikanten Maximum handelt es sich entweder um eine Situation mit D = 1 oder eine Situation mit D > 1 nicht aufgelösten Zielen. Eine Unterscheidung zwischen der Einziel- und Mehrzielsituation wird im Folgenden beschrieben. Dafür wird ein Modellanpassungstest mit einer Einzielhypothese verwendet. Wir definieren φ̂
1 als die Position des globalen Maximums des räumlichen Spektrums. Dies entspricht dem Maximum Likelihood Schätzer in der Einzielhypothese (und einem Rechteck-Fenster). Der zugehörige Signalwert wird z.B. durch
geschätzt. Ein geeignetes Kriterium für die Güte der Modellanpassung in der Einzielhypothese stellt die Summe der Fehlerquadrate dar:
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Insbesondere wenn T kleiner als ein Schwellwert y ist, wird die Einzielhypothese akzeptiert. Unter der Annahme, dass das Rauschsignal nm,m = 1, ..., M räumlich unkorreliert und Gaußförmig verteilt ist, kann ein geeigneter Schwellwert mithilfe der Rauschleistung bestimmt werden. Wenn T größer als der Schwellwert ist, wird die Einzielhypothese verworfen und eine aufwendigere Modellierung mit mehreren Zielen ist erforderlich.
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Es ist zu bemerken, dass die Berechnung des räumlichen Spektrums z.B. recheneffizient mit einer schnellen Fourier Transformation (FFT) geschehen kann. Die Berechnungen von φ̂1 und ŝ1 und damit T stellen ebenfalls keine rechenintensive Operationen dar.
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Aufgrund der oben genannten Anwendungsfälle, stellt die Situation mit mehr als zwei Zielen in einer Prozessierungszelle eine praktisch untergeordnete Rolle dar. Für den Fall von ein oder zwei Zielen wird die folgende sequentielle Prozessierung vorgeschlagen. Der schematische Ablauf des Verfahrens ist in 1 dargestellt. Das Verfahren kann generell auf mehr als zwei Ziele erweitert werden, wobei die Maximum Likelihood Winkelschätzung im Bildbereich, d.h. in einem bestimmten Winkelsektor, weiterhin für zwei Ziele ausgewertet wird:
- 1. Basierend auf dem komplexwertigen Datenvektor [x1,...,xM] mit M Kanälen einer Prozessierungszelle wird das räumliche Spektrum berechnet und die zwei größten lokalen Maxima bestimmt, deren Winkellage φ̂1 und φ̂2 und zugehöriger Spektralwert p̂1 > p̂2 sei.
- 2. Unterscheidung „Aufgelöst?“: Wenn die elektrischen Winkel ausreichend getrennt sind, d.h. |φ̂2 - φ̂1| > δ, wobei δ ein Sicherheitsabstand für die zuverlässige Winkelschätzung im räumlichen Spektrum ist und z.B. auf der Auflösungsgrenze des räumlichen Spektrums basiert, und das Verhältnis der Spektralwerte p̂2/p̂1 < α, wobei α ein erlaubtes Leistungsverhältnis ist (z.B. basierend auf dem Seitenkeulenniveaus des verwendeten Fensters), dann werden die zwei Ziele als aufgelöst und zuverlässig bestimmt vom Standardverfahren bezeichnet. In diesem Fall ist keine hochauflösende Winkelschätzung notwendig. Die letztere Bedingung soll die Falschdetektion einer erhöhten Seitenkeule als zweites Ziel ausschließen.
- 3. Unterscheidung „Mehrere Ziele?“: Wenn sich nur ein signifikantes Maximum im räumlichen Spektrum befindet, kann entweder eine Situation mit einem Ziel vorliegen, oder eine Situation mit zwei nicht aufgelösten Zielen. Hier wird eine rechengünstige Unterscheidung z.B. mit dem oben beschriebenen Verfahren vorgenommen. Wird das Modell mit einem Ziel als wahrscheinlich eingestuft, sollen φ̂1 und ŝ1 als Schätzwerte verwendet werden. Wird es dagegen als unwahrscheinlich eingestuft, soll die Einzielhypothese verworfen werden und eine aufwendigere Modellierung mit zwei Zielen ist erforderlich.
- 4. Wenn die Möglichkeit einer Situation mit zwei Zielen besteht, die nicht mit Standardverfahren aufgelöst werden kann, soll ein geeignetes Verfahren für die hochauflösende Winkelschätzung verwendet werden. Ein geeigneter Ansatz ist die Implementierung einer schnellen Maximum Likelihood Winkelschätzung für zwei Ziele. Dieses Verfahren ist „rechenrobust“, d.h. es verwendet keine numerisch kritischen Operationen, wie Eigenwertzerlegung, und ist einfach parallelisiert realisierbar. Anschließend muss das Ergebnis mit einem geeigneten Maß für die Zuverlässigkeit verifiziert werden (z.B. mit einem verallgemeinerten Likelihood-Quotienten Test). Wird das Ergebnis als unzuverlässig eingestuft, ist die Einzielhypothese zu bevorzugen.