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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Steuern eines Insassenschutzsystems gemäß dem Oberbegriff von Anspruch 1.
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So zeigt beispielsweise die gattungsbildende
DE 10 2005 035 415 A1 ein Verfahren zum Steuern von Rückhaltemitteln eines Fahrzeugs in Abhängigkeit von einem mittels eines Aufprallsensors erfassten Signals, welches eine Beschleunigung des Fahrzeugs beim Fahrzeugcrash anzeigt, sowie einem Signal, welches eine Relativgeschwindigkeit zu einem Kollisionsobjekt anzeigt. Das mittels Aufprallsensor erfasste Signal und das Relativgeschwindigkeitssignal werden zu einem Auslösesignal verknüpft und in Abhängigkeit davon wird das Rückhaltemittel angesteuert. Dazu laufen in einer Recheneinheit unterschiedliche Algorithmentypen ab, wobei bei einem Algorithmentyp das mittels Aufprallsensor erfasste Signal mit einer Auslösebedingung, insbesondere einer Auslöseschwelle, verglichen, und wobei die Auslösebedingung in Abhängigkeit des Relativgeschwindigkeitssignals angepasst wird.
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Derartige Verfahren sind beispielsweise auch aus der
DE 19729960 A1 ,
DE 19817334 C1 oder
DE 10117220 A1 bekannt. So wird ein aufprallabhängiges Signal, in der Regel das Beschleunigungssignal oder ein daraus abgeleitetes Signal, beispielsweise der durch Integration des Beschleunigungssignals über ein Zeitfenster gewonnene Geschwindigkeitsabbau mit zumindest einer Auslösebedingung verglichen und in Abhängigkeit davon das Insassenschutzsystem gesteuert. Dabei wird zumindest eine Auslösebedingung, insbesondere die Auslöseschwelle und/oder der Auslösezeitpunkt, in Abhängigkeit vom Relativgeschwindigkeitssignal angepasst.
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Dass dabei durch Umfeldsensoren erfasste Relativgeschwindigkeitssignal weist dabei neben den besonderen Vorteilen für die frühzeitige Abschätzung der Unfallschwere auch ein erhebliches Risiko einer fehlerhaften Erkennung auf, da die Umweltsensoren aus der Vielzahl potentieller Kollisionsobjekte bereits vor dem Aufprall eine Auswahl vornehmen müssen, die nicht in allen Fällen mit der tatsächlichen Kollision übereinstimmt. Zudem tritt insbesondere bei hohen Relativgeschwindigkeiten die Gefahr auf, dass die Auslöseschwelle beziehungsweise der Auslösezeitpunkt zu stark angepasst werden und sich die tatsächliche Schwere des Aufpralls doch als niedriger als gegenüber der Relativgeschwindigkeit zu erwarten herausstellt.
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Aus der
DE 103 23 483 A1 ist beispielsweise ein Verfahren zur Bestimmung einer Relativgeschwindigkeit zwischen einem Fahrzeug und einem Kollisionsobjekt bekannt bei dem ein mittels eines Umfeldsensors ermitteltes Relativgeschwindigkeitssignal anhand eines Signals eines Aufprallsensors korrigiert wird. Dadurch sollen beispielsweise Bremsvorgänge in der letzten Phase eines Unfalls besser berücksichtigt oder eine geringe Auflösung eines Ultraschallsensors bei hohen Geschwindigkeiten zumindest teilweise kompensiert werden können. Das derart korrigierte Relativgeschwindigkeitssignal wird dann beispielsweise zur Anpassung einer Auslöseschwelle eines Rückhaltemittels herangezogen.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein verbessertes Verfahren zum Steuern eines Insassenschutzsystems anzugeben. Diese Aufgabe wird durch die kennzeichnen Merkmale der unabhängigen Ansprüche gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung ergeben sind aus den Unteransprüchen, wobei auch Kombinationen und Weiterbildungen einzelner Merkmale miteinander denkbar sind.
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Ein wesentlicher Gedanke der Erfindung besteht darin, dass eine Bewertung des Relativgeschwindigkeitssignals anhand des sich abzeichnenden Crashverlaufs durchgeführt und die Anpassung der Auslösebedingungen anhand eines so bewerteten, also beispielsweise reduzierten Relativgeschwindigkeitssignals durchgeführt wird.
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Das Relativgeschwindigkeitssignal wird also anhand des aufprallabhängigen Signals oder eines daraus abgeleiteten Signals bewertet und die Auslösebedingung in Abhängigkeit vom so bewerteten Relativgeschwindigkeitssignal angepasst.
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Dazu wird aus dem aufprallabhängigen Signal oder eines daraus abgeleiteten Signals eine Grobklassifikation der wahrscheinlichen Aufprallart abgeleitet und das Relativgeschwindigkeitssignal anhand der wahrscheinlichen Aufprallart bewertet. So kann der zeitliche Verlauf des aufprallabhängigen Signals oder des daraus abgeleiteten Signals mit einer Anzahl von Musterverläufen verglichen und daraus die wahrscheinliche Aufprallart abgeleitet werden. In einer bevorzugten Ausgestaltung wird dann anhand des Relativgeschwindigkeitssignals und der wahrscheinlichen Aufprallart zumindest ein Schwellwert oder Musterverlauf für einen Vergleich mit dem aufprallabhängigen Signal oder dem daraus abgeleiteten Signal bestimmt und abhängig von dem Vergleich das Relativgeschwindigkeitssignal bewertet.
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Als bewertetes Relativgeschwindigkeitssignal kann insbesondere ein reduzierter Anteil des Relativgeschwindigkeitssignals verwendet werden, sofern das aufprallabhängige Signal oder daraus abgeleiteten Signal unterhalb des Schwellwerts oder Musterverlaufs bleibt. So kann beispielsweise eine relative Abweichung des aufprallabhängigen Signals oder daraus abgeleiteten Signals gegenüber dem Schwellwert oder Musterverlauf bestimmt und anhand dieser relativen Abweichung der Reduzierungsanteil für die Bewertung des Relativgeschwindigkeitssignals abgeleitet werden.
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Als aus dem aufprallabhängigen Signal abgeleitetes Signal wird vorzugsweise ein über ein Zeitfenster gemittelter Beschleunigungswert oder über das Zeitfenster durch Integration gewonnener Geschwindigkeitsabbau zur Bewertung des Relativgeschwindigkeitssignals, insbesondere zur Ableitung der Aufprallart und daraus erfolgenden Bewertung des Relativgeschwindigkeitssignals herangezogen. Alternativ oder ergänzend kann auch als aufprallabhängiges Signal eine Druckänderung in einem Hohlraum in der äußeren Karosserie des Fahrzeugs verwendet und das Relativgeschwindigkeitssignal abhängig davon angepasst werden.
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Die Erfindung wird nun nachfolgend anhand eines Ausführungsbeispieles unter Zuhilfenahme der Figuren näher erläutert.
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Die 1 zeigt eine Blockskizze des erfindungsgemäßen Verfahrens.
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Die 2 eine Aufprallbewertung in Bezug auf die gemessene Relativgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Aufprallart.
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Dabei wird in 1 im Block 1 eine an sich bekannte Vorverarbeitung des als aufprallabhängiges Signal verwendeten Beschleunigungssignals durchgeführt, insbesondere dieses gefiltert und über ein Zeitfenster zu einem für den Geschwindigkeitsabbau proportionalen Signal integriert.
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Bereits zu einem zeitlich frühen Zeitpunkt im Crashverlauf kann daraus mit ebenfalls an sich bekannten Verfahren im Block 2 eine Grobklassifikation der wahrscheinlichen Aufprallart abgeleitet werden. So wird beispielsweise der bisherige zeitliche Verlauf des aufprallabhängigen Signals oder des daraus abgeleiteten Signals mit einer Anzahl von Musterverläufen verglichen und daraus die wahrscheinliche Aufprallart abgeleitet. Als zu unterscheidende wesentlichste Aufprallarten werden in diesem Ausführungsbeispielen zumindest der Wandaufprall, der frontale Fahrzeugaufprall sowie ein so genannter Offsetaufprall, also ein Aufprall mit deutlichen Versatz, vorzugsweise aber auch ein Pfahlaufprall und Schrägaufprall unterschieden.
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Im Block 3 erfolgt nun eine Plausibilitätsprüfung mit dem Relativgeschwindigkeitssignal. Dazu wird vorzugsweise anhand des Relativgeschwindigkeitssignals und der wahrscheinlichen Aufprallart zumindest ein Schwellwert oder Musterverlauf für einen Vergleich mit dem aufprallabhängigen Signal oder dem daraus abgeleiteten Signal bestimmt und abhängig von dem Vergleich das Relativgeschwindigkeitssignal bewertet.
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So ergeben sich für die unterschiedlichen Aufprallarten je nach erkannter Relativgeschwindigkeit unterschiedliche zu erwartende Verläufe des aufprallabhängigen Signals oder des daraus abgeleiteten Signals und sind diese Unterschiede bereits deutlich vor dem erforderlichen Auslösezeitpunkt erkennbar. Da der Umfeldsensor bei der Messung der Relativgeschwindigkeit in der Regel jedoch die Art des Kollisionsobjekts nur ungenau erfassen kann, bleibt in einer Vielzahl von Situationen das tatsächlich auftretende aufprallabhängige Signal oder daraus abgeleitete Signal unter diesem bei der Relativgeschwindigkeit ermittelten Schwelle beziehungsweise Musterverlauf zurück, das heißt der reale Crash verläuft weniger stark, als dies aus der Relativgeschwindigkeit zu vermuten wäre. So kann beispielsweise eine relative Abweichung des aufprallabhängigen Signals oder daraus abgeleiteten Signals gegenüber dem Schwellwert oder Musterverlauf bestimmt und anhand dieser relativen Abweichung im Block 4 der Reduzierungsanteil für die Bewertung des Relativgeschwindigkeitssignals abgeleitet werden.
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Bleibt also beispielsweise bei einem als Wandaufprall klassifizierten Crash mit einer Relativgeschwindigkeit von ca. 100 km/h der Geschwindigkeitsabbau zu einem vorgegebenen Bewertungszeitpunkt noch vor dem für die Auslösung erforderlichen Zeitpunkt gegenüber einem Musterverlauf um etwa 50 % zurück, wird das Relativgeschwindigkeitssignal ähnlich, das heißt also beispielsweise auch um 50 % reduziert bewertet. Dies entspricht dabei in etwa einer Neubewertung des Aufpralls hin zu einem Fahrzeug- Fahrzeug-Crash, bei dem beide Fahrzeuge aufgrund einer im Wesentlichen identischen Masse und Steifigkeit jeweils die Hälfte der gemessenen Relativgeschwindigkeit abbauen müssen.
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Wie als 2 gut zu erkennen ist, ergeben sich für unterschiedliche Aufprallarten bei unterschiedlichen Relativgeschwindigkeiten durchaus ähnliche zu erwartende Signalverläufe, so dass eine vorherige Bewertung der Aufprallart sehr hilfreich ist, um die Relativgeschwindigkeit wiederum korrekt bewerten zu können.
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Das vom Block 4 so um 50 % reduzierte Relativgeschwindigkeitssignal wird im Block 5 zur Anpassung der Auslösebedingungen herangezogen und somit die Auslösebedingungen deutlich weniger stark herabgesetzt und/oder der Auslösezeitpunkt weniger stark nach vorne verschoben, als wenn der volle, unbewertete Relativgeschwindigkeitssignal berücksichtigt worden. Die so angepassten Auslösebedingungen gehen dann in die Auslöseentscheidung im Block 6 ein und werden mit den verschiedensten dort verwendeten Signalen, insbesondere aber natürlich mit den oder den aus dem aufprallabhängigen Signal abgeleiteten Signal verglichen und in Abhängigkeit davon die Auslöseentscheidungen der einzelnen Insassenschutzeinrichtungen abgeleitet. Natürlich kann in die Auslöseentscheidung im Block 6 beispielsweise auch die im Block 2 erkannte Aufprallart mit eingehen und berücksichtigt werden. Der hier gezeigte Blockaufbau ist daher ausdrücklich nicht abschließend zu verstehen, sondern beschränkt sich auf die für die Erfindung wesentlichen Abläufe.
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Zudem ist hier gezeigte Blockaufbau rein schematisch zur Illustration der Erfindung gewählt und nicht zwingend. So kann insbesondere anstelle einer separaten Bewertung des Relativgeschwindigkeitssignals auch einfach dessen Einflussnahme auf die Schwellenanpassung direkt entsprechend angepasst werden und sind insbesondere keines gesonderten elektronische Bauelemente in einer solchen Blockstruktur für die Ausführung der Erfindung erforderlich, sondern kann dies rein im Algorithmus des Steuergerätes software-technisch abgebildet werden.
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In 2 werden nun für unterschiedliche Aufprallarten zu bestimmten Relativgeschwindigkeiten (cV) zu erwartende Schwellwerte des aufprallabhängigen Signals oder daraus abgeleiteten Signals f(g(t)) dargestellt, wobei hier in diesem Ausführungsbeispielen die so genannten mittleren Pulsverzögerung als eine komplexe, aus dem Beschleunigungssignals abgeleitete und für den Verlauf besonders signifikante Vergleichsgröße verwendet wird. Diese Schwellwerte der Vergleichsgröße können zu einem vorgegebenen Zeitpunkt im Crashverlauf noch vor dem frühesten Zeitpunkt eines erforderlichen Auslösevorgangs mit dem realen Signalverlauf verglichen werden. Als Aufprallarten werden hier in diesem Ausführungsbeispiel
für sehr harte Crashs Schwellwerte zumindest für die Aufprallarten
FF10 voller Frontalaufprall (Full Front) 10 mph (Miles per Hour), bei dem noch keine Auslösung erforderlich ist
FF 13/16 voller Frontalaufprall (Full Front) 13/16 mph (Miles per Hour), bei dem erste Insassenschutzeinrichtungen aktiviert werden sollten
FF20 voller Frontalaufprall (Full Front) 20 mph (Miles per Hour), bei dem der volle Insassenschutz aktiviert wird bis hin zum
USNCAP - dem klassischen Wandaufprallversuch unterschieden.
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Es lässt sich dabei in Abhängigkeit von der Relativgeschwindigkeit eine Kennlinie definieren, die für den frontalen Wandaufprall bei der jeweiligen Geschwindigkeit repräsentativ ist.
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Für demgegenüber weichere Crashverläufe sind hier in diesem Ausführungsbeispiel Schwellwerte für folgende Aufprallarten gezeigt:
- Für 25 mph einen Schrägaufprall (30° 25) und einen Pfahlaufprall (Pole 25)
- sowie zumindest bei 50 mph zwei wesentliche Fahrzeug-Fahrzeug-Aufprallereignisse mit und ohne Versatz (C2C = Car-To-Car).
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Besonders weich laufen hingegen bekanntermaßen Aufprallereignisse gegen noch leichter definierbare Barrieren, die als so genannte ODB (Offset Deformable Barrier) Tests ebenfalls für bestimmte Relativgeschwindigkeiten normierte Schwellwerte zugewiesen bekommen.
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Zudem ist noch der klassische AZT-Versuch als Nicht-Auslöseereignis dargestellt.
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Deutlich erkennbar ist bei dieser Abbildung, dass abhängig von der jeweiligen Aufprallart für eine bestimmte Relativgeschwindigkeit durchaus sehr unterschiedliche Schwellwerte vorliegen können.
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Ergibt sich nun ausgehend von der erkannten Aufprallart und der gemessenen Relativgeschwindigkeit ein Schwellwert, der vom realen gemessenen Vergleichsignal nicht erreicht wird, so wird eine Bewertung der Relativgeschwindigkeit, also insbesondere eine prozentuale Reduzierung oder niedrigere Berücksichtigung bei der Schwellenanpassung für die Auslöseschwelle vorgenommen. Dies kann anhand der prozentualen Abweichungen vom Schwellwert erfolgen, oder beispielsweise anhand bestimmter Segmente [I] - [V] in der Matrix, wobei das Segment [I] eben die besonders kritischen sehr steifen Aufprallverläufe zeigt, bei denen die Relativgeschwindigkeit in der Regel voll berücksichtigt wird, während im Segment [II], insbesondere bei zuvor als Wandaufprall klassifizierten, aber mit der realen Signalamplitude nur ins Segment [II] fallenden Fällen eine Reduzierung der Relativgeschwindigkeit beziehungsweise deren Einfluss auf die Schwellenanpassung vorgenommen wird. Noch stärker wird die Bewertung des Relativgeschwindigkeitssignals ausfallen, wenn die realen Messwerte ins Segment [III] fallen, während aus der Unfallart Schwellwerte im Segment [I] angenommen würden. Für das Maß der Reduzierung der Relativgeschwindigkeit ist dabei aber auch entscheidend, inwieweit in die Schwellenanpassung und Auslöseentscheidung die jeweilige Aufprallart auch direkt als weiterer Einflussgröße Eingang findet.