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Technische Systeme, die von einem oder mehreren Benutzern manuell gesteuert werden, können durch Fehlbedienungen oder andere Einflüsse in ungültige, unerwünschte und/oder unzulässige Zustände gelangen. Zur Vermeidung derartiger Zustände weisen zeitgemäße technische Systeme häufig ein Assistenzsystem auf, das durch temporäre Übernahme der Steuerung in kritischen Fällen einen Übergang in diese Zustände verhindern soll. Beispiele für derartige Assistenzsysteme sind etwa eine Anti-Schlupf-Regelung oder eine Kollisionsvermeidung bei Kraftfahrzeugen oder eine Kollisionsvermeidung bei Baggern oder Kranen.
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Häufig übernimmt ein Assistenzsystem bei Erreichen oder kurz vor Erreichen von kritischen Zuständen vollständig die Steuerung. In diesen Fällen verbleiben einem Benutzer während der Dauer der Übernahme keine oder nur beschränkte Eingriffsmöglichkeiten. Wenn am Ende der Übernahme durch das Assistenzsystem die Kontrolle wieder an den Benutzer zurückgegeben wird, kann indes ein für den Benutzer ruckartiges Verhalten des technischen Systems auftreten. Ein solches ruckartiges Verhalten kann den Benutzer überraschen und eine Fehlbedienung des technischen Systems bedingen.
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Es ist Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren sowie ein Assistenzsystem zum Steuern eines technischen Systems anzugeben, die für einen Benutzer besser bedienbar sind.
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Gelöst wird diese Aufgabe durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1, durch ein Assistenzsystem mit den Merkmalen des Patentanspruchs 15, durch ein Computerprogrammprodukt mit den Merkmalen des Patentanspruchs 16 sowie durch ein computerlesbares Speichermedium mit den Merkmalen des Patentanspruchs 17.
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Erfindungsgemäß ist vorgesehen, zum Steuern eines technischen Systems eine Benutzer-Stellgröße einzulesen und eine Trajektorie des technischen Systems zu extrapolieren für ein Steuern des technischen Systems durch die Benutzer-Stellgröße. Die Benutzer-Stellgröße kann hierbei z.B. von einem analogen Eingabegerät, wie beispielsweise einem Joystick, einem Gaspedal, einem Lenkrad etc. eingelesen werden. Weiterhin wird eine Zulässigkeit der extrapolierten Trajektorie bewertet. Als Bewertungskriterium kann hierbei z.B. ein mögliches oder hinreichend wahrscheinliches Erreichen eines kritischen Systemzustandes, beispielsweise die Möglichkeit einer Kollision, angewandt werden. Falls die für die Benutzer-Stellgröße extrapolierte Trajektorie als unzulässig bewertet wird, wird eine Stellgrößenvariante mit zulässiger Trajektorie generiert und diese anstelle der Benutzer-Stellgröße als Steuersignal selektiert. Das Steuersignal wird dann zum Steuern des technischen Systems ausgegeben. Weiterhin wird ein Abstandswert für einen Abstand zwischen der Benutzer-Stellgröße und der Stellgrößenvariante ermittelt und als quantifizierte Rückmeldung für den Benutzer ausgegeben.
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Ein erfindungsgemäßes Assistenzsystem ist eingerichtet zum Ausführen des vorstehenden Verfahrens.
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Ein wesentlicher Vorteil der Erfindung ist darin zu sehen, dass der Benutzer durch die quantifizierte Rückmeldung gewissermaßen einen Hinweis darauf erhalten kann, wie weit eine aktuelle Steueraktion des Benutzers von einer aktuell das technische System steuernden Steueraktion des Assistenzsystems entfernt ist. Der Benutzer kann hierdurch auf eine bevorstehende Rückgabe der Kontrolle über das technische System an den Benutzer vorbereitet werden. Auf diese Weise kann in der Regel ein Überraschungseffekt und ein dadurch bedingtes ruckartiges Steuerverhalten vermieden oder zumindest verringert werden. Darüber hinaus kann ein aktives Wiedererlangen der Kontrolle durch den Benutzer erleichtert werden, insofern der Benutzer anhand der quantifizierten Rückmeldung gewissermaßen erkennen kann, wie er steuern müsste, um die Kontrolle wieder zu übernehmen.
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Vorteilhafte Ausführungsformen und Weiterbildungen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen angegeben.
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Nach einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung kann für die Ermittlung des Abstandes zwischen der Benutzer-Stellgröße und der Stellgrößenvariante eine vorgegebene Abstands-Metrik verwendet werden. Die Abstands-Metrik kann hierbei auch einen Abstand der aus der Benutzer-Stellgröße und der Stellgrößenvariante extrapolierten Trajektorien berücksichtigen.
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Weiterhin kann der Abstandswert als quantifizierte haptische, akustische und/oder optische Rückmeldung ausgegeben werden. Z.B. als zum Abstandswert proportionale Rückstellkraft eines Eingabegeräts, als akustisches Signal mit zum Abstandwert proportionaler Lautstärke und/oder Tonhöhe und/oder als optisches Signal mit zum Abstandwert proportionaler Helligkeit. Alternativ oder zusätzlich kann das optische Signal auch farblich variiert werden, z.B. durch einen graduellen, zum Abstandwert proportionalen Übergang von grün zu rot. Ferner kann eine Balkenanzeige mit einer zum Abstandswert proportionalen Balkenlänge und/oder eine andere Abstandsanzeige als optische Rückmeldung angezeigt werden.
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Vorteilhafterweise kann die quantifizierte Rückmeldung angeben, ob die Benutzer-Stellgröße oder ob die Stellgrößenvariante als Steuersignal zum Steuern des technischen Systems selektiert wird. Auf diese Weise kann dem Benutzer rückgemeldet werden, ob das technische System momentan vom Benutzer oder vom Assistenzsystem gesteuert wird.
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Ferner kann abhängig vom Abstandwert das Steuersignal zwischen der Benutzer-Stellgröße und der Stellgrößenvariante umgeschaltet werden. Die Umschaltung kann insbesondere dann erfolgen, wenn der Abstandswert unter einen vorgegebenen Schwellenwert fällt. Die Umschaltung kann zusätzlich abhängig davon erfolgen, ob die Benutzer-Stellgröße oder ob die Stellgrößenvariante als Steuersignal zum Steuern des technischen Systems selektiert ist.
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Nach einer vorteilhaften Weiterbildung der Erfindung kann eine Vielzahl von Stellgrößenvarianten generiert werden, für die jeweils eine zugehörige Trajektorie des technischen Systems extrapoliert wird. Dabei kann eine jeweilige Zulässigkeit der für die Vielzahl der Stellgrößenvarianten extrapolierten Trajektorien bewertet werden. Abhängig von der jeweiligen Zulässigkeit der extrapolierten Trajektorien kann dann ein für die Benutzer-Stellgröße zulässiger Stellgrößenbereich geschätzt werden. Vorzugsweise erfolgt diese Schätzung fortlaufend für fortlaufend eingelesene oder ermittelte Eingangsdaten. Der zulässige Stellgrößenbereich kann beispielsweise als konvexe Hülle derjenigen Stellgrößenvarianten, die zu einer zulässigen Trajektorie führen, geschätzt werden.
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Vorzugsweise kann ein weiterer Abstandswert für einen Abstand der Benutzer-Stellgröße zu einer Grenze des zulässigen Stellgrößenbereichs ermittelt und als quantifizierte Rückmeldung für den Benutzer ausgegeben werden. Für die Ermittlung dieses Abstands kann vorteilhafterweise die gleiche Abstands-Metrik verwendet werden, wie für die Ermittlung des Abstandes zwischen der Benutzer-Stellgröße und der Stellgrößenvariante. Durch die quantifizierte Rückmeldung des weiteren Abstandswerts kann der Benutzer gewissermaßen einen Hinweis darauf erhalten, wie weit seine aktuelle Steueraktion von einer Übernahme der Kontrolle durch das Assistenzsystem entfernt ist. Auf diese Weise können der Benutzer sowie das Assistenzsystem auf eine bevorstehende Übernahme der Kontrolle vorbereitet werden.
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Ferner kann als Stellgrößenvariante eine zeitabhängige Funktion generiert werden. Eine derartige zeitabhängige Funktion kann z.B. als ein Stellgrößenverlauf und/oder als eine zeitlich aufgelöste Stellgrößensequenz generiert werden. Auf diese Weise können auch komplexe Steuersequenzen bei der Extrapolation, Bewertung und/oder Selektion von Trajektorien und/oder Stellgrößen berücksichtigt werden.
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Vorteilhafterweise kann die Stellgrößenvariante aus einer Datenbank mit häufigen Steuermustern, vorzugsweise benutzerspezifischen Steuermustern ausgewählt werden.
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Vorzugsweise kann das Einlesen der Benutzer-Stellgröße, das Extrapolieren einer jeweiligen Trajektorie, das Bewerten der Zulässigkeit einer jeweiligen Trajektorie, das Generieren einer jeweiligen Stellgrößenvariante, das Ermitteln des Abstandswertes, das Ausgeben des Steuersignals und/oder das Ausgeben des Abstandswertes fortlaufend erfolgen.
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Nach einer vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung kann die Extrapolation einer jeweiligen Trajektorie anhand eines Systemmodells des technischen Systems erfolgen. Insbesondere kann eine jeweilige Trajektorie extrapoliert werden, indem ein Systemverhalten des technischen Systems anhand des Systemmodells simuliert wird.
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Darüber hinaus kann ein Betriebsparameter und/oder Umgebungsparameter des technischen Systems erfasst werden. Die Extrapolation einer jeweiligen Trajektorie kann dann abhängig von dem erfassten Betriebsparameter und/oder Umgebungsparameter erfolgen. Als Betriebsparameter oder Umgebungsparameter können z.B. eine Fahrzeuggeschwindigkeit, eine Fahrbahnbeschaffenheit, eine Außentemperatur und/oder andere Wetter- oder Umgebungsverhältnisse erfasst und bei der Extrapolation berücksichtigt werden.
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Weiterhin kann die Extrapolation einer jeweiligen Trajektorie bis zu einer Extrapolationsgrenze erfolgen, die abhängig von einem erfassten Betriebsparameter und/oder Umgebungsparameter dynamisch ermittelt werden kann.
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Insbesondere kann die Extrapolationsgrenze derart ermittelt werden, dass das technische System innerhalb der Extrapolationsgrenze in einen sicheren Systemzustand steuerbar ist.
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Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnung näher erläutert.
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Die Figur zeigt in schematischer Darstellung ein erfindungsgemäßes Assistenzsystem beim Steuern eines technischen Systems.
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In der Figur ist ein interaktives Assistenzsystem AS zum Steuern eines technischen Systems TS schematisch dargestellt. Das technische System TS kann z.B. ein Kraftfahrzeug, ein Bagger, ein Kran oder ein anderes von einem Benutzer zu steuerndes System sein. Insbesondere kann das erfindungsgemäße Assistenzsystem AS auch Teil des technischen Systems TS sein. Zur Steuerung des technischen Systems TS durch einen Benutzer sei im vorliegenden Ausführungsbeispiel ein Lenkrad LR als analoges Eingabegerät vorgesehen. Alternativ oder zusätzlich kann als Eingabegerät auch ein Joystick, ein Gaspedal, ein Bremspedal etc. vorgesehen sein.
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Das Assistenzsystem AS weist einen Prozessor PROC zum Durchführen der Verfahrensschritte des Assistenzsystems AS auf.
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Das Assistenzsystem AS verfügt über eine Eingabeschnittstelle IN zum technischen System TS, über die fortlaufend eine aktuelle Benutzer-Stellgröße BS vom Lenkrad LR eingelesen wird. Die Benutzer-Stellgröße BS kann innerhalb eines vorgegebenen Wertebereichs, z.B. einen Drehwinkel des Lenkrades LR angeben. Alternativ oder zusätzlich kann die Benutzer-Stellgröße BS auch ein ein- oder mehrkomponentiger Stellgrößenvektor sein, der z.B. von einem mehrachsigen Joystick eingelesen wird.
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Das Assistenzsystem AS weist ferner ein Extrapolationsmodul EP auf, das fortlaufend die Benutzer-Stellgröße BS vom technischen System TS empfängt. Das Extrapolationsmodul EP dient zum fortlaufenden Extrapolieren von Trajektorien des technischen Systems TS. Derartige Trajektorien sind Bahnkurven des technischen Systems TS oder eines Teils davon in einem Zustandsraum des technischen Systems TS, z.B. eine räumliche, vorzugsweise zeitlich aufgelöste Bahnkurve eines Kraftfahrzeugs, einer Baggerschaufel oder eines Kranauslegers. Die Extrapolation der Trajektorien kann räumlich, zeitlich oder in einer anderen Richtung des Zustandsraums ausgeführt werden.
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Das Extrapolationsmodul EP berechnet und/oder simuliert ein Systemverhalten des technischen Systems TS oder eines Teils davon für ein Steuern der technischen Systems TS durch die Benutzer-Stellgröße BS sowie für ein Steuern durch andere vorgegebene Stellgrößen. Dies bedeutet, dass ein Systemverhalten des technischen Systems TS jeweils unter der Voraussetzung ermittelt wird, dass das technische System TS durch die Benutzer-Stellgröße BS bzw. durch eine jeweilige andere vorgegebene Stellgröße gesteuert wird. Ein solches Systemverhalten kann z.B. einen Bremsweg oder ein Ausweichmanöver eines Kraftfahrzeugs betreffen. Zur Extrapolation der Trajektorien verfügt das Extrapolationsmodul EP über ein Systemmodell SM des technischen Systems TS sowie vorzugsweise über ein Simulationsmodul zum Simulieren des Systemverhaltens anhand dieses Systemmodells SM.
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Vorzugsweise werden zur Berechnung des Systemverhaltens des technischen Systems TS Betriebsparameter und/oder Umgebungsparameter PAR des technischen Systems TS erfasst, z.B. eine Fahrzeuggeschwindigkeit, eine Fahrbahnbeschaffenheit, eine Außentemperatur, Straßennässe und/oder andere Wetter- oder Umgebungsverhältnisse. Die Betriebs- und/oder Umgebungsparameter PAR können durch einen Sensor S des technischen Systems TS erfasst und zum Extrapolationsmodul EP übermittelt werden. Die Extrapolation der Trajektorien erfolgt dann abhängig von den erfassten Betriebs- und/oder Umgebungsparametern PAR. Auf diese Weise kann z.B. ein Bremsweg als umso länger berechnet werden, je höher die Fahrzeuggeschwindigkeit ist. Auch Regen oder Straßenglätte können so bei der Extrapolation berücksichtigt werden.
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Für das vorliegende Ausführungsbeispiel sei T0 eine extrapolierte Trajektorie des technischen System TS beim Steuern des technischen Systems TS durch die Benutzer-Stellgröße BS.
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Das Assistenzsystem AS verfügt weiterhin über ein Variationsmodul VAR, das ebenfalls die Benutzer-Stellgröße BS vom technischen System TS empfängt. Das Variationsmodul VAR dient zum fortlaufenden Generieren einer Vielzahl von Stellgrößenvarianten V1, ..., VN der aktuell eingelesenen Benutzer-Stellgröße BS. Die Stellgrößenvarianten V1, ..., VN werden in einem von der Benutzer-Stellgröße BS abhängigen Wertebereich um die Benutzer-Stellgröße BS generiert. Dieser Wertebereich umfasst vorzugsweise Stellgrößenwerte, die sich bezüglich eines Abstandsmaßes, vorzugsweise einer Abstandsmetrik M, in der Nähe der Benutzer-Stellgröße BS befinden. Als Abstandsmetrik M kann beispielsweise ein euklidischer Abstand im Zustandsraum für Stellgrößen dienen. Der Wertebereich der Stellgrößenvarianten V1, ..., VN kann z.B. Stellgrößenwerte innerhalb eines vorgegebenen Maximalabstandes zur aktuellen Benutzer-Stellgröße BS umfassen. Innerhalb dieses Wertebereichs können die Stellgrößenvarianten V1, ..., VN z.B. abhängig von einem Zufallsprozess generiert werden. Darüber hinaus können die Stellgrößenvarianten V1, ..., VN auch als zeitabhängige Funktionen, d.h. als zeitlich variierende Stellgrößenfunktionen generiert werden. Weiterhin können Stellgrößenvarianten aus einer Datenbank DB mit häufigen Steuermustern, vorzugsweise benutzerspezifischen Steuermustern, ausgelesen werden. Die generierten Stellgrößenvarianten V1, ..., VN werden vom Variationsmodul VAR zum Extrapolationsmodul EP übermittelt.
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Das Extrapolationsmodul EP extrapoliert für eine jeweils übermittelte Stellgrößenvariante V1, ... bzw. VN jeweils eine extrapolierte Trajektorie T1, ... bzw. TN des technischen Systems TS für ein Steuern des technischen Systems TS durch die jeweilige Stellgrößenvariante V1, ... bzw. VN.
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Die Trajektorien T0, T1, ..., TN werden durch das Extrapolationsmodul EP jeweils bis zu einer dynamisch ermittelten Extrapolationsgrenze extrapoliert. Eine solche Extrapolationsgrenze wird häufig auch als Look-Ahead bezeichnet. Die Extrapolationsgrenze wird vorzugsweise abhängig von den erfassten Betriebsparametern und/oder Umgebungsparametern PAR fortlaufend dynamisch ermittelt und zwar derart, dass das technische System TS innerhalb des Extrapolationsbereiches in einen sicheren Systemzustand steuerbar ist. So vergrößern sich z.B. bei einem Kraftfahrzeug der Bremsweg und die Bremszeit mit steigender Geschwindigkeit, so dass die Extrapolationsgrenze in diesem Fall zeitlich und/oder räumlich derart erhöht wird, dass das Kraftfahrzeug innerhalb des Extrapolationsbereichs zum Stehen gebracht werden kann.
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Die extrapolierten Trajektorien T0, T1, ..., TN werden vom Extrapolationsmodul EP zu einem Bewertungsmodul VAL des Assistenzsystems AS übermittelt. Das Bewertungsmodul VAL bewertet fortlaufend eine Zulässigkeit für jede der extrapolierten Trajektorien T0, T1, ..., TN anhand eines vorgegebenen Bewertungskriteriums K. Als Bewertungskriterium K kann z.B. ein mögliches oder hinreichend wahrscheinliches Erreichen eines kritischen Systemzustandes, beispielsweise eine Möglichkeit einer Kollision, angewandt werden. Eine Trajektorie wäre in diesem Fall z.B. zulässig, wenn eine Kollision des technischen Systems TS oder Teilen davon unwahrscheinlich oder ausgeschlossen ist, vorzugsweise unter der Nebenbedingung, dass keine zu großen Beschleunigungen auftreten. Als Ergebnis dieser Bewertung erzeugt das Bewertungsmodul VAL eine Zulässigkeitsinformation VI, die z.B. angibt, welche der Trajektorien T0, T1, ..., TN zulässig bzw. unzulässig sind. Als zulässig können hierbei diejenigen Trajektorien aufgefasst werden, bei denen innerhalb des Extrapolationsbereiches kein kritischer Systemzustand auftritt oder ein kritischer Systemzustand unwahrscheinlich ist.
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Darüber hinaus wird durch das Bewertungsmodul VAL anhand der Trajektorien T0, T1, ..., TN fortlaufend ein zulässiger Stellgrößenbereich SB im Zustandsraum für Stellgrößen geschätzt. Die Schätzung erfolgt derart, dass sich innerhalb des zulässigen Stellgrößenbereichs SB im Wesentlichen die Stellgrößen mit zulässiger Trajektorie und außerhalb des zulässigen Stellgrößenbereichs im Wesentlichen die Stellgrößen mit unzulässiger Trajektorie befinden. Eine gute Näherung für den zulässigen Stellgrößenbereich SB liefert z.B. eine konvexe Hülle derjenigen Stellgrößenvarianten V1, ..., VN, die eine zulässige Trajektorie aufweisen, zumindest sofern das Gebiet tatsächlich zulässiger Stellgrößen im Zustandsraum gewissermaßen keine Löcher aufweist.
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Die Zulässigkeitsinformation VI und der zulässige Stellgrößenbereich SB werden vom Bewertungsmodul VAL zu einem Selektionsmodul SEL des Assistenzsystems AS übermittelt. Das Selektionsmodul SEL empfängt ferner die Benutzer-Stellgröße BS vom technischen System TS sowie die Stellgrößenvarianten V1, ..., VN vom Variationsmodul VAR. Durch das Selektionsmodul SEL wird ein Steuersignal SIG aus den empfangenen Stellgrößen BS, V1, ..., VN selektiert und zum Steuern des technischen Systems TS bereitgestellt.
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Im Rahmen der Selektion wird durch das Selektionsmodul SEL anhand der Zulässigkeitsinformation VI fortlaufend geprüft, ob die auf der Benutzer-Stellgröße BS basierende Trajektorie, hier T0, zulässig ist. Falls dies zutrifft, wird die Benutzer-Stellgröße BS als Steuersignal SIG selektiert. In diesem Fall steuert also der Benutzer durch seine Benutzer-Stellgröße BS das technische System TS, das sich mithin im manuellen Betrieb befindet. Falls die Benutzer-Stellgröße BS dagegen zu einer unzulässigen Trajektorie T0 führt, prüft das Selektionsmodul SEL anhand der Zulässigkeitsinformation VI, welche der Trajektorien T1, ..., TN zulässig sind und selektiert dann eine der Stellgrößenvarianten V1, ..., VN mit zulässiger Trajektorie als Steuersignal SIG. In diesem Fall wird das technische System TS durch die vom Assistenzsystem AS generierte und selektierte Stellgrößenvariante gesteuert und befindet sich mithin im Assistenzbetrieb.
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Das Selektionsmodul SEL schaltet auf diese Weise zwischen manuellem Betrieb und Assistenzbetrieb um.
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Alternativ oder zusätzlich können im Fall, dass die Benutzer-Stellgröße BS zu einer unzulässigen Trajektorie führt, solange neue Stellgrößenvarianten generiert und ihre jeweilige Trajektorie auf Zulässigkeit geprüft werden, bis eine dieser Stellgrößenvarianten eine zulässige Trajektorie aufweist. Diese Stellgrößenvariante mit zulässiger Trajektorie wird dann als Steuersignal SIG selektiert.
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Zum fortlaufenden Ausgeben des selektierten Steuersignals SIG verfügt das Assistenzsystem AS über eine Steuerschnittstelle CTL zum technischen System TS. Über die Steuerschnittstelle CTL wird durch das Selektionsmodul SEL im manuellen Betrieb die Benutzer-Stellgröße BS und im Assistenzbetrieb eine der Stellgrößenvarianten V1, ..., VN als Steuersignal SIG zum technischen System TS übermittelt, um dieses zu steuern.
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Für den Fall, dass die auf der Benutzer-Stellgröße BS basierende Trajektorie T0 als unzulässig bewertet wird, sei beispielhaft angenommen, dass die Stellgrößenvariante V1 zu einer zulässigen Trajektorie T1 führt und als Steuersignal SIG selektiert wird. Das technische System TS befindet sich damit im Assistenzbetrieb. Infolgedessen ermittelt das Selektionsmodul SEL für die selektierte Stellgrößenvariante V1 einen Abstandswert DV für einen Abstand zwischen der Benutzer-Stellgröße BS und der selektierten Stellgrößenvariante V1 bezüglich der vorgegebenen Abstandsmetrik M. Die Abstandsmetrik M kann hierbei auch abhängig von einem Abstand zwischen den aus den Stellgrößen extrapolierten Trajektorien, hier T0 und T1, sein. Der Abstandswert DV wird fortlaufend für die jeweils aktuelle selektierte Stellgrößenvariante ermittelt. Im Assistenzbetrieb gibt demnach der ermittelte Abstandswert DV an, wie weit die aktuelle Steueraktion des Benutzers von der aktuell die Kontrolle ausübenden Steueraktion des Assistenzsystems entfernt ist.
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Falls sich das technische System dagegen im manuellen Betrieb befindet, wird durch das Selektionsmodul SEL fortlaufend ein weiterer Abstandswert DSB ermittelt. Der weitere Abstandswert DSB gibt einen Abstand der Benutzer-Stellgröße BS zu einer Grenze des zulässigen Stellgrößenbereichs SB bezüglich der Abstandsmetrik M an. Der weitere Abstandswert DSB stellt gewissermaßen einen minimalen Abstand der aktuellen Benutzer-Stellgröße BS von einer unzulässigen Stellgröße im Zustandsraum für Stellgrößen dar. Im manuellen Betrieb gibt der weitere Abstandswert DSB somit gewissermaßen an, wie weit die aktuelle Steueraktion des Benutzers von einer Übernahme der Kontrolle durch das Assistenzsystem AS entfernt ist.
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Der weitere Abstandswert DSB kann auch im Assistenzbetrieb fortlaufend ermittelt werden und gibt dann gewissermaßen an, wie weit die aktuelle Steueraktion des Benutzers von einer Rückgabe der Kontrolle an den Benutzer entfernt ist.
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Der Abstandswert DV sowie der weitere Abstandswert DSB werden als graduell quantifizierte Wertangaben mit einem im Wesentlichen analogen Wertespektrum, zumindest aber mit einer Vielzahl von Wertstufen, vorzugsweise als Fließkommawerte ermittelt.
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Zum fortlaufenden Ausgeben des Abstandswerts DV sowie des weiteren Abstandswerts DSB verfügt das Assistenzsystem AS über eine Ausgabeschnittstelle OUT zum technischen System TS. Der Abstandswert DV und der weitere Abstandswert DSB werden als quantifizierte Rückmeldung QFB für den Benutzer vom Selektionsmodul SEL über die Ausgabeschnittstelle OUT zu einer Rückmeldeeinrichtung FBE des technischen Systems TS übermittelt. Die quantifizierte Rückmeldung QFB wird in fortlaufender Weise haptisch, akustisch und/oder optisch durch die Rückmeldeeinrichtung FBE an den Benutzer rückgemeldet. Die quantifizierte Rückmeldung QFB ist wertbehaftet mit einem im Wesentlichen analogen Wertespektrum, zumindest aber mit einer Vielzahl von Wertstufen. Vorzugsweise ist die quantifizierte Rückmeldung QFB proportional zum Abstandswert DV bzw. zum weiteren Abstandswert DSB.
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Die Rückmeldeeinrichtung FBE, die z.B. in einem Armaturenbrett eines Kraftfahrzeuges integriert sein kann, verfügt vorzugsweise über eine optische Anzeige, einen Lautsprecher und/oder einen mit dem Lenkrad LR gekoppelten Aktor. Über den Lautsprecher kann ein akustisches Signal mit einer zum Abstandswert DV bzw. zum weiteren Abstandswert DSB proportionalen Lautstärke und/oder Tonhöhe ausgegeben werden. Über die optische Anzeige kann ein optisches Signal mit einer zum Abstandswert DV bzw. zum weiteren Abstandswert DSB proportionalen Helligkeit und/oder zum Abstandswert DV bzw. zum weiteren Abstandswert DSB proportionalen Farbübergang ausgegeben werden. Mittels des Aktors kann – wie in der Figur durch einen punktierten Pfeil angedeutet – eine zum Abstandswert DV bzw. zum weiteren Abstandswert DSB proportionale Rückstellkraft am Lenkrad LR als haptische Rückmeldung für den Benutzer erzeugt werden. Darüber hinaus kann das Selektionsmodul SEL eine Information an die Rückmeldeeinrichtung FBE übermitteln, die angibt, ob sich das technische System im manuellen Betrieb oder im Assistenzbetrieb befindet. Diese Information kann z.B. über die optische Anzeige, den Lautsprecher und/oder den Aktor der Rückmeldeeinrichtung FBE an den Benutzer rückgemeldet werden.
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Durch die quantifizierte Rückmeldung QFB des Abstandswerts DV im Assistenzbetrieb erhält der Benutzer einen Hinweis darauf, wie weit seine aktuelle Steueraktion von einer aktuell das technische System TS steuernden Steueraktion des Assistenzsystems AS entfernt ist. Der Benutzer sowie das Assistenzsystem AS können hierdurch auf eine bevorstehende Rückgabe der Kontrolle über das technische System GS vorbereitet werden, die z.B. dann erfolgt, wenn der Abstandswert DV unter einen vorgegebenen Schwellenwert sinkt. Darüber hinaus kann ein aktives Wiedererlangen der Kontrolle durch den Benutzer erleichtert werden, insofern der Benutzer anhand der quantifizierten Rückmeldung QFB erkennen kann, wie weit entfernt er von einem zulässigen Bereich von Steueraktionen ist und wie er steuern müsste, um in einen zulässigen Bereich von Steueraktionen zu gelangen. Auf diese Weise kann in der Regel ein Überraschungseffekt und ein dadurch bedingtes ruckartiges Steuerverhalten vermieden oder zumindest verringert werden.
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Durch die quantifizierte Rückmeldung QFB des weiteren Abstandswerts DSB erhält der Benutzer im manuellen Betrieb einen Hinweis darauf, wie weit seine aktuelle Steueraktion von einer Übernahme der Kontrolle durch das Assistenzsystem AS entfernt ist. Auf diese Weise können der Benutzer sowie das Assistenzsystem AS auf eine bevorstehende Übernahme der Kontrolle über das technische System TS vorbereitet werden, die z.B. dann erfolgt, wenn der weitere Abstandswert DSB unter einen vorgegebenen Schwellenwert sinkt. Das Assistenzsystem AS kann infolgedessen vorbereitende Rechnungen bereits vor der eigentlichen Kontrollübernahme durchführen.