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Stand der Technik
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung zur Überschlagserkennung eines Fahrzeugs nach der Gattung der unabhängigen Patentansprüche.
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Zahlen aus den USA belegen die Bedeutung der passiven Sicherheit bei Fahrzeugüberschlägen: Im Jahr 1998 war die Hälfte aller tödlichen Einzelfahrzeugunfälle auf einen Überschlag zurückzuführen. Im gesamten Unfallgeschehen nimmt der Fahrzeugüberschlag einen Anteil von rund 20% ein.
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Aus der
DE 10 2004 029 064 B3 sind bekannt ein Verfahren und eine Vorrichtung, bei denen als Zustandsgrößen eine Drehrate um eine Längsachse des Fahrzeugs und eine Neigung des Fahrzeugs in seitliche Richtung ermittelt werden. Eine Überschlagssituation wird erkannt, wenn die Zustandsgrößen in der von ihnen aufgespannten Zustandsfläche eine Auslöseschwellwertkennlinie überschreiten.
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Aus der
DE 602 17 741 T2 ist ein Verfahren zum Bereitstellen einer Überrollzustandserfassung bei einem Fahrzeug bekannt, das die Schritte aufweist
- a) Vorsehen einer Erfassung eines Maßes einer Querbeschleunigung des Fahrzeugs;
- b) Vorsehen einer Erfassung eines Maßes einer Winkelgeschwindigkeit eines Fahrzeugs;
- c) Vorsehen einer Bestimmung eines Auffangzeitpunktes in Reaktion auf das Maß der Querbeschleunigung bzw. das Maß der Winkelgeschwindigkeit;
- d) Vorsehen einer Bestimmung einer Zeitspanne, die mit dem Auffangzeitpunkt beginnt;
- e) Vorsehen einer Bestimmung eines Schwellenwertes eines Beurteilungskriteriums;
- f) Vorsehen einer Bestimmung eines Bewertungskriteriums in Reaktion auf das Maß der Querbeschleunigung und das Maß der Winkelgeschwindigkeit;
- g) Vorsehen einer Detektion des Überrollzustandes durch Vergleichen des Bewertungskriteriums mit dem Schwellenwert des Bewertungskriteriums, wobei der Schwellenwert des Bewertungskriteriums entweder eine Funktion der Zeitspanne oder eine Konstante ist.
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Aus der
DE 101 25 871 A1 sind ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Erfassung eines Überschlags bei einem Fahrzeug bekannt, bei dem zur Bestimmung des Auslösezeitpunktes von in einem Fahrzeug eingesetzten Rückhaltevorrichtungen ein Überschlagserfassungssystem vorgesehen ist. Dieses weist Querbeschleunigungssensoren, einen Wankraten-Sensor und einen Wankwinkel-Detektor auf. Eine Reglerschaltung legt in Reaktion auf die Wankrate und den Wankwinkeldetektor einen bestimmten Überschlagsgrenzwert fest und berechnet in Abhängigkeit von dem bestimmten Überschlagsgrenzwert und der Querbeschleunigung einen angepassten Grenzwert. In Reaktion auf den angepassten Grenzwert erzeugt die Reglerschaltung ein Steuersignal.
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Vor diesem Hintergrund wird durch die Anmelderin ein neues Konzept für die Überrollsensierung entwickelt, das Fahrzeugüberschläge bereits zu einem frühen Zeitpunkt erkennt. Dadurch ist es gewährleistet, dass Sicherheitsvorrichtungen, wie Gurtstraffer, Kopfairbag und Überrollbügel rechtzeitig aktiviert werden und sich somit das Verletzungsrisiko verringert. Bisherige Systeme zur Überschlagserkennung betrachten die Wankbewegung und die Beschleunigung in x-, y- und z-Richtung des Fahrzeugs. Dabei bedeutet x die Fahrzeuglängs-, y die Fahrzeugquer- und z die Fahrzeugvertikalrichtung. Auf dieser Basis ist eine sichere Erkennung eines Fahrzeugüberschlags möglich. Die Entscheidung kann jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt des Überschlags sicher getroffen werden, der typischerweise bei einem Wankwinkel von 20 bis 40° liegt. Bei bestimmten Fällen von Fahrzeugüberschlägen, beispielsweise den so genannten Soil-Trips, ist dies aber zu spät, um den Insassen hinreichend zu schützen, da durch eine hohe laterale Beschleunigung bereits eine Seitwärtsverlagerung erfahren hat, die den Nutzen von z. B. Window-Airbags einschränkt. Eine zweite Generation der Überrollsensierung soll weitere Überrollszenarien unter Berücksichtigung fahrdynamischer Größen umfassen. Aus
EP 1 258 399 B1 ist es bekannt, einen Überschlag in Abhängigkeit von Signalen eines Drehratensensors und zwei Beschleunigungssensoren, die im zentralen Airbagsteuergerät integriert sind, zu erkennen. Der Drehratensensor ermittelt nach dem Kreiselprinzip die Rotationsgeschwindigkeit um die Fahrzeuglängsachse. Die Beschleunigungssensoren messen zusätzlich die Fahrzeugbeschleunigung in Quer- und Hochrichtung. Im Hauptalgorithmus wird die Drehrate ausgewertet. Mit den Messwerten der Beschleunigungssensoren lässt sich zum einen die Art des Überschlags erkennen, zum anderen dienen diese Werte der Plausibilitätsprüfung. Erkennt der Drehratenalgorithmus einen Überschlag, werden die Sicherheitsvorrichtungen nur bei gleichzeitiger Freigabe durch die Plausibilitätskontrolle aktiviert.
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Aus
EP 1 436 172 B1 ist ein Verfahren bekannt, das eine rechtzeitige Auslöseentscheidung bei Überschlägen mit hoher lateraler Beschleunigung ermöglicht, indem es den Schwimmwinkel und die laterale Geschwindigkeit des Fahrzeugs mit einbezieht. Aus
DE 103 03 149 A1 ist ein Verfahren bekannt, das zur erweiterten Überrollerkennung dient. Aus den Größen der Gierrate und der Fahrzeuggeschwindigkeit in longitudinaler Richtung unter Berücksichtigung der lateralen Beschleunigung, wird eine Schätzung für die laterale Geschwindigkeit durchgeführt, die beim seitlichen Abdriften in den Grünstreifen ein Maß für die Überrollwahrscheinlichkeit des Fahrzeugs darstellt.
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Obwohl mit Hilfe der Quergeschwindigkeit und dem Schwimmwinkel eine verbesserte Auslösung bei Soil-Trips erreicht werden kann, sind doch durch die in den oben genannten Schutzrechten bekannten Verfahren Grenzen bei der unteren Winkelschwelle von ca. 10° Wankwinkel für eine sichere Auslösung gesetzt. Es ist jedoch ein Ziel auch unterhalb von 10° Wankwinkel eine sichere Auslösung zu garantieren und Fehlauslösungen stabil zu unterdrücken.
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Offenbarung der Erfindung
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Überschlagserkennung eines Fahrzeugs bzw. die erfindungsgemäße Vorrichtung zur Überschlagserkennung eines Fahrzeugs mit den Merkmalen der unabhängigen Patentannsprüche haben demgegenüber den Vorteil, dass durch die Betrachtung der aktuellen Rollleistung eine frühere Erkennung eines Überschlags möglich ist. Dabei wird eine laterale kinetische Momentanleistung in Fahrzeugquerrichtung, eine potentielle Energie und eine Rollenergie bestimmt, wobei die kinetische Momentanleistung derart berücksichtigt wird, dass ein Übergang der kinetischen Leistung in Rollenergie bestimmt wird.
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Je höher die Rollenergie und potentielle Energie eines Fahrzeugs sind, desto geringer ist das notwendige zusätzliche Drehmoment, um das Fahrzeug zum Überschlag zu bringen. Dieses Drehmoment zeigt sich zum einen durch Abnahme der kinetischen Energie und der Zunahme von Rollenergie und potentieller Energie und kann auch durch eine an den Reifen angreifende bremsende Kraft, z. B. durch das Eingraben der Räder in den Boden, beschrieben werden, die in Form einer lateralen Beschleunigung im Sensor des Steuergeräts messbar ist.
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Die laterale kinetische Momentanleistung des Quergeschwindigkeitsabbaus ergibt sich durch zeitliche Ableitung der Energie zu: Pkin(t) = d / dtEkin(t)
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Die momentane laterale kinetische Energie des Fahrzeugs ergibt sich mit der Quergschwindigkeit vy zu Ekin = 0,5mvy2. Die Ableitung ergibt sich unter Beachtung der Kettenregel zu: Pkin(t) = d / dtEkin(t) = d / dt( 1 / 2mv 2 / y(t)) = m·vy(t)·ay(t)
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Je größer die aktuelle Rollleistung während eines Überschlagvorgangs und je größer die Rollenergie unter bereits aufgebautem Rollwinkel sind, desto niedriger muss die angreifende laterale Verzögerung ay sein, um ein Fahrzeug zum Überschlag zu bringen. Insbesondere die Leistung zu Beginn eines Überschlagsvorgangs ist maßgeblich für den weiteren Verlauf. Eine Kennlinie in Abhängigkeit von der Rollleistung kann daher einen Auf- oder Abschlag auf den Basisbeschleunigungswert ay(vy) ergeben. Die Kennlinie kann in y-Richtung aufgrund der aktuellen Rollenergie und des Wankwinkels verschoben werden: ay,schwelle = ay(vy) + ay,addon = ay(vy) + f(Pkin(t), Epot(t), Eroll(t)) f(Pkin(t), Epot(t), Eroll(t)) = g(Pkin(t)) + c1·Epot(t) + c2·Eroll(t)
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Die Konstanten c1 und c2 sind dann entsprechend zu wählen, um die potentiellen und rotatorischen Energieanteile gegenüber der Kennlinie entsprechend zu gewichten und daher werden diese Konstanten durch Applikation festgelegt. Sie sind also fahrzeugspezifisch.
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Die wenigstens eine Schnittstelle kann hardware- und/oder softwaremäßig ausgebildet sein. Die Sensorik kann innerhalb und/oder außerhalb des Steuergeräts angeordnet sein. Die Auswerteschaltung ist üblicherweise ein Mikrocontroller.
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Durch die in den abhängigen Ansprüchen aufgeführten Maßnahmen und Weiterbildungen sind vorteilhafte Verbesserungen des im unabhängigen Patentanspruch angegebenen Verfahrens zur Überschlagserkennung eines Fahrzeugs bzw. der in den unabhängigen Patentansprüchen angegebenen Vorrichtung zur Überschlagserkennung eines Fahrzeugs möglich.
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Besonders vorteilhaft ist, dass die Empfindlichkeit in Abhängigkeit von der Überschlagserkennung eingestellt wird. Dabei bedeutet Empfindlichkeit, wie sensibel ein Verfahren auf Sensorwerte reagiert. D. h. eine Empfindlichkeit kann beispielsweise durch ein Absenken von Schwellwerten erhöht werden. Aber auch ein Zuschlag auf das Signal kann die Empfindlichkeit erhöhen.
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Es ist weiterhin von Vorteil, dass die Überschlagserkennung zur Plausibilisierung verwendet wird, um beispielsweise ein weiteres Verfahren zur Überschlagserkennung zu plausibilisieren.
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Ausführungsbeispiele der Erfindung sind in der Zeichnung dargestellt und werden in der nachfolgenden Beschreibung näher erläutert.
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Es zeigen
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1 ein Blockschaltbild der erfindungsgemäßen Vorrichtung und
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2 ein Flussdiagramm.
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Aus 1 ist die erfindungsgemäße Vorrichtung als Steuergerät SG zu ersehen. Das Steuergerät SG ist vorliegend ein Steuergerät zur Ansteuerung von Personenschutzmitteln, wie es üblicherweise ein Airbagsteuergerät ist. Dabei weist das Steuergerät SG als zentrales Element einen Mikrocontroller μC auf, der die Sensorsignale verarbeitet und in Abhängigkeit von diesen Sensorsignalen ein Ansteuersignal für eine Ansteuerschaltung FLIC erzeugt, wobei die Ansteuerschaltung FLIC dann in Abhängigkeit von dem Ansteuersignal Personenschutzmittel PS ansteuert. Die Sensorsignale erhält der Mikrocontroller μC von im Steuergerät befindlichen Sensoriken BS und DS. Dabei handelt es sich bei BS um eine Beschleunigungssensorik und DS eine Drehratensensorik. Diese steuergerätinternen Sensoriken werden über Softwareschnittstellen im Mikrocontroller μC angebunden. Es ist jedoch möglich, dass zusätzlich, bzw. anstatt weitere Sensorsignale von außerhalb des Steuergeräts befindlichen Sensoriken bereitgestellt werden. Dazu zählt beispielsweise ein Sensorcluster SC, der translatorische und rotatorische Größen liefern kann. Der Sensorcluster SC ist über eine Schnittstelle IF2 an das Steuergerät SG angebunden, wobei die Schnittstelle IF2 über einen internen Bus, vorliegend einen SPI-Bus die Sensorsignale an den Mikrocontroller μC überträgt. Über eine weitere Schnittstelle IF1 sind Signale von einer Fahrdynamikregelung ESP für den Mikrocontroller μC bereitgestellt worden. Dazu zählen beispielsweise die Geschwindigkeiten des Fahrzeugs in verschiedenen Richtungen und eine Gesamtgeschwindigkeit. Die Schnittstelle IF1 ist dafür vorliegend ein CAN-Controller, den auch das Steuergerät für Fahrdynamikregelung ESP aufweist. Andere Verbindungen, wie Punkt-zu-Punkt-Verbindungen oder andere Busverbindungen sind jeweils möglich.
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Mittel für einen Speicher S wertet der Mikrocontroller μC die Sensorsignale aus. Dazu lädt der Mikrocontroller μC aus dem Speicher S die entsprechenden Algorithmen.
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2 erläutert in einem Flussdiagramm den Ablauf des erfindungsgemäßen Verfahrens, den demnach die erfindungsgemäße Vorrichtung durchführt. In Verfahrensschritt 200 werden die Signale von der Sensorik, das ist die steuergeräteinterne, bzw. externe Sensorik, wie oben angegeben, bereitgestellt. In Verfahrensschritt 201 wird anhand dieser Signale bestimmt, ob eine kritische Fahrsituation vorliegt. Diese Abfrage ist vorliegend eine Option und kann beim erfindungsgemäßen Verfahren weggelassen werden. Wurde vorliegend jedoch keine kritische Situation festgestellt, dann werden die Signale weiter untersucht. Kommt es jedoch zu einer Feststellung einer kritischen Fahrsituation, dann wird in den Blöcken 202 und 204 die Schwelle bzw. das Kriterium bestimmt. Dazu wird in Verfahrensschritt 202 erfindungsgemäß die kinetische Leistung in Fahrzeugquerrichtung, die potentielle Energie und eine Rollenergie bestimmt. Die kinetische Leistung derart berücksichtigt, dass ein Übergang der kinetischen Leistung in Rollenergie bestimmt wird. In Verfahrensschritt 204 wird ein Schwellwert anhand eines Basiskriteriums, also beispielsweise aus dem Stand der Technik oder aus einem Speicher bekannt, festgelegt und in Verfahrensschritt 203 werden dann diese beiden Komponenten zusammengezählt, um die Schwelle zu bilden.
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In Verfahrensschritt 205 erfolgt dann der Vergleich der Sensorsignale mit dieser so zusammengesetzten Schwelle. Kommt es zu einem Überschreiten der Schwelle, dann wird in Verfahrensschritt 206 eine Auslöseflagge gesetzt, so dass eine Auslösung der Personenschutzmittel erfolgen kann. Wurde die Schwelle in Verfahrensschritt 205 jedoch nicht überschritten, dann endet das Verfahren in Verfahrensschritt 207.
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Die momentane laterale kinetische Leistung und die weiteren Energieterme werden wie oben angegeben bestimmt. Dabei ist zu beachten, dass die kinetische Energie sowohl in Fahrzeuglängs- und querrichtung bestimmt wird nach der bekannten Formel 1 / 2·mv2. Die Rollenergie wird bestimmt aus der Drehrate um die Fahrzeuglängsachse, also der Wankrate und der Drehrate um die Fahrzeughochachse, also der Gierrate. Die potentielle Energie wird aus dem Drehwinkel bestimmt, der in einfacher Art und Weise, und zwar über Integration aus der Drehrate, bestimmbar ist. Die kinetische Leistung wird derart berücksichtigt, dass ein Übergang der kinetischen Leistung in Rollenergie bestimmt wird.