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Technisches Gebiet
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Durchführen eines Ausweichmanövers eines Kraftfahrzeugs. Ferner betrifft die Erfindung eine Vorrichtung zum Durchführen eines Ausweichmanövers eines Kraftfahrzeugs, die zur Durchführung des Verfahrens geeignet ist.
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Hintergrund der Erfindung
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Ein Ziel bei der Entwicklung von Kraftfahrzeugen sind Fahrerassistenzsysteme zur Unfallvermeidung. Diese Systeme überwachen das Umfeld des Fahrzeugs, entscheiden, ob es zu einer Kollision mit einem Objekt kommen kann, und greifen in das Lenksystem oder das Bremssystem des Fahrzeugs ein, um den Unfall durch ein Ausweichen oder Abbremsen zu vermeiden. Es hat sich dabei gezeigt, dass Ausweichmanöver insbesondere bei hoher Fahrzeuggeschwindigkeit Vorteile gegenüber Notbremsungen haben. Zur Durchführung eines Ausweichmanövers wird bei einer drohenden Kollision üblicherweise eine Ausweichbahn für das Fahrzeug vorgegeben. Mittels eines Lenkungsaktuators, der durch einen Bahnfolgeregler gesteuert wird, wird dann das Lenksystem des Fahrzeugs derart beeinflusst, dass das Fahrzeug der berechneten Ausweichbahn folgt. Mit dem Lenkungsaktuator kann dabei beispielsweise unabhängig von den Fahrervorgaben ein Lenkwinkel an den lenkbaren Rädern des Fahrzeugs eingestellt werden, so dass das Ausweichmanöver automatisch ohne Fahrereingriff durchgeführt wird bzw. das von dem Fahrer durchgeführte Auseichmanöver derart unterstützt werden, dass das Fahrzeug der berechneten Ausweichbahn folgt. Bei einer Ausführungsform hat es sich als Vorteil herausgestellt, dass die Bahn für das Ausweichmanöver durch eine Sigmoide gegeben ist. Unter einer Sigmoide bzw. einer Sigmoidfunktion wird dabei im üblichen Sinne eine in etwa S-förmige, reelle, stetig differenzierbare, monotone und beschränkte Funktion mit einem Wendepunkt verstanden. Beispiele hierfür sind Funktionen von der Form einer hyperbolischen Tangensfunktion ƒ(x) = α tanh(β(x - γ)), einer logistischen Funktion ƒ(x)=α/(1+exp(-β(x-γ)) oder einer Arkustangensfunktion ƒ(x) = α arctan(β(x - γ)) mit Parametern α,β,γ. Anhand derartiger Funktionen kann die Ausweichbahn geschlossen angegeben werden, ohne beispielsweise eine abschnittsweise Definition unterschiedlicher Bogenabschnitte vornehmen zu müssen. Aufgrund der Gestalt der Ausweichbahn wird das Fahrzeug bei dem Ausweichmanöver bezüglich der ursprünglichen Fahrtrichtung in Querrichtung in etwa parallel versetzt. Unter der Manöverbreite wird dabei die Distanz des Querversatzes verstanden. In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Kraftfahrzeugs wird dabei ein Parameter der Steigung der Sigmoide derart bestimmt, dass eine bei dem Ausweichmanöver auftretende Querbeschleunigung und ein Querruck des Kraftfahrzeugs einen vorgegebenen Maximalwert nicht überschreitet.
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Hierdurch kann die Querbeschleunigung und die Änderungsrate der Querbeschleunigung(Querruck) insbesondere auf fahrphysikalisch mögliche und die Fahrzeuginsassen nicht zu sehr belastende Werte begrenzt werden. Unter der Steigung der Sigmoide wird im üblichen Sinne die Steigung einer Tangente an die Sigmoide verstanden. Eine Sigmoide kann durch die Beziehung
beschrieben werden, wobei y(x) einen lateralen Versatz des Kraftfahrzeugs und x eine Wegstrecke in Längsrichtung in einem Koordinatensystem ist, dessen Ursprung im Wesentlichen mit dem Startpunkt des Ausweichmanövers übereinstimmt und dessen positive x-Richtung in die an dem Startpunkt vorliegende Fahrzeuglängsrichtung zeigt, wobei a der die Steigung der Sigmoide bestimmender Parameter ist, und wobei B und c weitere Parameter sind, die die Gestalt der Sigmoide bestimmen.
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Aus der
DE 100 12 737 A1 ist eine Trajektorienplanungseinheit mit einer Fahrzustands-Ermittlungseinheit bekannt, welche zumindest die die Berechnung der Übergangsbahnkurve beeinflussenden Größen, die das längs- und querdynamische Fahrverhalten betreffen, ermittelt. Somit ist die Bestimmung der Fahrzeugsollbahn wenigstens von der Größe Fahrgeschwindigkeit und/oder Fahrzeugbeschleunigung abhängig.
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Aus der
DE 101 54 321 A1 ist ein System bekannt, das mittels Radar ein Hindernis erfasst und ein Ausweichweg bestimmt. Das System führt das Fahrzeug auf den Ausweichweg, wenn der Fahrer keine Ausweichmaßnahme ergreift.
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DE 199 26 745 A1 offenbart ein System, das ein Hindernis erkennt und feststellt, ob ein Ausweichraum vorhanden ist. Falls kein Ausweichraum zur Verfügung steht, wird eine Kollision durch einen automatischen Bremseingriff verhindert.
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DE 195 15 058 A1 zeigt eine Vorrichtung zur Regelung eines Giermoments eines Fahrzeugs. Diese Vorrichtung greift in die Giermomentregelung ein, wenn ein Sollgiermoment überschritten wurden ist und sich das Fahrzeug nicht in Rückwärtsfahrt befindet.
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DE 195 15 059 A1 offenbart eine Vorrichtung zur Regelung eines Giermoments eines Fahrzeugs. Diese Vorrichtung berücksichtigt bei der Giermomentregelung einen Reibwert. Zur Erhöhung der Fahrzeugstabilität wird dann in Abhängigkeit vom Reibwert ein zusätzliches Drehmoment verändert.
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Darstellung der Erfindung
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Hiervon ausgehend ist es eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, beim Ausweichen auf eine Bahn die Stabilität des Kraftfahrzeugs zu erhöhen bzw. zu gewährleisten.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 und durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 4 gelöst. Vorteilhafte Weiterbildungen ergeben sich aus den abhängigen Patentansprüchen.
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Demgemäß ist es vorgesehen, dass ein Verfahren der eingangs genannten Art dadurch gekennzeichnet ist, dass in Abhängigkeit von der ermittelten Bahn eine sich beim Durchfahren der Ausweichbahn einstellende Gierwinkelgeschwindigkeit (Ψ̇) vorausgesagt wird und wenn diese vorausgesagte Gierwinkelgeschwindigkeit (Ψ̇) zum Eingriff einer Fahrstabilitätsregelung führen würde, das Lenksystem eine Vorderrad-Lenkfunktion und eine Hinterrad-Lenkfunktion derart miteinander verknüpft, dass die Vorderräder und die Hinterräder des Kraftfahrzeugs gleichsinnig gesteuert werden.
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Kern der Erfindung ist, dass kritische Fahrsituationen, die durch die Umfeldsensorik sicher erkannt und detektiert werden können, und bei denen eine Ausweichbahn ermittelt wird, die beim Durchfahren zu Instabilitäten des Kraftfahrzeugs führt, eine automatische Umstellung einer Hinterachslenkung in den gleichsinnigen Lenkmodus bewirkt. Dies erhöht das Ausweichpotential und die Ausweichgeschwindigkeit und reduziert außerdem die Instabilitätsgefahr beim Ausweichen durch kleinere notwendige Lenkeingriffe.
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Ferner ist es vorgesehen, dass eine Vorrichtung der eingangs genannten Art dadurch gekennzeichnet ist, dass der Lenkungsaktuator einen Vorderrad-Lenkungsaktuator und einen Hinterrad-Lenkungsaktuator umfasst und dass die Steuerungseinrichtung die Vorderräder und die Hinterräder des Kraftfahrzeugs gleichsinnig steuert.
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Vorteilhaft ist dabei vorgesehen, dass bei dem automatischen Lenksystem ein Regelansatz vorgesehen ist, der eine Vorderrad-Lenkfunktion mit der Lenkfunktion an den Hiterrädern verknüpft und somit bei der Ausführung mindestens einer dieser beiden Funktionen das Kraftfahrzeugs beim Ausweichen auf eine Bahn hin zu einer Reduzierung der Gierbewegung steuert
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Gemäß der Erfindung wird somit ein Konzept zur Verbesserung der Verkehrssicherheit durch den Einsatz von einer Hinterachslenkung in Sicherheitssystemen, die aktive und passive Maßnahmen kombinieren, vorgeschlagen. Kern der Erfindung ist die Nutzung einer Hinterachslenkung zur Verbesserung des Ausweichpotentials auf eine Ausweichbahn bei detektierten kritischen Fahrsituationen und Reduzierung der Gefahr, die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren, durch einen kleineren notwendigen Lenkeinschlag.
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Durch die Erfindung ergeben sich die folgenden Vorteile:
- • Hinterachslenkung ist eine Komponente, die ein System aus aktiven und passiven Komponenten erweitern kann,
- • In detektierten kritischen Auffahrsituationen sorgt eine Hinterachslenkung für einen leichteren und schnelleren Spurwechsel,
- • Für einen Spurwechsel in kritischen Situationen ist ein kleinerer Lenkeingriff notwendig, und somit ist eine kleinere Drehung um die Hochachse des Fahrzeuges notwendig, was die Instabilitätsgefahr reduziert.
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Vorteilhaft ist, dass die das automatische Lenkmittel die vom Fahrer durchgeführte Lenkung unterstützt.
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Zweckmäßig wird das Hinterachs-Lenkmittel gleichsinnig mit dem Vorderachs-Lenkmittel gesteuert.
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Ferner ist es vorteilhaft, dass das das Hinterachs-Lenkmittel in Abhängigkeit von dem durch das Auswertemittel durchgeführten Bestimmung zur Ausführung eines automatischen Lenkbetriebs gesteuert wird.
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Figurenliste
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Von den Figuren zeigt:
- 1 eine schematische Darstellung eines Fahrzeugs mit einem Umfeldsensor zum Erfassen von Objekten im Umfeld des Fahrzeugs,
- 2 ein schematisches Blockdiagramm eines Fahrerassistenzsystems zum Durchführen eines Ausweichmanövers zum Vermeiden einer Kollision mit einem Objekt,
- 3 eine schematische Veranschaulichung von Größen, die zur Ermittlung eines Kollisionskurses und zur Planung einer Ausweichbahn herangezogen werden und
- 4 ein Diagramm mit einer Funktionenschar einer Sigmoidfunktion für mehrere Werte des die Steigung bestimmenden Parameters.
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Darstellung von Ausführungsbeispielen
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In 1 ist beispielhaft ein vierrädriges, zweiachsiges Fahrzeug 101 dargestellt, das über einen Umfeldsensor 102 verfügt, mit dem Objekte im Umfeld des Fahrzeugs erfasst werden können, bei denen es sich insbesondere um weitere Kraftfahrzeuge handelt, die sich in derselben oder einer benachbarten Fahrspur seitlich und/oder vor dem Fahrzeug 101 bewegen. Beispielhaft wird ein Umfeldsensor 102 mit einem Erfassungsbereich 103 gezeigt, der einen Raumwinkel vor dem Fahrzeug 101 umfasst, in dem beispielhaft ein Objekt 104 dargestellt ist. Bei dem Umfeldsensor 102 handelt sich z.B. um einen LIDAR-Sensor (Light Detection and Ranging) der dem Fachmann an sich bekannt ist; gleichfalls sind jedoch auch andere Umfeldsensoren einsetzbar. Der Sensor misst die Abstände d zu den erfassten Punkten eines Objekts sowie die Winkel φ zwischen den Verbindungsgeraden zu diesen Punkten und der Mittellängsachse des Fahrzeugs, wie dies in 1 beispielhaft für einen Punkt P des Objekts 104 veranschaulicht ist. Die dem Fahrzeug 101 zugewandten Fronten der erfassten Objekte setzen sich aus mehreren erfassten Punkten zusammen, wobei eine in 2 gezeigte Objekterkennungseinheit 201, zu der die Sensorsignale übermittelt werden, die Korrelationen zwischen Punkten und der Form eines Objekts herstellt und einen Bezugspunkt für das Objekt bestimmt. Als Bezugspunkt kann dabei beispielsweise der Mittelpunkt des Objekts bzw. der Mittelpunkt der erfassten Punkte des Objekts gewählt werden. Die Geschwindigkeiten der detektierten Punkte und damit die Geschwindigkeit der erfassten Objekte können im Gegensatz zu einem Radar-Sensor(DopplerEffekt) mittels des LIDAR-Umfeldsensors 102 nicht direkt gemessen werden. Sie werden aus der Differenz zwischen den in aufeinander folgenden Zeitschritten gemessenen Abständen in der taktweise arbeitenden Objekterkennungseinheit 201 berechnet. In ähnlicher Weise kann grundsätzlich auch die Beschleunigung der Objekte durch zweimaliges Ableiten ihrer Positionen bestimmt werden.
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2 zeigt eine schematische Darstellung eines Fahrerassistenzsystems, dessen Bestandteile mit Ausnahme von Sensoren und Aktuatoren vorzugsweise als Softwaremodule ausgeführt sind, die innerhalb des Fahrzeugs 101 mittels eins Mikorprozessor ausgeführt werden. Wie in 2 gezeigt, werden die Objektdaten in Form elektronischer Signale innerhalb des schematisch dargestellten Fahrerassistenzsystems an eine Entscheidungseinrichtung 202 übermittelt. In der Entscheidungseinrichtung 202 wird in Block 203 anhand der Informationen über das Objekt eine Objekttrajektorie bestimmt. Ferner wird eine Trajektorie des Fahrzeugs 101 in Block 204 anhand von Informationen über den fahrdynamischen Zustand des Fahrzeugs 101 ermittelt, die mithilfe von weiteren Fahrzeugsensoren 205 bestimmt werden. Insbesondere werden dabei die beispielsweise mithilfe von Raddrehzahlsensoren ermittelbare Fahrzeuggeschwindigkeit, der mittels eines Lenkwinkelsensors gemessene Lenkwinkel an den lenkbaren Rädern des Fahrzeugs 101, die Gierrate und/oder die Querbeschleunigung des Fahrzeugs 101, die mittels entsprechender Sensoren gemessen werden, herangezogen. Darüber hinaus ist es möglich, aus den mit den Fahrzeugsensoren 205 gemessenen fahrdynamischen Zuständen des Fahrzeugs modellbasierte Größen zu berechnen bzw. zu schätzen. Dann wird in der Entscheidungseinrichtung 202 innerhalb des Blocks 206 überprüft, ob sich das Kraftfahrzeug 101 auf einem Kollisionskurs mit einem der erfassten Objekte 104 befindet. Falls ein derartiger Kollisionskurs festgestellt wird und die ebenfalls in der Entscheidungseinrichtung 202 ermittelte Kollisionszeit (TTC, Time To Collision), d.h. die Zeitdauer bis zu der ermittelten Kollision mit dem Objekt 104, einen bestimmten Wert unterschreitet, wird ein Auslösesignal an eine Bahnvorgabeeinrichtung 207 übermittelt. Das Auslösesignal führt dazu, dass zunächst innerhalb der Bahnvorgabeeinrichtung eine Ausweichbahn y(x) berechnet wird. Dann wird aufgrund der ermittelten Ausweichbahn ein Startpunkt für das Ausweichmanöver bestimmt, an dem das Ausweichmanöver gestartet werden muss, um dem Objekt 104 gerade noch ausweichen zu können. Diese Schritte werden vorzugsweise in Zeitschritten wiederholt, bis keine Kollisionsgefahr aufgrund von Kursänderungen des Objekts 104 oder des Fahrzeugs 101 mehr besteht oder bis das Fahrzeug 101 den Startpunkt für ein Ausweichmanöver erreicht. Ist dies der Fall, werden die Ausweichbahn oder diese Bahn repräsentierende Parameter an eine Lenkungsaktuatorsteuerung 208 übermittelt. Diese steuert dann in einer ersten, bevorzugten Ausführungsform einen Lenkungsaktuator derart an, dass an den lenkbaren Vorder- und Hinterrädern des Kraftfahrzeugs Lenkwinkel eingestellt werden, die das Kraftfahrzeug der Ausweichbahn folgen lassen. Der Lenkungsaktuator ist in dieser Ausführungsform beispielsweise als eine an sich bekannte Überlagerungslenkung ausgeführt, mit dem fahrerunabhängig ein Lenkwinkel an den Vorderrädern des Kraftfahrzeugs 101 eingestellt werden kann, wobei die Hinterräder gleichsinnig entsprechend des eingestellten Vorderradlenkwinkels mitgelenkt werden. In einer zweiten Ausführungsform prognostiziert eine der Lenkungsaktuatorsteuerung 208 zugeordnete Entscheidungseinrichtung 209 ein für das Ausweichmanöver auf der Ausweichbahn entstehendes Giermoment, das zur gleichsinnigen Einstellung der Hinterräder von der Lenkungsaktuatorsteuerung 208 herangezogen wird.
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In 3 sind Größen dargestellt, die für die Überprüfung, ob ein Kollisionskurs des Fahrzeugs 101 mit einem Objekt 104 besteht, für die Bahnplanung und für die Ermittlung des Startpunktes herangezogen werden. Ferner ist beispielhaft eine Ausweichbahn y0(x) dargestellt, auf der das Fahrzeug 101 dem Objekt 104 nur mit lenkbaren Vorderrädern und eine Ausweichbahn y(x) mit lenkbaren Vorder- und Hinterrädern ausweichen kann. Bei der Berechnung der Trajektorie des Fahrzeugs und bei der Berechnung der Ausweichbahn wird das Fahrzeug 101 als punktförmig angesehen. Als Bezugspunkt M kann beispielsweise der Fahrzeugmittelpunkt oder der Fahrzeugschwerpunkt gewählt werden. Für das Objekt wird zunächst eine Objektfront F' bestimmt, die rechtwinklig zur Fahrzeuglängsrichtung ausgerichtet ist, und deren Breite die dem Fahrzeug 101 zugewandten Seiten des Objekts gerade vollständig überdeckt. Für die Berechnung des Kollisionskurses und der Ausweichbahn wird dann von einer Objektfront F ausgegangen, die um die halbe Fahrzeugbreite bv nach links und rechts vergrößert ist. Von einem Kollisionskurs wird ausgegangen, wenn die Trajektorie des Bezugspunktes des Kraftfahrzeugs, die Trajektorie der Objektfront F aufgrund der Relativgeschwindigkeit zwischen dem Fahrzeug 101 und dem Objekt 104 und aufgrund des Kurses des Fahrzeugs 101 in Bezug auf das Objekt 104 schneidet.
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Der Startpunkt für ein Ausweichmanöver zur Kollisionsvermeidung ergibt sich aus der Ausweichdistanz SLenk . Dies ist die in der am Startpunkt des Ausweichmanövers vorliegenden Fahrzeuglängsrichtung gemessene Distanz zwischen dem Startpunkt und dem Punkt, an dem der Querversatz des Fahrzeugs gerade der erforderlichen Ausweichdistanz yA entspricht. Diese beträgt bei einem Ausweichen nach links bF,I+ys und beträgt für ein Ausweichen nach rechts bFr+ys, wobei bF,1 der Teil der Breite der Objektfront F links von der Mittellängsachse des Fahrzeugs ist, bF,r der Teil rechts von der Mittellängsachse des Fahrzeugs und ys ein Sicherheitsabstand ist. Wie in 3 ersichtlich, ist die Ausweichbreite yA im Allgemeinen geringer als der gesamte Querversatz D des Fahrzeugs 101 bei dem Ausweichmanöver, der im Folgenden auch als Manöverbreite bezeichnet wird. D0 ist nur als Beispiel für ein Ausweichmanöver angegeben, das nur mit gelenkten Vorderrädern durchgeführt wird.
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Vorzugsweise wird die Ausweichbahn in einem ortsfesten Koordinatensystem 301 angegeben, dessen Ursprung im Wesentlichen dem Bezugspunkt M des Fahrzeugs 101 beim Start des Ausweichmanövers entspricht und das für die Dauer des Ausweichmanövers fixiert ist. Die positive x-Achse des Koordinatensystems 301 zeigt in die am Startpunkt des Ausweichmanövers vorliegende Fahrzeuglängsrichtung und die positive y-Achse in Bezug auf diese Richtung nach links. In einem solchen Koordinatensystem gilt für die Ausweichdistanz S
Lenk:
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Die Ausweichdistanz kann somit in einfacher Weise aus der Umkehrfunktion der die Ausweichbahn angebenden Funktion ermittelt werden.
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Die Ausweichbahn wird als eine so genannte Sigmoidfunktion berechnet. Insbesondere hat sie die Form
wobei es sich bei den Größen B, a und c um zu bestimmende Parameter der Sigmoide handelt. In
4 sind beispielhaft derartige Sigmoidfunktionen ƒ
a0 , ƒ
a0/2 und ƒ
2a0 mit Werten von a
0, 2a
0 und a
0/2 für den Parameter a dargestellt. Wie auch in der Figur erkennbar ist, gilt
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Der Parameter B entspricht somit jedenfalls bei unendlicher Dauer des Manövers der Manöverbreite. Der Parameter c entspricht der Wendestelle der Funktion. Der Funktionswert an der Wendestelle beträgt B/2. Die Sigmoide ist zudem punktsymmetrisch bezüglich des Wendepunktes (c,B/2), d.h. z(τ) = -z(-τ) für τ = x-c und z = y-B/2 . Der Parameter a bestimmt die Steigung der Sigmoide, wobei die Steigung am Wendepunkt durch a·B/4 gegeben ist. Es ist somit erkennbar, dass größere Werte von a zu steileren Kurven führen.
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Da die Manöverbreite B nur über den gesamten Definitionsbereich der Sigmoide von Werten zwischen -∞ und +∞ realisiert wird und die Sigmoide am Ursprung des Koordinatensystems 301 einen von Null verschiedenen Wert aufweist, ist es vorgesehen, eine Toleranz y
tol mit einem vorgegebenen kleinen Wert einzuführen. Beispielhaft ist die Toleranz y
tol in
4 für die Sigmoidfunktion ƒ
2a0 veranschaulicht. Mit der Toleranz y
tol muss dann gelten
wobei D die gewünschte Manöverbreite ist. Aus der Kombination von Bed. 1 und Bed. 2 folgt, dass der Parameter B der Manöverbreite entspricht, d.h., dass bei einem Ausweichen nach links B = D gilt. Aufgrund von Bed. 1 ergibt sich dann für den Parameter c bei einem Ausweichen nach links, d.h. in positive y-Richtung:
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Der die Steigung der Sigmoide angebende Parameter a wird so bestimmt, dass der Gierwinkel des Kraftfahrzeugs während des Ausweichvorgangs zu keinem Regelungseingriff einer Fahrstabilitätsregelung des Kraftfahrzeugs führt. Vernachlässigt man den Schwimmwinkel des Kraftfahrzeugs, entspricht dessen Gierwinkel der Tangente an die Bahn, auf der sich der Fahrzeugschwerpunkt bewegt. Damit gilt für den Gierwinkel in den Punkten entlang der Bahn:
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Weiterhin gilt für die Gierwinkelgeschwindigkeit entsprechend dem bekannten Einspurmodell einer Fahrdynamikregelung (
DE-A1 195 15 058 ) für eine stationäre Kreisfahrt
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Diese Beziehungen können umgewandelt werden in
wobei δ = Lenkwinkel, v = Fahrzeugegschwindigkeit, EG = Eigenlenkgradient und l = Abstand der Achse vom Schwerpunkt ist.
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Wenn man von einer konstanten Drehung der gelenkten Räder ausgeht, kann die Querbeschleunigung mit Hilfe der folgenden Gleichung extrapoliert werden
mit einer vorgebbaren Voraussagezeit.
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Es hat sich gezeigt, dass unter Vernachlässigung der Fahrzeugquergeschwindigkeit dx/dt = v gesetzt werden kann. Es gilt damit:
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Die Funktion a
y,pred(x) ist ebenfalls punktsymmetrisch bezüglich des Punktes (c,B/2). Anhand des Ausdrucks für a
y,pred(x) in Gleichung (5) lässt sich diese nach ψ̇ umgestellen. Es ergibt sich
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Es ist damit möglich, anhand der Ableitung eine Gierwinkelgeschwindigkeit zu prognostizieren, die entlang der Ausweichbahn auftreten wird.
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Liegt diese Gierwinkelgeschwindigkeit ̈ψ̇ in einem Bereich, in dem eine Fahrstabilitätsregelung, wie eine Giermomentregelung, zum Beispiel gemäß der
DE-A1-195 15 059 eingreifen würde, steuert die Lenkungsaktuatorsteuerung 208 die Hinterräder des Kraftfahrzeugs gleichsinnig zu den Vorderrädern, so dass sich eine gefahrene Ausweichbahn y(x) des Kraftfahrzeugs 101 gemäß
3 ergibt. Eine gleichsinnige Lenkung der Hinterachse und der Vorderachse bedeutet, dass der Lenkeinschlag der Räder in die gleiche Richtung an der Vorder- und Hinterachse stattfindet. Hierdurch wird sichergestellt, dass während des Ausweichmanövers des Kraftfahrzeugs die Drehung um die Hochachse des Kraftfahrzeugs reduziert wird und somit ist auch die Instabilitätsgefahr verringert.
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Durch die Steuerung der Hinterachslenkung des Kraftfahrzeugs 101 wird das Ausweichmanöver durch einen kleineren Lenkeingriff und mit mitlenkenden Hinterrädern erreicht.