Handbuch Diagnostische Radiologie Gastrointestinales System PDF
Handbuch Diagnostische Radiologie Gastrointestinales System PDF
Handbuch Diagnostische Radiologie Gastrointestinales System PDF
Herausgeber:
Jürgen Freyschmidt, Bremen
St. Feuerbach (Hrsg.)
Handbuch
diagnostische Radiologie
Gastrointestinales
System
123
Professor Dr. med. Stefan Feuerbach ISBN 978-3-540-41418-6
Universitätsklinikum Regensburg Springer Berlin Heidelberg New York
Institut für Röntgendiagnostik
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Franz-Joseph-Strauß-Allee 11 Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
93042 Regensburg Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar
springer.de
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007
21/3180 YL – 5 4 3 2 1 0
Gedruckt auf säurefreiem Papier
Vorwort
Ein Handbuch ist der Definition nach ein zusam- Untersuchungsstrategien erfordern (z. B. mit Hilfe
menfassendes, in der Regel mehrbändiges Werk über der Projektionsradiographie, CT, MRT, Ultraschall,
eine Wissenschaft oder ein spezielles wissenschaft- ggf. Szintigraphie).
liches Gebiet. Kann ein solches Werk noch Bestand In den jeweiligen Hauptkapiteln findet sich zu-
haben in einer Zeit, in der sich wissenschaftliche nächst eine Darstellung der Normalanatomie und
Erkenntnisse mit nahezu unvorstellbarer Geschwin- ihrer wesentlichen Varianten – bezogen auf die ein-
digkeit entwickeln und wandeln? zelnen Darstellungsmodalitäten; dann folgt ein Ka-
Die Herausgeber und Autoren dieses Handbuchs pitel über die systematische Bildanalyse. Die Kapitel
bejahen diese Frage; sie halten es geradezu für not- über die einzelnen Krankheitsentitäten (Fehlbildun-
wendig, eine fundierte Standortbestimmung über gen, traumatische und entzündliche Veränderungen,
die diagnostische Radiologie in einem Rahmen ab- Tumoren und sonstige Störungen) sind einheitlich
zugeben, der für die praktischen Belange dieses – nach folgenden Themen aufgebaut:
neben der klinischen Pathologie – wichtigsten
diagnostischen Schlüsselfachs prinzipiell einen – pathologisch-anatomische Grundlagen
Wertbestand von etwa 8–10 Jahren besitzen soll. (zum Verständnis der radiologischen Befunde),
Dieser Zeitraum bezieht sich selbstverständlich nur – klinische Symptomatik,
auf die einzelnen Bände, deren jeweiliges Erscheinen – charakteristische radiologische Symptome
sich zwar durch die verschiedensten Umstände seit und ihre Differentialdiagnose.
dem Start des Gesamtprojektes verzögert hat, die – Jedes Kapitel schließt mit Empfehlungen zur
sich aber zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung jeweils Untersuchungsstrategie und zusammenfassenden
auf dem aktuellen Erkenntnisstand befanden bzw. Merksätzen.
befinden. Bei der Erstellung der einzelnen organbe-
zogenen Bände wurde bedacht, dass sich im oben an- Der rote Faden, der sich durch das gesamte Werk
gegebenen Zeitraum zwar untersuchungstechnische zieht, ist die synoptische Betrachtungsweise von klini-
Modalitäten, wie z. B. Sequenzen in der MRT, durch- schen und mit Hilfe der Radiologie erkennbaren pa-
aus ändern werden, dass aber das Prinzip der Dar- thologisch-anatomischen und funktionellen Verän-
stellungsmöglichkeiten von krankhaften Verände- derungen. Eine dem Patienten nützliche Diagnostik
rungen bestimmter Organe oder Organsysteme weit- kann im Übrigen nur aus der Fusion von technischer
gehend unverändert bleibt; denn die den Krankhei- Entwicklung und einem angepassten medizinischen
ten zugrunde liegenden pathologischanatomischen Wissen um das Wesen und die Vielfalt von Krankhei-
Veränderungen selbst ändern sich ja kaum! ten gelingen.
Die rasche Entwicklung und den Wandel von ätio- Frau Dr. U. Heilmann vom Springer-Verlag danken
logischen, pathogenetischen und therapeutischen wir für die Anregung zu diesem Handbuchprojekt.
Erkenntnissen kann und muss man in wissen- Ein ganz besonderer Dank gilt Frau D. Mennecke-
schaftlichen Zeitschriften und ggf. aktuellen Mono- Bühler, ohne deren gekonntes Management dieses
graphien verfolgen; doch wird man das Neue nur neunbändige Werk sicherlich nicht zum Abschluss
dann verstehen und nutzen können, wenn man durch gekommen wäre.
einen soliden Wissensfundus darauf vorbereitet ist.
Dazu soll dieses Handbuch mit seinem besonderen Im Frühjahr 2007
Konzept der Wissensvermittlung beitragen. Es orien-
tiert sich an Organen oder Organsystemen mit ihren Für die Herausgeber und Autoren
Erkrankungen, die jeweils bestimmte radiologische J. Freyschmidt, Bremen
Vorwort
Für die Diagnostik der Erkrankungen abdomineller fahren zur Vermeidung einer aufwändigen Stufen-
Organe stehen eine Vielzahl von Untersuchungstech- diagnostik wann der Vorzug zu geben ist. Gleichzei-
niken wie für kaum eine andere anatomische Region tig gilt es zu berücksichtigen, dass keinesfalls alle
zur Verfügung. Endoskopische Verfahren, die gleich- Methoden stets und ubiquitär verfügbar sind und
zeitig eine Biopsie oder therapeutische Maßnahmen eine diagnostische Strategie deshalb auch vom
ermöglichen, haben in den letzten 30 Jahren die klas- „Machbaren“ abhängt.
sischen radiologischen Verfahren wie Röntgenunter- Allen Autoren war es daher ein Anliegen, nicht nur
suchung des Magens im Doppelkontrast, Magen- die modernen diagnostischen Verfahren darzustel-
Darm-Passage oder den Kolonkontrasteinlauf nahe- len, sondern – soweit dies sinnvoll erschien – auch
zu komplett verdrängt. auf die „klassischen“ Verfahren einzugehen. Dies ent-
Um die Dünndarmdiagnostik konkurrieren die spricht zum einen den Gegebenheiten der täglichen
klassische Sellink-Technik, das Magnetresonanz- Praxis, zum anderen aber auch unserem Anspruch,
(MR-) Enteroklysma und zunehmend auch die Kap- dass es sich bei einem Handbuch (auch) um ein
selendoskopie.Andererseits verlieren bewährte endo- Nachschlagewerk handeln soll. Aus diesem Grund
skopische Techniken wie die endoskopische retro- werden auch „Raritäten“ berücksichtigt, die Priorität
grade Cholangiopankreatographie (ERCP) gegenüber wurde aber auf die häufigen und damit wichtigsten
der Magnetresonanzcholangiographie (MRC) und Erkrankungen gelegt.
der Magnetresonanzcholangiopankreatographie in Die ausreichende Berücksichtigung herkömm-
diagnostischer Hinsicht erheblich an Bedeutung. licher, klassischer Techniken und die korrekte Ein-
Die klassische Angiographie erhält in der Dia- schätzung moderner diagnostischer Verfahren im
gnostik von Embolien und Blutungen zunehmend Vergleich zu konkurrierenden Techniken wie der
Konkurrenz durch die CT- und MR-Angiographie, Endoskopie stellte für die Autoren eine Herausforde-
andererseits haben sich die therapeutisch-interven- rung dar, zumal die angewandten Untersuchungs-
tionellen Techniken zur Embolisation erheblich ver- strategien durch die Verfügbarkeit der jeweiligen
bessert. Methode vor Ort entscheidend beeinflusst werden.
Für die Diagnostik der parenchymatösen Organe Die Autoren hoffen, dieser Aufgabe dennoch weitge-
(Leber, Milz und Pankreas) stehen mit Ultraschall, hend gerecht geworden zu sein, und wünschen,
Computertomographie und Magnetresonanztomo- dass dieses Buch durch praxisnahe, pragmatische
graphie gleich drei leistungsfähige Schnittbildver- Empfehlungen und die Gewichtung der Krankheits-
fahren zur Verfügung. Alle diese Techniken sind ei- bilder zur Entscheidungsfindung in der täglichen
nem kontinuierlichen und rasanten technischen Praxis beiträgt.
Fortschritt unterworfen. Sie besitzen Vor-, aber auch
Nachteile, sodass es kaum möglich erscheint, all- Mai 2007
gemeinverbindliche Richtlinien für jedes Organ und Für die Autoren
jede Verdachtsdiagnose zu liefern, welchem Ver- Professor Dr. med. Stefan Feuerbach, Regensburg
Inhalt
Bautz, Werner, Prof. Dr. med. Helmberger, Hermann, Prof. Dr. med.
Radiologisches Institut Zentrum für Radiologie
Universität Erlangen-Nürnberg und Nuklearmedizin Nymphenburg
Maximiliansplatz 1 Klinikum Dritter Orden
91054 Erlangen Menzinger Straße 44
80638 München
Brambs, Hans-Jürgen, Prof. Dr. med.
Klinik für diagnostische und Kammer, Birgit, Dr. med.
interventionelle Radiologie Pädiatrische Radiologie
Universitätsklinikum Ulm Dr. von Haunersches Kinderspital
Steinhövelstraße 9 Ludwig-Maximilians-Universität München
89075 Ulm Lindwurmstraße 4
80337 München
Feuerbach, Stefan, Prof. Dr. med.
Institut für Röntgendiagnostik Persigehl, M., Prof. Dr. med.
Universitätsklinikum Institut für diagnostische Radiologie
Franz-Josef-Strauss-Allee 11 Klinikum Rosenheim
93042 Regensburg Pettenkoferstraße 10
83022 Rosenheim
Fischer, Tanja, Dr. med.
Institut für Klinische Radiologie Pullwitt, Jens
Innenstadt, Klinikum der Universität München Radiologische Klinik
Marchioninistraße 15 Zentralkrankenhaus
81377 München St.-Jürgen-Straße
28205 Bremen
Golder, Werner, Prof. Dr. med.
Association d’Imagerie Médicale Schlottmann, Klaus, Priv.-Doz. Dr. med.
65, rue R. Poincaré Klinik für Innere Medizin I
10000 Troyes, Frankreich Klinikum der Universität Regensburg
Franz-Josef-Strauss-Allee 11
93053 Regensburg
XVI Autorenverzeichnis
1.1 Das Zwerchfell und seine Lücken 1 Das Zwerchfell ist reich an Lymphgefäßen, man
1.2 Die abdominellen Drainagewege und Recessus 5 unterscheidet ein subperitoneales und ein subpleura-
1.3 Radiologische Diagnostik des Abdomens 7 les Netz. Durch den Druckgradienten zwischen Tho-
Literatur 9 rax und Abdomen ist der Lymphstrom in die Brust-
höhle begünstigt. So kann eine subphrenische Ent-
zündung relativ leicht eine sympathische Pleuritis
auslösen.
Zwerchfellhernien kommen beim Erwachsenen
1.1
am häufigsten im Bereich des Hiatus oesophagei vor
Das Zwerchfell und seine Lücken
(Hiatushernien, Abb. 1.2 a, b). Prädisponierend für
die Entwicklung von Hernien sind auch die oben
Das Zwerchfell (Diaphragma) trennt anatomisch den genannten muskelschwachen Stellen im Zwerchfell
Thorax- vom Abdominalraum und unterstützt funk- (Abb. 1.3):
tionell die Atmung und den Blutstrom zum Herzen.
1. dorsal am lumbokostalen Dreieck das Bochdalek-
Es ist eine kuppelartig in den Thoraxraum aufstei-
Dreieck (Bochdalek-Hernie, Abb. 1.4 a–c) und
gende Muskel-Sehnen-Platte, die an den lumbalen
2. die Parasternalhernien: rechts ventral zwischen
Wirbelkörpern, den Rippen und dem Sternum inse-
der Pars sternalis und der Pars costalis des Dia-
riert. Das Zwerchfell besteht beidseits aus 3 Muskel-
phragma die Morgagni-Spalte (Morgagni-Her-
partien (Pars lumbalis, Pars costalis und Pars sterna-
nie), links die Larrey-Spalte (Larrey-Hernie).
lis), die in der Sehnenplatte des Centrum tendineum
verankert sind (Abb. 1.1). Die sternokostalen und die lumbokostalen Hernien
Die Pars lumbalis entspringt mit 2 lang ausgezoge- sind sehr selten und beim Erwachsenen von geringer
nen Muskelsträngen rechts und links an der Lenden- Bedeutung.
wirbelsäule in Höhe von L2 bis L3. Lateral bilden Traumatische Hernien nach Verletzungen des
beidseits 2 Sehnenbögen die Quadratus- und die Zwerchfells entstehen ein- oder zweizeitig bei 5–10%
Psoasarkade für den Durchtritt der gleichnamigen der Abdominaltraumen. Meist kommt es zu einem
Muskeln. Im Zwerchfell befinden sich Öffnungen Prolaps von Baucheingeweiden in den Thoraxraum
für den Durchtritt der Speiseröhre (Hiatus oeso- (Abb. 1.5 a, b), wobei die linke Seite wesentlich häufi-
phageus), der Aorta (Hiatus aorticus) und der V. cava ger betroffen ist als die rechte (Verhältnis 3:1). Termi-
(Foramen v. cavae) sowie für Nerven und den Ductus nologisch handelt es sich nicht um eine echte Hernie,
thoracicus. Die Pars costalis des Zwerchfells inseriert da der Bruchsack fehlt.
ringsum an der unteren Thoraxapertur alternierend
mit den Ursprungszacken des M. transversus ab- 왔 Als Relaxatio diaphragmatica be-
Definition
dominis. Zwischen der Pars lumbalis und der Pars zeichnet man einen umschriebenen
costalis besteht häufig ein muskelfreies Dreieck, das Kontraktilitätsverlust des Zwerchfells mit konsekuti-
Trigonum lumbocostale (so genanntes Bochdalek- ver Überdehnung und paradoxer Atembeweglichkeit
Dreieck). Die Pars sternalis des Zwerchfells ent- des betroffenen Abschnitts.
springt vom Sternum und ist durch das schmale,
bindegewebige Trigonum sternocostale von der Pars Die Relaxatio diaphragmatica kann angeboren (De-
costalis getrennt. fektbildung) oder erworben (Phrenikusschädigung)
sein.
2 Kapitel 1 Abdomen
a b
Abb. 1.2 a, b. Große Hiatushernie. Gesamter Magen intrathorakal. Man erkennt im Retrokardialraum 2 Gas-Flüssigkeits-Spiegel
Recessus:
Diaphragma Rec. subphrenicus
Vv. hepaticae
Rec. sup.
Cardia
V. cava inferior Bursa omentalis
Nebenniere
Rec. splenicus
Lig. hepatoduodenale
Niere
Pancreas
Rec. duodenalis sup.
Radix mesenterii
Recc. iliocaecales
sup. et inf.
Rec. intersigmoideus
Rec. retrocaecalis
Rectum
Wichtige Recessus
∑ Morrisons Pouch (Recessus subphrenicus dexter inferior bzw.
왔 Als parakolische Rinne bezeichnet Recessus hepatorenalis): Spalt zwischen der Rückseite des
Definition Lig. triangulare dextrum, der Leberrückseite rechts und dem
man rechts die Mulde zwischen late-
raler Bauchwand und dem Colon ascendens und Peritoneum parietale im dorsalen Teil der rechten Zwerch-
Zökum, links zwischen lateraler Bauchwand und fellkuppel. Er führt nach links in Richtung Foramen epiploi-
dem Colon descendens. cum.
∑ Recessus subphrenicus sinister inferior (Recessus hepatogas-
tricus):Spalt zwischen der Rückseite des Lig.triangulare sinis-
Die linke parakolische Rinne ist eine direkte Verbin- trum, der Facies diaphragmatica, des linken Leberlappens,
dung zwischen dem Becken und dem linken sub- dem Lig. splenorenale und dem Magenfundus.
phrenischen Raum (Recessus subphrenicus sinister), ∑ Recessus duodenalis superior: zwischen der kranialen Kontur
wobei aber die Flüssigkeitsbewegung kranial durch der Flexura duodenojejunalis und hinter der von der
das Lig. phrenicocolicum behindert wird. V. mesenterica inferior aufgeworfenen Peritonealfalte. Mög-
Flüssigkeit in der rechten parakolischen Rinne licher Bruchsack für obere Dünndarmschlingen. Diese so
wird nach kranial in den rechten subphrenischen genannte Treitz-Hernie ist mit 53% die häufigste innere
Raum drainiert. Ursache hierfür ist der kaudokranial Hernie (Hansmann u. Morton 1939).
abfallende intraabdominale Druck in Verbindung ∑ Recessus duodenalis inferior: hinter der inkonstant vorhan-
mit der Zwerchfellbewegung. Erst bei massiver Kon- denen duodenomesokolischen Plica duodenalis inferior,
tamination, z. B. nach Ulkusperforation, kann es auch von links der Flexura duodenojejunalis nach kaudal und
zu einer kraniokaudalen Flüssigkeitsbewegung in rechts.
∑ Recessus paracolici: unregelmäßig lateral von Colon ascen-
den Douglas-Raum kommen. Die rechte parakolische
dens und descendens.
Rinne stellt die wichtigste Verbindung zwischen
1.3 Radiologische Diagnostik des Abdomens 7
Für die radiologische Diagnostik abdomineller Er- Auf den Röntgenaufnahmen werden Organe und
krankungen wird nahezu das gesamte Spektrum der Weichteilstrukturen nur bei ausreichender Fettum-
bildgebenden Verfahren eingesetzt, wobei die Schnitt- mantelung (großer Kontrast) und günstigem Strah-
bilddiagnostik eine überragende Bedeutung erlangt lengang (möglichst tangential) abgrenzbar. Fast im-
hat. Hinsichtlich der Indikationen zu den jeweiligen mer erkennt man das Fett in den Flanken (so genann-
Verfahren, der Untersuchungstechniken und der ter Flankenschatten), die Spitze des rechten Leber-
radiologischen Normalanatomie wird auf die spe- lappens, die Psoasaußenkontur, gefüllte Harnblase,
ziellen Kapitel dieses Buches verwiesen. Nieren, den Uterus und den Milzunterpol. Gas findet
An dieser Stelle sollen die Röntgenaufnahmen des sich regelmäßig im Magen, manchmal in geringen
Abdomens (so genannte Abdomenübersichtsaufnah- Mengen auch im Duodenum (Bulbus duodeni) und
men oder Abdomenleeraufnahmen) näher beschrie- nahezu immer im Kolon und Rektum.
ben werden. Bei älteren Menschen finden sich häufig Arterien-
Auf der normalen Röntgenaufnahme des Abdo- wandverkalkungen, besonders im Bereich der Aorta
mens erkennt man, am besten auf der Aufnahme in und ihrer Beckenaufzweigung und der A. lienalis
Rückenlage (Abb. 1.8), neben dem Skelett die Weich- (s. auch Kap. 2, Tabelle 2.4).
teilschatten der parenchymatösen Organe, evtl. Ver- Die Röntgenaufnahmen des Abdomens können
kalkungen und die Gasverteilung im Gastrointesti- evtl. in Zusammenschau mit den Röntgenaufnahmen
naltrakt. Die Röntgenaufnahmen des Abdomens im des Thorax Hinweise auf jene Normvarianten ge-
horizontalen Strahlengang (in Linksseitenlage oder ben, die differenzialdiagnostisch besonders bei der
im Stehen) dienen vor allem dem Nachweis von Gas- Abklärung des akuten Abdomens von Bedeutung
Flüssigkeits-Spiegel bei einem Ileus oder ein Pneu- sein können, wie Chilaiditi-Syndrom und Situs inve-
moperitoneum („freie Luft“) bei gastrointestinalen rus.
Perforationen.
8 Kapitel 1 Abdomen
Abb. 1.9. Chilaiditi-Syndrom. Interposition der rechten Ko- Häufiger als ein Situs inversus totalis ist der Situs
lonflexur zwischen Zwerchell und Leber. Zustand nach Aorten- inversus partialis.
klappenersatz
왔 Bei einem Situs inversus partialis sind
Definition
nur die Thoraxorgane (Dextrokardie)
oder die Abdominalorgane fehlpositioniert.
2.2 2.3
Differenzialdiagnose Anamese, Symptome und klinische Untersuchung
Folgende Erkrankungen sind häufige Ursachen für Die korrekte Interpretation der Anamnese und der
ein akutes Abdomen (Enke u. Sachs 1993): klinischen Symptomatik ist für die Wahl der weiter-
führenden Diagnostik und die korrekte Einordnung
∑ lokale Peritonitis infolge einer übergreifenden
der dabei erhobenen radiologischen Befunde von
Organentzündung (z. B. akute Appendizitis, akute
großer Wichtigkeit. Im Folgenden soll auf die wich-
Cholezystitis),
tigsten Aspekte eingegangen werden.
∑ generalisierte Peritonitis (z. B. infolge Perforation
eines Hohlorgans),
∑ Ileus (z. B. Darmverschluss infolge tumoröser
2.3.1
oder entzündlicher Stenosen, Briden oder einer
Anamnese
inkarzerierten Hernie),
∑ intestinale Ischämie (z. B. infolge eines Mesente-
Obligat sind Fragen, ob die Beschwerden erstmalig
rialgefäßverschlusses oder einer Torsion bzw.
oder rezidivierend sind sowie Fragen nach voraus-
Inkarzeration eines intraabdominell gelegenen
gegangenen Abdominalerkrankungen, Operationen,
Organs),
Thoraxerkrankungen, gynäkologischen Erkran-
∑ intraabdominelle Blutung (z. B. extrauterine Gra-
kungen und Stoffwechselstörungen. Wichtig sind
vidität, Perforation eines Aortenaneurysmas,
auch die Medikamenten- und Drogenanamnese (Ka-
stumpfes Bauchtrauma).
minski et al. 1994; Papi et al. 1999; Scott-Conner u.
Diese Erkrankungen bedürfen in der Regel einer so- Fabrega 1996).
fortigen chirurgischen Therapie.
Die Verdachtsdiagnose eines akuten Abdomens
bestätigt sich bei älteren Patienten wesentlich häufi-
CAVE !
Medikamente und Drogen können
einerseits Ursache für akute Abdomi-
ger als bei unter 50-jährigen (Ohmann et al. 1992). nalschmerzen sein, andererseits aber auch deren
Dies spiegelt sich auch in der Häufigkeitsverteilung Symptome maskieren (z. B. Analgetika, Spasmo-
der zugrunde liegenden Erkrankungen wieder. Bei lytika).
jüngeren Patienten steht die akute Appendizitis mit
mehr als 50% an der Häufigkeitsspitze (de Dombal
1994), während im höheren Alter die akute Chole- 2.3.2
zystitis die häufigste Ursache ist, auch nehmen vas- Leitsymptome
kuläre und maligne Prozesse zu.
Differenzialdiagnostisch muss beachtet werden, Der Schmerz ist das Kardinalsymptom des akuten
dass auch extraabdominelle Erkrankungen wie Abdomens. Differenzialdiagnostisch wegweisend sind
Myokardinfarkt, Pleuritis, Ösopagusperforation,
∑ der Zeitpunkt des Schmerzbeginns (z. B. post-
retroperitoneale Prozesse, urologische Erkran-
prandial),
kungen, Stoffwechselerkrankungen und Intoxika-
∑ die Art des Schmerzbeginns (z. B. schlagartig),
tionen akute Abdominalschmerzen verursachen
∑ der Schmerzverlauf (Tabelle 2.1),
können.
∑ die Schmerzlokalisation (umschrieben, diffus,
wechselnd) und
∑ die Schmerzausstrahlung (z. B. Schulter, Rücken).
Tabelle 2.1. Akutes Abdomen: typische Schmerzverläufe. (Mod. nach Dirks u. Nothwang 2000; Encke u. Sachs 1993)
Schmerztyp Ursache
Auch der Einfluss von Wärme oder Kälte auf die Regel eindeutig. Bewegungen der Bauchdecke ver-
Schmerzsymptomatik kann differenzialdiagnostisch stärken den Schmerz, weshalb der Patient eine Schon-
helfen: Bei entzündlichen Abdominalerkrankungen haltung einnimmt. Druckschmerz und Loslass-
wird die Applikation von Wärme meist als unange- schmerz sind somatische Schmerzen, ausgelöst
nehm empfunden, während Kälte die Schmerzen durch eine Irritation des Peritoneum parietale.
lindert.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Schmerz-
bzw. Krankheitsempfinden individuell sehr unter-
Merke ! Typisch für ein akutes Abdomen ist
die Abwehrspannung bis hin zur brett-
schiedlich ist. Besonders alte Menschen klagen häu- harten Bauchdecke, einer reflektorischen Anspan-
fig über nur geringe Beschwerden auch bei schweren nung der Bauchmuskeln.
abdominellen Erkrankungen (Marco et al. 1998).
Man muss auch bedenken, dass lebensbedrohliche Sie kann lokalisiert oder generalisiert sein und wird
Erkrankungen, wie z. B. gastrointestinale Blutungen, durch eine Entzündung des Peritoneum parietale
schmerzfrei verlaufen und erst mit einer Schock- ausgelöst, meist als Komplikation einer zunächst auf
symptomatik auffallen können. ein viszerales Organ beschränkten Erkrankung (z. B.
Appendizitis, Perforation eines Hohlorgans). Früh-
Merke ! Bei der Anamnese und der klinischen
Untersuchung muss versucht werden,
zeichen sind Druck-, Klopf- und Loslassschmerz und
Bauchdeckenspannung. Als Zeichen der Entzündung
zwischen dem viszeralen und dem somatischen kommen Fieber, Tachykardie und im Blutbild eine
Schmerz zu differenzieren. Leukozytose hinzu. Im fortgeschrittenen Stadium
der diffusen Peritonitis werden die Zeichen des
Die beiden Schmerzkomponenten werden hervorge- Schocks beobachtet. Gerade um diese lebensbedroh-
rufen durch die zweifache sensible Versorgung der liche Spätphase der Peritonitis zu vermeiden, stellt
Abdominalorgane, zum einen durch viszerosensible eine unwillkürliche Bauchdeckenspannung in aller
Fasern in sympathischen Nerven und zum anderen Regel eine sofortige Operationsindikation dar.
durch segmental verlaufende Spinalnerven. Die Analyse des Schmerzes im Verlauf kann auch
Viszerale Schmerzen entstehen durch Reizung Aufschluss über das Fortschreiten des Krankheits-
viszeraler Afferenzen im autonomen Nervensystem prozesses geben: Der viszerale Schmerz weist auf ein
(Nn. splanchnici). Ausgelöst wird der viszerale Frühstadium der Krankheit hin und der Übergang
Schmerz durch eine Druckerhöhung in Hohlorganen zum somatischen Schmerz auf das Fortschreiten
(Dehnung) oder durch Ischämien. Der Schmerz- eines entzündlichen oder vaskulären Prozesses.
charakter wird als dumpf, brennend oder bohrend So manifestiert sich eine akute Appendizitis häu-
und bei muskulären Hohlorganen (z. B. Darm, Gal- fig zunächst mit dumpfen Schmerzen periumbilikal
lenblase) oft auch kolikartig beschrieben, ohne ge- oder im Epigastrium sowie durch Übelkeit und Er-
naue Angabe der Lokalisation. Der Patient windet brechen, später lokalisiert sich der Schmerz im
sich, um mit Lageänderungen eine Schmerzerleichte- rechten Unterbauch (McBurney-Punkt) als Ausdruck
rung zu erzielen. Aufgrund der Konvergenz viszera- einer lokalen Peritonitis mit Abwehrspannung.
ler und kutaner afferenter Nervenfasern auf die- Wechselt dann der Schmerzcharakter hin zu diffu-
selben Hinterhornneurone des Rückenmarks können sen, nicht mehr lokalisierbaren Schmerzen, weist dies
viszerale Schmerzen auch auf abhängige Hautareale auf eine diffuse Peritonitis nach Organruptur hin.
projiziert werden (so genannte Head-Hautzonen, Das akute Abdomen bei Kindern unterscheidet
z. B. Schulterschmerz rechts bei Cholezystitis, dorsale sich von dem der Erwachsenen deutlich, dies betrifft
gürtelförmige Schmerzen in Hüfthöhe bei Pankreas- sowohl die Schmerzsymptomatik – Kinder projizie-
erkrankungen). Typisch ist die Kombination von ren ihre Beschwerden, egal welchen Ursprungs, häu-
viszeralen Bauchschmerzen mit vegetativen Begleit- fig auf den Nabel – als auch die Differenzialdiagnose.
symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie
und kaltschweißige blasse Haut (Facies abdomi-
nalis). 2.3.3
Somatische Schmerzen werden durch mechani- Klinische Untersuchung
sche Traumen, Entzündungen und chemische Rei-
zung in den Nozizeptoren des Peritoneum parietale, Die Inspektion des Patienten gilt seinem Allgemein-
im Mesenterium, im Retroperitoneum und auch in zustand, Gesichtsausdruck (Facies abdominalis),
den Bauchwandschichten ausgelöst. Der Schmerz- der Atmung, Körperhaltung (Schonhaltung, Bewe-
charakter der somatischen Schmerzen ist schnei- gungsunruhe), Veränderungen der Bauchhaut wie
dend, stechend oder brennend. Wegen der einseiti- Laparotomienarben, aufgetriebenes Abdomen, Caput
gen Innervierung ist die Schmerzlokalisierung in der medusae usw.
14 Kapitel 2 Akutes Abdomen
2.4.2
Durchleuchtungsuntersuchungen
2.4.3
b Sonographie
Abb. 2.1 a, b. Schussverletzung (Röntgenthorax und Abdomen- Die abdominelle Sonographie gehört zur Primär-
übersicht im Liegen). Einschussstelle im linken Unterbauch. diagnostik des akuten Abdomens. Vorteile der Me-
Das Projektil liegt links thorakal. Hämatothorax thode sind die breite Verfügbarkeit, kurze Untersu-
chungszeiten und fehlende Strahlenbelastung. Nach-
teile sind u. a. ausgeprägte Untersucherabhängigkeit
der Ergebnisse einschließlich der Probleme bei der
Befunddokumentation und eine eingeschränkte Be-
urteilbarkeit des Abdomens bei Adipositas und bei
Darmgasüberlagerungen, womit bei einem Drittel
der Patienten mit einem akuten Abdomen gerechnet
werden muss. Wichtige sonographische Befunde
beim akuten Abdomen sind in Tabelle 2.2 zusam-
mengestellt.
16 Kapitel 2 Akutes Abdomen
Tabelle 2.2. Akutes Abdomen: sonographische Befunde. Tabelle 2.3. CT beim Akuten Abdomen: Untersuchungspara-
(Nach Encke u. Sachs 1993) meter (64-Schicht-MSCT)
Merke !
Von Darmgas und Adipositas weit-
gehend unbeeinträchtigt ist die MSCT
2.4.5
Diagnostische Empfehlungen
allen anderen radiologischen Verfahren in der Abklä-
rung des akuten Abdomens überlegen. Bei der Diagnosefindung sind für den Radiologen
neben der Bildinterpretation die korrekte Beurtei-
In den meisten Fällen gibt sie wertvolle Hinweise auf lung der Anamnese und der klinischen Befunde von
den zugrunde liegenden Prozess (Marincek 2002; hoher Bedeutung. Der Radiologe muss diese In-
Rosen et al. 2000; Siewert et al. 1997). formationen einordnen können und auf der Basis
In Tabelle 2.3 sind typische Untersuchungspara- der gestellten Verdachtsdiagnose die bestmögliche
meter für die Diagnostik des akuten Abdomens mit Untersuchungstaktik wählen. Damit leistet er einen
einer 64-Schicht-Spiral-CT zusammengestellt. wichtigen Beitrag zur schnellen und möglichst recht-
zeitigen Therapieentscheidung.
CAVE !Von einer Darmkontrastierung mit
positiven Kontrastmittel sollte primär
Die radiologische Primärdiagnostik des akuten
Abdomens besteht oftmals auch heute noch aus den
abgesehen werden, denn das oral oder rektal appli- traditionellen Abdomenübersichtsaufnahmen (Ab-
zierte jodhaltige Kontrastmittel kann eine evtl. beste- domenleeraufnahmen).
hende gastrointestinale Blutung maskieren. Betrachtet man die Häufigkeit der Erkrankungen,
die ein akutes Abdomen auslösen können, fällt auf,
Bei einem Ileus wirkt die Flüssigkeit im Darmlumen dass die akute Appendizitis und die akute Cholezys-
wie negatives Kontrastmittel, und nach intravenöser titis mit zusammen fast 70% ganz im Vordergrund
Kontrastmittelgabe sind die Darmwand und evtl. stehen. In diesen und in vielen anderen Fällen kön-
bestehende Entzündungen und Raumforderungen nen die Abdomenübersichtsaufnahmen nur bedingt
meist sehr gut zu erkennen. Auch muss bedacht wer- weiterhelfen. Sie sind nur beschränkt aussagekräftig
den, dass orales jodhaltiges Kontrastmittel zu Spie- und sollten nur noch dann zum Einsatz kommen,
gelbildungen im Dünndarm führen kann. Allenfalls wenn keine Sonographie und insbesondere keine
bei Verdacht auf eine Perforation im Gastrointesti- moderne CT zur Verfügung steht.
naltrakt kann abschließend jodhaltiges Kontrast- Indikationen zur Sonographie beim akuten Abdo-
mittel oral oder rektal gegeben werden, um den Kon- men sind die Pathologien der Gallenblase und bei
trastmittelaustritt und damit die Perforation lokali- Frauen im gebärfähigen Alter der Beckenorgane. In
sieren zu können. Auf Spasmolytika sollte verzichtet allen anderen Fällen gilt die CT als die Methode der
werden, denn sie können die klinische Symptomatik Wahl. Unabhängig von Adipositas und Darmgas-
maskieren. überlagerungen können mit den modernen MSCT-
2.5 Abdomenübersichtsaufnahmen beim akuten Abdomen 17
Geräten auch diskrete intraabdominale und retro- lus) ausgelöst. Bei der Strangulation geht die Ab-
peritoneale Prozesse und durch sie ausgelöste Kol- schnürung des Darmabschnittes mit einer Durch-
lateralveränderungen schnell diagnostiziert und blutungsstörung der Darmwand einher. Beim me-
übersichtlich dargestellt werden. Der frühzeitige chanischen Ileus werden in Abhängigkeit von der
Einsatz der CT spart wertvolle Zeit bis zur Einleitung Verschlusslokalisation ein hoher (Duodenal- oder
der Therapie. Dünndarmileus) bzw. ein tiefer Ileus (Dickdarm-
ileus) unterschieden. Der Terminus „Subileus“ be-
zeichnet einen unvollständigen Darmverschluss.
2.5 Ein primär paralytischer Ileus entsteht durch ei-
Abdomenübersichtsaufnahmen nen Mesenterialinfarkt. Die häufigere sekundäre
beim akuten Abdomen Form kann reflektorisch (z. B. postoperativ, Bauch-
traumen), zentral (z. B. Schlafmittelvergiftung, Apo-
Die Analyse der Abdomenübersichtsaufnahme ist plex, Schädel-Hirn-Traumen), metabolisch (z. B. Dia-
subtil und sollte immer systematisch erfolgen. Ge- betes mellitus, Hypokaliämie) oder toxisch bedingt
sucht wird nach Pathologien des Skeletts, Konkre- sein. Ein unbehandelter mechanischer Ileus geht in
menten, Verkalkungen und Fremdkörpern, patholo- einen paralytischen Ileus (diffuse Peritonitis) über.
gischen Gasansammlungen intra- und extraintesti- Die führenden Symptome eines Ileus sind kolik-
nal, Spiegelbildungen, Verlagerung von Darmstruk- bis krampfartige Schmerzen, die bei einer Strangula-
turen sowie Auslöschung von Organkonturen. tion plötzlich beginnen können, sowie Erbrechen,
Tabelle 2.4 gibt eine Übersicht wichtiger Befunde auf Stuhl- und Windverhalt und Meteorismus. Beim
Abdomenübersichtsaufnahmen und deren Ätiologie. mechanischen Ileus lässt sich eine gesteigerte Darm-
peristaltik mit hochgestellten Darmgeräuschen
(Durchspritzgeräusche) auskultieren. Demgegen-
2.5.1 über fehlen beim paralytischen Ileus die Darmgeräu-
Pathologische Gasansammlungen und Spiegel sche, man spricht von einer so genannten Toten- oder
Grabesstille. Ein mechanischer Ileus ist eine Opera-
Bei der Diagnostik des akuten Abdomens mit Ab- tionsindikation.
domenübersichtsaufnahmen liegt das Hauptaugen- Auf den Abdomenübersichtsaufnahmen weisen
merk auf der Suche nach pathologischen Gasansamm- Gas-Flüssigkeits-Spiegel auf einen Ileus hin. Diese
lungen einschließlich Gas-Flüssigkeits-Spiegel. Spiegel werden durch die Grenzflächen zwischen Gas
und Flüssigkeit im Darm hervorgerufen und sind nur
Ileus auf den Aufnahmen im horizontalen Strahlengang
(Abdomenübersichtsaufnahmen in Linksseitenlage
왔 Ileus (Darmverschluss) bezeichnet oder im Stehen) sichtbar. Ihre Zahl korreliert nicht
Definition
eine lebensbedrohliche Unterbrechung mit dem Schweregrad der Erkrankung.
der Darmpassage, bedingt durch eine Verengung Mechanischer Ileus: In der Abdomenübersichts-
(Stenose) bzw. Verlegung (Obstruktion) des Darmlu- aufnahme findet man oral der Stenose geblähte
mens (mechanischer Ileus) oder durch eine Darm- Darmschlingen mit unterschiedlich hohen Spiegeln
lähmung (paralytischer oder funktioneller Ileus). (so genannte stehende Darmschlingen), die post-
stenotischen Darmabschnitte können gasfrei sein
Durch die Passagestörung kommt es zu einem (Abb. 2.2). Das Verteilungsmuster der Spiegel kann
Druckanstieg im Darmlumen mit einer Dehnung also Hinweise auf die Verschlusslokalisation geben.
und Tonussteigerung der Darmwandmuskulatur. Anfänglich ist das Faltenrelief der prästenotischen
Reflektorisch wird so die gastrointestinale Sekretion Darmabschnitte noch erhalten. Wenn der mechani-
angeregt und gleichzeitig mit wachsender Dehnung sche Ileus letztlich in einen paralytischen Ileus über-
der Darmwand ihre Fähigkeit zur Rückresorption geht, ist er röntgenologisch nicht von einem primär
von Flüssigkeit und Gas vermindert (s. Abschn. paralytischen Ileus zu differenzieren.
2.4.1). Bei entzündlichen Prozessen (Peritonitis, Paralytischer Ileus: Die Abdomenübersichtsauf-
Gastroenteritis) kann die Flüssigkeitsmenge im nahmen zeigen multiple dilatierte Dünn- und Dick-
Darmlumen zusätzlich durch Transudation und darmschlingen (Abb. 2.3 a, b) mit im Vergleich zum
Exsudation anwachsen und so der Körper mehr als mechanischen Ileus meist kleineren Spiegeln.
10 l Flüssigkeit pro Tag verlieren. Manchmal kann auch ein dilatierter, atonischer
Der mechanische Ileus (Obstruktionsileus) wird Magen nachgewiesen werden.
durch eine Okklusion (z. B. durch Kolonkarzino- Beim mechanischen Ileus kann die Verschluss-
me, Invagination, Gallensteine, Fremdkörper) oder lokalisation durch eine Passage oder einen Einlauf
Strangulation (z. B. Briden, Inkarzerationen, Volvu- mit wasserlöslichem Kontrastmittel (z. B. Gastro-
18 Kapitel 2 Akutes Abdomen
Skelettsystem
Frakturen
Osteolysen, Metastasen, Plasmozytom
Renale, diabetische Osteopathie
Spondylitis, Sakroileitis, Osteomyelitis
Raumfordernde Prozesse
Verlagerung gashaltiger Distanzierung der Darmschlingen (Aszites, Darmwandverdickung, Tumor)
Darmstrukturen Zentralisation der Darmschlingen (Aszites, Pseudomyxoma peritonei)
Lokalisierte Impressionen des Darms von außen (Tumor, Abszess, Gallenblasenhydrops)
Verlagerung einzelner Darmabschnitte (Abszess, Tumor, Pankreatitis)
Auslöschung Kaudaler Leberrand (Aszites, subhepatischer Abszess)
von Organkonturen Psoaskontur (retroperitoneale Blutung oder Abszess Pankreatitis)
Nierenkonturen (Nierenabszess, Tumor, bakterielle Nephritis)
Flankenstreifen (Pathologie des hinteren Pararenalraums)
Beckenwandfett (pelvine Abszesse, infiltrierende Tumoren)
Gastrointestinale Perforation
(Pneumoperitoneum, Pneumoretroperitoneum)
Gastrointestinale Perforationen lösen schwerste in 75–80% der Fälle die Zeichen eines Pneumoperi-
Krankheitsbilder aus, die unmittelbares chirurgi- toneums in der Abdomenübersichtsaufnahme. Ursa-
sches Handeln erfordern. Hinweisendes und oft ein- chen hierfür können gedeckte Perforationen sein –
ziges Zeichen einer gastrointestinalen Perforation ist durch vorangegangene entzündliche Verwachsun-
das Pneumoperitoneum, der Nachweis von extra- gen, das Netz oder ein anderes Organ wird die Per-
luminaler intraabdominaler Luft. Die wichtigsten Ur- forationsstelle abgedichtet. Möglich ist auch, dass der
sachen für ein Pneumoperitoneum sind in Tabelle 2.5 perforierte Magen-Darm-Abschnitt gasleer ist.
zusammengestellt.
Ein Pneumoperitoneum ist aber nicht pathogno-
monisch für eine gastrointestinale Perforation. Ein-
Merke !Zum Nachweis eines Pneumoperi-
toneums mit Abdomenübersichtsauf-
erseits gibt es eine Reihe anderer, häufig iatrogene nahmen muss zusätzlich zur Aufnahme im Liegen
Ursachen für intraabdominale Luft, andererseits fin- immer eine Aufnahme in Linksseitenlage oder im
det sich bei einer gastrointestinalen Perforation nur Stehen angefertigt werden.
20 Kapitel 2 Akutes Abdomen
b b
Abb. 2.4 a, b. Mechanischer Ileus bei Karzinom des Quer- Abb. 2.5 a, b. Sigmavolvulus
kolons. a Auf der Abdomenübersicht in Linksseitenlage zeigt
sich ein stark distendiertes Colon ascendens und transversum
mit Spiegeln; Gas und Spiegel auch im Dünndarm. b In der CT
erkennt man als Ursache für den Ileus einen zirkulär stenosie- Tabelle 2.5. Ursachen für ein Pneumoperitoneum
rend wachsenden Tumor im Querkolon nahe der linken Flexur
(Pfeil). Nebenbefund: Aerobilie Iatrogene Ursachen
∑ Laparotomie
∑ Laparoskopie, Hysteroskopie
∑ Peritonealdialyse
Der Nachweis freier Luft gelingt auf den in Rücken- ∑ Komplikation einer endoskopischen Biopsie
oder Polypektomie
lage angefertigten Aufnahmen in nur 56% der Fälle.
Wird eine Aufnahme im Stehen angefertigt, erhöht Spontane Perforationen
sich die Nachweisrate auf 76%, in Linksseitenlage auf
∑ Peptische Ulzera
∑ Divertikukitiden
fast 90%. In etwa 10% der Patienten mit unauffälli- ∑ Darmischämien
gem Befund im Stehen kann die Aufnahme in Links- ∑ Toxisches Megakolon
seitenlage freie abdominelle Luft nachweisen. ∑ Darmobstruktionen (z. B. Tumor, Volvulus)
Auf den Aufnahmen im Stehen findet sich die freie Perforationen bei penetrierenden
Luft entweder direkt unter den Zwerchfellkuppeln oder stumpfen Bauchtraumen
(Abb. 2.6 a, b), rechts häufiger und stärker ausgeprägt Weitere Ursachen
als links oder auch subhepatisch bzw. im „Morrison- ∑ Pneumatosis intestinalis oder coli
∑ Bei Frauen Lufteinstrom durch das innere Genitale
Pouch“. Auf der Aufnahme in Linksseitenlage sam-
2.5 Abdomenübersichtsaufnahmen beim akuten Abdomen 21
a
Abb. 2.9. Zustand nach Hemihepatektomie rechts. Subphre-
nisch verlagertes und geblähtes Kolon
a b
c d
Abb. 2.11 a–d. Pneumatosis intestinalis bei Dünndarmgan- Gasbläschen unterschiedlicher Größe in der Dünndarmwand
grän. a Auf der Abomenübersichtsaufnahme in Linksseiten- (b, c) sowie Gas intrahepatisch in der Pfortader (d)
lage ist Gas in den Dünndarmwänden erkennbar. Die CT zeigt
3.1
Anatomie
Die Anatomie der oberen Speisewege ist wegen der
engen funktionellen Verknüpfung zwischen Mund-
höhle, Pharynx, Ösophagus und Magen sowie der In-
teraktionen zu den oberen Atemwegen ein komple-
xes System. Nachfolgend sollen die einzelnen Regio-
nen mit ihren anatomischen Besonderheiten aufge-
zeigt werden.
Eine der Folgen des wachsenden klinischen Inter-
esses an der Dysphagie ist die Wiederbelebung der
anatomischen Studien über den Pharynx und den
Ösophagus (Bosma et al. 1986). Eine besondere Be-
deutung nimmt hierbei die Röntgenmorphologie des
oberen Schluckweges ein.
dorsalen Raphe. Diese Muskelzüge bilden die Hinter- gekleidet und erleichtert die Beweglichkeit des Pha-
und Seitenwand des Pharynx. Die ventrale Begren- rynx beim Schluckakt gegenüber den umgebenden
zung wird durch den Larynx gebildet. Strukturen. Dorsal wird der Pharynx durch die
so genannte bukkopharyngeale Faszie umscheidet,
Bindegewebskompartimente welche zusammen mit der Alarfaszie den nur virtuell
als Dehnungs- und Verschieberäume bestehenden Retropharyngealraum bildet. Zwischen
Der Hypopharynx, die Halsregion des Ösophagus, Alarfaszie und prävertebraler Faszie liegt der Präver-
die Trachea und die Glandula thyreoidea bilden ge- tebralraum, welcher zum Mediastinum hin geöffnet
meinsam ein viszerales Kompartiment, dessen vor- ist. Dies ist bei absteigenden pharyngealen Abs-
dere Begrenzung die prätracheale Faszie und dessen zessen, bei Tumorinfiltrationen in die Alarfaszie
hintere Grenze die prävertebrale Faszie ist. Dieses und bei perforierten Divertikeln oder Traumen von
Kompartiment ist mit lockerem Bindegewebe aus- Bedeutung.
30 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Im kaudalen Anteil des Ösophagus besteht eine Engen und Verlagerungen des Ösophagus
physiologische Aufweitung, die Ampulla epidia- Die physiologischen anatomischen Engen des Öso-
phragmatica. Sie kann bis zu 10 cm groß sein. Im Un- phagus finden sich in 3 verschiedenen Höhen. Ferner
terschied zu einer Hiatushernie weist sie die Schleim- bestehen 3 anatomisch bedingte Verlagerungen der
hautfältelung des Ösophagus und nicht das für die Speiseröhre:
hernierte Magenschleimhaut typische „Dreifalten-
zeichen“ auf (vgl. Abb. 3.32 a, b).
32 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Engen
Die 1. Enge besteht im oberen Ösophagussphinkter.
Diese kommt meist erst bei einer Dysfunktion dieses
Sphinkters zur Darstellung.
Eine 2. Enge besteht insbesondere bei astheni-
schen Patienten im mittleren Drittel des Ösophagus.
Hier überkreuzt der linke Hauptbronchus den Öso-
phagus. Die daraus resultierende Enge kann bis zu
8 cm lang sein und weist typischerweise einen schrä-
gen Verlauf auf (Abb. 3.5).
Die 3. Enge der Speiseröhre findet sich im unteren
Ösophagussphinkter.
Eine weitere relative Enggstellung kann durch ei-
nen Ring kranial einer großen Ampulla epidiaphrag-
matica bedingt sein (Abb. 3.6 a, b).
Verlagerungen
Direkt unterhalb des oberen Ösophagussphinkters
besteht die 1. Verlagerung des Ösophagus im Regel-
fall nach links, da hier die Trachea gering parame-
dian rechts verlauft. Verstärkt werden kann diese
Verlagerung durch eine rechtsseitige Struma oder
Strumaknoten.
Im kranialen Drittel des Ösophagus besteht die
2. Verlagerung des Hohlorgans nach rechts mit links-
seitiger rundlicher Impression. Diese ist durch den Abb. 3.5. Impression des Ösophagus durch den kreuzenden
Aortenbogen verursacht. linken Hauptbronchus p.-a.
Die 3. Verlagerung ist durch die Lagebeziehung
zum Herzen, insbesondere dem linken Vorhof gege-
ben. Innervation des Ösophagus
Der Grad der Verlagerung nimmt mit dem Maß Der Ösophagus wird durch Afferenzen aus dem
der Herzvergrößerung und insbesondere der Vorhof- N. vagus innerviert. Die ösophageale Peristaltik
vergrößerung zu. hängt jedoch nicht allein von der vagalen Innerva-
tion ab, sondern erfolgt auch über die Kontrolle in-
tramuraler Nervenplexus.
3.1 Anatomie 33
Abb. 3.11 a–f. Schematische Darstellung des oropharyngealen Schluckaktes (Erklärung im Text)
Abb. 3.12 a–f. Kinematographische Sequenz eines oro-pha- ße Pfeilspitze). Die Larynxelevation erreicht ihre Endstellung,
ryngo-oesophagealen Schluckaktes eines Normalpatienten. wobei das Hyoid der Mandibulaunterkante maximal ange-
a Adduktion des weichen Gaumens gegen den Zungengrund nähert ist (weißer Pfeil). Dadurch Aufweitung des Pharynx-
(schwarzer Pfeil). b Larynxelevation und Rampenform der lumens (kleine schwarze Pfeile). d Fortschreiten der Peristaltik
Zunge bei der Bolusentleerung in den Oropharynx. Abschluss der Pharynxhinterwand (weiße Pfeilspitze). e Die Spitze des
des Nasopharynx durch den weichen Gaumen und den Passa- Bolus passiert den weit offenstehenden oberen Ösophaguss-
vant-Wulst (schwarze Pfeile). c Die Zungenspitze hat den har- phinkter (unterer Bildrand). f Restentleerung des Pharynx
ten Gaumen erreicht (großer schwarzer Pfeil). Beginn der Peri- durch eine kräftige peristaltische Welle (weiße Pfeilspitze)
staltik der Pharynxhinterwand in Höhe des Atlasbogens (wei-
Abb. 3.13. So genannter „Saug-Pump-Mechanismus“ des Pha- noid-Knorpel-Massiv ausgeht, dargestellt. Durch die Anhe-
rynx. Rechts ist der Pharynxschlauch schematisch in Ruhezu- bung des Larynx wird der schematisch angedeutete Aditus
stand und während der Boluspassage (getüpfelt) dargestellt. laryngis in Synergie mit der intrinsischen Larynxmuskulatur
Linke Bildhälfte: Pharynxschlauch und anatomische Leitstruk- geschlossen. Durch die Aufweitung entsteht ein vorübergehen-
turen. Der Zungengrund (schwarzer dicker Pfeil bzw. Pfeilsspit- der Unterdruck, wobei eine Saugkraft auf den Bolus einwirkt.
ze in der Schemazeichnung) bewirkt durch einen Stempelme- Dieser Saugmechanismus wird durch die Kranialbewegung
chanismus eine Schubkraft auf den Bolus (punktierte Fläche). des Pharynx unterstützt, der sich über den entgegenkommen-
Durch die Larynxexkursion nach ventral und kranial (nach den Bolus stülpt (gebogene, dünne Pfeile). Der Pumpmechanis-
oben gerichteter schwarzer, dicker, gebogener Pfeil, linke Bild- mus wurde in der Schemazeichnung rechts durch die beiden
hälfte) wird das Pharynxlumen durch die Anhebung geweitet Pfeilspitzen, die den Zungengrund bzw. die pharyngeale Kon-
(dünne, schwarze Pfeile). In der Schemazeichnung ist die Ven- traktionswelle markieren, symbolisiert
tral-Kranial-Bewegung durch den dicken Pfeil, der vom Aryte-
Larynxskelett fixiert ist. Vergleichsweise beträgt primäre Peristaltik, welche sich kontinuierlich mit
die peristaltische Geschwindigkeit im Ösophagus einer Geschwindigkeit von 2–4 cm aboral bis zur Am-
nur 2–4 cm/s. pulla epidiaphragmatica ausbreitet. Die primäre
Der obere Ösophagusspinkter bildet einen be- Ösophagusperistaltik kann durch das so genannte
deutsamen Schutzmechanismus der oberen Speise- Phänomen der „deglutitiven Inhibition“, d. h. eines
röhre als Barriere gegen eine gastro-ösophago-pha- Schluckens während des Ablaufs des Perstaltik unter-
ryngeale Regurgitation, z. B. mit Gefahr der laryngot- brochen werden. Es kommt dann zu einem erneuten
rachealen Aspiration. Dieser Mechanismus tritt z. B. „Anspringen“ einer neuen peristaltischen Welle
beim gastroösophagealen Reflux oder bei anderen (Donner 1976).
Störungen der ösophagealen Reinigungsfunktion Sekundäre peristatische Wellen werden durch ei-
auf. Manometrisch beträgt die Länge der Hoch- nen lokalen Reiz, wie durch liegengebliebene Nah-
druckzone des oberen Spinkters etwa 3,5 cm. Die rungsreste oder einen Reflux aus dem Magen ausge-
Hochdruckzone zeigt sowohl eine axiale als auch löst. Diese so genannte Reinigungsperistaltik ent-
eine radiale Asymmetrie. So wurden die höchsten steht normalerweise oral der „Reizstelle“ (Vantrap-
Druckwerte an der Hinterwand gemessen, bei Ab- pen u. Hellmans 1974).
leitung von der ventralen Spinkterregion lagen die Als tertiäre Kontraktionen werden nichtpropulsi-
Drucke etwa 1/3 tiefer – das Gleiche gilt bei unter- ve segmentale Kontraktionen definiert, die simultan
schiedlicher Höhenverteilung auch für die Seiten- in verschiedenen Höhen der tubulären Speiseröhre
wandung der Sphinkterregion. Dies ist eine der auftreten. Man findet sie gehäuft im distalen glatt-
Schwierigkeiten bei der manometrischen Erfassung muskulären Bereich des Speiseröhre, vor allem bei
der reellen Druckwerte am oberen Ösophagus- peripheren Neuropathien und im höheren Lebens-
sphinkter. Zudem bewegt sich die Hochdruckzone alter beim so genannten „Presby-Ösophagus“.
des oberen Sphinkters wegen der intradeglutiti-
ven Pharynxelevation um 2,5–3 cm nach kranial ge- Unterer Ösophagussphinkter
genüber dem Druckabnehmer. Der untere Ösophagussphinkter besteht in einer etwa
Der schluckreflektorische Druckabfall erfolgt nur 3–4 cm langen Hochdruckzone, welche im Hiatus
0,5–1 s vor Eintreffen des Bolus. Eine Kontraktion mit oesophagei gelegen ist. Mehrere Faktoren haben Ein-
überschießenden Druckwerten folgt erst nach der fluss auf die Funktion des Sphinkters: Günstig ist ein
vollständigen Boluspassage. Störungen der zeitlichen langer infradiaphragmaler Verlauf des Ösophagus
Koordination bzw. eine verspätete oder inkomplette und ein korrekter Winkel zwischen dem Ösophagus
Öffnung oder ein vorzeitiger Schluss des oberen Öso- und dem Fundus (so genannter Hiss-Winkel). Einen
phagussphinkters können zu erheblichen Schluck- Einfluss auf die Sphinkterfunktion hat der intra-
beschwerden führen und auch die Druckverhältnisse abdominelle Druck und im Fall eines längeren intra-
im Pharynx stark verändern (Hannig u.Wuttge-Han- thorakalen Verlaufs auch der negative intrathorakale
nig 1987; Hannig et al. 1987 a,b). Druck.
Bei Fehllage des unteren Ösophagussphinkters
Merke !Für die korrekte Erfassung der mano-
metrischen Störung in der Region des
über dem Hiatus oesophagei ist der Synergismus
durch die zusätzlichen Muskelkontraktionen des
oberen Ösophagussphinkters ist eine kombinierte Diaphragmas und durch den höheren intraabdomi-
Radiomanometrie die einzig verlässliche Methode. nellen Druck aufgehoben. Bei der Aufnahme von
Speisenoxen (Koffein, Teein, Nikotin oder Alkohol
Hierbei sollte die Positionierung der perfundierten und Schokolade) wird der Ruhedruck des Sphinkters
Transduktoren auch bezüglich der radialen Ausrich- weiter reduziert.
tung radiologisch überprüft werden.
Abb. 3.15. Darstellung eines distalen Ösophagustumors in des AEG I. Die topographische Zuordnung wird durch die CT
PET/CT vor (a) und nach (b) einer Chemotherapie. Die ver- möglich. (Herrn Prof. Dr.W. Schwaiger, TU-München Dank für
mehrte Glukoseutilisation des 19F-FDG im distalen Ösophagus die Überlassung der Bildbeispiele)
ermöglicht eine Evaluation der Vitalität und der Ausdehnung
von der klinischen Fragestellung wird die Peristaltik 5- bis 7-fach höher, was zu einem massiven alveo-
durch eine Ampulle Buscopan/50 kg Körpergewicht lären und interstitiellen Flüssigkeitseinstrom und
(KG) bzw. bei Kontraindikationen durch die Gabe somit einer Störung des Gasaustausches führt. Durch
von Glukagon erreicht. mechanische Irritation oder chemotoxische Hista-
Bei funktionellen Fragestellungen ist auf die Gabe minfreisetzung aus Mastzellen kann das Auftreten
von Pharmaka zu verzichten, welche die normale von Bronchospasmen begünstigt werden.
pharyngoösophageale Motilität beeinflussen. Diese Gefahr tritt bei annähernd isoosmolaren,
jodhaltigen, dimeren Kontrastmitteln nicht auf, da
CAVE ! Eine gefürchtete Komplikation ist der
Eintritt der oben genannten nichtwas-
sie wegen annähernd dem Plasma gleichen Osmola-
lität keine wesentliche alveoläre Diffusion von Flüs-
serlöslichen Kontrastmittel bei der Perforation von sigkeit bei trachealer Aspiration nach sich ziehen.
Hohlorganen mit Übertritt von Kontrastmittel in Nach eigenen Beobachtungen kommt es auch bei
Pleura, Mediastinum oder Peritoneum. Aspiration größerer Mengen von z. B. Iotrolan (Iso-
vist, Schering) in durchschnittlich 25 Minuten zu
Der durch die nichtresorbierbaren Kontrastmit- einer fast vollständigen Resorption des Kontrastmit-
telpartikel ausgelöste Fremdkörperreiz, welcher zu tels in der Lungenperipherie.
chronischen Fibrosierungen bzw. zu einer Barium- Diese Kontrastmittel sind also das Mittel der Wahl
peritonitis führen kann, hat auch heute noch eine bei Gefahr einer trachealen Aspiration, wie z. B. bei
Letalität von bis zu 50% zur Folge (Vogel 1986). Patienten mit neurologischen Schluckstörungen
Die tracheale bzw. alveoläre Aspiration von Bari- oder den Verdacht auf eine ösophagotracheale Fistel.
umsulfatpräparationen ist entgegen der vorwiegen-
den in den angelsächsischen Ländern vertretenen
Meinung nicht frei von Nebenwirkungen! Bei Eintritt
Merke ! Die Wahl des Kontrastmittels ist so-
wohl bezüglich seiner Konsistenz als
von Kontrastmittel in den Alveolarraum treten gra- auch bezüglich seiner Wasserlöslichkeit und der Iso-
nulomatöse Reaktionen durch die nichtresorbier- osmolarität dem Beschwerdebild und dem Gefähr-
baren Bariumkristalle auf, wie auch im Tierexperi- dungsgrad des Patienten anzugleichen!
ment belegt wurde. Bei der trachealen Aspiration
von hochviskösem Bariumsulfat sind Todesfälle Thermische Provokationstests
durch Obstruktion der Trachea bzw. der Hauptbron- Eine thermische Anpassung der Bariumsulfatsus-
chien beschrieben. pension vor allem bei Patienten mit Erkrankungen
aus dem neurologischen bzw. neuromuskulären For-
Wasserlösliche, jodhaltige Kontrastmittel menkreis ist indiziert.
Spezielle klinische Fragestellungen wie neurologi- Im Normalfall wird der Testbolus bei Zimmertem-
sche Krankheitsbilder und postoperative Verlaufs- peratur verabreicht.
kontrollen zwingen zum Ausweichen auf resorbier- Eine niedrige Bolustemperatur verlangsamt die
bare Kontrastmittel, welche bei Leckage des Gastro- pharyngoösophageale Motilität. Andererseits be-
intestinaltrakts und/oder bei trachealer Aspiration schleunigen heiße Getränke die Ausbreitung der pe-
besser verträglich sind. ristaltischen Welle. Dadurch wird die pharyngoöso-
Bei Verdacht auf eine Perforation eines Hohl- phageale Transitzeit verkürzt, der untere Ösopha-
organs sind hyperosmolare wasserlösliche Kontrast- gussphinkter erschlafft kürzer und die Sphinkter-
mittel wie Natrium-Meglumin-Diatrizoat (Gastro- kontraktion ist von geringerer Amplitude.
grafin, Schering) oder z. B. Meglumin-Ioxitalamat Bei der dystrophischen Myotonie können durch
(Telebrix-Gastro, Byk Gulden) wegen der guten Re- eisgekühlte Bariumsulfatsuspensionen Veränderun-
sorbierbarkeit angezeigt. gen im Verhalten des Pharynx und Ösophagus zu so
Diese Präparatgruppe verbietet sich jedoch bei genannten „formes frustes“ führen. Das heißt, es
Patienten mit erhöhtem Aspirationsrisiko, da durch kann zu einem vorübergehenden völligen Sistieren
die Hyperosmolarität die Entstehung eines lokalen der pharyngoösophagealen Förderleistung kommen.
oder generellen Lungenödems gefördert wird. Umgekehrt kann durch die Anwendung von Kälte
Neben der Osmolarität ist die für pulmonale Ver- im Sinne einer Eissondenstimulation eine reduzierte
träglichkeit der Kontrastmittel auch das Ausmaß der pharyngeale Sensibilität gebahnt und dadurch die
Aspiration sowie die Viskosität und die Chemotoxizi- pharyngoösophageale Motilität bei neurologisch
tät der angewandten Mittel verantwortlich. gestörten Patienten gefördert werden.
Die oben genannten, hoch-osmolaren, ionischen
monomeren Kontrastmittel dringen aufgrund ihrer Pharmakologische Tests
niedrigen Viskosität schnell bis in den Alveolarraum Durch die Pharmakoradiographie des Pharynx und
vor. Im Vergleich zum Plasma ist ihre Osmolalität Ösophagus sind im Gegensatz zur Manometrie nur
3.3 Radiologische Untersuchungstechnik 43
qualitative Aussagen möglich. Der Säure-Barium- mit pH-metrisch gesicherter ösophagealer Reflux-
Test, der Karbach-Hohl-Test zur Provokation sowie erkrankung. Hierbei ergab sich eine Spezifität von
der Nifedipin-Test zur Extinktion eines diffusen Öso- 75% bei einer Sensitivität von 87%, der Vorhersage-
phagusspasmus sind preiswerte und wenig aufwän- wert betrug 81%.
dige Screening-Verfahren, die in der Routinediag-
nostik des Ösophagus bei entsprechenden Verdachts- Kalziumantagonisten und Nitrate
momenten angewandt werden können. Nifedepin-Kapseln (Adalat) in einer Dosierung
In Anlehnung an den Bernstein-Test wurde von von 10–20 mg und Glyzerol-Trinitrat-Kapsel (Nitro-
Donner die Durchführung eines Schlucks mit ange- lingual forte) mit 0,8 mg Wirkstoff werden sublingual
säuertem Bariumsulfat zur Beurteilung der Säure- zur Extinktion eines diffusen Ösophagusspasmus
sensibilität der Speiseröhre vorgestellt. Dieser Säure- und gelegentlich bei einer hypermotilen Achalasie
Barium-Test kann insbesondere bei Patienten mit eingesetzt. Die entsprechenden Retardpräparate
Verdacht auf refluxassoziierte Motilitätsstörungen können auch zur Langzeittherapie der Achalasie und
zur Anwendung kommen. des diffusen Ösophagusspasmus verabreicht werden.
Unter Mithilfe der Apotheke des Klinikums rechts Wegen ihrer Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen
der Isar der Technischen Universität München wur- und hypotoner Kreislaufreaktion ist ihr Einsatzspek-
den mehrere handelsübliche BASU 4-Fertigpräparate trum jedoch beschränkt.
auf ihre pH-Stabilität nach Beimengung von HCl ge- Da diese Pharmaka sowohl bei der Angina pecto-
testet. Hierbei stellte sich heraus, dass viele Präpara- ris als auch beim „non-cardiac chest pain“ wirksam
tionen für die Titration nicht geeignet sind, da die sind, ist mit ihnen eine Differenzierung zwischen
Säure offenbar die vorhandenen „Lösungsvermittler“ koronarer Herzerkrankung und einer Funktions-
dieser Suspensionen zerstört und das Barium inner- störung des Ösophagus nicht möglich (Hannig 1995).
halb weniger Minuten ausflockt.
Als gut praktikabel und über mehrere Stunden Bariumsulfat-Gelatine-Kugeln für spezielle
pH-stabil erwies sich eine einfache Rezeptur aus der pharyngoösophageale Fragestellungen
Fertigpräparation Micropaque flüssig. Sie wird fol- Die Diagnostik von Festkörperdysphagien kann er-
gendermaßen hergestellt: Es werden in 30 ml Wasser hebliche Schwierigkeiten verursachen, wenn ledig-
2,5 ml normale HCl 98%ig injiziert und mit 30 ml lich gering ausgeprägte Stenosen unterschiedlichster
Micropaque flüssig gut vermischt. Hierdurch konnte Ätiologie vorliegen.
ein gut reproduzierbarer pH-Wert von 1,6–1,7 er- In Zusammenarbeit mit der Apotheke des Klini-
reicht werden. kums rechts der Isar wurde eine Barium-Gelatine-
Die praktische Durchführung geschieht wie folgt: Kugel von 1,4 cm Durchmesser entwickelt, die ande-
Zunächst werden mehrere Schlucke einer neutralen re Bariumpräparationen, wie z. B. eine Bariumsulfat-
Bariumsulfatsuspension unter Durchleuchtung in paste oder flüssiges Barium in sinnvoller Weise er-
Rückenlage und RAO-Bauchlage beobachtet und jede gänzt. Die Kugel ist prall elastisch und löst sich im
peristaltische Welle vom Pharynx bis zum Magenein- Fall einer Impaktation in Körperwärme schnell auf.
gang verfolgt. Im Fall einer normalen primär-propul- Bei der Röntgendiagnostik der Speiseröhre ist
siven Peristaltik werden nur bei Verdacht auf latente häufig eine definierte Dehnung des Ösophagus- bzw.
refluxassoziierte Motilitätsstörungen dem Patienten Pharynxlumens diagnostisch von großem Wert. Bei
zunächst mehrere Schlucke der angesäuerten Bari- der Passage einer Bariumsulfat-Gelatine-Kugel mit
umpräparation ohne Röntgenkontrolle verabreicht, einem Durchmessers von 1,4 cm lassen sich gut la-
um einen ausreichenden Kontakt des Säuregemischs tente Stenosen oder Strikturen maligner oder benig-
mit der Ösophagusschleimhaut zu gewährleisten. ner Natur nachweisen. Neben diesen morphologi-
Erst dann werden unter Durchleuchtung bzw. unter schen Veränderungen lassen sich durch diese Kugeln
Videodokumentation 3 weitere Schlucke etwa 15 ml auch funktionelle Störungen der Speiseröhrenmoto-
saurer Bariumsulfatsuspension ebenfalls wieder in rik während der Boluspassage provozieren und be-
Rückenlage und RAO-Bauchlage beurteilt. obachten, wie etwa eine gestörte Passage am oberen
Der Test wird als positiv gewertet, wenn entweder oder unteren Ösophagussphinkter oder die Aus-
eine hypotone Reaktion mit verlängerter Verweil- lösung eines diffusen Ösophagusspasmus.
dauer der Testlösung im Ösophagus auftritt oder Eine weitere Indikation stellt die Überprüfung
eine hypermotile Peristaltik mit nichtpropulsiven postoperativer Zustände im Magen-Darm-Trakt dar.
segmentalen Kontraktionen zu verzeichnen ist. Hier- Hier kann eine objektive Aussage über die eventuelle
bei ist die hypermotile Reaktion weit seltener zu Anastomosenenge oder über die Effizienz einer statt-
beobachten. gehabten Dilatationstherapie oder einer Myotomie
Der Säure-Barium-Test wurde bei 520 Patienten am unteren Ösophagussphinkter bei der Achalasie
unseres Patientenkollektivs durchgeführt, 290 davon getroffen werden.
44 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Abb. 3.16 a–d. Röntgenkinematographische Sequenz (Zeitin- schen Kugel vor der Passage durch den Spondylophyten. Zu-
tervall der Einzelbilder 20 ms). a Die Bariumsulfat-Gelatineku- sätzlich ist die Erkennung einer zweiten ösophagealen Engstel-
gel wird durch einen großen Spondylophyten bei C5 deutlich le wegen der prall-elastischen Konsistenz durch Applikation
imprimiert (schwarzer Pfeil), und es kommt zu einer vorüber- einer einzigen Kugel möglich
gehenden Impaktation. b–d Deformierung der prall-elasti-
Syndrome und Krankheiten Ätiologie und Pathogenese Vermutete Ursache der Schluckstörungen
Abb. 3.18 a–d. Verschiedene kindliche Schluckstörungen. Spalte mit KM-Penetration in den Nasopharynx. d 5-jähriges
a Leichte Störung mit fehlender Saug-Schluck-Koordination Kind mit restlicher Schuckstörung vor einer funktionellen
(verspätete Triggerung bei erhaltenem pharyngealen Schuck- Therapie (postdeglutitive Aspiration bei insuffizienter Ent-
akt). b Fehlender Nasopharanxabschluss, massive verspä- leerung des Pharynx durch inkomplette Öffnung des oberen
tete Triggerung des Schluckreflexes. c Lippen-Kiefer-Gaumen- Ösophagussphinkters)
kann, ist die Erkennung des Schweregrades einer Lebensalter nichttherapierbaren Störung und somit
Malformation oder angeborenen Innervationsstö- der Verzicht auf eine orale Ernährung ist für die
rung in den oberen Speisewegen von entscheiden- Lebensqualität des Kindes und der Eltern wichtig
der Bedeutung. Auch die Diagnose einer in diesem (Abb. 3.18 d, Tabelle 3.4).
48 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Tabelle 3.2. Beurteilungskriterien der Schluckstudie bei Säug- Tabelle 3.3. Dysphagie bei Säuglingen und Kindern
lingen und Kindern
Kleinere Störungen Festkörperdysphagie
Neugeborene Funktion der Mundhöhle Orale Abwehr
und Säuglinge mit Saugreflex
Angst vor Aspiration/Verschlucken
Funktion der pharyngealen Phase
Anatomische Varianten Lippen-Kiefer- Gestörter nasopharyngealer
Gastroösophageler Reflux Gaumen-Spalten Abschluss
Gestörte Reifung
Kleinkinder/Kinder Angst nach Erstickungsepisoden der Schlucktriggerung
Reifung des Triggers für
verschiedene Boluskonsistenzen Schwere Störungen, Aspiration
z. T. mit Aspiration Kein Speichelschluck
Oro-pharyngo-ösophageale
Interaktionen Keine orale Boluspropulsion
Velumfunktion beim Sprechen
Jugendliche Narbenbildung
nach maxillofazialer Chirurgie
Neugeborene, Pörnbacher-Therapie
Säuglinge Castillo-Morales-Therapie
Therapie für die Mundhöhle
Antirefluxtherapie
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten:
vorläufiger operativer Verschluss
Oder: keine Therapie
lingsschluckakt ist bei Kleinkindern aufgrund der Im Allgemeinen können 4 Typen von velopharyn-
angepassten Anatomie gefahrlos möglich. Das Kauen gealen Verschlussmechanismen unterschieden wer-
erleichtert die Entwicklung des oral gesteuerten den:
Schluckaktes. Taktile Stimulationen sind nützlich für
∑ sagittal,
diesen Prozess.
∑ koronar,
∑ zirkulär,
∑ zirkulär mit dem Passavant-Wulst.
3.4 Fehlbildungen 51
3.4.2
Ösophageale Malformationen
Fehlbildungen des Ösophagus spielen radiologisch
heute keine sehr bedeutende Rolle mehr, da sie meis-
tens klinisch im frühesten Säuglingsalter erkannt
und dann frühzeitig therapiert werden. Dies gilt
insbesondere für die Ösophagusatresien und die
verschiedenen Formen der Ösophagusduplikaturen
(Abb. 3.23 a–d, Abb. 3.24 a, b).
Ösophagusatresien
Die Atresien werden in der Klassifikation von Vogt
nach der Präsenz oder Lokalisation einer ösophago-
trachealen Fistel eingeteilt. Die Entstehung einer
Atresie wird durch eine Entwicklungsstörung im
2. bis maximal 3. Embryonalmonat verursacht.
Die Atresien werden in folgende verschiedene Ty-
pen unterteilt
∑ Typ 1: Die Mehrzahl der Atresien sind in Höhe
der Bifurkation und etwas darüber lokalisiert und
Abb. 3.22. Säugling, 14 Monate, mit so genanntem „Common- weisen eine ösophagotracheale Fistel auf. In 90%
cavity-Syndrom“. Es besteht kein Nasopharynxabschluss we-
gen eines atonischen Velums. Ein Schluckreflex kann nicht aus- endet der kraniale ösophageale Stumpf blind,
gelöst werden. Es besteht keine Öffnung des oberen Ösopha- während der kaudale Ösophagusanteil sich in den
gussphinkters. Das Kontrastmittel wird primär in den Aditus membranösen Anteil der Trachea eröffnet.
laryngis befördert und von dort aspiriert ∑ Typ 2: Selten mündet der kaudale Anteil in einen
der beiden Hauptbronchen. In anderen Fällen
besteht eine Einmündung des kranialen Anteils
Die diagnostischen Methoden sind die laterale Auf-
des Ösophagus in die Trachea oder eine Verbin-
nahme des Schädels, ein Orthopantomogramm, die
dung zwischen beiden Ösophagusknospen und
Videofluoroskopie, die 64-Schicht-Multislice-CT und
der Trachea.
die dynamische MRT.
∑ Typ 3: Hier besteht eine einfache ösophagotrache-
Da die Strahlenbelastung sehr kritisch ist, dürfte
ale Fistel bei durchgehendem Ösophaguslumen,
die MRT die Methode der Zukunft sein. Dies ist ins-
tritt deutlich seltener auf.
besondere bedeutend, da verschiedene Tests in unter-
schiedlichen Ebenen durchgeführt werden müssen. Inkomplette Formen der Atresie, bei welchen die
Neben der regulären postero-anterioren und der kaudale und die kraniale Ösophagusknospe etwas
lateralen Ebene ist es wichtig, die Patienten vor allem versetzt aufeinander treffen, stellen primär keinen
postoperativ in der vertikomentalen Ebene zu unter- auffälligen Befund im Säuglings- und Kindesalter
suchen. Nur hierdurch können die Relativbewegun- dar. Erst nach zusätzlichen Erkrankungen, wie z. B.
gen des Velums, oft unterstützt durch den Zungen- einer Refluxerkrankung, weisen diese Patienten im
grund in Kombination mit dem Abschluss durch die Erwachsenenalter eine relevante Symptomatik auf.
Dorsal- und Lateralwände des Pharynx, erkannt wer- Abbildung 3.25 zeigt ein Beispiel dieser inkompletten
den. Atresieform, welche erst bei gleichzeitiger weiterer
Erkrankung als Zufallsbefund aufgedeckt wurde.
Merke !Die genaue Analyse der Velummoti-
lität und der Schluckaktes erlaubt die
Nach einer Ösophaguskorrekturoperation treten
Schluckstörungen fast regelhaft auf (Schima et al.
Planung eines individuellen Therapieplanes: die ein- u. Eisenhuber 2004). Die hierbei am häufigsten
fache Augmentation der Pharynxrückwand (Hynes) beobachtete postoperative Dysphagie ist durch post-
oder die kompliziertere Velopharyngoplastik (San- therapeutische Strikturen bedingt. Daneben sind
venero-Rosselli). ösophageale Motilitätsstörungen häufig zu beobach-
ten. Das Fehlen einer schluckgetriggerten primären
Die posttherapeutische Beurteilung der Velumbe- Peristaltik ist häufig, und die sekundäre Peristaltik
weglichkeit hilft zu entscheiden, ob eine Reoperation weist eine geringere Amplitude als bei gesunden
oder nur eine konservative Rehabilitation die Be- Kindern auf.
handlung vervollständigen kann.
52 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
3.5.3
Boerhaave-Syndrom
Abb. 3.27. In der CT großer, den Oropharynx massiv verdrän- Die meisten Fälle von Boerhaave-Syndrom ereignen
gender parapharyngealer Abszess. Die dorsalen Weichteile sich nach fulminantem Erbrechen bei Zustand nach
werden links massiv durch den Abszess, welcher die typische
hyperperfundierte Kapsel aufweist, nach ventral verdrängt reichlich Nahrungs- und Alkoholgenuss.
und der Pharynx hierduch massiv deformiert Durch die plötzliche Druckerhöhung im intralu-
minalen Ösophagus kommt es zu einer transmuralen
Perforation des normalen ösophagealen Gewebes mit
Gefahr der Mediastinitis, Sepsis und Schock.
Nackenschmerzen und Fieber. Häufig zeigt sich kli- Die spontanen Ösophagusperforationen treten ge-
nisch ein subkutanes Emphysem am Nacken und im wöhnlich 1–4 cm oberhalb des ösophagogastrischen
Schulterbereich. Übergangs auf, sind vertikal orientiert und ziehen
Mit einer Gesamtmortalitätsrate von <15% haben meistens nach links posterolateral.
die zervikalen Perforationen eine erheblich bessere Als schnell durchzuführendes Screening insbe-
Prognose als die distalen Ösophagusperforationen, sondere bei der Fragestellung nach zervikaler Im-
da sie häufig konservativ mit Drainage, antibioti- paktation bzw. Perforation hat sich die laterale und
scher Therapie und Nahrungskarenz behandelt wer- anterior-posteriore Übersichtsaufnahme des Halses in
den können. Weichteiltechnik bewährt. Hier sind häufig die Kno-
chenstrukturen oder auch Luft- und Flüssigkeitsein-
schlüsse bzw. eine Verbreiterung (ein Ödem) der
3.5.2 prävertebralen Halsweichteile erkennbar. Häufig ist
Fremdkörper es allerdings schwierig, kleine Knochenpartikel vom
kalzifizierten Schild- oder Ringknorpel zu differen-
Die meisten Fremdkörperperforationen bei Erwach- zieren.
senen werden durch impaktierte Tier- oder Fisch- Im Gegensatz zu den zervikalen Impaktationen
knochen im Hypopharynx meistens prävertebral sind die distalen Impaktationen häufig bedingt
und in Höhe des oberen Sphinkters vorgefunden durch z. B. einen refluxinduzierten Schatzki-Ring
(Hannig 1995). Hier besteht die Gefahr eines Retro- oder durch eine Hiatushernie mit Schatzki-Ring oder
pharyngealabszesses (Abb. 3.27). In sehr seltenen andere Engen der distalen Speiseröhre wie z. B.
Fällen können lang anhaltende Fremdkörperimpak- peptische Stenosen. Es ist daher notwendig, z. B. nach
tationen im Bereich des thorakalen oder distalen der endoskopischen Entfernung des Bolus, nicht nur
Ösophagus zu einer transmuralen Entzündung und zum Ausschluss einer Perforation sondern auch zur
Drucknekrose der Ösophaguswand mit konsekutiver Klärung der eventuellen Ursache der Impaktation
Ruptur führen. Im Fall von Säure- oder Laugen- eine weitere Röntgenuntersuchung des Schluckaktes
ingestionen, sei es akzidentiell oder suizidal, wer- durchzuführen (Abb. 3.28 a, b).
56 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
3.6
Entzündliche Erkrankungen
3.6.1
Refluxösophagitis
Abb. 3.29. Klaffende Kardia bei Refluxerkrankung ohne Zei- Abb. 3.30 a, b. Sklerodermie: „tube esophagus“, ein früher Or-
chen einer Ösophagitis ganbefall der Speiseröhre mit Amotilität im Bereich der glatten
Muskulatur
Abb. 3.31. Ösophagusszintigraphie. 1 Beispiel für einen Nor- Testspeise im oberen bis mittleren Ösophagusdrittel. Die ra-
malbefund in der Ösophagusfunktionsszintigraphie (Darstel- dioaktiv markierte Testspeise kann in diesen Abschnitten bis
lung der Ösophaguspassage als so genanntes „kondensiertes zum nächsten Schluckakt nicht geklärt werden, wohingegen
Bild“, wobei bildliche Darstellung und quantitative Auswer- der Speisetransport in den distalen Ösophagusabschnitten
tung durch eine „region of interest“ (ROI) auf den tubulären (glatte Muskulatur!) nahezu ungestört abläuft. Im Mittel wer-
Ösophagus beschränkt sind). In der Y-Richtung zeigt das Bild den pro Schluck innerhalb von 12 s nur etwa 50% der Test-
die räumliche Aktivitätsverteilung im Ösophagus, die X-Rich- speise entleert. b Gleicher Patient wie unter a beschrieben:
tung repräsentiert den zeitlichen Untersuchungsverlauf (t = Wiederholung der Untersuchung kurz nach i. v.-Injektion von
240 s). Um einen validen Eindruck der Ösophaguspassage zu Tensilon. Durch die Hemmung der Cholinesterase wird die
erhalten, werden standardmäßig 6 Schluckaktionen im 30 s- quergestreifte Muskulatur gekräftigt, sodass die Testspeise fast
Abstand ausgeführt (Testspeise: mit 99mTc-Zinnkolloid mar- vollständig aus dem Ösophagus entleert werden kann. Im Mit-
kierter, semisolider Babybrei, pro Schluck etwa 10 g). Visuell tel werden nach Tensilon innerhalb von 12 s etwa 80% der
zeigt sich nach jeder der 6 Schluckaktionen eine rasche Passa- Testspeise pro Schluck entleert. 3 Charakteristisches Befund-
ge der Testspeise durch den gesamten Ösophagus (Passagezeit muster bei einer Störung im glattmuskulären distalen Ösopha-
<10 s). Bis zur nachfolgenden Schluckaktion ist der Ösophagus gussegment, in diesem Beispiel bei einer 57-jährigen Patientin
nahezu vollständig von Aktivität geklärt. Normalerweise soll- mit progressiver, systemischer Sklerodermie. Die Passage
ten innerhalb von 12 s nach Beginn des Schluckaktes mehr als durch den proximalen Organabschnitt (quergestreifte Musku-
85% der Testspeise entleert werden (im Beispiel 93%). 2 Cha- latur!) ist regelrecht. Durch die Beteiligung der glatten Musku-
rakteristisches Befundmuster bei einer Störung der querge- latur kommt es dann zu einer typischen Retention oder Kumu-
streiften Muskulatur in den proximalen Ösophagusabschnit- lation der Testspeise in den distalen Ösophagusabschnitten. In
ten, z. B. im Rahmen einer Myositis oder Myasthenie. Im Bei- diesem Fall war im Untersuchungszeitraum keine Entleerung
spiel handelt es sich um einen 67-jährigen Patienten mit einer der Testspeise in den Magen nachweisbar. (Mit freundlicher
okulopharyngealen Myasthenia gravis: a In der Ausgangsun- Genehmigung von R. Linke und K. Tatsch, Klinik und Polikli-
tersuchung zeigt sich entsprechend der Störung der querge- nik für Nuklearmedizin, Klinikum der Universität München)
streiften, proximalen Ösophagusabschnitte eine Retention der
auch behandelter Ösophagitis eine Hiatushernie seröhrenverkürzung werden die ligamentären Struk-
(Abb. 3.32 a, b). Es wurde allerdings postuliert, dass turen des gastroösophagealen Übergangs transhiatal
eine Hiatushernie kein sicherer Indikator für eine nach intrathorakal gezogen.
Refluxerkrankung ist. Möglicherweise kommt es im Der Grad der Refluxerkrankung korreliert nicht
Rahmen einer chronischen Refluxerkrankung und immer mit dem Schweregrad und der Charakteristik
einer chronischen Ösophagitis zu einer axialen der klinischen Symptome. Atypische Symptome, wie
Schrumpfung der Speiseröhre, und durch diese Spei- z. B. retrosternaler Druck im Rahmen einer refluxas-
3.6 Entzündliche Erkrankungen 59
Radiologisches Vorgehen
soziierten Spastik, können einen Herzinfarkt vortäu- Grundsätzlich ist eine Doppelkontrastuntersuchung
schen, oder es können Symptome wie z. . Schmerzen mit Bariumsulfat mittlerer Dichte und mittlerer Vis-
im rechten oberen Quadranten des Abdomens. kosität durchzuführen. Diese sollte sowohl im Liegen
Die Entwicklung einer peptischen Stenose (Abb. als auch im Stehen erfolgen. Insbesondere muss auch
3.33) verläuft normalerweise langsam progredient die orale und oropharyngeale sowie pharyngoöso-
von einem Globusgefühl über eine Dysphagie bis zu phageale Übergangsregion genau beobachtet werden
einer Festkörperdysphagie. und eventuelle Sekundärveränderungen durch Re-
60 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
flux, wie z. B. Veränderungen am oberen Ösopha- umsulfatsuspension nach Gabe eines Gasbildners mit
gussphinkter, dokumentiert werden. einem Becher mit Strohhalm verabreicht. Der Nach-
Ein spontaner gastroösophagealer Reflux bei Pa- weis einer guten primären propulsiven Peristaltik ist
tienten mit Refluxösophagitis kann nur in 20% der auch Voraussetzung für eine chirurgische Interven-
Fälle während der Untersuchung beobachtet werden. tion bei chronischem Reflux.
Dies liegt in der Tatsache begründet, dass der Reflux Die meisten von uns beobachteten ösophagealen
episodenhaft auftritt und nicht notwendigerweise Transportstörungen bei Refluxösophagitis waren hy-
während der relativ kurzen Untersuchungsphase zu pomotile Motilitätsstörungen, d. h. >80% der Patien-
beobachten sein muss. ten wiesen ein verlängertes Verweilen des Kontrast-
Provokationsmanöver wie Pressen oder der so ge- mittels in der Speiseröhre auf bzw. die propulsive Pe-
nannte „Wasser-Siphon-Test“ haben sich als nicht ristaltik fehlte annähernd vollständig. Erst nach Auf-
sinnvoll zum Refluxnachweis erwiesen, da sie auch richten der Patienten konnte hier eine Entleerung des
bei Gesunden pathologisch ausfallen können. Das Ösophagus beobachtet werden. Diese Patienten sind
einzige „erlaubte“ Manöver ist die Drehung von der z. B. für eine Fundoplikation nicht geeignet.
Rechtsseitenlage auf die Rückenlage. Sollte hier ein Feinere Schleimhautalterationen im Rahmen ei-
Spontanreflux beobachtet werden, hat dies eine ge- ner Refluxösophagitis oder einer Stenose sind häufig
wisse klinische Relevanz (Hannig 1995; Hannig et al. erst im 2. Durchgang der Untersuchung, d. h. in der
1987 a,b). Doppelkontrastphase nach Buscopan-Gabe zu erken-
Die Refluxszintigraphie mit steigender Druck- nen. Die Buscopan-Gabe verbietet sich allerdings
belastung des Abdomens hat heute gegenüber der intitial wegen der sonst verfälschten funktionellen
24-Stunden-Refluxaspiration und der 24-Stunden- Beobachtungsergebnisse.
pH-Metrie an Bedeutung verloren. Die Refluataspira-
tion oder der Bilitec-Test erfassen die alkalischen Re- Motilität bei Reflux
fluxanteile. Die Menge des Refluats kann mit der erst Zwischen 25 und 50% der Patienten mit Refluxöso-
kürzlich entwickelten Impedanzmessung bestimmt phagitis haben eine abnormale Motilität, meist im
werden. Ein weiteres Manöver, nämlich die Aufforde- Sinne einer schwachen oder fehlenden peristalti-
rung zum tiefen Ein- und Ausatmen, ist bei Patienten schen Aktivität, verbunden mit einem vermehrten
mit Reflux sensitiver als die positionellen Manöver Auftreten nichtpropulsiver segmentaler bzw. tertiä-
(A. Wuttge-Hannig in Vorbereitung). rer Kontraktionen. Diese können sich unter einer
Die radiologische Untersuchung hat sich weiterhin adäquaten Therapie wieder normalisieren.
auf die Kardia und auf den Magen zum Ausschluss Gelegentlich sind die ösophageale Aperistaltik
einer pathologischen Magenentleerung oder einer bzw. die nichtpropulsiven segmentalen Kontraktio-
Gastroparese oder auch eine Ptose des Magens zu nen der einzige Befund bei Patienten mit Reflux-
erstrecken. Diese können einen sekundären Reflux erkrankungen. Diese Motilitätsstörungen können
verursachen. Die nuklearmedizinische Magenentlee- durch Zerstörung der neuronalen Auerbach-Plexus
rungsstudie ist eine alternative Technik, welche ins- durch Ausdehnung des inflammatorischen Prozesses
besondere eine Abklärung mit einer physiologisch in die Ösophaguswand entstanden sein.
adaptierten Nahrung erlaubt.
Radiologische Symptomatik
Merke ! Derzeit gilt die intraösophageale 24-
Stunden-pH-Metrie als der sensitivste
Eine Ösophagitis Grad I ist oft schwer darzustellen
und zeigt im Doppelkontrast meist das Bild einer
Test zum Ausschluss und zum Nachweis eines gastro- kleinnodulären bis granulomatösen Mukosaverän-
ösophagealen Refluxes. derung bzw. von Mikroulzerationen als winzige Kon-
trastmitteldepots. Sie wird durch das Ödem und
Dabei ist einschränkend zu erwähnen, dass nur ein die entzündliche Veränderung in der Ösophagus-
saurer Reflux erfasst wird. Die 24-Stunden-Ösopha- schleimhaut hervorgerufen. Frühe Formen der Öso-
gusaspiration ist nur in ausgewählten Zentren ver- phagitis können auch das Bild z. B. einer milden Can-
breitet. didaösophagitis vortäuschen. Selten können eine
Da insbesondere die ösophageale Motilität und so oder mehrere plaqueartige Zonen im Ösophagus
genannte refluxassoziierte Motiltitätsstörungen Hin- gefunden werden, welche durch ein entzündliches
weise auf eine eventuelle Refluxerkrankung geben Exsudat in der Mukosa hervorgerufen werden. Sie
können, muss die Röntgenuntersuchung sowohl im treten typischerweise bei etwas schwereren Öso-
Stehen als auch unbedingt im Liegen, und zwar in phagitiden im distalen Ösophagus auf. Eine einzelne
Rückenlage und in „überdrehter“ Rechtsseitenlage große Pseudomembran kann auch mit einem ober-
mit Einsicht auf die Kardia, durchgeführt werden. flächlichen Karzinom, vor allem einem Barrett-Kar-
Sinnvollerweise wird dem Patienten dabei die Bari- zinom, verwechselt werden. Für eine reine Reflux-
3.6 Entzündliche Erkrankungen 61
Barrett-Ösophagus
왔 Der Barrett-Ösophagus ist meist eine
Definition
Folge der chronischen Refluxerkran-
kung mit progressiver Metaplasie des Plattenepithels
in Zylinderepithel überwiegend im distalen Ösopha-
gus als Folge der Refluxösophagitis.
Abb. 3.37. a Endoskopisches Bild eines Barrett-Ösophagus mit zellen. (Mit freundlicher Genehmigung von J. Reichenberger,
den typischen flammenförmigen, lachsroten Schleimhautarea- II. Medizinische Klinik, Klinikum rechts der Isar der TU-Mün-
len im distalen Ösophagus. b Im histologischen Bild Becher- chen sowie H. Höfler, TU-München)
Der Barrett-Ösophagus entwickelt sich häufig im Aufweitung des Hiatus führt. Adipositas, Schwanger-
Bereich der so genannten Z-Linie, d. h. dem Über- schaft und Lungenemphysem erhöhen den Ruhe-
gangsbereich des Zylinderepithels des Magens zum druck und das Druckgefälle und begünstigen die
Plattenepithel der Ösophagusschleimhaut. Endosko- hiatale Bruchbildung.
pisch zeigt der Ösophagus im Fall einer Barrett-Mu-
kosa eine starke Rötung der Schleimhaut, teilweise Klassifikation
mit roten Schleimhautinseln, die sich zungenförmig In Abb. 3.38 a–d werden die 4 Typen der Hiatusher-
vom gastroösophagealen Übergang nach kranial er- nien vorgestellt.
strecken. Die Endoskopie hat bei Barrett-Ösophagus
eine Sensitivität von über 90% (Abb. 3.37 a, b). 쐍 Axiale Hiatushernie. Die häufigste Hiatushernie ist
Die definitive Diagnose erfolgt auch hier nach his- die axiale oder Gleithernie.
tologischen Kriterien. Trotz der relativ typischen
ösophagealen Strikturen mit den typischen Barrett- 왔 Bei einer Hiatushernie gleitet der öso-
Definition
Ulzerationen, die sehr tief sein können, ist die Öso- phagogastrale Übergang durch den
phagographie nicht die adäquate Methode zum Hiatus in den Mediastinalraum und führt eine trich-
Screening eines Barrett-Ösophagus. Als indirketer terförmige Umbildung des oberen Magenmundes
Hinweis auf eine Barrett-Mukosa kann auch ein reti- herbei.
kuläres Schleimhautmuster in der Doppelkontrastun-
tersuchung gelten. Der Vorgang ist zunächst reversibel und nur in Hori-
zontal- bzw. Oberkörpertieflage sowie bei abdomina-
Hiatushernien lem Überdruck produzierbar. Entsprechend der Grö-
ße dieses Gleitelements bildet sich ein mehr oder
왔 Unter Hiatushernien verstehen wir weniger ausgeprägter Bruchsack (Abb. 3.39 a, b).
Definition
die Verlagerung von Kardia, oberem Die gleitende Kardia kann durch die Störung des
Magenabschnitt und evtl. benachbarten Strukturen physiologischen Ventilelements und der abdomino-
durch den Hiatus oesophageus vom Bauch- in den thorakalen Druckregulation am Mageneingang dann
Brustraum, entsprechend dem physiologischen ab- zum gastroösophagealen Reflux führen, wenn gleich-
dominothorakalem Druckgefälle. zeitig der untere Ösophagussphinkter inkompetent
ist. In der Mehrzahl der Patienten mit Refluxkrank-
Pathogenese heit findet man eine mehr oder minder ausgeprägte
Pathogenetischer Hauptfaktor ist eine mit fortschrei- Hernie.
tendem Alter zunehmende Mesenchymschwäche, Durch perifokale Entzündung und Längsschrump-
welche zu einer Relaxation und Verlängerung des fung des Ösophagus im Rahmen einer Refluxöso-
ligamentären Bandapparates am ösophagogastralen phagitis kann die Kardia in den Mediastinalraum
Übergang sowie zu einer Lockerung mitunter auch hinaufgezogen und immer mehr verankert werden.
64 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Aus dem fakultativen Gleitbruch ist dann eine fixier- Bild einer Pylorusstenose. Die paraösophageale Hia-
te Hernie (Abb. 3.40) entstanden, sekundärer Brachy- tushernie neigt zur Progression bis zum Vollbild des
ösophagus genannt. Dies geschieht praktisch nur in totalen Thoraxmagens oder auch „upside-down sto-
Zusammenhang mit einer Refluxkrankheit. mach“ genannt (vgl.Abb. 3.41). Hier befindet sich das
ganze Organ in einem großen mediastinalen Bruch-
쐍 Paraösophageale Hiatushernie. In 10% der Hiatus- sack mit der Majorseite als oberer Kontur.
hernien steht nicht die axiale Lockerung der Kardia
im Vordergrund, sondern – bei der paraösophagea-
len Hiatushernie – eine Verlagerung von Fundustei- CAVE ! Im Gegensatz zur meist harmlosen
Gleithernie ist die paraösophageale
len bis zum ganzen Magen neben dem Ösophagus in Hernie wegen der potenziellen Komplikation eines
den Mediastinalraum (Abb. 3.41). Magenvolvulus gefährlich, auch im asymptomati-
Bruchbildung und Torsion vollziehen sich nach schen Stadium.
konstanten anatomischen Gesetzen: Die Majorseite
dreht sich nach vorne und kranial mit der Kardia- Ein Drittel der Fälle wird als Zufallsbefund entdeckt,
gegend als Fixpunkt. In der Mehrzahl der Fälle bildet ein Drittel wegen schleichender Anämie, meist bei
sich zuerst ein partieller proximaler Magenvolvulus, okkulter seltener evidenter Blutung, ein Drittel we-
seltener ein distaler Magenvolvolus mit Drosselung gen Passagestörungen.
des Ausflusstrakts und Entleerungsstörung mit dem
3.6 Entzündliche Erkrankungen 65
Abb. 3.39 a, b. Hiatus-Gleithernie. a Im Stehen ist die Hernie nicht erkennbar (Reposition durch die Schwerkraft). b Im Liegen
Darstellung der Hernie
Abb. 3.40. Paraösophageale Hernie. Die Kardia verbleibt in Abb. 3.41. Upside-down stomach. Hernierung des gesamten
der subepiphrenischen Position, der Magenanteil herniert Magens, wobei die Kardia und der Pylorus in situ bleiben
neben den Ösophagus in den Thoraxraum
쐍 Gemischte Hiatushernie. Die reine paraösophageale primär rein axialen Gleithernie, bei welcher sich der
Form der Hernie ist selten. Bei 188 von 216 von Sie- verlagerte Magenabschnitt axial und paraösophageal
wert et al. (1990) operierten Hiatushernien mit para- gleichzeitig entwickelt. Die Erscheinungen der ge-
ösophagealer Komponente gleitet die Kardia eben- mischten Hernie können sowohl vom Volvulus wie
falls in den Thoraxraum, und es entsteht die so auch – seltener – vom Reflux beherrscht werden.
genannte gemischte Hiatushernie (Abb. 3.42). Diese Die Therapie erfolgt entsprechend.
Bruchform entsteht durch die Vergrößerung einer
66 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
3.6.2
Andere Ursachen für entzündliche
Ösophaguserkrankungen
Morbus Crohn
Der Morbus-Crohn-Befall des Ösophagus ist äußerst
selten. In unserem bisher untersuchten Patientengut
von weit über 25.000 Fällen haben wir lediglich einen
Patienten mit einem Morbus Crohn der distalen Spei-
seröhre und einer Fistelung zum Fundus und zur
Kardia gesehen.
Behçet-Krankheit
왔 Die Behçet-Krankheit ist eine sehr
Definition
seltene Multisystemerkrankung, die
Haut befällt und mit einer Arthritis, einer Kolitis und
Abb. 3.45. Crohn-Ösophagitis mit den typischen feingranulä- einer Thrombophlebitis sowie gelegentlich auch
ren Läsionen einer Ösophagitis einhergeht.
68 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Abb. 3.46. a Hypopharynxtumor 3 Jahre nach Radio-Chemo-Therapie mit postradiogener Stenose. b Zustand nach Radio-
Chemo-Therapie eines Ösophagustumors
Abb. 3.47. Langstreckige Stenose nach Laugeningestion. Ne- Abb. 3.48 a, b. Multiple aufgeweitete muzinöse Drüsengänge
benbefund: Perforation bei Bougierung bei Pseudodivertikulose
Abb. 3.49 a, b. Seltene eosinophile Achalasie. 30-jähriger Mann freundlicher Genehmigung von J. Reichenberger und F. Bash-
mit seit 3 Monaten progredienter leichter Dysphagie. bush, II. Medizinische Klinik, Klinikum rechts der Isar der TU-
a Noduläre Einlagerungen im ösophagogastrischen Übergang. München)
b Endoskopische Ansicht der nodulären Strukturen. (Mit
70 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Achalasie
3.7
Die Achalasie gehört zu den häufigsten primären
Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus
Motilitätsstörungen der Speiseröhre (Bosma u. Don-
In den letzten Jahren hat die Diagnostik der Motili- ner 1980; Bosma et al. 1986).
tätsstörungen der Speiseröhre durch die Fortschritte Grundsätzlich gilt für alle Formen der Achalasie
der endoskopischen und radiologischen, besonders die manometrische Definition:
aber der manometrischen Techniken, einen erhebli-
chen Aufschwung erlebt (Classen u. Rösch 1973, 왔 Eine Achalasie des unteren Ösopha-
Definition
Siewert et al. 1976; Tabelle 3.5). gussphinkters ist definiert durch eine
fehlende oder unzureichende schluckreflektorische
Erschlaffung des unteren Sphinkters.
3.7.1
Primäre Motilitätsstörungen des Pharynx Grundsätzlich wird eine hypermotile Form von einer
und des Ösophagus hypomotilen und amotilen Achalsie unterschieden.
Die dabei am klarsten definierten Krankheitsbilder Die hypo- und amotile Achalasie
sind die Achalasie und der so genannte „idiopathi- Bei der hypo- und amotilen Achalasie findet sich
sche diffuse Ösophagusspasmus“. typischerweise eine beträchtliche Dilatation des tu-
bulären Ösophagus. Ein Flüssigkeitsspiegel im Öso-
phagus ist radiologisch oft bereits ohne Kontrast-
Tabelle 3.5. Übersicht über die Motilitätsstörungen des Pha-
rynx und der Ösophagus mittelgabe bei der Durchleuchtung am stehenden
Patienten zu erkennen.
Primäre Motilitätsstörungen:
Achalasie
Diffuser Oesophagusspasmus
Nussknackerösophagus
Merke ! Als semiquantitativer Parameter für
die Höhe des Sphinkterresidual-
Nichtspezifische ösophageale Motilitätsstörungen drucks am unteren Ösophagussphinkter kann die
Angabe der Höhe des Flüssigkeitsspiegels in Relation
Sekundäre Motilitätsstörungen:
Bindegewebserkrankungen: zu den Nachbarorganen dienen.
Progressive systemische Sklerose
Dermatomyositis Je höher dieser Spiegel ist, welcher nach dem ameri-
Polymyositis
CREST-Syndrom kanischen Schrifttum „support level“ genannt wird,
Lupus erythematodes desto höher ist der Sphinkterresidualdruck an der
Endokrine Ursachen: Kardia.
Diabetes mellitus In nahezu allen fortgeschrittenen Stadien der
Myxödem
Hyperthyreoidismus Achalasie fehlt die beim Gesunden üblicherweise
Metabolische Erkrankungen: sichtbare Gasblase im Magenfundus. Vom Succus
Alkoholinduzierte Störungen werden sowohl das spezifisch schwerere Bariumsul-
Amyloidose
Infektiöse Ursachen: fat als auch noch verbliebene Speisereste überschich-
Chagas-Krankheit tet. Erreicht die Barium-Succus-Säule eine kritische
Candida- und Herpesösophagitis Höhe, zumeist oberhalb des Niveaus des Aortenbo-
Chemische Ursachen: gens, wird der hydrostatische Druck größer als der
Gastroöesophagealer Reflux
Säure- oder Laugeningestion Verschlussdruck im unteren Ösophagussphinkter.
Muskuläre Grunderkrankungen: Durch diese passive Öffnung kann ein Teil des Öso-
Myasthenia gravis phagusinhalts in den Magen übertreten. Die Barium-
Polymyositis
Muskuläre Dystrophie säule sinkt somit wieder unter den kritischen Pegel,
Neurologische Erkrankungen: der den Schluss des unteren Ösophagussphinkters
Parkinson-Krankheit nach sich zieht.
Guillain-Barré-Syndrom Relativ häufig findet man am distalen Ösophagus
Amyotrophe Lateralsklerose
Multiple Sklerose mäßig weit einschnürende segmentale Kontraktio-
Immunologische Ursachen: nen, die oft nur als Kräuselungen der Schleimhaut
Graft-vs.-host-Reaktion imponieren. Sie werden durch Kontraktionen der
Eosinophile Ösophagitis
Iatrogene Ursachen: Tunica muscularis mucosae hervorgerufen.
Medikation mit anticholinergen Substanzen
sowie Benzodiazepinen oder Barbituraten usw.
Bestrahlung
Post-Vagotomie-Syndrom
3.7 Motilitätsstörungen des Pharynx und Ösophagus 71
Diese pharmakoradiologischen Ansätze sind in letz- ruht (Abb. 3.57 a, b). Endoskopisch ist bei diesem
ter Zeit jedoch umstritten (Hannig 1995). Krankenbild ein wendeltreppenartiger Verlauf der
Ein relativ großer Festkörperbolus kann ebenfalls Speiseröhre zu beobachten. Endoskopische Lang-
einen diffusen Ösophagusspasmus provozieren. Es strecken-Botulinumtoxininjektionen versprechen ei-
kommt hierbei häufig zu Bolusimpaktationen, die ne oft auch länger anhaltende Besserung.
in der angloamerikanischen Literatur als so genann-
tes „Steakhouse-Syndrom“ bezeichnet werden. Der Nussknackerösophagus
durch den großen Bolus hervorgerufene Dilatations- Die Diagnose „Nutcracker-“ oder Nussknackeröso-
reiz führt bei dieser Patientengruppe zu einem re- phagus ist eine primär manometrische Diagnose. Sie
flektorisch ausgelösten Spasmus. Bei der radiologi- wurde erstmals als Krankheitsbild von Benjamin
schen Testung kommen als Festkörperbolus die von et al. (1979) beschrieben, der ihr auch den Namen
uns beschriebenen Bariumsulfat-Gelatine-Kugeln gab. Bekanntermaßen weisen 20% aller Patienten, die
(so genannte „mash mallows“) zur Anwendung, kardiologisch wegen Verdacht auf eine koronare
die sich im Fall einer Impaktation innerhalb von Herzerkrankung (KHK) untersucht werden, keinerlei
10 Minuten auflösen. pathologischen Befund auf. Ein sehr hoher Prozent-
Durch die abnorm starken Kontraktionen werden satz dieser Patienten leidet am so genannten Non-
die Ösophaguswände derart enggestellt, dass sie sich cardiac chest pain, welcher entweder durch den oben
in einigen Abschnitten berühren. Dies wird auch als beschriebenen diffusen Ösophagusspasmus oder
Etagenspasmus bezeichnet. Diese perlschnurartige den Nussknackerösophagus verursacht wird.
Wandkonfiguration wird oft mit dem von Barsony Die radiologische Diagnose des Nussknackeröso-
eingeführten Begriff der so genannten „Barsony- phagus ist schwierig, da die Peristaltik unauffällig
Divertikel“ beschrieben. In der Tat handelt es sich erscheint. In einer Serie von 170 Patienten mit Chest
hierbei nicht um echte Divertikel, sondern nur um pain wurde ein Nussknackerösophagus gefunden.
passagere Kontraktionen. Da sich die Speiseröhre Dabei zeigte sich eine normale propulsive Peristaltik
infolge der massiven Kontraktionen verkürzt, sieht mit abnorm hohen Druckamplituden bis 300 mmHg.
man häufig auch eine Hiatusgleithernie. Es fanden sich lediglich unspezifische Abnormalitä-
Eine Sonderform des diffusen Spasmus ist der ten der ösophagealen Bolustransitzeit bzw. der Moto-
fixierte Korkenzieherspasmus, welcher auf einer rik. Diese konnten jedoch nicht spezifisch der Dia-
nichtkonzentrischen langstreckigen Kontraktion be- gnose zugeordnet werden.
76 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Abb. 3.59. Pseudoachalasie bei submukös wachsendem Kardi- Abb. 3.60. Presby-Ösophagus bei einem 78-jährigen Mann.
akarzinom Fehlende primäre Peristaltik, wenig durchschnürende tertiäre
Kontraktionen
und Biopsie wiederholt werden. Wiederholte Biop- die Diagnose einer reinen Motilitätsstörung stellt
sien, endoskopischer Ultraschall bis zur chirurgi- (Abb. 3.60).
schen Exploration führen schließlich zur Diagnose
der karzinominduzierten Pseudoachalasie (Abb. 3.59). Die manometrisch zu objektierenden Veränderun-
gen eines Presby-Ösophagus bestehen in weniger
Presby-Ösophagus häufigen primären peristaltischen Wellen, häufigen
Die erhöhte Inzidenz ösophagealer Abnormalitäten nichtperistaltischen Kontraktionen und selten einer
bei älteren Individuen (>65 Jahre) wurde unter dem inkompletten Relaxation des unteren Ösophagus-
Terminus „Presby-Ösophagus“ subsummiert. Es be- sphinkters. Diese Veränderungen sind den Motili-
steht eine erhöhte Prävalenz von nichtpropulsiven tätsstörungen ähnlich, welche in NEMD (nichtspe-
Kontraktionen bis zur Atonie und gestörter Reini- zifische ösophageale Motilitätsstörungen) gefunden
gungsfunktion. werden (Gore u. Levine 2000).
Die Existenz dieser klinischen Entität steht aber
noch unter Diskussion. In einer anderen Studie wur- Nichtspezifische ösophageale Motilitätsstörungen
den keine solchen Anormalitäten in gesunden älteren NEMD ist ein Überbegriff für alle nicht weiter klassi-
Individuen gefunden. Die erhöhte Prävalenz ösopha- fizierbaren ösophagealen Motilitätsstörungen (Achem
gealer Motilitätsstörungen in der höheren Alters- u. Benjamin 1995; Clouse 1993). Oft werden unspezi-
gruppe wird hier als Folge der zugrunde liegenden fische nicht weiter einteilbare manometrische Motil-
Grunderkrankungen erklärt, wie Diabetes mellitus titätsstörungen gefunden. Die Symptomatik besteht
oder neuromuskuläre Erkrankungen, welche im Al- in thorakalen Beschwerden oder Dysphagie, welche
ter die Ösophagusmotilität häufig beeinträchtigten. unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.
Die manometrischen Veränderungen umfassen
Merke ! Aufgrund dieser Tatsachen ist es von
höchster Wichtigkeit, gerade bei älte-
(Achem u. Benjamin 1995; Clouse 1993):
∑ ein Fehlen der primären Peristaltik bei etwa 20%
ren Personen mit relativ abrupt und neu aufgetre-
der Schluckakte,
tener Dysphagie einen Tumor oder eine Striktur aus-
zuschließen und nach entsprechenden internisti- ∑ eine mit einer geringen Amplitude einhergehende
schen Grunderkrankungen zu fahnden, bevor man Peristaltik,
78 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
∑ eine verlängertes Andauern der Peristaltik, ∑ eine Reduktion oder ein Fehlen der trachealen
∑ repetitive oder dreifache peristaltische Peaks oder Sensibilität sowie
∑ eine inkomplette Relaxation des unteren Ösopha- ∑ eine Öffnungsstörung des oberen Ösophagus-
gussphinkters. sphinkters.
Die radiologisch gefundenen Veränderungen geben Eine Fehlfunktion der oralen und oropharyngealen
die manometrischen Veränderungen wieder. Ein Mechanismen, wie eine Unfähigkeit des Mund- oder
Abbruch der Peristaltik oder ein Auftreten von nicht- Lippenschlusses, eine Störung der oralen Boluskon-
peristaltischen Kontraktionen kann wahrgenommen trolle oder ein insuffizienter Abschluss des Naso-
werden. Bei geringeren manometrischen Verände- pharynx können den Schluckakt behindern. Eben-
rungen können radiologisch erkennbare Verände- falls kann eine neurogen bedingte Dilatation des
rungen fehlen oder anderen typischen Motilitäts- Pharynx oder eine Störung der pharyngealen Motili-
störungen z. T. entsprechen. tät die Funktion des Pharynx einschränken.
Auch der tubuläre Ösophagus wird von einer Viel-
Der hypertensive untere Ösophagussphinkter zahl kortikobulbärer Afferenzen gesteuert.
Die Hypertension des unteren Ösophagussphinkters Zur Abklärung der neurologischen Schluckstö-
wurde erstmals bei Patienten mit ösophagealen rungen kommt das gesamte radiologisch-diagnosti-
Symptomen beschrieben, welche ungewöhnlich hohe sche Spektrum vom Ösophagusbreischluck, insbeson-
Ruhedrucke aufwiesen (Achem u. Benjamin 1995; dere aber auch die Videofluoroskopie und ggf. die
Clouse 1993). Fast alle Patienten klagten über un- CT und MRT zur Anwendung.
spezifische Thoraxschmerzen und häufig auch über Insbesondere stellt die Videofluoroskopie in der
eine Dysphagie. Unter diese Gruppe gehören Patien- Differenzialdiagnose der trachealen Aspiration die
ten, welche bei zeitgerechter Öffnung und norma- sensitivste Methode im diagnostischen Spektrum
ler ösophagealer Peristaltik einen Ruhetonus von dar. Es ist mit dieser Methode möglich, eine Untertei-
>40 mmHg aufweisen. Hierbei sind die radiologi- lung der trachealen Aspiration in einer Form vor,
schen und die nuklearmedizinischen Ergebnisse im während und nach Triggerung des Schluckreflexes
Regelfall unauffällig. Ebenso wie der Nussknacker- nachzuweisen sowie eine Schweregradeinteilung der
ösophagus ist der hypertensive untere Ösophagus- Aspiration vorzunehmen (s. unten). Dies erweist sich
sphinkter eine manometrische Diagnose. als wertvolle Grundlage für das spätere rehabilitative
Vorgehen. Auch kann die Videofluoroskopie in vielen
Fällen der Planung funktionell chirurgischer Eingrif-
3.8 fe dienen. Sie bietet auch gute diagnostische Möglich-
Neurologisch bedingte Funktionsstörungen keiten bei der Analyse der Zungen- und Velumfunk-
des Pharynx und des Ösophagus tion sowie der oralen Schluss- und Propulsions-
mechanismen bei neurologischen Schluckstörungen
Problemstellung ohne Aspiration.
Die Diagnostik und Therapie der „neurogenen Dys-
phagie“ als poliätiologisches Syndrom wird von einer Spezielle radiologische Untersuchungstechnik
Vielzahl von Fachdisziplinen bearbeitet. Bei anamnestisch bekannter schwerer Aspirations-
Eine große Zahl von Erkrankungen des zentralen neigung wird die Untersuchung mit einer geringen
Nervensystems, der peripheren Nerven, Muskeln und Menge (2–4 ml) eines nichtionischen, annähernd
Synapsen kann zu Störungen der Schluckfunktion isoosmolaren Kontrastmittels wie Iotrolan (Isovist)
führen (Hannig et al. 1987 a,b). Die Aspiration stellt begonnen. Da dünnflüssige Materialien in der Regel
hierbei die schwerwiegendste Konsequenz einer leichter aspiriert werden als zähe Nahrungspräpara-
neurologischen Störung des Schluckaktes dar. tionen, ist auf diese Weise sehr schnell eine ausrei-
Unter den verschiedenen neurogenen Störungen chende Testbelastung des Patienten erreicht (Loge-
sind solche von besonderer Bedeutung, welche die mann 1979).
laryngopharyngeale Interaktion beeinflussen und da- Kommt es bereits beim ersten Schluck zu einer
durch zur Aspiration führen können. Dazu gehören: massiven Aspiration, wird die Untersuchung zunächst
abgebrochen und der Patient ggf. tracheal abgesaugt.
∑ eine Störung der Triggerung des pharyngealen
Bei gut erhaltenem Hustenreflex und ausreichender
Schluckreflexes,
Exspiration des Kontrastmittels unter Durchleuch-
∑ eine insuffiziente oder fehlende Larynxelevation
tungskontrolle kann die Untersuchung durch einen
und/oder Ventralbewegung,
zweiten Schluck im lateralen Strahlengang mit verrin-
∑ eine verminderte oder fehlende Glottisadduktion,
gertem Bolusvolumen komplettiert werden.
3.8 Neurologisch bedingte Funktionsstörungen des Pharynx und des Ösophagus 79
Mit dem oben angeführten Kontrastmittel Iotra- 2002). Die Analyse des Pathomechanismus einer
lan wurden in unserem Krankengut 14.000 Patienten, solchen Aspiration als Grundlage rehabilitativer
davon 2500 mit massiver Aspiration, untersucht. Bei Maßnahmen ist also von erheblicher klinischer Be-
einer Aspiration auch von >10 ml wurden bisher kei- deutung. Darüber hinaus ist es möglich, die der Aspi-
ne schweren pulmonalen Komplikationen beobach- ration zugrunde liegenden oft mehrphasigen Störun-
tet. Wegen seiner guten Resorbierbarkeit ist das aspi- gen der pharyngolaryngealen Interaktion zu analy-
rierte Kontrastmittel bereits nach 20–60 Minuten ra- sieren und ein individuelles operatives oder neuro-
diologisch kaum noch nachweisbar. Gelegentlich logisch konservatives Rehabilitationskonzept zu
kommt es im Verlauf der nachfolgenden 24 Stunden erarbeiten.
zu einem leichten passageren Temperaturanstieg, der Wir haben bisher in unserer interdisziplinären
jedoch regelhaft wieder abklingt und keine antibioti- Arbeitsgruppe für Dysphagie 7500 neurologisch er-
sche Therapie erfordert. Vereinzelt wurden auch krankte Patienten untersucht. Erwartungsgemäß
kleine Subsegmentatelektasen der Lunge beobachtet, war die neurogene Dysphagie eine Erkrankung er-
die sich jedoch schnell spontan zurückbildeten. höhten Lebensalters (Altersmaximum zwischen 70
Bei einem anamnestisch geringen Verdacht auf und 79 Jahren).
Aspiration werden zunächst einige Schluck Wasser Bei etwa 78% dieser Patienten bestand eine mehr
gereicht, wobei das Schluckvolumen von 2 auf 15 ml oder weniger stark ausgeprägte tracheale Aspira-
gesteigert wird. Dies kann zunächst im Röntgenraum tionsneigung. Wegen der unterschiedlichen Pathoge-
ohne Durchleuchtung oder auch mit Durchleuchtung nese und dem daraus resultierenden unterschied-
geschehen. Kommt nach 3–5 „Probeschlucken“ im lichen Therapieansatz werden 3 Formen der Aspira-
lateralen Strahlengang zu keiner Aspiration, erfolgt tion abgegrenzt:
die Untersuchung mit einer Bariumpräparation mitt-
∑ die so genannte prädeglutitive Aspiration, d. h.
lerer Viskosität (z. B. Micropaque flüssig).
eine Aspiration vor der Triggerung des Schluck-
Bei einer klinischen Vorgeschichte, die das Vorlie-
reflexes,
gen einer latenten oder manifesten chronischen Aspi-
∑ die intradeglutitive Aspiration, die während der
ration vermuten lässt, wie z. B. gehäufte Pneumonien
Schluckreflextriggerung auftritt, und
oder Bronchitiden bzw. die Angabe, dass der Patient
∑ die so genannte postdeglutitive Aspiration nach
während der Nahrungsaufnahme gelegentlich husten
Triggerung des Schluckreflexes.
muss, wird die oben beschriebene Untersuchung mit
Barium angeschlossen: ein so genannter „Stresstest“ Die neurologischen Grundkrankheiten der von uns
mit sehr dünnflüssigem Kontrastmittel, z. B. Micro- untersuchten Patienten sind in Tabelle 3.6 zusam-
paque flüssig 1:5 mit Wasser verdünnt. Der Patient mengestellt.
wird aufgefordert, etwa 200 ml dieser Lösung so So hilfreich die Differenzierung zwischen prä-, in-
schnell wie möglich zu trinken. Durch diese Absen- tra- und postdeglutitiver Aspiration für den thera-
kung der Viskosität lässt sich in der Regel eine Aspi- peutischen Ansatz ist (Tabelle 3.7), so selten lässt
ration leichter provozieren. Insbesondere zum Aus- sich jede Aspirationsform einer bestimmten Gruppe
schluss einer myasthenischen Reaktion ist das Stress-
trinken geeignet. Oft lässt sich erst in der Ermü- Tabelle 3.6. Neurologische Grundkrankheiten als Ursache
dungsphase eine latente Aspiration nachweisen. einer Dysphagie
Region Krankheit
CAVE ! Von der Verwendung hyperosmolarer
wasserlöslicher Kontrastmittel, wie Zerebrum Ischämischer bzw. hämor-
z. B. Gastrografin, ist bei aspirationsgefährdeten Pa- rhagischer Infarkt
tienten aufgrund der Hyperosmolarität und der Schädel-Hirn-Trauma
Enzephalitis
dadurch möglichen pulmonalen Komplikationen, Neoplasie
die bis zum letalen Lungenödem reichen können,
Hirnstamm Pseudobulbärparalyse
dringend abzuraten. Hirnstamminsult
Diffuse Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose,
Epidemiologie der Motoneurone multiple Sklerose
Nach amerikanischen Statistiken versterben 6–30% Postpoliosyndrom oder
der Patienten mit zerebrovaskulären Insulten inner- Multiinfarktsyndrom
halb des ersten Krankheitsjahres an einer chroni- Extrapyramidale Morbus Parkinson
schen Aspirationspneumonie (Logemann 1979). Fer- Syndrome Chorea-Huntington
ner fanden wir bei einer europäischen Studie in Myopathien Polymyositis
Altersheimen eine vorher nicht beachtete Prävalenz Viruskörpereinschlussmyopathie
Andere
von Schluckstörungen in knapp 30% (Ekberg et al.
80 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Tabelle 3.7. Differenzialdiagnose und Differenzialtherapie der Aspiration. (Aus Hannig 1995)
Stimulation des sensorischen Imputs Training der Larynxelevation Postdeglutitiv forcierte Exspiration
Thermosondenstimulation „Supraglottisches Schlucken“ Kopfneigung zur paretischen Seite
Stimulation der oralen Motorik Schlucktraining mit rheologisch Evtl. operative Pharynxraffung
angepasster Nahrung
Anteflexion Reduktion des Sphinkterspasmus
Dekantation
Tonisierungsübungen Myotomie des oberen Ösophagus- Evtl. Myotomie des oberen
sphinkters Ösophagussphinkters
Modifizierung der Nahrungsrheologie
triculus laryngis retinierte Kontrastmittel in die Tra- Festlegung des Schweregrades einer Aspiration
chea über (Aspiration Grad I). Die Menge des Aspi- In der uns bekannten Literatur ist keine radiologi-
rats ist durch das Volumen dieser Laryngealräume sche Einteilung des Schweregrades einer Aspiration
limitiert, weshalb nie massive Aspirationen beobach- beschrieben. Basierend auf röntgenkinematographi-
tet werden können. schen und videofluoroskopischen Funktionsanalysen
Diese von uns unter dem Begriff laryngeale der oben genannte Patienten wurde von uns eine
Penetration (s. oben) subsummierten Dysfunktionen Klassifikation der Aspiration in 4 Schweregrade vor-
führen bei episodenhaftem Auftreten in der Regel zu genommen (Tabelle 3.8):
keiner klinisch relevanten trachealen Aspiration. Sie
verdienen dennoch Aufmerksamkeit, da es beim Auf-
treten einer zusätzlichen Funktionsstörung, wie z. B. Tabelle 3.8. Schweregrad der Aspiration
einer Pharynxentleerungsstörung zur Dekompen-
sation dieser vikariierenden Atemschutzfunktionen Grad Aspiration Hustenreflex
kommen kann. I Aspiration des im Aditus
In Übereinstimmung mit Ekberg (1982) und Cur- laryngeus retinierten Bolus Erhalten
tis u. Hudson (1987) wird von uns die Penetration II Aspiration <10% Erhalten
weiter unterteilt in ein Eindringen des Kontrastmit- III Aspiration >10% Erhalten
tels in lediglich das subepiglottische oder supra- Aspiration <10% Nicht erhalten
glottische Segment. Letzteres ist als bedrohlicher IV Aspiration >10% Nicht erhalten
anzusehen
82 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
3.8.1
Formen der Aspiration
Prädeglutitive Aspiration
Diagnose und Pathomechanismus
왔 Bei der prädeglutitiven Aspiratioin ist
Definition
die orale Boluskontrolle gestört. Da-
durch kommt es zu einem vorzeitigen Übertritt des
Kontrastmittels in die Valleculae und in die Sinus
piriformis.
Abb. 3.64 a–f. Prädeglutitive Aspiration, Sequenz. 60-jährige rynxkontraktion (weiße Pfeilspitze) gelangt das Kontrastmittel
Patientin mit Zustand nach linksseitigem Mediainfarkt. durch den bereits gefüllten Hypopharynx in den Aditus laryn-
a, b Vorzeitiger KM-Eintritt in die Valleculae und Recessus gis (schwarzer Pfeil) und verursacht eine tracheale Aspiration
piriformis (schwarze Pfeilspitzen). c–f Vor Einsetzen der Pha-
gelangen. Häufig konnte auch eine Kombination rung in Anteflexion und die nachfolgende Dekanta-
von Störungen der Zungenmotorik mit sensorischen tion sowie Übungen zur oralen Boluskontrolle und
Defiziten der Schluckreflextriggerung beobachtet eine Modifikation der Nahrungsrheologie empfeh-
werden. lenswert. Dies ist Aufgabe speziell ausgebildeter
Logopäden.
Therapie
Entsprechend der röntgenologisch-dynamisch erfas- Intradeglutitive Aspiration
sten Dysfunktionen wird sich das therapeutische Diagnose und Pathomechanismus
Schema mehr auf das Training der Oralmotorik oder Die intradeglutitive Aspiration (Abb. 3.66 a–d) weist
auf die Behandlung des Schluckreflexes konzentrie- häufig folgende Trias auf:
ren (Hannig 1995).
∑ schwache oder aufgehobene Pharynxkontraktion,
So wird z. B. bei der prädeglutitiven Aspiration, die
∑ gestörte Ventrokranialbewegung des Larynx und
durch eine Reduktion des sensorischen Inputs verur-
dadurch verzögerter Epiglottisschluss sowie
sacht ist, die Thermosondenstimulation angewandt.
∑ eine Öffnungsstörung bzw. eine Spastik des obe-
Diese besteht in einer Betüpfelung der sensorischen
ren Sphinkters.
oralen Triggerareale mit Eis und anschließender
Gabe von eiskalter karbonisierter Flüssigkeit. Das Das im Pharynx aufgestaute Kontrastmittel kann bei
Ergebnis dieser Therapieform wird in Abb. 3.65 a–f insuffizientem Glottisschluss in die Trachea „über-
vorgestellt. Bei Störungen der oralen Motorik sind schwappen“. Je später der Verschluss des Vestibulum
zur Tonusnormalisierung die Aufnahme der Nah- laryngis und der Glottis zustande kommt, desto
84 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Abb. 3.65 a–f. 55-jähriger Patient mit prädeglutitiver Aspira- e Epiglottis) c Massive Aspiration bereits vor Beginn der Pha-
tion bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma. a Ausgeprägter rynxkontraktion (weiße Pfeilspitze; Aspiration: schwarze Pfei-
KM-Übertritt über den Zungengrund in die Valleculae und le, g Glottis). d–f Zustand nach Thermosondenstimulationsbe-
den Hypopharynx (schwarze Pfeile). b Noch vor der Pharynx- handlung. Nur noch minimale laryngeale Penetration (schwar-
kontraktion Eintritt des Kontrastmittel in das Vestibulum la- ze Pfeilspitze) ohne tracheale Aspiration
ryngis und in den subepiglottischen Raum (schwarzer Pfeil;
schwerer ist das Ausmaß der intradeglutitiven Aspi- schriebene Trias der Motilitätsstörungen muss bei
ration. In Übereinstimmung mit anderen Autoren der intradeglutitiven Aspiration nicht immer erfüllt
wurde eine intradeglutitive Aspiration besonders bei sein. Entscheidende pathogenetische Faktoren sind
Hirnstammläsionen verschiedener Art beobachtet der defiziente Glottisschluss und die verspätete oder
(Hannig 1995). Durch eine Schädigung des N. vagus inkomplette Larynxelevation.
im Bereich des Ganglion nodosum vor dem Abgang
des N. laryngeus superior wird eine schlaffe Stimm- Therapie
bandlähmung verursacht, da sowohl die inneren Neben Übungen zur Verbesserung der Larynxeleva-
Kehlkopfmuskeln als auch der an der Stimmband- tion (so genanntes Mendelsohn-Manöver; Abb. 3.67)
spannung beteiligte M. cricoarytaenoideus ausfallen. und thermaler Schluckreflexstimulation kann hier
Eine Lähmung des N. hypoglossus beeinträchtigt der von Logemann (1979) eingeführte so genannte
die axiale Kompression des Larynx unter den Zun- supraglottische Schluck therapeutisch zur Anwen-
gengrund und damit ebenfalls den Verschluss des dung kommen. Sinnvoll ist auch hier ein Schlucktrai-
Vestibulum laryngis (Brühlmann 1985). Die oben be- ning mittels physiologisch angepasster Nahrung. Bei
3.8 Neurologisch bedingte Funktionsstörungen des Pharynx und des Ösophagus 85
Postdeglutitive Aspiration
Diagnose und Pathomechanismus
Bei der postdeglutitiven Aspiration funktioniert der
Abb. 3.67. Mendelsohn-Manöver. Durch die prolongierte La- Verschlussmechanismus während des Schluckaktes
rynx-Ventral-Kranial-Bewegung wird die passive Öffnung des regelrecht. Die Ursache dieser Schluckstörung ist ei-
oberen Ösophagussphinkters erleichtert. Als Rest der Aspira- ne vermehrte Retention von Speise- bzw. Kontrast-
tion besteht eine Penetration in den Aditus laryngis Grad II
mittelresten in den Valleculae und noch bedrohlicher
in den Recessus piriformis bei neurogener oder myo-
gener Pharnyxdilatation (Abb. 3.68 a–f).
86 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Abb. 3.68 a–f. Postdeglutitive Aspiration. a Bereits in der Sphinkteröffnungsstörung Überlauf des Kontrastmittels nach
Ruhephase vor dem Schluckakt erkennt man eine KM-Reten- kontralateral (schwarze Pfeile). f Bei der „Umschaltung“ auf
tion im rechten Hypopharynx. b Beginn der Pharynxkontrak- Respiration kommt es zu einer massiven Aspiration des supra-
tion mit Ausbildung einer rechtsseitigen Pharyngozele und glottisch retinierten Kontrastmittels (schwarzer Pfeil)
KM-Retention rechts (schwarze Pfeile). c, d Bei gleichzeitiger
Nach Ablauf des Schluckreflexes kommt es bei Pharynxdilatation beruhen (wie Dermatopolymyo-
„Umschaltung“ auf Atmung zu einer Dorsal-Kaudal- sitis o. Ä.).
Bewegung des Larynx und dadurch zu einer Verklei- Besonders häufig findet sich die postdeglutitive
nerung des hypopharyngealen Reserveraums, wo- Aspiration bei neuromuskulären Erkrankungen mit
durch das retinierte Material durch die sich wieder einer verminderten Transport- und Entleerungs-
öffnende Glottis aspiriert wird. Im Extremfall kommt funktion des Pharynx (Brühlmann 1985).
es bereits vor der Dorsal-Kaudal-Bewegung des
Larynx zu einem Überlaufen des hypopharyngeal Therapie
aufgestauten Kontrastmittels zwischen den Ary- Als konservative Maßnahme kommt ein Atem-
höckern in Richtung auf den Aditus laryngis. training mit einem willkürlich verstärkten Glottis-
Pathophysiologisch liegt dieser Aspirationsform schluss und mit einer postdeglutitiv forcierten
eine meist schwache pharyngeale Peristaltik oder Exspiration in Frage, das so genannte supra-supra-
eine Hypertonie bzw. Öffnungsstörung des oberen glottische Schlucken, welches von Logemann (1979)
Ösophagussphinkters zugrunde. Auch Formen einer entwickelt wurde (Abb. 3.69 a–d). Bei einseitigen
passiven Überdehnung des Pharynx mit passageren Pharynxparesen kann durch positionelle Maßnah-
Pharyngozelen oder eine myogene Dilatation bzw. men, wie z. B. eine Kopfneigung und eine Drehung
eine Schwächung der Pharynxmuskulatur werden des Kopfes zur kranken Seite, eine gewisse Besserung
vereinzelt beobachtet und sind unter der Bezeich- erzielt werden. In schweren Fällen ist eine operative
nung „Trompetenbläserkrankheit“ in die Literatur Pharynxraffung indiziert.
eingegangen (Hannig et al. 1987 a,b). Außerdem kön- Bei einer gleichzeitigen Öffnungsstörung des obe-
nen sie auf einer myogenen Grunderkrankung mit ren Ösophagussphinkters sollte auch hier bei einer
3.8 Neurologisch bedingte Funktionsstörungen des Pharynx und des Ösophagus 87
manometrischen gesicherten Spastik bzw. gestörter dingten Aspirationsformen ist die Symmetrie des
schluckreflektorischer Öffnung eine Myotomie dis- Pharynxbefalls. Es bestand eine ausgeprägte Dyski-
kutiert werden. nesie des oberen Ösophagussphinkters mit gehäuft
Die prä-, intra- und postdeglutitive Aspiration ist auftretenden subtotalen obstruktiven Episoden so-
nicht immer einer bestimmten neurogenen Grund- wie einer intra- und postdeglutitiven Aspiration des
erkrankung zuzuordnen. Schweregrades III bis IV, wie in den kinematographi-
schen Sequenzen Abb. 3.70 a–d erkenntlich. Trotz der
Mischformen der Aspiration schwachen Pharynxkontraktilität, die für die myo-
Diagnose und Pathomechanismus gene Grunderkrankung typisch ist, entschloss man
der kombinierten Aspiration sich zu einer Myotomie des oberen Ösophagus-
In etwa 25% des von uns untersuchten neurologi- sphinkters. Die Patientin erholte sich im Verlauf
schen Krankengutes lag nicht eine alleinige intra-, weniger Wochen vollständig und erreichte wieder ihr
prä- oder postdeglutitive Aspiration vor, sondern es Normalgewicht.
kam auch häufig zu Mischformen. Seltene Ursachen für eine fehlende schluckreflek-
Eine kombinierte intra- und postdeglutitive Aspi- torische Erschlaffung des oberen Ösophagussphink-
ration fand sich bei einer 60-jährigen Patientin mit ters, die so genannte zervikale Achalasie, sind Folgen
einer Dermatopolymyositis. Es bestand zum Zeit- von vorausgegangenen multiplen Infarkten und oder
punkt der Röntgenuntersuchung eine komplette vorausgegangene Infektionskrankheiten (Dyphthe-
Aphagie und eine Kachexie mit einer Abmagerung rie, Post-Poliomyelitis-Syndrom).
auf 30 kg binnen weniger Wochen. Durch die dyna- Dieser pathologische Befund am oberen Ösopha-
mische Röntgenuntersuchung ließ sich ein ausge- gussphinkter wird überwiegend bei Patienten in hö-
dehnter Pharynxbefall im Rahmen der Grund- herem Lebensalter beobachtet. Man erkennt eine aus-
erkrankung bestätigen. Typisch für die myogen be- geprägte Sphinkterprominenz während des Schluck-
88 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
aktes, d. h. des Muskelwulstes des M. cricopharyn- Es handelt sich um eine 83-jährige Patientin mit
geus, der sich während des Schluckaktes in die Kon- einer Struma maligna und relativ akut einsetzenden
trastmittelsäule des PE-Segments vorwölbt. Dies dysphagischen Beschwerden, die sich bis zum Zeit-
kann entweder im Sinne einer verzögerten Öffnung punkt der Untersuchung innerhalb von 5 Tagen bis
als passageres Ereignis geschehen oder während der zur Aphagie gesteigert hatten (Abb. 3.72 a–f). Die
ganzen Schluckphase im Sinne einer so genannten Patientin verstarb 3 Tage nach der Untersuchung,
zervikalen Achalasie bzw. einer fehlenden schluck- sodass die dringend indizierte zervikale Myotomie
reflektorischen Erschlaffung beobachtet werden. zur Beseitigung des Passagehindernisses nicht mehr
Häufig kann gleichzeitig eine Achalasie der unteren durchgeführt werden konnte. Wie die Sektion ergab,
Ösophagussphinkters (Abb. 3.71 a, b) und eine Öff- handelte sich um eine Infiltration der Struma malig-
nungsstörung der Papilla Vateri angetroffen werden. na in die pharyngealen Nervenplexus, die überwie-
Eine sehr fortgeschrittene zervikale Achalasie gend vagal den oberen Sphinkter innervieren, d. h.
fand sich bei einer gleichzeitigen neurologischen dessen inhibitorische Neurone inhibieren.
Störung:
3.8 Neurologisch bedingte Funktionsstörungen des Pharynx und des Ösophagus 89
zen wurde zusammen mit den kollabierenden HNO- schnitt mit 2 Nähten angeschlungen und eine er-
Kollegen die Indikation zur operativen Larynxeleva- neute Röntgenkinematographie unter kranioventra-
tion gestellt. Um die operativen Schritte mit aus- len Zug am Hyoid durchgeführt. Dabei zeigte sich,
reichender Sicherheit festzulegen zu können, wurde dass bei dieser künstlich hervorgerufenen Larynxbe-
in Zusammenarbeit mit den kollabierenden HNO- wegung nur noch eine geringe Menge Kontrastmittel
Kollegen das Zungenbein nach einem kleinen Haut- während des Schluckaktes in den Aditus laryngis
3.8 Neurologisch bedingte Funktionsstörungen des Pharynx und des Ösophagus 91
Abb. 3.75 a–d. 42-jährige Patienten mit Zustand nach opera- Drucks verursacht. Bei intaktem Trigeminuskern zeigt sich
tiv-traumatischer Läsion der unteren Hirnnervengruppen, eine Deformierung des weichen Gaumens im Sinne einer so
insbesondere Läsion im Bereich des 7., 9. und 10. Hirnnerven. genannten „Tensor-Levator-Imbalance“. d Gleichzeitig voll-
a, b Der weiche Gaumen ist paretisch, eine geringe Menge Kon- führt der M. constrictor pharyngis superior durch eine mas-
trastmittel entweicht vorzeitig über den Zungenrücken sive Ventralexkursion einen frustranen Kompensationsver-
(so genanntes „leaking“). c Der Nasopharynxabschluss ist such zum Abschluss des Nasopharynx (schwarze Pfeilspitze).
insuffizient – beim Schluckvorgang presst der Zungengrund Typisch ist auch die hantelförmige Deformierung des weichen
das Kontrastmittel in den Nasopharynx. Dies wird durch den Gaumens bei dieser gemischten Innervationsstörung (5. und
im Oropharynx unter Mithilfe des Zungengrundes aufbauten 7. Hirnnerv)
wiederum eine Kompensation der nichtlädierten Kennzeichen für eine rein myogene Pharynxkon-
Seite über die Mittellinie hinweg zu erkennen ist traktionsschwäche ist, wie im Fallbeispiel der Patien-
(Abb. 3.76 a, b). tin mit Dermatopolymyositis dargestellt, ein symme-
So können die pharyngealen Konstriktormuskel- trischer Kontraktionsverlust der beteiligten Muskel-
gruppen im Rahmen einer neurologischen Erkran- gruppen.
kung uni- oder bilateral und in unterschiedlicher Ein Beispiel einer Patientin mit einer Hemiparese
Höhe betroffen sein, d. h. es kann isoliert z. B. des Pharynx und einer Epiglottiskippung zur pareti-
der M. constrictor pharyngis medius bei intaktem schen Seite wird in Abb. 3.77 a–d und Abb. 3.78 a,b
M. constrictor pharyngis inferior eine Lähmung oder vorgestellt.Anamnestisch gab sie ein langandauerdes
auch eine Spastik aufweisen. Globusgefühl und eine nachfolgende Festkörperdys-
phagie an.
94 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Aufgrund der kinematographischen Untersu- myogene Dysfunktionen oft durch eine adäquate
chung, die in Abb. 3.77 a–d dargestellt ist, wurde der Medikation geheilt werden können.
Verdacht auf eine einseitige basale Hirnnerven-
parese geäußert und eine MRT durchgeführt (vgl.
Abb. 3.78 a, b). Merke ! Da im Falle einer vagalen Dysfunk-
tion nicht nur der oberen Ösopha-
Der Tumor wurde mittlerweile entfernt und die gussphinkter, sondern auch der tubuläre Ösophagus
Diagnose histologisch gesichert. in seiner Reinigungsfunktion beeinträchtigt ist,
Der Tumor war auf den 9. Hirnnerven begrenzt. sollte eine Myotomie des oberen Ösophagussphink-
Die Funktionsbeeinträchtigung des Vaguskerns ters nur in ausgewählten Fällen bei Affektion dieses
rechts ließe sich durch die Tumorkompression auf Nervens durchgeführt werden.
den 10. Hirnnerv erklären.
Ferner ist auch der 9. Hirnnerv über den Plexus Die relative Kontraindikation besteht in der Tatsache,
pharyngeus an der nervalen Versorgung des Hypo- dass nach Dilatation oder Myotomie des PE-Seg-
pharynx beteiligt (s. Abschn.„Physiologie“). ments im Falle eines ösophagopharyngealen Refluxes
Neben den neurogenen rein pharyngealen Störun- eine pharyngotracheale Aspiration vor allem in der
gen, kann auch eine insuffiziente oder asymmetrische Nacht auftreten kann.
Larynxelevation auf dem Boden einer Innervations- Zwar ist es möglich, eine passive Öffnung des
störung der extrinsischen Larynxmuskulatur oder oberen Ösophagussphinkters durch das Mendel-
einer myogenen Affektion der extrinsischen Larynx- sohn-Manöver, eine willentlich prolongierte Larynx-
muskulatur eine Dysphagie verursachen. anhebung und Larynxventralbewegung, zu erleich-
Die einseitige Pharynxpassage und der reduzierte tern – im Falle einer Spastik des oberen Ösophagus-
Tonus des Hemipharynx sind Zeichen für eine einsei- sphinkters ist jedoch eine solche konservative Thera-
tige zerebrale oder medulläre Läsion. Ein symmetri- pie nur relativ selten erfolgreich.
scher Pharynxbefall kann durch eine neuromuskulä- Weiterreichende rekonstruktive chirurgische Maß-
re Erkrankung verursacht sein (Wuttge-Hannig u. nahmen sollten auf solche Patienten beschränkt
Hannig 1995). Dilatationen des Hypopharynx treten bleiben, welche auch währende einer längerdauern-
häufig bei Trompetenbläsern und Sängern auf und den (mehrmonatlichen) konservativen rehabilitati-
sind generell auch bilateral (Pharyngozele). ven Schlucktherapie keine bessere Funktion erlangt
Mit Einschränkung ist auch die Identifikation haben. Bei diesen Patienten bleibt häufig als Mittel
und Differenzierung zwischen myogener, neurogener der letzten Wahl die Separation des Schluck- vom
oder refluxinduzierter ösophagealer Peristaltikstö- Atemweg. Diese kann von der Anlage eines Tra-
rungen möglich. Tabelle 3.9 zeigt einen Leitfaden zur cheostomas bis zu einer Laryngektomie mit einer
Differenzierung dieser 3 Grundtypen der Dysphagie eventuellen Anlage einer Sprechprothese reichen.
(Wuttge-Hannig u. Hannig 1995). Die Refluxepiso- Zusammenfassend liegt der größte Vorteil der
den bei diesen Patienten stehen möglicherweise dynamischen Aufzeichung des Schluckaktes in der
auch im Zusammenhang mit einer Dysfunktion der Identifikation des Pathomechanismus einer Aspira-
10. Hirnnervens. Dies ist insofern von Bedeutung, als tion und der Festlegung des Schweregrades derselben.
96 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
1. Mundhöhle:
Lippenschluss gestört Ja Nicht typisch Negativ
Mastikation gestört Ja Nicht typisch Negativ
Bolusaufladung auf der Zunge Einseitig Symmetrisch Symmetrisch
Bolusformung zwischen hartem weichen Gaumen
und Zungenrücken Gestörta Störung möglich Negativ
Unwillkürlicher Bolusübertritt aus Mundhöhle Jaa Ja Nein
2. Pharynx:
Verspätete Triggerung des Schluckreflexes Jaa Möglich Nein
Nasopharyngealer Abschluss pathologisch Möglich Möglich Nein
Epiglottiskippung nicht horizontal Möglich Nein Nein
Epiglottisschlusszeit Evtl.verspätet Evtl. verspätet Normal
Epiglottisrelaxationszeit Verlängert Verlängert Normal
Oder vorzeitiga,b Oder vorzeitig Normal
Larynx-Kranialbewegung Vermindert oder fehlt Normal
Auch einseitigb,c Symmetrisch
Larynx-Ventralbewegung Vermindert oder fehlt Normal Normal
Auch einseitigb,c Symmetrisch
Verschluss des Aditus laryngis fehlt Häufigb Fast immer Normal
Einseitige Pharynxpassage Häufigb,c Nie Normal
Pseudotumoreffekt Auch einseitigb,c Symmetrisch Normal
Retention in den Valleculae Auch einseitigb,c Symmetrisch Einseitig möglich
Retention in den Recessus piriformes Auch einseitigc Symmetrisch Einseitig möglich
Pharynxperistaltik Abgeschwächt Abgeschwächt Normal
Teile der Muskula- Die ganze Muskula-
tur betreffend tur betreffend
Pharynx-Peristaltikzeit Verlängertb,c Verlängert Selten verlängert
Pharynx-Passagezeit Verlängertb,c Verlängert Selten verlängert
3. Oberer Ösophagussphinkter:
Verspätete Öffnung des oberen Ösophagussphinkters Häufigb,c Dyskinesie Häufig
Vorzeitiger Schluss des oberen Ösophagussphinkters Häufigc Dyskinesie Häufig
Inkomplette Öffnung des oberen Ösophagussphinkters Häufigb,c Fast immer Selten
Koordination des oberen Ösophagussphinkters
mit der peristaltischen Welle im Pharynx Fehlt häufig Fehlt fast immer Normal
Verbesserung des Schluckens
durch Drehbewegungen des Kopfes Oftc Nein Nein
4. Ösophagus:
Funktionelle Passagebehinderung Oft Oft Bei Reflux primäre
Motilitätsstörungen
Segmentale/etagenartige Kontraktionen Selten Selten (S. oben)
Verzögerter ösophagogastrischer Übergang Selten Selten Refluxassoziierte
Motilitätsstörung
Achalasie usw.
Hierbei bedeuten:
a Prädeglutitive Aspiration.
b Intradeglutitive Aspiration.
c Postdeglutitive Aspiration.
3.9 Divertikel des Pharynx und des Ösophagus 97
3.9
Divertikel des Pharynx und des Ösophagus
3.9.1
Pharyngeale Divertikel
Zenker-Divertikel
Das erste Divertikel des pharyngoösophagealen Abb. 3.79. Mögliche Ausstrittspforten von Divertikeln, ge-
zeichnet nach Perrott (1962)
Übergangs wurde im Jahre 1767 von Ambraham Lud-
low beschrieben.
Die erste systematische pathologisch-anatomische
Untersuchung der Pulsionsdivertikel des Pharynx Killian war der erste Autor, der in seinen Über-
verdanken wir Zenker und von Ziemssen (Zenker u. legungen zur Pathogenese der Zenker-Divertikel der
v. Ziemssen 1878). Region des oberen Ösophagussphinkters eine ent-
In einem grundlegenden Lehrbuchkapitel be- scheidende Bedeutung zumaß. Dies belegt das Zitat
schreibt Zenker 32 Fälle der später nach ihm benann- aus seiner Arbeit Über den Mund der Speiseröhre aus
ten pharyngoösophagealen Übergangsdivertikel. Er dem Jahr 1908. Hier schreibt er: „Im übrigen halte
bezeichnete sie als Schleimhauthernien oder auch ich es für erwiesen, daß von seltenen Ausnahmen ab-
Pharyngozelen, da die von ihm untersuchten Präpa- gesehen, die Pulsionsdivertikel des Hypopharynx
rate offenbar kaum Muskelfasern aufwiesen. Die Aus- Krampfzuständen des Speiseröhrenmundes ihre Ent-
trittsstelle der Divertikel lokalisierte er zwischen die stehung verdanken“ (Killian 1908).
Fasern des M. constrictor pharyngis inferior. Zenker In den darauf folgenden Jahrzehnten wurden –
hielt die lokale Wandschwäche im hinteren Teil dieses insbesondere nach Einführung der Manometrie – die
Muskels für den wichtigsten äthologischen Fraktor. verschiedensten, z. T. kontroversen Theorien zur
Als auslösende Ursache der Divertikelbildung nahm Pathogenese des Zenker-Divertikels publiziert. Das
er steckengebliebene Fremdkörper oder stenosieren- Interesse der meisten Autoren konzentrierte sich auf
de Läsionen an. den oberen Ösophagussphinkter.
Die muskulären Verhältnisse am M. constrictor Die zunächst ebenfalls diskrepanten Ansichten
pharyngis inferior wurden 1908 durch Killian weiter über die anatomischen Verhältnisse an der Pharynx-
geklärt. Er konnte im M. cricopharyngeus eine obere hinterwand und dem pharnygoösophagealen Über-
schräge (Pars obliqua) und eine untere horizontale gang dürften seit der grundlegenden Arbeit von
(Pars fundiformis) Muskelfaseranordnung identifi- Perrott (1962) als geklärt gelten (Abb. 3.79; vgl.
zieren. Zwischen diesen Muskelanteilen war die Abb. 3.3 a–d).
pharyngobasilare Faszie der Pharynxhinterwand nur
spärlich mit Muskelfasern gedeckt. Diese hypopha-
ryngeale „Schwachstelle“ wird heute als Killian-
Dreieck bezeichnet.
98 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Abb. 3.80. Zenker-Divertikel Grad I nach Brombart mit dorn- Abb. 3.81. Zenker-Divertikel Grad III nach Brombart mit ei-
artiger Aussackung kranial der Pars horizontalis des M. crico- nem sackförmigen, den Ösophagus nicht verdrängenden
pharyngeus Blindsack, welcher Kontrastmittel retiniert
Größere Zenker-Divertikel enthalten oft Luft, Spei- nen heftige Dysphagien verursachen, die in der Regel
chel oder Nahrungsreste ferner geschluckte Festkör- auf einer Dysfunktion des oberen Ösophagussphink-
per wie z. B. Pillen, die dann oft tage- bis wochenlang ters beruhen, während größere Divertikel manchmal
in dem Divertikelsack verweilen. Die dadurch be- symptomlos bleiben.
dingte inkonstante Resorption oral verabreichter Ein weiteres häufiges Symptom ist das Globusge-
Pharmaka ist bei der Medikation von Zenker-Diver- fühl im Sinne eines ständig vorhandenen Fremdkör-
tikel-Patienten unbedingt zu berücksichtigen. per- bzw. Kloßgefühls im Hals, welches 41% unserer
Patienten beschrieben. Häufig fühlen die Patienten
CAVE ! Die Pharmakokinetik von oral appli-
zierten Medikamenten kann durch
auch ein Gurgeln, welches durch Turbulenzen im
Divertikelsack verursacht wird. Die hierdurch beim
große Zenker-Divertikel beeinträchtigt sein. Ferner Patienten hervorgerufene Verunsicherung führt
besteht bei der Ingestion von schleimhautirritieren- nicht selten zur sozialen Abkapselung des Divertikel-
den Substanzen wie Acetylsalicylsäure oder z. B. trägers.
Tetrazyklin die Gefahr einer Ulzeration bis zur Perfo- Der zervikale Ösophagus und der Larynx können
ration des Divertikels. sowohl durch die Größe des Divertikels als auch
durch eine eventuelle postentzündliche Adhäsion in
Klinik ihrer Kranial-Ventral-Bewegung behindert sein. Dies
Das Zenker-Divertikel ist vor allem eine Krankheit kann eine weitere Ursache für Aspirationen darstel-
des höheren Lebensalters. Die Beschwerden und len. So ist im Rahmen der entzündlichen Verände-
Symptome entwickeln sich meist langsam über meh- rungen ein Verlust der zirkulären Elastizität des kra-
rere Jahre hinweg, sodass die Patienten oftmals erst nialen tubulären Ösophagus möglich. Durch diese
nach beträchtlicher Zeit einen Arzt konsultieren. Das Faktoren kann der Boluseintritt in die Speiseröhre
Auftreten eines Divertikels bei Patienten <40 Jahren erschwert werden. Im Extremfall kann es bei einer
ist eine Seltenheit (Henderson 1976). Divertikelperforation zu einer Mediastinitis kom-
Das häufigste Symptom ist die Dysphagie. Sie lag men, da die Ausbreitung im Retropharyngealraum
in unserem Patientengut bei 60%. Die Patienten ga- unbehindert bis zum Zwerchfell möglich ist.
ben meist an, sie hätten das Gefühl, die Speisen blie- Eine seltenere, wohl ebenfalls auf chronisch-ent-
ben im unteren Anteil des Rachens hängen, und sie zündliche Schleimhautveränderungen infolge der
benötigten mehrere Schlucke, um sie herunterspülen Stase im Divertikel zurückzuführende Komplikation
zu können. Ferner kommt es relativ häufig zur Re- ist die maligne Entartung. Ihre Inzidenz beträgt
gurgitation des Divertikelinhalts, gelegentlich auch 0,3–1% (Enterline u. Thompson 1976).
mit nächtlichen Aspirationen.
Ein weiteres häufiges Symptom ist der Globus Zenker-Divertikel und Dysfunktion
pharyngis im Sinne eines ständig vorhandenen des oberen Ösophagussphinkters
Fremdkörpergefühls im Hals, welches bei 35% unse- Prinzipiell sind 4 Formen der Dysfunktion des obe-
rer Patienten vorlag. ren Ösophagussphinkters möglich:
In selteneren Fällen kann die Heiserkeit auch
∑ vorzeitiger Schluss,
durch einen Druck des Divertikels auf den N. recur-
∑ verspätete Öffnung,
rens verursacht sein.
∑ inkomplette Öffnung,
Eine häufige, nicht selten lebensbedrohliche Kom-
∑ fehlende Öffnung.
plikation von Pulsionsdivertikeln ist die chronische
Aspirationspneumonie, welche durch Aspiration von Wir fanden bei 92% unserer Patienten mit Zenker-
Divertikelinhalt inbesondere in der Nacht von der Divertikeln einen vorzeitigen Schluss des oberen Öso-
liegenden Position hervorgerufen wird. Die konseku- phagussphinkters, d. h. bei diesen Patienten war vor
tive Ausbildung von Lungenabszessen ist beschrie- Ankunft der pharyngealen peristaltischen Schnür-
ben. welle eine Ventralbewegung des M. cricopharyngeus
Bei großen Divertikeln wird der Ösophagus durch erkennbar. Dieser verfrühte Sphinkterschluss wird
die Ausdehnung des dorsal herunterhängenden Sa- als Hauptursache für die Divertikulogenese angese-
ckes unterschiedlich stark komprimiert, wodurch hen.
eine Passage der aufgenommenen Nahrung erschwert Das Zeitintervall des vorzeitigen Sphinkterschlus-
bzw. unmöglich gemacht wird. Dies kann bis zur ses errechnete sich aus der Zeitspanne von Beginn
totalen Aphagie sowie zu starken Gewichtsverlust der Ventralbewegung des Sphinkters bis zur Ankunft
und zu einer Exsikkose führen. der peristaltischen Welle am oberen Sphinkter. Auf-
Bemerkenswerterweise ist die Intensität der fällig ist eine Zunahme des Zeitintervalls dieser vor-
Schluckbeschwerden nicht proportional zur Größe zeitigen Schlussbewegung von 217 ms im Zenker-
des Divertikels: Kleine, inkonstante Divertikel kön- Stadium I kontinuierlich auf 378 ms im Zenker-Stadi-
100 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Tabelle 3.10. Grad der Zenker-Divertikel in Abhängigkeit von ggf. die Therapie der oft ursächlichen ösophagealen
der Vorzeitigkeit des Schlusses des oberen Ösophagussphink- Grunderkrankung wie z. B. einer Refluxerkrankung.
ter (ms)
Gerade in den Stadien I und II sind diagnostische Be-
Grad Minimal Median Maximal mühungen zur Aufdeckung von funktionellen und
morphologischen Veränderungen am tubulären Öso-
I 370 30 phagus zu fordern, da ihrer Fortentwicklung z. B.
II 480 40 40 durch eine Antacida-Therapie entgegengewirkt wer-
III 610 20 30 den kann. Eine Sanierung der Ursachen der Funk-
IV 800 40 50 tionsstörung des oberen Ösophagussphinkters ver-
hindert zumindest eine weitere Größenzunahme
dieser frühen inkonstanten Zenker-Divertikel.
Die einzige Therapie bei Patienten mit einem
um IV. Diese Steigerung war statistisch signifikant symptomatischen Zenker-Divertikel Grad III oder IV
(p=0,001; Tabelle 3.10). ist die Operation, da es hier keine effektive konser-
Eine verspätete Öffnung des oberen Ösophagus- vative Behandlungsmöglichkeit gibt. In der Literatur
sphinkters zeigte sich bei 39,5% der von uns unter- sind eine Vielzahl von Operationsmethoden be-
suchten Patienten. Sie war in annähernd allen Fällen schrieben, z. B.
mit einem vorzeitigen Sphinkterschluss kombiniert.
∑ die ein- und zweizeitige Divertikulektomie mit
Die inkomplette Öffnung, die bis zur so genannten
oder ohne Myotomie des oberen Sphinkters,
„zervikalen Achalasie“ reichen kann, unterscheidet
∑ die Divertikulopexie,
sich von der verspäteten Öffnung durch die während
∑ die Invagination des Divertikels oder
der ganzen Boluspassage nachweisbare Prominenz
∑ die alleinige endokopische submuköse Myotomie
der Pars horizontalis des M. cricopharyngeus.
des oberen Ösophagussphinkters.
Im Falle der zervikalen Achalasie öffnet sich der
pharyngoösophageale Übergang überhaupt nicht, Basierend auf der Erkenntnis, dass der wichtigste
was durch eine fehlende aktive, nerval gesteuerte Öff- pathogenetische Faktor für die Divertikelentstehung
nung des Spinkters bedingt sein dürfte. eine Dysfunktion des oberen Ösophagussphink-
Die Begriff „zervikale Achalasie“ ist von manome- ters ist, hat sich die Myotomie des M. constrictor
trischen Messungen am oberen Ösophagussphinkter pharyngis zusammen mit dem kranialen Anteil des
abgeleitet, welche methodenbedingt keine feinere M. thyreopharyngeus und Anteilen der zervikalen
Differenzierung des Motilitätsmusters des Sphink- Ringmuskelschicht des Ösophagus als Methode der
ters zulassen. Sie sind in Analogie zur Achalasie der Wahl durchgesetzt (Siewert et al. 1990).
Kardia zu sehen. Die zervikale Achalasie ist ebenso Die Entscheidung zur Kombination der Myotomie
wie die Achalasie der Kardia als eine fehlende mit der Divertikulektomie oder der Divertikulopexie
oder inkomplette schluckreflektorische Erschlaffung hängt von der Größe des Divertikels ab. Ist es im
des entsprechenden Sphinkters definiert (vgl. Abb. Durchmesser >2 cm oder sind zusätzliche Symptome
3.71 a, b). durch das Divertikel selbst verursacht, sollte es ent-
Bei der verspäteten Öffnung verstreicht der an- fernt werden.
fangs deutlich sichtbare Muskelwulst während der Die Notwendigkeit der Divertikelexzision wird
Boluspassage. von verschiedenen Autoren unterschiedlich beurteilt.
Eine inkomplette Öffnung konnte in 20% unserer So wurde die Ansicht geäußert, dass die Divertiku-
Patienten mit Zenker-Divertikeln ohne eine signifi- lektomie außer bei Ulzerationen oder Malignitäts-
kante Häufung in einem bestimmten Divertikelstadi- verdacht im Divertikel eine überflüssige chirurgische
um gefunden werden. Dasselbe gilt für die verspätete Übung darstelle. Die Vorteile der alleinigen Myoto-
Öffnung. mie liegen in der kürzeren Operationszeit und der
Die mittlere Lumenobstuktion durch die oben unmittelbar postoperativ möglich oralen Ernährung
beschriebenen Sphinkterdysfunktionen am pharyn- ohne Gefahr einer Nahtinsuffienz.
goösophagealen Übergang betrug 34,2%. Dies ent- Durch die Myotomie allein wird die Motilitäts-
spricht einem strömungsrelevanten Hindernis, wel- störung des oberen Ösophagussphinkters nicht kom-
ches eine zeitgerechte Pharynxentleerung beein- plett beseitigt, es wird aber eine Reduktion des Ruhe-
trächtigt. drucks am oberen Sphinkter um mindestens 50%
erreicht.
Therapie In einigen Zentren wird auch eine endoskopische
Zenker-Divertikel des Schweregrades I bedürfen in Divertikulektomie durchgeführt. Bei diesem Vorge-
der Regel keiner chirurgischen Intervention. Hier hen wird über ein Endoskop das Septum zwischen
steht die konservative Therapie im Vordergrund und dem Divertikel und der oberen Speiseröhre mit einer
3.9 Divertikel des Pharynx und des Ösophagus 101
Diathermie oder einem Lasermesser durchtrennt. hebung des zervikalen Ösophagus während des
In neuerer Zeit wird mittels einer Stapler-Naht eine Schluckaktes. Der Divertikelsack liegt lateral des pro-
so genannte „Schwellenspaltung“ durchgeführt. Eine ximalen zervikalen Ösophagus.Auf Seitbildern über-
Myotomie des oberen Ösophagussphinkters wird lagert er den zervikalen Ösophagus.
durch dieses Verfahren zumindest partiell erreicht. Die Killian-Jamieson-Divertikel sind häufiger uni-
Die Methode bietet sich vor allem bei nichtnarkose- lateral als bilateral und liegen normalerweise para-
fähigen und bei älteren Patienten an. median links. Sie sind in der Regel kleiner als Zenker-
Die posttherapeutische Beurteilung der minimal- Divertikel mit einem Durchschnittsdurchmesser von
invasiv therapierten Zenker-Divertikel ist ein neues etwa 1,4 cm (Gore u. Levine 2000).
Feld der radiologischen Bildgebung. Eine Regurgitation von Kontrastmittel aus dem
Divertikelsack in den Hypopharynx ist sehr unge-
Merke ! Ein wichtiges Kriterium zur Objekti-
vierung einer postherapeutischen
wöhnlich, da dieser Reflux durch den M. cricopha-
ryngeus verhindert wird. Gelegentlich findet man
Dysphagie ist die Beurteilung der postdeglutitiven Killian-Jamieson-Divertikel und Zenker-Divertikel
Retention im Pharynx und die Länge sowie der am selben Patienten (Abb. 3.82 a–d).
Durchmesser der Divertikelhalses.
Pouches der Killian-Jamieson-Muskelschwachstelle
Besonders zu bemerken ist bei einer insuffizienten Inkonstante Divertikel im Bereich der Killian-Jamie-
Resektion des M. cricopharyngeus die narbige Neo- son-Muskelschwachstelle, so genannte Pouches, wer-
sphinkterbildung, die dann wiederum die Rezidiv- den ebenfalls häufig beobachtet. Viele Pouches ent-
divertikelentwicklung fördert. Auch nach einer The- stehen durch einen vorzeitigen Schluss im Bereich
rapie kann ein nicht behandelter gastroösophagealer der oberen Ösophagusmuskulatur.
Reflux die Divertikelrezidivbildung fördern. Hierbei Dieser Befund ist häufig mit einer gastroösopha-
kann ein so genannter „second sphincter“ entstehen, gealen Refluxerkrankung assoziiert, ähnlich häufig
welcher sich aus einem Anteil der gesteiften Musku- wie eine Refluxerkrankung, die bei den Zenker-
latur des Ösophagus als paraphysiologischer Schutz- Divertikeln als auslösendes Agens gefunden wird.
reflex gegen eine pharyngeale Regurgitation des In der posterior-anterioren Projektion erscheinen
gastroösophagealen Refluxes ausbildet. In Einzel- diese Pouches als breitbasige Protrusionen des late-
fällen kann sich so ein Divertikel deszendierend bis ralen proximalen zervikalen Ösophagus, welche typi-
weit nach thorakal entwickeln. scherweise während des Schluckaktes verstreichen
(Abb. 3.83).
Killian-Jamieson-Divertikel
Die Killian-Jamieson-Divertikel sind etwa 100-mal Pouches der Membrana thyreohyoidea
seltener als die Zenker-Divertikel. Sie stülpen sich Ähnlich dem Herzmuskel unterliegt der „Muskel-
durch den so genannten Killian-Jamieson-Raum schlauch“ der „Pharynxpumpe“ bei Überlastung und
nach außen, welcher eine Lücke zwischen der Ring- im Alter Veränderungen, wie Hypertrophie, Atrophie
muskulatur des proximalen zervikalen Ösophagus und Dilatation. Daneben gibt es auch physiologische
darstellt. Diese Muskellücke ist kranial durch den un- Schwachstellen der Pharynxwand, wie z. B. eine Mus-
teren Rand der Pars fundiformes des M. cricopharyn- kellücke an der Membrana thyreohyoidea am Ein-
geus begrenzt. Die kaudale Begrenzung stellt der trittspunkt des N. laryngeus superior und der A. und
Unterrand des Ringknorpels und kaudal-medial das V. laryngea superior oder das Killian-Dreieck als
Lig. suspensorium oesophagei unterhalb seines An- Bruchpforte für das Zenker-Divertikel (s. oben). Wie
satzes an der hinteren Wandung des Ringknorpels bereits beschrieben, führt meist eine Dysfunktion
dar (Killian 1908). des oberen Ösophagussphinkters zu einer Druck-
Diese Divertikel sind auch bekannt als proximale überlastung innerhalb des Pharynx, und es kann zur
laterale zervikale ösophageale Divertikel oder latera- Ausbildung so genannter „oropharyngealer Pouches“
le Divertikel des pharyngoösophagealen Übergang- oder auch so genannter „inkonstanter lateraler oro-
sareales. pharyngealer Divertikel“ verschiedenen Schweregra-
Patienten mit Killian-Jamieson-Divertikeln sind des kommen. In unserem Patientengut mit Dyspha-
normalerweise asymptomatisch oder haben Sympto- gie fanden sich in 28% solche Pouches, bei denen mit
me, die durch eine abnormale pharyngeale Motilität Globus pharyngis in 42,4%, wobei allerdings 29,1%
verursacht werden. der letzteren Gruppe lediglich einen Pouch des
Pharyngographisch tritt das Killian-Jamieson-Di- Schweregrades I aufwiesen.
vertikel direkt unterhalb des M. cricopharyngeus auf. Die endoskopische Ansicht nach Entleerung des
Die Öffnung des Divertikelsackes ändert sich mit Pouches ergibt eine Retention im Hypopharynx.
der Form und Größe desselben und mit der An-
102 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
3.9.2
Ösophageale Divertikel
Epiphrenische Divertikel
Epiphrenische Divertikel sind in der Regel assoziiert
In letzter Zeit hat sich diese Betrachtungsweise re- mit ösophagealen Motilitätsstörungen wie z. B. ei-
lativiert, und einige Studien haben gezeigt, dass auch nem diffusen Ösophagusspasmus oder auch unspezi-
die im mittleren Ösophagus gelegenen Divertikel fischen Funktionsstörungen der Speiseröhre. Beson-
mehr dem Pulsionstyp zuzuordnen sind, wie z. B. ders häufig treten sie im Rahmen einer Dysfunktion
die Zenker-Divertikel oder auch die epiphrenischen der Kardia auf, hier meistens auf dem Boden einer
Divertikel. verzögerten oder inkompletten Kardiaöffnung.
Pulsionsdivertikel in Höhe des mittleren Ösopha- Annähernd 2/3 der Patienten mit epiphrenischem
gus sind auch nach unseren eigenen Beobachtungen Divertikel haben spezifische Motilitätsstörungen der
nicht selten beim diffusen Spasmus und nichtspezifi- Speiseröhre, wobei die hypermotile Achalasie die
schen Kontraktionsstörungen der Speiseröhre anzu- häufigste Form darstellt. Ferner ist eine refluxassozi-
treffen. ierte Genese wahrscheinlich.
Auch andere Autoren haben aufgrund von radio- Der hohe Prozentsatz von Motilitätsstörungen
logischen und manometrischen Befunden postuliert, in Verbindung mit epiphrenischen Divertikeln be-
dass die Divertikel des mittleren Ösophagus mehr stimmt auch den therapeutischen, speziell den chir-
dem Pulsionstyp entsprechen. Die manometrischen urgisch-therapeutischen Ansatz. Die Patienten soll-
Daten wiesen distal der Divertikelsäcke hypertone ten in jedem Falle einer Manometrie unterzogen
Druckwerte in der Speiseröhre auf, die radiologi- werden, um nach kurablen manometrisch nachweis-
schen Befunde machten die typische Pulsionsform baren Krankheiten zu fahnden, bevor eine rein
und auch eine pulsatile Entwicklung dieser Diverti- symptomatische Resektion des Divertikels durchge-
kel unter Durchleuchtung wahrscheinlich. Ihr radio- führt wird. Bei persistierenden Motilitätsstörungen
logisches Erscheinungsbild gleicht weitgehend dem nach alleiniger Divertikelektomie ist die Rezidivrate
der epiphrenischen Divertikel. mit 20–35% sehr hoch.
Die Theorie einer entzündlichen Adhäsion im Die Myotomie des unteren Ösophagussphinkters
Rahmen z. B. einer Tuberkulose mit konsekutiver ist heute eine Routinemaßnahme bei der Operation
Traktion ist weitgehend verlassen. Die wenigen Di- der epiphrenischen Divertikel.
3.9 Divertikel des Pharynx und des Ösophagus 105
3.10
Tumoren
3.10.1
Benigne Tumoren des Pharynx und des Ösophagus
Abb. 3.89 a–c. 65-jährige Patientin mit peristierender Dysphagie und einem großen histologisch gesicherten fibrovaskulären
Polypen. (Mit freundlicher Genehmigung von P. Pokieser und A. Ba-Ssalamah, Radiologische Klinik, AKH, Wien)
108 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
pT-Klassifikation (Primärtumor)
pTX Primärtumor kann histologisch nicht beurteilt
werden
pT0 Kein histologischer Anhalt für Primärtumor
pTis Carcinoma in situ
pT 1–4 Zunehmende Größe und/oder lokale Ausdehnung
des Primärtumors
Plattenepithelkarzinom
Das Plattenepithelkarzinom der Speiseröhre zeigt
auffällig große geographische Variationen. So gibt es
z. B. den so genannten „asiatischen Ösophaguskarzi-
nomstreifen“. Dieser erstreckt sich von der Osttürkei,
dem Nordiran über Indien nach Nordchina. Als
Hauptursache dieser regionalen Spitzen werden in
erster Linie die speziellen Ernährungsgewohnheiten
verantwortlich gemacht. Eine hereditäre Prädisposi-
tion erscheint weniger wahrscheinlich.Auch Umwelt-
faktoren spielen eine Rolle in der Pathogenese der
Plattenepithelkarzinome: So sind Nitrosamine oder
andere Nitrosokomponenten potente Karzinogene,
die in hoher Konzentration in der Nahrung und im
Wasser von Teilen Nordchinas vorkommen. In letzter
Zeit hat sich die Ursachenforschung auch auf den pa-
thogenetischen Einfluss des humanen Papilloma-
virus (HPV) konzentriert. In China wurde der HPV zu
23–66% in Proben, die aus dem Tumor entnommen
wurden, nachgewiesen. Zumindest wirkt dieser Virus
offensichtlich synergistisch in der Kanzerogenese.
Nach Definition der „Japanese Society for Esopha-
geal Diseases“ sind die Frühkarzinome histologisch Abb. 3.98. Kleines Plattenepithelkarzinom, im Doppelkon-
trast durch die unregelmäßige Schleimhaut mit Buckelung er-
auf die Mukosa oder Submukosa beschränkt und zei- kennbar
gen keine Lymphknotenbeteiligung. Diese histologi-
sche Form erreicht eine Fünfjahreüberlebensrate von
annähernd 90%. Hingegen ist das oberflächliche
Ösophaguskarzinom zwar ebenfalls auf die Mukosa
und Submukosa begrenzt, weist aber bereits früh Das Adenokarzinom
Lymphknotenmetastasen auf (vgl. Abb. 3.97 a–c). Die Adenokarzinome zeigen lediglich eine erhöhte
In der Literatur werden die Begriffe frühes Öso- Prävalenz des Befalls der distalen Speiseröhre und
phaguskarzinom, oberflächliches Ösophaguskarzi- der Kardia. Sie werden nach Siewert et al. (1990) in
nom und kleines Ösophaguskarzinom häufig syno- Karzinome des ösophagogastrischen Übergangs Typ
nym gebraucht. Diese Begriffe sollten jedoch nicht AEG I, AEG II und AEG III eingeteilt (Abb. 3.99 a–c).
synonym verwendet werden, da sie auf unterschied-
∑ Die Adenokarzinome des Typs AEG I sind auf die
lichen histopathologischen Grundlagen beruhen und
distale Speiseröhre begrenzt (Abb. 3.100 a–d).
sie sich dadurch erheblich in ihrer Prognose unter-
∑ Der Typ AEG II zeigt eine deutliche Mitbeteilung
scheiden (Abb. 3.98).
der Kardia (Abb. 3.101).
Die so genannten Frühkarzinome sind ein Aus-
∑ Die Karzinome des Typs AEG III sind überwie-
druck für Tumoren <3,5 cm Größe. Dies ist die einzi-
gend auf den Magen und die Kardia begrenzt
ge Definition, unabhängig von der Tiefe ihrer Inva-
(Abb. 3.102 a–c).
sion oder der Präsenz oder Absenz von Lymphkno-
tenmetastasen.
3.10 Tumoren 115
Abb. 3.99 a–c. Operationspräparate entsprechend der Eintei- subkardial lokalisiert. (Mit freundlicher Genehmigung von
lung AEG I bis III (nach Siewert et al. 1990). a AEG I: Tumor A. Sendler, Chirurgische Klinik und Poliklinik, TU-München,
nur im Ösophagus. b AEG II: Tumor im ösophagogastrischen aus Sendler 2006)
Übergang. c AEG III: Tumor vorwiegend in der Kardia und
Hals-Tumor sowie das Plummer-Vinson-Syndrom Ingesamt liegt das Risiko bei Patienten mit chroni-
und die Tylosis der Speiseröhre (Gore u. Levine schem Reflux, ein Adenokarzinom zu entwickeln,
2000). in der Größenordnung von 1% (s. oben, so genannte
Zur Karzinomentwicklung bei Laugenverätzun- 10er-Regel). Diese Adenokarzinome entwickeln sich
gen s. oben. in Folge von progressiven epithelialen Dysplasien in
Beim Plummer-Vinson-Syndrom oder auch Peter- den Bereichen präexistenter Zylinderepithelmetapla-
sen-Kelly-Syndrom besteht charakteristischerweise sien des Ösophagus. Es wird daher eine regelmäßige
ein Eisenmangel mit Anämieglossitis und häufig endoskopische Kontrolle bei Patienten mit bekann-
postkrikoidalen Webs, die zur Dysphagie führen. Die tem Barrett-Ösophagus empfohlen.
Prävalenz von hypopharyngealen und/oder ösopha-
gealen Karzinomen bei Patienten mit Plummer-Vin- Radiologische Untersuchungstechnik
son-Syndrom reicht von 4–16%, meist in Verbindung Ein adäquat durchgeführtes Doppelkontrast-Barium-
mit postkrikoidalen Webs (Enterline u. Thompson ösophagogramm hat eine Sensitivität von >95% für
1976; Abb. 3.103 a, b). die Detektion von Ösophaguskarzinomen und ist so-
Studien, die mehr auf Inzidenz- als auf Prävalenz- mit durchaus vergleichbar mit der Sensitivität der
daten basieren, geben das relative Risiko der Ent- Endoskopie, die zwischen 95 und 100% angegeben
wicklung eines Adenokarzinoms bei Patienten mit wird, wobei letztere natürlich die Vorteile der soforti-
Barrett-Ösophagus als 30- bis 40-mal größer an als in gen Biopsie beinhaltet.
der Normalbevölkerung.
118 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
lobulierten intramuralen Raumforderung, mit meis- nung vom Primärtumor – unterbrochen von länger-
tens erheblicher exzentrischer Lumenobstruktion streckig normaler Mucosa – aufzufinden sind.
und häufigen Ulzerationen. Grundlage einer adäquaten therapeutischen Stra-
Daneben existieren die primär ulzerativen Karzi- tegie (Operation, Operation nach neoadjuvanter
nome mit großen nekrotischen Läsionen und nicht Radio-Chemo-Therapie, Radio- oder kombinierte
selten auch Fisteln intramural oder zum Bronchial- Radio-Chemo-Therapie) ist das Staging des Tumors.
system, insbesondere zum linken Hauptbronchus Zum Staging des Lokalbefundes, d. h. also zur
und zur Trachea. Festlegung der T- und N-Kategorie sind CT und MRT
Die varikös eher glattwandig wachsenden Karzi- sowie die endoskopische Sonographie annähernd
nome der Speiseröhre sind Ausdruck einer submukö- gleichwertig, wobei die Endosonographie in der Dif-
sen Tumorausbreitung, die das Vorliegen von Öso- ferenzierung des T2- vom T3-Stadium etwas bessere
phagusvarizen vortäuschen können. Im Unterschied Ergebnisse liefert.
zu diesen stellen sie sich z. B. im Liegen als ein kon- Für die Visualisierung von Fernmetastasen ist die
stanter Füllungsdefekte dar, wohingegen die Varizen CT derzeit der MRT noch überlegen. Wir führen
speziell unter Buscopan-Gabe und in Abhängigkeit grundsätzlich bei eventueller Operabilität oder auch
von der Dauer der Rückenlagerung unter Durch- vor geplanter Radio-Chemo-Therapie eine CT des
leuchtung in Form und Größe variieren (Abb. 3.107). Hals, Thorax, Abdomens und Beckens durch sowie
Alle Ösophaguskarzinome metastasieren früh bei fraglichen neurologischen Symptomen zusätzlich
entlang des ausgedehnten lymphatischen Netzwer- eine zerebrale CT. Erste positive Ergebnisse liegen
kes der Speiseröhre, das aus multiplen submukösen auch mit der Ganzkörper-MRT vor. In den letzten
lymphatischen Kanälen besteht. Diese lymphati- Jahren wurden diese Verfahren durch die PET-Unter-
schen Metastasen haben das Erscheinungsbild von suchungen und insbesondere durch die PET-CT er-
polypoiden oder plaqueähnlichen, gelegentlich auch gänzt (vgl. Abb. 3.15 a, b).
kleinen ulzerierten Läsionen, die in einiger Entfer-
120 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Stadium 0 Tis N0 M0
Stadium I T1 N0 M0
Stadium II A T2, T3 N0 M0
Stadium II B T1, T2 N1 M0
Stadium III T3 N1 M0
T4 Jedes N M0
Stadium IV Jedes T Jedes N M1
Stadium IV A Jedes T Jedes N M1a
Stadium IV B Jedes T Jedes N M1b
Perikardinvasion
Die Perikardinvasion ist durch die CT relativ schwer
zu evaluieren. Dies liegt daran, dass teilweise keine
Fettschicht zwischen Perikard und Ösophagus vor-
liegt. Eine Perikadinvasion durch ein Ösophaguskar-
zinom kann aber nur dann angenommen werden,
wenn eine Fettschicht zwischen Ösophagus und Peri-
kard vorhanden sind und diese lediglich im Bereich
des Tumors infiltriert erscheinen bzw. ein direkter
Masseneffekt im Bereich des Perikards erkennbar ist.
Bei letzteren Patienten tritt die Störung der Reflex- Gastrektomie zur Anwendung kommen. Die Wahl
triggerung vor allem in den Rezeptoren und weniger der Interponate wird von der onkologischen Progno-
in den afferenten Nervenfasern auf. se und den verfügbaren Magen-Darm-Anteilen be-
Eine unilaterale Pharynxresektion verursacht eine stimmt.
ipsilaterale Okklusion der Boluspropulsion. Die Re- Beim klassischen Ösophagusinterponat wird eine
tention eines Bolusrestes in der ipsilateralen Vallecu- linkszervikale perkutane End-zu-Seit-Anastomose
la oder dem verbliebenen ipsilateralen Recessus piri- zwischen Ösophagusstumpf bzw. Pharynx oder Zun-
formis ist die Folge. gengrund und dem Interponat durchgeführt. Beim
Die schwerwiegendste Motilitätsstörung wird Magenhochzug ist die Anastomose des präformier-
durch die Resektion des Larynx und evtl. auch von ten Magenschlauches vor allem durch eine Minder-
Anteilen des Pharynx verursacht. Im so entstande- vaskularisierung über die A. gastrica sinistra gefähr-
nen „Pharynxschlauch“ reicht eine sogar hyper- det. Beim Jejunuminterponat kann die arterielle und
exkursive dorsale peristatische Welle oft nicht mehr venöse Anastomose des freien Interponats zu Proble-
für eine suffiziente Boluspropulsion aus. Auch ist der men führen.
endopharyngeal erzeugte Druck manchmal nicht Das Koloninterponat oder die Operation nach
mehr für eine passive Öffnung des oberen Ösopha- Merendino (Jejunuminterponat ziwschen distalem
gussphinkters ausreichend. Wie Hannig u. Wuttge- Ösophagusstumpf und Magen) werden bevorzugt
Hannig (1993) in einer radiomanometrischen Arbeit bei benignen Grunderkrankungen wie z. B. pepti-
zeigten, muss für eine passive Öffnung des oberen schen Stenosen angewandt.
Ösophagussphinkters nach Myotomie ein Druck von Lediglich beim Jejunuminterponat, jedoch nicht
mindestens 30 mmHg endopharyngeal aufgebaut unbedingt beim Koloninterponat, ist auf eine mög-
werden. lichst isoperistaltische Implantation zu achten.
Bei Patienten nach Operation eines Hirntumors
oder bei Patienten nach einer Hirnblutung oder Apo- Adaptierte Untersuchungsstrategie und -methodik
plex weist die Art der Schluckstörung eine Abhängig- Bei Aspirationsgefahr muss ein isoosmolares Kon-
keit von dem betroffenen zerebralen, zerebellären trastmittel in einer dem Beschwerdebild angepassten
oder medullären Arealen auf. Im Hirnstamm kann Konstistenz angewandt werden (s. oben). Dieses
vor allem das Schluckzentrum betroffen sein. Es be- reicht jedoch wegen der schlechten Schleimhaut-
steht aus dem Nucleus ambiguus und dem Nucleus benetzung für die Differenzialdiagnose zwischen
tracti solitarii und stellt die unterste Verbindung zwi- einer Narbe oder einem Rezidiv nicht aus. Hier
schen den afferenten und den efferenten Nervenfasen kann auf Bariumsulfatkontrastmittel wegen der
dar. Die Funktion dieser Zone wird durch Einflüsse guten Schleimhautreliefdarstellung nicht verzichtet
aus dem Kortex und dem Pattern generator im Hirn- werden. Die Elastizität des Pharynx und eventuelle
stamm moduliert (s. oben, Abschn. „Physiologie“). Narben oder Rezidive des Larynx, Pharynx oder des
Auch wenn größere funktionelle Areale zerstört wer- Pharynxschlauches können durch die Distension
den, erlaubt oft die Plastizität des Gehirns eine kon- während des Valsalva-Manövers oder den Kollaps
sekutive vikariierende Funktionsübernahme durch beim Müller-Manöver aufgedeckt werden.
andere nichtgestörte Hirnareale. Extraluminale Befunde, Rezidive bzw. Lymphkno-
Auch posttherapeutische Schluckstörungen nach tenmetastasen sind die Domäne der Schnittbildver-
gefäßchirurgischen Interventionen an den Karotiden fahren.
oder nach einer Operation an der Halswirbelsäule
sowie im Rahmen von posttraumatischen funktio- Postoperative Befunde
nellen Veränderungen durch Narben können auftre- Es können eine Vielzahl von funktionellen und mor-
ten. phologischen Schluckstörungen nach einer HNO-
Beim Ösophaguskarzinom kommen im kurativen Tumorchirugie angetroffen werden. Die Gründe sind
Therapieansatz prinzipiell 3 Methoden der Rekon- so verschieden wie die Therapieansätze. Orale, pha-
struktion des entfernten Organs zur Anwendung: ryngeale, laryngeale und thyreoidale Tumoren wer-
den mit den unterschiedlichsten Therapien, welche
∑ der Magenhochzug in retrosternaler Lage oder im
von einer einfachen Laserchirurgie über weitere Re-
Tumorbett transmediastinal,
sektionen, einer horizontalen oder transversalen
∑ das Koloninterponat und
pharyngealen Resektion, der partiellen oder totalen
∑ das Jejunuminterponat.
Laryngektomie oder Thyreoidektomie reichen, ange-
Letzteres kann als partielles zervikales freies Inter- gangen. Die additive Therapie kann in einer Radio-
ponat mit Gefäßstiel sogar bis am Zungengrund an- therapie allein oder einer Radio-Chemo-Therapie
gesetzt werden. Alternativ kann es als distales Inter- oder anderen Kombinationstherapien, wie z. B. der
ponat bei fortgeschrittenen Kardiakarzinomen nach Hyperthermie bestehen.
3.10 Tumoren 125
Die Indolenz und die fehlende Krankheitseinsicht kungen werden oft von den neueren therapieintensi-
bei HNO-Tumorpatienten sind Schuld an dem ver- vierten Protokollen verursacht. Diese ermöglichen
späteten Bewusstsein für eine Schluckstörung. Oft andererseits eine bessere Tumorregression oder
ist eine Aspirationspneumonie das erste klinische -kontrolle durch die Hochdosis-Strahlentherapie-
Zeichen. Neben den sozioätiologischen Faktoren protokolle in Kombination mit Radiosensitizern
der HNO-Patientengruppe ist die Indolenz oft durch oder einer Chemotherapie.
eine therapiebedingte Sensibilitätsstörung bedingt.
Wichtig ist die Differenzierung zwischen anato- Veränderungen nach Laryngektomie
misch-funktionellen Störungen welche z. B. durch Die geänderte Anatomie der oberen Schluck- und
die Chirurgie bedingt sind, und sensorischen De- Atemwege durch die Laryngektomie verursacht häu-
fiziten, welche zu funktionellen Störungen des fig eine Dysphagie.
Schluckaktes führen. Die sensorischen Störungen Die Ablösung des Larynx von der Pharynxvor-
treten meist während der ersten 2 Jahre nach der derwand führt zu einem so genannten Pharynx-
Therapie auf. schlauch, welcher erhebliche funktionelle und mor-
Eine Nebenwirkung der Chemotherapie ist oft phologische Störungen aufweisen kann (Abb. 3.114).
eine Polyneuropathie, welche häufig bei Patienten Durch die oft nötigen weiten Exzisionen von pharyn-
mit einer vorausgegangenen Alkoholanamnese auf- gealen Strukturen kann eine Enge oder sogar eine
tritt. Die Strahlentherapie verursacht oft nicht nur Stenose in Höhe der Valleculae oder der Recessus
eine permanente Xerostomie, sondern auch eine piriformes verursacht werden. Die Konfiguration
vorübergehende Mukositis und ein massives Ödem. und der Durchmesser des verbleibenden Pharynx-
Nach Rückbildung der akuten Mukositis bemer- schlauches variiert in Abhängigkeit von den ver-
ken die Patienten oft erst eine bis dahin stumme schiedenen chirurgischen Ansätzen und den unter-
Aspiration. Die sensorische Störung und die Xerosto- schiedlichen Nahttechniken, was eine große morpho-
mie treten häufig spät auf und verursachen eine ver- logische Variabilität im radiologischen Erschei-
zögerte Erkennung der Beschwerden. Natürlich ist nungsbild ergibt.
ein Rezidivausschluss unumgänglich, da die sensori- Laut Literaturangaben leiden 16–20% der Patien-
sche Störung auch durch eine submuköse Tumoraus- ten nach einer totalen oder partiellen Laryngektomie
breitung verursacht sein kann. Die Langzeit-Thera- oder einer Radiotherapie an einer Schluckstörung.
pienebenwirkungen sind oft eine Fibrose des Un-
terhautgewebes und eine fibröse Degeneration der
Muskulatur, welche die Ventral-Kranial-Bewegung
des Larynx behindert (Abb. 3.113). Diese Nebenwir-
Abb. 3.113. Fibrosierung der Halsweichteile nach Radiatio, Abb. 3.114. Zustand nach Laryngektomie. Typischer Pharynx-
Aspiration wegen eingeschränkter Exkursion des Larynx schlauch mit Sprechprothese
intradeglutitiv
126 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Die posttherapeutische Dysphagie bei Patienten Da durch die Entfernung des Larynx ein vermin-
nach Laryngektomie kann durch folgende pathologi- derter Druck auf die Pharynxvorderwand einwirkt,
sche Veränderungen bedingt sein: entsteht eine hyperprominente dorsale Welle im neu-
geformten Pharynxschlauch. Die laterale Kontrak-
∑ Tumorrezidiv,
tion während der Pharynxperistaltik ist abge-
∑ Vernarbung oder benigne Stenose,
schwächt. Die Hauptpropulsionskraft im Pharynx
∑ funktionelle Störungen des Pharynxschlauches
wird durch den stempelartig rotierenden Zungen-
und der pharyngoösophagealen Übergangszone,
grund aufgebaut (Abb. 3.115 a–e). Daher ist eine zu
der so genannten „Pseudoglottis“.
weite Tumorexzision am Zungengrund oftmals Ursa-
Speziell die funktionellen Störungen können nur ein- che einer schweren Dysphagie.
geschränkt durch eine Videoendoskopie oder durch Die insuffiziente Kontraktion der rekonstruierten
konventionelle Röntgenaufnahmen untersucht wer- Pharynxwand und eine Dysfunktion der Sphink-
den. terschlinge kann eine Dysphagie verursachen. Dies
kann durch eine Motilitätsstörung im Pharynx-
Merke ! Der dynamische Ösophagusbrei-
schluck ist von zentraler Bedeutung
schlauch bedingt sein, welche die passive Öffnung
des rekonstruierten oberen Ösophagussphinkters
für die Analyse der posttherapeutisch veränderten behindert.
Motilität des Pharynxschlauches und insbesondere Eine Festkörperdysphagie kann durch eine Hyper-
zur Planung von rehabilitativen Maßnahmen. aktivität des rekonstruierten Sphinkters bedingt sein
(Abb. 3.116). Da die mit einer Stimmprothese ver-
Bei Patienten mit einer totalen Laryngektomie fand sorgten Patienten die rekonstruierte Sphinktersch-
sich bei 37% eine Dysphagie und in 19% ein Globus linge zur Erzeugung der Stimme verwenden, korrel-
pharyngis. Die Dysphagierate stieg weiter an bei Pa- liert häufig eine gute Stimmqualität mit einer schwe-
tienenten, welche nach der Laryxngektomie auch ren Dysphagie. Es ist interessant festzustellen, dass
eine Radiotherapie erhalten hatten. Eine Strahlenthe- unsere Patienten gerne bei einer guten Stimmqualität
rapie allein hingegen verursachte weniger häufig ein durch einen hyperaktiven Sphinkter eine hierdurch
Dysphagie oder einen Globus pharyngis, jedoch häu- bedingte Dysphagie in Kauf nehmen.
figer eine durch einen Sensibilitätsverlust bewirkte Eine weitere Ursache einer Dysphagie ist eine
verspätete Schlucktriggerung. Fehlanlage der Stimmprothese. Vorwiegend die zu
hoch implantierte und die schräg von kranial vom
3.10 Tumoren 127
Hemipharyngektomie
Es gibt grundsätzlich 2 Typen von partiellen Resek-
Abb. 3.116. Prominente Neoglottis (oberer Ösophagussphink- tionen: Die horizontale Resektion ist heute wegen der
ter) mit Retention von Kontrastmittel im Pharynxschlauch Langzeitfolge einer fehlenden Propulsion durch die
partiell resezierten Konstriktormuskulatur wenig
verbreitet.
Der 2. Typ, die weit verbreitete longitudinale Re-
Ösophagus nach kaudal zum Trachealstumpf verlau- sektion, besteht aus einer unilateralen Resektion der
fende Stimmprothese können eine Aspiration oder Vallecula und des Recessus piriformis mit einer Re-
eine Dysphagie für Flüssigkeiten und für feste Nah- konstruktion des Pharynx durch eine Adaptation der
rung verursachen. Vorder- und Hinterwand des Pharynx, in welche oft
Bei 2 Drittel der Patienten sind die dysphagischen ein Lappen eingefügt wird. Die rekonstruierten Pha-
Beschwerden durch eine funktionelle Störung verur- rynxanteile nehmen wegen der resultierenden Mus-
sacht. Postradiogene und posttherapeutische Nar- kelschwäche nicht mehr an der normalen Kontrak-
ben, Stenosen oder membranöse Stenosen (Webs) tion teil. Daher bleibt oft der Bolus im operierten
sind z. T. anzutreffen. Rezidive hingegen sind selten. Hemipharynx hängen und kann nur durch einen
Bei einem Drittel der symptomatischen Patienten Transport auf die gesunde Gegenseite in den Ösopha-
konnte eine Motilitätsstörung des Pharynx oder des gus befördert werden.
oberen Ösophagussphinkters gefunden werden.
Zwei Drittel der symptomatischen Patienten litten Posttraumatische, postläsionale
unter einer Dysphagie, ein Drittel gab ein Globusge- und postoperative Hirnläsionen
fühl an. Es besteht eine Korrelation zwischen den Ein großes Spektrum von Schäden im zentralen Ner-
Symptomen und der postoperativ veränderten pha- vensystem und den peripheren Nerven kann eine
ryngealen Kontraktilität (Hannig 1995). Dysphagie verursachen (Hannig et al. 1987 a,b; Loge-
Neben der Dysfunktion der Neoglottis (aus dem mann 1983). Bei neurologisch gestörten Patienten ist
oberen Ösophagussphinkter gebildet) fand sich häu- die konservative Therapie häufig die Methode der
fig eine zweite Konstriktorzone direkt unter dem Wahl, da weitere operativ bedingte Schäden der Trig-
oberen Ösophagussphinkter. Dieser zweite Sphinkter gerareale vermieden werden sollten. Daher ist eine
zeigte ein dem oberen Ösophagussphinkter ver- Therapieplanung durch eine Videofluoroskopie un-
gleichbares Funktionsmuster. Er kann die Regulation verzichtbar. Die genaue Analyse der oft multiphasi-
des Luftstroms während der ösophagealen Stimme schen Pathomechanismen der Schluckstörung er-
stören. Der Pathomechanismus der zweiten hyper- laubt die Erstellung eines individuellen Therapie-
kontraktilen Zone besteht häufig in einer Hiatus- plans. Eine genaue Beschreibung der Krankheitsbil-
hernie mit Reflux. der erfolgt oben im Abschn. 3.8.
128 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Öffnungsstörungen des oberen Ösophagussphinkters Muskulatur und der vaskulären Versorgung der Pha-
Neben den konservativ rehabilitativen Maßnahmen rynxhinterwand die Dysphagie eine häufige Kompli-
(s. Abschn. 3.8.1) sind operative Methoden mit Erfolg kation. Da durch die genannten chirurgischen Inter-
im Einsatz. Die operative Therapie wurde bereits ventionen häufig die laterale pharyngeale Kontrak-
oben, im Abschn. 3.8.2 geschildert. Botulinumtoxin tionswelle weniger effektiv wird, lässt sich oft nach
ist in der HNO-Heilkunde und der Neurologie wohl unilateralen Eingriffen eine einseitige Wandschwä-
bekannt. In neuerer Zeit erstreckt sich die Applika- che des Hemipharynx beobachten (Abb. 3.118 a, b).
tion auch auf pharyngoösophageale Motilitätsstö- Der therapeutische Ansatz bei diesen Patienten ist
rungen (s. Abschn. 3.7.1). abhängig von der verbleibenden Kontraktionskraft
Verschiedene Forschungsgruppen führen Botulin- der betroffenen Pharynxwand.
umtoxininjektionen auch bei Patienten mit neuro- Ist diese relativ schwach, kommt es häufig zu einer
logischen Erkrankungen des oberen Ösophagus- Retention im betroffenen Hemipharynx mit entspre-
sphinkters und beim Spinkterspasmus, insbesondere chender Reinigungsstörung des Pharynx. Hier kön-
bei der so genannten zervikalen Achalasie durch. nen positionelle Manöver wie die Kopfdrehung zur
betroffenen Seite oder ein Nachschluck zur Gegen-
Divertikelresektion seite hilfreich sein.
Die minimal-invasive Schwellenspaltung bei Zenker-
Divertikeln führt zu einem neuen posttherapeuti- Ösophageale posttherapeutische Veränderungen
schen radiologischen Erscheinungsbild. Da das Di- in der Röntgendarstellung
vertikel noch erhalten ist, kommt es bei der Beurtei- Funktionelle Störungen
lung der Ursache einer Dysphagie auf die postopera- Nach einer Therapie von funktionellen Ösophagus-
tive Morphologie und Funktion an. Neben dem Grad störungen kann die typische Röntgenanatomie des
der Retention in dem Divertikel ist die restliche Fehl- Ösophagus verändert sein.
funktion des oberen Ösophagussphinkter zu beurtei- Die Röntgenuntersuchung dient sowohl einer
len. Kontrolle des posttherapeutischen Ergebnisses und
Bei einem zufriedenstellenden Ergebnis ist der dem Ausschluss eines Leaks als auch zur Beurteilung
Divertikelhals sehr weit, und die Retention tritt nur einer residualen Funktionsstörung.
während der Boluspassage auf. Eine Entleerung er-
folgt mit der Pharynxperistaltik. 쐍 Bougierungen oder Pneumodilatationen. Bei funk-
Ein intermediäres Ergebnis ist bei einer über die tionellen Engen, welche manometrisch nachgewie-
Boluspassage hinausgehenden Retention und einem sen sind, erfolgt als erster Therapieversuch oft eine
relativ engen Divertikelhals zu vermuten. pneumatische Dilatation oder eine Bougierung.
Bei einer fortbestehenden Dysphagie besteht Diese Techniken werden sowohl bei vernarbten Eng-
häufig ein Bild, welches an den präoperativen Zu- stellen im Ösophaguskorpus als auch im ösophago-
stand erinnert. Hierbei steht die konstante Füllung gastrischen Übergang angewandt. Da bei der Bougie-
des Divertikels bei engem Divertikelhals durch den rung und insbesondere bei der pneumatischen Dila-
vorzeitig schließenden oberen Ösophagussphinkter tation feine Mukosarisse auftreten, sind postthera-
im Vordergrund. Hierbei ist zu bemerken, dass der peutische Kontrollen zum Ausschluss eines Lecks
kraniale tubuläre Ösophagus, welcher ebenso vor- unumgänglich. Hierbei muss wegen der Gefahr eines
wiegend aus gestreifter Muskulatur besteht, die Übertritts von Kontrastmittel in das Mediastium ein
Funktion des oberen Ösophagussphinkter im Sinne wasserlösliches jodhaltiges Kontrastmitttel ange-
eines „second sphincter“ übernehmen kann. Die so wandt werden.
entstandenen Divertikel liegen mehr kaudal als die
primär operierten. Dies entspricht einem indirekten 쐍 Botulinumtoxininjektion. Sowohl die kurzstrecki-
Hinweis auf die Länge der Myotomie des oberen Öso- gen als auch die langstreckigen Spasmen können
phagussphinkters und der kaudal davon gelegenen nach einer manometrischen Bestätigung mit Botu-
Ösophagusmuskulatur. linumtoxininjektionen behandelt werden. Dieser
Bei einem offen operierten Divertikel verbleibt weitere therapeutische Ansatz erfolgt im Regelfall
häufig ein restlicher Divertikelhals, welcher als Vor- nach einer – evtl. auch wiederholten – Bougierung
wölbung noch zu erkennen ist. und besteht in endoskopisch platzierten Botulinum-
toxindepots, welche zu einer Relaxation der spasti-
Vernarbungen und postoperative Instabilitäten schen Muskelanteile führen. Die Wirkung kann ra-
des Pharynx diologisch in einer vollständigen Atonie bis zu einer
Als Folge von gefäßchirurgischen Eingriffen oder or- noch recht deutlichen segmentalen Kontraktion be-
thopädischen Interventionen an der Halswirbelsäule stehen, welche jedoch oftmals keine Beschwerden
(Abb. 3.117 a–d) ist aufgrund der Dissektion der mehr verursacht.
3.10 Tumoren 129
Abb. 3.117 a–d. Zustand nach osteosynthetischer Versorgung er übermäßigen Kompression des Pharynx durch die Osteo-
in der Halswirbelsäule. a, b Die Verbreiterung der prävertebra- syntheseplatte (d) findet sich eine Schwäche der intrinsischen
len Weichteile behindert das Durchkippen der Epiglottis und Larynxmuskulatur, welche zu einer Penetration von Kontrast-
führt in der p.-a.-Projektion zu einer Ausspaarung. c, d Zusätz- mittel in den Aditus laryngis führt
lich zu einer verminderten pharyngealen Peristaltik und ein
쐍 Endoskopische Verfahren der Rekonstruktion des Hia- fügung. Da aber ein alkalischer/basischer Reflux
tus. Eine konservative Therapie bei gastroösophage- deutlich aggressiver für die Ösophagusschleimhaut
alem Reflux ist medikamentös durch Protonenpum- ist, wurden neue Methoden zur plastischen Rekon-
penhemmer oder H2-Blocker im Fall eines sauren Re- struktion des gastroösophagealen Übergangs ent-
fluxes möglich. Bei alkalischem Reflux, welcher durch wickelt. In den letzten Jahren werden nichtinvasive
eine Refluxaspiration, einen Bilitec-Test oder eine Methoden zur Rekonstruktion des Hiatus bei anders
Impedanzmessung festgestellt werden kann, sind je- nicht ausreichend beherrschbarem gastroösophage-
doch die medikamentösen Therapiemöglichkeiten alem Reflux eingesetzt.
stark eingeschränkt. Nur Sucralfat steht hier zur Ver-
130 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Abb. 3.122. Die Kardia und die kardianahen Anteile des Ma- Abb. 3.123. Hohe zervikale Anastomose mit Leckage bei Ma-
gens sind durch die Manschette der Fundoplikation nach kra- genhochzug
nial herniert, so genanntes Teleskopphänomen
Ultraschall
Der „Real-time-Ultraschall“ erlaubt eine Aufzeich-
nung des Schluckvorgangs mit 25 Bildern/s. Zu
den methodenbedingten Aufnahmeeinschränkun-
gen durch den Ultraschall gehört die auf die Mund-
höhle und die relativen Bewegungen des weichen
Gaumens und der Zunge beschränkte Dokumentier-
barkeit. Es gelingt mit dieser Technik, den Pharynx
bis zum Tracheaabgang darzustellen. Unterhalb die-
ses Niveaus sind nur die lateralen Anteile des Reces- Abb. 3.126. Anastomoserezidiv in der Krückstockanastomose
sus piriformes zu erkennen. und im distalen Ösophagus bei Zustand nach Resektion eines
distalen Ösophaguskarzinoms mit Merendino-Operation
134 Kapitel 3 Erkrankungen des Ösophagus
Die MRT-Untersuchung des Ösophagus für funk- Dodds WJ (1988) Physiology of swallowing. In: Ravich WJ,
tionelle Störungen ist bisher noch nicht etabliert, Donner MW, Johnes B (eds) Second symposium on dyspha-
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Magen und Duodenum 4
W. Golder
4.1 Angeborene und anlagebedingte Erkrankungen 140 Die bildgebende Diagnostik von Magen und Duode-
4.1.1 Größen-, Form- und Lageanomalien 140 num hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grund-
4.1.2 Divertikel 143
4.1.3 Hypertrophische Pylorusstenose 143 legend verändert. Der Wandel ist sowohl in der Aus-
4.1.4 Duodenalatresie 145 wahl der Methoden und der Durchführung der mit
4.1.5 Aortomesenteriale Kompression ihnen assoziierten Verfahren als auch in der Vertei-
des Duodenums 145 lung der Untersuchungen auf die verschiedenen Mo-
4.1.6 Pancreas anulare 146
4.1.7 Paraduodenale Hernie 147 dalitäten zu erkennen. Die Verbreiterung des Spek-
4.1.8 Pancreas aberrans 147 trums der Methoden hat weniger zur Verfeinerung
4.1.9 Transpylorischer Schleimhautprolaps 148 der Differenzialdiagnose als zum Fortschritt der Sta-
Literatur 148
dieneinteilung geführt. Generell ist die Zahl der Indi-
4.2 Entzündungen, Geschwüre kationen zu radiologischen Untersuchungen des obe-
und Gefäßerkrankungen 149
4.2.1 Chemische Gastritis 149 ren Verdauungstrakts gesunken.
4.2.2 Gastritis phlegmonosa 149 Wie in anderen Bereichen der bildgebenden Dia-
4.2.3 Spezifische Gastritis 149 gnostik sind auch bei vielen Untersuchungen von
4.2.4 Erosion 151 Magen und Duodenum die Projektionsradiographie
4.2.5 Ulcus ventriculi 151
4.2.6 Ulcus duodeni 153 durch Schnittbildverfahren abgelöst und die ioni-
4.2.7 Gastroduodenale Blutung 154 sierenden Strahlen durch physikalische Prinzipien
Literatur 155 ersetzt worden, die Bilder ohne Strahlenexposition
4.3 Tumoren 156 liefern. Wichtige Ausnahmen von diesen Entwick-
4.3.1 Gutartige epitheliale Tumoren des Magens 156 lungslinien sind die Leeraufnahme des Abdomens
4.3.2 Magenkarzinom 157
4.3.3 Maligne Lymphome des Magens 163
und die CT des Oberbauchs. Die Sonographie von
4.3.4 Endokrine Tumoren des Magens 165 Magen und Duodenum und die mit ihr verbun-
4.3.5 Mesenchymale Tumoren des Magens 165 denen invasiven Verfahren werden überwiegend in
4.3.6 Tumoren des Duodenums 166 den Funktionsabteilungen der gastroenterologischen
4.3.7 Metastasen in Magen und Duodenum 169
4.3.8 Magen und Duodenum
Kliniken durchgeführt.
bei Tumoren der Nachbarorgane 170 Der konventionellen Röntgendiagnostik von Ma-
Literatur 171 gen und Duodenum sind nur wenige Indikationen
4.4 Postinterventioneller Gestalt- und Funktions- erhalten geblieben. Dazu gehören die Abweichungen
wandel von Magen und Duodenum 173 von der normalen Position und Form sowie die
4.4.1 Komplikationen chirurgischer Eingriffe Funktionsstörungen bzw. die funktionelle Kompo-
an Magen und Duodenum 174
4.4.2 Komplikationen endoskopischer Eingriffe nente primär morphologisch definierter Leiden. Bei
an Magen und Duodenum 177 den übrigen Erkrankungen ist die Endoskopie der
4.4.3 Folgen plastischer und rekonstruktiver Röntgendiagnostik überlegen. Selbst mit subtiler
Eingriffe 177 radiologischer Untersuchungstechnik können natür-
4.4.4 Folgen palliativer Eingriffe 179
4.4.5 Folgen ablativer Eingriffe 180 liche und krankhafte Niveaudifferenzen der Magen-
4.4.6 Postoperative Rezidiv- und Pseudoläsionen 183 und Duodenalschleimhaut nicht ähnlich gut erkannt
Literatur 185 und differenziert werden wie durch die direkte
4.5 Weitere Erkrankungen 185 Betrachtung und die Biopsie. Bei der Analyse sub-
4.5.1 Bestrahlungsfolgen 185 muköser und extramuraler Läsionen ist die Pro-
4.5.2 Magenwandemphysem 185
4.5.3 Fremdkörper 186
jektionsradiographie von der CT abgelöst worden.
4.5.4 Magen und Duodenum In Ausnahmefällen kann die Schnittbilddiagnostik
bei Systemerkrankungen 186 der Endoskopie den Weg zur gezielten Inspektion und
4.5.5 Morbus Ménétrier (Eiweißverlust-Gastropathie) 187 treffsicheren Biopsie weisen (Van Hoe et al. 1994).
4.5.6 Volvulus 188
4.5.7 Invagination, Intussuszeption 189
Literatur 189
140 Kapitel 4 Magen und Duodenum
Kaskadenmagen
왔 Der so genannte Kaskadenmagen un-
Definition
terscheidet sich von einem normal
konfigurierten Organ dadurch, dass nicht der Fornix,
sondern die Übergangsregion zwischen Fundus und
Korpus das Dach bildet und damit dem Zwerchfell
am nächsten liegt.
Abb. 4.1. Duplikatur des Duodenums. Große sackförmige Das proximale Drittel des Magens ist aus der sub-
Ausstülpung der ventrolateralen Wand der Pars descendens diaphragmalen Position nach dorsal und kaudal ver-
duodeni lagert. Dadurch sammelt sich in den Magen eintre-
tendes Kontrastmittel zunächst im Fundus und fließt
mit Verzögerung und vornehmlich bei gebückter
niert die Duplikatur im Röntgenbild wie ein intra- Haltung des Patienten ab. Der schwallartige Abstrom
murales Divertikel (Prädilektionsstellen: große Kur- der Ingesta aus dem retroflektierten Fundus nach
vatur und präpylorisches Antrum). Die Dupli- distal hat der Anomalie den Namen gegeben. Die
kationszyste ist aufgrund ihrer Flüssigkeitsfüllung Formvariante wird nahezu ausschließlich radio-
sonographisch vielfach gut zu erkennen. logisch diagnostiziert. Klinische Bedeutung kommt
Im Projektionsradiogramm kann sie mit einem ihr dann zu, wenn sie durch operationsbedingte Ver-
subserösen Magentumor, in der CT mit einer Pan- wachsungen oder raumfordernde Prozesse der Nach-
kreaszyste bzw. einem Zystadenom des Pankreas ver- barorgane bedingt ist. In den meisten Fällen ist die
wechselt werden (O’Donnell et al. 2005). Kaskadenform des Magens eine symptomlose An-
lageanomalie.
Duplikatur des Duodenums
Die Duplikatur des Duodenums (Abb. 4.1) ist ähnlich Innere Obstruktion des Magens (Pylorusatresie)
selten wie jene des Magens und in aller Regel in der Der so genannten inneren Obstruktion des Magens
Pars descendens lokalisiert. Als makromorphologi- liegt ein transversales Septum zugrunde, das aus
sches Substrat werden in der Submukosa gelegene Schleimhaut (und Muskulatur) besteht und unter-
enterogene Zysten oder submuköse bzw. intralumi- schiedlich weit ins Lumen vorragt. Die Membran
nale Divertikel nachgewiesen. Die Läsionen können, liegt gewöhnlich in der antropylorischen Region, teilt
wenn ihre Wand heterotope Magenschleimhaut ent- das Organ in 2 verschieden große Abschnitte und
hält, ulzerieren und bluten und außerdem durch behindert den Transport des Speisebreis ins Duo-
ihren lokalen raumfordernden Effekt die Entstehung denum. Im Röntgenbild des kontrastierten Magens
einer Pankreatitis begünstigen. Ausnahmsweise wird erkennt man auf Höhe des abnormen Wulstes einen
eine Kommunikation mit dem Ductus pancreaticus querverlaufenden bandförmigen Füllungsdefekt.
accessorius nachgewiesen.
Lageanomalien des Magens
Merke ! Die Duplikationszysten können im
Kontrastbild nicht von soliden Tumo-
Die angeborenen Lageanomalien des Magens sind
wesentlich seltener als die – in der Regel durch eine
ren in der Wand des Zwölffingerdarms unterschieden Zwerchfellhernie bedingte – erworbene Dystopie.
werden. Bei Situs inversus viscerum liegt der Magen im
rechten Oberbauch. Der intragastrale Luft-Flüssig-
keits-Spiegel ist daher in der Abdomen-Leeraufnah-
me unter dem rechten Hemidiaphragma nachzu-
weisen.
142 Kapitel 4 Magen und Duodenum
Abb. 4.4 a–f. Hypertrophische Pylorusstenose im Sonogramm. Querschnitt. d Grenzwertig breiter Pylorus im Längsschnitt
a normaler Pylorus im Querschnitt (weißer Pfeil: Wand, (Markierungskreuze). e Hypertropher Pylorus im Querschnitt
schwarzer Pfeil: Lumen, G Gallenblase, Vc V. cava inferior). (Markierungskreuze). f Hypertropher Pylorus im Längsschnitt
b Normaler Pylorus im Längsschnitt (weißer Pfeil: Wand; (weiße Pfeile; G Gallenblase, L Leber, A Antrum ventriculi).
schwarzer Pfeil: Lumen). c Grenzwertig breiter Pylorus im (Aufnahmen von Dr. B. Redel, Berlin)
anzeigen. Die Treffsicherheit der sonographisch er- Ultraschalluntersuchung geschlossen. Außerdem ist
mittelten Maßzahlen des Pylorus im Hinblick auf die zu erkennen, dass sich der hypertrophierte und elon-
Wahl zwischen der chirurgischen und der konser- gierte Muskel einerseits deutlich ins Antrum ventri-
vativen Therapieoption ist gering. culi vorwölbt und andererseits in enge Nachbar-
Wenn das Krankheitsbild voll ausgeprägt ist, schaft zur Gallenblase tritt. Bei der Röntgenunter-
bleibt der Pylorus über die gesamte Dauer einer suchung sind der abnorm lange und enge Pylorus-
4.1 Angeborene und anlagebedingte Erkrankungen 145
4.1.5
Aortomesenteriale Kompression Abb. 4.6. Aortomesenteriale Kompression des Duodenums.
des Duodenums Hochgradige exzentrische Stenose der Pars IV duodeni.Ausge-
prägte prästenotische Dilatation
Beim Gesunden entfaltet sich die Pars descendens
duodeni auch in dem Segment, das zwischen Aorta
und A. mesenterica superior gelegen ist, vollständig. 4.1.6
Wenn der Winkel zwischen den beiden Gefäßen je- Pancreas anulare
doch anlagebedingt kleiner als normal (25°) ist und
andere Faktoren hinzutreten, die den Raum zwischen Das Pancreas anulare (Abb. 4.7 a, b) ist die häufigste
der Aorta und dem Hauptstamm der A. mesenterica Ursache der angeborenen extrinsischen Stenose des
superior einengen, kann der Zwölffingerdarm dort proximalen Duodenums. Dabei ist das suprapapillä-
stenosiert sein (Abb. 4.6). Das Kontrastbild zeigt im re Drittel der Pars descendens von lateral imprimiert
typischen Fall eine kurzstreckige hochgradige Enge und dadurch exzentrisch stenosiert.
des prävertebral gelegenen Segments der Pars des- Die anomale Position des Pankreas ist durch die
cendens duodeni. Zu den begünstigenden Faktoren mangelhafte oder vollständig fehlende Rückbildung
gehören rasches Längenwachstum in der Pubertät, der ventralen Organanlage bedingt. Dadurch legt
Magerkeit, Ptosis viscerum, Hyperlordose der Len- sich bei der Darmdrehung ein Parenchymring um
denwirbelsäule und orthopädische Therapiemaß- das Duodenum. Die äußere Stenose des Zwölffin-
nahmen (z. B. Korsett oder Extension). gerdarms durch das Pancreas anulare kann mit einer
Sowohl die Obstruktion des Duodenums durch inneren Stenose (z. B. durch eine perforierte Mem-
die Gefäßzwinge als auch die Position der benach- bran) kombiniert sein.
barten Organe und der Fettreichtum des Retroperito- Die periduodenale Lage der Bauchspeicheldrüse
neums werden durch die CT direkt dargestellt. Den wird in der CT und MRT direkt nachgewiesen, die
Winkel zwischen den beiden Gefäßen kann man aus funktionelle Bedeutung der Stenose für den Trans-
dem median-sagittal rekonstruierten CT-Arterio- port des Speisebreis durch das Kontrastradiogramm.
gramm des Oberbauchs ermitteln.Auch die kontrast- Den morphologischen Beweis für die Anomalie lie-
verstärkte MR-Angiographie des Abdomens liefert fert das retrograde Pankreatikogramm. Der Ausfüh-
diese Information. Auf die Katheterangiographie rungsgang des Pancreas anulare geht vom ventralen
wird in aller Regel verzichtet. Abschnitt des Organs aus, wendet sich dann nach
Wenn die konservativen Behandlungsversuche lateral und dorsal und mündet linksparavertebral in
misslingen, kann chirurgisch interveniert werden. den Ductus pancreaticus (selten in den Ductus cho-
Dabei werden entweder das Treitz-Band durchtrennt ledochus). Wie das Beispiel eines zufällig in der MRT
und anschließend das Duodenum mobilisiert entdeckten Pancreas anulare zeigt, kann die Anoma-
(Strong-Operation) oder Duodenum und Jejunum lie lange Zeit klinisch stumm bleiben (Desai et al.
retrokolisch Seit-zu-Seit anastomosiert. 1994).
4.1 Angeborene und anlagebedingte Erkrankungen 147
4.1.8
Pancreas aberrans
Para- bzw. periduodenale Hernien können sich nur 왔 Bilden sich im Rahmen einer chroni-
Definition
dann ausbilden, wenn der Zwölffingerdarm mangel- schen Entzündung Pseudozysten aus,
haft fixiert ist. Meist ist nur ein Segment des Organs so werden diese Läsionen als sekundäre Duodenal-
abnorm beweglich. Bei der rechtsseitigen paraduo- wandzysten bezeichnet.
denalen Hernie verlagert sich Dünndarm in die Bur-
sa omentalis, bei der linksseitigen dringt er in den Die Differenzierung eines Pancreas aberrans von
Recessus duodenalis superior ein. Das Leerbild des einer submukös lokalisierten Läsion der glatten
Abdomens zeigt einen hohen Ileus. Bei der Durch- Muskulatur ist auch in der CT kaum möglich und
leuchtungsuntersuchung erkennt man, dass das Duo- endoskopisch ebenso schwierig (Cho et al. 2000).
denum abnorm weit ventral lokalisiert ist und dorsal Ein ähnliches radiomorphologisches Bild wie die
davon wenig bewegliche Dünndarmschlingen liegen, Pankreasinsel in der Magenwand bietet die heteroto-
die sich zögerlich füllen und entleeren. pe Magenschleimhaut im Bulbus duodeni. Allerdings
148 Kapitel 4 Magen und Duodenum
4.1.9
Transpylorischer Schleimhautprolaps
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4.2 Entzündungen, Geschwüre und Gefäßerkrankungen 149
4.2.2
Gastritis phlegmonosa
4.2.3
Spezifische Gastritis
4.2
Entzündungen, Geschwüre Die spezifischen Formen der Gastritis sind selten
und Gefäßerkrankungen und aus dem Röntgenbefund nur in Kenntnis der
Grunderkrankung bzw. vor dem Hintergrund des
Die Rolle der Radiologie für die Diagnose und Diffe- Nachweises ähnlicher Läsionen in anderen Abschnit-
renzialdiagnose der Entzündungen, Geschwüre und ten des Verdauungstrakts zu erkennen.
Gefäßerkrankungen von Magen und Duodenum
beschränkt sich im Allgemeinen auf die Erkennung Helicobacter-pylori-Gastritis
von Sonderformen und den Nachweis von Kompli- Während die Resultate der konventionellen Röntgen-
kationen. diagnostik bei Helicobater-pylori-Gastritis enttäu-
schen, besitzen der EUS und die CT sowohl bei der
Diagnose als auch bei der Verlaufskontrolle der Er-
4.2.1 krankung eine gewisse Bedeutung. Die Endosono-
Chemische Gastritis graphie zeigt bei Helicobacter-pylori-infizierten
Patienten mit Gastritis eine diffuse Verbreiterung
Die Verätzung der Magenschleimhaut durch chemi- der 3 inneren Wandschichten, während die 4. und 5.
sche Noxen kann über die Entzündung hinaus zu Schicht unauffällig sind (Avunduk et al. 1995). Nach
Nekrose, Blutung, Wandemphysem und Perforation erfolgreicher antimikrobieller Therapie und Rück-
führen (Abb. 4.10). Im akuten Stadium führt man gang der Entzündung normalisiert sich die Breite der
die Röntgenuntersuchung daher ausnahmslos mit inneren Wandschichten.
wasserlöslichem Kontrastmittel durch. In der CT werden 2 morphologische Varianten der
schweren Helicobacter-pylori-induzierten-Gastritis
CAVE ! Die Säureverätzung des Magens ist
besonders gefürchtet; Säuren wirken
unterschieden:
∑ die zirkumferenzielle Verdickung der Wand des
im Magen aggressiver als im Ösophagus.
Antrum ventriculi und
Für Laugen sind die Verhältnisse umgekehrt; sie
∑ die Verbreiterung der dorsalen Magenwand ent-
entfalten in der Speiseröhre größere Toxizität als im
lang der großen Kurvatur (Urban et al. 1991).
Magen.
150 Kapitel 4 Magen und Duodenum
Abb. 4.12 a–d. Ulcus ventriculi. a Benignes antropylorisches des Angulus ventriculi und Magenausgangsstenose (auf dem
Ulkus. b Kallöses Ulkus am Angulus ventriculi. c Malignes Ul- Boden einer Peritonealkarzinose bei Ovarialkarzinom)
kus an der Minorseite des Antrum ventriculi. d Malignes Ulkus
Das Ulcus callosum ist im Röntgenbild daran zu Die Perforation des Magengeschwürs ist im Abdo-
erkennen, dass infolge des abnorm breiten Granula- men-Leerbild an der freien subdiaphragmalen Luft
tionssaums der Durchmesser des Ulkuskraters den zu erkennen. Kleinkurvaturseitige Ulzera brechen
der intakten Magenwand übertrifft. Zur Palliativ- ins Omentum minus, Hinterwandulzera ins Pankreas
therapie der narbigen Magenausgangsstenose eignen ein. Antropylorische Ulzera können in den Bulbus
sich selbstexpandierende Metallstents (Wigginghaus duodeni perforieren und dadurch eine zweite Verbin-
et al. 1999). dung zwischen Magen und Zwölffingerdarm schaf-
fen, sodass im Kontrastradiogramm ein gedoppelter
Pylorus nachweisbar wird. Ausnahmsweise perforie-
ren peptische Magengeschwüre in das Kolon oder die
Gallenwege.
4.2 Entzündungen, Geschwüre und Gefäßerkrankungen 153
Abb. 4.15 a, b. Narbig geschrumpfter Bulbus duodeni (so genannter Kleeblattbulbus). a Prallfüllungsbild. b Doppelkontrastbild
4.2.7
Gastroduodenale Blutung
4.3
Tumoren
Die bildgebende Diagnostik von Tumoren des Ma-
gens und Zwölffingerdarms hat sich von der Projek-
tionsradiographie nahezu komplett auf die Schnitt-
bilddiagnostik verlagert. Wertvoll ist die konventio-
nelle Kontrastmitteldarstellung noch für den Nach-
weis von Tumoren des distalen Duodenums, da diese
Region einerseits bei der Routine-Endoskopie des
oberen Verdauungstrakts nicht eingesehen und an-
dererseits von der Standard-Intestinographie nicht
erfasst wird.
4.3.1
Gutartige epitheliale Tumoren des Magens
Polyp, Adenom
Die radiologische Diagnose des Polypen (Abb.
4.17 a, b) ruht in Magen und Duodenum ebenso wie
in anderen Hohlorganen auf dem konstanten Nach-
weis einer erhabenen, aber nur ausnahmsweise
stenosierenden Läsion.
Die unregelmäßige, fakultativ von Erosionen be-
deckte Oberfläche und die scharfe Abgrenzung von
der benachbarten Schleimhaut kennzeichnen Poly-
pen epithelialen Ursprungs.
Dagegen sind polypöse Läsionen nichtepithelialen
Ursprungs durch glatte Oberfläche, fließenden Über-
gang in die Umgebung und Brückenfalten charakte-
risiert. Abb. 4.17 a–c. Magenpolyp. Polyposis ventriculi. a 2 Magen-
polypen. Der kranial gelegene ist en face getroffen und weist
Die Polypen sitzen der Magenwand entweder ein zentrales Kontrastmitteldepot auf, der an der kleinen Kur-
breitbasig auf oder sind mit ihr durch einen Stiel vatur kaudal gelegene ist im Profil dargestellt. b Maligner Po-
verbunden. Langstielige Magenpolypen können ins lyp am Angulus ventriculi. c Polyposis ventriculi
Duodenum prolabieren und so eine gastroduodenale
Invagination herbeiführen.
4.3 Tumoren 157
Rund 90% der radiologisch nachgewiesenen Ma- Polyposis ventriculi bei intestinalen Syndromen
genpolypen sind benigne Tumoren. Hinter den rest- ∑ Familiäre Adenomatosis coli (fakultativ: Polyposis duodeni)
lichen 10% verbergen sich primär maligne Läsionen ∑ Peutz-Jeghers-Syndrom (Polyposis intestini, Pigmentflecken
(polypöses Karzinom, Frühkarzinom vom erhabe- an Lippen- und Wangenschleimhaut)
nen Typ) oder maligne entartete Adenome (Cheru- ∑ Gardner-Syndrom (Adenomatosis intestini et coli, Osteome,
kuri et al. 2000). Fibrome, Lipome, Dermoidzysten, Dentitionsstörungen)
Unter den benignen epithelialen Läsionen ist der ∑ Cronkhite-Canada-Syndrom (Polyposis intestini et coli,
hyperplasiogene Polyp der häufigste Subtyp. Der für Hyperpigmentation von Haut, Schleimhäuten und Retina,
den Magen typische Tumor ist überwiegend im An- Alopezie, Onychodystrophie)
trum lokalisiert, misst in der Regel <10 mm im ∑ Cowden-Syndrom (disseminierte gastrointestinale Polypose,
Durchmesser und wird meist multipel nachgewiesen. orokutane Hamartome, gehäuft Erkrankungen der Schild-
Dagegen ist das Adenom (im Magen überwiegend drüse und der Mamma)
vom tubulären, im Duodenum meist vom villösen
∑ Turcot-Syndrom (Adenomatosis coli, maligne ZNS-Tumoren)
Typ) in etwa gleich häufig im Antrum bzw. an der
Kardia lokalisiert, bis zu 40 mm groß und in aller
4.3.2
Regel ein solitärer Befund.
Magenkarzinom
Polyposis ventriculi
Der Nachweis von mehr als 50 Polypen im Magen Bei der Röntgendiagnostik der malignen epithelialen
legt die Diagnose einer Polyposis ventriculi nahe Tumoren des Magens wird traditionell zwischen dem
(Abb. 4.17 c). Nach dem feingeweblichen Bild handelt Frühkarzinom (Tabelle 4.2) und dem fortgeschritte-
es sich dabei entweder um Drüsenkörperzysten nen Karzinom (Tabelle 4.3) unterschieden. Diese Dif-
(häufigster Befund) oder um hyperplasiogene Poly- ferenzierung wurde Anfang der 1960er Jahre von der
pen und fokale foveoläre Hyperplasien. Die Adeno- Japanischen Gesellschaft für Gastroenterologische
matose des Magens als eigenständiges Krankheits- Endoskopie inauguriert und später durch klinische
bild ist nicht gesichert. Die Polyposis ventriculi kann Untersuchungen glänzend bestätigt. Es gelingt aller-
jedoch Teil- oder Begleitsymptom adenomatöser Er- dings weder endoskopisch noch radiologisch, son-
krankungen des Dünn- und Dickdarms sein. dern nur am Operationspräparat, die beiden Formen
und ihre Typen sicher voneinander zu unterscheiden.
Die höchste Treffsicherheit unter den bildgebenden
Verfahren besitzt der EUS.
I Knotiger, ins Lumen vorspringender Tumor Breitbasige erhabene Läsion mit irregulärer Oberfläche
mit zerklüfteter Oberfläche
II Über dem Schleimhautniveau gelegener, Die Magenwand überragende, gegenüber der Umgebung
von der Umgebung durch einen hohen gut abgrenzbare, ausgedehnt ulzerierende erhabene Läsion
Randwall abgesetzter tiefer Tumorkrater
III Unscharf von der Umgebung abgesetzter Wandversteifende, von der Umgebung kaum abgesetzte,
flach ulzerierter Tumor knapp über/unter Schleimhautniveau gelegene Läsion
IV Die Magenwand diffus infiltrierender Tumor Wandversteifende und lumenreduzierende flächenhafte
(Linitis plastica) Läsion, die das Schleimhautrelief kaum verändert
158 Kapitel 4 Magen und Duodenum
Frühkarzinome werden einheitlich am besten in der Wichtigstes Differenzierungskriterium ist die Grö-
arteriellen und/oder parenchymatösen Phase der ße (Balfe et al. 1984):
Kontrast-CT nachgewiesen. Für die Aufdeckung fort-
∑ Für die Lymphknoten des Kompartiments I (an
geschrittener Tumoren vom szirrhösen Typ ist die
der großen und kleinen Kurvatur des Magens) gilt
Spätphase günstiger, weil das Enhancement an der
ein Kurzachsendurchmesser von 8 mm als Ober-
Mukosa einsetzt und von dort nach außen fortschrei-
grenze der Norm,
tet (Takao et al. 1998). Auch innerhalb des Tumors
∑ für die Lymphknoten des Kompartiments II
steigt die Dichte in der Frühphase der Kontrastmit-
(rings um den Truncus coeliacus, im Leber- und
telanflutung vielfach mehr oder weniger heterogen
Milzhilus) beträgt dieser Wert 7–8 mm und
an, in der Gleichgewichtsphase stellt er sich dann
∑ für die Lymphknoten des Kompartiments III
gleichmäßig hyperdens dar. Frühkarzinome werden
(Retroperitoneum, Mesenterialwurzel) 9–11 mm.
aufgrund dieser Kriterien computertomographisch
in 56% und fortgeschrittene Karzinome in 95% kor- Nach den Ergebnissen einer histopathologisch kon-
rekt erkannt (Cho et al. 1994). In Einzelfällen kann trollierten CT-Studie an 58 Patienten mit Magenkar-
mittels der CT die für die bioptische Sicherung des zinom konnten von den Lymphknoten mit einem
Karzinoms am besten geeignete Region der Magen- Durchmesser zwischen 5 und 9 mm 45% und von
wand identifiziert werden. jenen mit einem Durchmesser von >9 mm 72%
Die Leistungsfähigkeit der CT beim T-Staging von im Schnittbild korrekt identifiziert werden (Fukuya
Magenkarzinomen hängt entscheidend von der Inva- et al. 1995). Die Sensitivität der CT beim Nachweis
sionstiefe der Tumoren ab. Während bei fortgeschrit- metastatischer Lymphknoten war dabei mit 75,2%
tenen Karzinomen das korrekte T-Staging in 82% der deutlich höher als die für den Nachweis metastasen-
Fälle gelingt, beträgt die entsprechende Quote beim freier Lymphknoten (41,8%); dieser Unterschied war
Frühkarzinom lediglich 15% (Takao et al. 1998). Be- auch statistisch signifikant (p<0,01). Ähnlich große
sonders schwer lassen sich T1-Karzinome, die die Differenzen fanden sich für die computertomo-
Submukosa ausgedehnt infiltrieren, von fortgeschrit- graphische Dichte (positive Lymphknoten: 110+/
tenen Tumoren differenzieren. Die Unterscheidung –25 HE; negative Lymphknoten: 66+/–32 HE)
zwischen T2- und T3-Karzinomen gelingt in 73% und das Verhältnis zwischen kurzer und langer
und die zwischen T1/T2- und T3/T4-Tumoren in Achse (positive Lymphknoten: 0,81+/–0,15; negative
83% der Fälle (Fukuya et al. 1997). Lymphknoten: 0,57+/–0,15).
Der Nachweis der tumorösen Infiltration der Sero- Dennoch werden in der CT immer wieder Lymph-
sa ist auch in der Dünnschicht-Spiral-CT schwierig. knoten mit einem Durchmesser von <10 mm gefun-
Multiplanare Rekonstruktionen sind den axialen den, die metastatisch befallen sind, und umgekehrt
Tomogrammen für das T-Staging vor allem in jenen erweisen sich Lymphknoten mit einem Durchmesser
Regionen überlegen, deren Beurteilung durch Teil- von >15 mm als tumorfrei (Potente et al. 1994). Der
volumenartefakte erschwert ist. Als Faustregel gilt, Nachweis von Metastasen in Lymphknoten des Kom-
dass das computertomographische T-Staging bei partiments III kann von der CT mit einer Sensitivität
2 von 3 Magenkarzinomen zutreffend ist. Fehlende von 36% und einer Spezifität von 97% erwartet wer-
Fettschichten und unregelmäßige Ränder sind ein den (Adachi et al. 1997).
wenig verlässliches Zeichen für die Invasion der
Nachbarorgane durch das Magenkarzinom. Ein
besseres Differenzierungskriterium ist die mittlere Merke ! Grundsätzlich eignet sich die CT also
besser für die Stadieneinteilung fort-
Dichte der Grenzregion (Tsuburaya et al. 1994). In in- geschrittener Tumoren des Magens als für die von
filtrierten Arealen ist die computertomographische Frühkarzinomen.
Dichte mit 60+/–38 HE signifikant (p<0,05) höher
als in nicht vom Tumor berührten Abschnitten (36+/ Dabei besteht die Tendenz, das T-Stadium zu hoch
–56 HE). Mit Hilfe der Densitometrie lässt sich der und das N-Stadium zu niedrig zu bewerten (Ziegler
Nachweis der Infiltration eines Magenkarzinoms in et al. 1993). Die Aussaat des Tumors in die Peritoneal-
Pankreas, Leber und Dickdarm mit einer Genauig- höhle wird selbst im fortgeschrittenen Stadium com-
keit von 75% (61%, 78%) führen. putertomographisch häufig nicht erkannt (Stell et al.
Das computertomographische N-Staging von Ma- 1996). Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn
genkarzinomen gilt allgemein als unbefriedigend (noch) kein Aszites besteht und zarte Knötchen am
(Hundt et al. 1999). Vielfach werden zwar abnorm Peritoneum und im mesenterialen Fett das einzige
große lokoregionäre Lymphknoten nachgewiesen. Es Zeichen der disseminierten Filiarisierung sind. Wie
gelingt jedoch nicht, zwischen metastatischem Befall die Resultate einer chirurgisch kontrollierten CT-
und einer nichtneoplastischen Reaktion als Ursache Studie an 56 nodal-positiven Adenokarzinomen zei-
der Vergrößerung zu unterscheiden. gen, ist auch bei sorgfältiger Untersuchungs- und
4.3 Tumoren 161
Auswertetechnik damit zu rechnen, dass etwa jede entscheidend beeinflusst. Wenn in Standardtechnik
vierte Peritonealkarzinose übersehen wird (Adachi (SE-Sequenzen; Schichtdicke: 10 mm) tomographiert
et al. 1997). wird, verhindern atmungs- und bewegungsbedingte
Im Hinblick auf die Prognose des Magenkarzinoms Artefakte und die langen Akquisitionszeiten die
gilt die Klassifikation von Laurén als besonders vali- überzeugende Darstellung des Tumors. Die MRT
de. Einer italienischen Arbeitsgruppe gelang in 92% zeigt dann zwar Karzinome in fortgeschrittenen
der Fälle die computertomographische Differenzie- Stadien und deren Lebermetastasen, der Befall der
rung zwischen dem intestinalen und dem diffusen Lymphknoten und des Bauchfells wird aber nur mit
Typ (Rossi et al. 1999). Als Kriterien nutzte sie die klinisch unbefriedigender Sensitivität demonstriert
Breite des hypodensen Anteils der Magenwand und (Costanzi et al. 1996). Zu besseren Ergebnissen ver-
das Ausmaß der Kontrastmittelanreicherung. Bei helfen der Einsatz von Schnellbildtechniken und die
Karzinomen vom intestinalen Typ wurden sowohl kombinierte Applikation negativen oralen und posi-
für die Tiefenausdehnung (1,4+/–0,4 gegenüber tiven parenteralen Kontrastmittels. So konnten fort-
7,0+/–1,2 mm) als auch das Enhancement (51+/–3 geschrittene Magenkarzinome bei 48 Patienten an
gegenüber 85+/–2 HE) wesentlich niedrigere Werte der Verbreiterung der Wand und abnorm starker
gemessen als bei Tumoren vom diffusen Typ. lokaler Kontrastmittelakkumulation erkannt werden
Die Resultate der MRT von Magenkarzinomen (Matsushita et al. 1994). Dort, wo der Tumor in den
(Abb. 4.21 a–c) werden von der Leistungsfähigkeit extraserosalen Raum eindringt, ist die sonst in der
des Geräts und der gewählten Untersuchungstechnik MRT nachweisbare signalarme Schicht entweder
162 Kapitel 4 Magen und Duodenum
völlig aufgebraucht oder deformiert. Auf der Basis Allerdings tendiert der EUS ähnlich wie die CT da-
dieses Kriteriums konnten 79% der pT2-, 96% der zu, die T-Kategorie zu hoch und die N-Kategorie zu
pT3-und 80% der pT4-Tumoren präoperativ richtig niedrig anzusetzen. Die Methode eignet sich jedoch
klassifiziert werden. Nach den Ergebnissen einer an- für die Erkennung aller T-Stadien gleich gut und
deren Studie wird die Invasion des perigastrischen vermag insbesondere den Befall der Serosa klar zu
Raums sogar mit einer Sensitivität von 93% erkannt beweisen.
(Oi et al. 1997). Wenn einerseits die Entscheidung zwischen Ope-
Weitere Fortschritte bei der magnetresonanz- ration, neoadjuvanter Chemotherapie, palliativer
tomographischen Analyse des Magenkarzinoms sind Chemotherapie und symptomatischer Behandlung
von der dreidimensionalen MR-Exo- und Endoskopie aufgrund der Resultate der nichtinvasiven Unter-
zu erwarten (Schmid et al. 1999). Multiplanare Re- suchungsverfahren noch nicht getroffen werden
formatierungen und in MIP- („Maximum-intensity- kann, andererseits auf die explorative Laparotomie
Projektion-“) Technik bearbeitete Bilder sollen verzichtet werden soll, bietet sich als weiteres Verfah-
dabei die Topographie des Magens und seiner ren zur Stadieneinteilung die Laparoskopie an. Mit
Umgebung sichtbar machen. Die Beurteilung der ihrer Hilfe gelingt es in der Regel, sowohl das Sta-
Schleimhaut ruht auf dreidimensionalen Visualisie- dium des Primärtumors korrekt zu bestimmen als
rungstechniken („shaded-surface display“, virtuelle auch die lokoregionären Lymphknoten, die Leber
Endoskopie). und das Peritoneum umfassend zu beurteilen.
Auch die endoskopische MRT des Magens ist er- Die direkte Betrachtung der Oberbauchorgane
probt worden (Inui et al. 1995). Dabei wurde der Pro- während der Laparoskopie kann durch die laparosko-
totyp eines MR-Endoskops in Verbindung mit einem pische Sonographie ergänzt werden. Damit werden
1,5 Tesla-Gerät eingesetzt.An der Wand des gesunden sowohl die Möglichkeiten des T- und N-Staging als
Magens konnten mit dieser Technik 3 Schichten un- auch die Sensitivität und Spezifität des Nachweises
terschieden werden. Die malignen Tumoren waren von Metastasen in den parenchymatösen Ober-
an der Zerstörung der regulären Wandarchitektur bauchorganen nochmals verbessert (Conlon u.
sowie abnorm geringer Signalintensität (sowohl im Karpeh 1996).
T1- wie im T2-gewichteten Bild) zu erkennen. Aller-
dings konnten nur bei 14 von 24 Patienten mit Er-
krankungen des Magens qualitativ befriedigende Bil- Merke ! Mit der Kombination aus endoskopi-
schem und laparoskopischem Utra-
der gewonnen werden. Die Interpretation der aus- schall scheint es besser als mit jeder der beiden
wertbaren Fälle von Magenkarzinom lieferte in 89% Methoden allein, aber auch besser als mit CT und
ein korrektes T- und in 56% ein korrektes N-Staging. Laparoskopie möglich zu sein, alle Patienten mit
Die Hydrosonographie des Magens hat sich für die nichtresektablen Tumoren sicher zu identifizieren
Diagnostik der malignen epithelialen Tumoren des (Mortensen et al. 1996).
Organs nicht etabliert. Nach den Resultaten einer pa-
thologisch kontrollierten Studie können mit ihrer Kontrolluntersuchungen primär inoperabler Magen-
Hilfe nur 77% der Tumoren entdeckt werden, wäh- karzinome während und nach neoadjuvanter Che-
rend die Hydro-CT 94% erkennen ließ (Richter et al. motherapie mit der CT belegen zwar vielfach die
1996). Auch im T-Staging war die Hydrosonographie Wirksamkeit der Behandlung, geben aber nur be-
unterlegen (27 gegenüber 55% richtige Vorhersa- grenzt Auskunft darüber, ob der Tumor durch die
gen). Besser als die CT schnitt sie indessen beim N- Verkleinerung resektabel geworden ist. Bei 23 von 30
Staging (65 gegenüber 45% richtige Prognosen) ab. Patienten einer chirurgisch kontrollierten Studie war
Der EUS (Abb. 4.22 a–d) ist in den meisten Klini- die aus der CT gewonnene entsprechende Vorhersage
ken zum festen Bestandteil der Diagnostik von Ma- richtig; bei den restlichen 7 erwies sie sich hingegen
genkarzinomen geworden. In einer vergleichenden als unsicher oder falsch (Gossios et al. 1996). Andere
Untersuchung an 109 Patienten erwies er sich sowohl Untersucher gingen der Frage nach, ob die CT ver-
der präoperativen CT als auch der Beurteilung des lässliche Aussagen über die lokoregionäre Ausbrei-
Situs durch den Operateur überlegen (Ziegler et al. tung von Magenkarzinomen nach neoadjuvanter
1993). Die Ausbreitung des Tumors in die Tiefe wur- Chemotherapie ermöglicht (Ng et al. 1998). Wie der
de dabei endosonographisch in 86% der Fälle, die Vergleich mit den Operationspräparaten zeigte, wur-
Lymphknoten des 1. und 2. Kompartiments wurden den das posttherapeutische T- und N-Stadium nur
in 74% korrekt beurteilt. Zu etwas niedrigeren, aber mit einer Sensitivität von 57% und einer Spezifität
der CT und der unmittelbaren Inspektion immer von 43% richtig eingeschätzt. Die Autoren empfehlen
noch überlegenen Werten, nämlich 71% für das T- deshalb, die Entscheidung zur Operation nicht vom
Staging und 65% für das N-Staging, kamen andere Ergebnis der CT abhängig zu machen.
Untersucher (Perng et al. 1996).
4.3 Tumoren 163
Abb. 4.22 a–d. Magenkarzinom im Endosonogramm. a T1N0-Tumor. b T3N1-Tumor. c Szirrhus (Linitis plastica). d Varizen der
Magenwand; vgl. den echodifferenten Lymphknoten in b. (Aufnahmen Dr. S. Faiss, Berlin)
4.3.4
Endokrine Tumoren des Magens
Abb. 4.26 a–d. Benigne Tumoren des Duodenums. a Leio- tes Neurinom der Pars descendens duodeni. d Villöses Ade-
myoblastom des Bulbus duodeni. b Angiom im postbulbären nom der Pars ascendens duodeni
Duodenum bei Blue-rubber-bleb-Nävus-Syndrom. c Ulzerier-
Das Kontrastradiogramm gibt vielfach zusätzlich ren oder Pankreaskarzinomen als durch autochthone
zu den Informationen über die Makromorphologie Tumoren bedingt. Die extraluminalen Tumoranteile
des Tumors (Lage, Größe, Ulzeration, stenosierende werden mit der CT zuverlässig erfasst. Computerto-
Wirkung) Auskunft darüber, ob die Neoplasie von mographisch und/oder angiographisch nachgewie-
der Schleimhaut ausgeht oder ihren Ursprung in sener Gefäßreichtum engt die Differenzialdiagnose
einer submukösen Wandschicht hat. Duodenalsteno- auf Hämangiome, GIST und neuroendokrine Tumo-
sen, die von der medialen Wand der C-Schlinge aus- ren ein.
gehen, sind häufiger durch Invasion von peripapillä-
168 Kapitel 4 Magen und Duodenum
Abb. 4.30 a–d. Magen und Duodenum bei raumfordernden sion und Stenosierung des postbulbären Duodenums durch
Läsionen der Nachbarorgane. a Impression der duodenalen Gallenblasenkarzinom. Cholezystolithiasis! d Fistel eines ste-
C-Schlinge durch ein Zystadenokarzinom des Pankreaskopfes. nosierenden Tumors des Colon transversum ins Duodenum.
b Stenosierung der duodenalen C-Schlinge durch Pseudozyste Retrograde Kontrastierung der Pars descendens und des
des Pankreaskopfes. Cave: Situs inversus abdominis! c Impres- Bulbus duodeni
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4.4 Postinterventioneller Gestalt- und Funktionswandel von Magen und Duodenum 173
4.4.1
Komplikationen chirurgischer Eingriffe
an Magen und Duodenum
Anastomosenenge
In früh-postoperativen, d. h. 6–10 Tage nach dem Ein-
griff durchgeführten Kontraströntgenuntersuchun-
gen wird gelegentlich eine funktionell mäßig wirk-
same Enge der Anastomose(n) beobachtet. Dieser
Befund ist in aller Regel durch die postoperative
Schwellung der Wand der Hohlorgane verursacht
und bildet sich innerhalb von 1–2 Wochen folgenlos
zurück. Bleibt er über diese Zeitspanne hinaus beste-
hen, kommen als Ursachen für eine Anastomosenen-
ge oder anastomosennahe Stenose neben einer zu en-
gen Naht oder einem extraluminalen raumfordern-
den Prozess (z. B. Hämatom) eine Invagination/In-
tussuszeption, eine innere Hernie oder die Torsion
bzw. Kompression einer Jejunumschlinge in Betracht.
Im spät-postoperativen Verlauf nachgewiesene
Anastomosenengen sind zumeist durch Schrump-
fung (vor allem bei benignen Leiden, z. B. Ulcus ven-
triculi/duodeni) oder Rezidiv (nach Tumorresektion
meist extraluminale Läsionen) bedingt.
Anastomoseninsuffizienz, Fistel
Die Röntgenuntersuchung des operierten Magens/
Zwölffingerdarms lässt die Insuffizienz von Anasto-
mosen und die Ausbildung von Fisteln zu den Nach-
barorganen nicht nur zuverlässig beweisen bzw. aus-
schließen, sondern bietet auch die vollständige Infor- Abb. 4.32 a, b. Postoperative Fisteln. a Kraniokaudal verlau-
mation über Lokalisation und Ausmaß des Lecks fende Fistel nach Gastrektomie und Ösophagojejunoplicatio.
und die Drainage der extraluminalen Flüssigkeit b Blinde Fistel nach Duodenotomie
(Abb. 4.32 a,b, Abb. 4.33 a, b). Besteht nach einer Bill-
roth-II-Operation klinisch der Verdacht auf Nahtin-
suffizienz, so ist sie häufiger am Duodenalstumpf als Schleimhautprolaps, Invagination, Intussuszeption
an der gastrojejunalen Anastomose zu finden. Post- Der Prolaps von Magen- bzw. Jejunalschleimhaut ins
operative Fisteln führen in typischen Fällen in die benachbarte anastomosierte Organ wird am häufig-
Bursa omentalis oder das Querkolon. Nach Aneu- sten nach Billroth-II-Resektion des Magens beobach-
rysmektomie der großen Bauchschlagader sind tet. Dabei ist die Verlagerung von Jejunalschleimhaut
aortoduodenale Fisteln beobachtet worden. (meist aus der afferenten Schlinge) in den Magen-
stumpf häufiger als die von Magenschleimhaut in
das Jejunum (afferente oder efferente Schlinge). Als
Hauptursachen für den Prolaps gelten die abnorm
gute Verschieblichkeit der Schleimhaut in Anasto-
4.4 Postinterventioneller Gestalt- und Funktionswandel von Magen und Duodenum 175
mosennähe und die Größendifferenz zwischen Ma- Die retroanastomotische Hernie wird nach Gastro-
genrest und Jejunum. Typischer Befund im Röntgen- jejunostomie und Billroth-II-Operation beobachtet.
bild ist der spontan reponible halbkugelige Füllungs- Im typischen Fall herniert die abführende Schlinge,
defekt an der Anastomose, dessen Oberfläche wie re- und zwar von rechts nach links. Bei der Kontrastun-
guläre Schleimhaut gemustert ist. Der Schleimhaut- tersuchung ist die Hernierung daran zu erkennen,
prolaps stellt kein echtes Passagehindernis dar und dass posterolateral der Gastrojejunostomie eine dis-
ist klinisch meist ohne Bedeutung. tendierte Dünndarmschlinge nachgewiesen werden
Dagegen führt die gastrojejunale Invagination kann.
bzw. jejunogastrische Intussuszeption zu einer funk- Die transmesokolische Hernie und die Hernie in
tionell wirksamen Stenose. die Bursa omentalis sind typische, aber seltene Kom-
plikationen der partiellen/totalen Gastrektomie. Bei
Invagination/Intussuszeption der transmesokolischen Hernie passiert das Jejunum
∑ Invagination/Intussuszeption nach Gastroenterostomie: einen Defekt im Mesocolon transversum und kann
왔 Jejunogastrische Intussuszeption dort eingeklemmt werden. Zur Hernierung von
왔 Enteroenterale Intussuszeption Dünndarm in die Bursa omentalis kann es dann
∑ Invagination/Intussuszeption nach Magenresektion: kommen, wenn nach Entfernung des Lig. gastrohepa-
왔 Gastroduodenale Invagination/duodenogastrale ticum ein Defekt in der Vorderwand des Netzbeutels
Intussuszeption (nach Billroth-I-Operation) verbleibt.
왔 Gastrojejunale Invagination/jejunogastrale
Intussuszeption (nach Billroth-II-Operation)
Dumping-Syndrom
왔 Jejunojejunale Invagination/jejunoduodenale
Intussuszeption (nach Gastrektomie,
Die beiden Formen des Dumping und seiner Folgen,
an der Braun’schen Fußpunktanastomose) das Früh- (Abb. 4.34) und das Spät-Dumping, werden
aufgrund der unterschiedlichen Pathophysiologie
und klinischen Symptomatik differenziert. Die
Innere Hernie Mehrzahl der an Dumping leidenden Patienten ist
Unter den Eingeweidebrüchen nach Operationen an subtotal gastrektomiert. Gemeinsames radiologi-
Magen und Zwölffingerdarm haben die retroanasto- sches Leitsymptom ist der abnorm rasche Transport
motische, die transmesokolische und die Hernie in der Kontrastmahlzeit durch den oberen Verdauungs-
die Bursa omentalis die größte Bedeutung. trakt. Verantwortlich dafür sind ein zu kleiner
176 Kapitel 4 Magen und Duodenum
4.4.3
Folgen plastischer und rekonstruktiver Eingriffe
liche Sutur kann horizontal oder vertikal verlaufen. und Gastrojejunostomie (fakultativ mit Roux-en-Y-
Auf eine Gastroenterostomie wird verzichtet. Die Va- Anastomose) charakteristisch. Damit wird zusätzlich
rianten der horizontalen Gastroplastie (nach Gomez) zur Isolierung des Fundus ein Magenbypass geschaf-
unterscheiden sich durch die Anzahl der Nähte, fen (Carucci et al. 2006).
die Lage des Stomas (lateral oder zentral) und die Als Alternativverfahren der Gastroplastie sind
additiv mögliche Witzel-Fistel. Bei der vertikalen der volumenreduzierende intragastrale Ballon und
Plikatur (nach Mason) liegt das Stoma an der kleinen das justierbare Silikonband bzw. der justierbare Ring
Kurvatur. in Gebrauch. Die postinterventionelle Röntgenun-
Für die Eingriffe der 2. Gruppe ist die Kombination tersuchung gibt Aufschluss über die Integrität und
aus hoher Transsektion bzw. Stapler-Naht des Fundus Position der Implantate und die von ihnen ausgehen-
4.4 Postinterventioneller Gestalt- und Funktionswandel von Magen und Duodenum 179
4.4.4
de volumenbeschränkende bzw. lumenreduzierende Folgen palliativer Eingriffe
Wirkung. Die Komplikationen der Gastroplastie
(Pouchdilatation – konzentrisch oder exzentrisch Die Indikation zur Gastroenterostomie wird bei einer
mit posteriorer Dislokation, exzentrische Band- hochgradigen symptomatischen Magenausgangs-
herniation, axiale Pouchherniation, Diskonnektion) stenose gestellt. Im Rahmen des Eingriffs werden die
werden konventionell-radiologisch nachgewiesen Magenvorderwand mit der 1. oder 2. Jejunumschlin-
(Wiesner et al. 2000). Die individuelle Adjustierung ge laterolateral anastomosiert und fakultativ eine
der Weite des artefiziellen Stoma nach Punktion Braun’sche Fußpunktanastomose gebildet. Das Jeju-
des Ports fällt in den Aufgabenbereich des Radio- num kann iso- oder anisoperistaltisch an den Magen
logen. angeschlossen werden. Über die isoperistaltische
180 Kapitel 4 Magen und Duodenum
Anastomose verlässt das Kontrastmittel das Corpus Irritationen und Infektionen der Bauchdecke durch
ventriculi meist rasch und in kaudolateraler, über Mageninhalt zu vermeiden, wird ein Kanal zwischen
die anisoperistaltische Anastomose langsamer und Magen- und Bauchwand geschaffen. Entlang der im
in kaudomedialer Richtung. Im Idealfall liegt die Kanal fixierten Ernährungssonde kann das gastral
Anastomose an der Magenhinterwand etwa in Höhe applizierte Kontrastmittel nach außen lecken.
des Pylorus und verläuft von kraniomedial nach Komplikationen wie die Blutung oder Perforation
kaudolateral. Bei großen stenosierenden antropylori- können auch durch Erkrankungen bedingt sein, die
schen Tumoren kann auch die Vorderwand des Ma- bereits vor der Implantation der Ernährungsfistel
gens zur Anastomose benutzt werden. bestanden, aber damals noch asymptomatisch wa-
Die Differenzierung zwischen der retro- und der ren. Nach Entfernung des Gastrostoma kann an der
antekolischen Gastrojejunostomie ist nur im Seitbild Magenvorderwand eine umschriebene vertiefte Lä-
möglich. Die Leitstruktur, an der man sich dabei sion, die durch eingestülpte Schleimhaut hervorge-
orientiert, ist das beim stehenden Patienten mehr rufen wird, zurückbleiben und im Kontrastradio-
oder weniger stark lufthaltige Querkolon. Da die gramm nachgewiesen werden.
große Kurvatur der Magenhinterwand angehört und Die perkutane endoskopisch platzierte Gastrosto-
nicht dem Ansatz des großen Netzes entspricht, mie (PEG) ist mit denselben potenziellen Risiken be-
scheint die Gastroenterostomie dem Röntgenbild haftet wie die chirurgische Fistel. Die Punktion der
nach manchmal weiter ventral gelegen zu sein als es Magenvorderwand kann durch Ultraschall und/oder
tatsächlich der Fall ist. Durchleuchtung erleichtert werden; ausnahmsweise
Die Gastroenterostomie gilt nach radiologischen weist die CT den korrekten Zugangsweg. Bei Hepato-
Kriterien dann als funktionsfähig, wenn das Kon- megalie, Aszites oder nach Teilresektion des Magens
trastmittel den Magen ausschließlich oder zumindest wird vielfach der operativen Intervention der Vorzug
vornehmlich über die Anastomose verlässt. Als gegeben. Das traumatische Potenzial der PEG darf
Faustregel gilt, dass bei der retrokolischen Form der nicht unterschätzt werden. Postinterventionelle CT-
Gastrojejunostomie die antro-pyloro-duodenale Pas- Untersuchungen haben gezeigt, dass auch unkompli-
sage zumeist mehr oder weniger gut erhalten ist, zierte PEG in 56% zu einem Pneumoperitoneum,
während bei der antekolischen Variante der Magen- in 33% zu einem Bauchwandhämatom und in 17%
ausgang durch ein Antrum- oder Pankreaskopfkarzi- zu einem Magenwandhämatom führen (Wojtowycz
nom (sub)total obstruiert wird. Wenn die abfüh- et al. 1988).
rende Schlinge stenosiert ist, kann ein Teil des
Kontrastmittels über Duodenum und Pylorus in
den Magen rezirkulieren. Ein ähnlicher Reflux der 4.4.5
Ingesta ist – ohne Enge der abführenden Schlinge – Folgen ablativer Eingriffe
bei anisoperistaltischer retrokolischer Gastroentero-
stomie möglich. Keil-, Segment- und Manschettenresektionen des Ma-
Selten entwickelt sich in der Umgebung der gens können im Kontrastbild an einem umschriebe-
Anastomose eine pseudotumoröse Form der Entzün- nen Volumenverlust des Organs sowie der Deformie-
dung, die als Gastritis cystica polyposa bezeich- rung der Wand und Verwerfung des Faltenreliefs im
net wird (Wu et al. 1994). Im Kontrastradiogramm Operationsgebiet erkannt werden (Abb. 4.39 a–f). Bei
beobachtet man dabei eine ausgedehnte polypoide Kenntnis der Vorgeschichte sind solche Läsionen im
Läsion, die von einer Neoplasie nicht zu unterschei- Allgemeinen mit großer Zuverlässigkeit differenzial-
den ist. diagnostisch korrekt einzuordnen. Da die limitierten
Differenzialdiagnostische Hilfe bietet die CT, mit Eingriffe nahezu ausschließlich der Behandlung gut-
der die zystischen Anteile der Masse identifiziert artiger Leiden dienen, stellt sich bei der postopera-
werden können. tiven Röntgenuntersuchung die Frage nach einem
Operative Gastrostomien (meist nach Witzel, sel- Rezidiv kaum.
ten nach Stamm oder Dépage) werden radiologisch Die distale Magenresektion Typ Billroth I (Abb.
in der Regel nur dann dargestellt, wenn sie ihre Funk- 4.40) ist am Fehlen des Antrums und des distalen An-
tion nicht oder ungenügend erfüllen. Bruch und Dis- teils des Corpus ventriculi sowie des Bulbus duodeni
lokation der Sonde können auf Anhieb diagnostiziert im Kontraströntgenbild sicher zu erkennen. Wenn
werden. Wenn sich der Schlauch ins Duodenum ver- die Intestinalpassage durch eine terminoterminale
lagert, kann der Magenausgang verlegt werden. Die Anastomose von Restmagen und verkürztem Duo-
obere gastrointestinale Blutung durch ein sondenbe- denum wiederhergestellt worden ist, gleicht der teil-
dingtes Druckulkus ist selten. Die Perforation der resezierte Magen der äußeren Form nach dem ur-
Sonde kann sowohl zum Pneumoperitoneum wie zur sprünglichen Organ. Neopylorus und Neobulbus
Pneumatosis ventriculi führen (Vade et al. 1983). Um sind lediglich etwas geringer dimensioniert als die
4.4 Postinterventioneller Gestalt- und Funktionswandel von Magen und Duodenum 181
Abb. 4.42 a, b. Totale Gastrektomie. a Wiederherstellung der Kontinuität durch Ösophagojejunostomie. b Wiederherstellung der
Kontinuität durch Ösophagojejunoplicatio
Nach Duodenopankreatektomie (Whipple-Opera- mie manifestiert sich in der Regel an oder in unmit-
tion) gleicht der Magen im Kontrastbild dem nach telbarer Umgebung der Anastomose (Ulcus pepti-
Billroth II operierten Organ, da der Restmagen ter- cum jejuni). Da in dieser Region die Falten und die
minolateral mit dem Jejunum anastomosiert wird. Oberfläche der Schleimhaut durch die Operation den
Bei der pyloruserhaltenden Duodenopankreatekto- ausgeprägtesten Gestaltwandel erfahren, kann das
mie (nach Traverso/Longmire u. a.) bleiben der Ma- frische Rezidivulkus radiologisch kaum zuverlässig
gen und die Pars superior duodeni erhalten. Durch identifiziert werden. Leichter zu erkennen sind die
die postoperative Röntgenuntersuchung (in der Regel Geschwüre in der zu- und abführenden Schlinge.
im Rahmen der T-Drain-Cholangiographie) wird die An der Enteroanastomose werden Ulkusrezidive nur
Integrität von 3 Anastomosen geprüft, nämlich die selten beobachtet.
der Pankreatikojejunostomie, die der Hepatikojeju- Bei den Rezidivtumoren (Abb. 4.43 a–c) ist zwi-
nostomie und die der terminolateralen Duodenoje- schen den Geschwülsten, die sich nach totaler Gas-
junostomie. Am stärksten gefährdet ist die Pankrea- trektomie entwickeln, und den Karzinomen im Ma-
tikojejunostomie. genstumpf zu unterscheiden. Die lokoregionären
Rezidive (Abb. 4.44 a, b) manifestieren sich nahezu
ausschließlich extraluminal. Man erkennt sie im Kon-
4.4.6 trastbild an ihrer stenosierenden Wirkung und kann
Postoperative Rezidiv- und Pseudoläsionen sie im Schnittbild direkt nachweisen. Dagegen ist das
Karzinom im nach Billroth II resezierten Magen ge-
Der radiologische Nachweis von Rezidivulzera im wöhnlich im Bereich der Anastomose nachzuweisen.
operierten Magen und Duodenum ist unsicher. Die Das Risiko, ein Magenstumpfkarzinom zu entwi-
von der Norm abweichende postinterventionelle ckeln, gilt in den ersten 15 postoperativen Jahren
Anatomie macht die Erkennung schwierig. Ver- nicht als überdurchschnittlich hoch. Nach 25 Jahren
wechslungsgefahr droht von den so genannten post- ist es jedoch 6-mal so groß wie in der Normal-
operativen Pseudoläsionen der Magen- und Duode- bevölkerung. Selten entsteht ein Magenstumpfkarzi-
nalwand. Als Hauptursachen des Rezidivulkus gelten nom anastomosenfern, d. h. im Fundus ventriculi.
die inadäquate Resektion, die insuffiziente Drainage Durch postoperative Pseudoläsionen können im
und das Zollinger-Ellison-Syndrom. Das Ulkusrezi- Röntgenbild sowohl erhabene als auch unter dem
div nach 2/3-Magenresektion und Gastroenterosto- Schleimhautniveau gelegene Krankheitszeichen imi-
184 Kapitel 4 Magen und Duodenum
a b
Abb. 4.44 a, b. Rezidivtumor nach Gastrektomie in der CT. a Stenosierendes lokoregionäres Rezidiv an der Anastomose.
b Ausgeprägte maligne Lymphadenopathie in der Umgebung des Truncus coeliacus
4.5 Weitere Erkrankungen 185
4.5.2
Magenwandemphysem
4.5.3
Fremdkörper
Die im Nativbild nachweisbaren intraabdominellen Symptomatische Bezoare werden vor allem im ersten
Verkalkungen haben für die Röntgendiagnostik von Jahr nach Vagotomie und Billroth-I-Operation
Magen und Duodenum nur geringe Bedeutung (Aus- beobachtet. Als Ursache für die zeitliche Häufung
nahmen: verkalkte raumfordernde Läsionen von wird die verzögerte antropylorische Passage fester
Milz und Pankreas; ins Duodenum perforiertes Gal- Nahrungsbestandteile angesehen.
lenkonkrement). Bei Kindern muss man auf der Su- Gossypibome sind pseudotumoröse Fremdkörper-
che nach verschluckten Fremdkörpern u. a. mit Spiel- granulome in der Umgebung retinierten chirurgi-
zeugteilen, Knöpfen, Münzen und Knopfbatterien schen Materials (in der Regel Gaze). Man erkennt das
rechnen. Verhaltensgestörte Kinder essen auch Erde, Beweisstück im Leerbild (biplane Projektion!) an den
Sand und Kalk. Unter den Erwachsenen, bei denen in die Kompressen eingewebten röntgendichten Fila-
Fremdkörper (z. B. Tablettenreste oder metallisches menten.
Werkzeug) in Magen oder Duodenum nachgewiesen Der intrakorporale Drogentransport („body
werden, ist der Anteil psychisch Kranker abnorm packing“) wird sowohl mit peranal wie peroral appli-
hoch. Wichtigste Komplikation der Fremdkörper- zierten Rauschgiftpäckchen durchgeführt. In letzte-
ingestion ist die Perforation. rem Fall ist die Sonographie des Magens indiziert.
Bezoare stellen sich im Röntgenbild als verform- Die Untersuchung ist jedoch nur in den ersten 12–18
bare und bewegliche weichteildichte Läsionen dar, Stunden nach der mutmaßlichen Ingestion sinnvoll.
die inhomogen mit Kontrastmittel benetzt werden.
Man unterscheidet nach dem Material, aus dem sie
überwiegend bestehen, zwischen 4.5.4
∑ Trichobezoaren (verschluckte Haare, vor allem Magen und Duodenum bei Systemerkrankungen
bei Kindern mit Trichotillomanie),
∑ Phytobezoaren (pflanzliches Material), Diabetes mellitus
∑ Laktobezoaren (hochkalorische Nahrung), Die Gastropathia diabetica wird vor allem bei lange
∑ Mykobezoaren (Pilze, vor allem Candida albicans bestehender und/oder unzureichend behandelter
und Torulopsis glabrata) und Zuckerkrankheit beobachtet und als Teilsymptom
∑ Arzneimittelbezoaren (z. B. durch verklumpte der autonomen Neuropathie gewertet. Die Kon-
Antazida). trastuntersuchung zeigt im charakteristischen Fall eine
4.5 Weitere Erkrankungen 187
ausgeprägte Dilatation des Magens, intragastrale fen ist die Pars descendens duodeni. In einer Studie
Nahrungs- und Kontrastmittelretention, die Atonie an 14 Kindern wurden die krankhaften Befunde im
des Bulbus duodeni und die ineffiziente Peristaltik Sonogramm des Zwölffingerdarms zwar überwie-
des oberen Verdauungstrakts. Im Sonogramm wurde gend bei Patienten mit gastrointestinalen Beschwer-
demonstriert, dass die Fläche des Antrum ventriculi den (starke Schmerzen, Blutung) nachgewiesen, ver-
von Diabetikern, die an der spezifischen Gastro- einzelt konnten sie jedoch auch bei Kranken erhoben
pathie leiden, sowohl im Nüchternzustand (4,9+/–1,7 werden, die noch asymptomatisch waren oder bei
vs. 3,5+/–1,2 cm2) als auch nach einer Mahlzeit denen die Purpura Schönlein-Henoch erst später
(14,8+/–4,6 vs. 10,6+/–1,2 cm2) größer ist als bei diagnostiziert wurde (Kagimoto 1993).
stoffwechselgesunden Vergleichspersonen (Unde-
land et al. 1996). Dieser Befund korreliert gut mit Mukoviszidose
dem Leitsymptom der Erkrankung, dem postpran- Im Gegensatz zu der klinisch eindrucksvollen Be-
dialen Völlegefühl. teiligung der Speiseröhre und des Dickdarms an
der Mukoviszidose bleiben die Befunde an Magen
Merke ! Bevor die Hypo- bzw. Dysmotilität
von Magen und Duodenum auf eine
und Zwölffingerdarm häufig asymptomatisch. Mit
99mTc-markierten Makroalbuminaggregaten wurde
diabetische Gastropathie zurückgeführt wird, muss nachgewiesen, dass feste Nahrung bei Kindern mit
ausgeschlossen sein, dass der Kranke vagotomiert Mukoviszidose den Magen wesentlich schneller ver-
worden ist oder z. B. mit Parkinson-Mitteln, Pheno- lässt (53 vs. 72,2 min) als bei gesunden Gleichaltrigen
thiazinen, trizyklischen Antidepressiva, Clonidin, (Collins et al. 1997). Eine zuverlässige Erklärung für
Vincristin oder Dantrolen behandelt wird. diesen Befund fehlt. Im Kontrastbild können zwar
häufig (86%) Mukoviszidose-assoziierte Läsionen
des Duodenums dargestellt werden, die Befunde
Chronische Niereninsuffizienz (Faltenverbreiterung, noduläre Defekte, Verlust der
Die für chronisch hämodialysierte Patienten histolo- Schleimhautmusterung) sind jedoch uncharakteris-
gisch nachgewiesene Hyperplasie der Magenschleim- tisch (Phelan et al. 1983).
haut (Franzin et al. 1982) entzieht sich der Darstel-
lung im Röntgenbild. Radiologische Einzelfallberich-
te zu dialyseassoziierten Erkrankungen des Magens 4.5.5
liegen für das verkalkte Karzinom (Matsumura et al. Morbus Ménétrier (Eiweißverlust-Gastropathie)
1999) und die phlegmonöse Gastritis vor (Joko et al.
1999) vor. Der Morbus Ménétrier (Abb. 4.46) ist makroskopisch
durch eine gyriforme Wulstung der Schleimhaut-
Amyloidose falten des Magens gekennzeichnet. Sie können
Nach histopathologischen Befunden ist der Gastroin- >5 mm breit und bis zu 30 mm hoch werden. Zumeist
testinaltrakt sowohl von der primären wie der sekun- ist der gesamte Magen betroffen. Die ausgeprägtesten
dären Form der Amyloidose häufig betroffen. Als Faltenwülste findet man an der Majorseite des
klinische Komplikationen sind Dysmotilität, Ulzera Corpus ventriculi, die geringsten im Antrum. Die
und Blutungen bekannt. Umschriebene Amyloid- Doppelkontrastuntersuchung stellt die Riesenfalten
tumoren des Magens sind eine Rarität. Ausgedehnte und ihre Verteilung übersichtlich dar. Mit dem EUS
Amyloiddepots in einem 15 Jahre zuvor wegen eines kann zusätzlich die Verbreiterung der Magen-
Ulkusleidens operierten Magen konnten in der CT schleimhaut (auf maximal 5 mm) sichtbar gemacht
dargestellt werden (Bighi et al. 1990). Dabei fanden werden.
sich neben einer Verbreiterung der Magenwand in Bevor die radiologische Verdachtsdiagnose eines
Gruppen angeordnete Verkalkungen und ulzeröse Morbus Ménétrier geäußert wird, sollten das fort-
Schleimhautdefekte. geschrittene Karzinom, das Magenlymphom, das
Pseudolymphom des Magens und die Gastritis Crohn
Purpura Schönlein-Henoch als Ursache der abnorm starken Faltung der Magen-
Die Beteiligung des Duodenums an der leukozyto- wand ausgeschlossen werden. Vor der Verwechslung
klastischen Vaskulitis (Purpura Schönlein-Henoch) von Riesenfalten mit Magenwandvarizen schützt die
kann sonographisch sichtbar gemacht werden. Als Lokalisation der Gefäßkonvolute im Fundus ven-
Korrelat des endoskopisch nachweisbaren muralen triculi, den der Morbus Ménétrier in aller Regel
Ödems und begleitender hämorrhagischer Erosio- ausspart.
nen beobachtet man eine Verbreiterung und hohe
Echogenität der Duodenalwand. Häufig klafft das
Lumen des Zwölffingerdarms. Am stärksten betrof-
188 Kapitel 4 Magen und Duodenum
4.5.6
Volvulus
Der Volvulus imponiert bei der Röntgenuntersu-
chung als Kombination aus einer Drehung des Ma-
gens um 180° und einer konsekutiven hochgradigen Abb. 4.47 a, b. Organoaxialer Volvulus. a P.-a.-Projektion: Cor-
pus ventriculi nach rechts und oben, große Kurvatur nach
Stenose in der Region der sich kreuzenden Magenab- oben verlagert. b Seitliche Projektion: Hinterwand des Magens
schnitte. Zwei Formen werden unterschieden: nach ventral, Vorderwand nach dorsal, kleine Kurvatur nach
unten verlagert
∑ der organoaxiale (2/3 der Fälle; Abb. 4.47 a, b) und
∑ der mesenterioaxiale (1/3 der Fälle) Volvulus.
왔 Beim organoaxialen Volvulus dreht Dadurch wird der Fornix nach dorsal, kaudal und
Definition
sich der Magen um die gedachte Ver- medial und das Antrum nach ventral, kranial und
bindungslinie zwischen Cardia und Pylorus, und lateral verlagert.
zwar meist nach rechts und oben. Die Entwicklung eines Volvulus wird durch Hoch-
stand des linken Hemidiaphragma (z. B. auf dem
Dadurch rückt die Hinterwand nach ventral, die Vor- Boden einer Relaxatio diaphragmatica), Zwerchfell-
derwand nach dorsal, die große Kurvatur verlagert hernien und perigastrale Verwachsungen begünstigt.
sich nach oben und die kleine Kurvatur nach unten. Voraussetzung für den Volvulus duodeni ist die
abnorme Beweglichkeit des Organs (Duodenum mo-
왔 Beim mesenterioaxialen Volvulus ro- bile). Die aus der Torsion resultierende Stenose ist in
Definition
tiert der Magen um die Achse des der Regel am unteren Duodenalknie oder an der
Lig. hepatogastricum. Flexura duodenojejunalis lokalisiert.
4.5 Weitere Erkrankungen 189
4.5.7 Literatur
Invagination, Intussuszeption
Bighi S, Trevisani L, Lupi L,Ariutti R, Cervi PM, Liboni A (1990)
왔 Bei der Invagination verlagern sich Amyloidosis of the gastric stump: radiographic and CT
Definition findings. Gastrointest Radiol 15: 197–198
Teile des Magens/Duodenums in die
Chang YS, Wang HP, Huang GT, Wu MS, Lin JT (1999) Sono-
benachbarten Hohlorgane. graphic „gastric corona sign“: diagnosis of gastric pneu-
Bei der Intussuszeption stülpen sich letztere in matosis caused by a penetrating gastric ulcer. J Clin Ultra-
den Magen/das Duodenum ein. sound 27: 409–412
Collins CE, Francis JL, Thomas P, Henry RL, O’Loughlin EV
(1997) Gastric emptying time is faster in cystic fibrosis.
Die Invagination wird durch polypöse (Peutz- J Pediatr Gastroenterol Nutr 25: 492–498
Jeghers-Syndrom) bzw. polypoide (Morbus Méné- Franzin G, Musola R, Mencarelli R (1982) Morphological
trier) Läsionen der Magenschleimhaut gefördert. changes of the gastroduodenal mucosa in regular dialysis
Voraussetzung für die Intussuszeption ist – mit Aus- uraemic patients. Histopathology 6: 429–437
Goldstein HM, Rogers LF, Fletcher GH, Dodd GD (1975) Ra-
nahme der ösophagogastrischen Intussuszeption diological manifestations of radiation-induced injury to
bei axialer Gleithernie – ein operativer Eingriff an the normal upper gastrointestinal tract. Radiology 117:
Magen und/oder Duodenum und/oder proximalem 135–140
Jejunum (Gastroenterostomie, Billroth-II-Operation, Joko T, Tanaka H, Hirakata H, Henzan H, Hizawa K, Hirakata E,
Higashi H, Yonemasu H, Fujishima H (1999) Phlegmonous
Gastrektomie). Im Kindesalter kann die Diagnose gastritis in a haemodialysis patient with secondary amyloi-
in der Regel sonographisch (Doppelkokarde) gestellt dosis. Nephrol Dial Transplant 14: 196–198
bzw. vermutet werden, bei Erwachsenen führt man Kagimoto S (1993) Duodenal findings on ultrasound in chil-
dren with Schönlein-Henoch purpura and gastrointestinal
nach der Abdomen-Leeraufnahme (Zeichen des symptoms. J Pediatr Gastroenterol Nutr 16: 178–182
hohen Ileus) die Kontrastradiographie durch. Das Matsumura M, Michisita Y, Yoshida I, Tsugawa Y, Sato T, Yama-
zur Charakterisierung des Passagehindernisses ap- da T, Kurumaya H, Koni I (1999) Calcified carcinoma of the
plizierte Kontrastmittel schiebt sich zwischen stomach in a hemodialysis patient. Nephron 82: 84
Phelan MS, Fine DR, Zenler-Munro PL, Hodson ME, Batten JC,
äußeres und inneres Darmsegment. Dabei entsteht Kerr IH (1983) Radiographic abnormalities of the duode-
ein röhrenförmiges Depot, das in orthograder num in cystic fibrosis. Clin Radiol 34: 573–577
Projektion als Ringschatten und im tangentialen Undeland KA, Hausken T, Svebak S, Aanderud S, Berstad A
Strahlengang als 2 parallele Streifenschatten abge- (1996) Wide gastric antrum and low vagal tone in patients
with diabetes mellitus type 1 compared to patients with
bildet wird. functional dyspepsia and healthy individuals. Dig Dis Sci
41: 9–16
Dünndarm 5
G. Antes
5.1 Allgemeiner Teil 192 Der Dünndarm ist das längste und größte Organ
5.1.1 Untersuchungstechniken 192 des menschlichen Körpers. Er versorgt uns mit den
5.1.2 Anatomie 196
5.1.3 Radiologische Normalbefunde und Variationen 196 lebenswichtigen Nährstoffen und ist ein wichtiges
5.1.4 Grundmuster und Differenzialdiagnose 197 immunologisches Abwehrorgan. Da der Dünndarm
Literatur 200 der endoskopischen Untersuchung weitgehend ver-
5.2 Fehlbildungen 201 schlossen ist, kommt der bildgebenden Dünndarm-
5.2.1 Rotations- und Fixationsstörungen 201 diagnostik eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund
5.2.2 Kongenitale (mesokolische) innere Hernien 204
5.2.3 Darmduplikaturen 205 von Länge und Lage dieses Organs ist eine gute und
5.2.4 Divertikel 206 übersichtliche Darstellung nicht einfach. Hinzu
5.2.5 Segmentale Dilatation 209 kommt, dass Passagezeiten mit erheblicher Varia-
Literatur 210 tionsbreite, unberechenbares Verhalten in der Kon-
5.3 Obstruktionen 210 trastmittelsuspension und Überlagerungen dazu
Literatur 219 beitragen, die Röntgendiagnostik des Dünndarms er-
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 219 heblich zu erschweren. Das Enteroklysma in seinen
5.4.1 Morbus Crohn 219 verschiedenen Varianten hat eine erhebliche Verbes-
5.4.2 Infektionen 226
5.4.3 Parasiten und Würmer 228 serung in der radiologischen Darstellung gebracht.
5.4.4 Gastrointestinale Manifestationen bei Aids 230 Die fraktionierte Kontrastmittelpassage nach
5.4.5 Gastrointestinale Entzündungen 231 Pansdorf (1937) war in Deutschland bis vor einigen
nach Knochenmarktransplantationen 232
5.4.6 Dünndarmulkus 232
Jahren noch die am häufigsten eingesetzte Röntgen-
5.4.7 Back-wash-Ileitis 232 untersuchung des Dünndarms. Mittlerweile wird das
5.4.8 Eosinophile Gastroenteritis 232 Enteroklysma als Untersuchungsmethode der Wahl
5.4.9 Morbus Whipple 233 in den Richtlinien zur Qualitätsverbesserung in der
5.4.10 Lymphfollikuläre Hyperplasie
und unspezifische Ileitis terminalis 233 Röntgendiagnostik empfohlen (Stender 1995). Die
5.4.11 Retraktile Mesenteritis 234 Anfänge des antegraden Dünndarmeinlaufs über
Literatur 235 eine Duodenalsonde (Enteroklysma) datieren in die
5.5 Dünndarmtumoren 236 1920er Jahre (Einhorn 1926; Pribram u. Kleiber 1927
5.5.1 Adenokarzinom 238 und vor allem Pesquera 1929) zurück. Die heute welt-
5.5.2 Karzinoid (neuroendokrine Tumoren) 240 weit praktizierten Techniken des Enteroklysmas
5.5.3 Nichtepitheliale Tumoren 242
5.5.4 Lymphome 244 unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander.
5.5.5 Sekundäre Dünndarmtumoren 248 Etabliert sind Methoden im Bariummonokontrast
5.5.6 Tumorähnliche Läsionen 249 (Nolan u. Cadman 1987; Sellink 1976,) und im Dop-
5.5.7 Aids-assoziierte Neoplasien 250 pelkontrast (Antes u. Lissner 1981; Herlinger 1978;
Literatur 251
Maglinte u. Herlinger 1989; Sellink 1976).
5.6 Andere Erkrankungen 253
5.6.1 Vaskuläre Erkrankungen 253
Das Enteroklysma steht im Mittelpunkt dieses
5.6.2 Malabsorption 259 Kapitels. Es soll jedoch darauf aufmerksam gemacht
5.6.3 Bakterielle Überbesiedelung 262 werden, dass sich in den letzten Jahren ein Wandel in
5.6.4 Kurzdarmsyndrom 262 der Dünndarmdiagnostik vollzieht. In der Primär-
5.6.5 Intestinale Lymphangiektasie
und intestinales Eiweißverlustsyndrom 263 diagnostik stehen die Sonographie und vor allem die
5.6.6 Zollinger-Ellison-Syndrom 264 CT oftmals an erster Stelle. CT und MRT haben durch
5.6.7 Motilitätsstörungen 265 ihre diagnostischen Möglichkeiten an Bedeutung
Literatur 270 deutlich zugenommen (Gourtsoyiannis 2002). Bei
Morbus Crohn wird in ausgewiesenen Zentren die
MRT als primäre Untersuchung eingesetzt. Bei der
Abklärung unklarer Abdominalbeschwerden, bei
192 Kapitel 5 Dünndarm
Abb. 5.1. Bariumphase. Normale Peristaltik. Das Jejunum ist Abb. 5.2. Bariumphase. Hyperperistaltik („intestinal hurry“).
nach 300 ml Barium und einer Flussrate von 75/min gefüllt; Das Kolon ist nach 300 ml Barium und einer Flussrate von
etwa 1/3 der dargestellten Schlingen weisen Kontraktionen auf 75/min bereits innerhalb von 4 min erreicht. Fast alle Schlin-
gen weisen Kontraktionen auf. Das Darmlumen ist aufgrund
der raschen Passage relativ unterfüllt
Abb. 5.3. Bariumphase. Hypoperistaltik. Nach Gabe von Abb. 5.4. Bariumphase. Pendelperistaltik. Am besten erkennt
300 ml Barium und einer Flussrate von 75/min sind nur einige man unter Durchleuchtung eine nichtpropulsive, pendelnde
obere dilatierte Jejunumschlingen gefüllt. Es zeigen sich nur Peristaltik; die Passagezeit ist deshalb verlängert. Es zeigen
vereinzelte Kontraktionen. Reflux von Kontrastmittel in den sich segmental kontrahierte Darmabschnitte. Schlechter
Magen. Patient aus der Psychiatrie mit Einnahme von vielen Wandbeschlag aufgrund eines unspezifischen Reiz- oder Ent-
Psychopharmaka zündungszustandes
sung sind nur mit einer elektrischen Pumpe (Guer- Die Bariumphase dient vorwiegend zur Beurteilung
bet-Dünndarmpumpe, KMP 2000; Guerbet, Sulz- der Darmperistaltik und zur Erfassung von Motili-
bach) möglich. Eine hohe Flussrate, z. B. 150 ml/min tätsstörungen. Motilitätsstörungen manifestieren
und mehr, führt zu einer reaktiven Hypoperistaltik sich hauptsächlich im Jejunum, werden also zu Be-
und damit zu einer Verlängerung der Passage. Eine ginn einer Untersuchung erkannt. In der Barium-
geringere Flussrate, z. B. <50 ml/min, führt zu einer phase können 5 Peristaltikmuster analysiert werden
ungenügenden Distension des Darmlumens, sodass (Abb. 5.1 bis Abb. 5.5):
kleine Läsionen oder geringgradige Stenosen dem
∑ normal,
Nachweis entgehen können. Die Untersuchung selbst
∑ Hyperperistaltik,
besteht aus 2 Phasen:
∑ Hypoperistaltik,
∑ der Bariumphase und ∑ Pendelperistaltik,
∑ der Methylzellulosephase. ∑ Obstruktionsperistaltik.
194 Kapitel 5 Dünndarm
Praktische Hinweise
∑ Medikamentenanamnese:Die Einnahme von Laxanzien,Psy-
chopharmaka, Schmerzmitteln u. a. mussen erfragt werden.
∑ Duodenum: muss dargestellt werden.
∑ Terminales Ileum: Ein erkranktes terminales Ileum (z. B. bei
Morbus Crohn) ist bei einem Enteroklysma aufgrund der
Wandverdickung immer gut darstellbar.
Tabelle 5.1. Indikationen für bildgebende Verfahren zur Ab- Die Dünndarmwand ist in 5 Schichten gegliedert:
klärung von suspekten Dünndarmerkrankungen
∑ Schleimhaut: mit Zotten, Krypten und Lymph-
● Unklare abdominelle Beschwerden knötchen,
● Unerklärliche Durchfälle ∑ Submukosa: lockere Verschiebeschicht zwischen
● Postoperative Zustände der Lamina muscularis mucosae und der Muskel-
● Dünndarmobstruktionen wand; Lymphozytenaggregate sind eingelagert
● Unklare Blutung aus dem Gastrointestinaltrakt (Peyer-Plaques),
● Tumorsuche ∑ Muskelwand: innen Ringschicht, außen Längs-
● Malabsorption schicht,
● Fisteln ∑ Subserosa: Bindegewebeschicht unter der Serosa,
● Fieber unklarer Genese ∑ Serosa: äußere Darmwandschicht (viszerales Peri-
toneum).
Innervation
Kontraindikationen Der Dünndarm wird von einem intrinsischen und
Die einzige absolute Kontraindikation für ein Entero- einem extrinsischen Nervensystem gesteuert.
klysma ist ein akutes Abdomen mit florider Peritoni- Das intrinsische Nervensystem besteht aus dem
tis („brettharter Bauch“). Diese Situation stellt eine Plexus submucosus (Meißner-Plexus) und dem Ple-
Indikation zur sofortigen Laparotomie dar. xus myentericus (Auerbach-Plexus) in der Muskel-
wand. Die nervale Steuerung des Dünndarms erfolgt
Merke ! Eine Dünndarmobstruktion ist keine
Kontraindikation für ein Enteroklys-
vorwiegend durch dieses autonome Nervensystem.
Es ist aber dem extrinsischen Nervensystem nachge-
ma! Die CT ist bei hochgradigen Obstruktionen den ordnet.
Kontrastmitteluntersuchungen vorzuziehen. Das extrinsische Nervensystem bestehend aus
Sympathikus und Parasympathikus leitet dem Ver-
dauungskanal Erregungen von außen zu. Der Sympa-
5.1.2 thikus wirkt über adrenerge Fasern hemmend auf
Anatomie den Plexus myentericus, wodurch die Darmmuskula-
tur zur Erschlaffung kommt. Ein erhöhter Sympathi-
Der Dünndarm besteht aus 3 Abschnitten, dem Duo- kustonus führt zu einer Vasokontriktion im Verdau-
denum, dem Jejunum und dem Ileum. Die Länge ei- ungskanal.
nes normalen Dünndarms schwankt zwischen 4 und Der cholinerge Parasympathikus beeinflusst den
12 m (Hirsch et al. 1956; Underhill 1955). Im Entero- Plexus myentericus und wirkt überwiegend fördernd
klysma wird eine Länge von 2,8 m gemessen (Fanuc- sowohl auf die Muskulatur als auch auf die Drüsen.
ci et al. 1984). Dieser große Unterschied in der Länge Psychische Erregungen wirken sich über das vege-
erklärt sich durch enorme individuelle Schwankun- tative Nervensystem häufig auf die Motorik und
gen, rassische Unterschiede, unterschiedlichen Mus- Sekretion der Verdauungsdrüsen aus, und zwar teils
keltonus und die Schwierigkeit, die Länge intra vitam fördernd, teils hemmend (Junqueira u. Carneiro
und im Röntgenbild zu bestimmen. 1991).
Der Dünndarm hängt am gefalteten Mesenterium,
dessen Wurzel in einer Diagonalen von links kranial
nach rechts kaudal an der dorsalen Bauchwand ver- 5.1.3
läuft. Der Ansatz des Mesenteriums liegt an der kon- Radiologische Normalbefunde und Variationen
kaven Innenseite einer jeden Dünndarmschlinge. Die
konvexe Kontur einer Schlinge entspricht der anti- Topographie
mesenterialen Seite (Meyers 1976). Das Jejunum liegt im linken Oberbauch. Das termi-
Eine exakte Trennung zwischen Jejunum und nale Ileum mündet relativ steil von kaudal kommend
Ileum ist nicht möglich. Die Übergangszone liegt in das Zökum im rechten Unterbauch. Hier gibt es
etwa in der Mitte der Gesamtlänge. Zur Vergrößerung Variationen mit Verläufen des terminalen Ileums aus
der Darmoberfläche ist der Dünndarm mit den unterschiedlichen Richtungen.
Kerckring-Falten besetzt. Sie sind meist zirkulär
angeordnet.
5.1 Allgemeiner Teil 197
Darmwand
Eine normale Darmwand weist eine Dicke von 1–
2 mm auf (Fleisher et al. 1981). Die Messung kann nur
bei einem vollständig aufgedehnten Lumen vorge-
nommen werden und wenn 2 benachbarte Darm-
schlingen über mehrere Zentimeter aneinander lie-
gen (Abb. 5.9).
Abb. 5.9. Darmwandverdickung. Patient mit Morbus Crohn. Diese Distanz setzt sich aus der Summation der
In den gesunden Darmabschnitten beträgt der Abstand zwi- beiden aneinander liegenden Darmwände zusam-
schen 2 aneinander liegenden, voll aufgedehnten Darmschlin-
gen etwa 2 mm (Pfeile). Er setzt sich zusammen aus den Wän-
men.
den dieser Darmabschnitte von je etwa 1 mm Dicke. Der Ab-
stand zwischen dem erkrankten und dem normalen Darm
beträgt aufgrund der initial entzündlichen Wandinfiltration 5.1.4
4 mm (Pfeilspitzen)
Grundmuster und Differenzialdiagnose
Rotationsstörung
Nonrotation
왔 Stillstand der Nabelschleifendrehung
Definition
nach der ersten normal gerichteten
Rotation um 90°.
Malrotation
왔 Varianten unvollständiger oder ge-
Definition
mischter Rotation.
Abb. 5.11 a, b. Malrotation I. a Die Sonde verläuft hinter der stand gekommen. Das hochstehende Zökum und Colon ascen-
medial gelegenen Flexura duodeno-jejunalis nach rechts; das dens werden durch das Ladd-Band fixiert und sind durch Ad-
Jejunum liegt rechts. Zökum und Colon ascendens liegen im häsionen mit dem Duodenum verbunden, das dadurch kom-
rechten Oberbauch (nicht abgebildet). Patient mit rezidivie- primiert werden kann. Die Pars ascendens duodeni liegt hinter
renden Schmerzen. b Schema der Malrotation I (aus Kremer u. dem mesenterialen Gefäßstiel
Lierse 1992). Die Nabelschleifendrehung ist bei 180° zum Still-
5.2 Fehlbildungen 203
Abb. 5.12a,b. Malrotation II. a Patient mit Bauchkrämpfen.Ver- ten Oberbauch. Die mesenterialen Gefäße liegen retroduo-
zögerte Passage durch Dünndarmschlingen mit ischämisch denal und -kolisch. Das Duodenum geht rechtsseitig in das
verquollenen Falten (nicht abgebildet). b Schema der Malrota- Jejunum über
tion II (aus Kremer u. Lierse 1992). Das Zökum liegt im rech-
Abb. 5.13 a–g. Möglichkeiten der duodenalen Malrotation rechten Oberbauch. d Partielle Rotation des Duodenums mit
bzw. Fixation. a Non-Rotation des Duodenums. Duodenum Lage des duodenojejunalen Übergangs in Höhe der rechten
und Jejunum liegen rechts der Wirbelsäule; das Treitz-Band Bogenwurzel. e Malrotation mit tief sitzendem duodenojeju-
fehlt meist. b Malrotation mit spiraligem Verlauf von Duode- nalen Übergang. f Girlandenförmiger Verlauf des Duodenums
num und Jejunum. c Partielle Rotation des Duodenums. Das rechts der Wirbelsäule; das Jejunum liegt im linken Ober-
Duodenum rotiert hinter oder vor die A. mesenterica superior, bauch. g Malrotation mit einem spiralförmigen Verlauf von
jedoch nicht in den linken oberen Quadranten. Es liegt im Duodenum und Jejnum (vgl. Abb. 5.14). (Aus Long et al. 1996)
aus einer Arbeit von Long et al. 1996 (Abb. 5.13 a–g).
Beim Enteroklysma können überraschende Sonden-
verläufe vorkommen, bzw. die Sonde kann im Duode-
num hängen bleiben. Ein Volvulus des Mitteldarms
(Midgut-Volvulus) kann an einem spiralförmigen
Verlauf der proximalen Darmschlingen und einer
Stenosierung des Duodenums erkannt werden
(Abb. 5.14).
5.2.2
Kongenitale (mesokolische) innere Hernien
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Wenn nach Abschluss der Nabelschleifendrehung
eine Störung der Fixation eintritt, so ist es möglich,
dass Pforten entstehen, durch die Darmschlingen
hernieren können. Am häufigsten sind linke und
Abb. 5.14. Malrotation mit spiralförmigem Verlauf von
rechte paraduodenale und transomentale Hernien.
Duodenum und Jejunum. Patient mit intermittierenden Selten und in absteigender Häufigkeit sind Hernien
Obstruktionsbeschwerden, wahrscheinlich durch einen Mid- im ileozökalen Übergang, durch das Foramen epi-
gut-Volvulus ploicum und im Becken (Hansmann u. Morton 1939;
Newsom u. Kukora 1986).
5.2 Fehlbildungen 205
5.2.3
Darmduplikaturen
5.2.4
Divertikel
왔 Angeborene oder erworbene Ausstül-
Definition
pung der Darmwand oder Teile der-
selben.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Divertikel können angeboren oder erworben sein.
Eine Unterscheidung ist nicht immer möglich und
für die Praxis auch nicht erforderlich. Pathologisch-
anatomisch unterscheidet man zwischen falschen
und echten Divertikeln. Falsche Divertikel entstehen
durch Prolaps der Mukosa und Submukosa aufgrund
von Muskellücken an der Durchtrittstelle der Mes-
enterialgefäße und liegen deshalb an der mesenteria-
len Konkavseite des Dünndarms (Abb. 5.17).
Echte Divertikel sind wie die Darmwand aufge-
baut. Sie besitzen eine Muscularis propria und sind
deshalb auch kontraktil. Meist liegen sie an der anti-
mesenterialen Darmseite. Ein typisches Beispiel ist
das Meckel-Divertikel. Erworbene, echte Divertikel
findet man beim Morbus Crohn, dort fälschlicher-
weise als Pseudodivertikel bezeichnet, und bei der
Sklerodermie.
Abb. 5.17. Erworbene Divertikulose. Multiple Pseudodiver-
tikel, mesenterialseitig gelegen (Pfeile)
5.2 Fehlbildungen 207
Abb. 5.18. Pseudodivertikel des terminalen Ileums an der Abb. 5.19. Meckel-Divertikel. Breitbasiges Divertikel (Pfeil),
Mesenterialseite. Zufallsbefund. Zu beachten ist der Unter- am besten erkennbar bei der Verfolgung des Bariumbolus.
schied zu den antimesenterialen Aussackungen bei Morbus Typische trianguläre Faltenkonfiguration (Pfeilspitze)
Crohn (vgl. Abb. 5.46)
Klinische Symptomatik
Die meisten Meckel-Divertikel sind asymptomatisch.
Symptomatische Divertikel finden sich meist bei
Kindern <10 Jahren und äußern sich durch gastroin-
testinale Blutungen (Rutherford u. Akers 1966). Bei
Erwachsenen treten meist Obstruktionsbeschwerden
und selten Blutungen auf (Leijonmarck et al. 1986).
Radiologische Symptomatik
Die wesentliche Röntgensymptomatik ist die Füllung Abb. 5.20. Invertiertes Meckel-Divertikel. 14-jähriger Junge
mit intermittierenden Obstruktionsbeschwerden und Ge-
eines Divertikels bei einer Kontrastmitteluntersu- wichtsverlust. Das Divertikel zeigt eine umschriebene Stenose
chung. im Ileum, vereinbar mit einer Bride (Pfeil). Aufgrund der
Lokalisation und fehlender Voroperationen sollte man an ein
쐍 Allgemein. Die Ergebnisse des radiologischen Meckel-Divertikel denken, das sich wegen der begleitenden
Verwachsungen nicht darstellt
Nachweises eines Meckel-Divertikels mit der fraktio-
nierten Passage waren enttäuschend (Berne 1959;
Dalinka u. Wunder 1973). Das Enteroklysma hat hier
eine höhere Entdeckungsrate erbracht (Maglinte et
al. 1980). Misserfolge sind aber auch bei dieser Unter- Merke ! Bei unklaren gastrointestinalen Blu-
tungen im Kindesalter sollte anstatt
suchungstechnik nicht ausgeschlossen. Insbesondere eines Enteroklysmas zuerst eine Szintigraphie durch-
bei Kindern mit ungeklärter gastrointestinaler Blu- geführt werden.
tung sollte primär eine Radioisotopenuntersuchung
erfolgen. Dieser „Meckel-Scan“ dient zum Nachweis ektoper
Magenschleimhaut in einem Divertikel und wird
쐍 Speziell. Während des Enteroklysmas ist es wich- mit 99mTechnetium-Pertechnetat durchgeführt (Abb.
tig, die Kontrastmittelsäule sorgfältig zu verfolgen 5.21). Der Test wird durch die vorausgehende Gabe
und im Ileum auf eine Aussackung an der antime- eines Medikaments aus der Gruppe der Protonen-
senterialen Darmseite zu achten. Das Divertikel kann hemmer (z. B. Sostril) unterstützt (Diamond et al.
mit einer breiten Basis oder mit einem engen Abgang 1991).
versehen sein. Ein enger Divertikalhals kann ent- Bei Erwachsenen mit unklarer gastrointestinaler
zündlich verquollen sein, sodass sich der Blindsack Blutung wird dies Meckel-Scan in den meisten Fällen
nicht mehr oder nur inkomplett füllt und dem Nach- negativ ausfallen, da in dieser Altersgruppe meist kei-
weis entgehen kann. Bisweilen gelingt die Darstel- ne Magenschleimhaut im Divertikel zu finden ist.
lung dann auf einer Spätaufnahme. Ein invertiertes
oder entzündlich verändertes Divertikel kann bei
einer Obstruktion vermutet werden, insbesondere im
Kindesalter ohne Voroperationen (Abb. 5.20).
5.2 Fehlbildungen 209
5.2.5
Segmentale Dilatation
왔 Segmentale Aufweitung eines Darm-
Definition
abschnitts.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Diese seltene Fehlbildung findet man im Kindesalter.
Sie beruht auf einer neuromuskulären Fehlentwick-
lung, sodass es zu einer segmentalen Dilatation –
meist im distalen Ileum – kommt. Dieses dilatierte
Segment kann mit ektoper Schleimhaut versehen
sein (Ratcliffe et al. 1989).
Klinische Symptomatik
Abb. 5.21. Meckel-Divertikel (Pfeile) mit Nachweis von ekto- Das betroffene Darmsegment kann zu rezidivieren-
per Magenschleimhaut im so genannten „Meckel-Scan“ mit den Obtruktionen oder zu einem Volvulus führen. In
99m
Technetium-Pertechnetat. 8 Jahre alter Junge mit Blutungen der ektopen Schleimhaut kann sich ein blutendes
per rectum
Ulkus entwickeln (Abb. 5.22 a, b).
Abb. 5.22 a, b. Segmentale Dilatation. a 21-jährige Patientin diesem Segment (Pfeil) zusätzlich noch ein tiefes Ulkus mit
mit Eisenmangelanämie und Blutnachweis im Stuhltest. Die reaktiv verdickter Darmwand (Pfeilspitze). (Mit freundlicher
Magen-Darm-Passage zeigt ein dilatiertes Segment im Ileum Genehmigung Prof. J. Freyschmidt, Bremen)
(Pfeil) mit mosaikartiger Schleimhaut. b Man erkennt in
210 Kapitel 5 Dünndarm
Literatur 5.3
Obstruktionen
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sollte man deshalb besser die Bezeich-
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Maglinte DDT, Elmore MF, Isenberg M, Dolan PA (1980) ve Verwachsungen und nur in 8% Hernien. In 15%
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beim diagnostischen Vorgehen beachtet werden.Ver-
59: 618–626 wachsungen können sich schon in den ersten 2 Wo-
Stoupis C, Ros PR, Abbitt PL. Burton SS, Gauger (1994) Bubbles chen nach einer Bauchoperation ausbilden und zu
in the belly: imaging of cystic mesenteric or omental mass- einem mechanischen Ileus führen. Nicht selten wird
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Warshauer DM, Mauro MA (1992) CT diagnosis of paraduode- das klinische und radiologische Bild auf Abdomen-
nal hernia. Gastroinest Radiol 17: 13–15 leeraufnahmen als verlängerte postoperative Darm-
atonie fehlgedeutet (Dehn u. Nolan 1989; Abb. 5.23).
Bei einer mechanischen Obstruktion versucht der
proximale Dünndarm durch verstärkte Kontrak-
5.3 Obstruktionen 211
keit kommt. Der Bariumbolus ist sorgfältig zu verfol- Obstruktion ist vielfach in Literatur und durch eige-
gen, um kurzstreckige Stenosen nicht zu übersehen ne langjährige Erfahrungen belegt (Antes 1988; Dehn
(Abb. 5.26 a, b). u. Nolan 1989; Maglinte u. Miller 1984; Sellink 1976;
Palpation und Kompression mit Zielaufnahmen Shrake et al. 1991).
sind weitere Hilfsmittel bei der Diagnostik von Ob-
struktionen. Stark dilatierte kontrastmittelgefüllte
Darmschlingen können Stenosen überlagern und Merke !
Im Gegensatz zum Kolon wird die
resorbierte Flüssigkeit im Dünndarm
verdecken. Auf Spätaufnahmen, bis zu 24 Stunden weitgehend wieder sezerniert, sodass es im Dünn-
und länger, kann dann die Obstruktionsstelle ausrei- darm nicht zum Eindicken des Bariums kommt.
chend nachgewiesen werden (Abb. 5.27).
Die Furcht vieler Chirurgen vor einer Verschlech- Jodhaltige, wasserlösliche Kontrastmittel sind nicht
terung des Ileuszustandes durch ein Enteroklysma geeignet bei der Suche nach Obstruktionen, insbe-
mit Barium ist unbegründet. Bariumuntersuchungen sondere wenn sie peroral verabreicht werden. Diese
bei Obstruktionen werden von Chirurgen sogar Kontrastmittel werden durch die vermehrte intesti-
empfohlen (Riveron et al. 1989). Die Sicherheit und nale Flüssigkeit verdünnt, sodass sich meist keine
Effizienz des Enteroklysmas bei Verdacht auf eine Obstruktionsursache finden lässt. Sie können allen-
5.3 Obstruktionen 213
Abb. 5.25 a, b. Obstruktionsperistaltik. a In der Bariumphase kann diese Obstruktionsdynamik verloren gehen. Eine Diffe-
Hyperperistaltik im proximalen Jejunum mit Abnahme der renzierung von einer Darmparalyse (Pseudoobstruktion)
Kontraktionen in den distalen prästenotisch dilatierten Darm- kann dann schwierig sein (Nebenbefund: Rotationsanomalie)
schlingen. b Bei zunehmender Auffüllung des distalen Darms
Abb. 5.26 a, b. Postischämische, narbige Stenose. a Das Enter- tionsdynamik und der Kalibersprung. b Auf der Zielaufnahme
oklysma zeigt bei Verfolgung des Bariumbolus eine hochgra- kann die Morphologie der Stenose gut herausgearbeitet wer-
dige Stenose (Pfeil). Zu beachten sind die typische Obstruk- den
Abb. 5.31. Obstruktion durch Bride zur Bauchdecke (Pfeil). Abb. 5.32. Verwachsungen zur Bauchdecke. Patient mit Ver-
CT-Diagnostik im Akutfall bei hochgradiger mechanischer wachsungsbeschwerden. Mehrere Jahre nach Cholezystekto-
Dünndarmobstruktion mie. Die CT zeigt zwei Dünndarmschlingen, die im Narbenbe-
reich an der Bauchwand fixiert und eingeengt sind (Pfeile). Ge-
ringe prästenotische Dilatation. Die CT zeigt die Veränderun-
gen eindrucksvoller als das nachfolgende Enteroklysma (nicht
abgebildet)
Abb. 5.34 a, b. Peritonealkarzinose bei Kolonkarzinom. a Umschriebene Stenose (Pfeil) mit Wandinfiltration und fehlende
Faltenverziehung sprechen gegen eine Bride. b Die CT zeigt die tumoröse Wandinfiltration direkt (Pfeil)
216 Kapitel 5 Dünndarm
Abb. 5.35 a, b. Gleitende Bauchwandhernie. a Die CT in Rückenlage zeigt eine breite Rektumdiastase und eine dünne Bauch-
deckenmuskulatur. b Durch Umlagerung kommt es zu einem Prolaps von Dünndarmschlingen durch eine Bruchlücke
Abb. 5.37. Strangulationsileus. Patientin mit akutem Abdo- Abb. 5.39. Invagination bei Leiomyosarkom. Die CT-Untersu-
men. Die notfallmäßig durchgeführte CT-Untersuchung zeigt chung wegen intermittierenden Bauchkrämpfen zeigt eine
flüssigkeitsgefüllte und dilatierte Darmschlingen, die keilför- Dünndarmkokarde. Das zentral liegende Intussuszeptum ent-
mig um das torquierte Mesenterium angeordnet sind (Pfeil). hält Darm und zugehöriges Mesenterium mit Fettdichte. Keine
Das Kolon ist von rektal teilweise kontrastiert sichere Abgrenzung des intraoperativ gefundenen Tumors.
(Mit freundlicher Genehmigung Dres. J. Fischer und M. Gob,
Coesfeld)
Verwachsungen Tumoren
(am häufigsten) Adenokarzinom
Metastasen (häufig) Karzinoid
Lymphom (selten)
Karzinoid, metastasierend Sarkom (selten)
Hernien Entzündungen
Äußere Morbus Crohn
Narben, Bauchwand Strahlenenteritis
inguinal Tuberkulose (selten)
femoral Medikamenteninduziert
Obturator (selten)
andere seltene Eosinophile Gastroenteritis
Lokalisationen (selten)
Innere
Becken, postoperativ Vaskulär
paraduodenal Ischämie
andere seltene Hämatom (selten)
Lokalisationen Posttraumatisch
Abszesse Gerinnungsstörungen
Divertikulitis Antikoagulanzien
Adnexitis Purpura abdominalis
Morbus Crohn
Invaginationen
Endometriose Idiopathisch
Andere seltene Ursachen Intraluminale Ursachen
Gallenstein
Bezoar
Fremdkörper
Abb. 5.38. Invagination bei Burkitt-Lymphom des Jejunums. Würmer
4-jähriger Junge mit intermittierenden Bauchkrämpfen und Mekonium
Anämie. Die Magen-Darm-Passage zeigt eine jejunojejunale
Invagination durch einen polypösen Tumor (Pfeilspitze).
„Spiralfederzeichen“ bei Invagination (Pfeil)
218 Kapitel 5 Dünndarm
lenden Nachweises einer mechanischen Stenose wird und mesenterialer Infiltration (z. B. Karzinoid)
왔 Verwachsungsbeschwerden
dieses Bild auch als intestinale Pseudoobstruktion
bei nichtstenosierenden Adhäsionen
bezeichnet. Da es sich hier um eine Motilitätsstörung
왔 Hinweis auf einen exoenterischen Prozess
des Darms handelt, erfolgt die eingehende Bespre- im Enteroklysma
chung im Abschn. 5.6.7, „Motilitätsstörungen“. Rönt- ∑ Das Enteroklysma ist die Methode der Wahl bei:
genologisch lässt sich diese Funktionsstörung am 왔 Intermittierenden oder geringgradigen Obstruktions-
besten mit dem Enteroklysma darstellen. Das Bild beschwerden als Provokationstest
unterscheidet sich eindeutig von dem einer mechani- 왔 Zur genaueren Lokalisation von Adhäsionen
schen Obstruktion (Abb. 5.40 a, b). und zur Planung einer Operation
왔 Zur Differenzierung zwischen Adhäsionen
und Metastasen
왔 Zur präoperativen Planung bei ausgedehnter
stenosierender Strahlenenteritis
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 219
Literatur 5.4
Entzündliche Darmerkrankungen
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oder ob es sich überhaupt um 2 Entitäten und nicht
Konzept. Radiologe 14: 1–57 um ein Konglomerat verschiedener Erkrankungen
mit ähnlicher Expression handelt. Unstrittig ist, dass
den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
eine genetische Disposition zu Grunde liegt. Grund-
lage der genetischen Disposition könnten Permeabi-
litätsstörungen des Darms,Veränderungen der intes-
tinalen Barriere durch Störungen der komplexen
Muzinmatrix, Störungen des Stoffwechsels von Oxi-
danzien oder Fettsäuren und schließlich immunolo-
gische Primärdefekte sein.
220 Kapitel 5 Dünndarm
Abb. 5.41. a Morbus Crohn, Befall des terminalen Ileums, Lumenstenose, massive Wandverdickung mit erheblicher Kontrastmit-
telaufnahme (Pfeil). b Vorgelagerte prästenotische Dilatation (Pfeilspitze)
Epidemiologische Daten liefern klare Hinweise für Ödem angehoben wird. Bei fortgeschrittener Krank-
eine Beteiligung von Umweltfaktoren. Gesichert ist heit kommt es zur Darmwandverdickung, die aus
ein erhöhtes Risiko von Morbus Crohn bei Rauchern einer Kombination aus Ödem und Fibrose besteht
und ein „protektiver Wirkmechanismus“ des Rau- und schließlich zur Ausbildung von Strikturen,
chens bei Colitis ulcerosa. Fisteln und Abszessen führt.
Im Gegensatz zur mukosalen Entzündung des Typisch für den Morbus Crohn ist der segmentale
Kolons bei der Colitis ulcerosa kommt es bei Morbus Befall des Darms. Zwischen erkrankten Darmab-
Crohn zu einer transmuralen Entzündung, die vom schnitten („skip lesions“) können normal erschei-
Mund bis zum Anus auftreten kann, wobei das ter- nende Darmabschnitte („skip areas“) liegen. In der
minale Ileum mit oder ohne Zökum am häufigsten Regel sind die distalen Läsionen stärker ausgeprägt
befallen ist. Extraintestinale Manifestationen können als die proximalen (disproportionierter Befall).
in Begleitung auftreten. Histologisch beginnt diese Charakteristisch ist auch die Proliferation des me-
Krankheit in den Lymphfollikeln der Darmschleim- senterialen Fett- und Bindegewebes („creeping fat“).
haut und in größeren Peyer-Plaques (Morson u. Zusammen mit den verbackenen Darmschlingen
Dawson 1979). Es folgen Lymphödem und entzünd- kann dieser Konglomerattumor als Resistenz getastet
liche Infiltration zunächst der Submukosa, später werden. Dieser Pseudotumor lässt sich gut in der CT
dann aller Wandschichten. Dadurch entsteht das Bild und MRT direkt nachweisen (Abb. 5.41 a, b) Tiefe
einer granulierten bzw. nodulären Schleimhaut. Die Wanddefekte des Morbus Crohn können auf die Um-
nichtverkäsenden Granulome sind das histologische gebung übergreifen. Es entstehen Abszesse und Fis-
Merkmal des Morbus Crohn. Sie werden allerdings telgänge, die entweder blind enden oder Anschluss
nur in 60% der Fälle gefunden und sind nicht patho- an benachbarte Darmschlingen bzw. Organe finden.
gnomonisch. Enterokutane Fisteln entwickeln sich meist post-
Lymphozytäre Aggregate mit transmuraler Aus- operativ. Der Morbus Crohn neigt zum asymmetri-
dehnung, Plasmazellinfiltrate und Kryptenabszesse schen Befall der Darmzirkumferenz. Die bevorzugte
sind oft erforderlich, um die Diagnose histopatholo- Lokalisation liegt dabei an der mesenterialen Seite.
gisch zu sichern. Als eine der ersten makroskopi- Fibrosierungsvorgänge führen zur Schrumpfung und
schen Veränderungen gelten die aphthoiden Ulzera, Begradigung des Mesenterialansatzes. Durch die
d. h. kleine Erosionen, die über Ansammlungen von daraus resultierende Raffung wird die antimesenter-
lymphatischem Gewebe liegen. Diese Frühverän- iale Seite relativ zu lang, und die intakte Darmwand
derungen sind bereits radiologisch nachweisbar stülpt sich divertikelartig aus.
(Marshak 1975). Der entzündliche Prozess breitet Die ileokolische Lokalisation des Morbus Crohn
sich diskontinuierlich in der Lamina propria mit un- ist mit 55% am häufigsten. In 30% der Fälle ist die
terschiedlicher Ausprägung und an verschiedenen Krankheit allein auf den Dünndarm beschränkt, wo-
Stellen eines Darmsegments aus. Er kann schließlich bei in 14% nur das terminale Ileum befallen ist. Nur
alle Schichten der Darmwand befallen. Das für einen bei 3% der Patienten findet man eine Erkrankung
Morbus Crohn typische Pflastersteinrelief entsteht des proximalen Dünndarms ohne Befall des termina-
durch longitudinale und transversale Ulzera und Fis- len Ileums und bei 15% ist nur das Kolon erkrankt
suren der Schleimhaut, die durch das submuköse (Mekhjian et al. 1979).
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 221
Klinische Symptomatik
Das klinische Bild des Morbus Crohn wird im We-
sentlichen vom Aktivitätsgrad und von der Lokalisa-
tion bestimmt. Der Morbus Crohn ist eine chronische
Erkrankung, die in Schüben verläuft. Der Manifesta-
tionsgipfel liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr
und weist lebenslangen Charakter auf. Nicht selten
beginnt die Erkrankung im Kindesalters oder wird
erst im höheren Lebensalter entdeckt.
Die führenden Symptome des Morbus Crohn sind
chronische Durchfälle mit und ohne Blutbeimengun-
gen, gelegentlich Obstipation, periphere Fisteln und
besonders bei ileozökalem Befall rezidivierende
Schmerzen, vorwiegend im rechten Unterbauch.
Auch extraintestinale Symptome wie Oligoarthritis,
Spondylarthritis, Erythema nodosum, Pyoderma
gangränosum, Uveitis, Iritis und subfebrile Tempera-
turen können initiale Symptome sein und die Dia-
gnose erschweren. Entzündliche Schwellungen oder
narbige Strikturen führen zu Obstruktionsbeschwer-
den.
Bei den chronisch entzündlichen Darmerkran-
kungen sind die Blutbeimengungen beim Morbus
Crohn mit 27% geringer als bei der Colitis ulcerosa Abb. 5.42. Frühform eines Morbus Crohn mit lymphfolliku-
mit 89% (Feuerbach u. Schölmerich 2000). lärer Hyperplasie und verdickten Falten im terminalen Ileum
Radiologische Symptomatik
Abb. 5.43. Frühform eines Morbus Crohn mit verdickten Fal- Abb. 5.44. Morbus Crohn. Typischer Befall mit Primärdiag-
ten, aphthösen Ulzera (Pfeile) nostik: ulzeronoduläre Oberfläche und Wandverdickung des
terminalen Ileums
Abb. 5.45. „Pflastersteinrelief“ als Ausdruck ulzeronodulärer Abb. 5.46. Morbus Crohn des terminalen Ileums mit tiefen
Veränderungen Ulzera an der Mesenterialseite (Pfeil) und so genannten „Pseu-
dodivertikeln“ an der antimesenterialen Seite (Doppelpfeil)
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 223
Differenzialdiagnose
Abb. 5.51. Perianale Fistel. MRT in axialer, fettunterdrückter Im Allgemeinen gibt es keine Schwierigkeiten bei der
Inversion-recovery-Sequenz. Eine breite Abszessstraße (Pfeile) Diagnose eines Morbus Crohn. Allerdings verhält
führt zu einer pararektalen Fistel (breiter Pfeil) in die ischio-
rektale Region. (Mit freundlicher Genehmigung Prof. Claussen, sich die Erkrankung manchmal wie ein Chamäleon
Tübingen) und kann andere Krankheitsbilder imitieren oder
umgekehrt.
Die infektiöse Ileitis kann radiologisch einem
nichtstenosierenden Morbus Crohn sehr ähnlich
eine Differenzierung zwischen einer fixierten fibroti- sein. Man findet im Enteroklysma eine Faltenver-
schen Striktur, einer spastischen Lumeneinengung dickung und spastische Kontraktionen, jedoch kein
(„string sign“), einer aktiven ulzerostenosierenden „string sign“.
Erkrankung und einer externen Lumeneinengung Die Darmwand ist nicht nennenswert verdickt.
durch entzündliche Vorgänge in der Umgebung ge- Schleimhautulzerationen von unterschiedlicher Grö-
troffen werden (Abb. 5.52 a, b). ße im terminalen Ileum können gefunden werden.
Abszesse sind am besten mit der CT oder der MRT Erreger sind meist darmpathogene Keime, aber auch
(Abb. 5.53), aber auch mit der Sonographie nachweis- ein Morbus Behçet und opportunistische Erreger bei
bar (Fishman et al. 1987; Gore 1989). Freie Perforatio- Aids.
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 225
Abb. 5.52 a, b. „String sign“. Morbus Crohn des terminalen bis auf „Violinsaiten-artige“ Einengungen (Pfeile). Keine prä-
Ieums mit geringer klinischer radiologischer Aktivität (glatte stenotische Dilatation, normale Passagezeit. Abgeflossenes
Oberfläche). a Entfaltbares Lumen. b Spastische Kontraktion Kontrastmittel im durchhängenden Colon transversum
Campylobacterinfektion
Klinische Symptomatik
Erreger ist das gramnegative Stäbchen Campylobac-
ter fetus jejuni, ein Keim, der häufig bei akutem, teils
blutigem Durchfall im Stuhl nachgewiesen werden
kann. Die Infektion heilt meist spontan aus. Es gibt
jedoch auch chronische Verläufe, insbesondere bei
abwehrgeschwächten Personen.
Radiologische Symptomatik
Die röntgenologischen Veränderungen bei einer
Kontrastmitteluntersuchung sind ähnlich wie bei der
Yersiniose unspezifisch. Das Kolon ist häufig mitbe-
fallen (Brodey et al. 1982). In schweren Fällen treten
Ulzera auf (Abb. 5.55).
Radiologische Symptomatik
Röntgenologisch findet man eine unspezifische En-
teritis und Ileitis, hervorgerufen durch die Schleim-
hautschädigung. Das Zielorgan der Shigellose ist das
Kolon. Manchmal kann auch der Dünndarm beteiligt
sein. Es gibt eine Vielfalt von darmpathogenen Kei-
men, die diese unspezifischen radiologischen Verän-
derungen aufweisen.
Tuberkulose
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die Tuberkulose nimmt unter den bakteriellen Infek-
tionen eine Sonderstellung ein, da sie zu chronischen
Krankheitsverläufen führen kann. Gründe für eine
erneute Zunahme der Erkrankung sind Einwanderer
aus Endemieländern (Schofield 1985) sowie das Auf- Abb. 5.56. Tuberkulose. Ulzeronoduläre Oberfläche des termi-
treten von Abwehrschwäche, insbesondere bei Pa- nalen Ileums und deutlich entzündliche Raumforderung in der
tienten mit Aids. Ileozökalregion. Eine sichere Differenzierung von einem Mor-
bus Crohn ist nicht möglich
Klinische Symptomatik
Die Patienten leiden unter Bauchschmerzen, Ge-
wichtsverlust und Fieber, Durchfall ist selten. Pilzinfektionen
Pathologisch-anatomische
Radiologische Symptomatik und ätiologische Grundlagen
Beim tuberkulotischen Darmbefall ist die Ileozökal- Obwohl Pilzinfektionen in letzter Zeit von manchen
region die bevorzugte Lokalisation für diese Erkran- Ärzten gerne als Ursache für gastrointestinale Be-
kung. Im Anfangsstadium findet sich das Bild einer schwerden angesehen werden (Herfarth u. Layer
unspezifischen Ileitis terminalis. Die tuberkulösen 1995), treten sie fast ausschließlich bei Patienten mit
Schleimhautinfiltrationen können ulzerieren, sodass Aids auf. Bei sonst gesunden Menschen sind Pilz-
die Unterscheidung von einem Morbus Crohn un- infektionen sehr selten zu beobachten.
möglich werden kann (Abb. 5.56). Bei der Tuberkulo-
se ist das Zökum meist stärker befallen als das termi-
nale Ileum. 5.4.3
Parasiten und Würmer
Virusinfektionen
Pathologisch-anatomische Lambliasis
und ätiologische Grundlagen Pathologisch-anatomische
Eine häufige Ursache einer Gastroenteritis ist eine und ätiologische Grundlagen
Rotavirusinfektion, insbesondere bei Kindern (Rup- Erreger ist der begeißelte Einzeller Giardia lamblia,
pin 1980). Die meisten viralen Erreger besitzen eine der sich vorwiegend im Duodenum und Jejunum
enterotoxische Wirkung und verursachen keine mor- ansiedelt und zu endemischen oder epidemischen
phologisch nachweisbare Schleimhautschädigung. Durchfallerkrankungen in klimatisch gemäßigten
Ländern führen kann. Über eine erhöhte Infektanfäl-
Radiologische Symptomatik ligkeit wird bei Hypo- oder Dysgammaglobulinämie
Röntgenologisch findet sich nur ein unspezifischer berichtet (Ament u. Rubin 1972). Deshalb kann nicht
Reiz- und Entzündungszustand mit mehr oder weni- sicher entschieden werden, ob die bei der Lambliasis
ger ausgeprägter Motilitätsstörung, vor allem im pro- im Jejunum beobachtete lymphatische Hyperplasie
ximalen Dünndarm. Folge der Infektion oder Ausdruck einer Immunglo-
bulinerkrankung ist.
Radiologische Symptomatik
Im Enteroklysma findet man die Zeichen eines un-
spezifischen Reiz- oder Entzündungszustandes im
oberen Dünndarm mit Hyperperistaltik, mit oder
ohne erkennbare lymphfollikuläre Hyperplasie (Abb.
5.57 a, b).
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 229
Abb. 5.57 a, b. Lambliasis. a Unspezifischer Reiz- und Entzün- Abdominalschmerzen. b Nach Behandlung weitgehende Nor-
dungszustand mit verdickten Falten und einer kaum erkenn- malisierung; Falten noch etwas verdickt, Wandbeschlag nor-
baren lymphfollikulären Hyperplasie bei einer Patientin mit mal
Askaridiasis
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Der Ascaris lumbricoides ist der größte Nematode
(Rundwurm) und in Ländern mit schlechten hygieni-
schen Vorrichtungen weit verbreitet.
Klinische Symptomatik
Führend sind unspezifische Abdominalbeschwerden.
Radiologische Symptomatik
Die Würmer können in seltenen Fällen auf Abdo-
menübersichtsaufnahmen erkannt werden, insbe-
sondere wenn sie zu einer Obstruktion vor der Ileo-
zökalklappe führen. Die Würmer werden bis zu 35 cm
lang (Abb. 5.58).
Weitere Wurminfektionen
Die folgenden Wurminfektionen zeigen sowohl kli-
nisch als auch radiologisch unspezifische Verände-
rungen:
∑ Strongyloidiasis im proximalen Dünndarm,
∑ Ankylostomiasis im proximalen Dünndarm,
∑ Anisakiasis durch den Heringswurm nach Genuss Abb. 5.58. Askaridiasis. Lebender Ascaris lumbricoides im
terminalen Ileum
von rohem Fisch mit vorwiegendem Befall des
Ileum und Kolon,
∑ Bandwurminfektionen mit Nachweis des Wurms.
230 Kapitel 5 Dünndarm
5.4.4
Gastrointestinale Manifestationen bei Aids
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Beim „aquired immune deficiency syndrome“ (Aids)
ist ein Befall des Gastrointestinaltrakts häufig
(Pantongrag-Brown et al. 1995). Die Destruktion von
CD 4-Zellen ist der zentrale Defekt in der Immunab-
wehr bei Aids-Patienten. Personen mit einer Zellzahl
<200/ml (normal: 800–1200 Zellen/ml) werden als
Aids-Patienten eingestuft, unabhängig davon, ob
eine Aids-assoziierte Erkrankung offensichtlich ist.
Das lymphatische Gewebe in der Mukosa ist das
Organ der Immunabwehr im Gastrointestinaltrakt.
Mit Fortschreiten einer HIV- („human immunodefi-
ciency virus“-) Erkrankung wird dieses Gewebe ge-
schwächt und inkompetent, sodass der Magen-
Darm-Trakt zum typischen Sitz von opportunisti-
schen Infektionen und Aids-assoziierten Tumoren
wird.
Die häufigsten Erreger sind das weit verbreitete
Zytomegalievirus (CMV). Eine weitere häufige Ursa-
che für eine Enteritis bei Patienten mit Aids ist eine Abb. 5.59. CMV-Infektion bei Aids-Patienten. Langstreckige
Kryptosporidiose, hervorgerufen durch das Proto- Erkrankung des distalen Ileums mit Faltenverlust und erhebli-
zoon Cryptosporidium parvum. Speziell in Entwick- cher Wandverdickung. Das Bild wird auch bei einer akuten
GVH-Reaktion gefunden. (Mit freundlicher Genehmigung
lungsländern tritt bei HIV-Erkrankten eine Infektion Dr. V. Jakobi, Frankfurt)
mit Mycobacterium tuberculosis auf. Eine extrapul-
monale Manifestation wird zwischen 40 und 80%
bei Aids-Patienten mit Tuberkulose gefunden (Buck- 쐍 Allgemein. Am Dünndarm findet man im Allge-
ner et al. 1991). Die häufigste nichttuberkulöse myko- meinen unspezifische Veränderungen im Sinne einer
bakterielle Infektion wird durch Erreger aus der Enteritis mit Faltenverdickungen und herabgesetz-
Gruppe des Mycobacterium-avium-intracelluläre- tem Wandbeschlag.
(MAI-) Komplexes verursacht. Ein Befall mit Candida
albicans tritt bei Patienten mit fortgeschrittener 쐍 Speziell. Das CMV bevorzugt den Ösophagus, den
HIV-Infektion auf. Magen und das Kolon. Die CMV-Kolitis kann sich
Es gibt eine weitere Vielzahl von opportunisti- bisweilen in das terminale lIleum erstrecken und
schen Erregern, die bei abwehrgeschwächten Perso- eine unspezifische Ileitis terminalis mit relativer
nen den Gastrointestinaltrakt befallen können. Wandverdickung, submuköser Infiltration und Ulze-
rationen verursachen (Abb. 5.59).
Klinische Symptomatik Die Kryptosporidiose befällt am häufigsten das
Durchfall ist das Hauptsymptom, wenn eine Mitbe- Duodenum und Jejunum mit einer unspezifischen
teiligung des Gastrointestinaltrakts bei Aids vorliegt. Enteritis (Berk et al. 1984). Zusätzlich kann auch eine
Eine CMV-Infektion bewirkt eine Vaskulitis, die zu Cholangitis auftreten (Abb. 5.60). Die CT kann eine
fokaler Ischämie mit Ulzerationen und Perforationen entzündliche, hyperämische Wandverdickung zei-
führen kann (Teixidor et al. 1987). Bei der Kryptospo- gen. Im Gegensatz zur MAI-Infektion sind die
ridiose kann zusätzlich auch eine Cholangitis auftre- Lymphknoten kaum vergrößert.
ten. Bei der Tuberkulose ist die Ileozökalregion speziell
befallen. Tuberkulöse Peritonitis und Mesenteritis
Radiologische Symptomatik mit Aszites, retroperitoneale und mesenteriale
Die vielen infrage kommenden opportunistischen Lymphknotenvergrößerungen werden am besten in
Erreger bevorzugen unterschiedliche Anteile des ges- der CT dargestellt. Die Lymphknoten zeigen oft er-
amten Gastrointestinaltrakts. niedrigte Dichtewerte (Bargallo et al. 1992; Hulnick
et al. 1985). Bei einer Infektion mit einem Erreger aus
der Gruppe des MAI -Komplexes können kleinknoti-
ge Veränderungen an der Mukosa und Zeichen des
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 231
Abb. 5.60. Cholangitis bei einem Aids-Patienten. CMV und Abb. 5.61. GVH-Reaktion. Faltenverlust und verdickte Darm-
Kryptosporidiose befallen häufig auch das Gallengangsystem. wände der gesteiften Ileumschlingen. 19-jähriger Patient mit
(Mit freundlicher Genehmigung Dr. V. Jakobi, Frankfurt) profusem Durchfall nach allogener Knochenmarktransplanta-
tion. (Mit freundlicher Genehmigung Dr. M.P. Chandie-Shaw,
Leiden, Niederlande)
unspezifischen Reiz- und Entzündungszustandes mit Akute oder chronische GVH-Reaktionen sind die
Hyperperistaltik im proximalen Dünndarm gefun- häufigsten Komplikationen nach einer Transplanta-
den werden (Ekberg et al. 1994). Die CT zeigt typi- tion. Dabei kommt es zu einer immunologischen Re-
scherweise eine ausgeprägte mesenteriale Lympha- aktion der transplantierten Lymphozyten gegen den
denopathie und Hepatosplenomegalie mit fokalen Empfänger.
Herden (Radin 1991).
Typisch für eine Candidainfektion (Moniliasis) ist Klinische Symptomatik
eine Ösophagitis. Selten kommt es bei einer dissemi- Der Gastrointestinaltrakt ist ein häufiges Zielorgan
nierten Candidiasis zu einer Beteiligung des Ileums der akuten GVH-Reaktion, deren Hauptsymptom
(Radin et al. 1983). wässriger Durchfall ist. Ursache dafür ist die Induk-
tionsbehandlung mit hochdosierter Radiotherapie
und/oder Chemotherapie, die eine Mukositis mit ab-
5.4.5 dominellen Schmerzen, Erbrechen und Durchfall bis
Gastrointestinale Entzündungen zu 3 Wochen Dauer verursacht.
nach Knochenmarktransplantationen
Radiologische Symptomatik
Nach einer Knochenmarktransplantation kann eine Im Enteroklysma findet man nach distal fortschrei-
Reihe von Kompliktionen im Gastrointestinaltrakt tend ödematös verdickte Falten bis zum Faltenverlust
auftreten (Jones u. Wall 1992). im Ileum, sodass ein tubuläres Bild entstehen kann
(Abb. 5.61). Früher wurde dies als charakteristisch
Pathologisch-anatomische angesehen (Schimmelpenninck u. Zwaan 1982), es ist
und ätiologische Grundlagen jedoch lediglich der Ausdruck einer schweren Schä-
Die Hauptursachen für die Komplikationen sind: digung der Mukosa (Schuttevaer et al. 1986). In der
CT sind die Wandverdickungen und eine mesenteri-
∑ Induktionsbehandlung,
ale Reaktion zu erkennen, und an der Darmoberflä-
∑ akute und chronische GVH-Erkrankung,
che wird eine verlängerte zirkuläre Retention von
∑ Superinfektion mit opportunistischen Erregern,
Kontrastmittel beobachtet (Jones et al. 1986). Die
∑ Typhlitis.
232 Kapitel 5 Dünndarm
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die Erkrankung betrifft hauptsächlich Männer im
mittleren Lebensalter. Viele Organe können befallen
sein. Biopsien aus dem Dünndarm, vorzugsweise aus
dem Jejunum, zeigen verplumpte Zotten. In der ver-
breiterten Lamina propria finden sich Gruppen von
schaumigen Makrophagen mit PAS-positivem Mate-
rial, den so genannten Lipogranulomen. Elektronen-
mikroskopisch lassen sich die Bakterien nachweisen.
Klinische Symptomatik
Aufgrund eines Multiorganbefalls finden sich Ge-
lenkschmerzen, Fieber, uncharakteristische Bauch-
schmerzen, Gewichtsabnahme, Hautpigmentation
und Lymphknotenschwellungen. Relativ charakteris-
tisch sind neurologische Erscheinungen. Chroni-
scher Durchfall mit Steatorrhö und Malabsorption
stellen meist Spätsymptome dar. Eine antibiotische
Abb. 5.63. Eosinophile Enteritis. Ausschnitt einer ausgedehn- Langzeitbehandlung führt meist zur Remission.
ten Erkrankung mit vorwiegender Mukosabeteiligung. Die
Falten sind verdickt und verformt (Pfeile). 45-jähriger Patient Radiologische Symptomatik
mit chronischem Durchfall und Malabsorption. Besserung Mit dem Enteroklysma können morphologische und
nach Kortikoidtherapie
funktionelle Veränderungen festgestellt werden (An-
tes u. Kruis 1982). Die entzündlichen Schleimhaut-
und Wandinfiltrationen führen zu verdickten Falten
Klinische Symptomatik und knotigen Wandinfiltrationen. Im floriden
Die häufigsten Beschwerden sind Übelkeit, Adomi- Krankheitsstadium finden sich zusätzlich noch Zei-
nalschmerzen und Durchfall, selten auch Malabsorp- chen des unspezifischen Reiz- und Entzündungs-
tion. zustandes mit Hyperperistaltik (Abb. 5.64 a, b). Die
manchmal ausgeprägte Lymphadenopathie kann am
Radiologische Symptomatik besten mit der CT erkannt werden. Die Lymphknoten
Bei vorwiegender Mukosabeteiligung findet man zeigen teilweise fettähnliche Dichtewerte.
verdickte Falten im gesamten Dünndarm oder in län-
geren Abschnitten mit Bevorzugung des Ileums Differenzialdiagnosen
(Abb. 5.63). Bei vorwiegender Infiltration der Muscu- Lymphangiektasie, MAI-Komplex-Infektion bei Aids
laris propria ist eine fokale Wandverdickung mit Lu- und andere seltene Erkrankungen mit kleinnodulä-
meneinengung und verzogenen Falten zu beobach- ren Veränderungen der Darmoberfläche.
ten.
Ist vorwiegend die Serosa beteiligt, so führt dies
zu Aszitesbildung, Verdickung der äußeren Wand- 5.4.10
schichten und zu Lymphknotenvergrößerungen. Die- Lymphfollikuläre Hyperplasie
se Veränderungen können besser mit der CT erkannt und unspezifische Ileitis terminalis
werden (McCarty u. Talley 1990).
왔 Es handelt sich dabei um eine Vergrö-
Definition
ßerung der Lymphfollikel in der Sub-
5.4.9 mukosa des terminalen Ileums durch unspezifische
Morbus Whipple Stimulationen. Bei Krankheitssymptomen spricht
man von einer unspezifischen Ileitis terminalis
Synonyme: intestinale Lipodystrophie. (Brombart 1980; Ekberg et al. 1994).
Abb. 5.64 a, b. Morbus Whipple. 60-jähriger Patient mit Ge- sowie eine Verdrängung und Einengung des terminalen Ileums
lenkbeschwerden und Malabsorption. Enteritisch herabge- durch mesenteriale Lymphknotenvergrößerungen (Pfeil in a).
setzter Reiz- und Entzündungszustand, Faltenverdickung und Normalisierung nach antibiotischer Behandlung
knotige Infiltrate in der Mukosa und Submukosa (Pfeile in b)
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Ätiologisch ist es unklar, ob die lymphfollikuläre
Hyperplasie und die spezifische Ileitis terminalis
Ausdruck einer Stimulation des Immunsystems im
Rahmen einer Infektion sind oder in anderen Fällen
ein Frühstadium bzw. eine Abortivform eines Mor-
bus Crohn darstellen (Ekberg et al. 1984). Patholo-
gisch-anatomisch werden multiple, 1–2 mm große
Lymphfollikel in der Mukosa im terminalen Ileum
gefunden.
Klinische Symptomatik
Bei asymptomatischen jungen Erwachsenen und
Kindern – als Zufallsbefund entdeckt – hat die
lymphfollikuläre Hyperplasie keine pathologische
Bedeutung (Lasserich 1953; Wells 1948). Krankheits-
wert besteht nur, wenn gleichzeitig Symptome wie
Durchfall, Schmerzen, Fieber oder Allgemeinbe-
schwerden vorliegen.
Abb. 5.65. Lymphfollikuläre Hyperplasie im terminalen Ileum
als Zufallsbefund bei einer 23-jährigen Frau
Radiologische Symptomatik
Bei Doppelkontrastuntersuchungen werden nicht
selten im terminalen Ileum kleinnoduläre Oberflä- 5.4.11
chenveränderungen gefunden (Abb. 5.65). Auffallend Retraktile Mesenteritis
vergrößerte Lymphfollikel und Peyer-Plaques kön-
nen aufbrechen und aphthoide Ulzera bilden. Sono-
graphisch sind die regionalen Lymphknoten vergrö- Synonyme: Mesenteriale Lipodystrophie, Panniculitis
ßert bei Patienten mit klinischen Beschwerden. Das mesenterialis, liposklerotische Mesenteritis, Lipogra-
Bild einer lymphfollikulären Hyperplasie kann durch nulom des Mesenteriums, sklerosierende Mesenteri-
eine orthograde Ansicht kontrahierter Kerchring- tis, retroperitoneales Xanthogranulom.
Falten vorgetäuscht werden. Dieses sehr seltene Krankheitsbild ist charakteris-
tisch durch eine Fettgewebedegeneration des Me-
senteriums mit konsekutiver Schrumpfung, Durch-
blutungsstörung und Obstruktion des Darms.
5.4 Entzündliche Darmerkrankungen 235
Die Ätiologie der nichtvererblichen retraktilen Gore FM (1989) CT of inflammatory bowel disease. Radiol Clin
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236 Kapitel 5 Dünndarm
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Der Grund für das relativ seltene Auftreten der pri-
mären Dünndarmmalignome ist ungeklärt. Folgende
protektive Faktoren werden diskutiert:
1. Der flüssige Dünndarminhalt führt zu keiner me-
chanischen Irritation.
2. Die kurze Passagezeit erlaubt wenig Kontakt von
Karzinogenen mit der Mukosa.
3. Der alkalische pH-Wert.
4. Die nur geringe bakterielle Besiedelung, welche
keine Produktion bzw. Anwesenheit von Karzino-
genen erlaubt.
5.5 Dünndarmtumoren 237
Tabelle 5.3. Histologische Einteilung (modifiziert) der Neoplasien und tumorähnlichen Veränderungen des Dünndarms.
(Hamilton u. Aaltonen 2000; Jass u. Sobin 1989)
Benigne Maligne
5. Eine hohe enterische Konzentration des Enzyms tig. In der Klinik setzt sich zunehmend die Lugano-
Benzpyrenhydrolase, das die bekannte karzino- Klassifikation durch (Fuchs 2003; Radaszkiewicz et
gene Wirkung von Benzpyren hemmt (Lowenfels al. 1992).
1973; Samelson et al. 1985; Wattenberg 1966).
Klinische Symptomatik
Widersprüchlich allerdings ist die Tatsache, dass die- Gut- und bösartige Tumoren sind lange Zeit asymp-
ses Faktoren für den proximalen Dünndarm zutref- tomatisch und werden meist erst in einem fortge-
fen, wo das Adenokarzinom häufiger als im Ileum an- schrittenen Stadium entdeckt. Die häufigsten Symp-
getroffen wird (Nelson 1987). Somit ist die These, tome sind Obstruktionen, Invagination und gasto-
dass humorale Faktoren protektiv wirken, eher wahr- intestinaler Blutverlust.
scheinlich. Eine hohe Konzentration von IgA, das im
lymphatischen Gewebe des Ileums produziert wird, Wertigkeit der bildgebenden Verfahren
könnte eine Erklärung für die geringe Inzidenz eines Die Bariumuntersuchung des Dünndarms gilt im All-
Adenokarzinoms im distalen Dünndarm sein. Das gemeinen noch als die wichtigste radiologische Me-
häufigere Auftreten von Tumoren bei immunsuppri- thode. Das Enteroklysma ist die aussagekräftigste
mierten Patienten unterstützt diese Hypothese (Lo- Kontrastmitteluntersuchung am Dünndrm und der
wenfels 1973). fraktionierten Magen-Darm-Passage hinsichtlich
Die molekulare Basis der Dünndarmneoplasien ist Sensitivität und Spezifität überlegen. Eine Studie, die
noch unbekannt. Möglicherweise spielen ras-Onko- die Sensitivität und Tumorentdeckungsrate vergli-
gene und das p53-oncosuppressor-Gen eine Rolle bei chen hat, zeigt eine Sensitivität von 61% für die frak-
der Entstehung dieser Tumoren (Spandidos et al. tionierte Passage und 95% für das Enteroklysma. Der
1993, 1994). direkte Tumornachweis betrug 33% bei der fraktio-
Aus den Geweben der Darmwand können sich nierten Passage und 90% für das Enteroklysma
gut- und bösartige Veränderungen entwickeln (Ta- (Besette et al. 1989). Die CT zeigt vielversprechende
belle 5.3). Ergebnisse bei der Suche nach primären und sekun-
Die histologische Klassifikation erfolgt entspre- dären Dünndarmtumoren. Alle Tumoren, die bei ei-
chend des Vorschlags der WHO (Jass u. Sobin 1989). ner Bariumuntersuchung entdeckt wurden, sind auch
Sie wurde im Jahr 2000 aktualisiert (Hamilton u. in der CT gesehen worden (Dudiak et al.1989; Lau-
Aaltonen 2000). rent et al. 1991).
Die TNM-Klassifikation (Hermanek et al. 1997) Die Bariumuntersuchungen zeigen im Vergleich
gilt nur für Karzinome. Für die Karzinoide wird die zu den Schnittbildverfahren besser intraluminäre
Einteilung nach Haskell u. Tompkins (1985) empfoh- Prozesse, die Schleimhautoberfläche und die Längen-
len. Für die primär gastrointestinalen Lymphome gilt ausdehnung. Die CT zeigt besser als die Barium-
die Stadieneinteilung nach Musshoff (1977). Für eine untersuchungen die Erkrankungen in der Darmwand
spezifische, klinisch-prognostische Stadieneintei- und extraluminale Veränderungen. Lymphknoten-
lung der MALT-Lymphome ist die Einbeziehung der vergrößerungen, das Mesenterium und die paren-
Infiltrationstiefe der Magen- oder Darmwand wich- chymatösen Organe können nur mit den Schnittbild-
238 Kapitel 5 Dünndarm
Abb. 5.67 a, b. Adenokarzinom. a Hochgradige kurzstreckige und zirkuläre Stenose im proximalen Jejunum, entsprechend
einem Adenokarzinom des Dünndarms. b Die initiale CT zeigt das extraintestinale Tumorwachstum pT4N1
Abb. 5.68. Adenokarzinom. Nichtstenosierender exophyti- Abb. 5.69. Adenokarzinom des Jejunums. Typische „apple
scher Tumor (Pfeil), Kolon (Stern) core lesion“. (Mit freundlicher Genehmigung Dr. H. J. Kapp,
Schlangenbad)
die meisten der übrigen Adenokarzinome des Dünn- rig von einem Adenokarzinom oder von Metastasen
darms ein zirkuläres, stenosierendes und ulzerieren- zu unterscheiden. Kleine Adenokarzinome können
des Wachstum (Abb. 5.66, Abb. 5.67 a, b). Seltener ist polypoid und gestielt sein, sodass sie von einem gut-
ein exophytisches Wachstum (Abb. 5.68). Im Gegen- artigen mukosalen, submukösen oder intramuralen
satz zu den beweglichen Lymphomen oder Sarkomen Tumor nicht unterschieden werden können (Maglin-
zeigt ein Adenokarzinom überhängende Ränder te u. Reyers 1997).
(Ekberg u. Ekholm 1980) und eine starre zentrale
Stenose, die sich bei Kompression nicht verändert Differenzialdiagnosen
(Abb. 5.69). Eine szirrhöse Reaktion in der Darm- Ein kurzstreckiger stenosierender Prozess im proxi-
wand führt zu einer mechanischen Obstruktion mit malen Dünndarm mit Destruktion der Schleimhaut-
teilweiser erheblicher prästenotischer Dilatationen falten ist charakteristisch für ein Adenokarzinom des
(Abb. 5.70). Dünndarms, sodass andere Differenzialdiagnosen
Selten kann ein Adenokarzinom einen Morbus wie ein Lymphom, ein GIST, eine entzündliche Lä-
Crohn radiologisch imitieren (Milman et al. 1980). sion, Briden oder Metastasen kaum in Erwägung zu
Benigne Strikturen sind normalerweise nicht schwie- ziehen sind.
240 Kapitel 5 Dünndarm
Klinische Symptomatik
5.5.2 Ein kleines gastrointestinales Karzinoid verursacht
Karzinoid (neuroendokrine Tumoren) aufgrund seiner geringen Größe und der submukö-
sen Lage selten klinische Symptome. Im fortgeschrit-
Synonyme: Gastroenteropankreatische neuroendo- tenen Stadium klagen die Patienten über rezidivie-
krine Tumoren (GEP-NET) rende Bauchschmerzen mit intermittierenden Ob-
struktionsbeschwerden. Gastrointestinale Blutungen
Definition sind selten. Im Mittel dauert es mehr als 2 Jahre, bis
Das Karzinoid (neuroendokriner Tumor) ist eigent- die Symptome zur Entdeckung eines Karzinoids füh-
lich ein epithelialer Tumor, der aber traditionell von ren (Moertel 1987).
den anderen epithelialen Tumoren aufgrund deren Das Karzinoidsyndrom ist mit 10% ein seltenes
geringen oder fehlenden endokrinen Differenzie- klinisches Erscheinungsbild und findet sich nur bei
rung abgegrenzt wird. Um dem gesamten morpholo- etwa 30–35% der jejunalen Karzinoide. Diese haben
gischen und biologischen Spektrum dieser Neoplasie allerdings in die Leber metastasiert (Moertel et al.
gerecht zu werden, wurde in der WHO-Klassifikation 1961; Schmoll et al. 1997). Die charakteristischen
2000 daher statt des Begriffs Karzinoid der über- Symptome sind Durchfall und „flush“, die durch
geordnete Terminus neuroendokriner Tumor und Stress und Alkohol induziert werden. Weitere Mani-
neuroendokrines Karzinom eingeführt (GEP-NET/ festationen sind Lebermetastasen, Bronchospasmus
gastroenteropankreatische neuroendokrine Tumo- und subendotheliale Fibrose der Trikuspidalklappe.
ren). Noch heute werden die meisten der GEP-NET Ursache dafür sind erhöhte Serumserotoninwerte in
als Karzinoide bezeichnet. Um Missverständnissen der Gegenwart von Lebermetastasen (Moertel 1985).
vorzubeugen, wurde der Begriff des Karzinoids
(noch) nicht vollständig aufgegeben (Klöppel et al. Radiologische Symptomatik
2003; Solcia et al. 2000). Primäre Karzinoide <2 cm Größe werden selten mit
Das Karzinoid wird in der Literatur mit etwa 25– einer fraktionierten Passage entdeckt (Maglinte et al.
40% als häufigster Tumortyp des Dünndarms ge- 1991). Das Enteroklysma kann einen kleinen, glatt
nannt (Buck u. Sobin 1990; Coit 1993; Di Sario et al. begrenzten Tumor nachweisen, der bis zum Beweis
1994). Das Karzinoid wird im gesamten Gastrointes- des Gegenteils als Karzinoid angesehen werden muss
tinaltrakt gefunden, am häufigsten in der Appendix (Abb. 5.71). Die Läsion kann aber nicht sicher von
(50%) und im distalen Ileum (33%) (Clements et al. einer anderen mukösen oder submukösen Raumfor-
1984). Der Tumor wird meist zwischen dem 56. und derung, wie z. B. einem Leiomyom, Lipom, Adenom
60. Lebensjahr entdeckt (Wilander 1995). Es gibt kei- oder einer Metastase unterschieden werden. Ein oder
ne sicheren histologischen Kriterien für ein gutarti- 2 zusätzliche ähnliche Knoten erhöhen die Wahr-
ges oder bösartiges Karzinoid. Das Karzinoid der Ap- scheinlichkeit eines Karzinoids.
5.5 Dünndarmtumoren 241
5.5.3
Nichtepitheliale Tumoren
Synonyme: Leiomyom, Leiomyosakrom, GIST, Li-
pom, Schwannom.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Da die meisten Tumoren der glatten Muskulatur ent-
stammen, werden die gutartigen als Leiomyome und Abb. 5.73. Leiomyom. Patientin mit unklarer gastrointestina-
die bösartigen als Leiomyosarkome bezeichnet. ler Blutung. Im Enteroklysma ist ein submuköser, glatt be-
Tatsächlich sind jedoch viele dieser Spindelzelltumo- grenzter und beweglicher Tumor ohne stenosierende Wirkung
ren undifferenzierbar bzw. haben eine epitheliale erkennbar (Pfeil). (Mit freundlicher Genehmigung Prof. H. In-
grisch, München)
Erscheinung, sodass die Bezeichnung „gastrointesti-
nale Stromatumoren“ (GIST) vorgeschlagen wurde
(Kempson u. Hendrickson 1995). Aufgrund immun-
histochemischer Typisierung werden nur die mesen- Klinische Symptomatik
chymalen Tumoren, die eine positive Expression von Sarkome und gutartige nichtepitheliale Tumoren
KIT (CD 117), einen Tyrokinase-Wachstumsfaktor präsentieren sich mit gastrointestinalem Blutverlust,
aufweisen, als GIST bezeichnet (Levy et al. 2003). Die Anämie und intermittierenden Obstruktionen durch
Expression von CD 117 ist wichtig, um GIST-Tumo- passagere Invagination.
ren von anderen mesenchymalen Neoplasien wie
Leiomyome, Leiomyosarkome, Schwannome und Radiologische Symptomatik
Neurofibrome zu unterscheiden, da die KIT-positi- Die Lokalisation der GIST ist am ehesten submukös,
ven Tumoren mit einer Tyrokinase-inhibitorischen weniger häufig subserös und selten intraluminal. Die
Therapie behandelt werden können. submukösen Tumoren erkennt man als einen glatt
Bei Fehlen von eindeutigen Malignitätskriterien begrenzten, runden oder ovalen Füllungsdefekt
besteht ein diagnostisches Problem, das klinische (Abb. 5.73). Eine subseröse Raumforderung ist er-
Verhalten bezüglich einer Rezidivbildung oder Meta- kenntlich an einer Verdrängung der anliegenden
stasierung von gutartigen Stromatumoren vorherzu- Darmschlingen (Abb. 5.74 a, b). Intraluminale Tumo-
sehen. Tumorgröße, Zellzahl und Mitoserate sind ren können zu Invaginationen führen (Abb. 5.75 a, b).
wichtige Hilfen zur Bestimmung der Dignität (Appel-
mann 1984). Bei Tumoren bis zu 4 cm Durchmesser
besteht eine unklare Dignität, wenn die Zellen blande Merke ! Eine Unterscheidung zwischen einem
gutartigen oder bösartigen Stroma-
und die Anzahl der Mitoserate gering sind. tumor ist aufgrund des Erscheinungsbildes grund-
Bei hoher Zellanzahl mit einem höheren Mito- sätzlich nicht möglich.
seindex liegt ein Sarkom vor. Tumoren von >4 cm im
Durchmesser werden als Sarkome betrachtet. Die Zeichen der Malignität sind eine unregelmäßig lobu-
intestinalen Stromasarkome metastasieren haupt- lierte Raumforderung mit niedrigen Dichtewerten in
sächlich zum Peritoneum, in die Leber und Lunge. der CT aufgrund einer Gewebenekrose (Kanematsu
Entsprechend den Strukturen der Darmwand kön- et al. 1991), Ulzerationen und Kalzifikationen (Du-
nen sich folgende, meist benigne Tumoren entwi- diak et al. 1989; Abb. 5.76 a,b, Abb. 5.77). Im Vergleich
ckeln: Lipome, vaskuläre Tumoren und Lymphangio- zur CT ist die MRT weniger spezifisch.
me. Lipome sind relativ einfach zu erkennen. Bei einer
Bariumuntersuchung erscheinen sie als dunkle, gut
abgrenzbare, intraluminale Raumforderungen. Mit
der CT kann eine spezifische Diagnose aufgrund der
Fettwerte gestellt werden.
5.5 Dünndarmtumoren 243
Abb. 5.75 a, b. Leiomyom (GIST). a Intramuraler Tumor, der aufgrund seiner glatten Begrenzung von der Darmwand ausgeht.
b Operationspräparat des 2,7 cm großen Tumors, der zu passageren Invaginationen geführt hat
244 Kapitel 5 Dünndarm
Abb. 5.76 a, b. Leiomyosarkom (maligner GIST). Patient mit phisch ist eine echoarme Wandverdickung mit unregelmäßi-
Rückenschmerzen und Gewichtsverlust. a In der CT zeigt sich ger Innenkontur feststellbar
ein großer Tumor im proximalen Jejunum (Pfeil). b Sonogra-
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Das Vorkommen von Lymphomen im Magen-Darm-
Trakt ist nicht überraschend, da dieser das größte
lymphatische Organ des Körpers darstellt (Paryani
et al. 1983). Nach Isaacson entwickelt sich dieser
Lymphomtyp bei einem Überfluss von mukosaasso-
ziiertem lymphatischen Gewebe (MALT) im Intesti-
naltrakt (Isaacson 1994; Isaacson u. Wright 1984).
Oral aufgenommene Antigene werden dem Darm-
epithel ausgesetzt und dann von Makrophagen und
Helferlymphozyten in die tieferen Schichten der
Darmwand transportiert. Dies führt zu einer Inter-
leukinsynthese und T-Lymphozyten-Proliferation,
was eine Stimulation von IgA-produzierenden B-
Lymphozyten hervorruft.
Abb. 5.77. Maligner GIST. Patient mit Obstruktionsbeschwer-
den und gastrointestinaler Blutung. Die initiale CT zeigt einen Eine Störung dieses regulativen Vorgangs kann zu
glatt begrenzten Tumor in Bezug zu dilatierten, luftgefüllten einer vermehrten Aktivierung des MALT führen,
Dünndarmschlingen (Pfeil). Die randständige Verkalkung ist woraus sich dann ein PGIL entwickeln kann (Targan
ein Kriterium für Malignität 1987). Weitere Faktoren, die die Entwicklung eines
PGIL fördern können, sind: chronisch entzündliche
Darmerkrankungen, medikamentöse Immunosup-
pressionen, Aids und die Sprue (Loughran et al.
5.5.4 1986).
Lymphome Die grundlegenden Arbeiten von Isaacson et al.
1988 und 1994 führten zu einer Herauslösung der
Synonyme: MALT-Lymphome, primäres gastrointes- gastrointestinalen Lymphome aus der ursprünglich
tinales Lymphom (PGIL). allgemeinen Klassifikation der Lymphome (Rappa-
Das primäre gastrointestinale Lymphom (PGIL) port, Lukes-Collins, Kiel, Working Formulation).
muss von den häufigeren sekundären Infiltrationen In dieser eigenständigen Klassifikation können die
durch ein nodales Non-Hodgkin-Lymphom (Fanssi- Mehrzahl der PGIL anhand typischer histopathologi-
la et al. 1993) unterschieden werden, da es sich im scher, immunhistochemischer und zellbiologischer
biologischen Verhalten, in der Prognose und Thera- Charakteristika ohne Rückgriff auf das Dissemina-
pie von den primären nodalen Lymphomen unter- tionsmuster von Dawson identifiziert werden (Tabel-
scheidet. le 5.4). Biologisch zeichnen sie sich durch ein so ge-
5.5 Dünndarmtumoren 245
Abb. 5.81. Hochmalignes PGIL. Im Enteroklysma 2 Tumor- Abb. 5.82. IPSID bei einer 27-jährigen Frau aus Algerien mit
höhlen im proximalen bzw. distalen Jejunum (Pfeile). Dieses chronischem Durchfall. Das Enteroklysma zeigt eine Ver-
Befallmuster wird als endoexoenterische Form bezeichnet dickung der Falten mit angedeuteten Knoten
Abb. 5.83 a, b. PGIL des terminalen Ileums. Untypische Prä- teroklysma zeigt Faltenverlust im terminalen Ileum und indi-
sentation bei dieser 41-jährigen Patientin, bei der koloskopisch rekte Zeichen der Wandverdickung (Pfeil). Eine Unterschei-
und histologisch zunächst ein Morbus Crohn diagnostiziert dung von einem Morbus Crohn ist nicht möglich. Die Opera-
wurde. a Die initiale MRT (T1-gewichtet) zeigt einen großen tion ergab ein PGIL
intramuralen Tumor (Pfeil) des terminalen Ileums. b Das En-
Radiologische Symptomatik
5.5.5 Die Peritonealkarzinose führt zu einer Abknickung
Sekundäre Dünndarmtumoren und Verziehung des Darms und der Kerckring-Falten
(Abb. 5.85 a, b). Obstruktionssymptome treten häufig
Synonyme: Metastasen, Peritonealkarzinose. auf. Gelegentlich entstehen Fisteln. Die CT ist die
bildgebende Methode der Wahl (Abb. 5.86). Das
왔 Bei den sekundären Dünndarmtumo- Enteroklysma wird eingesetzt vor palliativen Anasto-
Definition
ren handelt es sich um einen Befall mosenoperationen. Hämatogene Metastasen mani-
des Dünndarms durch Metastasen einer bekannten festieren sich meist als multiple submuköse Knoten,
oder unbekannten Neoplasmie. die ulzerieren und bluten können. Eine Obstruktion
ist dabei selten (Abb. 5.87 a, b).
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Der Gastrointestinaltrakt ist ein häufiger Mani-
festationsort von Metastasen bei Tumoren aus dem
Gastrointestinaltrakt (Kolon, Magen, Pankreas), von
Ovarial- oder Uteruskarzinomen und des malignen
Melanoms. Die Tumorzellen infiltrieren den Darm
auf unterschiedlichen Wegen:
∑ intraperitoneale Aussaat,
∑ hämatogene Metastasierung oder
∑ direkte bzw. lymphogene Infiltration eines an-
grenzenden Tumors.
5.5 Dünndarmtumoren 249
5.5.6
Tumorähnliche Läsionen
Hamartome sind tumorähnliche Läsionen, die aus
einer abnormalen Mischung der lokalen Gewebe des
Darms bestehen. Sie sind ein Teil der seltenen hamar-
tösen Polyposissyndrome, unter denen das Peutz-
Jeghers-Syndrom am häufigsten und am bekanntes-
ten ist (Cho et al. 1997).
Das Peutz-Jeghers-Syndrom wird autosomal domi-
nant vererbt. Typisch sind mukokutane Pigmentatio-
nen und Polypen im Dünndarm, vor allem im Jeju-
num, aber auch im Magen und Kolon. Die Polypen
sind häufig gestielt und führen zu Invaginationen
(Abb. 5.88 a, b). Sie gelten nicht als präkanzerös. Al-
lerdings treten beim Peutz-Jeghers-Syndrom gehäuft
andere extraintestinale Tumoren wie Karzinome
des Pankreas, der Brustdrüse, des Uterus und der
Ovarien auf (Buck et al. 1992).Weitere tumorähnliche
Läsionen sind: Schleimhautheterotopien, die nodulä-
Abb. 5.86. CT bei Peritonealkarzinose eines Adenokarzinoms. re Hyperplasie der Brunner-Drüsen im Duodenum,
Dicke Tumorinfiltration des Omentums (Pfeile). Aszites. Die
Dünndarmschlingen sind durch die mesenteriale Tumorinfil- der entzündlich-fibroide Polyp mit reichlich eosino-
tration und den umgebenden Aszites zusammengedrängt philen Zellen (Widgren 1995), die lymphfollikuläre
Hyperplasie, die Fetthyperplasie der Ileozökalklappe
und die Endometriose.
250 Kapitel 5 Dünndarm
Abb. 5.87 a, b. Hämatogene Metastasen eines malignen Mela- mehrere Tumorknoten mit Ulzerationen (Pfeile). Keine Ob-
noms. a Die Primäruntersuchung mit der CT wegen okkultem struktion. b Im Enteroklysma multiple submuköse Tumoren
gastrointestinalen Blutverlust bei negativer Endoskopie zeigt (Pfeile). Fragliche inkomplette Invagination (Pfeilspitze)
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5.6 Andere Erkrankungen 253
Abb. 5.90. Akute Darmischämie. Patient mit unklaren Abdo- Abb. 5.91. Embolie in einer A. jejunalis (Pfeil). Patient mit
minalbeschwerden. Die CT zeigt einen dilatierten Dünndarm absoluter Arrhythmie und akuten Bauchbeschwerden
und Zökum mit intramuraler Luft (Pneumatosis intestinalis)
als Ausdruck einer ausgeprägten Dünndarmgangrän bei fort-
geschrittener mesenterialer Ischämie (Pfeil)
Abb. 5.92. Verschluss der A. mesenterica superior. Patientin Abb. 5.93. Fokale chronische Darmischämie mit Wand- und
mit unklaren Abdominalbeschwerden. Die initiale CT zeigt ei- Faltenverdickung (Pfeil). Patient mit krampfartigen Schmer-
ne fehlende Kontrastierung der A. mesenterica superior (Pfeil) zen im linken Mittelbauch. Bei unklaren Darmbeschwerden
sollte die CT vor einem Enteroklysma erfolgen!
Abb. 5.95. Umschlossener Thrombus in der V. portae (a; Pfeil), und V. mesenterica superior (b; Pfeil)
terstützen (Socinski et al. 1984). Das A.-mesenterica- geschrumpftes Mesenterium mit gerafften und ver-
superior-Syndrom kann eine chronische intestinale kürzten Darmschlingen; die Darmwand ist verdickt
Ischämie verursachen. Die Entität ist selten (Jamie- und geschwollen. Das Lumen kann bis zu einer hoch-
son 1986), eine Kombination von biplanarer Angio- gradigen Stenose eingeengt sein. Die Mukosa kann
graphie und Bariumuntersuchung kann die Diagno- normal, aber auch ödematös oder glatt und atro-
se erhärten (Abb. 5.95 a, b). phisch sein. Ulzera können auftreten.
Abb. 5.96 a, b. Subakute Strahlenenteritis. a Die CT zeigt leich- sind die Falten ödematös verdickt mit herabgesetztem Wand-
te dilatierte Dünndarmschlingen mit Faltenverdickung und beschlag und geringer Dilatation aufgrund einer Passagestö-
Ödem im Mesenterium der Darmschlinge. b Im Enteroklysma rung
Abb. 5.99 a, b. Chronische Strahlenreaktion im kleinen Be- b Im Enteroklysma erkennt man nur geringe Faltenverziehun-
cken. a Die CT zeigt eine deutliche Verdickung und Fibrosie- gen und immobile Schlingen im kleinen Becken
rung des Mesenteriums mit Fixierung der Darmschlingen.
Intramurale Blutung
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Intramurale Blutungen treten relativ häufig auf.
Häufigste Ursache sind Spontanblutungen bei Pa-
tienten unter Antikoagulanzientherapie. Sie werden
aber auch verursacht durch Thrombozytopenie oder
Erkrankungen, die mit einer Blutgerinnungsstörung
oder einer erhöhten Gefäßpermeabilität einherge-
hen. Ein stumpfes Bauchtrauma oder eine Aorten-
prothesenoperation kann ebenfalls zu einem Duode-
nalhämatom führen.
Klinische Symptomatik
Die Patienten klagen über Bauchkrämpfe, bieten das Abb. 5.100. Darmischämie nach Messerstichverletzung der
Bild eines akuten Abdomens und weisen Obstruk- A. mesenterica superior. Versteifte Darmschlingen mit Falten-
tionssymptome auf. ödem („Palisadenzaunphänomen“)
Radiologische Symptomatik
Die beteiligten Darmschlingen sind hypoperistal-
tisch oder spastisch enggestellt. Die Wand und die submukösen Raumforderung bei einer lokalisierten
Falten sind verdickt, sodass das Bild des „Palisaden- Einblutung zu erkennen (Abb. 5.101).
zauns“ („picket fence“, „stack of coins“) entsteht Die CT-Veränderungen sind oft spezifisch
(Abb. 5.100). Bei stärkeren Faltenverdickungen ist (Abb. 5.102). Mit der CT können nicht nur die seg-
das Bild des „thumb printing“ oder das einer fokalen mentalen Darmwandverdickungen, sondern auch
258 Kapitel 5 Dünndarm
Abb. 5.101. Darmischämie. Transmurale Ischämie mit „thumb Abb. 5.102. Intramurale Blutung. Patientin mit akuten Abdo-
printing“ durch intramurale Einblutung minalbeschwerden unter Antikoagulanzientherapie. Die CT
zeigt eine hyperdense Darmwandverdickung, entsprechend
einer intramuralen Blutung. Ausheilung unter konservativer
Therapie
Gefäßfehlbildungen
Gefäßfehlbildungen können angeboren oder erwor-
ben sein und werden in 3 verschiedene Typen (s.
unten) eingeteilt (Moore et al. 1976). Zusätzlich gibt
es mesenteriale Varizen.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
∑ Der Typ I einer Gefäßfehlbildung entspricht er-
worbenen Angiodysplasien, die bei älteren Perso-
nen im rechten Kolon gefunden werden. Abb. 5.103. Blutendes Aneurysma (Pfeil) einer Jejunalarterie.
∑ Typ-II-Läsionen sind arteriovenöse Malformatio- Sistieren der Blutung nach Embolisierung
nen, die wahrscheinlich angeboren sind und bei
jüngeren Menschen im Magen und proximalen
Verlaufen diese negativ ist das weitere diagnosti-
Dünndarm in Erscheinung treten.
sche Vorgehen problematisch, und die Suche nach
∑ Typ-III-Läsionen sind familiäre autosomal-domi-
einer Ursache für eine okkulte gastrointestinale Blu-
nant vererbte Gefäßfehlbildungen, wie z. B. die
tung bleibt weiterhin eine diagnostische Herausfor-
Teleangiectasia Osler-Weber-Rendu.
derung.
Mesenteriale Varizen entwickeln sich hauptsächlich
bei portaler Hypertension. 쐍 Speziell. Bei einer massiven, hämodynamisch
wirksamen Blutung ist neben der Endoskopie die
Klinische Symptomatik selektive bzw. superselektive Angiographie die Me-
Die Gefäßfehlbildungen sind nicht selten die Ursache thode der Wahl (Abb. 5.103). Für einen positiven
einer okkulten gastrointestinalen Blutung. angiographischen Befund ist mindestens eine Blu-
tungsrate von 0,5 ml/min erforderlich (Sos et al.
Radiologische Symptomatik 1978). Aber auch bei diesen Patienten kann häufig
keine Ursache gefunden werden. Vorteil gegenüber
쐍 Allgemein. Bei allen gastrointestinalen Blutungen anderen bildgebenden Verfahren ist die Möglichkeit,
wird die Gastroskopie bzw. Koloskopie als primäre dass in gleicher Sitzung interventionell therapeuti-
Methode zur Diagnostik eingesetzt. sche Maßnahmen durchgeführt werden können.
5.6 Andere Erkrankungen 259
Abb. 5.108 a, b. Ulzerierende Jejunitis. Patient mit bekannter b 3 Monate später hat sich eine langstreckige Darmstenose mit
Sprue unter Diät, der Bauchschmerzen und Durchfall ent- prästenotischer Dilatation entwickelt (Pfeile). Im weiteren Ver-
wickelte. a Die fraktionierte Passage zeigt erweiterte Jejunum- lauf kein Nachweis eines Lymphoms. (Mit freundlicher Geneh-
schlingen mit Faltenverlust, segmentalen Einengungen und migung Dr. C.I. Bartram, London)
Konturunregelmäßigkeiten durch ulzerierende Stenosen.
Abb. 5.109. Bakterielle Überbesiedelung bei ausgeprägter Abb. 5.110. Kurzdarm. Patientin nach Darmteilresektion we-
Dünndarmdivertikulose. Verdickte Falten und herabgesetzter gen akuter Mesenterialarterienembolie. Verblieben sind das
Wandbeschlag als Zeichen einer unspezifischen Enteritis. proximale Jejunum und das terminale Ileum sowie das Kolon.
Nichtpropulsive Pendelperistaltik mit segmentalen Kontrak- Postischämische, narbige Stenosen am distalen Dünndarm
tionen (sekundäre intestinale Pseudoobstruktion) (Pfeil) und am Colon transversum (Pfeilspitze)
Pathologisch-anatomische Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen und ätiologische Grundlagen
Ohne schwere Folgen können aus dem mittleren Die primäre Lymphangiektasie ist Teil einer kongeni-
Dünndarm maximal etwa 50% der Länge entfernt talen Malformation der Lymphgefäße mit Manifesta-
werden. Ein intaktes Duodenum mit mindestens tion zwischen Geburt und frühem Erwachsenenalter.
50 cm Jejunum und erhaltenem Kolon sind unab- Die sekundäre Lymphangiektasie wird verursacht
dingbar für ein Überleben ohne parenterale Ernäh- durch eine Blockade des Lymphabflusses in das
rung. Bei Resektion des Kolons müssen etwa 150 cm Mesenterium oder Retroperitoneum, z. B. bei ausge-
des Dünndarms erhalten bleiben. dehnter abdomineller oder retroperitonealer Karzi-
nomatose oder Lymphom, retroperitonealer Fibrose,
Klinische Symptomatik Tuberkulose, metastasierendem Karzinoid, dekom-
Bei ausgedehnten Resektionen tritt eine globale Mal- pensierter Herzinsuffizienz. Die Folgen bei beiden
absorption mit Durchfällen auf. Formen sind ein enteraler Eiweißverlust bzw. eine
gestörte Resorption.
Radiologische Symptomatik
Die Bariumuntersuchungen können die Länge des Klinische Symptomatik
Restdarms sowie ischämische oder narbige Stenosen Das intestinale Eiweißverlustsyndrom verursacht
feststellen (Abb. 5.110). eine Hypoalbuminämie, Ödeme, Infekte, Steatorrhö
und Malabsorption.
Abb. 5.111 a, b. Angeborene intestinale Lymphangiektasie. den Rückstau des Kontrastmittels in die stark erweiterten
26-jährige Patientin mit intestinalem Eiweißverlustsyndrom. Lymphgefäße des Darms aufgrund des mangelnden Abflusses
a Das Enteroklysma zeigt vor allem im Jejunum noduläre Ver- durch die hypoplastischen viszeralen und retroperitonealen
änderungen und Faltenverdickung durch dilatierte Lymph- Lymphbahnen. (Mit freundlicher Genehmigung Prof. W. Rödl,
gefäße. b Das Lymphogramm zeigt korrespondierend dazu Weiden)
5.6.6
Zollinger-Ellison-Syndrom
왔 Beim Zollinger-Ellison-Syndrom (ZES)
Definition
handelt es sich um gastrinproduzie-
rende Tumoren (Gastrinome).
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Gastrinome liegen meist im Pankreas oder Duode-
num. Mehr als 50% der Tumoren sind maligne und
haben bei der Diagnosestellung bereits metastasiert.
Sie können im Rahmen des Multiplen-endokrinen-
Neoplasie- (MEN-) Syndroms Typ I auftreten. Die
Gastrinome verursachen eine Überproduktion von
Magensäure. Abb. 5.112. Zollinger-Ellison-Syndrom mit ausgeprägter ero-
siver Gastritis (Pfeil)
Klinische Symptomatik
Das häufigste klinische Symptom sind multiple
therapierefraktäre peptische Ulzera, die bevorzugt Radiologische Symptomatik
im Duodenum, aber auch weiter distal liegen können. Im Magen findet man eine ausgeprägte erosive Gas-
Wässrige Durchfälle, die zur Malabsorption führen, tritis (Abb. 5.112), im Duodenum ödematös verdick-
sind ebenfalls häufig. te Falten mt Erosionen. Die Veränderungen können
sich in das proximale Jejunum fortsetzen und dort
unspezifische Ulzera und Stenosen verursachen
5.6 Andere Erkrankungen 265
Abb. 5.114 a, b. Irritables Darmsyndrom. a Hyperperistaltik lumen ist aufgrund der raschen Passage relativ eng. b Persistie-
mit „intestinal hurry“ in der Bariumphase. Das Kolon ist ren der Hyperperistaltik mit ausreichendem Wandbeschlag in
nach 300 ml Barium innerhalb von 4 min bereits erreicht. Die der Methylzellulosephase
meisten Darmschlingen zeigen Kontraktionen. Das Darm-
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Im Gastrointestinaltrakt sind Ösophagus und Dünn-
Abb. 5.115. Intestinale Pseudoobstruktion. Typisches Peristal- darm am häufigsten befallen. Bei über 40% der
tikmuster in der Bariumphase mit lediglich einer Kontraktion Patienten finden sich Kollagenablagerungen in der
(Pfeil). Passagezeit deutlich verlängert. Das Barium im Kolon
(Pfeilspitze) stammt von einer Magenuntersuchung 6 Tage Gefäßwand und Darmwand. Dadurch kommt es zu
zuvor. Patient mit Subileusbeschwerden und chronischer Ein- einer chronischen Ischämie mit Atrophie der Musku-
nahme von starken Schmerzmitteln und Spasmolytika latur und Nerven, was dem Raynaud-Syndrom an der
Haut entspricht.
Andere Erkankungen aus dem Formenkreis der
Klinische Symptomatik Kollagenosen sind die Periarteritiis nodosa, der sys-
Die klinischen Symptome sind so genannte Subileus- temische Lupus erythematodes und die Dermato-
beschwerden mit aufgetriebenem Leib und plät- myositis. Bei diesen Krankheitsbildern stehen vasku-
schernder Peristaltik. Die Patienten zeigen keine läre Veränderungen im Vordergrund.
Zeichen einer Peritonitis mit Abwehrspannungen,
Fieber, Tachykardie und Leukozytose. Eine Unter- Klinische Symptomatik
scheidung von einer mechanischen Obstruktion ist Bei einer Beteiligung des Dünndarms können so ge-
klinisch und auf Abdomenübersichtsaufnahmen oft nannte Subileussymptome mit Meteorismus und un-
nicht möglich. Um unnötige Operationen zu vermei- klaren Abdominalbeschwerden auftreten. Selten sind
den, ist es wichtig, die Entität der IPO und ihre Ursa- Ulzerationen und Blutungen durch eine Vaskulitis.
chen zu kennen. Eine Malabsorption ist selten und kann durch einen
bakteriellen Überwuchs entstehen.
Radiologische Symptomatik
Zum Ausschluss einer mechanischen Obstruktion Radiologische Symptomatik
sollte ein Enteroklysma durchgeführt werden. Um ei- Das Duodenum und das proximale Jejunum sind
ne Pseudoobstruktion von einer länger anhaltenden häuptsächlich befallen (Olmsted u. Madwell 1976).
mechanischen Obstruktion zu unterscheiden, ist Als typische Veränderungen findet man breitbasige
die initiale Bariumphase wichtig. Nach der Gabe von Aussackungen an der antimesenterialen Darmseite
300 ml Barium und einer Flussrate von 75 ml/min und das „Hide-bound-Zeichen“ (Horowitz u. Meyers
sind lediglich einige proximale Jejunumschlingen ge- 1973). Dieses Zeichen besteht aus eng aneinander
füllt. Sie sind mehr oder weniger dilatiert und zeigen liegenden, zieharmonikaartigen Kerckring-Falten
nur wenige oder keine Kontraktionen. Häufig kommt in einem dilatierten Darmsegment (Abb. 5.116 a, b).
es zu einem unvermeidbaren Reflux in den Magen, Der Darm ist hypomotil.
der als diagnostisches Zeichen gewertet werden kann
(Abb. 5.115, vgl. Abb. 5.3, Abb. 5.40 a, b). In der Me- Amyloidose
thylzellulosephase kann dann die Einlaufgeschwin- Pathologisch-anatomische
digkeit reduziert werden. Unter intermittierender und ätiologische Grundlagen
Durchleuchtung wird die weitere Passage verfolgt, Sowohl bei der primären als auch bei der sekundären
um strukturelle Veränderungen auszuschließen. Die Form der Amyloidose können extrazelluläre Amylo-
mittlere Passagezeit beträgt etwa 45 min im Vergleich idablagerungen lokal oder diffus in allen Wand-
zu 10 min bei Normalpersonen (Antes 1998). Da schichten und den Gefäßen des gesamten Verdau-
keine entzündlichen Darmveränderungen vorliegen, ungstrakts vorkommen.
sind die Falten normal, und der Schleimhautbeschlag
bleibt lange erhalten.
5.6 Andere Erkrankungen 269
Abb. 5.116 a, b. Sklerodermie (PSS). a Verlängerte Passagezeit, b In der Detailaufnahme weitmundige Aussackung (echte
Hypoperistaltik und starre Schlingen mit segmentaler Dilata- Divertikel; Pfeile)
tion und Faltenraffung („Hide bound-Zeichen“, Pfeilspitze).
Abb. 5.117 a, b. Primäre Amyloidose. a Nichtpropulsive Hyper- die Gefäße betreffen und dadurch zu einer chronischen Ischä-
bzw. Pendelperistaltik, erkennbar an den segmental kontra- mie mit Störung der intramuralen Innervation führen. Der
hierten und dilatierten Darmabschnitten. Die Falten sind Patient präsentierte sich mit chronischem intestinalen Blut-
knotig verformt und verdickt. Die Passagezeigt ist verlängert. verlust. b Die Sonographie zeigt die erheblichen kokardenför-
Ursache sind die intramuralen Amyloidablagerungen, die auch migen Wandverdickungen
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zur Diagnostik schwerer Darmblutungen unklaren Ur- Wittich G, Salomonowitz T, Szepesi T, Czembirek H, Frühwald
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Erkrankungen des Dickdarms 6
M. Persigehl, St. Feuerbach
Neurologische Erkrankungen
Morbus Parkinson
Multiple Sklerose
Dystrophia myotonica
Rückenmarkverletzungen
Psychiatrische Erkrankungen
Ernste Depressionen
Schizophrene Reaktionen
Neurosen
Medikamenteneinnahme
Psychopharmaka
Laxanzienabusus
Ganglienblocker
Stoffwechselstörungen
Hypothyreose
Hypoparathyreoidismus
Porphyrie
Bleivergiftung
Urämie
Hypokaliämie
Systemerkrankungen
Sklerodermie
Lupus erythematodes Abb. 6.1. Megakolon. Massive Dilatation von Rektum, Sigma
Amyloidose und Teilen des Colon descendens mit Zeichen der Koprostase
Raynaud-Erkrankung
Osteogenesis imperfecta
Druckempfindlichkeit des Abdomens und Entzün- Sind einzelne Darmabschnitte besonders lang, ist die
dungsparameter vor. Gefahr für die Entstehung eines Volvolus sehr groß.
In der bildgebenden Diagnostik kommt der Abdo- Die Klinik ist geprägt von lange bestehender Ob-
menübersichtsaufnahme die entscheidende Bedeu- stipation, Meteorismus, Völlegefühl und uncharakte-
tung zu (Abb. 6.2). Der luftgefüllte betroffene Darm- ristischen Bauchbeschwerden.
abschnitt ist deutlich dilatiert, als Kriterium gilt eine Radiologisch fällt gelegentlich in der Übersichts-
Dilatation des Darmlumens auf >5 cm. Die Haustrie- aufnahme ein zu langer, luftgefüllter Dickdarm auf.
rung im betroffenen Segment fehlt, in den nichtbefal- Beim Kontrasteinlauf kann vor allem bei unerfahre-
lenden Abschnitten ist sie verdickt. Unter Umständen nen Untersuchern die Topographie des Dickdarms
kommt es über tiefe Ulzerationen zu Gasaustritt in Probleme bereiten, insbesondere wenn sich das ver-
die Darmwand mit dem Bild einer Pneumatose. Eine längerte Sigma bis zur linken oder rechten Flexur er-
Kontrastmitteluntersuchung mit Bariumsulfat ist streckt (Abb. 6.3).
kontraindiziert.
Die Differenzialdiagnose aller Formen des Mega-
kolons ist eine mechanische Obstruktion oder ein 6.1.2
paralytischer Ileus. Lageanomalien
Situs inversus
Der totale Situs inversus ist selten. In diesem Fall sind
sowohl alle thorakalen wie auch die abdominellen
Organe seitenverkehrt angelegt. Der partielle Situs
inversus betrifft entweder nur die thorakalen oder
Abb. 6.3. Sigma elongatum. Vermehrte Schleifenbildung des die abdominellen Organe.
Sigmas. Das Sigma reicht bis zur linken Flexur
6.1 Fehlbildungen, Form- und Lageanomalien, Hernien 277
Fehllagen der linken Flexur gung. Daraus resultiert das klinische Bild eine akuten
Die linke Flexur ist besonders mobil, wenn eine feh- Abdomens. Das Sigma ist am häufigsten betroffen,
lerhafte Fixation der Flexura lienalis und ein fehlen- das Zökum ist die zweithäufigste Lokalisation.
des oder sehr lockeres Lig. phrenicocolicum vorlie-
gen. An eine zusätzliche linksseitige renale Agenesie Die auf Wilms (1906) zurückzuführende Einteilung
oder Ektopie sollte gedacht werden. in 2 Gruppen ist weiterhin gültig, wenngleich meist
Primär entstehen keine klinischen Symptome. beide Typen mehr oder minder kombiniert auftre-
Aufgrund der Mobilität ist die Gefahr eines Volvolus ten, sodass oft eine exakte Trennung nicht möglich
der linken Flexur gegeben. Durch die vermehrte Be- ist. Durch die Torsion kann das Darmlumen teilweise
weglichkeit auch der Milz kann es zu einer Torsion oder ganz verschlossen und die Blutzirkulation
des Milzhilus mit Strangulation der hier verlaufen- durch Strangulation in verschieden starkem Maße
den Gefäße kommen. beeinträchtigt werden. Bei kompletter Unterbre-
Beim Kontrasteinlauf kann die Aufnahme in chung der Durchblutung kommt es zur Gangrän des
Rechts- und Linksseitenlage bei horizontalem Strah- betroffenen Darmabschnitts. Fast immer resultiert
lengang die vermehrte Beweglichkeit der linken Fle- eine ernste klinische Symptomatik in Form eines
xur darstellen. akuten Abdomens. Eine spontane Rückbildung der
Drehung ist ungewöhnlich.Allerdings gelingt es gele-
Fehllagen des Colon descendens gentlich bei Sigmavolvulus mit Bauch- und Kopftief-
Fixationsstörungen des Colon descendens und ent- lage des Patienten durch einen Kontrasteinlauf oder
sprechende Fehllagen sind selten und weder klinisch durch eine Koloskopie den Volvulus zu beseitigen.
noch radiologisch von Bedeutung. In einigen Fällen Als wichtigste Ursache gilt eine sehr lange Sig-
bleibt ein Mesocolon descendens bestehen, sodass maschlinge und ein langes Mesenterium, das an
dieser Darmabschnitt sich nach medial verlagern seiner parietalen Seite schmal ist. Dadurch kommen
kann und Dünndarmanteile lateral des Dickdarms in die beiden Enden der Schlinge sehr dicht nebenein-
der parakolischen Rinne zu liegen kommen. Entste- ander zu liegen, und eine Rotation um diese Basis ist
hen Lücken im persistierenden Mesokolon, so kön- leicht möglich. Ist die Kolonschlinge dagegen unge-
nen diese Ursache für innere Hernien darstellen. fähr so lang wie das Mesenterium, kann kein Volvu-
lus entstehen. Ist sie jedoch viel länger, so ist der
Fehllagen des Sigmas Dickdarm zu einer Drehung um die mesokolische
Fixationsanomalien des Sigmas sind häufig, oft kom- Achse prädisponiert. Förderlich für eine Entstehung
biniert mit einem abnorm langen Kolonsegment (Do- sind eine Hypermotilität eines Darmabschnitts und
lichosigma). Meist liegt ein langes Mesosigma vor, eine Überdehnung des Darms durch Luft oder Kot
dessen Fixation an unterschiedlichen Stellen erfolgen bei chronischer Obstipation, sowie die Ausbildung
kann. Das Sigma kann weitgehend rechts liegen oder von Strängen und Adhäsionen nach Bauchopera-
auch links, unter Umständen mit einer Fixierung in tionen.
Höhe der linken Flexur. Seltener sind retrokolische Entsprechend der anatomischen Unterteilung des
Lagen hinter dem Colon transversum oder dem Colon Dickdarms werden die Drehungen eingeteilt in:
ascendens bei unzureichender Fixation dieser Darm-
∑ Volvulus des Zökums,
abschnitte. Ist das Mesosigma besonders lang und
∑ Volvulus des Colon transversum,
liegen die Fixationspunkte dicht beieinander, besteht
∑ Volvulus der linken Flexur und
die Gefahr der Ausbildung eines Sigmavolvulus.
∑ Volvulus des Sigmas.
Klinisch dominieren uncharakteristische Bauch-
beschwerden mit Obstipation und Völlegefühl. Die Inzidenz eines Volvulus schwankt je nach Litera-
Radiologisch lässt sich im Mittelbauch meist ein tur. So sind nach Ballantyne (1988) das Sigma mit
vermehrt geschlängeltes Sigma darstellen, das bis etwa 50–74%, das Zökum mit 15–40%, das Colon
zum Querkolon oder zur rechten bzw. linken Flexur transversum mit 4–10% und die linke Flexur mit 1–
reichen kann, um dann an typischer Stelle im linken 5% betroffen. Selten kann zusätzlich auch noch eine
Unterbauch in das Colon descendens überzugehen. Umschlingung von Dünndarmanteilen, vor allem um
das Sigma, vorliegen.
6.1.3 Zökumvolvulus
Volvulus Das Zökum ist die zweithäufigste Lokalisation eines
왔 Ein Volvulus ist eine Drehung eines Dickdarmvolvulus. Neben den bereits erwähnten
Definition
Darmabschnitts um die mesenteriale Fixationsstörungen mit langem Mesenterium kann
oder die intestinale Achse. Die Torsion bedingt eine eine weiter distal gelegene Obstruktion Auslöser
Obstruktion des Darmlumens und der Blutversor- eines Zökumvolvulus sein, der im Extremfall das
280 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
6.1.4
Invagination (Intussuszeption)
왔 Eine Invagination ist eine Einstülpung
Definition
eines Darmsegments in den sich abo-
ral anschließenden Darmabschnitt. Sie ist die häufig-
ste Ursache einer intestinalen Obstruktion im Kin-
Abb. 6.9. Sigmavolvolus. Im Nativbild massive Dilatation des
Sigmas mit der typischen länglichen, zentralen Verdichtung, desalter. Im Erwachsenenalter sind 50% benigne und
auch als Bohnenphänomen bezeichnet maligne Tumoren die Ursache. Die Diagnose ge-
schieht mittels CT oder Ultraschall.
Hernia obturatoria
Diese seltene Hernienform tritt gehäuft bei älteren
Frauen auf, wenn das Beckenperitoneum erschlafft
und der intraabdominelle Druck erhöht ist.
Durch Druck auf den N. obturatorius können
Schmerzen sowie Parästhesien auf der Innenseite des
Oberschenkels auftreten.
In der CT oder MRT können 3 unterschiedlich
lokalisierte Typen unterschieden werden:
∑ zwischen M. pectineus und M. obturatorius exter-
Abb. 6.13. Riesige Bauchwandhernie mit Dünn- und Dick-
nus, darm sowie mesenterialem Fettgewebe im Bruchsack
∑ zwischen oberem und medialem Bündel des
M. obturatorius externus,
Sie treten in einer Inzidenz von 1:3000–6000 Ge-
∑ zwischen den Mm. obturatorius internus und ex-
burten auf.
ternus.
Nabelhernie
Hernia ischiadica Außer bei Kleinkindern kommt diese Bruchform ge-
Der Bruch liegt im Foramen ischiadicum und ist sehr häuft bei adipösen Patienten, insbesondere Frauen vor.
selten. Er verursacht Ischias- und Bauchschmerzen. Intraabdominelle Druckerhöhungen, z. B. bei Aszites
Am besten ist diese Form mit der Peritoneogra- oder mehrfachen Schwangerschaften, sind förderlich.
phie darstellbar. Dabei sind Aufnahmen im seitlichen Klinisch ist diese Hernie meist gut tastbar.
Strahlengang und mit Pressen sinnvoll, um eine En- Radiologisch ist bei der Abdomenaufnahme, am
terozele mit möglichem rektogenitalem Block zu er- besten im seitlichen oder horizontalen Strahlengang,
fassen. die luftgefüllte Darmschlinge an typischer Stelle
nachweisbar. Ebenso können CT oder MRT den Nach-
Hernia praevesicalis weis der hernierten Schlinge erbringen. Bei adipösen
Hernien mit Darminhalt in dem Raum zwischen hin- Patienten und fehlender klinischer Symptomatik
terem Unterrand von Symphyse und Blase, medial wird diese Diagnose manchmal durch die Schnittbild-
der lateralen Umbilikalfalte, sind extrem selten. verfahren als Zufallsbefund erhoben (Abb. 6.13).
6.1 Fehlbildungen, Form- und Lageanomalien, Hernien 285
dens duodeni und des Mesocolon transversum kön- Albillos GJ, Tejedor D, Calero R, Rasero M, de al Calle U, Lopez-
nen Ventralverlagerungen des Querkolons bei tumo- pacheco U (1999) Intussusception in children: current con-
cepts in diagnosis and enema reduction. Radiographics 19:
rösen Duodenalprozessen entstehen. 299–320
Über das Lig. gastrocolicum können sich Magen- Andersson A, Bergdahl L, van der Linden W (1975) Volvolus of
tumoren nach kaudal ausbreiten und eine Verdrän- the cecum. Ann Surg 181: 876–880
gung des Colon transversum nach kaudal bedingen. Anuras S, Baker CRF (1986) The colon in the pseudoobstruc-
tive syndrome. Clin Gastroenterol 15: 745–762
Auch tumoröse Prozesse, die vom Pankreas ausge- Arnold GJ, Nance FC (1973) Volvulus of the sigmoid colon.Ann
hen, können über das Mesocolon transversum den Surg 177: 523–537
Dickdarm zwischen der Taenia mesocolica und der Ballantyne GH (1988) Volvolus of the colon – incidence and
Taenia libera erreichen und den Querdarm verlagern mortality. Am Surg 202: 83–92
Balthazar EJ (1977 a) Congenital positional anomalies of the
oder infiltrieren. colon: radiographic diagnosis and clinical implications . I:
Bei der Pankreatitis können erhebliche Verlagerun- Abnormalities of rotation. Gastrointest Radiol 2: 41–47
gen und Beeinflussungen des Dickdarms hervorgeru- Balthazar EJ (1977 b) Congenital positional anomalies of the
colon: radiographic diagnosis and clinical implications. II:
fen werden. Der Befund am Dickdarm hängt ab vom Abnormalities of fixation. Gastrointest Radiol 2: 49–56
Ausgangsort der Pankreatitis, dem Ausbreitungsweg Bar-Ziv J, Solomon A (1991) Computed tomography in adult
der Exsudationen und der Entstehung von Pseudozys- intussusception. Gastrointestinal Radiol 16: 264–226
ten. Neben der Verdrängung und Verlagerung einzel- Beyer D, Friedmann G, Müller J (1981) Duplication of the
colon: report of two cases and review of the literature. Gas-
ner Dickdarmabschnitte können von außen auch Ent- trointest Radiol 6: 151–156
zündungen die Darmwand treffen. Die Ausbreitungs- Bill AH (1979) Malrotation of the intestine. In: Revitch MM et
wege der Pankreatitis und der Nekrosestraßen in die al. (eds) Pediatric surgery, vol II, 2nd edm. Yearbook Med-
verschiedenen abdominellen Räume sind am besten ical, Chicago
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mit den Schnittbildverfahren darstellbar. moid volvulus. Abdom Imaging 21: 314–317
Eine Splenomegalie ruft eine Verlagerung der lin- Cubillo E (1983) Obturator hernia diagnosed by computer to-
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der Nieren, insbesondere große Zysten oder Zysten- da Silveira GM (1976) Chagas’ disease of the colon. Br J Surg 63:
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nieren, bedingen rechts eine Verlagerung des Colon Fagelman D, Caridi JG (1984) CT diagnosis of hernia of Mor-
ascendens medial- und ventralwärts. Auf der linken gagni. Gastrointest Radiol 9: 153–155
Seite wird das Colon transversum nach kaudal und Frank AJ, Goffner LB, Fruauf AA, Losada RA (1993) Cecal
ventral verlagert und die linke Flexur nach lateral volvulus: the CT whirl sign. Abdom Imaging 18: 288–289
Gaa J, Deininger HK (1989) Computertomographische Diag-
und ventral. nose einer ileokolischen Invagination im Erwachsenenal-
Im kleinen Becken wird bei vergrößertem Uterus, ter. Radiologe 29: 383–385
z. B. durch Uterus myomatosus, der rektosigmoidale Gayer G, Apter S, Hofmann C, Nass S et al. (1998) Intussuscep-
Bereich von ventral her imprimiert. Je nach Größe tion in adults: CT diagnosis. Clin Radiol 53: 53–57
Gelen T, Aktan S, Kesici A, Brcan O, Luleci E (1997) Acute
und Seite wird bei Raumforderungen der Adnexen colonic obstruction caused by intussusception and extru-
eine Verlagerung und Impression des Sigmas sion of a sigmoid lipoma through the anus after barium en-
und/oder des Zökumpols resultieren. Die vergrößer- ema. Abdom Imaging 22: 389–391
te Prostata verursacht eine ventrale Impression des Henisz A, Matesanz J, Westcott L (1974) Cecal herniation
through the foramen of Winslow. Radiology 112: 575–578
Rektums, während eine Überlaufblase den rektosig- Hunter TB, Torkin ILD (1979) Complete duplication of the
moidalen Übergang von ventral her komprimiert colon in association with urethral duplication. Abdom
und das Sigma nach kranial hin verlagert. Imaging 4: 93–95
Hwang JC, Ha HK, Yoon KH et al. (1999) Colonic wall thicken-
Extreme Verlagerungen von Dickdarmabschnitten ing in cirrhotic patients: CT features and its clinical signif-
oder Pelottierungen sind bei retroperitonealen Meta- icance. Abdom Imaging 24: 125–128
stasen und Tumoren oder intra- bzw. retroperitonea- Iko BO, Teal JS, Siram SM et al. (1984) Computed tomography
len Blutungen, Raumforderungen im Mesenterium of adult colonic intussusception: clinical and experimental
studies. AJR Am J Roentgenol 143: 769–772
sowie Abszessbildungen zu erwarten. Auch große Karahan OI, Dodd GD, Chintapilli KN, Rhim H, Chopra S
Aszitesmengen können erhebliche Verlagerungen (2000) Gastrointestinal wall thickening in patients with cir-
des Dickdarms bedingen. Dabei entspricht je nach rhosis: frequency and patterns at contrast-enhanced CT.
Lokalisation der Erkrankung die Richtung der Verla- Radiology 215: 103–107
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gerung in etwa den Angaben über die Verdrängung (Hirschsprung’s disease). Radiology 63: 157
bei den oben erwähnten Organerkrankungen. Kidd R, Freeny PC (1982) Radiographic manifestations of ex-
trinsic processes involving the bowel. Gastrointest Radiol 7:
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Imaging 22: 393–394 malignancies along the greater omentum. Gastrointestinal
Radiol 10: 283–288
6.2 Traumatische Veränderungen 287
Der Ultraschall kann die freie Flüssigkeit bei intra- größeren Blutansammlungen kann der Darm verla-
oder retroperitonealer Blutung und unter Umstän- gert sein.
den die Wandverdickung bei intramuralem Häma- Im Ultraschall und in der CT sind intraabdominel-
tom zeigen. Diese beiden Veränderungen zeigt auch le Flüssigkeitsansammlungen gut darstellbar. Die
die CT. Austritte von Luft sind mit der CT besser zu fassen.
a b
6.2 Traumatische Veränderungen 289
6.2.3
Iatrogene Läsionen des Dickdarms
ist mit bis zu 0,006% aller Koloskopien zu vernach- Operationsmethoden wie Anastomosentyp, Ausdeh-
lässigen (Jechart 2004). nung der Resektion und den Zeitraum seit der Ope-
Todesfälle im Zusammenhang mit Koloskopien ration. Der zeitliche Abstand zur Operation ist wich-
sind am häufigsten durch kardiopulmonale Kompli- tig, da je nach Zeitintervall unterschiedliche operativ
kationen bedingt. bedingte Komplikationen zu erwarten sind.
Bei Perforationen nach intraperitoneal kann mit In der postoperativen Phase bis zur 4. Woche nach
Abdomenübersichtsaufnahmen freie Luft nachgewie- der Operation sind durch Nahtinsuffizienz bedingte
sen und die Größe der Perforation aufgrund der Luft- Leckagen möglich, die unmittelbar am Ort der Insuf-
menge abgeschätzt werden (Abb. 6.16). fizienz eine Phlegmone oder Abszesse hervorrufen
können. Solche Abszesse können sich aber auch in
Verletzungen bei diagnostischen abgelegenen Regionen des Abdomens, z. B. subphre-
und interventionellen radiologischen Verfahren nisch, subhepatisch, parakolisch oder im Douglas-
Klinik und Symptome bei Perforationen im Rahmen Raum befinden. Neben den Abszessen sind eine Peri-
eines Kolonkontrasteinlaufs sind mit den Verände- tonitis, Fistelbildungen zu Nachbarorganen, intra-
rungen bei der endoskopischen Perforation iden- und retroperitoneale Blutungen mit Verlagerung
tisch. und/oder Einengung von Organen oder Blutabgänge
Bei der angiographischen Darstellung der A. peranal möglich. Denkbar sind auch Verletzungen
mesenterica superior oder inferior können infolge von Nachbarorganen, wie Milz und Pankreas, oder
von Dissektionen oder durch Loslösen von arterios- Ligaturen und Durchtrennungen der Ureteren.
klerotischen Plaques periphere Embolien mit akuten Radiologisch kann ein postoperativer Abszess
Durchblutungsstörungen auftreten. Da ein gutes durch eine amorphe paraintestinale Höhlenbildung
Kollateralsystem der Darmgefäße vorliegt, bedingt mit Flüssigkeitsspiegel auffallen. Gegebenenfalls ist
nicht jede Embolie eine Darmischämie mit Nekrose freie Luft im Abdomen sichtbar, die allerdings bis zu
(s. mesenteriale Ischämie). einer Woche nach Operation nicht zwangsläufig als
Auch bei der therapeutischen Embolisation von pathologisch zu werten ist. Die Weitstellung von
Kolonblutungen ist bei falscher Platzierung des Dünn- oder Dickdarmschlingen ist in der 1. postope-
Embolisationsmaterials mit einer Darmischämie rativen Woche eine oft zu beobachtende Verände-
und/oder Nekrose zu rechnen. Verletzungen der rung, die als Darmhypo- oder -atonie aufzufassen ist.
Darmwand sind zudem möglich bei computertomo- Auch Spiegelbildungen sind in dieser Phase kein ver-
graphisch- oder ultraschallgezielten diagnostischen lässliches, pathologisches Zeichen. Sind sie allerdings
Punktionen, Abszessdrainagen, ggf. auch Nephrosto- kombiniert mit den klinischen Zeichen des akuten
mien oder Gallengangsdrainagen. Punktionen mit Abdomens, muss auch in dieser frühen Phase an eine
einer Chiba-Nadel <0,9 mm Durchmesser sind in der Peritonitis gedacht werden.
Regel ohne Gefahr einer Peritonitis durchführbar, Der Kontrasteinlauf, der nur mit wasserlöslichem
selbst wenn die Darmwand durchstochen wird. Eine Kontrastmittel durchgeführt werden darf, zielt dar-
Drainage, die durch den Dickdarm verläuft, verbietet auf ab, die Anastomose darzustellen und ein hier lo-
sich. Als Komplikation dieser therapeutischen oder kalisiertes Leck zu finden. Eine Füllung der übrigen
diagnostischen Maßnahmen sind die Peritonitis oder Dickdarmabschnitte ist in dieser Phase nicht nötig
eine Blutung zu nennen. Auch die Einbringung von (Abb. 6.17).
Metallstents in das Darmlumen bei Obturation, z. B. Im Ultraschall oder in der CT ist die parakolische
im Sigma, kann mit einem Einriss der Darmwand Flüssigkeitsansammlung bei Nahtinsuffizienz gut
und Peritonitis einhergehen. darstellbar. Anhand der Dichtewerte bzw. des Signal-
Klinisch resultieren bei fast allen mit diagnosti- verhaltens ergeben sich unter Umständen Anhalts-
schen und therapeutischen Eingriffen verursachten punkte zur Differenzierung eines Abszesses von ei-
Komplikationen die Zeichen eines akuten Abdo- ner Blutung.
mens.
Bei der Abdomenaufnahme wird entsprechend ei-
ne lokale oder generalisierte Weitstellung der Darm- Merke ! Es ist sinnvoll, im frühen postoperati-
ven Stadium immer das komplette
schlingen sichtbar, oder bei Perforation sind Hinwei- Abdomen mittels CT (oder MRT) zu untersuchen,
se auf freie intraperitoneale Luft vorhanden. um mögliche Abszesse an anderen Lokalisationen im
Abdomen nicht zu übersehen. Dabei ist gleichzeitig
Postoperative Läsionen auch auf Verletzungen der Nachbarorgane wie Milz
Voraussetzung für eine postoperative Beurteilung oder Pankreasschwanz zu achten. Ebenso sollte eine
des Dickdarms nach Kolonoperationen sind die Abflussbehinderung im Bereich der Ureteren ausge-
Kenntnis der zur chirurgischen Behandlung führen- schlossen werden.
den Grunderkrankung sowie Informationen über
6.2 Traumatische Veränderungen 291
Abb. 6.17. Postoperatives Paravasat. Zustand nach linksseiti- Abb. 6.18. Briden nach Magenoperation. Stenose durch Bri-
ger Hemikolektomie mit Nahtinsuffizienz und Kontrastmittel- den im Querkolon nach Magenoperation
austritt
Abb. 6.19. End-zu-End-Anastomose. Zustand nach Sigmare- Abb. 6.20. Zustand nach anteriorer Rektumresektion. Deutli-
sektion mit Einengung der Dickdarmanteile im Anastomosen- cher Kalibersprung im Anastomosenbereich, narbige Steno-
bereich durch Narbengewebe sierung
292 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
In der postoperativen Phase ab der 5. Woche nach zen, unter Umständen mit Ileussymptomatik resul-
Operation konzentriert sich die Suche nach operativ tieren. Die Verätzungskolitis führt zu heftigen abdo-
bedingten Komplikationen meist auf Veränderungen minellen Schmerzen mit Schleim- und Blutabgängen
in Form von Stenosen, Briden, Fisteln, Granulombil- und Entzündungszeichen.
dungen oder Blindsackentwicklungen (Abb. 6.18). Röntgenologische Verfahren spielen in der Dia-
Die narbigen Veränderungen rufen eine Passage- gnostik keine Rolle.
störung hervor, sodass das Bild eines chronischen,
inkompletten mechanischen Ileus resultiert. Entspre-
chend dem chronischen Ileusbild sind weitgestellte Literatur
Darmschlingen auf der Abdomenaufnahme erkenn-
bar. Abcarian H (1987) Rectal trauma. Gastroenterol Clin North
Am 16: 115–124
In dieser Phase ist der Kontrasteinlauf wieder in Baekelandt M, Vansteenberge R, van der Spek P, d’Haenens P,
Form eines Doppelkontrasteinlaufs durchzuführen. Rollier A, Stocks l (1990) Rectal stenosis following the use of
Dabei sollte zusätzlich auf eine Granulombildung im suppositories containing paracetamol and acetylsalicylid
Operationsbereich bzw. ein Rezidiv der zur Opera- acid. Gastrointest Radiol 15: 171–173
Barone JE, Sohn N, Nealon TF (1976) Perforation and foreign
tion führenden Grunderkrankung geachtet werden. bodies of the rectum: report of 28 cases. Ann Surg 184:
Bei narbigen Stenosen ist die Engstellung auch durch 601–604
artifizielle Hypotonie nicht zu beseitigen (Abb. 6.19, Bartram CI, Hall-Craigs MA (1987) Interventional colorectal
Abb. 6.20). endoscopic procedures: residual lesions on follow-up dou-
ble-contrast barium enema study. Radiology 162: 835–838
Baum S, Athanasoulis CA, Waltman AC (1975) Angiography in
the diagnosis and therapy of hemorrhage from the large
6.2.4 bowel. Radiologe 15: 427–433
Bestrahlungsfolgen Becker CD, Metha G, Schmidlin G, Terrier J (1998) Blunt ab-
dominal trauma in adults: role of CT in the diagnosis and
management of visceral injuries. Part 2. Gastrointestinal
Von den Verletzungen durch elektromagnetische tract and retroperitoneal organs. Eur Radiol 18: 772–780
Wellen sind am Dickdarm nur die Folgen durch eine Farah DA, Mills PR, Lee FD, McLay A, Russell RI (1985) Col-
Bestrahlungstherapie von Bedeutung. Sie sollen im lagenous colitis: possible response to sulfalazine and local
steroid therapy. Gastroenterology 88: 792–797
Rahmen der Strahlenkolitis besprochen werden (s. Goodman P, Raval B, Zimmerman G (1990) Perforation of
Abschn. 6.3.4). the colon due to endometriosis. Gastrointest Radiol 15:
346–348
Howell HS, Bartizal JF, Freeark RJ (1976) Blunt trauma involv-
ing colon and rectum. J Trauma 16: 624–632
6.2.5 Hyson EA, Burrell M, Toffler R (1977) Drug-induced gastroin-
Verätzungen testinal disease. Gastrointest Radiol 2: 183–212
Jechart G (2004) Allgemeines zur Untersuchung. In: Messmann
H (Hrsg) Lehratlas der Koloskopie. Thieme, Stuttgart New
Verätzungen am Dickdarm sind sehr selten. Sie kön- York, S 2–5
nen hervorgerufen werden durch Ingestion von Kim SK, Gerle RD, Rozanski R (1978) Cathartic colitis. AJR Am
Knopfbatterien, die erst im Dickdarm hängen blei- J Roentgenol 131: 1079–1081
ben, sich dort auflösen und durch Freisetzen der In- Kim Sk, Cho C, Levinsohn EM (1980) Caustic colitis due to de-
tergent enema. AJR Am J Roentgenol 134: 397–398
haltsstoffe zu einer lokalen Entzündung mit Nekrose Levine MS, Kelly MR, Laufer I et al. (1993) Gastrocolic fistulas:
führen. Verätzungen können ebenfalls durch Einläu- the increasing role of Aspirin. Radiology 187: 359–361
fe entstehen, die eine zu hoch dosierte Menge an De- Martins A, Sternberg SS, Attiyeh FF (1980) Radiation-induced
tergenzien oder Seife enthalten. Diese einlaufbeding- carcinoma of the rectum. Dis Colon Rect 23: 572–575
McCarron MM, Wood JE (1983) The cocaine body-packer syn-
ten Veränderungen sind vornehmlich am Rektum drome. JAMA 250: 1417–1419
und Sigma lokalisiert in Form einer so genannten Meyer JE (1981) Radiography of the distal colon and rectum
Verätzungskolitis, auch als Seifen- oder kaustische after irradiation of carcinoma of the cervix. AJR Am J
Kolitis bezeichnet. Roentgenol 136: 691–699
Neitlich JD, Burrell MT (1999) Drug-induced disorderes of the
Infolge der Korrosion sind bei der Verätzungskoli- colon. Abdom Imaging 24: 23–28
tis in der frühen Phase bis zum 4. Tag Zellnekrosen zu Novelline RA, Rhea JT, Bell T (1999) Helical CT of abdominal
erwarten, die eine heftige Entzündung hervorrufen. trauma. Radiol Clin North Am 37: 591–612
Zwischen dem 3. und 5. Tag bilden sich Ulzerationen, Persigehl M (1999) Traumafolgen an den Abdominalorganen.
In: Heuck FHW, Frik W, Scherz H-W (Hrsg) Radiologisches
die Mukosa löst sich ab. Danach heilt die Erkrankung Fachgutachten. Springer, Berlin Heidelberg New York
langsam ab, und es entwickeln sich z. T. ausgiebige, Tokyo, S 190–187
langstreckige Narben mit der Tendenz zu Strikturen. Puy-Montbrun T, Delechenault P, Ganansia R, Denis J (1990)
Bei Verätzungen durch Batterien können je nach Rectal stenosis due to Veganine suppositories. Gastrointest
Radiol 15: 169–170
Lokalisation der Freisetzung der darmwandschädi-
genden Substanz umschriebene abdominelle Schmer-
6.3 Entzündliche Veränderungen 293
Abb. 6.22. Mukosale Entzündung bei Colits ulcerosa und transmurale Entzündung bei Morbus Crohn. (Aus Feuerbach u. Schöl-
merich 2000 a)
Der Morbus Crohn befällt prinzipiell den gesamten wohnheiten findet sich aber auch in Ländern der ehe-
Intestinaltrakt, wobei vorrangig der distale Dünn- maligen Dritten Welt (beispielsweise in Südostasien
darm und/oder der Dickdarm betroffen sind oder in Südamerika) ein Anstieg der Erkrankungs-
(Abb. 6.21). Die Erkrankung ist durch ihren diskonti- häufig, ähnlich wie vor 30–40 Jahren in Europa.
nuierlichen Charakter gekennzeichnet, da häufig Grundsätzlich besteht ein erhöhtes Risiko für die
gleichzeitig weit voneinander entfernt liegende Ab- Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms.
schnitte des Intestinaltrakts befallen sind („skip le-
sions“ und „skip areas“).
6.3.1
왔 Die Colitis ulcerosa ist eine mukosale Colitis ulcerosa
Definition
Erkrankung, die vom Rektum ausge-
hend eine kontinuierliche Ausbreitung in retrograder Das Hauptsymptom der Colitis ulcerosa sind blutig
Richtung aufweist. Die Diagnostik ist eine Domäne schleimige Durchfälle, die nicht immer mit Schmer-
der Endoskopie. Zu Beginn der Erkrankung wird ei- zen verbunden sind (Tabelle 6.2). Fieber und Ge-
ne komplette obere und untere Endoskopie durchge- wichtsverlust treten ebenfalls häufig auf, die extrain-
führt und der Dünndarm mittels Enterosklysma oder testinalen Symptome sind denen bei Morbus Crohn
in klassischer Doppelkontrasttechnik dargestellt. Im vergleichbar (Abb. 6.23). 80% der Patienten weisen
weiteren Verlauf spielen bildgebende Verfahren keine lediglich eine Proktitis oder Proktosigmoiditis auf,
Rolle mehr. nur bei 20% sind ausgedehnte Dickdarmanteile oder
der gesamte Dickdarm befallen. Neuere Daten zei-
Die Colitis ulcerosa ist im Gegensatz zum transmura- gen, dass etwa bei der Hälfte der Patienten mit initia-
len Befallsmuster beim Morbus Crohn eine auf die ler Proktosigmoiditis im Verlauf eine Ausdehnung
Mukosa des Dickdarms beschränkte Erkrankung, die nach proximal erfolgt, umgekehrt kommt es offenbar
vom Rektum ausgehend eine kontinuierliche Aus- auch bei einigen Patienten mit ausgedehnter Colitis
breitung in das distale Kolon und selten in das ge- zu einer Regression (Tabelle 6.3). Veränderungen der
samte Kolon aufweist (vgl. Abb. 6.21, Abb. 6.22). Ausdehnung sind insbesondere dann zu erwarten,
wenn bisher nicht beobachtete Symptome neu auf-
Epidemiologie treten.
Die Prävalenz beider Erkrankungen liegt in Deutsch-
land bei etwa 40–50 pro 100.000 Einwohner, die Inzi- Bildgebende Verfahren bei Colitis ulcerosa
denz bei 4–6 Neuerkrankungen pro Jahr und 100.000 Bildgebende Verfahren spielen in der Primärdiag-
Einwohner, wobei sich keine gravierenden Unter- nostik der Colitis ulcerosa (CU) keine Rolle mehr, je-
schiede zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa denfalls nicht der Kolonkontrasteinlauf (KE) im
finden. Die Erkrankungsrate liegt bei Männern etwas Doppel- oder Monokontrast. Typische Befunde im
höher als bei Frauen. Beide Erkrankungen sind in Kolonkontrasteinlauf sind dornförmige Ausziehun-
Ländern mit „amerikanisch-europäischer Lebens- gen,„Spiculae“ als Ausdruck kleiner miliarer Abszes-
weise“ deutlich häufiger als in anderen Regionen der se der Lieberkühn-Krypten, in fortgeschritteren Sta-
Welt. Mit zunehmender Anpassung der Lebensge- dien tiefe Ulzera mit Unterminierung der Mukosa,
6.3 Entzündliche Veränderungen 295
Tabelle 6.2. Initialsymptome von CED. (Aus Feuerbach u. Schölmerich 2000 a, S. 327)
Tabelle 6.3. Verlauf (Ausdehung) der Colitis ulcerosa über 25 Jahre. (Aus Feuerbach u. Schölmerich 2000 a, S. 329)
Abb. 6.24. Patient, 58 Jahre, Colitis ulcerosa. Kontrasteinlauf: Abb. 6.25. Endstadium einer Colitis ulcerosa mit starrem Ko-
kontinuierliches Pflastersteinrelief vom Rektum bis in die Mit- lonrahmen („Bleirohr“) ohne Haustrierung; geschrumpftes,
te des Transversums, davor unauffälliger Dickdarm verkürztes Kolon
6.3.2
Morbus Crohn
Klinik
Führende Symptome des Morbus Crohn sind chroni-
sche Durchfälle mit und ohne Blutbeimengungen, ge-
legentlich Obstipation, periphere Fisteln und beson-
ders bei ileozökalem Befall rezidiverende Schmerzen,
vorwiegend im rechten Unterbauch (vgl. Tabelle 6.2).
Auch extraintestinale Symptome wie Oligoarthritis,
Spondylarthritis, Erythema nodosum, Pyoderma
gangraenosum, Uveitis, Iritis und subfebrile Tempe-
raturen können initiale Symptome sein und die Dia-
gnose erschweren. Entzündliche Schwellungen oder
narbige Strikturen führen zu Subileus oder Ileus.
Diagnostik
Anamnese und eingehende körperliche Untersu-
chung können die Diagnose einer CED häufig bereits
sehr wahrscheinlich machen.
Die entscheidende diagnostische Maßnahme ist
aber nach wie vor die Endoskopie, die bei Colitis ul-
cerosa immer und bei einer Beteiligung des Kolons
Abb. 6.26. Abdomenleeraufnahme bei Colitis ulcerosa und to- oder des terminalen Ileums auch bei Morbus Crohn
xischem Megakolon mit massiver Dilatation des Querkolons pathologische Befunde ergibt. Die bei der Endosko-
pie entnommenen Biopsien zeigen gelegentlich ein-
deutige typische Befunde, dies ist jedoch keineswegs
immer der Fall, und die Beurteilung desselben Präpa-
rates durch verschiedene Histopathologen unter-
Nachweis entzündlicher Veränderungen eine seg- scheidet sich häufig. Die Diagnose lässt sich in der
mentbasierte Sensitivität von 58,8% bei Colitis ul- Regel also nicht aufgrund der Histologie alleine stel-
cerosa. len, sondern bedarf der Zusammenschau von klini-
Typische Komplikationen wie das toxische Mega- schen Befunden, der makroskopischen Aspekte und
kolon sind in Kenntnis der Grunderkrankung mit ei- der Histologie.
ner Abdomenübersichtsaufnahme unproblematisch
zu diagnostizieren (Abb. 6.26). Die Kriterien hierfür Bildgebende Verfahren bei Morbus Crohn
sind eine Dilatation des Kolons auf >5,5 cm und zu- Radiologische Verfahren zur Darstellung des Dick-
sätzlich wenigstens 3 der Kriterien darms spielen beim Verdacht auf einen Morbus
Crohn zunächst keine Rolle, vielmehr wird der
∑ Fieber >38°,
Dünndarm mit einem bildgebenden Verfahren un-
∑ Herzfrequenz >120/min,
tersucht (Doppelkontrastuntersuchung nach Sellink,
∑ Leukozytose >10.500/ml und
alternativ MR-Enteroklysma), der Dickdarm wird
∑ Anämie
immer endoskopiert. Eine klassische, konventionelle
sowie wenigstens eines der folgenden Kriterien Dickdarmuntersuchung im Doppelkontrast kann al-
lenfalls sinnvoll sein, wenn endoskopisch unüber-
∑ Exsikkose,
windbare Stenosen vorliegen.
∑ Bewusstseinseinschränkung,
Vielerorts ist unverändert die Doppelkontrastdar-
∑ Elektrolytstörung oder
stellung des Dünndarms nach Sellink die Standard-
∑ Hypotension (Fazio 1980).
technik bei CED, hier können bei gleichzeitiger Mit-
Beim toxischen Megakolon wird eine Erweiterung füllung des Kolons häufig ausgeprägte, segmentale
des Kolonrahmens auf >6 cm mit einer Abdomen- Stenosen miterfasst werden (Abb. 6.27). Auch beim
übersichtsaufnahme diagnostiziert. Begünstigende Morbus Crohn ist die Methode des MR-Enteroklys-
Faktoren sind eine Hypokaliämie, Vorbehandlung mas trotz des transmuralen Charakters nur einge-
mit Opiaten zur Motilitätshemmung, eine Koloskopie schränkt auf einen befallenen Dickdarm übertragbar
oder ein Kolonkontrasteinlauf mit Luftinsufflation. (Schreyer et al. 2006).
6.3 Entzündliche Veränderungen 299
6.3.3
Pseudomembranöse Kolitis
왔 Die pseudomembranöse Kolitis ist ei-
Definition
ne entzündliche Erkrankung des Ko-
lons mit Infektion durch das Bakterium Clostridium
difficile. Ursächlich ist häufig eine Antibiotikathera-
pie mit Veränderungen des Spektrums der norma-
len Kolonflora. Bildgebende Verfahren spielen in der
Diagnostik allenfalls als Zufallsbefund eine Rolle.
Abb. 6.31. Pneumatosis intestinalis (Pfeil) und Luft in der V. portae (Pfeil) und der V. mesenterica superior (Pfeil) bei Nekrose
des Ileums unklarer Ätiologie
Die Abdomenübersichtsaufnahme, häufig bei un- Darm strikt auf das Bestrahlungsfeld begrenzt und
spezifischer Klinik initial eingesetzt, liefert keine für tritt typischerweise nach Bestrahlungen der gynäko-
die pseudomembranöse Kolitis spezifischen Sympto- logischen Organe, aber auch der Prostata, der Harn-
me. Im Vordergrund stehen Zeichen des Ileus und blase, der Lymphbahnen oder nach kombinierter Ra-
Meteorismus. In seltenen Fällen wird eine intramura- dio-Chemo-Therapie, z. B. bei Tumoren des Kolons,
le Luftansammlung (Abb. 6.30) oder Luft im Pfortad- insbesondere des Rektums auf. Entsprechend sind
ersystem (Abb. 6.31) beobachtet. die Schädigungen an Rektum und Sigma am häufig-
sten. Eine Dosis <40 Gy führt selten zu einer Strah-
lenkolitis. Bei Dosen >60 Gy ist mit einer Strahlenko-
6.3.4 litis zu rechnen.
Strahlenkolitis
6.3.5
Bakterielle Kolitis
b
Merke ! Die Bildgebung spielt somit für die
definitive Diagnose keine Rolle.
Abb. 6.32 a, b. a Folgezustand nach Bestrahlung eines Zervix-
karzinoms. Langstreckige, unregelmäßige Stenose des Rek-
tums nach vorangegangener Radiatio wegen eines Zervixkar- Abdomenübersichtsbilder bieten häufig das Bild einer
zinoms. Die Einengung ist von einem primären Rektumkarzi- Paralyse. Bei ausgeprägten Darmwandentzündungen
nom morphologisch nicht zu unterscheiden. b Narbe nach Be- zeigen Ultraschall oder CT eine Darmwandverdi-
strahlung eines Hodgkin-Lymphoms. Asymmetrische Stenose
mit glatten Konturen 10 Jahre nach einer Lymphknotenbe-
ckung, alle diese Befunde sind aber von unspezifi-
strahlung eines Morbus Hodgkin schem Charakter (Abb. 6.28, Abb. 6.29).
Typische Erreger bakterieller Kolitiden sind Shi-
gellen, Salmonellen, Staphylokokken,Yersinia entero-
Bei der radiogenen Kolitis lässt sich eine akute, suba- colitica, seltener Yersinia pseudotuberculosis, in 30–
kute und chronische Form unterscheiden: 40% aller Fälle Campylobacter, seltener Escherichia
coli mit Ausbildung einer hämorrhagischen Kolitis.
∑ Die akute Form tritt während der Bestrahlung
und bis zu 6 Wochen nach Therapieende ein
쐍 Shigellen, Salmonellen. Durch die gramnegativen
und verursacht meist nur reversible Veränderun-
Erreger aus der Enterobaktergruppe – Shigellen und
gen.
Salmonellen – können akute und chronische ent-
∑ Die subakute Form, die in der Zeit von etwa 6 Wo-
zündliche Darmerkrankungen hervorgerufen wer-
chen bis 6 Monate nach der Bestrahlung abläuft,
den. Bei der Shigellose ist der Hauptbefall im Rektum
bedingt reversible Veränderungen mit persistie-
mit abnehmender Tendenz zu den weiter kranial
renden Kolonschädigungen.
gelegenen Dickdarmabschnitten. Die Salmonellose
302 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
spart häufig das Rektum aus, es können das gesamte sind verdickt. Mittels Ultraschall, CT oder MRT sind
Kolon, aber auch nur größere Abschnitte befallen neben der verdickten Darmwand vergrößerte und
sein; meist ist das terminale Ileum mit betroffen. Die vermehrte regionale Lymphknoten nachweisbar.
Infektion mit beiden Erregern erfolgt in der Regel
über infizierte Lebensmittel. 쐍 Tuberkulöse Kolitis. Bei der tuberkulösen Kolitis
Die Klinik ist gekennzeichnet durch akute oder kann eine primäre Manifestation im Gastrointesti-
chronische Durchfälle, Krämpfe im Abdomen und naltrakt vorliegen oder ein sekundärer Befall bei
Schmerzen im Unterbauch, Brennen im Rektum, Fie- Lungentuberkulose. Lange Zeit stellte diese Erkran-
ber und blutige Stühle. kung in den zivilisierten Ländern eine Seltenheit dar.
In der Abdomenaufnahme findet sich eine Kolon- Durch die Zunahme des Tourismus, durch Gastarbei-
blähung mit multiplen Flüssigkeitsspiegeln oder das ter oder Asylanten ist die primäre Darmtuberkulose
Bild eines paralytischen Ileus. heute keine Seltenheit mehr. Typischer Manifesta-
Beim Kontrasteinlauf sind in den leichten Stadien tionsort ist die Ileozökalregion, es können aber auch
Spasmen, unregelmäßig grobnoduläre, ödematöse Fal- andere Dickdarmsegmente isoliert betroffen sein.
ten, Schleimhautödem und kleine Ulzerationen nach- Vom morphologischen Aspekt werden 3 Typen
weisbar. Mit zunehmendem Schweregrad werden die unterschieden:
Ulcera zahlreicher und größer und können sich bis in
∑ ulzerative Kolitis,
die Muscularis mucosae ausdehnen und den Aspekt
∑ hypertrophische Kolitis und
von Kragenknopfulzera annehmen. Die Darmwand
∑ ulzerativ-hypertrophische Kolitis.
nimmt an Dicke zu, dies imponiert insbesondere in der
CT und MRT. Mit diesen Methoden können auch klei- Am Dickdarm ist die hypertrophische Form am häu-
ne, parakolische Abszesse sowie alle weiteren Kompli- figsten.
kationen wie freie Perforation, Megakolon oder Entste- Die klinischen Symptome einer tuberkulösen Ko-
hung von Narbenstenosen nachgewiesen werden. litis sind unspezifisch und oft irreführend. Leichte
Derartige narbige Stenosen, die auch beim Kon- unspezifische Abdominalschmerzen, kombiniert mit
trasteinlauf zu finden sind, müssen differenzialdiag- den Zeichen einer subakuten oder chronischen Ent-
nostisch gegenüber Stenosen anderer Genese, insbe- zündung, sind meist vorhanden. Dazu können Fieber,
sondere hervorgerufen durch Tumoren, Divertikuli- Diarrhö, Gewichtsabnahme, Anämie und Erbrechen
tis, ischämische Kolitis, Strahlenkolitis, Colitis granu- treten.
lomatosa oder ulcerosa, abgegrenzt werden. In der Abdomenaufnahme kann eine Dilatation
des terminalen Ileums vorliegen. Unter Umständen
쐍 Staphylokokken. Durch Staphylokokken bedingte finden sich Spiegelbildungen und verkalkte mesent-
Kolitiden werden nur ausnahmsweise radiologisch eriale Lymphknoten.
abgeklärt. Diese durch Diarrhö, Übelkeit und/oder
Erbrechen gekennzeichnete Infektion läuft mit diffu- 쐍 Campylobakter. Campylobakter ist erst in jüngerer
sen oberflächlichen Schleimhautulzerationen ab, die Zeit als möglicher Erreger einer akuten bakteriellen
spontan abheilen und mittels Kontrasteinlauf gut Durchfallerkrankung erkannt worden. 30–40% aller
darstellbar sind. bakteriellen Kolitiden sind durch diesen Keim verur-
sacht. Diese Erkrankung kann in jedem Lebensalter
쐍 Yersinia enterocolitica, Yersinia pseudotuberculosis. In- auftreten, gehäuft bei Patienten mit geschwächtem
fektionen mit Yersinia enterocolitica oder seltener Yer- Immunsystem. Die Erkrankung befällt neben dem
sinia pseudotuberculosis treten am häufigsten im Säu- Kolon bevorzugt Jejunum und Ileum. Der Dickdarm
glings- und Kleinkindalter auf. Häufig ist das termina- kann segmental oder diffus befallen sein. Dabei ist
le Ileum alleine betroffen, es kann aber auch eine Mit- die Campylobakterkolitis klinisch, endoskopisch,
beteiligung des Kolons vorliegen. Die Infektion kann röntgenologisch und auch histologisch nicht leicht
sich allerdings auch auf den Dickdarm beschränken. von der Colitis ulcerosa zu unterscheiden.
Vielfach stehen Symptome, die an eine akute Ap- Nach einer 2- bis 7-tägigen Inkubationszeit, meist
pendizitis denken lassen, im Vordergrund. Die Pa- nach Aufnahme kontaminierter Lebensmittel, beginnt
tienten klagen über Fieber, akute oder chronische Di- die Erkrankung akut mit manchmal leichten, gelegent-
arrhö, blutigen Stuhl und gehäuft Schmerzen im lich auch schwereren blutigen Durchfällen. Dazu treten
rechten Unterbauch. mitunter krampfartige abdominelle Schmerzen auf.
Neben einem ausgeprägten Ödem der Submukosa Beim Kontrasteinlauf finden sich eine leicht öde-
mit kleinen nodulären Füllungsdefekten, die durch matöse Schleimhaut sowie verdickte Semilunarfalten.
eine lymphfollikuläre Hyperplasie verursacht wer- Kleine, z. T. aphthoide, diffus verteilte Ulzera erinnern
den, finden sich beim Kontrasteinlauf multiple klei- an die Ulzera beim Morbus Crohn. Die Schleimhaut
ne, aphthoide Ulzera. Kolonwand und Kolonfalten kann granulär erscheinen mit Spiculae der Darm-
6.3 Entzündliche Veränderungen 303
wand. Im terminalen Ileum kommt gehäuft eine lym- fallen werden. Die Symptomatik ist deshalb auch
phonoduläre Hyperplasie zur Darstellung, auch hier meist durch die anderen Organveränderungen be-
kommen kleinere Ulzera vor. herrscht, sodass die Pilzkolitis häufig erst bei einer
Mit Ultraschall oder den anderen Schnittbildver- Operation oder Obduktion entdeckt wird. In der Re-
fahren lässt sich die verdickte Darmwand im termi- gel bedingt der Pilzbefall eine intensive lokalisierte
nalen Ileum und Kolon darstellen. Entzündung am Darm. Die wichtigsten Infektionen
Differenzialdiagnostisch ist neben der Colitis ul- werden durch folgende Pilze verursacht: Histoplas-
cerosa und granulomatosa an die übrigen bakteriel- mose, Aktinomykose, Mukormukose, Candidiasis,
len Kolitiden, die pseudomembranöse Kolitis und die Aspergillose, Blastomykose.
Amöbiasis zu denken.
쐍 Eschericha coli. Die Kolikolitis (hämorrhagische Merke ! Bildgebende Verfahren spielen bei
Pilzinfektionen allenfalls unter dem
Kolitis) ist eine durch Escherichia coli hervorgerufe- Bild eines „unklaren Abdomens“ eine Rolle, sind
ne, meist durch infizierte Nahrungsmittel verursachte sonst bedeutungslos.
Kolitisform, die seit 1982 bekannt ist und 1989 durch
Shortsleeve und Mitarbeiter röntgenologisch be- Bei der Histoplasmose kann der ganze Dickdarm be-
schrieben wurde. In den USA ist diese Kolitis weitver- fallen sein. Die Patienten klagen über eher uncharak-
breitet. Durch ein von den Kolibakterien produziertes teristische abdominelle Beschwerden.
Zytotoxin kommt es zur Nekrose der Schleimhaut, vor Die Aktinomykose befällt vornehmlich Zökum
allem im Colon ascendens und transversum. und Appendix und seltener die übrigen Dickdarmab-
Die Patienten geben starke Bauchkrämpfe an so- schnitte. Es entstehen durch Penetration der Darm-
wie plötzlich einsetzende wässrige Stühle, die auch wand umschriebene lokalisierte Abszesse, die sich in
blutig werden können. Fieber und Leukozytose liegen die Umgebung und auf Nachbarorgane ausdehnen
oft vor. Röntgenologisch findet sich eine verdickte können.
Kolonwand sowie infolge des submukösen Ödems Nur selten ist der Dickdarm bei der Mukormukose
ein „thumb printing“. Zudem bestehen Spasmen. betroffen. Häufiger liegt ein Befall der Nasenneben-
Differenzialdiagnostisch müssen vor allem die höhlen oder des ZNS bzw. der Lungen vor. Bei Darm-
ischämische Kolitis sowie die Colitis ulcerosa und befall entstehen heftige, krampfartige, abdominelle
granulomatosa in Erwägung gezogen werden. Schmerzen. Die Darmwand ist ödematös geschwol-
len.
쐍 Syphiliskolitis. Im Zeitalter moderner Antibiotika Die Candidiasis befällt eher den oberen Gastroin-
ist die Syphiliskolitis in ihren schwereren Verlaufsfor- testinaltrakt bis zum Magen. Ein Dickdarmbefall
men sehr selten geworden. Die Syphilis des Dick- wird meist erst intraoperativ oder bei der Obduktion
darms ist dementsprechend extrem selten. In der Re- gesehen.
gel sind Rektum und Sigma betroffen, hier können Die Beteiligung des Dickdarms bei der Aspergillo-
Ulzerationen mit Granulomen vorliegen, die bei Ab- se ist eine Rarität und soll deshalb nicht weiter be-
heilung entweder zu starren, sanduhrförmigen, glat- sprochen werden.
ten Einengungen führen oder auch unregelmäßige Die Blastomykose ist vornehmlich in Brasilien an-
Lumpeneinengungen verursachen. zutreffen und befällt bevorzugt das rechte Kolon.
Entsprechend dem Krankheitsverlauf liegen im Diese Erkrankung zeigt große Ähnlichkeit mit der
florirden Stadium im Doppelkontrasteinlauf Ulzera- Amöbiasis. Gehäuft liegen begleitende Abszesse vor.
tionen vor, meist in Kombination mit umschriebenen
polypoiden, ins Lumen hineinragenden Granulo-
men, sodass die Differenzialdiagnose zu einem tu- 6.3.7
morösen Prozess schwer sein kann. In den späteren Virale Infektionen
Stadien finden sich die oben beschriebenen unter-
schiedlichen Stenoseformen. Nicht zuletzt durch die rasante Zunahme der Aids-
Erkrankungen steigen auch die viralen Infektionen
des Dickdarms ständig an.
6.3.6
Pilzinfektionen 쐍 Lymphogranuloma venerum. Das Lymphogranulo-
ma venerum ist in den Subtropen verbreitet, in Euro-
Der Pilzbefall des Dickdarms und eine daraus resul- pa kommt es eher selten vor. Die Infektion erfolgt
tierende Kolitis sind selten. In der Regel sind chro- meist durch homo- bzw. heterosexuellen Kontakt.
nisch Kranke und geschwächte Personen betroffen, Rektum und Sigma sind am häufigsten betroffen, hö-
wobei meist andere Organe des Körpers stärker be- her gelegene Darmabschnitte bis zum Colon trans-
304 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
쐍 Balantidienruhr. Die durch Balantidium coli be- Der Peitschenwurm Trichuris trichiura ist vor-
dingte Infektion kann vom Schwein auf den Men- nehmlich in feuchtwarmen tropischen Ländern mit
schen übergehen und klinisch und radiologisch schlechten hygienischen Verhältnissen anzutreffen
Symptome hervorrufen, wie sie bei der ulzerativen und hier als Krankheitserreger weit verbreitet. Die
Form der Amöbenruhr beschrieben wurden. Erkrankung befällt meist das Zökum, bei schwerer
Form auch das ganze Kolon. Die Infektion erfolgt
쐍 Trypanosomenkolitis (Chagas-Erkrankung). Diese Er- über Eier, die mit kontaminierten Speisen aufgenom-
krankung ist in Mittel- und Südamerika weit verbrei- men werden. Die Larven bohren sich in die Schleim-
tet und stellt hier ein großes gesundheitliches Pro- haut meist im Zökum ein und können hier mehrere
blem dar. Sie wird durch Protozoen vom Typ Trypan- Jahre überleben.
osoma cruzi verursacht, die durch Raubwanzen Bei leichterer Verlaufsform finden sich keine spe-
übertragen werden. Am häufigsten ist der rekto- sig- zifischen klinischen Symptome. In schwereren Fällen
moidale Bereich befallen, die übrigen Darmabschnit- treten Tenesmen, rechtsseitige Abdominalschmer-
te nur selten. Die Trypanosomen vermehren sich in zen, Diarrhöen mit blutig fingierten Stühlen sowie
Wirtszellen. Sie bilden ein Neurotoxin, das zur Des- Anämie und Gewichtsverlust auf. Es liegen nur weni-
truktion der Ganglienzellen und der autonomen ge Fallbeschreibungen der Trichurasis am Darm vor.
Plexus führt, wodurch eine Verminderung oder Auf- Die Schistosomiasis (Bilharziose) ist vor allem in
hebung der Peristaltik resultiert. Vor dem aganglio- Afrika, in Arabien, im nördlichen Südamerika, in
nären Segment bildet sich eine Weitstellung des Ostasien und in der Karibik verbreitet. Als Erreger
Darms bis zum Megakolon. finden sich Schistosoma mansoni, Schistosoma hae-
Die Klinik ist nicht auf den Darm beschränkt, matobium und Schistosoma japonicum. Der Dick-
sondern abhängig vom Organbefall und kann bei darm kann segmental oder diffus befallen sein, häu-
ZNS- und Herzbeteiligung tödlich verlaufen. Am fig mitbetroffen ist die Harnblase.
Darm dominieren die Zeichen der Obstipation. Klinisch stehen vor allem Fieber, Abdominal-
Spezifische Befunde für bildgebende Verfahren schmerz, blutig-schleimige Durchfälle, gelegentlich
existieren nicht. Bei Abdomenübersichtsbildern steht auch Obstipation sowie allgemeines Krankheitsge-
das Bild eines paralytischen Ileus im Vordergrund. fühl im Vordergrund.
Bei der Taeniakolitis handelt sich nicht um eine ei-
쐍 Weitere parasitäre Infektionen. Auch für die folgen- genständige Kolitis, sie wird nur aus systematischen
den, kurz erwähnten parasitären Erkrankungen be- Gründen hier eingereiht. Sowohl der Rinderband-
steht primär keine Indikation zum Einsatz bildge- wurm (Taenia saginata) als auch der Schweineband-
bender Verfahren. Diese werden vor allem im Hin- wurm (Taenia solium) haften im Dünndarm und
blick eines noch unklaren Abdomens eingesetzt. Alle können mit dem distalen Wurmanteil in das Kolon
Befunde sind unspezifisch und lassen keine definiti- hineinreichen. Die Beschwerden sind uncharakteris-
ve Diagnose zu. tisch, Diarrhöen eher selten. Die Diagnose erfolgt
Die durch Strongyloides stercoralis bedingte über Stuhluntersuchungen.
Wurminfektion, die vornehmlich in den Tropen, gele- Der Fischbandwurm (Diphyllobothrium latum)
gentlich auch in den USA anzutreffen ist, betrifft häu- wird durch Genuss von rohem oder ungenügend ge-
figer den Dünn- als den Dickdarm. Im Dickdarm ruft kochtem Süßwasserfisch in Europa und Nordameri-
sie eine schwere Kolitis hervor, die oft mit Sepsis, Hä- ka übertragen. Die Infektion des Kolons ist eher sel-
morrhagien und Tod einhergeht. ten, häufiger sind Ileum und Jejunum betroffen.
Klinisch stehen die Symptome an anderen Orga- Larven von Askariden werden mit rohem Fisch
nen wie Lunge, Haut und Leber im Vordergrund. Bei aufgenommen und können in die Wand des Verdau-
Dickdarmbefall können blutige Diarrhöen auftreten. ungstrakts wandern. Betroffen sind neben dem ter-
Der Befall des Dickdarms mit Ascaris lumbricoi- minalen Ileum Zökum und Colon ascendens. Es
des, auch Rind- und/oder Spulwurm genannt, ist sel- kommt zu kolikartigen, insbesondere rechtsseitigen
ten. Andere Abschnitte des Gastrointestinaltrakts, Unterbauchbeschwerden, Fieber und Eosinophilie.
insbesondere der Dünndarm, aber auch Magen und Differenzialdiagnostisch sind neben der Colitis
Gallengangsystem sind betroffen. Diese Wurmer- granulomatosa die Tuberkulose, die ischämische Ko-
krankung ist weltweit verbreitet und die häufigste litis, der Tumor sowie die Amöbiasis und die Schisto-
Parasitose des Menschen. Die Aufnahme von Wur- somiasis in Erwägung zu ziehen.
meiern erfolgt durch kontaminierte Speisen, insbe- Beim Morbus Behçet handelt es sich um eine chro-
sondere ungewaschene Salate. nische, rezidivierende, idiopathische Erkrankung un-
Die Klinik ist vom Ausmaß und Ort des Befalls ab- klarer Ätiologie. Eine Verwandtschaft mit dem Mor-
hängig, dabei fehlt eine spezielle Dickdarmsympto- bus Crohn wird angenommen. Sie ist primär charak-
matik. terisiert durch eine Trias aus rezidivierenden Ent-
306 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
zündungen im oralen (Aphthen), genitalen (Ulzera) Boudiaf M, Zidi SH, Soyer P et al. (1998) Tuberculous colitis
und okularen Bereich (Uveitis, Iridozyklitis). Dane- mimicking crohn’s disease: utility of computed tomogra-
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ben können noch andere Organsysteme betroffen Brodey, PA, Fertig S, Aron JM (1982) Campylobacter enterocol-
sein. In etwa 33% liegt ein Kolonbefall vor, der am itis: radiographic features. AJR Am J Roentgenol 139: 1190–
häufigsten rechtsseitig, aber auch diffus auftreten 1201
kann. Brunner D, Feifarek C, McNeely D, Hanex P (1984) CT of
pseudomembraneous colitis. Gastrointestinal Radiol 9: 73–75
Bei Kolonmanifestation klagen die Patienten über Cardoso JM, Kimura K, Stoopen M et al. (1977) Radiolgy of in-
Bauchschmerzen, wässrige Durchfälle sowie Ge- vasive amebiasis of the colon. AJR Am J Roentgenol 128:
wichtsverlust, Fieber und rektale Blutungen. Aus den 935–941
Ulzerationen entwickeln sich gelegentlich Perforatio- Carrera GF, Young S, Lewicki AM (1976) Intestinal tuberculo-
sis. Gastrointest Radiol 1: 147–155
nen mit der Gefahr einer Peritonitis. Auch Fisteln Chait A (1963) Schistosomiasis mansoni. AJR Am J Roentgenol
können sich ausbilden. 90: 688
Im Rahmen der eosinophilen Gastroenteritis, de- Cho KJ, Ting YM, Chuang VP (1976) Roentgenographic fea-
tures in antibiotic-associated pseudomembraneous colitis.
ren Ätiologie unbekannt ist, ist die Beteiligung des Aust Radiol 20: 38–41
Kolons extrem selten. Sie findet sich am häufigsten Dallemand S, Waxman M, Farman J (1983) Radiological mani-
im Zökum und Colon ascendens, die entweder seg- festations of strongyloides stercoralis. Gastrointest Radiol
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Fortschr Röntgenstr 172: 153–160
6.4 Gefäßerkrankungen des Kolons 309
Bildgebende Verfahren
6.4
In der Diagnostik der akuten unteren gastrointesti-
Gefäßerkrankungen des Kolons
nalen Blutung ist gemäß Metaanalysen angiogra-
phisch in allenfalls 50% eine korrekte Diagnose mög-
6.4.1
lich (Zuckermann u. Prakash 1998). Wenn angiogra-
Akute und chronische untere gastrointestinale
phisch ein Blutungsnachweis gelingt (Abb. 6.33), ist
Blutung im Kolon
gleichzeitig eine Embolisation der Blutung möglich
(Abb. 6.34).
왔
Als Hämatozechie bezeichnet man
Definition
den Abgang frischen Blutes, als Meläna
den Abgang von Teerstühlen. Bei der Hämatochezie Merke ! Die Kombination einer Aortographie
oder selektiven Mesenterikographie
liegt die Blutungsquelle zumeist im Kolon, bei der Me- mit der CT ist sinnvoll, wenn endoskopisch und mit
läna hingegen weiter oben. Diagnostisch steht bei bei- klassischer Angiographie keine Nachweis einer Blu-
den Ereignissen eine komplette Endoskopie des oberen tung oder Blutungsquelle gelingt.
und unteren Gastrointestinaltrakts im Vordergrund.
Bildgebende Verfahren spielen nur eine Rolle, wenn Dabei wird der Katheter entweder in der A. mesenter-
endoskopisch ein Blutungsnachweis nicht gelingt. ica superior, A. mesenterica inferior oder in der Aor-
ta platziert wird. Insbesondere, wenn die Patienten
Bei etwa 10% aller Patienten mit rektalem Stuhlab- zur kompletten Koloskopie gut vorbereitet sind, ist
gang muss mit einer Ursache im oberen Gastrointes- dies auch eine ideale Situation, um im flüssigkeits-
tinaltrakt gerechnet werden, sodass auch eine Blu- und luftgefüllten Dickdarm auch diskrete Blutungen
tungsquelle im oberen Gastrointestinaltrakt endos- direkt nachzuweisen (Ettore et al. 1997; Schürmann
kopisch ausgeschlossen werden muss. et al. 2002; Abb. 6.35 a, b).
Tabelle 6.5 zeigt die altersbezogenen Blutungs- Die häufigste Ursache für eine okkulte untere gas-
quellen bei Hämatochezie. Bei Patienten <25 Jahren trointestinale Blutung ist bei Patienten, die älter als
sind die häufigsten Ursachen die CED und ein Me- 50 Jahre sind, ein Dickdarmkarzinom. Die weitere Di-
ckel-Divertikel, bei Patienten bis zum 60. Lebensjahr agnostik geschieht durch eine komplette Endoskopie
kommen weiterhin ein Morbus Crohn, eine Colitis (s. Dickdarmkarzinom), bei der Karzinome und Po-
Ulcerosa, Divertikel, Polypen, Karzinome und Angio- lypen sicher identifiziert werden. Prinzipiell sind als
dysplasien in Frage, bei Patienten oberhalb des 60. Ursache für eine chronische untere gastrointestinale
Lebensjahres dominieren die Divertikel, Karzinome, Blutung alle anderen Ursachen, die sich auch als aku-
Polypen und die Angiodysplasie. te, untere gastrointestinale Blutung präsentieren,
denkbar (Barnet 2004).
Abb. 6.34. Gleicher Patient wie in Abb. 6.33, erfolgreiche Embolisation der Blutung mit Onyx
a b
Abb. 6.35 a, b. Untere gastrointestinale Blutung, koloskopisch lage in der A. mesenterica superior: Nachweis des Kontrastmit-
keine Blutungsursache eruierbar. a Angiographisch kein Nach- telaustritts in die Zökalregion (Pfeil). Angiodysplasie des
weis der Blutung, keine Ursache erkennbar. b CT mit Katheter- Zökums, chirurgisch verifiziert
6.4 Gefäßerkrankungen des Kolons 311
6.4.2
Mesenteriale Ischämie
Zu den mesenterialen Durchblutungsstörungen des
Dickdarms gehören
∑ die akute arterielle Embolie,
∑ die arterielle Thrombose und
∑ die nichtokklusive Darmischämie (NOMI, NOD)
als akute Erkrankungen, weiterhin
∑ die chronische mesenteriale Ischämie (CMI) und
∑ die Mesenterialvenenthrombose.
Erkrankung [%]
Herz 70
Niere 37
Pankreas 10
Hochdruck 10
Schock 40
Diabetes 23
Arteriosklerose 27
Diagnostik, Bildgebung
Mit der farbkodierten Dopplersonographie können
ausgeprägte Stenosen bereits dargestellt werden, die
poststenotische Dilatation nachgewiesen und Fluss-
veränderungen diagnostiziert werden. Die Diagnose
wird objektiviert mittels kontrastmittelverstärkter
MR-Angiographie (ceMRA) und/oder der CT-Angio-
graphie (Abb. 6.40 a, b). Die Sensitivität der MR-An-
giographie zum Nachweis der Ursachen einer CMI
liegt bei über 90% (Carlos et al. 2001; Horton et al.
2000; Trompeter et al. 2002). Eine Angiographie ist b
zur Diagnose und Therapieentscheidung nicht not-
Abb. 6.40 a, b. Chronisch mesenteriale Ischämie. Diagnostik
wendig. der großen abdominellen Viszeralarterien mit ceMRA (a) und
CT-Angiographie (b). a Truncusstenosen und filiforme A.-me-
Merke ! Die CMI wird mittels Schnittbildver-
fahren wie CT oder MRT diagnosti-
senterica-superior-Stenose nachgewiesen mittels ceMRA.
b Hochgradige Truncusabgangsstenose und mittelgradige
A.-mesenterica-superior-Stenose, Nachweis mittels CT-Angio-
ziert. graphie
Interventionelle Therapie
Bei einer akuten mesenterialen Ischämie bestimmt A. mesenterica superior, zugänglich. Studien hierzu
der Zeitfaktor die Prognose.Aus diesem Grund ist die verfügen alle nur über kleine Fallzahlen. In der Regel
chirurgische Revaskularisation die Methode der werden gleichzeitig ballonmontierte Edelstahlstents
Wahl und interventionelle Techniken spielen keine eingesetzt, da diese exakter als selbstexpandierende
Rolle. Dagegen ist ist die CMI einer perkutanen Designs platziert werden können (Abb. 6.41). Studien
transluminalen Angioplasie (PTA), in der Regel der mit einem direkten Vergleich zwischen chirurgischen
314 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
a b
c d
Abb. 6.41 a–d. PTA und Stenting der A. mesenterica superior A. mesenterica superior. b Platzierung eines Führungskathe-
bei chronisch mesenterialer Ischämie. a Angiographie mit ters in der A. mesenterica superior. c Applikation eines ballon-
Nachweis der filiformen Abgangsstenose von Truncus und montierten Edelstahlstents mit d sehr gutem Resultat
und interventionellen Ergebnissen existieren nicht. und Palmaz-Stents; ein technischer Erfolg gelang bei
Kasirajan et al. (2001) verglichen die Langzeitergeb- 12 von 13 Patienten. Nach 18 Monaten waren 9 der 13
nisse in nichtidentischen Kollektiven. 82% der Pa- behandelten Gefäße noch offen. Sharafuddin et al.
tienten in der Interventionsgruppe wurden gleichzei- (2003) versorgten 25 Patienten mit verschiedenen
tig auch mit einem Stent versorgt. Die Hospitalisa- Stenttypen, 27-mal handelte es sich um eine Einge-
tionsdauer war mit 5 vs. 13 Tagen in der Interven- fäßintervention, einmal um eine Zweigefäßinterven-
tionsgruppe deutlich kürzer als im chirurgischen tion, ein klinischer Benefit war in der 12 Monatskon-
Kollektiv, der Primärerfolg vergleichbar. 34% aus der trolle bei 20 (83%) Patienten nachweisbar.
Interventionsgruppe boten klinische Symptome ei-
nes Rezidivs nach 3 Jahren, jedoch nur 12% der ope-
rierten Patienten. Steinmetz et al. (2002) behandelten
Merke ! Eine interventionelle Therapie durch
Stenting der großen viszeralen Äste
19 symptomatische Patienten, 7 davon gleichzeitig liefert exzellente Ergebnisse.
mit einem Stent, 15 Patienten waren nach 3 Monaten
symptomfrei. Sheeran et al. (1999) versorgten 3 Trun- Mesenterialvenenthrombose
cus- und 7 A.-mesenterica-superior-Stenosen sowie Die mögliche Ursache für eine akute Mesenterialve-
3 A.-mesenterica-superior-Verschlüsse mittels PTA nenthrombose zeigt Tabelle 6.7. Etwa 20% der akuten
6.4 Gefäßerkrankungen des Kolons 315
Tabelle 6.7. Alter, Häufigkeit und Prognose der akuten mesenterialen Ischämie. (Aus Schölmerich u. Herfarth 2002)
Abb. 6.42. Fehlende Kontrastierung der intra- wie extrahepatischen Pfortader und der V. mesenterica superior (Pfeile):
Mesenterialvenen- und Pfortaderthrombose. Es besteht gleichzeitig eine Pneumatose der Zökalwand (schwarzer Pfeil)
316 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
a b
c d e f
g h
Abb. 6.43 a–h. Intervention bei akuter Mesenterialvenenth- nach Lyse, Aspiration, PTA und Stenting. e, f Unauffällige
rombose. a Perkutane Punktion der thrombosierten V. portae Mesenterikographie und indirekte Portographie ein Jahr spä-
unter CT-Sicht. b PTA des Parenchymtrakts zwischen transju- ter. g 2 Jahre danach narbige Stenose (Pfeil) am Ausflusstrakt
gulär sondierter Lebervene und Pfortader. c, d Erfolgreiche und kavernöse Transformation (Pfeilspitze) der Pfortader.
Rekanalisation der V. mesenterica superior und der V. portae h Erfolgreiche Dilatation und Stentverlängerung
6.4 Gefäßerkrankungen des Kolons 317
Adenom Peutz-Jeghers-Polyp
Polypöses Karzinom Juveniler Polyp
Karzinoidtumor Hyperplastischer Polyp
Nichtepitheliale Tumoren Benigner lymphoider Polyp
(Lipom, Leiomyom, Entzündlicher Polyp
Hämangiom,
Lymphangiom)
6.5 Tumoren 319
Adenome
75% aller Polypen sind Adenome im Sinne von Neoplasien
des Drüsenepithels mit Atypien unterschiedlicher Graduie-
rung,10% hiervon sind bereits Adenokarzinome.Die Ade-
nome lassen sich weiterhin unterscheiden in tubuläre,villö-
se,tubulovillöse und sägeblattartige („serrated“) Adenome.
Tubuläre Adenome sind mit 65% am häufigsten,gefolgt von
tubulovillösen Adenomen mit 20% und villösen Adeno-
men mit etwa 10%. Besonders problematisch sind flache
Adenome („flat adenomas“) mit einer nur geringen Erha-
benheit der Mukosa und einer leichten, zentralen Einsen-
kung,die in Routinekoloskopien immerhin einen Anteil von
etwa 1/3 darstellen.Bei 4% der kleineren,flachen Adenome
<10mm,und bei 30% der großen Adenome (≥10mm) wur-
den schwere Dysplasien oder ein Adenokarzinom gefunden
(Rembacken et al. 2000).Adenome dieser Art sind radiolo-
gisch mit keiner Technik verlässlich zu identifizieren.
Hyperplastische Polypen
왔 Hierbei handelt es sich um Polypen, Abb. 6.45. Virtuelle Koloskopie bei Colitis ulcerosa: entzünd-
Definition licher Pseudopolyp im Colon descendens
die sessil sind, selten gestielt, und zu-
meist eine Größe von 5–10 mm aufweisen.
50% der betroffenen Personen ein Karzinom entwi-
Sie sind meist singulär präsent, selten multiple. Es ckelt. Varianten mit gleichem Karzinomrisiko sind
handelt es sich um eine einfache Schleimhauthyper- das Gardner-Syndrom, heute ebenfalls als FAP be-
plasie, die aber mit bildgebenden Verfahren nicht von zeichnet, bei dem gleichzeitig Fibrome, Osteome im
echten Adenomen unterschieden werden kann, end- Gesichtsschädel auftreten, und das Turcot-Syndrom,
oskopisch allerdings auch nur mit aufwändigen Tech- bei dem gleichzeitig Medulloblastome als typische
niken wie der Chromoendoskopie. Mittellinientumoren vorkommen.
Das heriditäre, nicht polypöse Kolonkarzinom
Juvenile Polypen (HNPCC; Synonyme: familiäres Karzinomsyndrom,
Als solche werden harmatöse Polypen bezeichnet, die Lynch-Syndrom I, II) ist eine erbliche, kolorektale
im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert werden, Tumordispositionserkrankung. Die Schätzwerte zur
histologisch handelt es sich um Schleimhautretent- Prävalenz reichen von 2–10% (Lynch et al. 1993). Die
ionszysten. Klinik unterscheidet sich bei Präsenz eines Kolon-
karzinoms nicht von der eines sporadischen Kolon-
Entzündliche Polypen karzinoms. Die diagnostischen Merkmale für das
Entzündliche Polypen sind Folge einer abgelaufenen HNPCC werden nach den „Amsterdam Kriterien“
Kolitis. Es handelt sich um Mukosainseln und Muko- festgelegt (Tabelle 6.11).
sareste, die neben Ulzerationen bestehen bleiben. Werden im Rahmen eines HNPCC ausschließlich
Solche Veränderungen sind mitunter auch mit bild- kolorektale Karzinome beobachtet, wird dies als
gebenden Verfahren, sogar in der virtuellen Kolosko- Lynch-Syndrom I bezeichnet. HNPCC-Patienten be-
pie bei ausreichender Größe nachweisbar (Abb. 6.45). sitzen eine hohe Wahrscheinlichkeit, zusätzlich ex-
trakolonische Tumoren wie Endometriumkarzino-
Polyposissyndrome me, Karzinome des Magens, des Pankreas und der
Auch hier wird zwischen einer Polyposes mit adeno- Gallenwege zu entwickeln, mit etwa 40% ist das End-
matösen und harmatösen Polypen unterschieden. Ta- ometriumkarzinom hierbei der häufigste Tumor. Auf
belle 6.9 und Tabelle 6.10 fassen die wichtigsten Poly- die Genetik wird hier nicht eingegangen, bildgeben-
posissyndrome zusammen (Caspari et al. 2000; Kull- de Verfahren spielen in der Diagnostik und Selektion
man 2001). solcher Patienten keine Rolle.
Endoskopisch zeichnet sich die familiäre adeno- Das Peutz-Jeghers-Syndrom ist eine harmatöse Po-
matöse Polypose (FAP), die mit einer Häufigkeit von lypose, mit Polypen im Dünndarm und Magen und
1:10.000 Einwohnern in westlichen Industrieländern selten im Kolon, bei der in 50–80% der Patienten ei-
auftritt, durch multiple (>100) Adenome aus. Beim ne Hyperpigmentierung der Lippen- und Mund-
Auftreten klinischer Symptome haben bereits bis zu schleimhaut beobachtet wird. Es besteht ein erhöhtes
320
Tabelle 6.9. Adenomatöse Polypenerkrankungen. (Nach Kullmann 2001)
Familiäre adenomatöse >100 kolorektale Adenome, >100 kolorektale Adenome distal Kongenitale Hypertrophie des APC
Polypose (FAP) Beginn des Polypenwachstums > proximal; KRK, Risiko für KRK retinalen Pigmentepithels (CHRPE) (1987/1991)
zwischen 1. und 3. Lebensdekade fast 100%; Adenome und Karzinome bei 70% der Patienten; Desmoide
im Duodenum, selten im Magen; bei etwa 10–20%; seltener:
benigne Drüsenkörperzysten Hepatoblastome, Schilddrüsen.
im Magen karzinome, Astrozytome,
Medulloblastome
Allelische Varianten
Gardner-Syndrom (heute: FAP) Wie FAP, plus Osteome, plus s. o. Epidermoidzysten/Fibrome, APC
Epidermoidzysten/kutane Fibrome Osteome, Desmoide (allelisch zu FAP)
Attenuierte FAP 5–100 Adenome, Beginn des 5–100 Adenome, Selten APC
Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
(AAPC; „hereditary flat Polypenwachstums jenseits der Karzinome proximal > distal (allelisch zu FAP)
adenoma syndrome“) 2. Lebensdekade
Turcot-Syndrom, Adenomatöse Polypen/ >100 Adenome + Manifestationen Medulloblastome APC
Untergruppe FAP KRK plus Hirntumor wie bei FAP
Turcot-Syndrom, KRK plus Hirntumor Wenige Adenome, KRK Glioblastome Mismatch-Reparaturgene
Untergruppe HNPCC (s. u.)
HNPCC (Lynch-Syndrom) Multiple syn- oder metachrone Einzelne Adenome, die zu KRK Karzinome des Endometriums, Mismatch-Reparaturgene
KRK und andere Tumoren entarten (proximal > distal) des Urothels, des oberen GI-Trakts, hMSH2,
familiär gehäuft Pankreas, Ovarien, andere hMLH1,
hPMS1,
hPMS2,
hMSH6/GTBP,
hMSH3?,
hMLH3?,
andere?
Muir-Torre-Syndrom Talgdrüsentumor plus Kolonkarzinome Talgdrüsentumoren, Mismatch-Reparaturgene
(Untergruppe) viszeraler Tumor Endometriumkarzinom, andere hMSH2,
HNPCC-assozierte Tumoren hMLH1,
andere?
Tabelle 6.10. Hamartomatöse Polyposen. (Nach Kullmann 2001)
Amsterdam-Kriterien I
Ziel: Einheitliche Patientenrekrutierung zur Identifizierung der ursächlichen Gene
Mindestens 3 Personen an histopathologisch gesichertem kolorektalem Karzinom erkrankt, alle folgenden Kriterien müssen
erfüllt sein:
1. Ein Patient Verwandter 1. Grades der beiden anderen Patienten
2. Mindestens 2 aufeinanderfolgende Generationen betroffen
3. Mindestens ein kolorektales Karzinom vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert, FAP ausgeschlossen
Amsterdam-Kriterien II
Ziel: Vollständigere Patientenerfassung als unter
Amsterdam I
Wie Amsterdam-Kriterien I, jedoch werden auch extrakolonische Tumoren berücksichtigt (Endometrium, Dünndarm und
ableitende Harnwege)
a b
Adenokarzinom GIST-Tumoren,
Leiomyosarkom
Muzinöses Adenokarzinom Hämatopoetische und
lymphatische Neoplasien
Siegelringzellkarzinom Nichtklassifizierbare
Tumoren
Plattenepithelkarzinom
Adenosquamöses Karzinom
Undifferenziertes Karzinom
Kolloides Karzinom
Nichtklassifizierbares Karzinom
∑ G1 gut differenziert,
∑ G2 mäßiggradig differenziert,
∑ G3 schlecht differenziert,
∑ G4 undifferenziert
T Primärtumor
TX Primärtumor kann nicht beurteilt werden
T0 Kein Anhalt für Primärtumor
Cis Carcinoma in situ (reine Ausbreitung des Tumors in der Mukosa)
T1 Tumor infiltriert Submukosa (entspricht weitgehend Stadium Dukes A)
T2 Tumor infiltriert Muscularis propria (entspricht Dukes B1)
T3 Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nichtperitonealisiertes perikolisches oder
perirektales Gewebe (entspricht Dukes B2)
T4 Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infliltriert direkt andere Organe oder Strukturen
(z. B. Prostata, Beckenwand, Ureter, Leber)
N Regionäre Lymphknoten
NX Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden
N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen
N1 Metastasen in 1–3 perikolischen/perirektalen Lymphknoten (analog zu Dukes C1)
N2 Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten (analog zu Dukes C2)
N3 Metastasen entlang eines benachbarten Gefäßstammes (z. B. A. colica dextra)
M Fernmetastasen
MX Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden
M0 Keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
0 - Cis 0 0 98–100%
I A 1 0 0 95–100%
A 2 0 0
II B 3 0 0 80–85%
B 4 0 0
III C1 Jedes T 1 0 50–70%
C2 Jedes T 2,3 0
IV D Jedes T Jedes N 1 5–15%
Abb. 6.52. MR-Datensatz bei endoskopisch nicht passierba- Abb. 6.53. Kontrasteinlauf im Monokontrast mit wasserlösli-
rem Tumor im Zökum, 3D-Modell für die virtuelle Koloskopie. chem Kontrastmitte. Am Übergang Sigma/Colon ascendens
Typisches Apple-core-Zeichen (Pfeil) als Tumorkorrelat. Der (Pfeilspitze) besteht eine filiforme, endoskopisch nicht passier-
Zökalpol hinter der Stenose ist virtuell ebenfalls einsehbar bare Stenose, typisches Apple-core-Bild eines Karzinoms.
Nachweis eines Zweitkarzinoms (Pfeil) mit identischer Mor-
phologie im Colon transversum
sierbare Stenosen vorliegen oder Patienten die klas-
sische Koloskopie ablehnen. Systematische Studien
hierzu existieren nicht.
Diagnostik
Abb. 6.55. Rektumkarzinom. CT: stenosierender Tumor mit massiver Wandverdickung, pT4, Infiltration ins perirektale Fettge-
webe, lokale Lymphangiosis carcinomatosa mit streifiger Infiltration des Fettgewebes
Abb. 6.56. Kolonkarzinom, linke Flexur. CT: als Tumorkorrelat Wandverdickung in der linken Flexur, Apple-core-Bild, Infiltra-
tion ins regionäre Fettgewebe, pT4
6.5 Tumoren 329
Abb. 6.57. Karzinom des Colon transversum. CT: Als Tumorkorrelat besteht eine Verdickung der Hinterwand im Colon trans-
versum, letztlich von Darminhalt nicht zu unterscheiden (Pfeil). Histologisch/pathologisch T2-Kategorie
Abb. 6.58. Rektumkarzinom. CT: exzentrische Wandverdickung als Tumorkorrelat (Pfeil). In der koronaren Rekonstruktion
(rechts) typisches Apple-core-Zeichen (Pfeil)
Nach der Literatur liegt die Genauigkeit der CT (Ein- Für die präoperative T-Kategorisierung beim
zelschichttechnik) für das T-Staging zwischen 33 und Rektumkarzinom steht neben der Endosonographie
77% (nach Pessaux et al. 2001). T1-Tumoren besitzen auch die MRT zur Verfügung. Der Einsatz der CT zum
häufig kein Korrelat in der CT oder in der MRT; T1- Staging eines kolorektalen Tumors ist die Standard-
Tumoren können deshalb auch nicht verlässlich von technik, da größere Tumoren (T3/T4) fast immer ein
T2- und T2- ebenso wenig von T3-Tumoren differen- adäquates Korrelat in der CT besitzen und die Inva-
ziert werden. Die Identifikation von T4-Tumoren ist sion in andere Organe beurteilt werden kann.
mit allen bildgebenden Verfahren meist unproblema-
tisch. Die typischen Befunde für CT oder MRT beim 쐍 Lymphknotenmetastasen (N). CT, EUS und die MRT
kolorektalen Karzinom sind die lokale oder zirkuläre sind etablierte Methoden zum Nachweis regionaler
Wandverdickung, die Lumeneinengung, auch das Lymphknotenmetastasen. Für alle Methoden ist das
für den Kontrasteinlauf typische Apple-core-Zeichen Kriterium eines metastatischen Befalls identisch, ein-
sowie Injektionen des umgebenden Fettgewebes ziger Parameter ist die Vergrößerung von Lymph-
und Invasion in andere Organe (Abb. 6.55, Abb. 6.56, knoten. Lymphknoten von 10 mm und mehr und
Abb. 6.57, Abb. 6.58). „cluster“ kleinerer Lymphknoten gelten als typische
330 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
Kriterien (Balthazar et al. 1988; Freeny et al. 1986; 쐍 Tumorrezidive. Häufigste Lokalisation eines Rezi-
Grabbe et al. 1983; Rifkin et al. 1989). Die Sensitivität divs ist die Leber, die bei 20–25% aller Patienten mit
mit allen Verfahren ist niedrig. Rezidiven betroffen ist. Lokalrezidive und an der
Anastomose, extra- oder intraluminal, werden bei
CAVE ! Falsch-negative Resultate sind vor-
programmiert, da befallene, aber
15–22% aller Patienten beobachtet (Gall et al. 1986).
Nach Kolorektalresektionen oder sphinktererhal-
nicht vergrößerte Lymphknoten nicht identifiziert tenden Operationen dominiert die Endoskopie mit
werden können. Biopsie in der Rezidivdiagnostik analog der Diagnos-
tik der Primärtumoren und ist radiologischen Tech-
Die Sensitivität für die CT wird auf <50% beziffert, niken überlegen. Für den Nachweis extraluminaler
gleiches gilt auch für den EUS (Rifkin et al. 1989). Tumorrezidive, die endoskopisch nicht diagnosti-
ziert werden können, werden die CT und die MRT
쐍 Fernmetastasen (M). Bis zu 20% aller Patienten eingesetzt.
weisen zum Zeitpunkt der Diagnose bereits eine Die typischen Kriterien für extraluminale Tumor-
Lebermetastasierung auf. Standardtechniken zum rezidive sind (Abb. 6.59, Abb. 6.60):
Nachweis oder Ausschluss von Lebermetastasen sind
∑ Größenzunahme einer präexistenten Raumforde-
der Ultraschall, die CT und die MRT. Zur Untersu-
rung (in der Regel Narbengewebe) oder neu auf-
chungstechnik und Nachweisrate s. Kap. 7.
getretener Weichteilprozess,
Bei Rektumkarzinomen ist neben einer CT oder
∑ Asymmetrie, Inhomogenität, Infiltration angren-
MRT von Becken und Abdomen auch eine CT des
zender Strukturen,
Thorax sinnvoll, da Rektumkarzinome neben der Le-
∑ ossäre Destruktion (Sakrum-, Rektumkarzinom),
ber auch in die Lunge metastasieren. Zahlen zur Häu-
∑ streifige Infiltration des periluminalen Fettgewe-
figkeit von Lungenmetastasen oder zur Nachweisera-
bes.
te der CT im Vergleich zur konventionellen Thorax-
technik beim Rektumkarzinom existieren nicht, so- Die Kriterien sind für CT und MRT identisch. In der
dass in den Leitlinien der DGVS die CT derzeit auch MRT ist auch eine erhöhte Signalintensität in T2-ge-
nicht als Standardtechnik zur Untersuchung der Lun- wichteten Sequenzen suspekt für ein Rezidiv. Die
ge empfohlen wird. Kontrastmitteldynamik zeigt in der MRT beim Rezi-
div einen starken Anstieg der Kontrastmittelkurve,
Merke ! Auch eine Beurteilung der M-Katego-
rie ist unzuverlässig, da vergrößerte,
gefolgt von einer Platteauphase, was eine Differenzie-
rung gegenüber Narben gestattet (Blomqvist et al.
aber nicht metastatische befallene Lymphknoten 1998; Dicle et al. 1999).
nicht von entzündlich veränderten Lymphknoten Bei extraluminalen Tumorrezidiven kann in der
unterschieden werden können, und kleine, aber be- Regel eine perkutane Biopsie problemlos vorgenom-
fallene Lymphknoten nicht als solche eingeordnet men werden (vgl. Abb. 6.59).
werden können.
Abb. 6.59. Lokalrezidiv eines T4 (pT4) Rektumkarzinoms. mann-Stumpfes, keine Knochendestruktion. Verifikation mit-
Weichteildichte Tumorformation präsakral (Pfeil) mit Infil- tels Biopsie
tration des M. piriformes rechts und Infiltration des Hart-
6.5 Tumoren 331
a b
Abb. 6.60 a, b. Lokalrezidiv Rektumkarzinom (Pfeile). MRT T2-TSE-Sequenz mit Fettsättigung, a axiale und b sagittale Ebene.
Keine Osteodestruktion
Lipome
Lipome sind die häufigsten nichtepithelialen benig-
nen Tumoren des Kolons. Sie treten meist solitär auf,
bevorzugt im Colon ascendens. Neben einer submu-
kösen kann auch eine subseröse Ausbreitungsform
vorliegen.
Da Lipome selten Auslöser von klinischen Symp-
tomen sind, werden sie meist nur zufällig oder bei
Operationen bzw. Obduktionen entdeckt. Lipome
>4 cm Größe verursachen Schmerzen, können für
rektale Blutabgänge Anlass sein und Symptome einer
Obstruktion erzeugen, insbesondere wenn sie Aus-
löser einer Invagination sind.
Im Kontrasteinlauf liegt ein durch das Lipom be-
dingter, glatt begrenzter Füllungsdefekt vor, die
Wand bleibt normal aufdehnbar, und der Schleim-
hautüberzug ist intakt. In der CT ist neben einer ova-
len, glatt begrenzten Raumforderung der niedrige
Dichtwert von –40 HE hinweisend auf ein Lipom.
Liposarkome
Die benignen Lipome entarten fast nie maligne. Die
seltenen Liposarkome entwickeln sich als eigenstän-
diger Tumor. Ausbreitungsform und primäres Er-
scheinungsbild sind ähnlich dem Lipom. Im Gegen-
satz zum Lipom sind in der CT die Dichtewerte vari- Abb. 6.61. Leiomyom im Colon transversum. Kontrasteinlauf.
abel und können von +60 bis –20 HE schwanken, Glatt begrenzte, halbmondförmige Vorwölbung im Querkolon
wobei auch innerhalb des Tumors selbst unter- mit glatter Oberfläche, bedingt durch ein submukös wachsen-
des Leiomyom
schiedliche Dichtewerte vorliegen können.
Leiomyome
Nur etwa 10% aller gastrointestinalen Leiomyome Leiomyosarkome
sind im Dickdarm lokalisiert und dort überwiegend Sie sind häufiger als die benignen Leiomyome und im
im Rektum. Sie gehen von der Muscularis mucosae Vergleich zu den übrigen Abschnitten des Gastro-
oder propria aus. Die Fibrome können sich intramu- intestinaltrakts seltener im Kolon anzutreffen. Wie
ral, intra- oder extraluminal oder in Sanduhrform beim Leiomyom können sie sich nach intra- oder
intra-/extraluminal ausdehnen. Die extraluminal extraluminal bzw. intramural ausdehnen.
wachsende Form kann eine beträchtliche Größe er- Wegen der meist beträchtlichen Größe >5 cm
reichen und zentral nekrotisch werden. Die intralu- treten häufig Schmerzen, Obstipation, Diarrhö und
minale Ausbreitungsform sitzt breitbasig auf und hat rektale Blutungen auf.
nur ausnahmsweise einen Stiel. Radiologisch findet sich beim Kontrasteinlauf das
Die Klinik hängt von der Größe und Ausbreitungs- Bild einer submukösen Läsion bzw. eines intramura-
form ab. Kleine Leiomyome verursachen selten Be- len Füllungsdefektes. Die Oberfläche kann glatt, aber
schwerden, bei größeren Leiomyomen sind auch auch lobuliert und scharf begrenzt sein. Die Schleim-
Blutabgänge oder mechanische Obstruktionen mög- haut ist meist intakt, kleine Ulzerationen sind mög-
lich. lich. Mit der Schnittbilddiagnostik ist besonders die
Beim Kontrasteinlauf ist ebenfalls die Ausbrei- extrakolische Ausbreitung gut dokumentierbar, wo-
tungsform für das Erscheinungsbild verantwortlich. bei die Dichtewerte in der CT meist inhomogen sind.
Intramurale Leiomyome bedingen eine glatt be-
grenzte, submuköse Läsion, während die intralumi- Fibrome und Fibrosarkome
nalen sich wie Polypen ins Lumen vorwölben und Von diesen beiden Tumortypen sind nur Einzelfälle
glatt begrenzt sind (Abb. 6.61). im Kolon beschrieben, die sich in Form,Ausdehnung,
Klinik und radiologischem Erscheinungsbild von
den Leiomyomen bzw. den Myosarkomen kaum un-
terscheiden.
6.5 Tumoren 333
Tumoren des Nervengewebes ein typischer Befund. Für die Spiral-CT ist eine Sen-
Auch diese Tumoren sind im Dickdarm äußerst sel- sitivität von 70% im Nachweis von Gefäßkonvoluten
ten. Je nach Ursprungsort werden Neurofibrome, in der Darmwand als Korrelat einer Angiodysplasie
Ganglioneurome und granuläre Neurome unter- beschrieben (Junquera et al. 2000).
schieden. Hämangiome sind viel seltener als Angiodyspla-
Die Neurofibrome kommen solitär oder z. B. im sien, sie sind zumeist in Sigma oder Rektum lokali-
Rahmen eines Morbus Recklinghausen multipel vor; siert, die Bildgebung spielt hier keine Rolle.
sie befinden sich meist subserös. Auch die Ganglio-
neurome können solitär und diffus auftreten, sie sind Maligne Lymphome
mit anderen endokrinen Tumoren häufig vergesell- Die malignen Lymphome werden üblicherweise in
schaftet. Die granulären Neurome, auch Myeloblas- Hodgkin-Lymphome und Non-Hodgkin-Lymphome
tenmyome genannt, sind meist multipel und wachsen unterteilt. Es existiert eine Reihe von Klassifikatio-
submukös. nen der verschiedenen Lymphomarten, z. B. für die
Klinik und radiologischer Befund entsprechen Non-Hodgkin-Lymphome nach Rappaport und Len-
dem Bild der Lipome bzw. Leiomyome. nert für den Morbus Hodgkin entsprechend der Rye-
bzw. Ann-Arbor-Konferenz. Eine weltweit einheitli-
Tumoren des Gefäßsystems che Klassifikation wurde durch eine Expertengruppe
Die Hämangiosarkome können einzeln und multipel der WHO 1997 vorgeschlagen, die eine aktualisierte
auftreten und fallen meist durch massive peranale Fassung der Revised European American Lympho-
Blutabgänge auf. Sie können auch ähnliche Sympto- ma- (R.E.A.L.-) Klassifikation darstellt und die welt-
me wie andere stenosierende Prozesse verursachen weit akzeptiert zu werden scheint (Stein u. Hidde-
(Abb. 6.62). Angiodysplasien finden sich bei etwa 1% mann 1997, 1999). Auf Details soll hier nicht weiter
der Koloskopien im Dickdarm. Die Diagnostik ge- eingegangen werden.
schieht bei blutenden Angiodysplasien primär end- Etwa 95% der Lymphome des Magen-Darm-
oskopisch. Bildgebende Verfahren wie die Angiogra- Trakts gehören in die Gruppe der Non-Hodgkin-Lym-
phie werden nur eingesetzt, wenn endoskopisch kei- phome. Gastrointestinale Non-Hodgkin-Lymphome
ne Diagnostik gelingt. In der Angiographie ist eine werden seit einigen Jahren zunehmend als MALT-
frühe Venenfüllung bereits in der arteriellen Phase („mucosa-associated lymphoid tissue“-) Lymphome
bezeichnet. Sie verhalten sich lange Zeit als fokale Tu-
moren ohne Tendenz zur Dissemination. Um einen
primären Lymphombefall des Darms handelt es
sich, wenn ein anderweitiger nodulärer Befall ausge-
schlossen ist.
MALT-Lymphome gehören überwiegend der
Gruppe der niedrigmalignen Lymphome an. Es hat
sich als praktikable Methode durchgesetzt, die
MALT-Lymphome nach hohem und niedrigen Malig-
nitätsgrad und nach T- oder B-Zell-Abstammung zu
klassifizieren.
In 21–26% der extraintestinalen Non-Hodgkin-
Lymphome und in 4–7,5% der extraintestinalen
Hodgkin-Lymphome liegt auch ein kolorektaler Be-
fall im Sinne eines sekundären Lymphoms vor. Die
Lymphome befallen oft kurze Segmente, wachsen
ringförmig oder diffus infiltrierend, manche erschei-
nen als polypoide Formation, die einzeln oder multi-
pel auftreten kann. Manche Lymphome zeigen an der
Oberfläche Ulzerationen.
Die Klinik kann lange Zeit fehlen oder unspezi-
fisch sein. Neben allgemeinen Symptomen wie Fie-
ber, Müdigkeit, Gewichtsverlust oder Nachtschweiß
können veränderte Stuhlgewohnheiten, Blutungen
oder auch appendizitisähnliche Symptome auftreten.
Abb. 6.62. Angiosarkom. Kontrasteinlauf: stenosierender tu-
moröser Prozess, der histogisch durch ein Angiosarkom be- Die Röntgendiagnostik ist stark abhängig vom Typ
dingt war – röntgenmorphologisch ist eine Unterscheidung zu des Lymphoms und der damit verbundenen Ausbrei-
einem anderen malignen Tumor nicht möglich tungsform. Bei der nodulären Form finden sich im
334 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
Plasmozytom
Beim generalisierten disseminierten Plasmozytom
ist auch mit einem Kolonbefall zu rechnen. Als solitä-
res Plasmozytom kann die Erkrankung auch primär
Abb. 6.64. Non-Hodgkin-Lymphom mit Befall der retroperi-
den Dickdarm befallen. Die übrigen Abschnitte des
tonealen Lymphknoten entlang der Ileakalgefäße, Dünndarm- Magen-Darm-Trakts sind häufiger befallen. Im Ko-
befall mit Darmwandverdickung (Pfeil) lon selbst ist meist das Zökum betroffen.
Klinisch herrschen die Symptome des diffusen
Plasmozytoms vor. Beim solitären Plasmozytom des
Kolons können Blutungen oder Zeichen der Obstruk-
Kolonkontrasteinlauf auch unterschiedlich große, tion beobachtet werden.
zwischen 0,2–2,5 cm messende, glatt begrenzte Fül- Im Doppelkontrast sind Röntgensymptome nicht
lungsdefekte, die wie multiple Polypen imponieren immer nachweisbar; es können aber lokale Darm-
und meist sessil sind (Abb. 6.63). Gelegentlich haben wandinfiltrationen, Verengungen des Darmlumens
diese nodulären Defekte eine zentrale, nabelähnliche oder polypoide Läsionen gefunden werden.
Einziehung. Werden diese Lymphome größer, kön- Differenzialdiagnostisch sind neben dem kolorek-
nen sie auch Füllungsdefekte hervorrufen, die wie talen Karzinom das Lymphom, die Polypose sowie
„thumb prints“ aussehen (vgl. Abb. 6.44). die Colitis ulcerosa und granulomatosa abzugrenzen.
6.5 Tumoren 335
6.5.4
Kaposi-Sarkom
왔 Bei diesem Sarkom handelt es sich um
Definition
eine systemische multifokale Neopla-
sie des retikuloendothelialen Systems, die primär
mit Hautmanifestation an den unteren Extremitäten
beginnt und zu sekundären Neoplasien an anderen
Organen führt.
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340 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
6.6.2
Amyloidose
6.6.3
Sklerodermie
Abb. 6.72. Luft in den Ästen der V. portae und in der V. mesenterica superior, Pneumatosis intestinalis, freie Flüssigkeit perihe-
patisch und perilienal
6.6 Andere Erkrankungen des Kolons 343
6.6.6 6.6.7
Lymphatische Hyperplasie Divertikelkrankheit
Synonyme: noduläre lymphatische Hyperplasie und 왔 Dickdarmdivertikelsind überwie-
Definition
lymphoide follikuläre Hyperplasie. gend Ausstülpungen der Mukosa und
Der diffuse Nachweis von Lymphfollikeln ist bei Submukosa durch die Muskelschichten des Dick-
Kindern häufig und ohne pathologischen Wert. Bei darms. 80% aller Divertikel bleiben klinisch zeitle-
älteren Menschen ist eine lymphatische Hpyerplasie bens stumm. Etwa die Hälfte der Bevölkerung, die
eine Rarität. Bei den meist jungen Erwachsenen ist das 70. Lebensjahr überschritten hat, weist in der
der diffuse Befall selten, häufiger sind ein oder 2 Seg- westlichen Welt Divertikel auf.
mente betroffen, dabei meistens das rechte Kolon.
Die Pathogenese ist unbekannt. Bei Erwachsenen Divertikel des Kolons sind in der westlichen Welt die
tritt diese Veränderung meist im Gefolge anderer In- häufigste Pathologie im Gastrointestinaltrakt. Eine
fektionskrankheiten oder Allergien bzw. Dysgamma- klinische Relevanz besteht dann, wenn aus einer Di-
globulinämien auf. vertikulose eine Divertikulitis entsteht oder bei einer
Klinisch finden sich keine speziellen Symptome. Divertikelblutung.
Diarrhö oder abdominelle Schmerzen können vorlie- Da Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa
gen. durch die Muskelschichten des Dickdarms vorliegen,
Beim Kontrasteinlauf finden sich zahlreiche fla- handelt sich somit um Pseudodivertikel. Wahr-
che, noduläre Füllungsdefekte, diese sind scharf be- scheinliche Ursache ist eine intraluminale Drucker-
grenzt, meist 1–2 mm groß, gleichmäßig verteilt und höhung. Die Mehrzahl der Patienten zeigt funktio-
von uniformem Aussehen. Die dazwischen gelegene nelle Störungen im Sinne eines spastischen Kolons.
Schleimhaut ist intakt (Abb. 6.73). Der radiologische Die Zunahme des Muskeltonus der Ring- und Längs-
Befund ist unspezifisch, diagnostisch steht die Endos- muskulatur resultiert in einer Engstellung des betrof-
kopie mit Biopsie im Vordergrund. fenen Darmsegments. Während eine Divertikulose
bei etwa 80% aller Divertikel klinisch stumm bleibt,
führt bei den übrigen Patienten eine bakterielle Be-
siedelung zu einer Entzündung der dünnen Diver-
tikelwand.
Divertikel sind häufige Zufallsbefunde in der CT
oder im Kolonkontrasteinlauf (Abb. 6.74 a, b).
Divertikulitis
Führen die bakterielle Besiedelung und Entzündung
der dünnen Divertikelwand zu Mikroperforationen,
resultiert eine peridivertikuläre Entzündungsaus-
breitung. Deren typische und klinisch relevante, für
die Prognose entscheidenden Komplikationen sind
Perforation mit Abszedierung und Divertikelblutun-
gen. Die typischen Symptome sind linksseitige Un-
terbauchschmerzen, häufig mit Fieber, Leukozytose
und einer CRP-Erhöhung als typische Entzündungs-
zeichen. Mit einer Perforation ist in 10% zu rechnen.
Blutungen sind bei älteren Patienten (>60 Jahre) die
häufigste Ursache von Blutungen im unteren Gastro-
intestinaltrakt, sie sistieren jedoch spontan bei 3/4
aller Fälle.
Die Diagnostik der Blutung erfolgt endoskopisch.
Im Vordergrund der aktiven Behandlung steht die
gleichzeitige Unterspritzung mit Adrenalin. Radio-
Abb. 6.73. Lymphatische Hyperplasie. Kontrasteinlauf: Die ge- logische Techniken mit Vasopressin oder Embolisa-
samte Scheimhaut ist übersät von multiplen winzigen rundli- tionen sind Alternativen bei frustranem Endoskopie-
chen Erhabenheiten, die durch die Verdickung der Lymphfolli- versuch.
kel verursacht werden Die Abdomenübersichtsaufnahme liefert mitunter
pathologische Veränderungen wie eine extraluminale
Luftansammlung bei einer Perforation, weiterhin Zei-
344 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
a b
Abb. 6.74 a, b. Divertikulose des Kolons. a Im Kontrasteinlauf trastmittel und gegenüberliegend mit Luft gefüllt sind. b In der
in Linksseitlage finden sich zahlreiche, unterschiedlich große CT stellen sich die Divertikel im Sigma als kleine, überwiegend
Wandaussackungen, die auf der linken Darmseite mit Kon- luftgefüllte Aussackungen dar
Abb. 6.75. Ultraschall einer Divertikulose mit Divertikulits Abb. 6.76. Verdickte Darmwand. Nachweis eines Divertikels
des Sigma. Kokarde mit anhängendem Divertikel (Pfeil). Die (Pfeil) im Ultraschall
verstärkte Echogenität der Umgebung (Pfeilspitzen) zeigt die
entzündliche Infiltration an
chen des Ileus und Subileus,jedoch keinen spezifischen Als typischer Befund für eine akute Divertikulitis im
Befund, der die Diagnose einer Divertikulitis nur aus Ultraschall gilt der Nachweis eines druckschmerzhaf-
dem Abdomenübersichtsbild zulässt (Ahn et al. 2000). ten Sigmaabschnitts mit einer echoarmen Wandverdi-
ckung sowie eines echoreichen Halo als Zeichen der
Merke !Bei der Divertikulitis liefern Abdo-
menübersichtsaufnahmen keine spe-
extraluminalen Veränderung (Abb. 6.75,Abb. 6.76). Die
Sensitivität für den Nachweis dieser Phänomene liegt
zifische Diagnose (Ahn et al. 2002). Die in der Regel um 90%. Da die Sonographie untersucherabhängige
gedeckte Perforation wird aufgrund der geringen Resultate liefert, bietet sie sich vor allen Dingen an, um
ausgetretenen Luftmenge nicht erfasst. bei bekannter Grunderkrankung und primär konser-
vativer Therapie frühzeitig Komplikationen nachzu-
weisen (Ripollés et al. 2003; Soliman et al. 2004).
6.6 Andere Erkrankungen des Kolons 345
Abb. 6.77. CT nach oraler und rektaler Kontrastierung, Kon- ralem Abszess (weißer Pfeil), entzündliche Wandverdickung
trastmittel i. v. Akute Sigmadivertikulitis mit gedeckter Perfo- (Pfeilspitzen)
ration mit extraluminaler Luft (schwarzer Pfeil) und intramu-
346 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
Abb. 6.78. Akute Sigmadivertikulitis. CT, orale und rektale Kontrastierung, Kontrastmittel i. v.: typische Wandverdickung des
Sigmas (Pfeilspitzen), gedeckte Perforation mit diskreter Luft extraluminal (Pfeil)
Abb. 6.79. Akute Sigmadivertikulitis. CT, orale und rektale Luft (Pfeil rechts unten). Gleichzeitig besteht im Unterpol der
Kontrastierung, Kontrastmittel i. v.: Perforation mit KM-Aus- rechten Niere ein Nierenabszess (Pfeil links oben)
tritt (Pfeilspitze), Perforation in die Blase mit intravesikaler
6.6 Andere Erkrankungen des Kolons 347
Abb. 6.80. Akute Sigmadivertikulitis. CT, orale und rektale makarzinom nur endoskopisch möglich. Die Endoskopie zeigt
Kontrastierung, Kontrastmittel i. v.: großer Konglomerat- eine entzündliche Lumenstenose. Entzündlicher Konglome-
tumor am Übergang Sigma/Colon descendens (Pfeil). Diffe- rattumor histologisch/chirurgisch bestätigt
renzierung entzündlicher Konglomerattumor und/oder Sig-
Abb. 6.81. Diskrete Wandverdickung des Colon descendens diagnose ausschließlich mit der CT nicht möglich. Endosko-
(Pfeilspitzen), ausgeprägte Injektion des periluminalen Fett- pisch kein Tumornachweis, Divertikulitis des Sigma und des
gewebes. Differenzialdiagnose: Kolonkarzinom, Differenzial- Colon descendens!
348 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
Tabelle 6.15. Wertigkeit der verschiedenen CT-Symptome bei akuter Divertikulitis für die Diagnose. (Nach Kircher et al. 2002)
Darmwandverdickung 109 96 91
Fettgewebeinjektion 108 95 90
Divertikel 104 91 67
Freie Luft 34 30 100
Freie Flüssigkeit 51 45 97
Entzündete Divertikel 49 43 100
Abb. 6.82. Divertikulitis. Kontrasteinlauf mit wasserlöslichem Abb. 6.83. Sigmaperforation bei Divertikulitis. Kontrastein-
Kontrastmittel: funktionelle Stenose des Sigmas, Engstellung lauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel: KM-Austritt (Pfeil)
der Divertikelhälse, direkter Nachweis der Divertikel bei Perforation
Darmwandverdickung und die Formation einer deckte Mikroperforationen und die peridivertikuläre
„Schulter“, ähnlich einem Apple-core, häufiger bei ei- Entzündung dieser Untersuchungstechnik in der Re-
nem Karzinom gefunden wird (Chintapalli et al. gel entgehen, sind größere Perforationen am Kontrast-
1999). Von 72 Patienten wurden unter Studienbedin- mittelaustritt problemlos identifizierbar (Abb. 6.83).
gungen bei 51% die definitive Diagnose Karzinom Der Kolonkontrasteinlauf mit wasserlöslichem
oder Divertikulitis gestellt, bei 49% war die Diagno- Kontrastmittel wird nur eingesetzt, wenn aus logisti-
se unklar und die CT-Morphologie überlappend. schen Gründen eine CT nicht verfügbar ist, anson-
Hilfreich kann in solchen Fällen ein zusätzlicher sten besteht keine Indikation mehr für diese Technik.
Kontrasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel
sein, wenn dieser die typische Morphologie des
Apple-core bindet. Unabhängig davon ist selbstver- Merke !Da von der Divertikulitis überwie-
gend ältere Patienten (>60 Jahre) be-
ständlich in allen Fällen mit Tumorverdacht eine troffen sind und das kolorektale Karzinom für diese
Endoskopie zwingend erforderlich. Altersgruppe den häufigsten gemeinsamen Tumor
Im Kolonkontrasteinlauf sind symptomlose Diver- für beide Geschlechter darstellt, ist eine überlage-
tikel im Rahmen einer Divertikulose häufige Zufalls- rungsfreie Darstellung aller Sigmasegmente beson-
befunde, sie werden überwiegend im Sigma angetrof- ders wichtig, um kurzstreckige Stenosen, die durch
fen. Bei einem Verdacht auf eine Divertikulitis sind im ein Karzinom verursacht werden, nicht zu übersehen.
Kolonkontrasteinlauf typische Befunde die Engstel-
lung des betroffenen Segments (überwiegend im Sig- Die MRT spielt derzeit in der klinischen Praxis für die
ma), Schleimhautirregularitäten und eine Engstellung Diagnose der Divertikulitis keine Rolle. Die asympto-
der Divertikelhälse, sodass mitunter die Divertikel matische Divertikulose wird mitunter als Zufallsbe-
selbst nicht abgebildet sind (Abb. 6.82). Während ge- fund beobachtet (Abb. 6.84). Bei der symptomati-
6.6 Andere Erkrankungen des Kolons 349
Abb. 6.84. Divertikulose. Zufallsbefund in der MRT: typische Aussackungen im Sigma (T2-Gewichtung, True-fisp-Sequenz,
3D-Modell)
schen Divertikulitis wurde die MRT bislang nur sel- schluss einer anderen organischen Ursache durchge-
ten eingesetzt. Die Kriterien zur Diagnose sind mit führt wird, sind segmentale Engstellungen, die sich
Darmwandverdickung und -enhancement und Injek- mit weitgestellten Abschnitten abwechseln, sichtbar.
tion des umgebenden Fettgewebes mit den Kriterien Die typische Haustrierung fehlt, die Haustren sind
für die CT identisch (Heverhagen et al. 2001; Schrey- flach und unregelmäßig.
er et al. 2004). Ob die MRT auch kleine Mengen freier
Luft bei der Dickdarmperforation nachweisen kann,
ist ungeklärt, hierzu existieren bislang keine Studien. 6.6.9
Vaskuläre Erkrankungen
Heriditäre hämorrhagische Teleangiektasie
6.6.8 (Morbus Osler)
Reizkolon Diese seltene, autosomal-dominant vererbliche Er-
krankung betrifft meist das terminale Ileum und das
Synonym: Colon irritabile. rechte Kolon. Es fehlt die arteriokapilläre Sphinkter-
funktion, sodass aufgrund der mangelnden Kontrak-
왔 Es handelt sich um eine neuromusku- tionsfähigkeit kleine Traumen bereits zu einer Blu-
Definition
läre Störung, die ausschließlich auf tung führen. Es resultieren rezidivierende rektale,
das Kolon beschränkt ist. z. T. massive Blutabgänge.
Die Diagnose ist mittels Angiographie zu stellen,
Meist sind jüngere Menschen unter geringer Beto- bei der ein Knäuel von Gefäßen mit einer frühen ve-
nung des weiblichen Geschlechts betroffen. Seelische nösen Füllung und schneller Drainage vorliegt.
Spannungen, Medikamente wie Laxanzien oder Anti-
biotika, ballastarme Nahrung oder Erkrankungen Varicosis coli
anderer Organe scheinen bei der Ätiologie des Reiz- Kolonvarizen sind extrem selten. Das linke Kolon ist
kolons eine Rolle zu spielen. häufiger als das rechte betroffen. In 85% liegen se-
Die Erkrankung ist charakterisiert durch Stuhl- kundäre Ursachen wieportale Hypertension, Rechts-
gangsprobleme mit Wechsel zwischen Obstipation herzinsuffizienz oder Thrombose der Mesenterial-
und Durchfall, Abgang von Schleim und dem Gefühl oder Milzvene zugrunde. Es können lebensbedrohli-
der unvollständigen Entleerung. Dazu können che Blutungen eintreten.
krampfartige abdominelle Beschwerden mit Schmer- Beim Kontrasteinlauf können flache randständige
zen oder Missbehagen auftreten. Füllungsdefekte vorliegen, die bei stärkerer Dehnung
Die Abdomenaufnahme zeigt keinen pathologi- abflachen oder verschwinden können, zudem kann
schen Befund. Im Kontrasteinlauf, der zum Aus- eine verstärkte Fältelung imponieren.
350 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
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352 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
6.7
Besondere Erkrankungen der Appendix
Die meisten der in den Abschnitten entzündliche, tu-
moröse oder sonstige Veränderungen des Dickdarms
besprochenen Erkrankungen können auch die Ap-
pendix betreffen. Daneben sind an dieser Stelle noch
einige besondere Erkrankungsformen zu beachten,
die im übrigen Kolon fehlen. Die Sonographie und
die Schnittbildverfahren sind bei der Diagnostik von
größerer Bedeutung als die Kontrastmitteluntersu-
chung in Form des Kontrasteinlaufs oder des Entero-
klysmas. Gelegentlich gibt auch die Abdomenaufnah-
6.7.1
Appendizitis
Abb. 6.88 a, b. Appendizitis. In der Sonographie findet sich im bildgebende Untersuchungsmethode eingesetzt. Bei
Längsschnitt (a) eine tubuläre Struktur mit verdickter echo- einer Appendizitis ist die normalerweise runde tubu-
armer Wand. Im Querschnitt (b) imponiert eine fast aus 3 Rin- läre Struktur mit reflexreichen Wandbegrenzungen
gen bestehende Struktur
und echoarmen Zentren asymmetrisch verdickt
(Abb. 6.88 a, b). Echoarme umgebende Strukturen
∑ hämato- oder enterogene Infektionen, weisen auf eine Periappendizitis hin. Sind diese echo-
∑ allergisch-immunologische Mechanismen oder armen umgebenden Strukturen groß, ist eine Perfo-
∑ anatomisch-biochemische Phänomene. ration wahrscheinlich. Schattenbildungen durch Gas
innerhalb dieser echoarmen Strukturen deuten auf
Die Entzündung kann sich nur in Form einer Rötung eine freie Perforation hin. Ein Appendixstein ist
und Schwellung äußern. Bei Fortbestehen kann sie zu ebenfalls durch den Schallschatten zu erkennen.
phlegmonöser, ulzeröser oder gangränöser Appendi- Die Veränderungen bei der Abdomenaufnahme
zitis mit Fibrinbelägen werden. Als Komplikationen sind nicht spezifisch. Lediglich der Nachweis eines
können sich daraus die gedeckte oder freie Perfora- Appendixsteins deutet auf eine Appendizitis hin.
tion mit konsekutiver Peritonitis oder umschriebene Befunde wie Spiegelbildungen im Zökalpol oder
Abszessbildungen entwickeln. Bei Kontakt zu Nach- terminalen Ileum, Gasblähung der Appendix, Ver-
barorganen können sich auch Fisteln, z. B. zur Harn- lust des rechten Flankenstreifens oder fehlender
blase, ausbilden. Eine Entwicklung zu einer chroni- Psoasschatten sind nicht beweisend für eine Appen-
schen Appendizitis ist ebenfalls möglich. dizitis.
Bei der akuten Appendizitis klagen die Patienten Der Kontrasteinlauf spielt bei der primären Dia-
über plötzlich einsetzende rechtsseitige Unterbauch- gnostik keine Rolle. Dieser Befund zusammen mit
schmerzen, Übelkeit, Brechreiz,Appetitlosigkeit, Los- der ausbleibenden Füllung deuten mit hoher Wahr-
lassschmerz, subfebrile Temperaturen und Leuko- scheinlichkeit auf eine Abszedierung hin.
zytose. Wird eine CT des Abdomens bei uncharakteristi-
Um die weiterhin hohe Zahl der unnötigen Appen- scher Beschwerdesymptomatik durchgeführt, so fin-
dektomien bei Verdacht auf Appendizitis mit patho- det sich im Falle der Appendizitis ein verdickter
logisch unauffälliger Appendix zu verringern, wird Wurmfortsatz mit umgebender streifiger Zeich-
zunehmend bereits frühzeitig die Sonographie als nungsvermehrung durch Ödem (Abb. 6.89).
354 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
Abb. 6.90. Perityphilitischer Abszess. In der CT findet sich Abb. 6.91. Fäkolithe und metalldichter Fremdkörper in der
eine abszesstypische, unregelmäßig begrenzte Formation mit Appendix. Beim Kontrasteinlauf stellt sich innerhalb des
zentralen Lufteinschlüssen und streifigen Ausläufern in die Wurmfortsatzes neben den Aussparungen druch Fäzes oder
Nachbargewebe auch Fäkolithen eine eckige schattengebende Struktur dar, die
einem kleinen Metallsplitter entspricht
6.7 Besondere Erkrankungen der Appendix 355
die dynamische Untersuchung des Beckenbodens. ten die Enterozelen nur anhand der MRT festgestellt
Nach einer kurzen historischen Betrachtung wird die werden. Vanbeckevoort et al. (1999) verglichen eben-
technische Durchführung unter Berücksichtigung falls diese beiden Methoden, allerdings erfolgte in
der aktuellen Literatur detailliert erläutert. Im An- dieser Studie bei der MRT keine Defäkation im Ge-
schluss folgt eine umfassende Erklärung der Bild- gensatz zur Kolpozystorektographie. Die ermittelten
interpretation mit Beispielen für die typischen Pa- Sensitivitäten bezüglich eines Scheidenabschlussde-
thologien der verschiedenen Beckenkompartimente szensus und einer Rektozele waren dann für die MRT
und die klinischen Anwendungsmöglichkeiten. im Vergleich deutlich niedriger. Dies unterstreicht
die Notwendigkeit des Defäkationsprozesses für eine
korrekte Diagnosefindung.
6.8.2 Kelvin et al. (2000) fanden beim Vergleich von Kol-
Historische Entwicklung pozystorektographie und funktioneller MRT gleich-
und Vergleich konventioneller röntgenologischer wertige Detektionsraten für einen Deszensus oder
Verfahren mit der funktionellen cine-MRT Prolaps der Beckenorgane, betonten aber, dass die
MRT den großen Vorteil einer umfassenden Darstel-
Die funktionelle cine-MRT der Beckenbodens wurde lung aller Beckenorgane einschließlich der Becken-
erstmals 1991 von Yang et al. und Kruyt et al. vor- bodenmuskulatur bietet.
gestellt. Sie beschrieben die Bewegung von Blase, Va-
gina und Rektum in Bezug zur pubokokzygealen und
symphysiosakralen Referenzlinie sowohl bei Pa- 6.8.3
tienten als auch bei asymptomatischen Probanden. Technische Durchführung
Goodrich et al. empfahlen die Technik 1993 für die
prä- und postoperative Beurteilung von Patientinnen 왔 Die funktionelle cine-MRT des Be-
Definition
mit Beckenbodenoperationen. Im Gegensatz dazu ckenbodens kann als eine Kombina-
konnten Delemarre et al. (1994) bei der Beurteilung tion aus statischer morphologischer Bildgebung und
einer anterioren Rektozele keinen Vorteil der MRT funktioneller dynamischer Darstellung mittels „Ein-
gegenüber der konventionellen Defäkographie er- frieren“ des Bewegungsablaufes erklärt werden.
kennen.
In den darauf folgenden Jahren wurde jedoch eine Der Begriff „funktionell“ darf hier keinesfalls ver-
zunehmende Anzahl an Studien veröffentlicht, die wechselt werden mit der dynamischen MRT mit in-
sich mit den unterschiedlichen Teilaspekten dieser travenösem Kontrastmittel oder gar der funktionel-
Untersuchungsmethode beschäftigten und die sämt- len Bildgebung zur Darstellung metabolischer Pro-
lich den Nutzen der funktionellen cine-MRT für die zesse (fMRI des Gehirns).
Untersuchung des Beckenbodens betonten und be- Auch heute gestatten die verfügbaren MRT-
weisen konnten, dass die MRT der konventionellen Sequenzen leider noch keine zufrieden stellende
Kolpozystorektographie und Defäkographie über- 3D-Abbildung der Bewegungsabläufe. Um diese Be-
legen oder zumindest gleichwertig ist (Bertschinger schränkung zu umgehen, gibt es 2 verschiedene Vor-
et al. 2002; Gufler et al. 1999; Hilfiker et al. 1998; gehensweisen, die Bewegungen aufzuzeichnen:
Kelvin et al. 2000; Lienemann et al. 1997; Singh et al.
∑ entweder werden mehrere aufeinander folgende
2001). So fanden Healy et al. (1997 a) eine signifikan-
Einzelschichten an derselben Schichtposition auf-
te Korrelation zwischen funktioneller cine-MRT und
genommen
konventioneller Defäkographie bezüglich der Stan-
∑ oder ein Schichtstapel, der eine komplette anato-
dardmesswerte der anorektalen Konfiguration bei
mische Region in einem bestimmten Bewegungs-
Patientinnen mit Obstipation. Zusätzlich zeigte die
zustand abdeckt.
MRT signifikante Veränderungen der muskulären
Parameter bei ansonsten normalen Defäkographien Die erste Möglichkeit erlaubt eine höhere zeitliche
(Healy et al. 1997 b). In der Studie von Schoenenber- Auflösung. Intrinsische (z. B. Darmmotilität) oder
ger et al. (1998) an Patienten mit Defäkationsstörun- extrinsische (z. B. Betätigung der Bauchpresse) Bewe-
gen entdeckte die funktionelle MRT bis auf einen Fall gungen können kontinuierlich an einer definierten
einer Intussuszeption alle pathologischen Befunde, Position verfolgt werden. Hierbei muss aber die Fre-
wohingegen in der Defäkographie 4 Befunde nicht zu quenz der Bildakquisition schneller sein als die zu er-
sehen waren. Gufler et al. (1999) verglichen die kon- wartende Frequenz der Bewegung selbst. Der große
ventionelle Kolpozystorektographie mit der funktio- Nachteil dieser Vorgehensweise besteht in der Be-
nellen MRT bei Patientinnen mit Organprolaps und schränkung auf nur eine einzige Bildebene.
Harninkontinenz. Bei ansonsten gleichen Ergebnis- Verwendet man stattdessen einen Schichtstapel,
sen in der Detektion pathologischer Befunde konn- führt dies zu einer längeren Akquisitionszeit. Hieraus
358 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
resultiert zum einen eine schlechtere zeitliche Auflö- Lage sein, die Kommandos während der Untersu-
sung, und die spezifische Belastung (Kontraktion chung zu verstehen und zu befolgen.
oder Pressen) kann nur schwer von der Patientin
über die gesamte Zeitspanne von z. B. 10 s konstant
gehalten werden, was häufig zu Bewegungsartefakten
Merke ! Eine detaillierte Instruktion der Pa-
tientin vor der Untersuchung sowie
führt. Darüber hinaus können relevante Befunde eine sehr gute Compliance sind unerlässlich für ein
verdeckt werden, wenn die Akquisition nur in einer Gelingen der Untersuchung.
bestimmten Stellung, z. B. beim maximalen Pressen,
erfolgt, da nicht der gesamte Bewegungsablauf abge- Laut Literatur untersuchen die meisten Autoren ihre
bildet werden kann. Patienten nur in der Ruheposition und während der
Vergleicht man die Literatur zur funktionellen Betätigung der Bauchpresse (Valsalva-Manöver; Fiel-
cine-MRT, so kristallisieren sich folgende Punkte als ding et al. 1998; Goh et al. 2000; Goodrich et al. 1993;
kleinster gemeinsamer Nenner für die Durchführung Healy et al. 1997 b; Singh et al. 2001; Unterweger et al.
heraus: 2001; Vanbeckevoort et al. 1999; Yang et al. 1991). Um
jedoch die korrekte Funktion des M. levator ani in
∑ Hochfeldsystem,
Hinblick auf ein Levator-ani-Syndrom oder eine
∑ Rückenlage oder sitzende Position der Patientin,
Stuhlentleerungsstörung beurteilen zu können, muss
∑ Verwendung von Oberflächenspulen,
die Beckenbodenmuskulatur mindestens einmal
∑ Akquisition eine Nicht-EPI-Sequenz in mediosa-
während der gesamten Untersuchung kontrahiert
gittaler Schichtposition in Ruhe und bei maxima-
werden. Darüber hinaus sollte unbedingt die Entlee-
lem Pressen.
rung des Rektums während der Untersuchung erfol-
gen.
Gerätetechnische Voraussetzungen Vanbeckevoort et al. (1999) konnten eindrücklich
und Patientenlagerung die Bedeutung des Defäkationsvorganges belegen,
Die meisten Autoren verwenden für die dynamische indem sie die konventionelle Kolpozystorektogra-
Untersuchung des Beckenbodens ein 1,5 T-Hochfeld- phie mit der funktionellen MRT ohne rektale Ent-
gerät mit der Möglichkeit, Scans im Subsekunden- leerung verglichen. Der Verzicht auf die Defäkation
bereich und einer 512er Matrix mit einem akzepta- führte zu einer signifikant niedrigeren Sensitivität
blen Signal-zu-Rausch-Verhältnis auszuführen (Bert- der MRT für die Entdeckung von Beckenbodendefek-
schinger et al. 2002; Goodrich et al. 1993; Kelvin et al. ten. Daher empfehlen wir für das Untersuchungspro-
2000; Lienemann et al. 1997; Unterweger et al. 2001; tokoll die folgende Abfolge an unterschiedlichen
Yang et al. 1991). Alle anderen Studien wurden an Funktionszuständen der Beckenbodenmuskulatur:
einem offenen 0,5 T-System durchgeführt (Fielding Ruhe – kontrahieren – entspannen – pressen – rektal
et al. 1998; Hilfiker et al. 1998; Kruyt et al. 1991; Law entleeren – entspannen (Bertschinger et al. 2002; Hil-
et al. 2001). Letzteres bietet den Vorteil, die Patientin fiker et al. 1998; Kelvin et al. 2000; Sprenger et al.
aufrecht sitzend untersuchen zu können. Diese für 2000). Dieser Untersuchungszyklus kann und sollte
die Defäkation physiologischere Stellung kann in ei- bis zur vollständigen rektalen Entleerung wiederholt
nem geschlossenen System nicht eingenommen wer- werden. Unserer Erfahrung nach sind hierfür zwi-
den, die Untersuchung muss hier im Liegen durchge- schen 2 und 4 Zyklen notwendig.
führt werden. Die Rückenlage ist dabei der Bauchla- Falls die Patientin aus Schamgefühl oder aufgrund
ge vorzuziehen (Delemarre et al. 1994; Kruyt et al. der ungewohnten Rückenlage im Gerät nicht in der
1991), da sie stabiler und für die Patientin angeneh- Lage ist, das Rektum zu entleeren, kann gemäß Kel-
mer ist. vin et al. (2000) ein dreiteiliger Ansatz gewählt wer-
Nachteil der offenen MR-Tomographen ist das den, bei dem ein zusätzlicher Untersuchungszyklus
eingeschränkte Signal-zu-Rausch-Verhältnis auf- akquiriert wird, nachdem die Patientin zur Defäka-
grund des manchmal ungünstigen Designs der Ober- tion die Toilette aufgesucht hat. Andere Belastungs-
flächenspulen, was zusammen mit der begrenzten arten des Beckenbodens wie Husten oder Miktion
zeitlichen und örtlichen Auflösung zu einer insge- werden im Allgemeinen nicht untersucht.
samt deutlich schlechteren Bildqualität führt.
Patientenführung
Merke ! Bei der funktionellen Untersuchung
muss der Untersuchungszyklus unter
Um zufrieden stellende Bilder zu erhalten, ist eine Umständen mehrmals wiederholt werden, bis eine
vorherige detaillierte und umfassende Aufklärung ausreichend kräftige Betätigung der Bauchpresse
der Patientin über den Ablauf der Untersuchung erreicht wird und die Defäkation erfolgt ist.
unerlässlich. Eine sehr gute Patientenkooperation ist
zwingend erforderlich, und die Patientin muss in der
6.8 Funktionelle cine-MRT des Beckenbodens 359
Der Zeitaufwand für die gesamte Untersuchung be- Unterweger et al. 2001). Letzteres ist nötig, damit
wegt sich normalerweise zwischen 9 und 30 min nicht durch eine Kombination aus voller Blase und
(Bertschinger et al. 2002; Lienemann et al. 1997).Was- Zystozele der gesamte Hiatus genitalis blockiert wird
serdichte Unterlagen und Windelhosen verhindern und so eine Rektozele oder Enterozele maskiert wer-
zuverlässig eine Verschmutzung des Gerätes und des den würde.
Untersuchungstisches (Healy et al. 1997 a; Liene- Die Kontrastierung der Vagina wird ebenfalls
mann et al. 1997). In einer Umfrage unter 60 Patien- nicht einheitlich gehandhabt. Normalerweise wird
tinnen, die sowohl eine Kolpozystorektographie als Sonographiegel instilliert, was einfach in der Hand-
auch eine funktionelle Beckenboden-MRT erhalten habung, kostengünstig und gut verträglich ist. Damit
hatten, bevorzugten 90,7% die MRT gegenüber der wird immer eine Darstellung der gesamten Vagina
konventionellen Durchleuchtungsmethode (Spren- und insbesondere des hinteren Scheidengewölbes er-
ger et al. 2000). Der Grund dafür könnte die geschütz- reicht (Kelvin et al. 2000; Lienemann et al. 1997).
tere, intimere Atmosphäre im Inneren der Röhre sein Während des Valsalva-Pressmanövers wird das Gel
wie auch das Bewusstsein, den Untersuchungszyklus passiv aus der Vagina entleert, sodass die Organ-
falls nötig auch mehrmals wiederholen zu können, beweglichkeit nicht eingeschränkt ist (Hodroff et al.
wenn beim ersten Versuch das Pressen oder die Defä- 2002).
kation nicht gut funktionieren. Zur Füllung des Rektums wurde ebenfalls eine
Vielzahl verschiedener Kontrastmittel verwendet. In
Kontrastierung der Organe den Studien, bei denen eine Defäkation angestrebt
Auf den normalerweise für die funktionelle cine- wurde, wurde entweder Sonographiegel (Hodroff et
MRT verwendeten T2-gewichteten Sequenzen stellen al. 2002; Kelvin et al. 2000; Lienemann et al. 2000 b),
sich flüssigkeitsgefüllte Strukturen wie die Blase oder Kartoffelbrei (Bertschinter et al. 2002; Hilfiker et al.
Dünndarmschlingen hyperintens dar. Andere Orga- 1998; Roos et al. 2002) oder dünne Gummiröhrchen
ne wie Vagina, Rektum, Analkanal und Muskeln zei- (Healy et al. 1997 a) verwendet.
gen jedoch nur eine mittlere oder niedrige Signalin- Wir benutzen heute für unsere Untersuchungen
tensität, sodass ihre Abgrenzbarkeit und Beurteilung ausschließlich Sonographiegel als Kontrastmittel.
schwierig bis unmöglich ist. Um dies zu vermeiden, Mit einer Olivensonde für die rektale Applikation
wurde in Studien immer eine Kontrastierung von werden zuerst 20–30 ml Gel in die Vagina und an-
Blase, Urethra, Vagina und Rektum durchgeführt schließend 200–300 ml in das Rektum gefüllt. Dieses
(Lienemann et al. 1997; Sprenger et al. 2000). Die Vorgehen hat sich als schnelle, einfach auszuführen-
Harnblase wurde hierfür über einen 26 French- de und kostengünstige Methode mit einer ausge-
Foley-Katheter mit 60 ml Kochsalzlösung retrograd zeichneten Organkontrastierung bewährt. Auf eine
gefüllt, die Urethra wurde mit einem in Gadolinium- vollständige Kontrastierung von Blase und Urethra
haltiges Kontrastmittel (Magnevist, Schering, Berlin, wird verzichtet, die Patientin soll vor der Untersu-
Germany) getränkten Baumwollfaden markiert. chung die Blase entleeren.
Ähnlich verfuhren auch Kelvin et al. (2000) und Ho-
droff et al. (2002), die zur Abgrenzung der Urethra
dünne Katheter verwendeten und die Blase mit ei- Merke ! Vorbereitung der Patientin für die
Untersuchung: Entleerung der Harm-
nem NaCl-Kontrastmittel-Gemisch füllten. blase, Kontrastierung von Vagina und Rektum mit
Aufgrund des erheblichen zeitlichen Aufwands, Ultraschallgel.
der für die Patientin sehr unangenehmen Prozedur
und der Gefahr, eine Zystitis zu induzieren oder gar Verständlicherweise bestehen sowohl beim Bedie-
den Markierungsfaden in die Blase zu dislozieren, nungspersonal als auch bei den Patientinnen immer
haben wir dieses Kontrastierungsverfahren in unse- wieder Bedenken, dass die Defäkation auf dem MRT-
ren späteren Studien unterlassen (Lienemann et al. Tisch zu einer Verunreinigung des Gerätes führen
2000 b; Sprenger et al. 2000). Ein diagnostischer könnte. Nach unseren eigenen Erfahrungen wurden
Nachteil ergab sich hierdurch nicht, es sollte im Ge- sämtliche Ausscheidungen immer zuverlässig in der
genteil bedacht werden, dass der Katheter als eine Art Windel zurückgehalten, sodass es nie zu einer Ver-
Schienung die Beweglichkeit der Urethra erheblich schmutzung des Gerätes kam. Um aber die Unan-
behindern kann. nehmlichkeiten für die Patientin zu minimieren,
Die Methoden zur Kontrastierung von Blase und sollte unbedingt eine Toilette mit Waschmöglichkeit
Urethra sind in der Literatur keineswegs einheitlich. in unmittelbarer Nähe des MRT-Untersuchungsrau-
Die meisten Autoren verzichten komplett auf eine mes verfügbar sein.
Kontrastmittelfüllung und lassen im Gegenteil die
Patientin die Blase vor der Untersuchung vollständig
entleeren (Bertschinger et al. 2002; Roos et al. 2002;
360 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
Finden sich auf den so erhaltenen Bildern unklare einer Kranialbewegung des Schambeins während des
Befunde, so sollten entlang der fraglichen Struktu- Pressens. Zusätzlich zeigte sich eine signifikante Zu-
ren noch zusätzlich schräge oder doppelt-schräge nahme des Abstands zwischen dem hinteren unteren
Schichtebenen ergänzt werden. Hierzu ist eine On- Symphysenrand und der Vorderkante von SWK 5
line-Beurteilung der Bilder während der Akquisition bzw. der Spitze des Os coccygis. Diese Studie kam
durch den Befunder nötig, um sofort Sequenzen ent- zu dem Schluss, dass dies zu einer zunehmenden
sprechend ergänzen zu können. Druckbelastung des Beckenbodens führen könnte
und dadurch eine Schwächung der Beckenboden-
strukturen mit Deszensus oder Prolaps resultieren
6.8.4 könnte.
Bildanalyse Ähnliche Ergebnisse berichtete Handa et al.
(2003), die eine Assoziation von Beckenbodenfunk-
Nach der Bildakquisition müssen die Einzelbilder ge- tionsstörungen mit einem größeren queren Becken-
mäß ihrer anatomischen Position und der zeitliche durchmesser und einer kürzeren Conjugata obstetri-
Abfolge sortiert werden und können dann als Film- ca beobachteten.
schleife betrachtet werden. Obwohl der subjektive Nach unseren eigenen Erfahrungen tendieren
visuelle Eindruck der Organbewegungen eindrück- mehr als die Hälfte aller Patientinnen dazu, das Be-
lich und für die Befundung ausschlaggebend ist, wur- cken nach ventrokranial zu kippen, um die Defäka-
den bestimmte Hilfslinien und Messmethoden ent- tion zu unterstützen. Zusätzlich wölbt sich die Bauch-
wickelt, um das Ausmaß der beobachteten Patholo- wand durch die Erschlaffung der geschwächten vor-
gien zu quantifizieren. Leider besteht bis heute keine deren Bauchwandmuskulatur nach vorne. Die For-
generelle Übereinstimmung darin, was und wie ge- men von Os sacrum und Os coccygis variieren
messen wird. erheblich, was man gut anhand der mediosagittalen
Folgende Punkte sollten als Leitfaden bei der Bild- MRT-Bilder sehen kann.
analyse berücksichtigt werden: Ein einfaches Computermodell der Bauch- und
Beckenhöhle kann diese Zusammenhänge gut ver-
∑ die knöchernen Beckenstrukturen,
anschaulichen: Eine zunehmende Erschlaffung der
∑ Muskeln und Bänder des Beckenbodens,
Bauchwand und/oder eine tiefe Wölbung des Os
∑ das Bewegungsausmaß der Beckenorgane und
sacrum und Os coccygis verringern den Druck auf
der Referenzstrukturen unter den unterschiedli-
den Beckenboden. Dies könnte die willentliche Aus-
chen Belastungszuständen.
lösbarkeit der Defäkation oder Miktion beeinflussen.
Darüber hinaus entdeckt man häufig perineurale
Knöcherne Beckenstrukturen Zysten (Tarlov-Zysten) am lumbosakralen Übergang
Die funktionelle cine-MRT sollte nicht verwechselt oder am Os sacrum. Die Prävalenz dieser Zysten liegt
werden mit der MR-Pelvimetrie und kann diese auch insgesamt bei 4,6%, wir beobachteten sie jedoch in
nicht ersetzen. Dennoch kann es manchmal hilfreich unserem Patientengut bei 12%. Perineurale Zysten
sein, auf den statischen Übersichtssequenzen einen können symptomatisch werden, indem sie Druck auf
Blick auf die knöchernen Strukturen zu werfen. Das die Nervenwurzel ausüben (Paulsen et al. 1994). Bis
Becken ist Teil der Abdominalhöhle und ist den jetzt ist aber nicht bewiesen, ob dies sekundär zu
darin auftretenden wechselnden Kräften ausgesetzt. einer Beckenbodenschwächung führen kann.
Die Beckenknochen als umgebende Strukturen Andere Zufallsbefunde sind okkulte Stressfrak-
schützen und unterstützen dabei die Weichteilstruk- turen oder die Kokzygodynie. Bei letzterer zeigt sich
turen. Retzky et al. (1996) beschreiben ein rechtwink- ein Knochenödem sowie ein schmaler Flüssigkeits-
liges Verhältnis zwischen der Abdominal- und der saum um das Os coccygis. Man sollte auf die Konfigu-
Beckenhöhle bei einem normal konfigurierten Be- ration und Beweglichkeit des Os coccygis achten. Bo
ckenskelett. Ihrer Meinung nach wird dadurch der et al. (2001) maßen eine Bewegung um 8,1 mm nach
Druck vom Beckenboden weg auf die Symphyse ventrokranial bei Beckenbodenkontraktion und um
umgeleitet. 3,7 mm nach kaudodorsal beim Pressen. Ein statis-
Lazarevski (1974) verglich 340 Frauen mit einem tisch signifikanter Unterschied zwischen kontinen-
Prolaps von Beckenorganen mit einer Kontrollgrup- ten und inkontinenten Frauen ließ sich jedoch nicht
pe von 136 Frauen ohne Beckenbodendeszensus. Die feststellen.
Pelvimetrie anhand konventioneller Röntgenaufnah-
men zeigte signifikante Unterschiede bezüglich der Muskeln und Bänder des Beckenbodens
knöchernen Parameter zwischen den beiden Grup- Beim Beckenboden als Ganzes handelt es sich nicht
pen. In der Patientengruppe fand sich eine mehr ho- einfach um eine lineare Platte oder „Hängematte“, die
rizontale Ausrichtung oder Kippung des Beckens mit zwischen den knöchernen Strukturen aufgespannt
362 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
ist, sondern um ein komplexes dreidimensiona- Der Winkel der Levatorplatte ist der Winkel zwischen
les Gebilde (Hjartardottir et al. 1997). Längen- und dem dorsalen Anteil des M. levator ani (iliococcygea-
Dickenmessungen auf zweidimensionalen MRT-Bil- ler Abschnitt) in der mediosagittalen Schichtführung
dern können dadurch erheblich variieren. Hoyte u. und der pubokokzygealen Referenzlinie (PCL; s. un-
Ratiu (2001) maßen in einer Studie die anterioposte- ten). Ähnlich wird der Levator-Vagina-Winkel be-
riore Ausdehnung des Hiatus levatoris auf leicht ro- stimmt, indem man den Winkel zwischen dem dorsa-
tierten Aufnahmen. Die berechneten und gemesse- len Anteil der Levatorplatte und der Längsachse des
nen Werte unterschieden sich dabei um bis zu 15%. oberen Vaginaldrittels misst (Singh et al. 2001). Ein
Hierfür gibt es mehrere Gründe: Als wichtigster ist anderer Parameter zur Bestimmung der Ausrichtung
anzuführen, dass die meisten Schichtebenen den ent- und Steilheit des M. iliococcygeus ist der Winkel zwi-
sprechenden Muskel auf den MRT-Bildern nicht schen diesem Muskel und der der horizontalen Be-
rechtwinklig treffen, sondern ihn schräg schneiden, ckenebene auf den koronaren Bildern (Singh et al.
sodass die Messwerte der Muskeldicke hierdurch 2002). Bei allen Winkelmessungen ist jedoch die sehr
mehr oder weniger zu groß ausfallen. Zudem kann große Inter- und sogar auch Intraobserver-Variabili-
die Patientenposition im MRT-Scanner schräg bzw. tät zu bedenken. Sie liegt darin begründet, dass die
asymmetrisch sein. Auf eine korrekte Patientenposi- meisten anatomischen Strukturen nicht vollständig
tionierung sollte daher unbedingt geachtet werden. eben sondern leicht gekrümmt sind, z. B. die Levator-
platte, die Vaginalwand oder die Rektumwand. Das-
Merke ! Auf dem koronaren Localizer sollten
die Acetabulumdächer auf gleicher
selbe gilt mehr oder weniger für alle Winkelmessun-
gen, die Strukturen des Beckenbodens betreffen und
Höhe liegen, und eine Verkippung des Beckens ent- macht diese insgesamt sehr fragwürdig.
lang der vertikalen Achse sollte vermieden werden. Dennoch kann die Betrachtung der Form des
M. levator ani zusätzliche Informationen enthüllen.
Bereits eine Abweichung um 5–10% führt zu dem Muskeldefekte mit oder ohne Hernierung sieht man
visuellen Eindruck einer Muskelasymmetrie. Außer- am besten auf den koronaren Schichten. Eine steile
dem sollte man insbesondere bei dünnen Strukturen Ausrichtung des kokzygealen Anteils des M. levator
von wenigen Millimetern Dicke die Interobserver- ani auf den mediosagittalen Bildern in Kombina-
Variabilität beachten. An den meisten Auswertungs- tion mit einer Ballonierung des puborektalen Anteils
plätzen ist die Messgenauigkeit auf 1 mm limitiert. auf den axialen Bildern ist ein starker Hinweis auf
Nichtsdestotrotz wurde in der Literatur eine Viel- eine Beckenbodenschwäche (vgl. Abb. 6.94 c, d). Eine
zahl an Parametern ausgewertet, die die Beckenbo- Asymmetrie oder gar ein kompletter Verlust des
denmuskulatur beschreiben: rechten Teils des M. puborectalis findet man häufig
bei Frauen, die bei der Geburt eine Episiotomie er-
∑ die Weite des Levatortores auf axialen (Fielding
halten haben. Andere mögliche Diagnosen können
2002; Goh et al. 2000; Hoyte u. Ratiu 2001; Kelvin
intramuskuläre Hämatome durch starkes Pressen,
et al. 2000; Lienemann et al. 2000 b; Sprenger et al.
ein verdickter kokzygealer Muskelanteil bei Levator-
2000), koronaren (Goodrich et al. 1993; Hjartar-
ani-Syndrom oder ausgedehnte Narben durch voran-
dottir et al. 1997) oder sagittalen (Comiter et al.
gegangene Operationen sein.
1999; Singh et al. 2002) Schichten,
Die Bandstrukturen des Beckenbodens spielen ei-
∑ die Dicke des iliokokzygealen Anteils des M. leva-
ne wichtige Rolle bei der Fixierung der Beckenorga-
tor ani auf axialen und koronaren Schichten
ne. Risse in diesen Ligamenten werden verantwort-
(Singh et al. 2002),
lich gemacht für die Ausbildung einer Rektozele oder
∑ der Bewegungsumfang des M. levator ani auf
eines Deszensus von Vagina und Uterus (Chen et al.
koronaren Schichten (Hjartardottir et al. 1997),
2006). Ihre anatomische Existenz und ihr Einfluss auf
∑ die Querschnittsfläche und die Oberfläche des
die Stabilität des Beckenbodens werden jedoch wei-
M. levator ani (Goh et al. 2000; Healy et al. 1997 b;
terhin kontrovers diskutiert (Frohlich et al. 1997). In
Lienemann et al. 2000 b; Singh et al. 2001).
der funktionellen cine-MRT sind keine weiteren
Zusätzlich wurden 3 verschiedene Winkelmessungen Bandstrukturen abgrenzbar außer den folgenden 3:
vorgeschlagen:
∑ das Septum rectovaginale,
∑ der Winkel der Levatorplatte („levator plate ∑ die anokokzygealen Bänder und
angle“/LPA; Goh et al. 2000; Goodrich et al. 1993; ∑ die Ligg. sacrouterina.
Healy et al. 1997 b; Hodroff et al. 2002),
Die beiden erstgenannten Strukturen kann man am
∑ der Levator-Vagina-Winkel (Goodrich et al. 1993;
besten in den mediosagittalen Bildern abgrenzen,
Hodroff et al. 2002) und
wohingegen sich die sakrouterinen Ligamente be-
∑ der iliokokzygeale Winkel (Singh et al. 2002).
sonders gut auf den koronaren Schichten abbilden.
6.8 Funktionelle cine-MRT des Beckenbodens 363
a b
Abb. 6.94 a–d. Kombinierter Organdeszensus bei einer 40- derholtem Pressen und Defäkation sind Rektum (R) und Rek-
jährigen Patientin (Primipara) mit Stuhlentleerungsstörung. tozele (großer Pfeil) nun weitestgehend entleert. In den da-
Funktionelle T2-gewichtete MRT-Bilder (True-FISP) des Be- durch freigewordenen Raum im Hiatus urogenitalis prolabie-
ckens (a–c mediosagittal, d axial) in Ruhelage (a) und beim ren nun Blase (B) und Uterus (U) bis weit unter die PCL im
Pressen (b–d). a Normale Position von Blase (B), Vagina (V) Sinne einer ausgeprägten Zystozele und eines Uterusdeszen-
und Uterus (U) oberhalb der pubokokzygealen Referenzlinie sus, die wiederum von ventral das Rektumlumen komprimie-
(PCL, weiße Linie). Das Rektum (R) ist gerade, und die Vorder- ren. Der relaxierte M. levator ani verläuft annähernd vertikal
wand ist nicht vorgewölbt. Der M. levator ani verläuft ausge- (schwarze Pfeile). d In der axialen Schichtführung auf Höhe
hend vom Os coccygis schräg nach ventrokaudal (schwarze der Symphyse ist der Hiatus genitalis balloniert als Ausdruck
Pfeile), die PCL entspricht weitgehend dem Muskelverlauf. Va- der muskulären Insuffizienz des M. levator ani (puborektale
gina und Rektum sind mit Sonographiegel gefüllt. b Während Anteile, Pfeile). Die deszendierte Blase (B), der Uterus (U) und
des ersten Presszyklus wölbt sich die Rektumvorderwand nach das Rektum (*) kommen zwischen den beiden Schenkeln des
ventral und bildet eine große anteriore Rektozele (Pfeile). Bla- M. puborectalis zur Darstellung
se (B) und Uterus (U) treten lediglich gering tiefer. c Nach wie-
Das Septum rectovaginale findet sich in den medio- Beurteilung der Verlagerung der Beckenorgane –
sagittalen Schichten zwischen der hinteren Vaginal- Referenzlinien
wand und der Vorderwand des Rektums, die beide Um den Bewegungsumfang der Beckenorgane unter
auf den funktionellen Sequenzen eine niedrige bis Belastung zu beurteilen, wurde eine Vielzahl von Re-
mittlere Signalintensität aufweisen. Eine Separation ferenzlinien eingeführt. Die ideale Referenzlinie soll-
dieser beiden Strukturen durch eine schmale Linie te dabei bestimmte Kriterien erfüllen:
hoher Signalintensität auf T2-gewichteten Bildern
1. Markierung der Ebene des M. levator ani als wich-
kann gelegentlich durch einen tiefen Douglas-Raum
tigste Haltestruktur des gesamten Beckenbodens,
verursacht sein.
2. Unabhängigkeit von der Beckenkippung durch
Verwendung von 2 oder mehreren knöchernen
Fixpunkten,
364 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
a b c
Abb. 6.95 a–c. 71-jährige Patientin (Multipara, Z. n. Hysterek- Pfeile). Diese anteriore und posteriore Rektozele stabilisiert
tomie) mit Stuhlentleerungsstörung. Mediosagittale T2-ge- die Position von Blase (B) und hinterem Scheidengewölbe (*),
wichtete MRT-Bilder (True-FISP) des Beckens in Ruhe (a) und die beide oberhalb der PCL verbleiben. c Nach fast vollständi-
bei wiederholtem Pressen (b,c). a In Ruhelage regelrechte Dar- ger Entleerung des Rektums und der Rektozele (Pfeil) ent-
stellung von Blase (B), Vagina (V) und Rektum (R) oberhalb wickelt sich im nachfolgenden Presszyklus jetzt im dadurch
der PCL (weiße Linie). Die Blase ist nur gering mit Harn ge- freigewordenen Platz im Hiatus genitalis eine große Enteroze-
füllt.Vagina und Rektum sind mit Gel kontrastiert. b Während le (E), bei der sich mesenteriales Fettgewebe und Dünndarm-
des ersten Presszyklus deszendiert das Rektum weit unter die schlingen entlang des Septum rectovaginale bis zum Perineum
PCL, und es bildet sich am noch gut gelgefüllten Rektum (R) vorschieben. Es finden sich zusätzlich ein Scheidenabschluss-
eine deutliche Vorwölbung der Rektumwand sowohl nach ven- deszensus (*) unter die PCL sowie eine Zystozele. Das Sono-
tral in Richtung des Perineums als auch nach dorsal (weiße graphiegel hat sich passiv aus der Vagina entleert
3. Beschreibung der Organbeweglichkeit in mindes- sprungspunkt des M. levator ani (Gufler et al. 1999)
tens 2 verschiedenen Bildebenen, am Os coccygis. Während die meisten Autoren den
4. Möglichkeit, die MRT-Ergebnisse mit den Ergeb- Abstand zwischen Organ und PCL messen, indem sie
nissen der klinischen Untersuchung und den kli- eine rechtwinklige Linie ziehen, bevorzugen andere
nischen Klassifikationssystemen zu vergleichen. Autoren eine vertikale Linie (Unterweger et al. 2001;
Yang et al. 1991). Die PCL erfüllt sicher die oben ge-
Bis heute erfüllte keine der gebräuchlichen Referenz- nannten Kriterien 1. und 2. und eignet sich zum Ver-
linien alle diese Kriterien. gleich zwischen MRT und klinischem Befund.
Die weitaus am häufigsten verwendete Referenz-
linie ist die so genannte pubokokzygeale Linie (PCL;
vgl. Abb. 6.94 a–c, Abb. 6.95 a–c, Abb. 6.97 b). Sie wur- Merke !
Die gebräuchlichste Referenzlinie zur
Beurteilung eines Deszensus der Be-
de für die funktionelle cine-MRT 1991 erstmals ckenorgane ist die pubokokzygeale Referenzlinie
von Yang et al. eingeführt. Ursprünglich wurde sie (PCL).
bereits seit langer Zeit in der konventionellen Zysto-
graphie und Defäkographie verwendet, um den Das HMO-System von Comiter et al. (1999) basiert
Organdeszensus zu beurteilen. Unglücklicherweise ebenfalls auf der PCL. Zusätzlich verwendet er den
werden in der Literatur 3 verschiedene Arten der PCL hinteren anorektalen Übergang als dritten Fixpunkt
erwähnt mit zusätzlich 2 verschiedenen Methoden, auf den mediosagittalen Aufnahmen und bestimmt
um den Abstand zwischen Referenzorgan und PCL die Weite des Hiatus genitalis (H-Linie) von dort bis
zu bestimmen. zum hinteren Rand der Symphyse. Die so genannte
Alle PCL werden auf den mediosagittalen Bildern M-Linie ist der rechtwinklige Abstand des anorekta-
eingezeichnet und beginnen an der unteren hinteren len Übergangs zur PCL. Mit der O-Klassifikation
Kante der Symphyse. Der zweite knöcherne Fixpunkt wird zuletzt der Grad des Organdeszensus qualitativ
ist dann entweder das erste sakrokokzygeale Gelenk eingeteilt bezüglich des Ausmaßes des Tiefertretens
(Bo et al. 2001; Healy et al. 1997 b; Hodroff et al. 2002; unter die H-Linie.
Rentsch et al. 2001), der unterste sichtbare kokzygea- In einer Studie an 164 Patientinnen mit Beckenbo-
le Zwischenwirbelraum (Bertschinger et al. 2002; denschmerzen oder Organprolaps erwies sich dieses
Fielding et al. 1998; Goh et al. 2000; Law et al. 2001; Klassifikationssystem als eine einfache und gut re-
Lienemann et al. 1997; Yang et al. 1991) oder der Ur- produzierbare Methode zur Einteilung und Quantifi-
6.8 Funktionelle cine-MRT des Beckenbodens 365
Diagnose Befund
zierung von Beckenbodenschwäche und Organ- mit klinischen Befunden, da sie annähernd der
prolaps. Diese Studie zeigt jedoch einige Schwach- Ebene des Introitus vaginae entspricht (ebd.).
punkte. Der anorektale Übergang stellt einen Letztlich macht die Vielzahl dieser unterschiedli-
muskulär-bindegewebigen Fixpunkt dar, der auf den chen verwendeten Referenzlinien einen Vergleich der
sagittalen Bildern insbesondere bei fehlender rekta- veröffentlichten Ergebnisse so gut wie unmöglich.
ler Kontrastmittelapplikation schwer festzulegen ist.
Eine Bewertung der Inter-/Intraobserver-Variabilität Definition pathologischer Befunde
wurde nicht durchgeführt, und die Stadieneinteilung Um eine Diagnose stellen zu können, werden be-
des Organprolapses mit der O-Klassifikation ist rein stimmte Referenzorgane bezüglich ihrer Position zu
subjektiv. Ein Vergleich mit klinischen Untersu- den Referenzlinien beurteilt. Für das vordere Becken-
chungsergebnissen fand nicht statt. Es bleibt daher bodenkompartiment ist die Leitstruktur der Blasen-
sehr fraglich, besonders auch unter Berücksichti- boden bzw. der kaudaleste Anteil der Blasenwand, für
gung der genannten Kriterien 2., 3. und 4., ob dieses das mittlere Kompartiment ist es die Zervix oder das
Beurteilungssystem in die Bildanalyse im klinischen hintere Scheidengewölbe. Im hinteren Komparti-
Alltag Eingang finden wird. ment ist die einzige Referenzstruktur der anorektale
Andere vorgeschlagene Referenzlinien sind auf Übergang (Tabelle 6.16, Tabelle 6.17).
mediosagittalen Bildern die horizontale Linie auf
Höhe des Unterrandes der Symphyse (Bertschinger 왔 Ein Tiefertreten eines oder mehrerer
Definition
et al. 2002; Lienemann et al. 2000 b; Sprenger et al. Beckenorgane unter die PCL bei ma-
2000), die symphysiosakrale Linie zwischen dem ximaler Betätigung der Bauchpresse ist als pathologi-
Oberrand der Symphyse und dem distalen Ende des scher Organdeszensus zu werten.
Os sacrum (Delemarre et al. 1994) sowie die Läng-
sachse durch die Symphyse (Singh et al. 2001). Letzt- In der gesamten Literatur wird als Referenzlinie zur
genannte hat eine gewisse Bedeutung beim Vergleich Beurteilung der Position von Harnblase, Uterus oder
366 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
Hinteres Beckenkompartiment
Das Rektum verhält sich wie ein flexibler und dehn- Abb. 6.98. 74-jährige Patientin mit anamnestisch erschwerter
und unvollständiger Defäkation. Koronares T2-gewichtetes
barer Schlauch, es kann sich einfalten und abknicken MRT-Bild (True-FISP) bei maximalem Pressen. Linksseitige
und nach ventral oder lateral verlagern. Am häufig- große laterale Rektozele (Pfeile), die nur auf den koronaren
sten beobachtet man eine Vorwölbung der Rektum- Bildern abgebildet ist und anhand der sagittalen Bilder nicht
entdeckt werden kann (A Analkanal)
vorderwand nach ventral (Pannu et al. 2000). Diese
anterioren Rektozelen sind bis zu einem gewissen
Grad normal, und sogar sehr große Rektozelen kön-
nen klinisch asymptomatisch sein. In der Literatur
wird eine Rektozele mit einer Tiefe von >3 cm als pa-
thologisch angesehen (Yoshioka et al. 1991). Es soll
hier aber nochmals betont werden, dass ein gro-
ßer Überschneidungsbereich zwischen gesunden
Probanden und Patientinnen mit Beckenbodenin-
suffizienz existiert (Shorvon et al. 1989). Eine Rekto-
zele kann sich nach ventral (gegen den distalen
Abschnitt der hinteren Vaginalwand, vgl. Abb. 6.94 b,
Abb. 6.95 b, Abb. 6.96), nach lateral (Abb. 6.98) oder
dorsal (vgl. Abb. 6.95 b) ausbilden.
Es ist wichtig darauf zu achten, ob sich die Rekto-
zele bei der Defäkation vollständig entleert oder ob
Kontrastmittel in der Rektozele gefangen bleibt. Late-
rale Rektozelen können auf den mediosagittalen Bil-
dern nicht entdeckt werden, stellen sich dagegen sehr
gut auf den koronaren Schichten dar (vgl. Abb. 6.98).
Die Verlagerung des anorektalen Übergangs in Bezug Abb. 6.99. 66-jährige Patientin mit Stuhlinkontinenz. Medio-
zur PCL wird als Parameter zur Definition eines sagittales T2-gewichtetes funktionelles MRT-Bild während der
Defäkation. Die Pfeile markieren einen internen Rektumpro-
Rektumdeszensus verwendet (Goh et al. 2000; Healy laps, bei dem sich die Rektumschleimhaut und die Rektum-
et al. 1997 a; Kruyt et al. 1991; Singh et al. 2001). wand in Richtung des weit geöffneten Analkanals (*) nach in-
Eine Intussuszeption ist eine Invagination der nen einstülpen. Mäßiger Deszensus von Blase (B) und Vagina
Rektumschleimhaut oder der Rektumwand, die Teil- (V)
bereiche oder auch die gesamte Zirkumferenz des
Rektums betreffen kann. Eine Intussuszeption stellt
sich als umschriebene Verdickung der Rektum- mediosagittalen Bildern dar (Abb. 6.99). Der innere
schleimhaut oder der Wand dar. Eine Abwärtsbewe- Rektumprolaps kann schließlich durch den Anal-
gung dieses Rektumsegments in Richtung Analkanal kanal vortreten und geht damit in einen externen
markiert den Beginn eines internen Rektumprolaps. Rektumprolaps über. Häufig führt ein Deszensus
Man beachte, dass die Unterscheidung zwischen In- oder Prolaps im mittleren Beckenkompartiment zu
tussuszeption und internem Rektumprolaps nicht einer Kompression der vorderen Rektumwand (vgl.
exakt definiert ist und die beiden Termini in der Lite- Abb. 6.94 c). Dies kann die Ausbildung eines internen
ratur oft simultan gebraucht werden. Ein fort- Rektumprolaps begünstigen und kann die Ursache
geschrittener innerer Rektumprolaps stellt sich oft für einen Stuhlverhalt oder eine Stuhlentleerungsstö-
als V-Figur oder gedoppelte Rektumwand auf den rung sein.
6.8 Funktionelle cine-MRT des Beckenbodens 369
Musculus levator ani cherne Parameter ermittelt. Bei gesunden Frauen, die
Auf den mediosagittalen Schichten kann man die noch nicht geboren hatten, trat zwar der Beckenbo-
hinteren Anteile des M. levator ani gut abgrenzen. den mit den entsprechenden Referenzorganen beim
Man sollte bei der Defäkation auf eine adäquate Pressen etwas tiefer, Blasenhals, hinteres Scheiden-
Relaxation der Puborektalisschlinge achten, der gewölbe und der tiefste Punkt des Douglas-Raums
posteriore Anteil des M. levator ani richtet sich hier- verblieben jedoch oberhalb der PCL, der Hiatus uro-
bei vertikal aus (vgl. Abb. 6.94 a, c). Kontrahiert sich genitalis weitete sich nicht nennenswert auf.
der M. levator ani während des Pressens und sogar Aufgrund der oben erwähnten fehlenden Standar-
während der Defäkation, nennt man dieses paradoxe disierung in der Auswertung und Beurteilung der
Verhalten Anismus, erkennbar am Verlauf des M. le- funktionellen cine-MRT stehen diese Studien leider
vator ani nach ventrokranial. Dieses Phänomen kann isoliert und erlauben keinen direkten Vergleich mit
zu einer inkompletten und behinderten Stuhl- anderen Arbeiten.
entleerung führen. Bei Patientinnen mit einer ge-
schwächten Beckenbodenmuskulatur ist die resultie-
rende Ballonierung des puborektalen Anschnittes 6.8.6
des M. levator ani auf den axialen Bildern sehr ein- Indikationen
drücklich zu sehen (vgl. Abb. 6.94 d). Im Gegensatz
dazu behält die Puborektalisschlinge bei asympto- Die Indikation zur funktionellen cine-MRT ist wei-
matischen Probandinnen ihre V-Form auch unter terhin umstritten und wird uneinheitlich gehand-
Druckbelastung bei (Sprenger et al. 2000). Die Weite habt. Die Methode ist auch heute noch keineswegs
des Hiatus urogenitalis sollte in der lateralen Aus- standardisiert und ermöglicht bisher lediglich eine
dehnung 5 cm nicht überschreiten (Lienemann et al. zweidimensionale Darstellung des Beckenbodens.
2000 b). Eine Asymmetrie des M. puborectalis auf Durch die Weiterentwicklung von schnellen Sequen-
den axialen Schichten kann ein Hinweis auf eine zen mittels paralleler Bildgebung rückt jedoch auch
stattgefundene Episiotomie sein. die gleichzeitige Akquisition mehrerer Schichten bei
gleichbleibender Scan-Zeit in greifbare Nähe.
Funktionelle cine-MRT
bei asymptomatischen Probanden
Obwohl bei den meisten Studien asymptomatische Merke ! Bei Patienten mit Beckenbodenfunk-
tionsstörungen ist die funktionelle
Frauen als Kontrollgruppe mit untersucht wurden, cine-MRT eine sehr gute Alternative zu den konven-
gibt es nur 2 Studien in der Literatur, die explizit die tionellen Röntgenverfahren wie Urethrozystogra-
Variationsbreite von Befunden bei asymptomati- phie, Kolpozystorektographie oder Defäkographie.
schen beschwerdefreien Probanden beschreiben.
Goh et al. (2000) untersuchten 25 männliche und In allen Studien erwies sich die funktionelle MRT
25 weibliche Probanden an einem 1,0 T-Gerät in Rü- überlegen oder mindestens gleichwertig zu diesen
ckenlage in Ruhe und beim Pressen. Gemessen wur- herkömmlichen Verfahren. Ohne Strahlenbelastung
de der Umfang des Tiefertretens des Blasenbodens, bietet die funktionelle MRT eine überlagerungsfreie
ggf. der Zervix und des anorektalen Übergangs in Be- Darstellung mit beliebiger Wahl der Schichtebene
zug zur PCL. Des Weiteren wurden der Durchmesser und einen hervorragenden Weichteilkontrast. Keine
und die Fläche des Hiatus genitalis berechnet sowie andere bildgebende Methode kann dem behandeln-
der anorektale Winkel und der Levatorebenenwinkel den Arzt und Operateur einen solch umfassenden
bestimmt. Überblick über sämtliche Beckenbodenkomparti-
In unserer eigenen Studie untersuchten wir 20 mente und Organe bieten.
freiwillige Probandinnen, die weder bei der klini- Sie hat sich dabei als besonders hilfreich erwiesen
schen Untersuchung noch in der urodynamischen bei Patienten mit klinisch oder sonographisch unkla-
Diagnostik pathologische Befunde aufwiesen (Liene- ren Befunden, z. B. bei der Identifizierung des domi-
mann et al. 2000 b). Die funktionelle cine-MRT wur- nierenden Bruchsacks oder der Feststellung einer Pe-
de an einem 1,5 T-System in Rückenlage durchge- ritoneo- oder Enterozele. Die funktionelle cine-MRT
führt, Vagina und Rektum wurden mit Sonographie- kann dadurch den Operateur bei der Auswahl des ge-
gel kontrastiert. Unter anderem wurde die Position eigneten Vorgehens unterstützen (Hetzer et al. 2006)
des Blasenbodens, des hinteren Scheidengewölbes und eignet sich zudem für das postoperative Follow-
und des anorektalen Übergangs in Bezug zur PCL up. Die funktionelle cine-MRT sollte daher im Rah-
und zur horizontalen Referenzlinie bestimmt. Eben- men der erweiterten Funktionsdiagnostik zur Abklä-
so wurden die Weite und Fläche des Levatortores und rung einer Beckenbodeninsuffizienz die Methode
ggf. die Tiefe einer Rektozele sowie mehrere knö- der Wahl sein.
370 Kapitel 6 Erkrankungen des Dickdarms
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Erkrankungen von Leber und Gallenwegen 7
H. Helmberger, B. Kammer
Hilfe des Powerdopplerverfahrens zur Klassifizie- Technik („shot and go“) zur Spiral-CT erstmals die
rung der Perfusion genutzt werden. Erfassung des gesamten Organs in einem Volumen-
datensatz ohne Atmungs- und Bewegungsartefakte.
Merke ! Untersuchungstechnisch ist es wich-
tig, das diagnostische Zielgebiet so-
Bereits mit diesem Verfahren waren mehrphasige
Untersuchungen des Organs in einer Vielzahl der Fäl-
wohl nativ als auch nach Kontrastmittelgabe mit dem le möglich und fokale Leberläsionen >1 cm wurden
gleichen Schallkopf vergleichend zu analysieren. mit Sensitivitäten von >90% nachgewiesen. Aller-
dings ermöglichte erst die heute verfügbare Mehr-
Die Perfusionsverläufe der fokalen Leberläsionen schicht-CT (MSCT) die exakte Trennung sämtlicher
gleichen dabei den aus CT und MRT bekannten Mus- Kontrastmittelperfusionsphasen der Leber sowie die
tern mit extrazellulärem Kontrastmittel. Anfertigung von Volumendatensätzen mit isotropen
Die intraoperative Ultrasonographie (IOUS) gilt Voxeln. Die Kombination von MSCT- und Spiral-
aktuell als das bildgebende Verfahren zur Diagnostik Technik hat zu einer nochmaligen Beschleunigung
von Lebermetastasen mit der größten Treffsicher- der Messzeit mit verbesserter Bildqualität und er-
heit. Insbesondere in Kombination mit der Lapa- höhtem Patientenkomfort geführt. Damit sind jetzt
roskopie hat die Technik erheblich an Bedeutung auch multiplanare Sekundärrekonstruktionen (MPR)
gewonnen. Einschränkend sind jedoch der nach wie in jeder beliebigen Ebene ohne Qualitäts- und Infor-
vor hohe Zeitbedarf für die Durchführung der IOUS mationsverlust möglich. Dies hat die Detektion auch
mit Verlängerung von Operations-, Laparoskopie- kleiner fokaler Läsionen um bis zu 86% verbessert.
und Narkosezeit sowie die Erfahrung des Untersu- Allerdings konnte die Spezifität nicht im gleichen
chers zu bedenken. Ausmaß gesteigert werden, sodass mittels hochauflö-
Von besonderer Bedeutung ist die Sonographie in sender MSCT häufig kleinste Leberläsionen nach-
der pädiatrischen Diagnostik. Sie stellt, unabhängig weisbar sind, ihre Charakterisierung jedoch zuneh-
von der Verfügbarkeit anderer bildgebender Verfah- mend schwieriger geworden ist.
ren, grundsätzlich den ersten diagnostischen Schritt Die Anfertigung einer nativen Bildserie der Leber
dar. Dabei ist das Echomuster auch der normalen erscheint, insbesondere bei Berücksichtigung der
Leber abhängig vom Lebensalter des untersuchten MSCT, in der Mehrzahl der Fälle entbehrlich. Unstrit-
Patienten. So stellt sich die Leber beim Säugling tig ist hingegen der Einsatz der Nativ-CT der Leber
ebenso wie Nieren und Pankreas echoreich dar. Mit bei der Erstdiagnose diffuser Lebererkrankungen
zunehmendem Alter der Kinder verliert sich die star- und der Leberzirrhose, bei verkalkten Leberläsionen
ke Echogenität der Leber und zeigt im Alter von etwa und zur Therapiekontrolle nach erfolgter Chemoem-
7 Jahren das Bild des „Sternenhimmels“, wobei sich bolisation. Die Detektion kleinster, der konventionel-
die Gefäßanschnitte echoreicher gegenüber dem um- len Bildgebung entgangener HCC-Herde unter rein
gebenden hypoechogenen Parenchym absetzen. Im diagnostischen Kriterien in Form der Lipiodol-CT
weiteren Verlauf bis zum Erwachsenenalter kommt spielt hingegen keine Rolle mehr.
die Leber echoreicher als die Nieren, aber echoärmer Wegweisend für die intravenöse Kontrastmit-
als das Pankreas zur Abbildung. telapplikation bei CT-Untersuchungen der Leber
sind auch heute noch die grundlegenden Arbei-
Spezielle Computertomographietechniken ten von Foley, die die für die klassische CT bestehen-
Die CT der Leber hat in den letzten Jahren durch den Zusammenhänge von Injektionsform, Scan-
rasche Verbesserungen in der Aufnahmetechnik wie- zeit und Dichtewerten in Aorta und Leber darstellen
derholt einschneidende Änderungen erfahren. So (Abb. 7.2). Als pathophysiologische Grundlage der
ermöglichte der Übergang von der klassischen CT- Kontrastmittelkinetik ist dabei insbesondere die
doppelte Gefäßversorgung der Leber über das arte- phie (CTAP) spielen heute keine Rolle mehr. Gleiches
rielle und portale System zu berücksichtigen. gilt für die so genannte „delayed-CT“ 4–6 Stunden
Für ein optimales Enhancement der Leber ist es nach Kontrastmittelapplikation (Abb. 7.3).
erforderlich, dass die Untersuchung möglichst bis In der CT finden sich beim Erwachsenen für die
zum Beginn der so genannten Äquilibrierungsphase unauffällige Leber vor Kontrastmittelgabe Dichte-
beendet ist, da dann die Gefahr der Maskierung foka- werte von 50–70 HE mit hyperdenser Darstellung ge-
ler Läsionen besteht. Die heute routinemäßig durch- genüber der Milz (um 50 HE) und deutlich erhöhter
geführte maschinelle Injektion des Kontrastmittels Dichte gegenüber der Niere (um 40 HE). Nach Kon-
und die schnellen Akquisitionsmöglichkeiten der trastmittelgabe ist die Leber in der arteriellen und
MSCT erlauben eine vollständige Untersuchung der portalen Phase hypodens und lediglich in Spätpha-
Leber in einer exakten Kontrastmittelperfusionspha- sen hyperdens im Vergleich zur Milz.
se vor Beginn der Äquilibrierungsphase. Falls erfor-
derlich, kann in dieser Zeit auch eine mehrfache Un- Spezielle Magnetresonanztomographietechniken
tersuchung des Organs in verschiedenen Kontrast- Auch die MRT der Leber hat in den letzten Jahren
mittelphasen erfolgen. aufgrund deutlicher technischer Verbesserungen auf
Die seit den Zeiten der klassischen CT bekannten dem Gebiet der Datenakquisition, aber auch der Ent-
Perfusionsmuster fokaler Leberläsionen finden auch wicklung organspezifischer Kontrastmittel erheb-
in der MSCT Anwendung, wobei aufgrund der exak- liche Veränderungen erfahren. Lange war ihr Stel-
ten Trennung der Kontrastmittelphasen eine Verbes- lenwert im Vergleich zur CT als gleichwertig in der
serung der diagnostischen Aussagekraft erreicht Detektion bei verbesserter Klassifikation von Leber-
werden konnte. Dies setzt allerdings eine patienten- herden gewertet worden. Mit der zunehmenden Ver-
individuelle und exakte zeitliche Abstimmung von breitung von MSCT-Geräten ist die Indikation zur
Kontrastmittelinjektion und Beginn der Datenakqui- MRT der Leber jetzt insbesondere in der Differenzie-
sition voraus. rung fokaler Leberläsionen zu sehen. Dies gelingt
Zur Optimierung der Bolusgeometrie werden, ins- umso besser durch aktuell zur Verfügung stehende
besondere an MSCT-Geräten, zunehmend Kontrast- Gradientensysteme, Sequenz- und Spulentechnolo-
mittel höherer Jodkonzentration (>350 mg J/ml) gie sowie organspezifische Kontrastmittel.
eingesetzt. Damit können, bei gleicher Gesamtjod- In der Literatur sind, insbesondere in der diffus
menge, das Injektionsvolumen sowie die Injektions- oder zirrhotisch veränderten Leber, Detektionsraten
geschwindigkeit verringert und die Bolusstabilität auch kleinster Läsionen nach Applikation organ-
verbessert werden. Hierzu erscheint es nach aktuel- spezifischer Kontrastmittel von weit über 90% und
lem Kenntnisstand allerdings unvermeidbar, Injek- damit als der CT überlegen beschrieben. Diese Arbei-
tionsgeräte mit Doppelkolben und zusätzlichem ten berücksichtigen allerdings bei vergleichenden
Kochsalzbolus nach Abschluss der Kontrastmittelin- Bewertungen noch nicht die Möglichkeiten der
jektion zu verwenden. MSCT. In neueren Studien, die die MRT mit SPIO-
Auch die Ermittlung des patientenindividuellen haltigem Kontrastmittel CT-Untersuchungen mittels
Delays zwischen Beginn der Kontrastmittelinjektion 16-Schicht-Geräten vergleichend gegenüberstellen,
und dem Start der Datenakquisition hat aufgrund wurden in Detektion und Charakterisierung keine
des kompakten Kontrastmittelbolus und der kur- statistisch signifikanten Unterschiede dokumentiert.
zen Untersuchungszeit an MSCT-Geräten vermehrte Die an allen gängigen Geräten verfügbaren Se-
Bedeutung. Aktuelle CT-Geräte gestatten eine routi- quenzen mit Fettsaturation erlauben bereits in den
netaugliche Anwendung durch spezielle Applika- nativen Aufnahmen eine erste Charakterisierung dif-
tionsprogramme. Andernfalls sollte das Verfahren fuser und fokaler Veränderungen der Leber. Mit Hil-
der dynamischen CT mittels Probebolus verwendet fe schneller und leistungsfähiger Gradientensysteme
werden. und den Möglichkeiten der parallelen Bildgebung
Die exakte Datenakquisition innerhalb einer Kon- sind neben multiphasischen dynamischen Sequen-
trastmittelperfusionsphase erlaubt es zudem, aus zen auch Gefäßdarstellungen in Form der kontrast-
dem gleichen Datensatz die Gefäße in Rekonstruk- verstärkten MR-Angiographie (CE-MRA) möglich.
tionen in Maximum-Intensitätsprojektion (MIP) als Hierbei lassen sich aus Datensätzen dreidimensiona-
CT-Angiographie (CTA) darzustellen. Damit hat die ler Gradienten-Echo- (3D-GRE-)Sequenzen in MIP-
kontrastverstärkte MSCT die rein diagnostische Ka- Rekonstruktionen angiographische Bilder in arte-
theterangiographie im Bereich der Leber annähernd rieller und portalvenöser Phase erstellen. Neben der
vollständig ersetzt. CTA steht damit auch in der MRT ein diagnostisches,
Spezielle CT-Untersuchungstechniken mit Kon- nichtinvasives angiographisches Verfahren zur Ver-
trastmittelgabe über arteriell platzierte Katheter als fügung.
CT-Arteriographie (CTHA) bzw. CT-Arterioportogra-
7.1 Spezielle Untersuchungstechniken 377
a b
c d
Abb. 7.4 a–c. Schematische Darstellung der Wirkung leber- tiv-Untersuchung und deutliche SI-Steigerung des umgeben-
spezifischer MRT-Kontrastmittel. a Nativ-Untersuchung mit den Lebergewebes. c T2*-Wichtung nach Injektion/Infusion
nur geringer Hyperintensität des Herdes gegenüber dem um- von RES-spezifischem Kontrastmittel („Schwarzmacher“). Un-
gebenden Lebergewebe. b T1-Wichtung nach Applikation von veränderte SI der Läsion im Vergleich zur Nativ-Untersuchung
hepatobiliärem bzw. hepatozytenspezifischem Kontrastmittels und Kontraststeigerung durch ausgeprägten Signalverlust des
(„Weißmacher“). Konstante SI des Herdes gegenüber der Na- benachbarten Lebergewebes
plikation der SPIO-Partikel erhöhen den Kontrast In klassischen nativen Sequenzen stellt sich die
zwischen Leberläsion und umgebendem Gewebe. Be- normale Leber in T1-Wichtung hyperintens, in T2-
sonders stark sind die Suszeptibilitätseffekte und da- Wichtung hypointens gegenüber Milz und Nieren
mit die Wirkung des Kontrastmittels auf T2*-gewich- dar. Nach Applikation extrazellulärer Kontrastmittel
teten GRE-Sequenzen (T2*w GRE) und protonenge- zeigt sich in T1-Wichtung ein deutliches Enhance-
wichteten Turbo-Spin-Echo- (TSE-)Sequenzen (PDw ment des Organs mit allerdings gegenüber der Milz
TSE) zu beobachten. Als RES-spezifische Kontrast- hypointenser Darstellung in arterieller und portal-
mittel liegen zur Infusion superparamagnetische Ei- venöser Phase und hyperintenser Demarkierung in
senoxid-Nanopartikel (Endorem) und zur Bolus- der Spätphase.
injektion Ferucarbotran (Resovist) für den klini-
schen Einsatz vor. Der organspezifische Effekt Andere spezielle Untersuchungstechniken
kommt erst in Spätaufnahmen vollständig zur Gel- Die intraarterielle Katheterangiographie spielt heute
tung. Mit Resovist kann zudem, aufgrund der Appli- keine Rolle mehr in der Primärdiagnostik einer Le-
kationsmöglichkeit im Bolus, ein Perfusionseffekt in berläsion. Normvarianten der Lebergefäßversorgung
der Leber dokumentiert werden. können mit der CTA bzw. der CE-MRA diagnostiziert
Während RES-spezifische Kontrastmittel zu ei- werden, sodass die Katheterangiographie fast aus-
nem Signalverlust im gesunden Lebergewebe führen schließlich der Therapie fokaler Leberläsionen (loko-
(„Schwarzmacher“), wird durch hepatobiliäre oder regionäre Chemotherapie, Chemoembolisation, Em-
hepatozytäre Kontrastmittel eine Signalsteigerung bolisation) vorbehalten ist.
(„Weißmacher“) in den nicht pathologisch veränder- An nuklearmedizinischen Verfahren stehen für die
ten Leberarealen erreicht (Abb. 7.4 a–c). Somit wird Leberdiagnostik die Technetium- (Tc-)basierten Me-
der pathologische Befund bei Anwendung der thoden der Schwefelkolloidszintigraphie (99mTc-SC-
Schwarzmacher signalintens auf signalarmem Hin- Szintigraphie) und der Blutpoolszintigraphie (99mTc-
tergrund dargestellt, bei den Weißmachern signal- RBC-Szintigraphie) zur Verfügung. Beide Untersu-
arm auf signalintensem Hintergrund. chungstechniken finden lediglich noch in ausgewähl-
Für die Leberdiagnostik mit hepatobiliären oder ten Fragestellungen Anwendung.
hepatozytären Kontrastmitteln kommen T1-gewich- Trotz beschriebener Sensitivitäten von 90–95%
tete GRE-Sequenzen – ggf. unter Einschluss von fett- mittels SPECT-Technik („single photon emission
sättigenden Techniken – zum Einsatz. An hepatobili- computed tomography“) in der Metastasendiagnos-
ären Kontrastmitteln stehen Gd-EOB-DTPA (Eovist) tik hat sich die 99mTc-SC-Szintigraphie aufgrund feh-
bzw. Gd-BOPTA (MultiHance) jeweils zur Bolusin- lender Spezifität nicht durchgesetzt. Technisch be-
jektion zur Verfügung. Bei beiden Kontrastmitteln dingt werden sowohl benigne als auch maligne foka-
kann neben dem organspezifischen Effekt in der le Leberläsionen als photopene Defekte im Organ
Spätphase auch die dynamische Perfusionskompo- dargestellt. Basierend auf einer Aufnahme des Ra-
nente mit angiographischer Darstellung genutzt wer- diopharmakons in vorhandenen Kupffer-Sternstel-
den. Das hepatozytäre Kontrastmittel Mn-DPDP len des RES liegt der Vorteil des Verfahrens in der Dif-
(Teslascan) liegt zur Infusion vor, eine Perfusions- ferenzierung fokaler Leberläsionen. Gelegentlich
beurteilung der Leber ist nicht möglich. wird die 99mTc-SC-Szintigraphie daher auch heute
noch zur Differenzierung benigner fokaler Läsionen
7.1 Spezielle Untersuchungstechniken 379
wonnen. Daher hat die Abdomenübersichtsaufnah- Papillotomie gesichert werden. Bei einer länger-
me auch in der pädiatrischen Diagnostik ihre Bedeu- streckigen entzündlichen Papillenstenose ist häufig
tung behalten. das Einsetzen temporäre Plastikstents transpapillär
Die intravenöse Cholangiographie hatte im Rah- sinnvoll.
men der präoperativen Diagnostik vor laparoskopi- Ist der endoskopische Zugang anatomisch oder
scher Cholezystektomie eine gewisse Renaissance technisch nicht möglich, wird durch transhepatische
zum Ausschluss einer Choledocholithiasis erfahren. Punktion eine externe Drainage mittels PTC ange-
In einer eigenen klinischen Studie konnte gezeigt legt. Günstigerweise erweitert man diese ein- oder
werden, dass mit der intravenösen Cholangiographie zweizeitig durch Passieren der Papille zu einer
in Kombination mit der konventionellen Tomogra- Intern-extern-Drainage mit den Optionen, die Gal-
phie eine Beurteilbarkeit des Ductus choledochus in lenflüssigkeit nach außen oder nach duodenal abzu-
96,3% erreicht wird. Die Treffsicherheiten bezüglich leiten. Auch der transhepatische Zugang ermöglicht
des Konkrementnachweises wurden mit 91% (i. v. die Applikation von Stents. Diese verbleiben aller-
Cholangiographie), 67% (perkutane Sonographie) dings permanent und sind in der Regel metallbe-
und 100% (endoskopisch retrograde Cholangiopan- schichtet.
kreatikographie/ERCP) ermittelt. Schwere Neben- Bei allen interventionellen Maßnahmen sollte die
wirkungen des hepatobiliären Kontrastmittels wur- Ursache der Papillenenge durch bildgebende Verfah-
den von uns nicht beobachtet, sind allerdings in der ren möglichst sicher bekannt sein. Im Falle einer
Literatur beschrieben. Durch die Verbesserungen geplanten Operation sind Vor- und Nachteile einer
der Magnetresonanzcholangiographie (MRC) hat das vorherigen endoskopischen oder interventionellen
Verfahren heute keine Bedeutung mehr im klini- Ableitung weiterhin umstritten.
schen Alltag, sodass es allenfalls bei Nichtverfügbar-
keit der MRC zur Diagnostik benigner Gallenblasen- Spezielle CT-Techniken
und Gallenwegserkrankungen eingesetzt wird. Im Beim Gallensteinleiden kommt der CT auch heute
Rahmen der Abklärung maligner Erkrankungen von keine wesentliche Bedeutung in der diagnostischen
Gallenblase und Gallenwegen spielt sie keine Rolle Abklärung zu. Demgegenüber hat die Relevanz bei
mehr. Tumoren von Gallenblase und Gallenwegen wieder
deutlich zugenommen Mit der klassischen Einzeilen-
ERC/PTC Spiral-CT-Technik konnten lediglich in 69–80% be-
Der Stellenwert der direkten Darstellung der Gallen- nigne und maligne Ursachen richtig diagnostiziert
wege hat in den letzten Jahren eine zunehmende werden. Auch die Applikation hepatobiliären Kon-
Wandlung erfahren. Galten die Verfahren der en- trastmittels erbrachte dabei nur eine geringfügige
doskopisch retrograden Cholangiographie (ERC) und Verbesserung. Erst mit der Einführung der MSCT in
der perkutanen transhepatischen Cholangiographie Spiral-Technik und der Möglichkeit hochauflösender
(PTC) lange Zeit als Goldstandard, so wird ihre Be- koronarer und parakoronarer Sekundärrekonstruk-
deutung heute vor allem im therapeutischen Bereich tionen hat die CT erheblich an diagnostischer Wer-
gesehen. Beim Gallensteinleiden erfolgt der endosko- tigkeit in der Abklärung tumoröser Gallenwegser-
pische Eingriff zur Beseitigung der Cholestase und krankungen gewonnen.
der Entfernung des duktalen Konkrements. Im Falle So ist jetzt nicht nur bei dilatiertem Gallenwegs-
einer intraduktalen Raumforderung soll durch die system der direkte Nachweis der Pathologie in Gal-
ERC ein mittels indirekter Verfahren diagnostizierter lenblase und Gallengängen möglich. Auch lassen sich
Tumor histologisch gesichert werden. durch die komplette Erfassung mehrerer Perfusions-
In klinischen Studien ist die Treffsicherheit der phasen ein arterielles Enhancement als Hinweis auf
ERC beim Malignom, abhängig vom zu untersuchen- das Tumorkorrelat sowohl an der Gallenblase als
den pathologischen Befund, mit 64–88% angege- auch an den ableitenden Gallenwegen direkt darstel-
ben. Beim Gallensteinleiden liegt sie bei annähernd len. Mit Hilfe von Minimum-Intensitäts-Projektionen
100%. (MIN-Rekonstruktion) erreicht man vergleichbare
Therapeutisch kann auch bei der entzündlich be- Ergebnisse zur MRC. In Einzelfällen kann durch
dingten Papillenenge eine temporäre Ableitung des Applikation biliär ausgeschiedenen Kontrastmittels
Gallenabstroms erforderlich werden, um eine aszen- und multiplanare Sekundärrekonstruktionen die
dierende Cholangitis zu vermeiden. Dies wird in der diagnostische Genauigkeit weiter erhöht werden
Regel mittels ERC und Papillotomie erreicht. Dabei (Abb. 7.5). Zusätzlich stehen alle übrigen Informatio-
kann ein evtl. inkrustiertes Konkrement häufig ent- nen für ein komplettes abdominelles Staging zur Ver-
fernt und damit der Abstrom durch die Papille nach fügung.
7.1 Spezielle Untersuchungstechniken 381
Abb. 7.8 a–d. Schematische Darstellung der embryonalen tionswoche: Verschmelzung von extra- und intrahepatischem
Entwicklung von Leber und Gallensystem. a 4. Gestationswo- Gallenwegssystem. d 6. Gestationswoche: retroduodenale Lage
che: Entstehung des Leberdivertikels. b 5. Gestationswoche: des Ductus choledochus nach Abschluss der Duodenalrotation
Abtrennung von Pars hepatica und Pars cystica. c 5. Gesta-
Zur fetal-venösen Durchströmung der Leber- gastroepiploische Vene (vgl. Abb. 7.10 b, c) Aus dem
sinusoide mit sauerstoffreichem Plazentablut kommt kaudalen Anteil der linken Dottersackvene entstehen
es über die paarig angelegten Dottersack- und Nabel- der Portalsinus als Verbindung von rechtem und lin-
venen (Abb. 7.10 a, b). Aus den kranialen Abschnitten kem Pfortadersystem und die Äste des linken Pfort-
der Dottersackvenen entstehen mit dem Fortschrei- aderasts (vgl. Abb. 7.10 c, d). Aus beiden bildet sich
ten der Leberentwicklung rechts die V. cava inferior postnatal der linke Pfortaderast mit seinen Verzwei-
und die rechte Lebervene, links die mittlere und gungen. Die rechte Nabelvene obliteriert im Verlauf
linke Lebervene (Abb. 7.10 c, d). Die kaudalen Ab- der Embryogenese, während die linke Nabelvene
schnitte der Dottersackvenen bilden rechts den über den Ductus venosus Arantii Anschluss an die
rechten Pfortaderast, den Pfortaderhauptstamm, die V. cava inferior findet (vgl. Abb. 7.10 d). Somit exis-
Vv. mesenterica superior et inferior, die Milz- und tiert pränatal ein Shunt für sauerstoffreiches Plazen-
7.2 Fehlbildungen 387
tablut unter Umgehung der Leber zum Herzen. Zu- entlang einer Linie Gallenblasenbett-V. cava inferior
sätzlich besteht eine hämodynamisch jedoch deut- bzw. durch die mittlere Lebervene unterteilt.
lich weniger relevante Anastomose zwischen Portal- Der linke Leberlappen besteht aus den Segmenten
sinus aus der rechten kaudalen Dottersackvene und II und III im lateralen Anteil sowie dem Segment IV
Ductus venosus. Postnatal obliterieren der Ductus im medialen Anteil. Die Grenze zwischen medialem
venosus zum Lig. venosum (vgl. Abb. 7.15) und die und lateralem Anteil wird durch das Lig. falciforme
linke Umbiliacalvene zum Lig. teres hepatis. Damit ist gebildet. Segment II (kranial) und Segment III (kau-
der pränatal bestehende Kurzschluss unter Umge- dal) sind durch den linken Pfortaderhauptstamm
hung der Leber postnatal aufgehoben. getrennt. Dieser stellt auch die Begrenzungen des
Segmentes IVa (kranial) und IVb (kaudal) dar.
7.2.1.2 Der rechte Leberlappen unterteilt sich in die Seg-
Anatomische Einteilung von Leber, Gallenblase, mente VIII und VII (kranial) sowie die Segmente V
Gallenwegen und Gefäßen und VI (kaudal). Kraniale und kaudale Segmente des
Für die klinisch-anatomische Beschreibung der Le- rechten Leberlappens werden durch die Höhe der
ber, aber auch der Gallenwege ist die Einteilung in Pfortadereinmündung voneinander abgegrenzt. So-
rechten und linken Lappen entlang des Lig. falcifor- wohl in den kranialen als auch den kaudalen Seg-
me sowie in Lobus caudatus und Lobus quadratus menten erfolgt eine weitere Unterteilung in anteriore
wenig hilfreich. Ebensowenig haben sich Klassifika- und posteriore Segmente durch die rechte Lebervene
tionen durchgesetzt, die sich ausschließlich an der in Segment VIII (kranial und anterior), Segment VII
arteriellen Versorgung orientieren. (kranial und posterior), Segment V (kaudal und ante-
Im klinischen Alltag etabliert ist die an funktionel- rior) sowie Segment VI (kaudal und posterior).
len Gesichtspunkten orientierte Segmenteinteilung
gemäß der Pfortaderversorgung nach Healey und
Schroy, Couinaud bzw. Bismuth (Abb. 7.11). Dabei Merke ! Die vorgestellte Einteilung der Leber-
segmente hat insbesondere in der Re-
erfolgt eine Unterteilung in 9 Segmente (I bis VIII), sektions- und Transplantationchirurgie erhebliche
wobei Segment IV in einen kranialen (IVa) sowie Bedeutung erlangt, da sie sich an den Leitstrukturen
einen kaudalen Anteil (IVb) unterteilt wird. der Leber (arteriell, venös, portal und biliär) orien-
Als Segment I wird der Lobus caudatus definiert, tiert und somit ein funktionell geleitetes therapeuti-
der aus einem Processus caudatus und einem Proces- sches Vorgehen ermöglicht.
sus papillaris besteht. Linke und rechte Leber werden
388 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Abb. 7.10 a–d. Schematische Darstellung der fetal-venösen stehung der portalen Zuflüsse aus den kaudalen Dottersack-
Versorgung. a 4. Gestationswoche: paarige Anlage von Dotter- venen. Entwicklung des Ductus venosus Arantii. Obliteration
sack- und Nabelvenen mit beginnender Versorgung der Leber. der rechten Nabelvene. d 12. Gestationswoche: endgültige Ent-
b 5. Gestationswoche: Ausbildung der Pfortader und ihrer Ver- stehung der V. cava inferior, der Lebervenen sowie der portalen
zweigungen aus den kaudalen Dottersackvenen. c 8. Gesta- Zuflüsse. Verbindung der linken Nabelvene zur V. cava inferior
tionswoche: beginnende Entwicklung der V. cava inferior und über den Ductus venosus Arantii
der Lebervenen aus den kranialen Dottersackvenen sowie Ent-
7.2 Fehlbildungen 389
Abb. 7.11. Einteilung der Leber gemäß den Pfortadersegmen- III und IVb: linker Leberlappen kaudal der Pfortader, Segmen-
ten nach Couinaud. Segment I Lobus caudatus, Segmente II te VII und VIII: rechter Leberlappen kranial der Pfortader,
und IVa: linker Leberlappen kranial der Pfortader, Segmente Segmente V und VI: rechter Leberlappen kaudal der Pfortader
Hieraus resultiert die Notwendigkeit, in der Schnitt- kommenden Gallengänge vereinen sich, nehmen die
bilddiagnostik gewonnene radiologischen Befunde Zuflüsse aus den Segmenten IVa und IVb auf und
den Lebersegmenten zuzuordnen. Exemplarisch ist bilden so den Ductus hepaticus sinister. Kurz vor
die Bestimmung der Lebersegmente in der CT in dem Zusammenfluss mit dem Ductus hepaticus
Abb. 7.12 a–d für die axiale Schnittrichtung gezeigt. dexter zum Ductus hepaticus communis in der Le-
Die normale Leber sollte mit ihrem rechten Leber- berpforte mündet der Segmentast I in den linken
lappen beim Säugling nicht mehr als 1 cm kaudal des Hauptgallengang ein.
Rippenbogens rechts reichen und beim älteren Kind Die Weite des normalen Ductus choledochus in
in Höhe des Rippenbogens rechts enden. Beim Er- der Bildgebung beträgt bis maximal 1 mm beim Neu-
wachsenen misst die normale Leber in kraniokauda- geborenen, bis zu 2 mm im 1. Lebensjahr, 3–4 mm bei
ler Ausdehnung <13 cm in der Medioklavikularlinie. älterne Kindern und bis 6 mm beim Erwachsenen.
Das intrahepatische Gallenwegssystem orientiert Mit zunehmendem Alter nimmt der Durchmesser
sich im Verlauf an den portalen und arteriellen Blut- des Ductus choledochus auch physiologisch zu (etwa
leitern. Hieraus lässt sich für jedes der bei der Eintei- 1 mm pro Dekade ab dem 60. Lebensjahr). Nach
lung der Leber genannten Segmente ein drainieren- Cholezystektomie sind Durchmessser des Ductus
der Ast definieren. choledochus von 8–10 mm noch als normal anzuse-
Dabei münden die aus den Segmenten VI und VII hen. Im Bereich der Leberpforte sollte der Ductus
kommenden Äste in den aus den Zusammenflüssen hepaticus communis nicht weiter als 5 mm sein. Glei-
der Äste der Segmente V und VIII gebildeten Gallen- ches gilt für den intrapankreatischen Anteil des Duc-
gang. Zusammen bilden die Segmentäste des rechten tus choledochus. Ein unauffälliger Ductus hepaticus
Leberlappens den Ductus hepaticus dexter. Die aus dexter stellt sich mit maximal 2–3 mm Durchmesser
den Segmentästen II und III des linken Leberlappens dar. Für einen regelrechten Ductus cysticus betragen
390 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
a b
c d
Abb. 7.12 a–d. Bestimmung der Lebersegmente in der CT in bzw. dem Lig. falciforme. c, d In den kaudalen Anteilen der Le-
axialer Schnittrichtung. a, b Im kranialen Abschnitt Einteilung ber Definition der Segmente entlang der Kava-Gallenblasen-
der Segmente entlang der Lebervenen und der V. cava inferior Linie, des Lig. falciforme und der rechten Lebervene
Abb. 7.13. Schematische Darstellung der Gallenblase und der Gallenwege sowie ihrer anatomischen Unterteilungen
Abb. 7.15. Schematische Darstellung der Pfortader, ihrer Zuflüsse und anatomischen Beziehungen
Gallenwegen ebenfalls über die Pfortader zur Leber sam mit dem arteriellen Gefäßsystem und drainieren
transportiert. ihr Blut in die Lebersinusoide.
Die V. porta wird aus dem Zusammenfluss der Zur Versorgung des Lobus caudatus tragen eigene
V. mesenterica superior und der V. lienalis im Con- Äste bei, die direkt aus dem extrahepatischen Pfort-
fluens portae gebildet und verläuft posterior im aderhauptstamm entspringen. Die Pfortader führt
Lig. hepatoduodenale. In der Porta hepatis unmittel- das gesamte venöse Blut aus dem oberen und unteren
bar intrahepatisch teilt sie sich in einen rechten und Gastrointestinaltrakt, jedoch auch aus dem Bereich
einen linken Pfortaderast auf, wobei sich der rechte von Milz und Pankreas zur Leber. Aufgrund des häu-
Pfortaderast in der Regel in einen anterioren und fig kurzen Verlaufs des Pfortaderhauptstamms ist
posterioren und der linke Pfortaderast in einen eine vollständige Durchmischung des Blutes aus den
superioren und inferioren Segmentast aufzweigt. zufließenden Venen nicht in allen Fällen gegeben. In
Beide Seitenäste und ihre Endäste verlaufen gemein- diesem Fall kommt es zu einer hauptsächlichen Ver-
7.2 Fehlbildungen 393
sorgung des rechten Leberlappens mit Blut aus den Literatur zu Abschn. 7.2.1
Abschnitten des rechten Ober- und Mittelbauchs, des
linken Leberlappens aus dem linken Ober- und Un- Couinaud C (1954) Lobes et segments hepatiques, notes sur
terbauch. Als Endstrecke der Pfortader fungieren l`archithecture anatomique et chirurgical foie. Presse Med
die Vv. interlobulares, die, wie die Aa. interlobulares, 62: 709–712
Bismuth H (1982) Surgical anatomy and anatomical surgery of
in die Lebersinusoide münden. Zusätzlich bestehen the liver. World J Surg 6: 3–9
obliterierte Anastomosen des linken Pfortaderasts Frommhold W, Schindler G, Frommhold H (1988) Gallensys-
zum Lig. teres hepatis sowie zum Lig. venosum tem. In: Frommhold W, Dihlmann W, Stender HS, Thurn P
(Abb. 7.15). (Hrsg) Radiologische Diagnostik in Klinik und Praxis, Bd
III, Teil 2: Gastrointestinaltrakt 2. Thieme, Stuttgart New
Der normale portalvenöse Druck beträgt beim Er- York, S 165–248
wachsenen im Pfortaderhauptstamm zwischen 5 und Grabbe E, Büchler E (1988) Diagnostik von Lebererkrankun-
15 mmHg, in der Regel jedoch >10 mm Hg. Als maxi- gen. In: Frommhold W, Dihlmann W, Stender HS, Thurn P
male Durchmesser des Pfortaderhauptstamms sind (Hrsg) Radiologische Diagnostik in Klinik und Praxis, Bd 3,
Teil 2: Gastrointestinaltrakt 2. Thieme, Stuttgart New York,
beim Kind unter 10 Jahren 8,5 mm, beim Adoleszen- S 1–99
ten 10 mm und beim Erwachsenen 13 mm beschrie- Hammerstingl RM, Schwarz W,Vogl TJ (2003) Contrast agents.
ben. In: Vogl TJ, Lencioni R, Hammerstingl RM, Bartolozzi C
Aus den Lebersinusoiden wird sowohl das arte- (eds) Magnetic resonance imaging in liver disease. Thieme,
Stuttgart New York, pp 45–91
rielle als auch das portal angeströmte Blut in den Healey JE, Schroy PC (1953) Anatomy of the biliary ducts with-
Subsegment- und Segmentästen der Lebervenen ge- in the human liver. Arch Surg 66: 599–616
sammelt. Diese vereinen sich zu den 3 venösen Larsen WJ (1998) Essentials in human embryology. Churchill
Livingstone, New York, pp 123–172
Hauptstämmen der rechten, mittleren und linken Le- Leander P (1997) Liver-specific contrast agents. Advances in
bervene und münden im Venenstern in die V. cava X-Ray Contrast 4: 2–15
inferior. Dabei endet die rechte Lebervene, die das Loeweneck H, Feifel G (1993 a) Leber und Extrahepatische Gal-
Blut aus den Segmenten VI bis VIII führt direkt in der lenwege. In: Lanz T v, Wachsmuth W (Hrsg) Praktische
Anatomie, Bd 2, Teil 6 Bauch. Springer, Berlin Heidelberg
V. cava inferior; mittlere (Blut aus den Segmenten New York Tokoy, S 213–290
IVb und V) und linke Lebervene (Blut aus den Seg- Loeweneck H, Feifel G (1993 b) V. portae und ihre Zuflüsse.
menten II bis IVa) vereinen sich in der Regel vor In: Lanz T v, Wachsmuth W (Hrsg) Praktische Anatomie,
ihrer Einmündung in die untere Hohlvene. Der venö- Bd 2, Teil 6 Bauch. Springer, Berlin Heidelberg New York
Tokyo, S 397–408
se Abstrom aus dem Segment I (Lobus caudatus) er- Moore KL, Persaud TVN (1993) The developing human.
folgt direkt in die V. cava inferior knapp kaudal des Clinically oriented embryology. Saunders, Philadelphia,
Venensterns. pp 237–264
Netter FH (2000) Netters Innere Medizin. Thieme, Stuttgart,
S 934–1025
Merke ! Zu bedenken ist bei den vorgestellten
Einteilungen allerdings die erhebliche
Prokop M (1998) Leber. In: Galanski M, Prokop M (Hrsg)
Ganzkörpercomputertomographie. Thieme, Stuttgart, S 201–
Variationsmöglichkeit von arteriellen, portalen und 234
venösen Gefäßen sowie biliären Strukturen. Zur Severn CB (1971) A morphological study of the development
of human liver. I. Development of the hepatic diverticulum.
Therapieplanung vor geplanter Leberteilresektion Am J Anat 131: 133–158
oder Transplantation, ERC/PTC oder laparoskopi- Severn CB (1972) A morphological study of the development
scher Cholezystektomie sowie gezielter lokaler Che- of human liver. II. Establishment of liver parenchyma,
motherapie ist daher eine exakte Analyse der vorlie- extrahepatic ducts and associated venous channels. Am J
Anat 133: 85–107
genden vaskulären und biliären Anatomie erforder- Waldayer A, Mayet A (1975) Anatomie des Menschen, 1. Teil,
lich. 13. Aufl. De Gruyter, Berlin New York, S 218–225
7.2.2
Fehlbildungen der Leber
7.2.2.1
Lage- und Formvarianten der Leber
Normalerweise liegt die Leber im rechten Oberbauch
und weist eine keilförmige bzw. dreieckige Form auf.
Der rechte Leberlappen ist deutlich größer als der
linke und reicht bis annähernd an die Medianlinie.
Auf der linken Seite erstreckt sich die Leber bis an die
Milzloge. Klinisch gilt die linke Mamillarlinie als
Grenze des linken Leberlappens. Ihre größte vertika-
le Ausdehnung zeigt die Leber an der lateralen
Bauchwand mit Begrenzung durch den Unterrand
des Rippenbogens.
Abb. 7.16. 86-jähriger Patient mit Stuhlunregelmäßigkeiten.
Lagevarianten der Leber Zufallsbefund eines Chilaiditi-Syndroms mit ventraler Inter-
position des Kolons (Pfeil) zwischen Leber und Bauchwand
왔 Zu den Lagevarianten der Leber zäh-
Definition
len die variante Lage der rechten Ko-
lonflexur zwischen Leber und Bauchwand bzw. Leber
und Zwerchfell (Chilaiditi-Syndrom) und die Hernie- dar, die mit einer Fülle weiterer Fehlbildungen verge-
rung der Leber in den Thoraxraum bei Zwerchfell- sellschaftet ist: Die ursprünglich asymmetrischen
hernien oder Zwerchfellrelaxationen. Lageanomalien Organe zeigen eine Symmetrie in Form der Rechts-
im Rahmen eines Heterotaxiesyndroms werden als seitigkeit oder Linksseitigkeit des Situs. Bei der
Situs inversus und Situs ambiguus bezeichnet. Rechtsseitigkeit liegen 2 rechte Lungen, eine Leber
Mit den Begriffen Situs solitus, Situs inversus und mit 2 rechten Lappen und eine Asplenie sowie in der
Situs ambiguus werden Vorhandensein und Lage der Regel komplexe Herzfehler vor. Die Linksseitigkeit
asymmetrischen Organe von Thorax (Lunge, kardia- weist 2 linke Lungen, 2 linke Leberlappen und eine
le Vorhöfe) und Abdomen (Leber, Milz, Magen) zur Polysplenie auf. Auch hier werden eine Vielzahl von
Medianlinie im Rahmen von Heterotaxiesyndromen Zwischenstufen mit unterschiedlich ausgeprägten
beschrieben. Fehlbildungen und konsekutiver unterschiedlicher
Überlebenshäufigkeit berichtet. Ursächlich liegen
Pathologisch-anatomische Situs inversus und Situs ambiguus komplexe Störun-
und ätiologische Grundlagen gen der Embryogenese zugrunde.
Lageveränderungen der Leber werden selten beob-
achtet. Dabei ist die Interposition von Kolon zwi- Klinische Symptomatik
schen Leber und Zwerchfell (Chilaiditi-Syndrom) in Lagevarianten der Leber zeigen in der Regel keine
der Regel passager, wird bei erheblicher Blähung des klinische Symptomatik und werden zufällig ent-
Kolons beobachtet und hat keine pathologische Be- deckt. Beim Situs inversus und insbesondere beim
deutung (Abb. 7.16). Situs ambiguus führen die assoziierten Fehlbildun-
Zur Hernierung von Leberanteilen in den Thorax gen von Lunge und Herz in der Regel zur klinischen
kann es, abgesehen von angeborenen Zwerchfell- Untersuchung. Es sind jedoch auch asymptomatische
hernien oder Zwerchfellhypoplasien, nach partieller Verläufe bis ins Schulkindalter bei weniger schweren
traumatischer Zwerchfellruptur und im Rahmen Formen bekannt.
einer Relaxatio diaphragmatica kommen.
Der Situs solitus stellt die übliche anatomische Si- Radiologische Symptomatik
tuation dar. Beim Situs inversus (Auftreten bei 0,01% Einen ersten Hinweis auf Lageveränderungen der
der Population) sind sämtliche asymmetrischen Or- Leber geben Abdomenübersichtsaufnahmen. So ist
gansysteme an der Medianlinie gespiegelt: Das heißt die Interposition von Kolonluft zwischen Leber und
Leber und Gallenwegssystem liegen im linken Ober- Zwerchfell ein beweisender Befund für ein Chilaiditi-
bauch, der Magen unter dem rechten Zwerchfell. Ne- Syndrom. Eine Hernierung der Leber in den Thorax-
ben der vollständigen Form der Spiegelung (Situs raum kann auf Übersichtsaufnahmen des Thorax-
inversus totalis) werden eine Vielzahl von Zwischen- und/oder des Abdomens vermutet werden. Die er-
stufen (Situs inversus partialis oder incompletus) be- gänzende Thoraxdurchleuchtung ermöglicht eine
obachtet. Der Situs ambiguus stellt eine Sonderform Eingrenzung der Ursache der Hernierung.
7.2 Fehlbildungen 395
Differenzialdiagnose
Lagevarianten der Leber stellen in den meisten Fällen
keine differenzialdiagnostischen Problemfälle dar.
Bei der Hernierung gilt es zwischen traumatischer
Zwerchfellläsion und Relaxatio diaphragmatica zu
unterscheiden. Im Rahmen der Abklärung eines Situs
inversus oder Situs ambiguus bereiten eher die mit
Abb. 7.17. Einjähriges Mädchen mit kleiner Leberhernie. In dem Syndrom vergesellschafteten extrahepatischen
der CT Hernierung von Lebergewebe durch das Zwerchfell Fehlbildungen diagnostische Probleme.
(Pfeil) im Bochdalek-Dreieck
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Die meisten Lageveränderungen können mit Hilfe
Im Kindesalter wird bei bekannter Zwerchfellher- von konventionellen Übersichtsaufnahmen als sol-
nie zum Ausschluss assoziierter Fehlbildungen und che erkannt werden. Bei komplexeren Fehlbildungen
zur Therapieplanung gelegentlich eine weiterfüh- wie Situs inversus und Situs ambiguus sind bei klini-
rende Diagnostik mittels CT (Abb. 7.17) oder MRT scher Symptomatik Sonographie und CT oder MRT
erforderlich. Auch beim Situs inversus (Abb. 7.18, ergänzend erforderlich.
Abb. 7.18. Neugeborenes mit Situs inversus totalis. Im Baby- Abb. 7.19. 12-jähriger Junge mit bekanntem Situs inversus
gramm Darstellung der Rechtsseitigkeit des Herzschattens so- partialis. Bei regelrechter Anordnung der Thoraxorgane
wie der Linksseitigkeit des Leberschattens Rechtsseitigkeit der Magenblase (Pfeil) sowie Linksseitigkeit
des Leberschattens
396 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Pathologisch-anatomische
a und ätiologische Grundlagen
Formveränderungen der Leber sind durch Kom-
pressionen der Rippen und des Zwerchfells (z. B. im
Rahmen einer chronisch obstruktiven Lungener-
krankung/COPD mit Emphysem und tiefstehenden
Zwerchfellen) oder der Nieren (bei Tiefstand der Le-
ber und enger Lagebeziehung zur Niere) bedingt. Als
Ursache ausgeschlossen werden müssen intraabdo-
minelle Raumforderungen, die entweder selbst zur
Impression der Leber führen oder ihre Verlagerung
bewirken.
Als Ursache von Hypoplasie (Abb. 7.21) oder Apla-
sie eines Leberlappens gelten vaskuläre Prozesse
(z. B. Thrombose des rechten Pfortaderasts durch
b Kompression). Diese können prä- und postnatal be-
obachtet werden. Angeborene Fehlbildungen infolge
Abb. 7.20 a, b. 8-jähriges Mädchen mit Hetereotaxiesyndrom von Störungen der vaskulären Embryogenese (z. B.
(beidseitige Linksseitigkeit der Lungen und Polysplenie im Abernethy-Malformation) treten dabei häufig als
rechten Oberbauch). a In der abdominellen MRT in T1-Wich- Teil komplexer Syndrome auf. Dabei betrifft die Fehl-
tung koronar erkennt man eine Leber mit 3 Lappen („trilobed
liver“). Atypische, vollständig getrennte Mündung der Leber- bildung in der Regel den rechten Leberlappen mit
venen in den rechten Vorhof. b Die axiale Aufnahme in T1- konsekutiver Hyperplasie des linken. Oft sind mit
Wichtung fat sat nach KM-Gabe zeigt eine der Nebenmilzen derartigen angeborenen Leberfehlbildungen eine
(Pfeil) dorsal des Magens (Pfeilspitze) im rechten Oberbauch Gallenblasenagenesie oder Anomalien der Lage der
Gallenblase (retro- oder suprahepatisch) sowie Gal-
lengangsanomalien vergesellschaftet. Als Ursache ei-
ner Hypoplasie oder Aplasie einzelner Leberab-
schnitte müssen jedoch immer auch maligne Raum-
Merke ! Lagevarianten der Leber (Chilaiditi-
Syndrom, Hernierungen, Heterotaxie-
forderungen der Leber und der intrahepatischen Gal-
lenwege sowie diffuse Leberveränderungen mit
syndrome) sind mit Ausnahme des Situs ambiguus nachfolgender Zirrhose ausgeschlossen werden
in der Mehrzahl der Fälle symptomlos und werden Der Riedel-Lappen stellt eine Ausziehung aus dem
zufällig diagnostiziert. Nach Ausschluss assozierter, medio-kaudalen Segment des rechten Leberlappens
klinisch relevanter Fehlbildungen mittels Sonogra- dar (Abb. 7.22). Als Entstehungsmechanismus wurde
phie und ggf. CT oder MRT ist eine weitere Abklä- u. a. eine mechanische Kompression von außen dis-
rung in aller Regel nicht erforderlich. kutiert. Diese wird auch für die häufig anzutreffende
7.2 Fehlbildungen 397
Klinische Symptomatik
Auch die Formveränderungen der Leber zeigen in
der Regel keinerlei klinische Symptomatik und wer-
den zufällig diagnostiziert. Nach der Hypoplasie des
rechten Leberlappens kommt es zu einer kompen-
satorischen Vergrößerung des linken Lappens mit ge-
legentlich nachweisbarem Druckgefühl im Mittel-
bauch.
Abb. 7.22. 86-jähriger Patient mit zufällig entdecktem Riedel-
Lappen. In der CT (koronare Sekundärrekonstruktion aus Radiologische Symptomatik
MSCT-Datensatz) Ausziehung des mediokaudalen Leberseg- Mit Ausnahme von Formveränderungen der Leber
ments (Pfeil). Zusätzlich Nachweis von 2 blanden Leberzysten im Rahmen von Syndromen wird die Diagnose zu-
fällig im Rahmen einer Abdominaluntersuchung ge-
stellt. Dies ist mit Sonographie, CT und MRT gleicher-
fibrotische Struktur des Riedel-Lappens mit Gallen- maßen sicher möglich.
stau als Ursache angesehen. Eine Kombination mit
einer Cholelithiasis ist häufig. Die Gefäßversorgung Differenzialdiagnose
erfolgt in der Regel aus der A. hepatica dextra und Bei den Formveränderungen der Leber müssen pri-
nicht direkt aus der abdominellen Aorta. Eine mögli- märe Lebermalignome oder Tumoren des Abdomens
che Komplikation ist der stielgedrehte Riedel-Lappen als Ursache ausgeschlossen werden. Ebenso muss
(Abb. 7.23 a, b) mit Beeinträchtigung der vaskulären eine durch Zirrhose entstandenen Hypoplasie eines
Versorgung und konsekutiver Verfettung bzw. Dege- Leberlappens von ursächlich kongenitalen Formver-
neration des Segments. änderungen unterschieden werden.
398 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Differenzialdiagnose Pathologisch-anatomische
Differenzialdiagnotisch sind von der blanden Leber- und ätiologische Grundlagen
zyste neben den verschiedenen Formen der fibro- Bei der kongenitalen polyzystischen Lebererkran-
polyzystischen Lebererkrankung vor allem erworbe- kung werden ein infantiler und ein adulter Typ unter-
ne Zysten nach Trauma oder Entzündung, pyogene schieden. Der infantile Typ ist seltener, wird auto-
Abszesse, Echinokokkuszysten und zystische bzw. somal-rezessiv vererbt, hat jedoch aufgrund der
nekrotische Metastasen abzugrenzen. Ebenso müs- Schwere der assoziierten polyzystischen Nierener-
sen biliäre Zystadenokarzinome, benige und maligne krankung (Potter I) eine schlechte Prognose. Zusätz-
Lebertumoren mit zystischen Anteilen und ggf. das lich finden sich eine Hepatomegalie, eine Dilatation
Hämangiom berücksichtigt werden. Wenn mehr als der intrahepatischen Gallengänge sowie eine fibröse
10 Zysten vorhanden sind muss eine autosomal-do- Umwandlung einzelner Periportalfelder in der Leber.
minante polyzystische Lebererkrankung in Betracht Beim häufigeren adulten Typ, der autosomal-
gezogen werden. dominant vererbt wird, sind die nephrogenen Ver-
400 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Klinische Symptomatik
Das klinische Beschwerdebild bei Patienten mit kon-
genitaler polyzystischer Lebererkrankung wird von
der Schwere der assoziierten pathologischen Verän-
derungen bestimmt. Bei den infantilen Typen wird
die Krankheit aufgrund der im Kindesalter manifest
werdenden ausgeprägten Nierenfunktionseinschrän-
kungen erkannt, und lange unentdeckte Verläufe sind
selten. a
Die adulten Typen zeigen in der Regel erst in
höherem Lebensalter (mittleres Diagnosealter bei
43 Jahren) klinisch relevante Einschränkungen der
Nierenfunktion. Häufiger werden diese Patienten we-
gen Hepatomegalie und portaler Hypertension bei
allerdings in der Regel fast unauffälligem hepati-
schen Laborstatus vorstellig. Eine Diagnose im Kin-
desalter erfolgt bei den adulten Formen der Erkran-
kung in der Regel nur dann, wenn die Patienten bei
positiver Familienanamnese frühzeitig untersucht
werden.
Radiologische Symptomatik b
Der Lokalbefund der kongenitalen polyzystischen
Lebererkrankung ist mit der bildgebenden Diagnos- Abb. 7.25 a, b. 53-jährige Patientin mit bekannten multiplen
Leber- und Nierenzysten im Sinne einer polyzystischen Leber-
tik nicht von anderen Formen der fibropolyzysti- erkrankung vom adulten Typ. a MRT T2-Wichtung fat sat
schen Leberstrukturveränderungen zu unterschei- koronar mit Darstellung multipler blander Leberzysten. Zu-
den. Sonographisch stellen sich die Zysten bei allen sätzlich Nachweis blander Nierenzysten links sowie einer ein-
Formen glatt begrenzt, echofrei und mit erkennbarer gebluteten Nierenzyste rechts (Pfeilspitze). b Nach KM-Gabe
erkennt man in der axialen T1-Wichtung fat sat die multiplen
Transsonie dar. Auch der gelegentlich mögliche Leberzysten ohne Nachweis eines Enhancements (Pfeilspitze)
Nachweis von Zelldetritus in den Zysten nach Ein-
blutungen gelingt unabhängig von der Genese der
vorliegenden Zysten. Entscheidend für die Differen-
zialdiagnose sind der Nachweis bzw. Ausschluss der exakten Dokumentation assoziierter polyzysti-
assoziierter polyzystischer Nierenveränderungen, scher Nierenerkrankungen, der Funktion der Nieren
der Hepatosplenomegalie und der portalen Hyper- und der Ausdehnung einer Hepatosplenomegalie
tension. sowie der portalen Hypertension zu sehen.
Auch in CT und MRT (Abb. 7.25 a, b) kommen die Mittels 99mTc-HIDA-Szintigraphie stellen sich die
Zysten glatt und scharf begrenzt, stark hypodens multiplen Zysten als photopene Areale mit glatter Be-
(CT) bzw. stark hypointens (T1-Wichtung) und stark grenzung, unauffälliger Anreicherung im umgeben-
hyperintens (T2-Wichtung) bei fehlendem Kontrast- den Lebergewebe und biliärer regelrechter Ausschei-
mittelenhancement zur Darstellung. Eine mögliche dung dar. Das Verfahren wird heute allenfalls noch in
Einblutung lässt Binnendichte bzw. -signal inhomo- der Differenzialdiagnostik z. B. in der Abgrenzung
gen erscheinen mit dem Nachweis von Blutabbaupro- eines ausgedehnten Caroli-Syndroms angewendet.
dukten. Die Zysten können 1–10 cm groß sein und Während die Zysten keine Anreicherung des Ra-
neben wasser- oder blutungsäquivalenten Binnen- diopharmakons ausweisen, kommt es zu einer star-
strukturen auch Verkalkungen und Spiegelbildungen ken Akkumulation des Tracers mit Persistenz über
aufweisen, mit ggf. deutlichen Formvarianten der be- Stunden in den erweiteren Gängen beim Caroli-Syn-
nachbarten Leber. Der Vorteil von CT und MRT ist in drom.
7.2 Fehlbildungen 401
Kongenitale Leberfibrose
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Auch bei der kongenitalen Leberfibrose werden, ab-
hängig von der mitvergesellschafteten polyzysti-
schen Nierenerkrankung der infantile (Potter I)
und der adulte (Potter III) Typ unterschieden. Zu-
sätzlich sind Fälle mit ausgeprägter Nierendysplasie
(Potter II) und/oder zystischer Dysplasie des Rücken-
Abb. 7.26. 68-jähriger Patient mit Zustand nach kolorektalem marks beschrieben. Während beim infantilen Typ
Karzinom vor 2 Jahren. In der Nachsorge-MSCT erstmals eine Bevorzugung des weiblichen Geschlechts
Nachweis einer kleinen, unscharf begrenzten hypodensen beobachtet wird, ist die Geschlechtsverteilung beim
Raumforderung peripher im Segment IVb (Pfeilspitze). Auf-
grund des Neuauftretens erfolgte die Resektion unter dem Ver- adulten Typ ausgeglichen. Abhängig von der Schwere
dacht einer metachronen Metastasierung. Die histologische der assoziierten Nierenerkrankung ist die Prognose
Aufarbeitung des Resektionspräparates erbrachte ein biliäres vor allem beim infantilen Typ schlecht, die meisten
Hamartom (von-Meyenburg-Komplex) Patienten versterben noch im Kindesalter.
Histologisch handelt es sich um Fibroseinseln um-
geben von gesundem Leberparenchym mit einer
Vielzahl erweiterter und atypisch verlaufender peri-
Differenzialdiagnose pherer Gallengänge. Zusätzlich finden sich multiple
Als wichtigste Differenzialdiagnosen biliärer Hamar- Zysten ohne Anschluss an das Gallenwegssystem,
tome sind, abhängig von der Größe, multiple blande Zeichen der portalen Hypertension und eine Hepa-
Leberzysten, eine diffuse, kleinherdige Lebermetas- tosplenomegalie. Die Patienten neigen zur Gallen-
tasierung oder in Einzelfällen eine kongenitale poly- steinbildung und zu Cholangitiden.
zystische Lebererkrankung bzw. ein Caroli-Syndrom
anzusehen. Klinische Symptomatik
Die klinische Symptomatik wird auch bei Patienten
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie mit kongenitaler Leberfibrose vom Ausmaß der
Die Diagnostik biliärer Hamartome erfolgt zufällig assoziierten Veränderungen geprägt. Ähnlich wie
im Rahmen anderweitiger Untersuchungen der Le- bei kongenitalen polyzystischen Lebererkrankungen
ber. Soll gezielt, etwa im Rahmen eines Stagings der ist in der Regel die begleitende Nierenerkrankung
Leber beim Tumorpatienten, eine weitestgehende klinisch führend. Kommt es zu Cholangitiden, wer-
Differenzierung erfolgen, sind hierfür insbesondere den die klinischen Beschwerden des komplizierten
die hochauflösende MSCT und die MRT mit stark T2- Gallensteinleidens beobachtet.
gewichteten Sequenzen geeignet. Häufig kann die
endgültige Diagnose jedoch erst histologisch gestellt Radiologische Symptomatik
werden. Auch die kongenitale Leberfibrose ist lokal in der
Leber nicht von den anderen Formen der fibropoly-
Merke ! Biliäre Hamartome (von-Meyenburg-
Komplexe) stellen eine sehr seltene
zystischen Strukturfehlbildungen zu unterscheiden.
Eine Klassifizierung kann nur anhand der begleiten-
Form der zystischen Fehlbildungen der Leber dar den Veränderungen insbesondere in der Niere erfol-
und werden zufällig entdeckt.Abhängig vom soliden, gen. Für die Darstellung der Zysten in den bildgeben-
semiliquiden oder liquiden Inhalt ist das Muster in den Verfahren gelten ebenso wie für die weiter-
der Bildgebung, wobei MSCT und MRT mit stark T2- führende Diagnostik die im Abschnitt „Kongenitale
gewichteten Sequenzen die besten Aussagen liefern. polyzystische Lebererkrankung“ (s. oben) genannten
Wichtigste Differenzialdiagnosen sind multiple blan- Kriterien.
de Leberzysten und, vor allem bei kleinen Herden,
multiple kleine Metastasen. Eine endgültige Diffe-
renzierung ist häufig mit der Bildgebung allein nicht
möglich.
7.2 Fehlbildungen 403
7.2.3
Fehlbildungen der Gallenblase und der Gallenwege
7.2.3.1
Lagevarianten von Gallenblase und Gallenwegen
Differenzialdiagnose
Die Lageanomalien der Gallenblase stellen in der
Regel kein differenzialdiagnostisches Problem dar.
Lediglich bei Verdacht auf das Vorliegen einer Gal-
lenblasentorsion sollten Formvarianten der Gallen-
blase wie transversale Septen (Bild der „phrygischen
Mütze“) mit erwogen werden.
Abb. 7.30. 56-jährige Patientin mit Cholezystitis. Nebenbe- Abb. 7.31. 68-jähriger Patient mit Papillenkarzinom. In der
fundlich zeigt sich in der MRCP eine vordere Überkreuzung MRCP deutliche Dilatation des intra- und extrahepatischen
des Ductus cysticus (Pfeil). Unauffälliges intra- und extrahe- Gallenwegssystems und Gallenblasenhydrops. Nebenbefund-
patisches Gallenwegssystem bei Gallenblasenhydrops. Geringe lich tiefe Einmündung des Ductus cysticus (Pfeil) mit hinterer
Pericholezystitis Überkreuzung des Ductus choledochus
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Longitudinale Septen der Gallenblase können kom-
plett oder partiell auftreten und dabei zu einer voll-
ständigen Trennung des Organs sowie zu einer voll-
ständigen oder partiellen intraluminalen Untertei-
lung führen.
Klinische Symptomatik
Septenbildungen der Gallenblase mit Duplikaturen
oder gedoppelter Gallenblase führen primär nicht
zu einer klinischen Symptomatik. Es können jedoch
in beiden Formvarianten der Gallenblase Steine im
Rahmen der Cholelithiasis auftreten.
Radiologische Symptomatik
Formvarianten der Gallenblase durch longitudinale
Septen werden zufällig in der bildgebenden Diagnos-
tik entdeckt, wenn eine Abklärung des hepatobiliären
Systems im Rahmen eines Steinleidens oder aus
anderer Indikation erfolgt.
Sonographisch kann die Gallenblasenduplikatur in
aller Regel vermutet werden. Eine sichere Klassifika-
Abb. 7.36. 31-jähriger Patient mit Gallengries. MRCP mit Dar- tion ist nur bei idealen Untersuchungsbedingungen
stellung einer gewinkelten Gallenblase im Infundibulum. Zu- möglich und wird erleichtert, wenn das akzessori-
sätzlich isolierte Einmündung des Segmentasts VI im Leber-
hilus (Pfeil) sche Lumen Konkremente enthält. Dann stellt sich im
Gallenblasenbett eine doppelte zystische Formation
mit entsprechendem Konkrementnachweis dar. Eine
gedoppelte Gallenblase ist ohne vorherige Kenntnis
Longitudinale Septen der Gallenblase sonographisch meist schwer zu diagnostizieren.
Infolge longitudinaler Septembildung in der Gallen- Wird auf CT-Aufnahmen zufällig eine Gallenbla-
blase kommt es zur Gallenblasenduplikatur oder zur senduplikatur vermutet, sind vor allem koronare und
gedoppelten Gallenblase. Teilduplikaturen und mehr sagittale Sekundärrekonstruktionen für eine sichere
als 2 Gallenblasen sind extrem selten. Zuordnung der beiden hypodens zur Darstellung
410 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
b c
kommenden Gallenblasenlumina hilfreich. Gleiches Teilung des Gallenblasenlumens durch ein Längs-
gilt bei der Septierung mit doppelter Gallenblase. septum. Bei guten Kontrastverhältnissen sind ver-
Steht die MRT nicht zur Verfügung kann eine MSCT gleichbare Ergebnisse auch mit der intravenösen
nach Applikation gallengängigen Kontrastmittels mit Cholangiographie ggf. mit konventioneller Tomogra-
Sekundärrekonstruktionen zur Diagnose führen, da phie zu erzielen.
sich dann das Kontrastmittel in den beiden Gallen-
blasenanteilen anreichert. Differenzialdiagnose
In der MRCP gelingt, insbesondere bei Akquisi- Von der Gallenblasenduplikatur sind normvariante
tion eines 3D-Datensatzes, eine umfassende Darstel- Lagen wie Angulationen und Knickbildungen ebenso
lung der normvarianten Anatomie der Gallenblase. abzugrenzen wie postentzündliche Verziehungen im
Allerdings kann auch hier die Differenzierung Rahmen postcholezystitischer Veränderungen. Auch
zwischen Gallenblasenduplikatur und gedoppelter transversale Septen und Raffungen der Gallenblase
Gallenblase schwierig sein und erfordert optimale mit dem Bild der „phrygischen Mütze“ sowie malig-
Untersuchungsbedingungen sowie zusätzliche axiale ne Gallenblasenerkrankungen stellen wichtige Diffe-
Sequenzen in T2-Wichtung (Abb. 7.37 a–c). renzialdiagnosen dar.
Eine sichere Diagnose in allen Fällen kann letzt-
lich nur durch die direkte Darstellung mittels ERC/ Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
PTC oder intraoperativer Sondierung erfolgen. Bei Die Diagnose der longitudinalen Septen der Gallen-
Vollfüllung der Gallenblase gelingt so auch die Diffe- blase wird in der Regel zufällig in Sonographie, CT,
renzierung einer partiellen von einer vollständigen MRT mit MRCP, intravenöser Cholangiographie oder
7.2 Fehlbildungen 411
ERC/PTC gestellt. Soll der Verdacht einer Gallen- Aufgrund der Kompartimentierung des Organs nei-
blasenduplikatur oder einer gedoppelten Gallenblase gen die Patienten zur Steinbildung infolge der Stase
bildgebend untermauert werden eignen sich hierzu in der Gallenblase.
die MRT mit MRCP oder die MSCT nach Gabe gallen-
gängigen Kontrastmittels sowie die direkten Verfah- Klinische Symptomatik
ren ERC/PTC. Als weniger sensitiv ist die intravenöse Auch transversale Septenbildungen der Gallenblase
Cholangiographie ggf. mit konventioneller Tomogra- zeigen in der Regel keine klinischen Symptome und
phie anzusehen. werden zufällig entdeckt. Hiervon ausgenommen
sind stark ausgeprägte Septierungen in Form der
Merke ! Longitudinale Septen der Gallenblase
sind selten, führen zur Gallenblasen-
Sanduhrgallenblase, bei denen die klinischen Zei-
chen der Gallenblasenentleerungsstörung auftreten
duplikatur oder zur gedoppelten Gallenblase und können. Ebenso werden bei multiseptierten Gallen-
werden bei klinisch stummem Verlauf meist zufällig blasen vermehrt Symptome der Cholelithiasis und
entdeckt. Die beste Darstellung erfolgt über MRT Cholezystitis durch die vermehrte Stase im Organ
mit MRCP oder MSCT nach Gabe gallengängigen beobachtet.
Kontrastmittels bzw. direkt über ERC/PTC. Abzu-
grenzen sind andere Formvarianten der Gallenblase Radiologische Symptomatik
durch entzündliche und nichtentzündliche Raffun- Sämtliche Formen der Septenbildung werden in der
gen des Organs. Regel zufällig oder im Rahmen der Abklärung einer
vermuteten Cholelithiasis entdeckt.
Transversale Septen der Gallenblase Sonographisch stellen sich die Septen – bei idealen
Bei den transversalen Septen der Gallenblase werden Schallbedingungen – als echoreiche Unterteilung des
isolierte Transversalsepten, das Bild der phrygischen echoarmen Lumens der Gallenblase dar. Mittels CT
Mütze und die sehr seltene multiseptierte Gallenbla- und MRT mit MRCP kann in der Regel die Quertei-
se unterschieden. lung des Gallenblasenlumens durch das membranöse
Segel des Septums erkannt werden. Es stellt sich in
Pathologisch-anatomische der CT hyperdens im hypodensen Gallenblasen-
und ätiologische Grundlagen lumen dar und weist in der T2-Wichtung der MRT
(Abb. 7.38) bzw. MRCP ein hypointenses Signal ge-
왔 Transversalsepten können zirkulär oder genüber dem hyperintensen Lumen auf. Das Bild der
Definition
semizirkulär auftreten und sind in „phrygischen Mütze“ mit der korkenzieherartigen
aller Regel im Fundus der Gallenblase, seltener in Raffung der Gallenblase im Bereich des Fundus ist
ihrem Hals angeordnet. Sie treten meist isoliert auf. insbesondere in der MRCP pathognomonisch.
Abb. 7.39. 50-jährige Patientin mit Verdacht auf Cholelithia- Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
sis. In der i. v. Cholangiographie Darstellung einer gut gefüllten
Gallenblase mit Transversalseptum (Pfeil) im Gallenblasen- Transversale Septen der Gallenblase werden meist
fundus zufällig im Rahmen der sonographischen Cholelithi-
asisdiagnostik oder im Rahmen des Stagings ent-
deckt. Eine Bestätigung der Diagnose gelingt mittels
MRT mit MRCP (Abb. 7.40) oder MSCT nach Appli-
Sicher gelingen der Nachweis und die Differenzie- kation gallengängigen Kontrastmittels sowie den
rung der unterschiedlichen Formen der Transversal- direkten Verfahren ERC/PTC. Falls durchgeführt
septen in der direkten Darstellung mit ERC/PTC oder zeigt auch die konventionelle Cholangiographie ggf.
intravenöser Cholangiographie (Abb. 7.39) und ggf. einschließlich Tomographie den Befund.
konventioneller Tomographie. Alternativ kann auch
eine MSCT nach Gabe gallengängigen Kontrast-
mittels mit Sekundärrekonstruktionen erfolgen.
Merke ! Transversale Septen sind in ihren
unterschiedlichen Ausprägungen sel-
Dabei bildet sich das Septum hypodens im nach Kon- ten, häufig klinisch stumm und werden zufällig ent-
trastmittelanreicherung hyperdensen Gallenblasen- deckt. Insbesondere das Bild der „phrygischen Müt-
lumen ab. ze“ ist pathognomonisch. Das gehäuftes Auftreten
Im Fall der zusätzlichen Cholelithiasis und Chole- einer Cholelithiasis wird beobachtet. Sichere dia-
zystitis stellen alle Verfahren die Komplikation der gnostische Verfahren zum Nachweis der Septen sind
Gallenblasenformvariante mit den bekannten Krite- vor allem MRT mit MRCP sowie ERC/PTC, ggf. auch
rien dar. MSCT nach Gabe gallengängigen Kontrastmittels
oder, falls durchgeführt, die intravenöse Cholangio-
Differenzialdiagnose graphie ggf. einschließlich konventioneller Tomogra-
Bei der Diagnostik transversaler Septen der Gallen- phie.
blase müssen andere Formanomalien wie Angulatio-
nen und Knickbildungen, Gallenblasenduplikaturen Gallenblasendivertikel
und gedoppelte Gallenblasen sowie entzündliche und
maligne Gallenblasenerkrankungen differenziert 왔 Das Gallenblasendivertikel ist eine
Definition
werden. Insbesondere im Bereich des Fundus sind sackförmige Ausstülpung aus der
transversale Septierungen der Gallenblase von ech- Gallenblase, in der Regel im Bereich des Fundus, mit
ten Gallenblasendivertikeln und der Adenomyoma- Divertikelhals und kontinuierlicher Verbindung zum
tose der Gallenblase zu unterscheiden. Gallenblasenlumen.
7.2 Fehlbildungen 413
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Gallenblasendivertikel sind selten. Sie entstehen aus
persitierenden Gangresten des Ductus hepatocysti-
cus, der embryonalen Verbindung zwischen Pars
hepatica und Pars cystica des Leberdivertikels.
Klinische Symptomatik
Ein umschriebenes Beschwerdebild liegt bei Gallen-
blasendivertikeln nicht vor. Abhängig von der Weite
des Divertikelhalses kann es jedoch zur Stase von
Gallenflüssigkeit und Steinbildung im Divertikel
kommen. Dabei sind auch umschriebene Entzün-
dungen im abgeschnürten Divertikel mit der klini-
schen Symptomatik des akuten Gallensteinleidens
möglich.
Radiologische Symptomatik
Das Gallenblasendivertikel wird in der Regel zufällig
im Rahmen der Abklärung einer Cholelithiasis oder
des Stagings entdeckt.
Sonographisch stellt sich eine neben der Gallen-
blase gelegene echoarme Struktur mit Verbindung
zur Gallenblase dar. Im Fall des intradivertikulären
Konkrements lässt sich dies in klassischer Weise
nachweisen. Die sichere Abgrenzung eines Gallenbla-
sendivertikels erfordert jedoch optimale Schallbe- Abb. 7.41. 45-jährige Patientin mit Gallensteinleiden. Auf der
i. v. Cholangiographieaufnahme Darstellung eines Divertikels
dingungen. am Gallenblasenfundus (Pfeilspitze)
In der CT werden Gallenblasendivertikel zufällig
als hypodense Ausstülpungen des Gallenblasen-
lumens erkannt. Sicher gelingt die Darstellung auf
koronaren Sekundärrekonstruktionen aus MSCT- Differenzialdiagnose
Datensätzen. In die differenzialdiagnostische Abwägung eines
Die MRCP dokumentiert ein Gallenblasendiverti- Gallenblasendivertikels müssen insbesondere Sep-
kel mit großer Sicherheit und kann auch Aufschluss tierungen der Gallenblase, entzündliche und maligne
über ein intradivertikuläres Konkrement in Form Veränderungen des Organs sowie die Adenomyoma-
einer hypointensen Füllungsaussparung bei hyper- tose der Gallenblase mit einbezogen werden.
intensem Lumen geben. Zusätzlich werden mögliche
Komplikationen in Form einer Cholezystitis bzw. Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Cholestase abgebildet. Ergänzende axiale MRT-Se- Bei sonographischem Verdacht auf ein Gallenblasen-
quenzen in T2-Wichtung bestätigen den Befund ent- divertikel und der klinischen Notwendigkeit der wei-
sprechend. teren Sicherung der Diagnose sollte die Abklärung
Analog zur MRCP kann ein Gallenblasendivertikel mittels MRCP und ggf. ergänzenden MRT-Sequenzen
mit den direkten Verfahren ERC/PTC und ausrei- in T2-Wichtung erfolgen. CT und die Verfahren der
chender Kontrastmittelfüllung der Gallenblase dar- direkten Darstellung wie ERC/PTC und konventio-
gestellt werden. Dies geschieht jedoch routinemäßig nelle Cholangiographie kommen ebenso wie nukle-
nicht. armedizinische Verfahren nicht regelhaft zum Ein-
Auch auf intravenösen Cholangiographien ggf. satz.
einschließlich konventioneller Tomographie lassen
sich ein Gallenblasendivertikel sowie die eventuelle
Komplikation des intraluminalen Konkrements be- Merke ! Gallenblasendivertikel sind seltene,
auf persistierenden embryonalen
urteilen (Abb. 7.41). Das Verfahren findet heute je- Gangresten beruhende Ausstülpungen der Gallen-
doch keine Anwendung in der Routinediagnostik blase ohne klinische Symptomatik. Auf die vermehr-
mehr. Gleiches gilt für die hepatobiliäre Funktions- te Entwicklung einer Cholelithiasis im Divertikel mit
szintigraphie, die, zumindest bei großen Divertikeln, entsprechender klinischer Symptomatik ist zu ach-
diese ebenfalls diagnostisch abbildet. ten. Eine sichere Diagnose gelingt neben der Sono-
414 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
a b c
d e
graphie mittels MRCP ggf. ergänzt durch axiale MRT- Tabelle 7.2. Einteilung der Gallenwegszysten nach Todani und
Sequenzen.Abzugrenzen sind die anderen Formvari- Traverso
anten der Gallenblase, entzündliche und maligen Typ Beschreibung Häufigkeit (%)
Veränderungen und insbesondere die Adenomyoma-
tose. I Choledochuszyste 70–90
Ia Zystische Dilatation
7.2.3.3 des Ductus hepaticus communis
und Ductus choledochus
Formvarianten der Gallenwege
Ib Segmentale Dilatation
Unter den Formvarianten der Gallenwege werden des Ductus choledochus
insbesondere die kongenitalen zystischen Verände- Ic Diffuse Dilatation
rungen der intra- und extrahepatischen Gallengänge des Ductus hepaticus communis
nach Todani subsumiert (Abb. 7.42 a–e; Tabelle 7.2). und Ductus choledochus
Dabei zeigt diese Einteilung eine Überschneidung II Choledochusdivertikel 2
mit der Klassifikation der kongenitalen zystischen III Choledochozele 3–5
Leberveränderungen (s. Abschn. 7.2.2.2) bei Chole- IV Multiple segmentale intra- und 10–20
dochuszysten und beim Caroli-Syndrom. extrahepatische Gallengangszysten
IVa Intra- und extrahepatische
Choledochuszyste (Typ I nach Todani) Gangzysten + zystische Dilatation
Choledochuszysten werden, je nach Klassifikation des extrahepatischen Gangsystems
unter die kongenitalen zystischen Lebererkrankun- IVb Extrahepatische Gangzysten
gen (Typ V) bzw. unter die kongenitalen zystischen + unauffälliges intrahepatisches
Gangsystem
Gallenwegsveränderungen (Typ I) eingeordnet. Sie
V Caroli-Syndrom 4–13
stellen segmentale sackförmige Erweiterungen des (intrahepatische Zysten)
extrahepatischen Gallengangssystems dar.
7.2 Fehlbildungen 415
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Abb. 7.44. 53-jähriger Patient mit langjähriger Cholelithiasis Für die Entstehung der Gangzysten werden sowohl
und sekundär erworbener Choledochozele. Die ERCP zeigt die Mündungsanomalien von Ductus choledochus und
große Choledochozele (Z), den Ductus pancreaticus (DP) mit Ductus pancreaticus (vgl. Choledochuszyste) als
postentzündlichen Wandveränderungen sowie die unauffälli- auch genetische und embryonale Faktoren (vgl.
ge Darstellung von Gallenblase (GB), Ductus choledochus
(DC) und rechtsseitigem intraheptischem Gallenwegssystem Caroli-Syndrom) verantwortlich gemacht. Die Pa-
(DHD) tienten neigen durch die zystischen Aufweitungen
418 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
des ableitenden Gallenwegssystems analog zur Gal- Gleiches gilt für andere zystische Veränderungen in-
lensteinbildung. Über eine vermehrte maligne Ent- tra-, extrahepatisch und pankreatisch sowie für Ab-
artung wurde bisher nicht berichtet. Dennoch ist, szesse und weitere Formen der Cholestase.
wie bei Choldochuszysten und Caroli-Syndrom, auf-
grund vergleichbarer Pathomechanismen von einem Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
erhöhten Risiko für die Entstehung eines CCC auszu- Auch die multiplen intra- und extrahepatischen Gal-
gehen. lengangszysten werden heute primär mit der MRT
mit MRCP untersucht und lediglich im Fall einer not-
Klinische Symptomatik wendigen Drainage oder einer Histologiegewinnung
Die klinische Symptomatik orientiert sich, analog mittels ERC/PTC.
den Patienten mit anderen zystischen Gallenwegs-
anomalien, am assoziierten Gallensteinleiden mit
seinen möglichen Komplikationen.
Merke ! Hereditäre intra- und extrahepatische
Gallenwegszysten sind selten und
werden meist im Rahmen eines Gallensteinleidens
Radiologische Symptomatik bekannt. Die günstigsten Untersuchungsmodalitäten
Eine erste Verdachtsdiagnose auf Gallengangszysten sind MRT mit MRCP oder ERC/PTC. Abzugrenzen ist
wird meist sonographisch gestellt. Dabei erkennt man insbesondere die Choledochuszyste.
zahlreiche echoarme Aufweitungen des intra- und
extrahepatischen Gallenwegssystems. Für die sichere Caroli-Syndrom (Typ V nach Todani)
Zuordnung eignen sich MRT mit MRCP (Abb. 7.45),
ERC/PTC bzw. die intravenöse Cholangiographie und 왔 Als Caroli-Syndrom wird eine kaver-
Definition
neuerdings auch die MSCT mit Sekundärrekonstruk- nöse Ektasie der großen intrahepati-
tionen. Alle Verfahren zeigen hyperintense (MRT), schen Gallengänge bezeichnet.
hypodense (MSCT) bzw. kontrastmittelgefüllte Aus-
sackungen des intra- bzw. extrahepatischen Gallen- In der Originalarbeit von Caroli 1958 wurde lediglich
wegssystems ohne Stenosen. Nuklearmedizinische eine sackförmige Dilatation der linksseitigen intra-
Verfahren kommen hier nicht mehr routinemäßig hepatischen Gallengänge beschrieben. Auch wenn
zum Einsatz. diese Form die häufigste ist, wird heute neben der ur-
sprünglichen lokalen Form auch die generalisierte
Differenzialdiagnose beidseitige zystische Erweiterung der intrahepati-
Insbesondere die Choledochuszyste und andere For- schen Gallengänge als Caroli-Syndrom bezeichnet.
men der zystischen Gallenwegsfehlbildungen müs-
sen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Das Caroli-Syndrom wird sowohl unter den zysti-
schen Gallenwegserweiterungen (Typ V nach Tod-
ani) als auch unter den polyzystischen Lebererkran-
kungen (Typ IV) klassifiziert. Es ist selten und eine
autosomal-rezessive Vererbung scheint wahrschein-
lich. Eine Geschlechtsprädisposition ist nicht be-
kannt. Die Diagnose wird in der Regel spätestens bis
zur 3. Lebensdekade gestellt.
Histologisch liegen segmentale divertikelartige
Dilatationen der intrahepatischen Gallengänge in
fibrosierenden Portalfeldern vor. Ätiologisch werden
neben der genetischen Komponente sowohl eine ar-
terielle Minderperfusion perinatal als auch eine
Schwäche der fibromuskulären Wand der Gallen-
gänge vermutet. Ähnlich den übrigen zystischen
Gallenwegsfehlbildungen wird auch beim Caroli-
Syndrom eine erhöhte Neigung zur Cholelithiasis
beobachtet mit ggf. Komplikationen in Form von
Cholangitis und Sepsis. Mit der Erkrankung sind auf-
Abb. 7.45. 7-jähriger Junge mit intra- und extrahepatischen grund der Zugehörigkeit zu den polyzystischen Le-
Gallenwegszysten (Typ IVa). MRCP in Projektionstechnik mit
Dokumentation zystischer Erweiterungen des Ductus chole-
bererkrankungen die kongenitale Leberfibrose und
dochus (DC) sowie des rechten (DHD) und linken (DHS) Duc- die infantile polyzystische Nierenerkrankung häufig
tus hepaticus assoziiert. Ebenso wurde über die Ausbildung einer
7.2 Fehlbildungen 419
Markschwammniere und im Kindesalter die Nephro- lengänge direkt darstellt. Zusätzliche axiale T2-ge-
nophthisis berichtet. Das Caroli-Syndrom gilt als wichtete Sequenzen erlauben den Nachweis einer
Präkanzerose für die Entwicklung eines CCC. evtl. assoziierten Cholelithiasis oder sekundärer Le-
berabszesse.
Klinische Symptomatik Mit den direkten Verfahren ERC/PTC oder auch
Patienten mit Caroli-Syndrom werden in der Regel der konventionellen Cholangiographie können eben-
mit Beschwerden des Gallensteinleidens klinisch auf- falls die sackartigen Erweiterungen der intrahepti-
fällig: krampfartige Oberbauchbeschwerden, Fieber, schen Gallengänge direkt zur Abbildung gebracht
rezidivierende Ikterusschübe. Nur in seltenen Fällen werden (Abb. 7.46 b). Nuklearmedizinische Verfahren
entwickeln sich eine portale Hypertension und eine kommen zur Abklärung eines Caroli-Syndroms nicht
Leberzirrhose. routinemäßig zum Einsatz.
a b c d
e f g h
Abb. 7.47 a–h. Schematische Darstellung der verschiedenen Gallenwege einschließlich der Gallenblase. f Isolierte Zyste in
Formen der Gallengangsatresie und ihrer Häufigkeiten. a Voll- der Hepatikusgabel bei Atresie der intrahepatischen Gallen-
ständige Atresie von Gallenblase und Gallenwegen. b Isolierte wege und des Ductus hepaticus communis. g Isolierte Zyste in
Gallenblase bei Atresie der Gallenwege. c Atresie der intra- der Hepatikusgabel und isolierte Gallenblase bei Atresie der
hepatischen Gallenwege und des Ductus hepaticus communis. intra- und extrahepatischen Gallenwege. h Zyste in der Hepa-
d Isolierte Gallenblase und Ductus cysticus bei Atresie der in- tikusgabel mit Anschluss an die ektop gelegene Gallenblase.
tra- und extrahepatischen Gallengänge. e Isolierte Zyste in der Atresie der intra- und extrahepatischen Gallenwege sowie des
Hepatikusgabel bei Atresie der intra- und extrahepatischen Ductus cysticus
7.2 Fehlbildungen 421
Radiologische Symptomatik
Zur Abklärung des prolongierten Neugeborenenikte-
rus erfolgt zunächst immer eine Sonographie der Le-
ber. Diese muss, aufgrund der Sonomorphologie des a
Neonaten, mit einer Frequenz von 7–14 MHz durch-
geführt werden. Da die Leber bei Gallengangsatre-
sien im frühen Säuglingsalter – trotz später intraope-
rativ nachweisbaren ausgeprägten Parenchymver-
änderungen – sonomorphologisch meist unauffällig
zur Darstellung kommt, schließt dieses Kriterium
die Diagnose nicht aus. Der Ductus choledochus ist
im Neugeborenenalter selten eindeutig in seiner
gesamten Länge identifizierbar, und die Darstellung
der intrahepatischen Gänge gelingt nur im dilatier-
b
ten Zustand.Auch stellen der Nachweis oder das Feh-
len der Gallenblase kein zuverlässiges Kriterium zur Abb. 7.48 a, b. 8 Wochen alter männlicher Säugling mit pro-
Sicherung der Diagnose einer biliären Atresie dar. longiertem Ikterus. a Fehlender Nachweis einer Gallenblase
Wenn sich bei nüchternem Kind keine Gallenblase in der B-Bild-Sonographie und somit Verdacht auf Gallen-
oder eine kleine Gallenblase oder Zyste in der Porta gangsatresie. b Auch in der 99mTc-HIDA-Szintigraphie fehlen-
der Nachweis einer Gallenblase. Die Spätaufnahmen 24 h p. i.
hepatis findet, ist dies allerdings hochverdächtig auf zeigen keinen Abstrom des Radiopharmakons in den Darm
eine biliäre Atresie, da bei 90% der Kinder mit Neu-
geborenenhepatitis die Gallenblase unauffällig ist
(Abb. 7.48 a).
Zur weiteren Abklärung muss bei Verdacht auf Gallengangsatresie berichtet. Das Verfahren ist je-
eine Gallengangsatresie immer eine hepatobiliäre doch, ebenso wie die ERCP, momentan für diese Fra-
Funktionsszintigraphie durchgeführt werden. Diese gestellung nicht als etabliert anzusehen.
sollte nach Gabe von Phenobarbital zur Anregung
der Gallensekretion die Blutpoolphase, die Leberpha- Differenzialdiagnose
se und Spätaufnahmen nach 24 Stunden umfassen. Aufgrund der klinischen Symptomatik des persistie-
Die frühen Phasen geben Aufschluss über die Auf- renden Neugeborenenikterus stellen die neonatale
nahme des Radiopharmakons aus dem Blut, die Spät- Hepatitis, das Alagille-Syndrom, die spontane Perfo-
phase ist erforderlich, da bei der neonatalen Hepati- ration des Ductus choledochus und die verschiede-
tis die Ausscheidung in den Darm oft verzögert ist. Ist nen Formen der zystischen Gallengangsfehlbildun-
auch nach 24 Stunden keine Aktivität im Darm nach- gen die wichtigsten Differenzialdiagnosen zur Gal-
weisbar, ist mit hoher Sicherheit von einer Gallen- lengangsatresie dar (Tabelle 7.3).
gangsatresie auszugehen (Abb. 7.48 b). Der Nachweis
des Radiopharmazeutikums im Darm schließt die Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Gallengangsatresie aus. Beim Verdacht auf Gallengangsatresie muss neben
In unklaren Fällen muss die operative Sicherung der Sonographie immer eine hepatobiliäre Funk-
durch eine intraoperative direkte Cholangiographie tionsszintigraphie durchgeführt werden. In weiter
erzwungen werden. Exemplarisch wird über den Ein- unklaren Fällen erfolgt die Sicherung durch intra-
satz der MRCP in der diagnostischen Abklärung der operative Cholangiographie bzw. Biopsie. Die MRCP
422 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Neugeborene Kinder
spielt aktuell noch keine etablierte Rolle, die ERC figkeit von 1:100.000 gilt das Alagille-Syndroms als
wird nicht eingesetzt. Prädisposition eines hepatozellulären Karzinoms
(HCC).
Merke ! Die biliäre Atresie ist eine häufige Ur-
sache des persistierenden Neugebore-
Die nichtsyndromale Form der Gallenwegshypo-
plasie ist extrem selten. In Ausnahmefällen findet
nenikterus und in 10% der Fälle mit dem nichtkardi- sich eine partielle Hypoplasie der Gallengänge auch
alen Polyspleniesyndrom vergesellschaftet. Sie kann beim Erwachsenen.
mit dem Ultraschall allein nicht sicher diagnostiziert
werden, sodass die hepatobiliäre Funktionsszintigra- Klinische Symptomatik
phie die wichtigste Untersuchung darstellt. In Zwei- Auch die Patienten mit Gallenwegshypoplasien kön-
felsfällen ist die Diagnose durch eine intraoperative nen sich durch einen persistierenden Neugeborenen-
Gallenwegsdarstellung zu erzwingen. Aufgrund der ikterus auszeichnen. Im Fall des Alagille-Syndroms
sich rasch verschlechternden Prognose muss die Dia- wird die Symptomatik zusätzlich durch die assozier-
gnose so früh wie möglich gestellt werden. Die The- ten Fehlbildungen insbesondere im Bereich der Pul-
rapie ist operativ (Portoenterostomie nach Kasai). monalarterien bestimmt. Die nichtsyndromalen For-
men werden zumeist zufällig entdeckt.
Hypoplasie von Gallenblase und Gallenwegen
Radiologische Symptomatik
왔 Im Gegensatz zur Gallengangsatresie Beim Alagille-Syndrom ist die Sonographie beim
Definition
mit vollständigem Fehlen der Gallen- Neugeborenen meist unauffällig. Demgegenüber kön-
gänge stellt ihre Hypoplasie eine Unterwicklung des nen aber bei älteren Kindern, die nicht in der Neo-
biliären Systems dar. natalperiode auffällig werden, gelegentlich ein in-
homogenes Leberparenchym oder Regeneratknoten
Pathologisch-anatomische nachgewiesen werden.
und ätiologische Grundlagen Typischerweise zeigt sich durch den beeinträch-
Die häufigste Form der Gallenwegshypoplasie tritt tigten Abfluss der Galle in der hepatobiliären Funk-
im Rahmen des Alagille-Syndroms (arteriohepati- tionsszintigraphie keine normale Ausscheidung des
sche Dysplasie) auf. Seine Hauptcharakteristika sind Radiopharmazeutikums in den Darm. Der Nachweis
neben der chronischen Cholestase eine abnorme von einem oder mehreren Schmetterlingswirbeln
Fazies, Augenanomalien, Schmetterlingswirbel und mit Hilfe der konventionellen BWS-Aufnahme a.-p.
Pulmonalarterienhypoplasie oder -stenose. Die ge- (Abb. 7.49) erhärtet die Diagnose, die definitiv durch
naue Ätiologie ist unbekannt, eine genetische Kom- eine Leberbiopsie gesichert werden muss.
ponente wird vermutet. Mit einer geschätzten Häu-
7.2 Fehlbildungen 423
Differenzialdiagnose
Bedingt durch den persistierenden Neugeborenenik-
terus beim Alagille-Syndrom stellen neben der neo-
natalen Hepatitis und der Gallengangsatresie die
spontane Choledochusperforation und die verschie-
denen Formen der zystischen Gallenwegsfehlbildun-
gen die entscheidenden Differenzialdiagnosen dar.
Klinische Symptomatik
Normvarianten des arteriellen Gefäßsystems von Le-
ber, Gallenblase und Gallenwegen werden generell
zufällig diagnostiziert und sind nicht mit klinischen
Symptomen verbunden. Relevanz weisen sie zur ope-
rativen Planung von resektiven Maßnahmen und im
Rahmen der interventionellen Therapie (Embolisa-
tion, lokoregionale Chemotherapie) oder in der prä-
operativen Diagnostik vor Lebertransplantation (Le-
bendspender und Empfänger) auf.
7.2 Fehlbildungen 425
Radiologische Symptomatik
Arterielle vaskuläre Normvarianten können beim
Kind in aller Regel, beim Erwachsenen gelegentlich
dopplersonographisch erfasst werden.
Mit CE-MRA oder CTA ist eine Darstellung der
großen arteriellen Gefäßäste, aber auch kleinerer
peripherer arterieller Äste möglich. Bei kleineren
Segmentästen ist die CTA aus MSCT-Datensätzen
aufgrund ihrer höheren räumlichen Auflösung der
CE-MRA überlegen. Neben den Originalbildern kön-
nen bei beiden Verfahren angiographische Darstel-
lungen in Form von MIP-Rekonstruktionen angefer-
tigt werden. Damit sind die Schnittbildverfahren der
Katheterangiographie in ihrer Aussagekraft zumin-
dest gleichwertig.
Die Katheterangiographie spielt zumeist keine we-
sentliche diagnostische Rolle mehr und wird im Rah-
b
men einer geplanten Intervention zur Festlegung und
Abb. 7.52 a, b. 85-jährige Patientin mit perforierter Sigma-
Dokumentation der prätherapeutischen Gefäßanato-
divertikulitis und kotiger Unterbauchperitonitis. Zufalls- mie eingesetzt.
befund arterieller Normvarianten in der präoperativen MSCT.
a Koronare MIP-Rekonstruktion mit Darstellung einer aber- Differenzialdiagnose
rierenden A. hepatica communis aus der A. mesenterica super-
ior (Pfeil). Zusätzlich selektiver Abgang der A. gastrica sinistra Differenzialdiagnostische Überlegungen spielen bei
aus der Aorta und akzessorische A. hepatica sinistra aus der den arteriellen Normvarianten auch angesichts feh-
A. gastrica sinistra (Pfeilspitzen). b Sagittale MIP-Rekonstruk- lender klinischer Symptomatik keine Rolle.
tion zu a
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Werden vaskuläre Normvarianten sonographisch
diagnostiziert, ist – außer bei geplantem interventio-
nellen Vorgehen – eine weitere diagnostische Abklä-
rung nicht erforderlich. Erfolgt primär eine weiter-
426 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
a b
c d e
f g h
i j k
Abb. 7.54 a–k. Schematische Darstellung der Normvarianten und ihrer Häufigkeiten für die arterielle Versorgung von Leber,
Gallenblase und Gallenwegen
7.2 Fehlbildungen 427
a b c
führende Schnittbilddiagnostik bietet die CTA eine anteriore und posteriore Segmentast direkt aus der
bessere Auflösung kleinerer arterieller Segmentäste V. porta entspringen. Weniger häufig sind der Ur-
und ist hierfür der CE-MRA vorzuziehen. Steht das sprung des rechten posterioren Asts aus dem Pfort-
therapeutische Vorgehen im Vordergrund, wird eine aderhauptstamm (5–6%) und der Abgang des rech-
Katheterangiographie in DSA-Technik angefertigt. ten anterioren Segmentasts aus dem linken Pfort-
aderast (3–4%; Abb. 7.55 a–e). Eine extrahepatische
Merke ! Normvarianten des arteriellen Gefäß-
systems sind häufig, meist jedoch
Lageanomalie stellt die präduodenale Pfortader dar,
die aus einer fehlenden Obliteration der embryonal
klinisch und therapeutisch unbedeutend. Eine Rele- bestehenden inferioren Verbindung der paarig ange-
vanz ist lediglich bei interventionellem Vorgehen legten Nabelvenen resultiert. Sie ist häufig mit dem
(Chemoembolisation, lokoregionale Chemotherapie) Pancreas anulare, mit einer Duodenalstenose, einer
oder bei der präoperativen Abklärung vor Leber- Duodenalmembran oder einer Malrotation vergesell-
transplantation (Lebendspender und Empfänger) schaftet und tritt auch beim nichtkardialen Polysple-
gegeben. Diese erfolgt mittels CTA oder CE-MRA, niesyndrom (s. Abschn. 7.2.3.4) auf.
im Falle des therapeutischen Ansatzes direkt mittels Extrahepatisch wird die Einmündung der V. me-
Katheterangiographie. senterica inferior in die V. lienalis lediglich in etwa
40% der Fälle beobachtet. Demgegenüber mündet
Lagevarianten der portalen Gefäße die V. mesenterica inferior in etwa 30% in die V. me-
senterica superior, in ebenfalls etwa 30% bildet sie
왔 Unter Lagevarianten der portalen Ge- zusammen mit V. mesenterica superior und V. lienalis
Definition
fäße werden normvariante Verläufe den Pfortaderursprung.
der portalen Blutleiter bezeichnet. Als seltene Normvariante wird über einen direk-
ten Abstrom des venösen Bluts aus Gallenblase und
Sie werden bei etwa 20% der Patienten beobachtet, Gallenwegen in den Pfortaderhauptstamm berichtet.
wobei Varianten der Segmentäste bei fast allen Men-
schen zu finden sind. Klinische Symptomatik
Auch die Normvarianten des portalen Gefäßsystems
Pathologisch-anatomische werden zufällig entdeckt und sind nicht mit klini-
und ätiologische Grundlagen schen Symptomen verbunden. Bedeutung kommt
Die häufigste Variante des intrahepatischen Pfort- ihnen daher vor allem in der präoperativen Diagnos-
aderverlaufs stellt der Trifurkationstyp (8–10%) dar, tik vor Lebertransplantation (Lebendspender und
bei dem anstelle eines rechten Pfortaderasts der Empfänger) zu.
428 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Radiologische Symptomatik
Es gelten analog die zu den arteriellen Gefäßvarian-
Merke ! Auch die Normvarianten des portalen
Gefäßsystems sind häufig.Von Bedeu-
ten gemachten Aussagen zu Sonographie, CTA und tung sind sie vor Lebertransplantation (Lebendspen-
CE-MRA. Die Katheterangiographie spielt diagnos- der und Empfänger). Die diagnostische Aufarbeitung
tisch keine Rolle und kommt nur im Rahmen erfolgt mittels CTA oder CE-MRA und nur im Fall
interventioneller Verfahren (TIPSS, transhepatische eines therapeutischen Vorgehens mittels Katheter-
Pfortaderintervention) zum Einsatz. angiographie.
b d
c e
Abb. 7.56 a–e. Schematische Darstellung der Mündungsvarianten der Lebervenen in die V. cava inferior mit Angabe der Häufig-
keiten
7.2 Fehlbildungen 429
Pathologisch-anatomische Differenzialdiagnose
und ätiologische Grundlagen Differenzialdiagnostische Überlegungen spielen kei-
Typischerweise sind 3 Lebervenen (V. hepatica dex- ne Rolle.
tra, V. hepatica intermedia und V. hepatica sinistra)
vorhanden, die gemeinsam in die V. cava inferior Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
münden. Häufig vereinigen sich die V. hepatica inter- Unter Berücksichtigung der Gesamtplanung wird
media und die V. hepatica sinistra bereits vor der Ein- zur Beurteilung der Lebervenen eine CTA durchge-
mündung in die V. cava inferior (Abb. 7.56 a–e). Deut- führt.
lich seltener ist die Einmündung der mittleren Leber-
vene in die rechte Lebervene vor dem Venenstern. Ge-
legentlich sind 2 rechte Lebervenen vorhanden, Merke ! Normvarianten der Lebervenen sind
häufig, und ihre Kenntnis spielt bei
wobei die kaudal gelegenere meist das Segment VI der Planung von Leberteilresektionen und vor Leber-
drainiert (Abb. 7.57). Der Abfluss des Segments IVb transplantationen eine wichtige Rolle. Die diagnosti-
kann sowohl über die linke Lebervene (60%) als auch sche Abklärung erfolgt im Rahmen der Gesamt-
über die rechte Lebervene (40%) erfolgen. Dies ist planung mittels CTA aus einem biphasischen MSCT-
vor einer Leberlebendspende zu beachten. Der Lobus Datensatz.
caudatus drainiert in der Regel direkt in die V. cava
inferior. 7.2.4.2
Fehlbildungen der Gefäße der Leber
Klinische Symptomatik und des Pfortaderkreislaufs
Wie bei den arteriellen und portalen Gefäßvarianten Vaskuläre Anomalien und kongenitale Fehlbildun-
liegt kein klinisches Beschwerdebild vor. Die Norm- gen der Lebergefäße und des Pfortaderkreislaufs sind
varianten haben ihre Bedeutung insbesondere im sehr selten.
Rahmen der Operationsplanung von Leberteilresek-
tionen und bei Lebertransplantationen, insbesonde- 왔 Generell werden vaskuläre Anomalien
Definition
re in Form der Lebendspende („split liver“). gemäß der biologischen Klassifika-
tion nach Mulliken und Glowacki in die vaskulären
Radiologische Symptomatik Malformationen und die vasoproliferativen Tumoren
Es gelten analog die Ausführungen zu den Normvari- eingeteilt. Bei den vaskulären Malformationen unter-
anten des arteriellen und portalen Gefäßsystems. Da scheidet man zwischen
vor Leberteilresektionen ebenso wie bei Lebertrans- ∑ arteriovenösen Gefäßfehlbildungen mit schnel-
plantationen häufig 3D-Rekonstruktionen zur Pla- lem Fluss, „fast flow“,
nung angefertigt werden, kommt auch für die Leber- ∑ venösen und lymphatischen Gefäßbildungen mit
venenbeurteilung vor allem die CTA zum Einsatz. Die langsamem Fluss, „slow flow“, und
angiographische Darstellung kann aus dem biphasi- ∑ kombinierten Formen.
schen MSCT-Datensatz direkt gewonnen werden.
Die vasoproliferativen Tumoren der Leber, wie z. B.
das Hämangiom und das Angiosarkom werden im
Abschnitt „Tumoren“ (s. Abschn. 7.5) behandelt.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Abb. 7.57. 17-jähriger Junge mit separater Einmündung der Die AVM sind durch das Auftreten von Verbindun-
Segmentvene VI. In der Farbdoppler-Sonographie zeigt sich
eine direkte Darstellung der atypisch mündenden Segment-
gen des arteriellen mit dem venösen Gefäßsystem
vene (Pfeil) in die V. cava inferior und unterschiedlich großen Shuntvolumina gekenn-
zeichnet.
Die hereditäre Teleangiektasie (Morbus Osler-We-
ber-Rendu) ist ein autosomal-dominant vererbtes
430 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Leiden, das sich im Erwachsenalter und nur extrem Pfortader (Intimaproliferation aufgrund des turbu-
selten in der Kindheit manifestiert. Es handelt sich lenten Flusses und Thrombose) und des Darms
um eine vaskuläre hämorrhagische Diathese, die führt, muss sie sofort therapiert werden. Dies kann
wegen kavernomartigen Teleangiektasien in Haut, heute primär interventionell-radiologisch durch
Konjunktiva, Schleimhaut und inneren Organen zu kathetergestützte Embolisation erfolgen, wobei das
Blutungen führt. Die Teleangiektasien entstehen auf Hauptrisiko die Pfortaderthrombose darstellt. Das
dem Boden einer fibrovaskulären Dysplasie. Bei operative Spektrum umfasst die Resektion, die Anla-
ihnen besteht eine direkte Verbindung zwischen den ge eines portosystemischen Shunts oder die Leber-
Arterien und Venen mit ausgeweiteten Kapillaren und transplantation.
Venolen ohne Elastika. In den inneren Organen wie Bei den erworbenen Formen steht neben der Blu-
Lunge, ZNS, Magen-Darm-Trakt und Leber kommt es tung in der Regel die Symptomatik der Grunderkran-
zur Ausbildung von arteriovenösen Fisteln. kung im Vordergrund.
Arterioportale Fisteln können kongenital oder er-
worben sein. Sie kommen intra- oder extrahepatisch Radiologische Symptomatik
vor. Die meisten intrahepatischen arterioportalen Alle vaskulären Fehlbildungen werden in erster Linie
Fisteln sind isolierte angeborene Anomalien. Sie kön- sonographisch mit der farbkodierten Duplexsonogra-
nen aber auch bei der hereditären Teleangiektasie phie und dem Spektraldoppler untersucht. In der So-
oder beim Ehlers-Danlos-Syndrom und der Gallen- nographie zeigt sich bei AVM mit einem großen
gangsatresie auftreten. Als erworbene Form werden Shuntvolumen eine kaliberstärkere A. hepatica mit
sie bei Patienten mit Zirrhose, nach Lebertrauma erhöhten Flussgeschwindigkeiten und eine Erweite-
und Biopsie beobachtet. rung der drainierenden Vene. Zudem nimmt das Ka-
liber der Aorta abdominalis nach Abgang der leber-
Klinische Symptomatik versorgenden Gefäße deutlich ab („tapering“ der
Angeborene AVM werden meist infolge eines großen Aorta). Die Abgrenzung einer AVM von einem Häm-
Shuntvolumens durch eine Herzinsuffizienz in der angiom kann schwierig sein, sodass in der Regel zu-
Neugeborenenperiode auffällig. Sie werden am be- sätzlich eine MRT mit Auswertung der Flusscharak-
sten durch Embolisation und chirurgische Resektion teristika und ggf. mit Flussmessung durchgeführt
behandelt. wird.
Bei der hereditären Teleangiektasie (Morbus Osler- Bei der hereditären Teleangiektasie finden sich in
Weber-Rendu) entwickeln sich die Teleangiektasien der Sonographie ein inhomogenes Leberparenchym
bis zum 50. Lebensjahr, und am häufigsten kommt es und geschlängelte Gefäße bzw. Aneurysmen mit Er-
aufgrund der Lungenbeteiligung, die zur Zyanose und weiterung der zu- und abführenden Gefäße. Die
Belastungsdyspnoe führt, zur Vorstellung des Patien- Flussgeschwindigkeit in der A. hepatica ist deutlich
ten. Auch hier kann sich je nach Größe des Shunt- erhöht. In der Pfortader kann sich bei Vorliegen eines
volumens eine Herzinsuffizienz ausbilden. Die Leber- arterioportalen Shunts ein pulsierender Fluss mit
beteiligung führt zu einer portalen Hypertension, phasenweiser oder kontinuierlicher Flussumkehr
hepatischen Enzephalopathie und Leberversagen. zeigen. Auch liegt eine erhebliche Veränderung der
Dopplerflusskurve in den Lebervenen vor. In der CT
CAVE ! Aufgrund der diffusen Natur dieser
Läsionen stellt die Embolisation keine
zeigen sich erweiterte Leberarterien, die korkenzie-
herartig gewunden sein können, sowie dilatierte
gute Therapieoption dar, da das Risiko einer zusätz- Pfortaderäste und Lebervenen (Abb. 7.58 a, b). Durch
lichen ischämischen Schädigung des Lebergewebes die arteriovenösen (AV-)Shunts kommt es in der
und damit einer Lebernekrose besteht. früharteriellen Phase zur vorzeitigen Kontrastierung
der Pfortader und der Lebervenen mit fleckigem,
Therapeutisch kann eine Lebertransplantation erwo- teils keilförmigen Enhancement des Leberparen-
gen werden. chyms. Die Teleangiektasien erscheinen in Form von
Bei der kongenitalen arterioportalen Fistel fallen kleinen kontrastmittelaufnehmenden Läsionen.
die Patienten am häufigsten durch eine portale Hy- Auf MRT-Aufnahmen findet sich in der T1-Wich-
pertension, Aszites, Malabsorption, gastrointestinale tung ein Netzwerk von Gefäßen mit „flow voids“, die
Blutungen und Bauchschmerzen auf. Ein kleinerer Teleangiektasien sind hypo- bis isointens. Nach Kon-
Prozentsatz von Patienten präsentiert sich mit einem trastmittelgabe stellen sich diese vaskulären Fehlbil-
Herzversagen aufgrund einer Hyperzirkulation, vor dungen als kleine homogen kontrastmittelaufneh-
allem dann, wenn der Ductus venosus noch offen ist. mende Herde dar. Wie in der CT zeigt sich eine frühe
Beim akuten Verschluss des Ductus venosus kann es Kontrastierung der peripheren Pfortaderäste und ei-
zu einer fatalen gastrointestinalen Blutung kommen. ne transiente keilförmige Kontrastmittelaufnahme
Da die arterioportale Fistel zu einer Schädigung der des Leberparenchyms.
7.2 Fehlbildungen 431
Differenzialdiagnose
Sowohl die AVM als auch die arterioportale Fistel
müssen von einem Hämangiom abgegrenzt werden.
Zusätzlich sollten, ebenso wie bei der hereditären
Teleangiektasie das eventuelle gleichzeitige Vorliegen
einer Gallengangsatresie, einer Leberzirrhose, malig-
ner Lebertumoren und des Budd-Chiari-Syndroms
differenzialdiagnostisch bedacht werden.
b
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Abb. 7.58 a, b. 61-jährige Frau mit Morbus Osler (CT in der
Bei vaskulären Fehlbildungen mit „fast flow“ erfolgt
arteriellen KM-Perfusionsphase). a Frühzeitige Füllung der die Abklärung mit der Sonographie einschließlich
Lebervenen (Pfeil). b In beiden Lappen Nachweis erweiterter farbkodierter Duplexsonographie sowie der CT mit
und korkenzieherartig gewundener Leberarterien (Pfeile) so- CTA bzw. der MRT mit CE-MRA. Letztere ist vor al-
wie deutlich dilatierter Lebervenen (Pfeilspitzen)
lem im Kindesalter zur Abgrenzung einer AVM oder
einer arterioportalen Fistel vom Hämangiom gün-
stig. Im Erwachsenalter lässt sich die hereditäre Tele-
angiektasie schnell und übersichtlich mit der MSCT
diagnostizieren. Die MRT-Untersuchung sollte im-
Mit der CE-MRA kann das Ausmaß der Verände- mer eine CE-MRA beinhalten. Eine Katheterangio-
rungen gut beurteilt werden. Zur Analyse der Fül- graphie erfolgt in allen Fällen nur bei unklaren Be-
lungskinetik sind dynamische GRE-Sequenzen mit funden präoperativ oder im Rahmen einer Embolisa-
Flussanalyse nützlich. Eine Katheterangiographie tion.
wird nur vor Operation oder Embolisation durchge-
führt.
Bei der kongenitalen arterioportalen Fistel ist die
Merke ! Zu den vaskulären Fehlbildungen der
Leber mit „fast flow“ zählen die AVM,
A. hepatica meist kaliberstärker als normal und der die hereditäre Teleangiektasie und die arterioportale
drainierende Pfortaderast dilatiert. In der farbkodier- Fistel. Allen ist gemeinsam, dass die in die Fehlbil-
ten Duplexsonographie zeigt sich eine erhöhte Fluss- dung involvierten Gefäße über die Norm dilatiert
geschwindigkeit in der A. hepatica und eine Umkehr sind und abnorm erhöhte Flussgeschwindigkeiten
des Pfortaderflusses. Die Gefäßarchitektur der kon- aufweisen. Im Kindesalter können sowohl die AVM
genitalen arterioportalen Fisteln variiert außer- als auch die arterioportale Fistel mit einem Häm-
ordentlich stark. In den meisten Fällen findet sich angiom verwechselt werden. Zur weiteren Abklärung
jedoch ein großer intrahepatischer Varixknoten, der sollte daher die MRT herangezogen werden. Bei der
Teil des drainierenden Pfortaderasts oder ein Seg- hereditären Teleangiektasie ist aufgrund ihrer typi-
ment der Umbilikalvene ist. Die Fistel kann aus einer schen klinischen Erscheinungsform und ihrer Lun-
einzigen arterioportalen Verbindung aufgebaut sein gen- und Leberbeteiligung die CT die Methode der
oder aus mehreren Arterien, die mit dem Varixkno- Wahl.
432 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
a b
왔 Bei den kongenitalen intrahepatischen gastrointestinalen Blutung auf. Die Leberherde ver-
Definition
portovenösen Shunts liegt eine Verbin- ursachen nur äußerst selten klinische Symptome.
dung zwischen einem Pfortaderast und einer Leber- Zumeist wird ein kongenitaler intrahepatischer
vene vor. portovenöser Shunt in der Neugeborenenperiode
oder bei Kleinkindern nur zufällig im Rahmen einer
Diese ist meist in der Leberperipherie lokalisiert und durchgeführten Sonographie entdeckt. Ein Teil der
kommt u. a. bei Kindern mit einer Galaktosämie vor. Kinder wird postpartal durch eine Verbrauchs-
Normalerweise kommt es zu einem Spontanver- koagulopathie auffällig. Fast immer verschließt sich
schluss zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr. der Shunt spontan vor Beendigung des 2. Lebensjah-
res. Andernfalls kann eine Embolisation über einen
왔 Die kongenitale portokavale Fistel ist transfemoralen oder transhepatischen Zugang ver-
Definition
eine seltene Anomalie, bei der eine Ver- sucht werden. Bei Persistieren des Shunts bis ins Er-
bindung zwischen der V. portae und der V. cava wachsenenalter muss mit einer hepatischen Enze-
inferior entweder intra- oder extrahepatisch oder über phalopathie gerechnet werden.
den persistierenden Ductus venosus Arantii vorliegt. Die Patienten mit einer kongenitalen portokavalen
Fistel werden über eine Hypoxie aufgrund sich ent-
Eine kongenitale portokavale Fistel kann isoliert oder wickelnder pulmonalarteriovenöser Shunts und die
auch im Rahmen von Syndromen wie dem Goldenhar- Entstehung der pulmonalen Hypertonie klinisch
Syndrom, der Trisomie 21 und dem Noonan-Syndrom auffällig. Zudem treten gehäuft Leberläsionen wie
auftreten. Hier ergeben sich bezüglich der extrahepa- die regenerative noduläre Hyperplasie, Adenome
tischen portokavalen Fisteln Überschneidungen zwi- und HCC auf. Die pulmonalen Komplikationen und
schen den Einteilungen verschiedener Autoren. die gutartigen Lebertumoren können sich nach
In der jüngeren Literatur erfolgte der Vorschlag, die Behandlung der Fistel durch interventionelle oder
kongenitalen extrahepatischen portokavalen Shunts in chirurgische Maßnahmen wieder vollständig zu-
2 Gruppen zu unterteilen und nach dem Erstbeschrei- rückbilden.
ber einer derartigen Fehlbildung aus dem Jahre 1793 Erste klinische Anzeichen einer Abernethy-Mal-
Abernethy-Malformation zu benennen. formation bei Neugeborenen können ein Ikterus und
eine Gedeihstörung oder bei älteren Kindern die Ent-
∑ Beim Typ 1 wird das gesamte Blut aus dem Pfort-
wicklung einer Hyperaktivität sein. Andere Patienten
aderkreislauf in die V. cava geleitet und die V. por-
fallen primär durch die Entwicklung eines Lebertum-
ta ist nicht angelegt (End-zu-Seit-Shunt/kongeni-
ors auf. Im Erwachsenenalter kann sich bei beiden
tales Fehlen der V. porta). Diese Anomalie tritt
Typen eine hepatische Enzephalopathie entwickeln.
nur beim weiblichen Geschlecht auf und ist für
Daher sollten Patienten mit einer Abernethy Mal-
gewöhnlich mit anderen kongenitalen Anomalien
formation vom Typ 2 mit einem signifikanten Shunt
wie Herzfehlern, Gallengangsatresie, Polysplenie
einer operativen Therapie zugeführt werden
und mit der Entwicklung von Lebertumoren wie
z. B. Hämangiomen oder Hepatoblastomen verge-
Radiologische Symptomatik
sellschaftet.
Alle vaskulären Fehlbildungen sollten in erster Linie
∑ Beim Typ 2 der Abernethy-Malformation ist die
mit der Sonographie, der farbkodierten Duplexsono-
V. porta vorhanden und mündet extrahepatisch in
graphie und dem Spektraldoppler untersucht werden.
die V. cava inferior suprarenal (Seit-zu-Seit-Shunt).
Beim Blue-rubber-bleb-nevus-Syndrom zeigen sich
Der Typ 2 kann isoliert auftreten, ist viel seltener
in der Sonographie und in der Nativ-CT Leberherde,
mit anderen kongenitalen Anomalien vergesell-
die verkalkt (Phlebolithen) sein können. In der MRT
schaftet und bevorzugt das männliche Geschlecht.
lassen sich in T2-Wichtung multiple hyperintense
Vaskuläre Malformationen des Pfortaderkreislaufs Herde, die im Falle von Einblutungen auch Spiegel-
können lokalisiert auftreten, aber auch alle Gefäße bildungen aufweisen, erkennen. Methode der Wahl
einschließlich der V. lienalis, der Pfortader und ihre ist jedoch die erythrozytenmarkierte Radionuklid-
intrahepatischen Äste involvieren. Sie werden ebenso szintigraphie zum Ganzkörpernachweis der vaskulä-
bei Patienten mit abdominellen lymphatischen Mal- ren Läsionen. Dabei lassen sich in der Regel multiple
formationen in Form von Anomalien der Pfortader, Herde im Magen, Dünn- und Dickdarm nachweisen.
einem intrahepatischen Pfortaderverschluss oder Beim kongenitalen intrahepatischen portovenösen
varikösen Kollateralen beobachtet. Shunt zeigt sich in der Sonographie, der CT und der
MRT eine Erweiterung des betroffenen Pfortaderasts
Klinische Symptomatik und der betroffenen Lebervene (Abb. 7.59 a–c). In den
Patienten mit einem Blue-rubber-bleb-nevus-Syn- meisten Fällen reichen engmaschige sonographische
drom fallen meist durch eine Anämie aufgrund einer Kontrollen aus, bis sich der Shunt verschlossen hat.
434 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
b c
Bei Veränderungen wie der kongenitalen portoka- muss zusätzlich eine Katheterangiographie, eine
valen Fistel bzw. der Abernethy-Malformation ist die direkte Splenoportographie oder eine Kavographie
genaue anatomische Erfassung der Situation mit der erfolgen.
Sonographie aufgrund der fehlenden Übersicht häu-
fig schwierig (Abb. 7.60 a). Ein kleiner rechter Leber- Differenzialdiagnose
lappen, der mit allen Schnittbildverfahren detektiert Das Blue-rubber-bleb-nevus-Syndrom ist aufgrund
werden kann, kann ein Hinweis auf eine Abernethy- der kutanen Manifestation eindeutig zu diagnostizie-
Malformation sein (Abb. 7.60 b). Dennoch lassen sich ren und erlaubt bei typischer Darstellung mit Nach-
komplexe Gefäßfehlbildungen und damit assoziierte weis eines verkalkten Phlebolithen eine eindeutige
weitere Fehlbildungen übersichtlicher und repro- Zuordnung der Leberherde. Differenzialdiagnostisch
duzierbarer mit CT einschließlich CTA und MRT mit sind Metastasen und primäre Lebertumoren ggf. in
CE-MRA (Abb. 7.60 c) darstellen. In Zweifelsfällen Betracht zu ziehen. Die anderen vaskulären Malfor-
7.2 Fehlbildungen 435
mationen mit „slow flow“ lassen sich durch anatomi- Literatur zu Abschn. 7.2.4
sche Darstellung der Fehlbildung einordnen und dif-
ferenzialdiagnostisch voneinander abgrenzen. Abernethy LJ (2003) Classification and imaging of vascular
malformations in children. Eur Radiol 13: 2483–2497
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Appel M, Loeweneck H (1987) Verlauf und Mündungen der
großen Lebervenen zu Leitstrukturen an der Leberober-
Bei den vaskulären Malformationen mit „slow flow“ fläche. Chirurg 58: 243–247
muss sich einer sonographischen Untersuchung zur Atri M, Bret PM, Fraser-Hill MA (1992) Intrahepatic portal
vollständigen Dokumentation der Fehlbildung im- venous variations: prevalence with US. Radiology 184:
mer eine CT mit CTA oder eine MRT mit CE-MRA 157–158
Burrows PE, Dubois J, Kassarjian A (2001) Pediatric hepatic
anschließen. Dabei ist bei Kindern grundsätzlich ei- vascular anomalies. Pediatr Radiol 31: 533–545
ne MRT zu bevorzugen. Allerdings erfordern diese Corness JAG, McHugh K, Roebuck DJ, Taylor AM (2006) The
äußerst seltenen Fehlbildungen für die Therapiepla- portal vein in children: radiological review of congenital
nung eine sorgfältige anatomische Aufarbeitung, so- anomalies and acquired abnormalities. Pediatr Radiol 36:
87–96
dass gelegentlich auch beide Verfahren zum Einsatz Dirisamer A, Friedrich K, Schima W (2005) Anatomie und
kommen. Normvarianten der Segmente, Gefäße und Gallengänge der
Leber. Radiologe 45: 8–14
Eerola I, Boon LM, Mulliken JB et al. (2003) Capillary malfor-
Merke ! Vaskuläre Malformationen mit „slow
flow“ der Leber sind sehr selten und
mation-arteriovenous malformation, a new clinical and
genetic disorder caused by RASA1 mutations. Am J Hum
haben aufgrund ihrer assoziierten Fehlbildungen Genet 73: 1240–1249
und ihres natürlichen Verlaufs sehr unterschiedli- Gallego C, Miralles M, Marin C, Muyor P, Gonzalez G, Garcia-
Hidalgo E (2004) Congenital hepatic shunts. Radiographics
chen Krankheitswertswert. Aufgrund ihrer hohen 24: 755–772
Variabilität existieren eine Vielzahl von Klassifikatio- Kassarjian A, Fishman SF, Fox VL, Burrows PE (2003) Imaging
nen und Einteilungsschemata. Die portokavalen characteristics of blue rubber bleb nevus syndrome. AJR
Fisteln bzw. die Abernethy-Malformation sind mit Am J Roentgenol 181: 1041–1048
Loeweneck H, Feifel G (1993) Leber und Extrahepatische Gal-
weiteren extrahepatischen Fehlbildungen und mit lenwege. In: Lanz T v, Wachsmuth W (Hrsg) Praktische
der Entwicklung von Lebertumoren vergesellschaf- Anatomie, Bd 2, Teil 6 Bauch. Springer, Berlin Heidelberg
tet. Eine ausführliche anatomische Darstellung ist zur New York Tokyo, S 213–290
Therapieplanung erforderlich und macht gelegent- Loeweneck H, Feifel G (1993) V. portae und ihre Zuflüsse. In:
Lanz T v, Wachsmuth W (Hrsg) Praktische Anatomie, Bd 2,
lich den Einsatz mehrerer, teils komplementärer Un- Teil 6 Bauch. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokyo, S
tersuchungsverfahren nötig. 397–408
Michels M (1955) Blood supply and anatomy of the upper ab-
dominal organs. Lippincott, Philadelphia Montreal
Mulliken JB, Glowacki J (1982) Hemangiomas and vascular
malformations in infants and children: a classification
based on endothelial characteristics. Plast Recon Surg 69:
412–420
Paltiel HJ, Burrows PE, Kozakewich HPW, Zurakowski D, Mul-
liken JB (2000) Soft-tissue vascular anomalies: utility of US
for diagnosis. Radiology 214: 747–754
Sahani D, Saini S, Pena C (2002) Using multi-detector CT for
preoperative vascular evaluation of liver neoplasms: tech-
nique and results. AJR Am J Roentgenol 179: 53–59
436 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Tabelle 7.4. Klassifikation von Leberrupturen nach der American Association for the Surgery of Trauma (AAST). (Nach Moore
et al. 1995)
VI Gefäßverletzung Leberausriss
Klinische Symptomatik b
Die klinischen Symptome des Leberhämatoms sind,
abhängig von der Ausprägung der Verletzung, häufig Abb. 7.61 a, b. 8-jähriger Junge nach Sturz vom Klettergerüst.
diskret. So werden Schmerzen im rechten Ober- a B-Bild-Sonogramm bei Einlieferung mit Darstellung eines
bauch, ein druckschmerzhaftes Abdomen und abdo- intraparenchymatösen Hämatoms im rechten Leberlappen
(+---+) mit randständig echoarmen und zentral echoreichen
minelle Abwehrspannung beklagt. Das Ausmaß des Binnenarealen. Kein Nachweis einer Kapselzerreißung. b In
Blutverlusts und der Leberverletzung bestimmen der Verlaufskontrolle nach 3 Tagen keine wesentliche Größen-
den Umfang der reaktiven Kreislaufreaktion von zunahme gegenüber dem Ausgangsbefund (+---+). Zuneh-
Hypotonie, Tachykardie oder Blutungsschock im mende Verflüssigung mit jetzt deutlich vermehrt echoarmen
Binnenreflexen
Rahmen einer Verlustkoagulopathie. Laborchemisch
finden sich, je nach Ausdehnung der Leberverletzung
und abhängig vom Zeitfenster zwischen dem Trauma
und der Blutabnahme, ein erniedrigter Hämatokrit In der Sonographie können Leberhämatome echo-
sowie eine Erhöhung des direkten und indirekten arm, echoreich oder von gemischter Echogenität
Bilirubins und der alkalischen Phosphatase. sein. Die Echogenität ist dabei abhängig von der Kon-
sistenz des Hämatoms und der Beschaffenheit der
Radiologische Symptomatik Blutabbauprodukte. Subkapsuläre Hämatome stellen
Konventionelle Abdomenübersichtsaufnahmen zei- sich als linsenförmige oder krummlinig begrenzte
gen erst größere Leberhämatome durch Organverla- echoarme Flüssigkeitsansammlungen dar. Demge-
gerung und pathologische Gasverteilung im rechten genüber sind größere intraparenchymatöse Einblu-
Oberbauch an. Sie dienen als erste Übersichtsunter- tungen in der Regel als echoreiche Läsionen abgrenz-
suchung, vor allem beim verunfallten Patienten, bar (Abb. 7.61 a, b). Beim Nachweis von freier Flüs-
stellen jedoch heute keine alleinige und ausreichende sigkeit ist der Verdacht auf eine Kapselruptur mit
diagnostische Maßnahme mehr dar. Blutung in die freie Peritonealhöhle gegeben.
438 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Da ein frisches Hämatom in der Nativ-CT vom Rein bildgebend muss das HELLP-Syndrom, bei
normalen gesunden Leberparenchym nicht immer dem es ebenfalls zum Auftreten von intrahepatischen
abgegrenzt werden kann, sollte eine CT immer mit oder subkapsulären Flüssigkeitsansammlungen, keil-
intravenöser Kontrastmittelgabe durchgeführt wer- förmigen Infarktarealen und gelegentlich auch zu ei-
den. Zusätzlich bietet die kontrastverstärkte CT die nem Extravasat kommen kann, abgegrenzt werden.
Möglichkeit der direkten Darstellung einer zum Zeit- Auch die spontane Blutung bei einer Koagulopathie
punkt der Untersuchung persitierenden akuten Blu- und der blutende Lebertumor (Adenom, HCC) sind
tung oder einer stattgehabten Kapselruptur. Die Un- von der traumatischen Leberläsion zu unterscheiden.
tersuchung sollte daher biphasisch (arteriell und
portalvenös) durchgeführt werden. Parenchymatöse Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
oder subkapsuläre Hämatome sind im Vergleich zum Bei anamnestischem Verdacht auf ein Leberhämatom
normal kontrastmittelaufnehmenden Lebergewebe ist die Sonographie des Abdomens die Untersuchung
hypodens. Dabei ist geronnenes Blut hyperdenser der Wahl – unabhängig vom Alter des Patienten. Ist
(60–90 HE) als nichtgeronnenes Blut (35–45 HE). In die Ultraschalluntersuchung unauffällig, der Labor-
Kontrolluntersuchungen nimmt die Ausdehnung ei- status normal und der Patient stabil und ansprech-
nes Leberhämatoms anfangs gering zu, dann runden bar, ist in der Regel ein abwartendes Verhalten ge-
sich die Konturen ab, und die Dichtewerte nehmen rechtfertigt. In Zweifelfällen oder bei auffälligem Ul-
immer mehr ab, bis ein Serom entsteht oder das Hä- traschall sollte eine biphasische CT mit Kontrastmit-
matom völlig verschwindet. Entwickelt sich ein Le- tel durchgeführt werden. Verlaufsuntersuchungen
berabszess, stellt dieser sich als rundliches hypoden- sind lediglich bei erheblicher klinischer Verschlech-
ses Areal mit oder ohne Gaseinschlüsse und ggf. terung des Patienten (Blutverlust, Hinweis für Kom-
randständiger Kontrastmittelaufnahme dar. Letztere plikation) angezeigt, da sie zumeist keine Änderung
ist vom Alter des Abszesses und dem Umfang der an- des therapeutischen Vorgehens zur Folge haben. Eine
tibiotischen Vorbehandlung abhängig. Therapeu- Katheterangiographie ist nur bei ausgedehnten und
tisch kann beim ausgedehnten Abszess eine sonogra- komplizierten Leberhämatomen mit massiver Blu-
phisch oder CT-gesteuerte Drainageneinlage erfol- tung im Rahmen einer Embolisation indiziert.
gen.
Die MRT spielt in der Diagnostik des unkompli-
zierten Leberhämatoms aktuell keine Rolle.Allenfalls Merke ! Subkapsuläre und intraparenchyma-
töse Leberhämatome sind die häufig-
bei einer komplizierten intraparenchymatösen Lä- sten traumatischen Leberläsionen. Sie treten zumeist
sion kann eine Abgrenzung zu malignen Leberläsio- im Rahmen stumpfer Bauchtraumen bei Verkehrsun-
nen mit der MRT hilfreich sein.Abhängig von der Zu- fällen, durch Stich- und Schussverletzungen oder
sammensetzung des Hämatoms kommt es dabei zu iatrogen auf. Diagnostische Methode der Wahl ist
hyperintensen bzw. hypointensen Binnenarealen in neben der Sonographie die biphasische CT zum
T1- bzw. unterschiedlich starker Hyperintensität in Nachweis einer akuten Blutung, einer eventuellen
T2-Wichtung. Kapselruptur sowie der Ausdehnung des Hämatoms.
Angiographische Verfahren kommen beim einfa- Differenzialdiagnostisch sind gelegentlich, vor allem
chen Leberhämatom rein diagnostisch nicht zum bei ungenügend bekannter Anamnese, Abgrenzun-
Einsatz. Sie sind der Behandlung vaskulärer Kompli- gen zum HELLP-Syndrom problematisch. Zu den
kationen im Rahmen ausgedehnterer Leberverlet- Spätkomplikationen zählt der Leberabszess im Rah-
zungen vorbehalten. Auch die hepatobiliäre Funk- men einer Sekundärinfektion des vormaligen Häma-
tionsszintigraphie hat heute keinen Stellenwert mehr toms.
in der Erstdiagnostik eines Leberhämatoms.
7.3.1.2
Differenzialdiagnose Leberlazeration (Grad I bis V des AAST-OIS)
In der Regel treten aufgrund der Anamnese keine
differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten beim Le- 왔 Eine Leberlazeration stellt eine Verlet-
Definition
berhämatom auf. Wichtig ist die Unterscheidung ei- zung der Leber mit entweder zumin-
nes rein subkapsulär gelegenen Hämatoms von einer dest partieller Eröffnung der Leberkapsel und/oder
Verletzung mit Kapselruptur und Blutung in die Pe- deutlichem tiefen Parenchymdefekt dar. Dabei wer-
ritonealhöhle. Während ein subkapsuläres Hämatom den oberflächliche Kapseleinrisse (bis 3 cm) von
nur im Falle der Rupturgefahr oder bei Infektion tiefen (>3 cm) unterschieden. Die Parenchymdefekte
punktiert und drainiert werden sollte, ist die Entlas- gliedern sich in Läsionen bis 10 cm und >10 cm Ein-
tung einer stattgehabten Ruptur in die freie Bauch- dringtiefe.
höhle bei stehender Blutung ein häufiger Therapie-
ansatz.
7.3 Traumatische Veränderungen 439
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Auch Lazerationen der Leber entstehen am häufig-
sten durch stumpfe Bauchtraumen im Rahmen von
Verkehrsunfällen bzw. durch Stich-, Schuss- und
Pfählungsverletzungen. Die iatrogene Genese spielt
allenfalls eine untergeordnete Rolle.
Auch bei stärkerer Gewalteinwirkung kann die Le-
berkapsel intakt bleiben und eine zentrale Paren-
chymzerreißung auftreten. Zu einem Einreißen der
Kapsel mit Blutung in die Bauchhöhle kommt es ent-
weder bei einem sehr schweren stumpfen Bauchtrau-
ma oder nach einer penetrierenden Verletzung mit
Durchtrennung von Bauchwand und Leberkapsel
sowie damit verbundener Eröffnung der Peritoneal-
höhle.
Zu den Komplikationen der Leberlazeration zäh- Abb. 7.62. 5-jähriger Junge nach Sturz im Schulhof über einen
len insbesondere Gefäß- und Gallenwegsverletzun- Ast. In der kontrastverstärkten CT zeigt sich eine Leberlazera-
tion im rechten Leberlappen ohne Gefäßbeteiligung (Pfeil)
gen. Verdächtig auf eine zusätzliche Gefäßverletzung
sind vor allem Lazerationen, die in Richtung Leber-
venenstern ziehen. Tiefe Lazerationen mit Bezug zu
den Pfortaderästen sind häufiger mit Gallengangs- Als Methode der Wahl ist beim stumpfen oder
verletzungen vergesellschaftet. Im Gegensatz zu un- penetrierenden Abdominaltrauma mit Verdacht auf
komplizierten Leberhämatomen bilden sich Lazera- Leberlazeration die kontrastverstärkte CT anzuse-
tionen deutlich langsamer zurück, was mit einer Sta- hen. Einfache oder sternförmige Lazerationen lassen
se der Gallenflüssigkeit entlang des Risses zu erklä- sich zweifelsfrei als hypodense lineare Areale erken-
ren ist. nen und dokumentieren (Abb. 7.62). Gleiches gilt für
die Beurteilung der Persistenz und Lokalisation einer
Klinische Symptomatik Parenchymblutung bzw. einer Blutung in die freie Pe-
Die klinischen Symptome bei Lazerationen sind de- ritonealhöhle. In etwa 20% der Fälle sind in der CT
nen bei Leberhämatomen vergleichbar. Neben den entlang der Portalgefäße verlaufende hypodense Li-
ursächlichen Verletzungen stehen aufgrund der aus- nien nachweisbar. Dieses als „periportal tracking“
gedehnteren Verletzung der Leber meist Hypotonie bezeichnete Phänomen wird zum einen auf eine Zer-
bzw. Schocksymptome aufgrund des Blutverlusts im reißung der lokalen Lymphgefäße und lokale Blutun-
Vordergrund. Bei schweren Lazerationen mit Gefäß- gen zurückgeführt und gilt als indirektes Kriterium
beteiligung dokumentiert sich im Verlauf der Paren- einer Leberlazeration. Es wird jedoch auch bei einer
chymverlust der Leber anhand der funktionellen Erhöhung des zentralvenösen Drucks infolge massi-
Laborparameter. ver Flüssigkeitssubstitution, eines Spannungspneu-
mothorax oder einer Perikardtamponade beobach-
Radiologische Symptomatik tet. Aufgrund des sensitiveren direkten Nachweises
Abdomenübersichtsaufnahmen spielen heute auch im der Leberlazeration in der MSCT hat dieses indirekte
Rahmen der Erstaufnahme beim verletzten Patienten CT-Kriterium auch in der Literatur nur noch unter-
keine Rolle mehr. geordnete Bedeutung. Eine ggf. erforderliche Entlas-
Sonographisch ist freie intraabdominelle Flüssig- tung der peritonealen Blutansammlung kann bei sis-
keit in der Morrison-Tasche, perisplenisch oder im tierender Blutung unter CT-Steuerung erfolgen.
Unterbauch gut zu detektieren. Schmale Lazeratio- Die MRT kommt bei der akuten Leberlazeration
nen stellen sich als lineare irreguläre Defekte dar und nicht zum Einsatz und wird allenfalls im Verlauf zur
sind unter Notfallbedingungen häufig nur schwierig Beurteilung und Einordnung von Komplikationen
zu erkennen. Demgegenüber lassen sich größere angewandt. Wie beim komplizierten Leberhämatom
Parenchymdefekte auch beim verunfallten Patienten stellt die Katheterangiographie zusammen mit der
gut dokumentieren. Aktuell wird über mögliche Ver- Möglichkeit der Intervention (Embolisation) eine
besserungen der Detektion von Leberlazerationen Möglichkeit zur Therapie einer vaskulären Kompli-
durch die kontrastverstärkte Sonographie berichtet. kation auch bei der Leberlazeration dar. Nuklearme-
Das Verfahren ist allerdings insbesondere unter Not- dizinische Verfahren werden nur beim Verdacht auf
fallbedingungen bisher nicht routinemäßig einsetz- biliäre Komplikationen eingesetzt.
bar.
440 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Differenzialdiagnose Pathologisch-anatomische
Durch die Anamnese kommt es in der Regel zu kei- und ätiologische Grundlagen
nen differenzialdiagnostischen Problemen. Die Ab- Verletzungen der zentralen Lebergefäße entstehen
grenzung des subkapsulären Leberhämatoms von bei tiefen Lazerationen mit Zerreißung der zentralen
der rupturierten Lazeration ist, wie bereits oben er- Blutleiter oder bei direkten Gefäßein- bzw. -abrissen
läutert, wegen einer ggf. durchzuführenden Interven- in der Region des Leberhilus. Infolge des unterbro-
tion wichtig. Gelegentlich können zentral liegende chenen Blutflusses kommt es zu einer Minderper-
sternförmige oder sich aufzweigende Lazerationen fusion bzw. Devaskularisation der dem Trauma nach-
mit dilatierten Gallengängen verwechselt werden. geordneten Lebersegmente und -subsegmente. Da
Durch die Verfügbarkeit koronarer und sagittaler Lebereinrisse am häufigsten in den kranialen Seg-
Sekundärrekonstruktionen aus MSCT-Datensätzen menten des rechten Leberlappens auftreten, gehen
spielt dies jedoch zunehmend keine Rolle mehr. Wie sie vermehrt mit einer Verletzung der V. cava inferior
beim Leberhämatom sind auch bei der Lazeration und der Lebervenen einher.
einblutende Lebertumoren von einer traumatischen Im Rahmen zunehmender interventioneller Maß-
Schädigung des Organs abzugrenzen. nahmen haben auch postinterventionelle Komplika-
tionen wie z. B. arterioportale Fisteln nach Leber-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie punktion an Bedeutung gewonnen. Dabei kommt es
Neben der Sonographie ist die kontrastverstärkte CT bei der sonographischen oder CT-gesteuerten Le-
in biphasischer Technik die Untersuchungsmethode berstanzbiopsie zur Verletzung kleiner arterieller
der Wahl bei der Leberlazeration. Verlaufskontrollen und/oder portaler Gefäße mit Ausbildung subkapsu-
sind abhängig von der klinischen Symptomatik des lärer Hämatome bzw. peritonealer Blutungen. In Ein-
Patienten zu indizieren. Eine CT-gesteuerte Draina- zelfällen ist auch die direkte Entstehung einer arte-
geneinlage zur Entlastung des peritonealen Blutver- rioportalen Fistel möglich.
halts sollte, bei stehender Blutung, und abhängig vom
gesamten therapeutischen Prozedere erfolgen. MRT
und nuklearmedizinische Verfahren kommen allen-
CAVE ! Die Zerreißung der zentralen Gefäße
ist von einer schlechten Prognose für
falls im Rahmen der Abklärung von Komplikationen den Patienten begleitet, da der Blutverlust und die
der Leberlazeration im Verlauf zum Einsatz. Die Ka- Komplikationsrate (Hämatoperitoneum, Hämobilie,
theterangiographie mit Interventionsmöglichkeit Abszess) erheblich und mit hoher Letalität verbun-
(Embolisation) wird zur Therapie vaskulärer Kom- den sind. Als Spätkomplikation nach einer zentralen
plikationen und akuter Blutungen angewandt. Gefäßzerreißung oder Gefäßwandverletzung kann es
zur Ausbildung von Pseudoaneurysmen der A. hepa-
Merke ! Eine Leberlazeration stellt eine Verlet-
zung des Organs mit Parenchymzer-
tica und ihrer Seitenäste kommen. Diese stellen wie-
derum ein potenzielles Blutungsrisiko dar.
reißung dar. Dessen Ausprägung ist abhängig vom
Schweregrad der Lazeration. Untersuchungstech- Klinische Symptomatik
nisch sollte neben einer Sonographie immer eine bi- An klinischen Symptomen stehen bei der zentralen
phasische kontrastverstärkte CT erfolgen, um den Lebergefäßverletzung neben den extraabdominellen
Grad der Läsion und die Akuität der Blutung zu do- Verletzungen vor allem das hochakute Abdomen und
kumentieren. Die Katheterangiographie hat ihren der peritoneale Blutungsschock im Vordergrund. Bei
Stellenwert in Zusammenhang mit der Embolisation rascher Aufnahme des Patienten in einer klinischen
mitverletzter arterieller Gefäße. Ist eine Entlastung Einheit kann sich die Situation zunächst stabil dar-
der stattgehabten Blutung in die Peritonealhöhle er- stellen. Im kurzen Zeitverlauf kommt es dann jedoch
forderlich, kann diese unter CT-Kontrolle gezielt er- zu einer raschen Befundverschlechterung mit begin-
folgen. Als Spätkomplikation ist die Superinfektion nendem Schock infolge des Blutverlusts.Auch bei der
mit Ausbildung eines Leberabszesses zu beachten. Gefäßverletzung im Rahmen einer Intervention kla-
gen die Patienten über die Symptome des Leberhä-
7.3.1.3 matoms, der abdominellen Blutung und ggf. des Blu-
Lebergefäßverletzung (Grad V bis VI des AAST-OIS) tungsschocks.
Differenzialdiagnose
Bei der diagnostischen Aufarbeitung ist im Sinne
einer rasch einzuleitenden chirurgischen Therapie
zu klären, ob eine Leberruptur mit oder ohne zentra-
le Gefäßverletzung vorliegt.Weitere Differenzialdiag-
nosen stellen allenfalls zentrale lebereigene Tumoren
mit großen Einblutungen dar. In der Regel kann je-
doch in der CT die Diagnose eindeutig gestellt wer-
den.
Klinische Symptomatik
Kontusionen der Gallenblase führen meist zu uncha-
rakteristischen Schmerzen im rechten Oberbauch,
verbunden mit Übelkeit, allgemeinem Krankheits-
gefühl und lokaler Druckschmerzhaftigkeit. Kommt
es hingegen zur Gallenblasenperforation mit Austritt
von Gallenflüssigkeit in die freie Bauchhöhle, entwi-
ckelt sich eine biliäre Peritonitis (s. Abschn. 7.3.3.2).
Auch der Gallenblasenausriss ist mit den klinischen
Symptomen des akuten Abdomens, Übelkeit und Er-
brechen sowie den Zeichen der lokalen Peritonitis
verbunden.
444 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
b
In der Diagnose der Gallenwegsverletzungen bzw.
-komplikationen spielt die MRT mit MRCP in der Abb. 7.67 a, b. 56-jährige Patientin nach laparoskopischer
Akutdiagnostik keine Rolle. Sie ist allerdings heute Cholezystektomie mit anhaltenden rechtsseitigen Oberbauch-
beschwerden. a In der ERC Abbildung einer Striktur in der He-
das wichtigste nicht-invasive Verfahren zur Darstel- patikusgabel (S) sowie fehlende Darstellung des Segmen-
lung einer im Verlauf entstandenen Gallenwegsstrik- tasts VI. b Die MRCP in Projektionstechnik zeigt analog zur
tur. Die MRT nach Applikation gallengängigen Kon- ERC die Striktur in der Hepatikusgabel (S). Nachweis eines
trastmittels hat sich in der klinischen Routine bei partiell unterbrochenen und peripher dilatierten Segmen-
tasts VI (Pfeil). Mutmaßlich ehemals atypische Einmündung
Gallenwegsverletzugen nicht durchgesetzt. des Segmentasts VI und irrtümliche Ligatur bei der Cholezyst-
Auch die direkten Verfahren der Gallenwegsdar- ektomie
stellung, ERC/PTC, kommen in der Akutsituation der
schweren Gallenwegsverletzung in der Regel nicht
zum Einsatz, da die Beherrschung der Blutung und gestellt und in gleicher Sitzung interventionell thera-
die Laparotomie im Vordergrund stehen. Beide Ver- piert werden.
fahren sind jedoch als Referenzstandard für die di- Zur Bestätigung des Vorliegens eines Gallenlecks
rekte Visualisierung von Gallenlecks, Gallengangs- oder einer biliären Fistel bietet sich im Intervall auch
obstruktionen, Strikturen und Fisteln anzusehen die hepatobiliäre Funktionsszintigraphie an. Die ex-
(Abb. 7.67 a, b). Die exakte Lokalisation, Länge und traluminale Akkumulation des Radiopharmakons
Kontur der Striktur oder eines Gallenlecks kann dar- weist die Fistel hochsensitiv nach. Allerdings lässt
7.3 Traumatische Veränderungen 447
sich der genaue Ort der Fistel bzw. des Gallenlecks Literatur zu Abschn. 7.3.2
meist nur eingeschränkt bestimmen. Bei Gallenwegs-
strikturen hat das Verfahren heute keine Bedeutung Goffette PP, Laterre PF (2002) Traumatic injuries: imaging and
mehr. intervention in post-traumatic complications (delayed in-
tervention). Eur Radiol 12: 994–1021
Roddie ME (2003) Evaluation of the liver and biliary tree. In:
Differenzialdiagnose Peters AM (ed) Nuclear medicine in radiological diagnosis.
Bei bekannter Anamnese ergeben sich meist keine Taylor & Francis, London, pp 263–278
größeren differenzialdiagnostischen Schwierigkei- Shanmuganathan K, Mirvis SE (1998) Evaluation of the liver
ten. Zu berücksichtigen sind Hämatome im Rahmen and pancreas after blunt trauma. In: Gazelle GS, Saini S,
Mueller PR (eds) Hepatobiliary and pancreatic radiology.
begleitender Gefäßverletzungen und im Verlauf die Thieme, Stuttgart New York, pp 171–204
Komplikationen des Bilioms und der biliären Perito- Sicklick JK, Camp MS, Lillemoe KD et al. (2005) Surgical man-
nitis mit Abszess. Wichtigste Abgrenzung der post- agement of bile duct injuries sustained during laparoscopic
operativen Gallenwegsstriktur ist der benigne oder cholecystectomy: perioperative result in 200 patients. Ann
Surg 241: 786–792
maligne Gallenwegstumor. Slanetz PJ, Boland GW, Mueller PR (1996) Imaging and inter-
ventional radiology in laparoscopic injuries to the gallblad-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie der and biliary system. Radiology 201: 595–603
In der Akutsituation stellen Sonographie und CT die Wong YC, Wang LJ, Chen RJ, Chen CJ (2002) Magnetic reso-
nance imaging of extrahepatic bile duct disruption. Eur Ra-
Verfahren der Wahl zur Beurteilung einer Gallen- diol 12: 2488–2490
wegsverletzung anhand zumeist indirekter Kriterien Yoon KH, Ha HK, Kim MH et al. (1998) Biliary stricture caused
dar. Im Verlauf und bei Verdacht auf das Vorliegen by blunt abdominal trauma: clinical and radiological fea-
tures in five patients. Radiology 207: 737–741.
eines Gallenlecks oder einer Gallenfistel sollten eine Yoon W, Jeong YY, Kim JK et al. (2005) CT in blunt liver trauma.
CT nach Applikation gallengängigen Kontrastmittels Radiographics 25: 87–104
und ggf. eine hepatobiliäre Funktionsszintigraphie
zur Verifizierung erfolgen. ERC/PTC sind dann mit
dem Ziel einer interventionellen Therapie (Schie-
nung, Stent) anzuschließen. Eine postoperativ ver-
mutete Gallenwegsstriktur wird indirekt mittels So-
nographie, nichtinvasiv mit der MRCP dargestellt.
Auch hier kommen ERC/PTC annähernd ausschließ-
lich unter therapeutischen Gesichtspunkten zum
Einsatz.
7.3.3
∑ Separation der meist geblähten Dünndarmschlin-
gen mit Spiegelbildung.
Komplikationen nach Leber-
und Gallenwegstraumen
Im Akutfall spielt diese Form der Diagnostik heute
7.3.3.1 keine Rolle mehr. Sie kommt ggf. im Rahmen des Ver-
Hämatoperitoneum laufs bei vermuteter Komplikation nach stattgehab-
tem Lebertrauma zum Einsatz.
왔 Ein Hämatoperitoneum bezeichnet Sowohl in der Akutsituation als auch im Rahmen
Definition
eine Ansammlung frischen und/oder der Abklärung möglicher Komplikationen ist die
älteren Bluts in der freien Peritonealhöhle infolge perkutane Sonographie als Methode der ersten Wahl
von Verletzungen, Rupturen von Tumoren oder nach anzusehen. Der Nachweis freier Flüssigkeit gelingt
Intervention bzw. Operation. bereits bei kleinsten Mengen.
Eine exakte und rasche Dokumentation von Aus-
Pathologisch-anatomische maß und Lokalisation des Hämatoperitoneums steht
und ätiologische Grundlagen mit der biphaschen, kontrastverstärkten CT zur Ver-
Bei jedem Leber- und Gallenwegstrauma kann es, ab- fügung. Insbesondere die akute Blutung und ihr ver-
hängig von der Schwere, zu einem Hämatoperitoneum mutlicher Ausgangspunkt sind so genau zu diagnos-
kommen. Entscheidend hierfür ist die akute Blutung. tizieren. Das Hämatom hat dabei eine Dichte zwi-
Beim Leberhämatom entsteht die akute freie Blutung schen 40 und 70 HE, austretendes Kontrastmittel, ab-
durch Ruptur der Leberkapsel. Dies kann sowohl beim hängig vom Jodgehalt des verwendeten Produkts,
ausgedehnten subkapsulären Hämatom, ggf. auch zwischen 85 und 350 HE (Abb. 7.68). Durch Sekun-
zweizeitig, als auch beim Parenchymdefekt mit fortbe- därrekonstruktionen aus MSCT-Datensätzen kann
stehender intraparenchymatöser Blutung geschehen.
Im Falle der Leberlazeration liegt immer eine Blutung
in die Peritonealhöhle vor. Ihr Ausmaß richtet sich
nach der Schwere der Lazeration. Die schwerste Form
des Hämatoperitoneums liegt bei der zentralen Leber-
gefäßverletzung vor. Durch Einriss oder Abtrennung
arterieller, portaler und/oder venöser Gefäße erfolgt
ein Blutaustritt in die freie Bauchhöhle.
Die wichtigsten Komplikationen des Hämatoperi-
toneums sind, neben dem Blutungsschock, die Infek-
tion mit nachfolgendem Abszess und, im Falle der
Gallenwegsverletzung, die biliäre Peritonitis.
Klinische Symptomatik
Neben den Begleiterkrankungen des Leber- und Gal-
lenwegstraumas stehen die Hypotonie bzw. der Blu-
tungsschock im Vordergrund des klinischen Erschei-
nungsbildes.
Radiologische Symptomatik
Auf konventionellen Abdomenübersichtsaufnahmen
lässt sich ein Hämatoperitoneum durch indirekte
Hinweise erkennen: Abb. 7.68. 13-jähriges Mädchen nach Verkehrsunfall. In der
kontrastverstärkten CT erkennt man einen rupturierten
∑ fehlende Abgrenzbarkeit des unteren Leberrandes, Lebertumor (T) mit ausgedehnter abdomineller Blutung im
∑ Verdichtung im lateralen Oberbauch beidseits mit Sinne eines Hämatoperitoneums. KM-Austritt lateral und am
Verlagerung von rechter und linker Kolonflexur Leberunterrand (Pfeil) als Ausdruck der akuten Blutung. Die
nach medial sowie Histologie des Tumors ergab ein Hepatoblastom, das durch
den Unfall zufällig entdeckt wurde
7.3 Traumatische Veränderungen 449
das blutende Gefäß bestimmt werden. Im Falle der kationen des Hämatoperitoneums zählen vor allem
Komplikation eines Hämatoperitoneums mit Ab- der Abszess nach Superinfektion und die gallige Peri-
szessbildung lässt sich diese CT-morphologisch an- tonitis.
hand der vermehrten Kontrastmittelaufnahme, ggf.
einer Sedimentierung sowie Lufteinschlüssen erken- 7.3.3.2
nen. Bei günstigem Zugangsweg kann dann ggf. eine Biliome/biliäre Peritonitis
CT-gesteuerte Drainage zur Entlastung angelegt wer-
den. 왔 Biliome sind extraluminale Ansamm-
Definition
Liegt eine aktive Blutung bei einem Hämatoperi- lungen von Gallenflüssigkeit infolge
toneum vor, so kann bei peripherer Lage der Gefäß- eines Gallenlecks oder einer biliären Fistel.
läsion oder nicht möglichem operativem Vorgehen Als biliäre Peritonitis wird eine entzündliche Af-
die interventionelle Embolisation mittels Katheter- fektion des Peritoneums durch ausgetretene, super-
angiographie als Therapieoption eingesetzt werden. infizierte Gallenflüssigkeit bezeichnet.
Bei superselektiver Sondierung ist so die akute Blu-
tungssituation rasch zu kontrollieren. Bei nichtakti- Pathologisch-anatomische und
ver Blutung spielt die Katheterangiographie heute in ätiologische Grundlagen
der Abklärung des Hämatoperitoneums keine Rolle Frei in die Bauchhöhle austretende Gallenflüssigkeit
mehr. wird bei etwa 2–4% der Patienten mit stattgehabtem
MRT und nuklearmedizinische Verfahren kom- Lebertrauma beobachtet – insbesondere bei Verlet-
men beim Hämatoperitoneum nicht regelhaft zum zungen mit tiefer Parenchymläsion bzw. höhergradi-
Einsatz. gem Lebertrauma (Grad IV bis VI nach AAST-OIS).
Häufig treten hingegen Biliome nach Gallenblasen-
Differenzialdiagnose und Gallenwegsverletzungen auf. Auch postoperativ
Die wichtigste Differenzierung ist beim Hämatoperi- nach komplizierter Gallenblasen- und Gallenwegs-
toneum zwischen ausgedehnter intraperitonealer operation oder im Rahmen einer Gallenwegsinter-
Flüssigkeit, peritonealem Hämatom und aktiver Blu- vention werden Biliome und in der Folge biliäre Peri-
tung zu treffen. Dies kann mit Hilfe der Dichtewerte tonitiden beobachtet. Seltener sind in der Leber
in der CT meist problemlos erfolgen. Da die Beherr- gelegene Biliome bei intrahepatischer Lokalisation
schung der Blutung im Vordergrund steht, spielt die der Gallenwegsläsion.
Unterscheidung ihrer Ursache (Verletzung/zweizeiti- Durch die meist kleinlumige Fistel der Gallenwege
ge Ruptur/Ruptur eines intrahepatischen Tumors) kommt es erst im Verlauf nach längerem freiem In-
erst in zweiter Linie eine Rolle. tervall zur Bildung der Biliome. Sterile Gallenflüssig-
keit verursacht in der Regel allenfalls eine geringe pe-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie ritoneale Reizung.
Beim akuten Hämatoperitoneum sollte nach orien- Eine biliäre Peritonitis entsteht nur, wenn die aus-
tierender Sonographie rasch eine biphasische kon- getretene Gallenflüssigkeit z. B. im Rahmen einer
trastverstärkte CT zur Festlegung der Akuität und miterfolgten Darmverletzung oder bei Cholangitis
einer nach intraperitonel reichenden Blutung und anderer Genese infiziert ist. Als Komplikation ist so-
ihrer Lokalisation angeschlossen werden. Bei peri- wohl für das Biliom als auch für die biliäre Peritoni-
pherer Lage der Gefäßverletzung mit akuter Blutung tis der umschriebene intraabdominelle Abszess an-
oder nicht möglichem operativem Vorgehen bietet zusehen.
sich die Katheterangiographie mit Embolisation des
zuführenden Gefäßasts an. Klinische Symptomatik
Die meisten Biliome verlaufen klinisch stumm. Bei
Merke ! Das Hämatoperitoneum mit akuter
Blutung ist eine schwere Komplika-
raumfordernder Wirkung durch die Größe klagen
die Patienten über Unwohlsein und persitierende
tion von Leber- und Gallenwegsverletzungen und Schmerzen im rechten Oberbauch. Im Falle der biliä-
kann auch zweizeitig im Rahmen des Verlaufs auf- ren Peritonitis stehen die Symptome des akuten, peri-
treten. Als diagnostische Methode der Wahl gilt, tonitischen Abdomens mit starken Schmerzen, Ab-
nach orientierender Sonographie, die biphasische wehrspannung, Erbrechen und ggf. einsetzender
kontrastverstärkte CT. Zur Therapie kann bei ent- Schocksymptomatik im Vordergrund.
sprechender Lage der Gefäßläsion oder nicht mögli-
chem operativen Vorgehen die Katheterangiographie Radiologische Symptomatik
mit Embolisation zum Einsatz kommen. Differen- Sonographisch stellen sich Biliome als annähernd
zialdiagnostisch sind insbesondere der Aszites und echofrei, glatt begrenzt und in oder in unmittelbarer
die nichtakute Blutung abzugrenzen. Zu den Kompli- Umgebung zur Leber gelegen dar. Insbesondere der
450 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Klinische Symptomatik
Neben der Anamnese sind kolikartige Oberbauchbe-
Merke ! Die Hämobilie ist eine seltene Kom-
plikation nach Leber- und Gallen-
schwerden, Ikterus und das Bild der oberen bzw. un- wegstrauma mit Ausbildung einer Fistel zwischen
teren gastrointestinalen Blutung ggf. mit Bluterbre- intrahepatischem arteriellen und biliären Gefäß-
chen hinweisend auf eine Hämobilie. system. Der indirekte Nachweis kann sonographisch
erfolgen. In der triphasischen CT gelingt der Nach-
Radiologische Symptomatik weis eines Kontrastmittelübertritts insbesondere in
Sonographisch findet sich als indirekter Hinweis auf Sekundärrekonstruktionen. Beim direkten Nachweis
eine Hämobilie ein dilatiertes extrahepatisches und mittels Katheterangiographie kann ggf. in gleicher
partiell auch intrahepatisches Gallenwegssystem. Die Sitzung durch Embolisation die Fistel therapiert
Diagnose kann allein anhand bildgebender Kriterien werden. Nach endoskopischer Darstellung erfolgt bei
sonographisch nicht gestellt werden. Bedarf die Schienung des betroffenen Gallengangs.
Computertomographisch lässt sich nach intrave- Differenzialdiagnostisch sind insbesondere Verände-
nöser Kontrastmittelgabe, insbesondere in Rekon- rungen im Rahmen des Gallensteinleidens zu be-
struktionen aus MSCT-Datensätzen, Kontrastmittel rücksichtigen.
in der Gallenblase und den Gallengängen nachwei-
sen. Zum Ausschluss möglicher Differenzialdiagno-
sen empfiehlt sich zusätzlich zur biphasischen Dar- Literatur zu Abschn. 7.3.3
stellung nach Kontrastmittelgabe die Anfertigung
einer Nativ-Serie. Lou YJ, Chen CX, Jiang JY, Li YM (2006) Hepatobiliary and pan-
creatic hemobilia. J Gastroenterol Hepatol 21: 474–476
Der direkte Nachweis der Hämobilie kann kathe- Roddie ME (2003) Evaluation of the liver and biliary tree. In:
terangiographisch oder mittels ERC erfolgen. Dabei Peters AM (ed) Nuclear medicine in radiological diagnosis.
erfolgt die Darstellung der vaskulär-biliären Fistel Taylor & Francis, London, pp 263–278
einmal vom Gefäßsystem, einmal vom Gallenwegs- Shankar S, van Sonnenberg E, Silverman SG, Tuncali K, Morri-
son PR (2003) Diagnosis and treatment of intrahepatic
system aus. Der Vorteil der Katheterangiographie biloma complicating radiofrequency ablation of hepatic
liegt hierbei in der Möglichkeit der sofortigen Embo- metastases. AJR Am J Roentgenol 181: 275–277
lisation des zuführenden Gefäßasts, der ERC ggf. in Shanmuganathan K, Mirvis SE (1998) Evaluation of the liver
der Schienung des verletzten Gallengangs. and pancreas after blunt trauma. In: Gazelle GS, Saini S,
Mueller PR (eds) Hepatobiliary and pancreatic radiology.
MRT und nuklearmedizinische Verfahren spielen Thieme, Stuttgart New York, pp 171–204
keine Rolle bei der Hämobilie. Srivastava DN, Sharma S, Pal S et al. (2006) Transcatheter arte-
rial embolization in the management of hemobilia. Abdom
Differenzialdiagnose Imaging 31: 439–448
Stahelin B, Schaad HJ (1999) Hämatoperitoneum – how to pro-
Differenzialdiagnostische Schwierigkeiten können ceed? Schweiz Rundsch Med Prax 88: 379–382
allenfalls beim indirekten Nachweis der Hämobilie Weissmann HS, Byuan KJC, Freeman LM (1985) Role of
auftreten. Hierbei sind Gallensteine, Gallenblasen- Tc-99m IDA scintigraphy in the evaluation of hepatobiliary
wandhämatome, Sludge, Kalkmilchgalle und ektope trauma. Semin Nucl Med 13: 199–222
Yoon W, Jeong YY, Kim JK et al. (2005) CT in blunt liver trauma.
Ausscheidung von intravenösem Kontrastmittel über Radiographics 25: 87–104
die Gallenwege zu berücksichtigen.
Radiologische Symptomatik
Die wichtigste Anforderung an die bildgebende Dia-
gnostik bei akuten Hepatitiden besteht im Aus-
schluss anderweitiger Ursachen einer diffusen Hepa-
tomegalie. Allerdings lassen sich mittels Ultraschall,
CT und MRT nur gelegentlich im Verlauf innerhalb
der weiterhin hypoechogenen, dichtegeminderten
bzw. signalintensitätserhöhten Leber echoreiche/iso-
dense/hyperintense Knotenbildungen nachweisen,
die Ausdruck der beginnenden Regeneration sind.
Das Volumen des Organs nimmt durch die Regene-
ratknotenbildung weiter rasch zu. a
Bei der akuten Virushepatitis zeigen alle Schnitt-
bildverfahren eine Hepatosplenomegalie, ggf. eine
Verdickung der Gallenblasenwand im Rahmen der ent-
zündlichen Mitreaktion (Abb. 7.72 a), hiläre Lymph-
knotenvergrößerungen sowie Aszites. Als pathogno-
monisch ist im Ultraschall das Bild der erhöhten
Echogenität der Wand der Portalgefäße anzusehen
(Abb. 7.72 b). Zusätzlich kann sich eine diffuse Er-
höhung der Echogenität des Leberparenchyms fin-
den. Die lokale periportale Hepatozytenschwellung
stellt sich in der CT nach Kontrastmittelgabe als
hypodense Begleitformation und in der MRT in
Form hyperintenser Begleitbänder in T2-Wichtung
dar. Durch die entzündungsbedingte generalisierte
Schwellung der Leber kommt es zu einer diffusen
Dichteminderung bzw. einem inhomogenen Enhan-
cement vor und nach Kontrastmittelgabe in der CT. b
Analog weist die MRT verminderte Signalintensitä-
ten in T1- und erhöhte Signalintensitäten in T2- Abb. 7.72 a, b. 5-jähriges Mädchen mit fulminantem Leber-
Wichtung auf. versagen bei Ebstein-Barr-Virus-Hepatitis mit hepatischer En-
zephalopathie. a Im B-Bild-Sonogramm deutlich verdickte
Neben der Hepatomegalie ist vor allem der er- Gallenblasenwand (Pfeil) bei erhöhter Echogenität des Leber-
höhte Fettgehalt in allen bildgebenden Verfahren gewebes. b Vermehrte Echogenität der Wand der Portalgefäße
hinweisend für die akute Fettleberhepatitis. Er stellt (Pfeil)
sich dabei vollständig unregelmäßig, segmental oder
fokal dar. So zeigt sich sonographisch eine entspre-
chend der Fettverteilung abgrenzbare Hypoecho- Eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen
genität der Leber, die in der Nativ-CT zu korrespon- Formen der akuten Fettleberhepatitis ist bildmor-
dierenden hypodensen Arealen führt. Nach Kontrast- phologisch nicht möglich.
mittelgabe dokumentiert sich im Frühstadium in Die als Leberbeteiligung extrahepatischer Infek-
vielen Fällen eine Maskierung des Befundes, bei fort- tionen entstandenen akuten Hepatitiden bleiben in
geschrittenem Krankheitsverlauf ein unregelmäßi- der bildgebenden Diagnostik in Form der Hepato-
ges Enhancement (Abb. 7.73). Diagnostisch wegwei- megalie unspezifisch und können nicht weiter diffe-
send sind in der MRT „In-phase-“ und „Opposed- renziert werden. Insbesondere ist eine Abgrenzung
phase-Sequenzen“ in T1-Wichtung mit erhöhter bzw. zu den anderen Formen der akuten Hepatitis nicht
erniedrigter Signalintensität aufgrund des Fettge- möglich. Gleiches gilt für die Autoimmunhepatitis,
halts der Leber. Ein vergleichbares Ergebnis lässt sich sodass erst die histologische Aufarbeitung einer Le-
in der T2-Wichtung ohne und mit Fettsättigung berbiopsie die Diagnose sichern kann. In fortge-
durch diffuse Hyperintensität bzw. deren Verschwin- schrittenen Fällen kann es jedoch zur Ausbildung
den erzielen. hypervaskularisierter Knoten im frühen Stadium des
7.4 Entzündliche Erkrankungen 455
Chronische Hepatitis
왔 Als chronische Hepatitis wird eine
Definition
diffuse Entzündung der Leber mit
einer Krankheitsdauer von mindestens 6 Monaten
bezeichnet.
Radiologische Symptomatik
Eine Differenzierung der verschiedenen Formen der
Merke ! Chronische Hepatitiden werden bei
den viralen Formen B bis D und selte-
chronischen Hepatitis ist radiologisch nicht möglich. ner der Alkoholhepatitis beobachtet. Alle Formen ge-
Wichtigstes Ziel ist, bei bekannter Anamnese, die hen in einem hohen Prozentsatz in eine Leberzirrho-
Festlegung des Ausmaßes der Leberdegeneration se über, das Risiko der malignen Entartung ist deut-
bzw. der Leberzirrhose und der Ausschluss eines lich erhöht. Bildgebend werden Regeneratknoten
HCC. Ist in der Vorgeschichte keine Hepatitis be- und portale Lymphadenopathien nachgewiesen. Das
kannt, müssen andere diffuse Lebererkrankungen Vorliegen eines HCC muss ausgeschlossen werden.
und Ursachen einer Hepatomegalie ausgeschlossen
werden. Verlauf und Schweregrad der Erkrankung Neonatale Hepatitis
können anhand des Größenvergleichs der Regenerat- Die neonatale Hepatitis ist die häufigste Ursache des
knoten in Folgeuntersuchungen beurteilt werden. prolongierten Neugeborenenikterus. Sie kann infek-
Ihre Verlaufsbeobachtung dient bei einer durch- tiös, metabolisch oder idiopathisch bedingt sein.
geführten Immuntherapie als Indikator für den Be-
handlungserfolg. Pathologisch-anatomische
Wegweisendes Kriterium der chronischen Hepati- und ätiologische Grundlagen
tis ist häufig eine Lymphadenopathie in der Leber- Als Ursache der neonatalen Hepatitis kommen ver-
pforte. Diese wird mit Sonographie, CT und MRT schiedenste virale und parasitäre Infektionen in Be-
sicher nachgewiesen. Zusätzlich finden sich sono- tracht. Neben Hepatitisviren werden vor allem CMV-,
graphisch eine generalisierte Echogenitätserhöhung Herpes- und Toxoplasmoseerreger beobachtet. Bei
des Organs sowie eine zunehmend schlechtere Ab- den Parasiten handelt es sich insbesondere um Pro-
grenzung der Pfortader und ihrer Verzweigungen tozoen und Sprirochäten. Die Infektion erfolgt prä-
(Silhouetten-Phänomen). In der CT stellt sich die oder perinatal im Geburtskanal.
chronische Hepatitis zudem mit dem Nachweis von Bei den metabolischen Ursachen stehen der a1-
Regeneratknoten dar. Diese sind nativ hyperdens Antitrypsinmangel und verschiedenste Formen des
und können nach Kontrastmittelgabe maskiert sein. Bilirubinmetabolismus im Zentrum des Interesses.
Auch in der MRT finden sich neben der portalen Daneben finden sich idiopathische Formen der neo-
Lymphadenopathie Regeneratknoten, die in T1- und natalen Hepatitis.
T2-Wichtung leicht hyperintens erscheinen und Histologisch erkennt man Riesenzellen sowie in
ebenfalls nach extra- und intrazellulärer Kontrast- einem intakten Gallenwegssystem nur geringe Men-
mittelgabe isodens erscheinen. gen exprimierter Gallenflüssigkeit. Die Erkrankung
Nuklearmedizinische Verfahren haben allenfalls wird in den ersten 4 Lebenswochen evident und
im Rahmen der Abklärung einer fokalen Läsion auf bevorzugt das männliche Geschlecht.
dem Boden einer chronischen Hepatitis in Spezial-
fällen eine eingeschränkte Bedeutung. Klinische Symptomatik
Kinder mit neonataler Hepatitis werden durch den
Differenzialdiagnose prolongierten Neugeborenenikterus klinisch auf-
Als wichtigste Differenzialdiagnose ist das HCC an- fällig. In der Regel erfolgt eine Spontanremission ad
zusehen. Bei weniger fortgeschrittenen Krankheits- integrum.
formen sind sämtliche anderen diffusen Leber-
erkrankungen sowie der diffuse Lymphombefall der Radiologische Symptomatik
Leber zu berücksichtigen. Sonographisch stellen sich Leber und, soweit ab-
grenzbar, die Gallenblase normal groß ohne Zeichen
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie der Cholestase dar. Die Echogenität der Leber ist dif-
Da der Ausschluss einer malignen Entartung im Vor- fus erhöht, die peripheren Portaläste lassen sich nur
dergrund der diagnostischen Bemühungen steht, schwer abgrenzen. Dennoch ist die Differenzial-
muss, nach der primär durchgeführten Sonographie, diagnose zur biliären Atresie häufig schwierig (s.
eine weitere Abklärung mittels CT oder MRT erfol- Abschn. 7.2.3.4) und bedarf in vielen Fällen zur Klä-
gen. Dabei sollten Serien bzw. Sequenzen vor und rung der zusätzlichen hepatobiliären Funktionsszin-
nach Kontrastmittelgabe enthalten sein und die Kon- tigraphie.
trastmittelapplikation ggf. dynamisch dokumentiert CT und MRT spielen keine Rolle in der Diagnostik
werden. Katheterangiographie und nuklearmedizi- der Neonatalhepatitis.
nische Verfahren spielen primär keine Rolle.
7.4 Entzündliche Erkrankungen 457
Differenzialdiagnose
Wichtigste Differenzialdiagnsose ist die biliäre Atre-
sie, deren Diagnose aus prognostischen Gründen
rasch gestellt werden muss.
Strahlenhepatitis
Eine besondere Form der Hepatitis stellt die Leber- zu hyperintensen, scharf begrenzten Arealen. Eine
entzündung nach Radiotherapie dar. Sie wird in aku- Kontrastmittelgabe ist in der Regel weder in der CT
ter und chronischer Form beobachtet. noch in der MRT erforderlich.
Pathologisch-anatomische Differenzialdiagnose
und ätiologische Grundlagen Aufgrund der landkartenartigen scharfen und auf
Nach Applikation einer Einzeldosis von 14 Gy oder das Bestrahlungsfeld lokalisierten entzündlichen
einer fraktionierten Bestrahlung von mindestens Veränderungen in der Leber stellt die Diagnose, bei
35 Gy über 6 Wochen tritt eine Hepatitis auf. Das Auf- bekannter Anamnese, in der Regel keine differenzial-
treten wird zwischen 2 und 6 Wochen nach Abschluss diagnostische Schwierigkeit dar. Bei der akuten Form
der Radiotherapie beobachtet. In der Regel kommt es müssen sämtliche anderen Ursachen der akuten He-
im weiteren Verlauf zu einer vollständigen Remission patitis mit berücksichtigt werden.
des Befundes. Die Strahlenhepatitis wird heute bei
eng umgrenztem Strahlenfeld und detaillierter prä- Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
therapeutischer Planung allerdings nur noch selten Die Sonographie ist die Ausgangsuntersuchung auch
beobachtet. beim Verdacht auf eine Strahlenhepatitis. Soll das
Ausmaß der Erkrankung abgeschätzt werden, kann
Klinische Symptomatik dies mittels Nativ-CT oder nativer MRT in gleicher
An klinischen Zeichen wird von den Patienten allen- Weise erfolgen.
falls ein uncharakteristischer rechtsseitiger Ober-
bauchschmerz berichtet.
Merke ! Die Strahlenhepatitis ist heute eine
seltene Komplikation einer Radiatio.
Radiologische Symptomatik Diagnostisch erfolgt die Abklärung über die Sono-
Bei der akuten Strahlenhepatitis zeigen sich in allen graphie und ggf. die Nativ-CT oder Nativ-MRT mit
bildgebenden Verfahren eine Hepatomegalie sowie klassischen, auf das Bestrahlungsfeld beschränkten
ggf. geringe Mengen an Aszites. Umschriebene Ver- Veränderungen der Entzündung.
änderungen im Bereich der Radiatio lassen sich in
der akuten Form meist nicht erkennen. Granulomatöse Lebererkrankungen
Die chronische Strahlenhepatitis zeigt demgegen-
über sonographisch eine verminderte Echogenität im 왔 Unter einer granulomatösen Hepatitis
Definition
bestrahlten Leberanteil und scharf begrenzte, auf das versteht man eine infektiöse Erkran-
Strahlenfeld beschränkte Dichteminderungen in der kung des Organs mit Nachweis von Granulomen im
Nativ-CT ohne Hinweis für fettige Degeneration Parenchym. Dabei werden bakterielle, virale, fungale
(Abb. 7.74). Der erhöhte Flüssigkeitsgehalt im betrof- und parasitäre Formen unterschieden. Zusätzlich
fenen Leberabschnitt führt in der nativen MRT in zählen hierzu der hepatische Befall einer Histoplas-
T1-Wichtung zu hypointensen, in der T2-Wichtung mose oder einer Sarkoidose.
458 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Eine granulomatöse Leberinfektion ist selten. Histo-
logisch finden sich scharf begrenzte noduläre Infil-
trationen des Leberparenchyms, die aus Konglo-
meraten von Epitheloidzellen bzw. Makrophagen be-
stehen und von einem Randsaum vorwiegend aus
Lymphozyten umgeben sind. Die Granulomkonglo-
merate in der Leber können eine Größe zwischen
5 mm und 2 cm aufweisen. Bei den in der Bildgebung
nachgewiesenen Leberherden handelt es sich wohl
nicht ausschließlich um die Granulome selbst, son-
dern zusätzlich um eine entzündliche hepatische Be-
gleitreaktion und Fibrose. Die Diagnosesicherung
granulomatöser Hepatitiden ist in vielen Fällen je-
doch nur durch die Biopsie möglich.
Der Leberbefall bei Sarkoidose ist häufig. Eine
Diagnosestellung erfolgt in der Regel jedoch über a
den pulmonalen Befall. Bekannt ist eine gehäufte
Koinzidenz von hepatischer Sarkoidose und PSC. Ei-
ne Hepatomegalie wird in 20–30% der Fälle beobach-
tet, der Nachweis umschriebener fokaler Läsionen
gelingt in etwa 5%. Demgegenüber ist eine portale
Lymphadenopathie häufig.
Klinische Symptomatik
Das klinische Erscheinungsbild wird in der Regel
durch die Grunderkrankung (z. B. im Falle der Sarko-
idose durch den pulmonalen Befall) und nicht durch
die Mitbeteiligung der Leber bestimmt. Lediglich in
sehr seltenen Fällen kann es zum Leberausfall bei
progredienter Cholestase und portaler Hypertension
kommen. Eine ausgeprägte portale Lymphadeno- b
pathie führt zum Verschlussikterus, zur Pfortader-
thrombose oder zum Lebervenenverschluss (Budd- Abb. 7.75 a, b. 4-jähriger Junge mit unklarem Fieber seit 9 Mo-
naten und einer septischen Granulomatose der Leber. a An-
Chiari-Syndrom). nähernd isoechogene Darstellung des septischen Herdes im
B-Bild-Sonogramm (+---+). b In der ergänzenden MRT in
Radiologische Symptomatik T1-Wichtung nach KM-Gabe breiter Randsaum mit deutli-
chem Enhancement (Pfeil) sowie hypodenses Zentrum mit
Mit den bildgebenden Verfahren wird in der Regel Nekrosen, entsprechend Typ 3 nach Garcia-Eulate
lediglich eine unspezifische Hepatosplenomegalie
nachgewiesen. Häufiger gelingt der Nachweis vergrö-
ßerter Lymphknoten im oberen Abdomen und in der
Leberpforte. Sind größere Granulome intrahepatisch
oder in Leber und Milz nachweisbar, kommen diese
sonographisch echoarm (Abb. 7.75 a), in der CT hy- Differenzialdiagnose
pointens und in der MRT in T1- und T2-Wichtung Abzugrenzen sind alle anderen Formen der diffusen
hypointens zur Darstellung. Zur Kontrastmittelauf- Hepatosplenomegalie, insbesondere akute Hepatiti-
nahme wurde von Garcia-Eulate dazu kürzlich eine den, der Lymphombefall der Leber, die PBC und die
Klassifikation nach bildmorphologischen Kriterien verschiedenen Formen der diffusen Lebererkran-
vorgeschlagen. Demnach gilt als kungen. Können Granulome nachgewiesen werden,
muss auch eine Lebermetastasierung ausgeschlossen
∑ Typ 1 eine solide Läsion mit vollständigem En- werden.
hancement,
∑ Typ 2 ein Herd mit partiellem zentralem Enhan- Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
cement und Da die Diagnose in der Regel zufällig oder im Rah-
∑ Typ 3 eine Läsion mit lediglich peripherem En- men der Ursachensuche einer hepatischen Infektion
hancement nach Kontrastmittelgabe (Abb. 7.75 b). stattfindet, kommen neben der Sonographie CT oder
7.4 Entzündliche Erkrankungen 459
MRT zum Einsatz. Wird gezielt nach einem Granu- Radiologische Symptomatik
lombefall der Leber gesucht, sind CT oder MRT dia- Auf konventionellen Übersichtsaufnahmen des Abdo-
gnostisch aussagekräftiger als die Sonographie und mens lassen sich sowohl beim Früh- und Neugebore-
sollten vor und nach Kontrastmittelgabe durchge- nen als auch beim Erwachsenen streifenförmige
führt werden. Luftansammlungen in Projektion auf die intrahepati-
sche Pfortader erkennen (Abb. 7.76). Beim Neonaten
Merke ! Granulomatöse Infektionen der Leber
sind selten. Neben den klassischen In-
gelingt in vielen Fällen auch die direkte Diagnose der
nekrotisierenden Enterokolitis durch Nachweis der
fektionen werden hierunter auch der hepatische Be- Luft in der Darmwand.
fall bei Histoplasmose bzw. Sarkoidose subsumiert. Sonographisch können bereits kleinste Gasmen-
Ein spezifischer Nachweis von Granulomen gelingt gen als echoreiche Reflexe in den Pfortadergefäßen
jedoch nur selten. Häufiger werden eine generalisier- und ggf. auch im Leberparenchym dokumentiert
te Hepatosplenomegalie und lokale Lymphknoten- werden. Mittels CT gelingt beim Erwachsenen die
vergrößerungen dokumentiert. CT und MRT sind direkte Darstellung kleinster Luftansammlungen in
gleichermaßen geeignet, größere Granulome intra- der Leber, den Pfortaderästen und den Mesenterial-
hepatisch nachzuweisen. Die Diagnosesicherung venen als stark hypodense Formation. Dies insbeson-
muss in der Regel bioptisch erfolgen. dere in Sekundärrekonstruktionen aus MSCT-Daten-
sätzen. Als Ursache kann ggf. eine Pneumatosis coli
Symptomkomplex Pfortadergas und ein Verschluss der Mesenterialgefäße ebenfalls
direkt abgebildet werden. Andere bildgebende Ver-
왔 Hierunter werden Erkrankungen sub- fahren werden in der Regel nicht eingesetzt.
Definition
sumiert, die zum Nachweis von Luft in
der Wand der Pfortader führen. Es handelt sich dabei
um eine Mitreaktion der Leber bei einem primär
extrahepatischen Krankheitsbild.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Ursächlich für die Erkrankung ist der Gaseintritt in
das Gefäßsystem der Peripherie. Dies geschieht am
häufigsten durch eine Darmwandläsion bei intesti-
naler Nekrose, seltener durch Überdehnung beim
Ileus oder einer intestinalen Atresie. Nur in Ausnah-
mefällen liegt eine Infektion intravasal mit Gasbil-
dung vor.
Die intestinale Nekrose entsteht beim Erwachse-
nen bei einer mesenterialen Ischämie, beim Kind
(meist Frühgeborene) im Rahmen der nekrotisieren-
den Enterokolitis. Seltener sind die Colitis ulcerosa
oder ein perforiertes Duodenalulkus als Ursache an-
zusehen. Im Falle einer exzessiven Distension des
Darms bei Ileus, Ösophagus-, Duodenal- oder Anala-
tresie entstehen kleinste Mukosaeinrisse, die eben-
falls zu einem Gasübertritt in das vaskuläre Syteme
der Darmwand führen. Die Luft wird über die kleinen
Gefäße der Darmwand bis in die Pfortader transpor-
tiert und stellt sich, bedingt durch die Gravitation,
am höchsten Punkt in der Leber besonders deutlich
dar.
Klinische Symptomatik
In allen Fällen steht die Grunderkrankung mit ihrer
Symptomatologie im Vordergrund. Diese ist bei Er-
wachsenen lebensbedrohlich und führt häufig zum Abb. 7.76. 13 Tage altes männliches Frühgeborenes. Das Baby-
gramm zeigt reichlich Gas in den Pfortaderästen (Pfeil) sowie
Tod. Bei Frühgeborenen hingegen ist sie in der Regel submukös in der Darmwand (Pfeilspitze) bei NEC. Zusätzlich
medikamentös bzw. chirurgisch beherrschbar. freie intraabdominelle Luft bei Perforation
460 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Differenzialdiagnose
Als wichtigste Differenzialdiagnose ist die Aerobilie
zu nennen, deren Zuordnung insbesondere im Be-
reich des Leberhilus zu Abgrenzungsschwierigkeiten
führen kann.
grund. Laborchemisch liegen erhöhte Entzündungs- plexerer Abszess vor, zeigt sich in der Nativ-CT eine
parameter vor. Dreischichtung von Wand und Binnenstruktur auf-
grund der zwischenzeitlich aufgetretenen soliden
Radiologische Symptomatik Wandverdickung mit hypodensem Rand, isodenser
Auf konventionellen Übersichtsaufnahmen des Tho- Zwischenschicht und stark hypodenser Binnenstruk-
rax finden sich als Nebenbefunde von pyogenen tur (Abb. 7.79 a, b). Nach Kontrastmittelgabe kommt
Leberabszessen ein Zwerchfellhochstand rechts mit es in vielen Fällen zu einem Enhancement der ver-
begleitendem Pleuraerguss sowie ggf. Infiltrationen dickten Wand.
des basalen Unterlappens rechts. Auch auf Über-
sichtsaufnahmen des Abdomens kommt es zur Dar-
stellung eines Zwerchfellhochstands, einer Hepato-
megalie und ggf. zum Nachweis von intrahepatischen
Gasansammlungen oder Luft-Flüssigkeits-Spiegeln
in den Abszessen.
Mit den Schnittbildverfahren Sonographie, CT und
MRT stellen sich pyogene Abszesse als glatt begrenz-
te, homogene, rundliche Raumforderungen mit ver-
dickter Wandbegrenzung dar. Sonographisch kommt
ein pyogener Abszess meist echoarm mit posteriorer
Schallverstärkung zur Abbildung. Die Wand des
Abszesses ist in der Regel echoarm bis echofrei,
Septierungen sind nur gelegentlich nachweisbar.
In der CT erkennt man den pyogenen Leberabs-
zess an seiner glatten Wandbegrenzung, der hypo-
densen Binnenstruktur und der starken Kontrast-
mittelaufnahme in der Abszesswand bei fehlendem
Enhancement des Abszessinhalts („Rim-Enhance-
ment“; Abb. 7.78). Mögliche Septierungen und Gas- a
einschlüsse werden nachgewiesen. Liegt ein kom-
b c
466 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Tabelle 7.6. Klassifikation der Hydatidenzysten nach bildmor- Abb. 7.84, Abb. 7.85). Kommt es bei großen Zysten
phologischen Kriterien zu einer Kompression von intrahepatischem Gallen-
Typ Kriterien wegs- und Pfortadersystem, werden Cholestase und
portale Hypertension nachgewiesen.
I Echofreie Zyste mit Hydatidensand Mittels MRT erscheint die Zystenwand aufgrund
bei jüngeren Patienten der fibrösen Anteile als hypointenser Rand in T1-
II Zysten mit Septierung bei älteren Patienten und T2-Wichtung. Der Zysteninhalt erscheint hypo-
III Zyste mit multiplen Tochterzysten intens in T1- und hyperintens in T2-Wichtung, wobei
ohne solide Anteile in der Regel die Mutterzyste signalreicher als die
IV Heterogene Zyste mit Tochterzysten Tochterzysten zur Darstellung kommt. Im Falle einer
und partiellen soliden Anteilen flottierenden Membran im Inneren der Zyste wird
V Zyste mit zarten randständigen Verkalkungen diese ebenfalls hypointens in T1- und T2-Wichtung
abgebildet (Abb. 7.83 d). Auch eine Randverkalkung
wird signalarm in T1- und T2-Wichtung erfasst.
Hydatidensand führt zu einer inhomogenen Dar-
stellung des Zysteninhalts mit leicht hyperintensem
CAVE ! An Komplikationen treten die Infek-
tion der Zysten und die Zystenruptur
Signal in T1-Wichtung sowie leicht hypointensem
Signal in T2-Wichtung. Nach Kontrastmittelapplika-
auf. Letztere ist wegen der Aussaat der Scolices in die tion erscheinen Zystenwand und Septen deutlich sig-
Peritonealhöhle mit folgender Peritonitis besonders nalreicher.
gefürchtet. Therapeutisch stellt der perkutane Ansatz eine
Alternative bei Inoperabilität dar. Nach medikamen-
Auch ein zunehmender Ikterus ist Hinweis auf ein töser Vorbereitung mittels parasitostatischer und
fortgeschrittenes Krankheitsstadium. antibiotischer Therapie sind 2 Vorgehensweisen be-
schrieben. Im Falle kleiner Zysten ist eine Einmal-
Radiologische Symptomatik punktion einschließlich Spülung mit hypertoner
Nach dem Erscheinungsbild der Hydatidenzysten Kochsalzlösung ohne anschließende Drainage mög-
werden 5 Gruppen mit typischen Bildkriterien unter- lich. Liegt eine große Zyste vor, sollte diese mittels
schieden (Tabelle 7.6). Pigtail-Katheter entlastet und ebenfalls mit hyperto-
Auf konventionellen Übersichtsaufnahmen des Ab- ner Kochsalzlösung gespült werden. Im Falle einer
domens lassen sich lediglich randständig verkalkte drohenden Zystenruptur ist ebenfalls eine perkutane
Echinokokkuszysten sicher erkennen. Nur die voll- Drainage indiziert. Kontraindikationen für die per-
ständig verkalkte Zyste zeigt sicher das Absterben kutane Therapie bestehen bei Hydatidenzysten Typ
der Parasiten an. Sonographisch stellen sich die Zys- IV und V.
ten, abhängig von ihrer Entwicklungsstufe dar: voll-
ständig echofrei, mit zartem verkalkten Randsaum, Differenzialdiagnose
septiert oder mit multiplen Tochterzysten. Der so ge- An Differenzialdiagnosen sind alle Formen groß-
nannte „Hydatidensand“ besteht aus Scolices und zystischer Lebererkrankungen zu berücksichtigen:
Brutkapseln am Boden der Zyste (Abb. 7.83 a, b). hereditäre polyzystische Lebererkrankungen, primä-
Häufig ergibt sich auf diese Weise ein Flüssigkeits- re und sekundäre zystische Malignome der Leber,
spiegel in der Zyste. Charakteristisch ist das so ge- Abszesse, Einblutungen und die Zyste des Echino-
nannte „Wasserlilienzeichen“, das durch eine inner- coccus multilocularis.
halb der Zyste abgelöste und daher flottierende Ger-
minalmembran entsteht. Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
In der Nativ-CT erkennt man eine bis zu 5 cm gro- In der Regel wird der Befund zufällig sonographisch
ße, gut begrenzte hypodense Zyste, ggf. mit zahl- entdeckt. Zur Planung der Therapie ist ergänzend
reichen Tochterzysten, Septierung, Hydatidensand eine CT oder seltener eine MRT anzuschließen. Ist
oder randständiger Verkalkung. Nach Kontrast- eine Resektion nicht möglich oder droht eine Zysten-
mittelgabe zeigen die Zystenwand und die Septen ruptur, stellen die perkutane Punktion und Drainage
häufig ein deutliches Enhancement (Abb. 7.83 c, geeignete Therapieoptionen dar.
468 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
a b
c d
Abb. 7.83 a–d. 15-jähriger Patient mit Echinococcus-granulo- minalmembranen (Pfeil). c Kontrastverstärkte CT vor Thera-
sus-Zyste Typ I vorwiegend im rechten Leberlappen. a Sono- piebeginn mit Dokumentation zahlreicher kommunizierender
graphischer Ausgangsbefund mit Nachweis zahlreicher zysti- Zysten. d In der MRT nach Therapie in T2-Wichtung analoger
scher Läsionen, z. T. mit Darstellung von Hydatidensand Nachweis der Größe und Konfiguration der Zysten zu b. Typi-
(Pfeil). b Verlaufskontrolle nach 7 Monaten medikamentöser sches „Wasserlilienzeichen“ (Pfeil) innerhalb der hyperinten-
Therapie. Innerhalb der Zysten jetzt Darstellung gelöster Ger- sen Zyste
Abb. 7.84. 71-jähriger Patient mit Echinococcus-granulosus- Abb. 7.85. 57-jähriger Patient mit Echinococcus-granulosus-
Zyste Typ III im linken Leberlappen. In der kontrastverstärk- Zyste Typ V. In der CT nach KM-Gabe Dokumentation der
ten CT Septierung und Tochterzysten sowie schollige periphe- randständigen Verkalkungen (Pfeil) sowie vorwiegend solide
re Verkalkungen (Pfeil) Binnenareale. Generalisierte Steatosis hepatis
Differenzialdiagnose
Auszuschließen sind andere Formen der Hydatiden-
zysten, primäre und sekundäre zystisch oder semi-
liquide imponierende Tumoren der Leber und der
Gallenwege sowie der Formenkreis der hereditären
a zystischen Lebererkrankungen.
Im Erwachsenenalter sind mehr als 70% Chol- pie der Wahl der Cholelithiasis ist die Cholezystekto-
sterinsteine, etwa 20% Bilirubinsteine und etwa 10% mie im beschwerdefreien Intervall.
Mischformen bzw. Steine anderer Zusammenset-
zung. Das beim Gesunden bestehende Gleichgewicht Radiologische Symptomatik
von Gallensäuren, Cholesterin und Phospholipiden Gallensteine kommen abhängig von ihrer Zusam-
in der Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit ist bei mensetzung in der bildgebenden Diagnostik zur
der Cholelithiasis gestört. Durch das Ungleichge- Darstellung. Verkalkte Konkremente sind in über-
wicht entsteht die „lithogene“ und zur Konkrement- wiegender Anzahl Bilirubinsteine und nur in etwa
bildung führende Gallenflüssigkeit. 30% Cholesterinsteine, während nichtschattenge-
Ursächlich werden metabolische Störungen (Hy- bende Konkremente fast ausschließlich aus Cholest-
percholesterinämie, Hyperbilirubinämie), eine Stase erinsteinen und nur selten aus Bilirubinsteinen be-
im Gallenabfluss (Zystikusstein, Papillenspasmus, stehen. Cholesterinsteine und gemischte Konkre-
Gallenblasendyskinesien, Fehlbildungen des Gallen- mente bilden sich dabei in der Regel rundlich, Biliru-
wegssystems) und Entzündungen angesehen. Als binsteine polygonal ab.
prädisponierende Faktoren für die Bildung von Cho- Verkalkte Konkremente können auf konventionel-
lesterinsteinen sind nach der „5-F-Regel“ Überge- len Abdomenübersichtsaufnahmen mit hoher Sensiti-
wicht, weibliches Geschlecht im Alter über 40 Jahre vität nachgewiesen werden. Aufgrund der statisti-
bei erhaltener Gebärfähigkeit sowie blondes Haar be- schen Verteilung der Konkremente kommt den Über-
kannt („fat, female, forty, fertile, fair“). Zusätzlich gel- sichtsaufnahmen jedoch lediglich eine Gesamttreff-
ten Schwangerschaft, Einnahme von Östrogenpräpa- sicherheit von 10–15% bei der Cholelithiasis zu. Die
raten, Stoffwechselerkrankungen und familiäre Dis- Diagnose wird in der Regel zufällig gestellt.
position als Risikofaktoren. Methode der Wahl zur Diagnostik der Cholelithia-
Demgegenüber entstehen Bilirubinsteine bei er- sis ist die Sonographie, die unabhängig von der Kon-
höhter Konzentration in der Galle bedingt durch krementzusammensetzung eine Sensitivität von 91–
z. B. längere Hämolysezustände oder eine Leber- 95% bei der Cholezystolithiasis und von 22–82% bei
zirrhose. Ist der Gallenabfluss aus Gallenblase oder der Choledocholithiasis aufweist. Die Steine stel-
Ductus choledochus behindert, erfolgt eine vermehr- len sich hyperechogen mit posteriorer Schallaus-
te Wasserresorption aus der Gallenblase mit Ein- löschung dar (Abb. 7.87,Abb. 7.88). Der Nachweis von
dickung der Galle und dem Ausfällen von Kristallen,
Gries und Konkrementen. Bei Entzündungen der
Gallenblase kommt es durch einen vermehrten Über-
tritt von Kalzium in das Lumen mit erhöhter Aus-
fällung von Kalkkristallen zur nachfolgenden Stein-
bildung.
Die Cholelithiasis bei Kindern ist im Neugebore-
nenalter in der Regel hereditär und mit Fehlbildun-
gen des hepatobiliären Systems vergesellschaftet. Bei
älteren Kindern stehen Hämolyse, Stoffwechseler-
krankungen oder erst spät diagnostizierte Fehlbil-
dungen (z. B. Choledochuszyste) im Vordergrund.
Zunehmend spielen jedoch auch metabolische Grün-
de wie Hypercholesterinämie eine wichtigere Rolle.
Klinische Symptomatik
Die blande Cholelithiasis bleibt in bis zu 65% der Fäl-
le asymptomatisch und wird eher zufällig entdeckt.
Kommt es jedoch zu einem passageren oder perma-
nenten Verschluss von Ductus cysticus bzw. Ductus
choledochus, stellen sich die Patienten mit dem Bild
der Gallenkolik vor. Diese ist typischerweise durch
plötzlich einsetzende akute rechtsseitige Oberbauch-
schmerzen und ein wellenförmiges An- und Ab-
schwellen der Beschwerden mit bis zu 6 Ereignissen
pro Stunde gekennzeichnet. Weniger eindeutige Abb. 7.87. 75-jährige Patientin mit sonographisch großem
Symptome sind der linksseitige Oberbauchschmerz, verkalkten Gallenblasenkonkrement und dorsalem Schall-
der präkordiale oder epigastrische Schmerz. Thera- schatten (S)
7.4 Entzündliche Erkrankungen 473
a
a
b c
Abb. 7.93. 47-jährige Patientin mit bekannter kleinkalibriger Abb. 7.94 a, b. 81-jährige Patientin mit Zeichen der Cholezys-
Cholezystolithiasis. In der i. v.-Cholangiographie Darstellung titis bei sonographisch Cholezystolithiasis. a Der transversale
multipler wandständig verkalkter Konkremente in der Gallen- CT-Schnitt zeigt eine prall gefüllte Gallenblase mit verdickter
blase. Unauffälliges intra- und extrahepatisches Gallenwegs- Wand (Pfeil), jedoch keine Konkremente. Intrahepatische Cho-
system lestase und freie Flüssigkeit perihepatisch (F). b In der zugehö-
rigen MRT-Schicht in T2-Wichtung fat sat Nachweis von grö-
berem Gallengries am Boden der Gallenblase (Pfeil)
Abb. 7.95. 5 Monate alter Junge mit Gallenblasenhydrops bei Abb. 7.96. 32-jährige Patientin mit Gallenblasenhydrops bei
Kawasaki-Syndrom. Im B-Bild-Sonogramm neben der Auf- Infundibulumkonkrement. Die MRCP in Projektionstechnik
treibung der Gallenblase (H) deutlich verdickte Wand des dokumentiert ein großes Konkrement (Pfeil) als Ursache des
Organs (Pfeil) Gallenblasenhydrops. Unauffälliges intra- und extrahepati-
sches Gallenwegssystem
478 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Mirizzi-Syndrom
a 왔 Als Mirizzi-Syndrom wird der voll-
Definition
ständige oder partielle Verschluss des
Ductus choledochus durch ein Konkrement im Duc-
tus cysticus oder im Infundibulum der Gallenblase
bezeichnet.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Das nach seinem Erstbeschreiber 1945 benannte
Mirizzi-Syndrom entsteht bei Impaktation eines Gal-
lenblasensteins in der Pars flaccida der Gallenblase
oder im Ductus cysticus mit Kompression des Duc-
tus hepaticus communis bzw. Ductus choledochus
von rechts her. Durch die Kompression kommt es zur
Cholangitis und Pericholangitis des Ductus hepati-
cus communis sowie einer Verschlusssituation im
Ductus hepaticus communis. Bricht das inkrustierte
b Konkrement in den Ductus choledochus parallel zum
Ductus cysticus durch, entsteht eine Fistel zwischen
Abb. 7.97 a, b. 63-jährige Patientin mit Gallenblasenhydrops
bei kleinem Konkrement im Ductus cysticus. a In der MRCP Gallenblase und Hauptgallengang. Diese Situation
Darstellung des Gallenblasenhydrops (H) sowie der verdickten wird in der Literatur als Mirizzi-Syndrom Typ II bis
Wand der Gallenblase (Pfeil). b Eine etwas andere Projektion IV beschrieben (Tabelle 7.9).
der MRCP zeigt das kleine Konkrement im Ductus cysticus Als so genannte Minorvariante des Mirizzi-Syn-
(Pfeil)
droms gilt eine Kompression des Ductus hepaticus
communis bzw. Ductus choledochus durch eine ent-
zündlich aufgetriebene und dilatierte Gallenblase im
Rahmen einer Cholezystitis. Auch die Inkrustierung
eines Konkrements in einem Zystikusstumpf nach
Cholezystektomie mit nachfolgender Dilatation des
Typ Beschreibung
Klinische Symptomatik
Die Erkrankung zeigt meist unspezifische klinische
Symptome wie Fieber und rechtsseitigen Oberbauch-
schmerz. Bei vollständigem Verschluss kommt es
zur Cholestase mit Verschlussikterus. Als Therapie
der Wahl gilt die Cholezystektomie mit Präparation
des Ductus cysticus und Entfernung des inkrustier-
ten Konkrements. An Komplikationen werden der
Durchbruch des Konkrements in den Bulbus duo-
deni oder andere Abschnitte des Gastrointestinal-
trakts mit Ausbildung einer bilioenteralen Fistel
beobachtet.
a
Radiologische Symptomatik
Sonographisch stellt sich das Gallenwegssystem kra-
nial des Verschlusses dilatiert dar, das Konkrement
kann im Infundibulum der Gallenblase bzw. im Duc-
tus cysticus nachgewiesen werden. Auch in der CT
lässt sich die durch den Verschluss bedingte intra-
und extrahepatische Cholestase erkennen. Insbeson-
dere in koronaren und parakoronaren Sekundär-
rekonstruktionen aus MSCT-Datensätzen gelingt der
direkte Konkrementnachweis.
Mittels MRCP wird das eingeklemmte Konkre-
ment als hypointense Füllungsaussparung bei dila- b
tiertem hyperintensen Gallenwegssystem kranial des
Verschlusses direkt dargestellt (Abb. 7.99 a). Die zu- Abb. 7.99 a, b. 80-jähriger Patient mit bekannter Cholelithiasis
sätzlich angefertigten transversalen Bilder in T2- und plötzlich einsetzendem schmerzhaftem Ikterus bei Miriz-
zi-Syndrom Typ I. a MRCP mit direkter Darstellung des kom-
Wichtung lassen eine exakte Lokalisation des Kon- primierenden Konkrements (Pfeil) im Ductus cysticus (DZ),
krements unter zusätzlicher Dokumentation beglei- Dilatation des Ductus hepaticus communis (DH) und auch des
tender entzündlicher Gallenblasenveränderungen distalen Ductus choledochus. b MRT axial in T2-Wichtung mit
(Wandverdickung, hyperintense Flüssigkeit im Gal- Fettsättigung. Darstellung eines zusätzlichen präpapillären
Konkrements im distalen Ductus choledochus (Pfeil)
lenblasenbett) zu (Abb. 7.99 b). Analog findet sich
auch bei der direkten Darstellung durch ERC/PTC
eine Füllungsaussparung im Ductus choledochus. Differenzialdiagnose
Bei der ERC werden die kranial des Verschlusses er- Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind der Zysti-
weiterten Gallengänge häufig ebenso wenig wie die kusstein ohne Dilatation des Ductus choledochus,
Gallenblase kontrastiert. Mittels PTC gelingt die Dar- das Gallenblasenkarzinom, cholangioläre Karzinome
stellung der erweiterten Gallengänge und des Ductus des Ductus choledochus und eine Kompression des
choledochus bis zum Verschluss ohne Kontrastie- Ductus choledochus von außen durch vergrößerte
rung des distalen Ductus choledochus und der Gal- Lymphknoten im Leberhilus.
lenblase.
Intravenöse Cholangiographie und nuklearmedizi- Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
nische Verfahren haben heute in der Routinediagnos- Auch beim Mirizzi-Syndrom ist die Sonographie die
tik keine Bedeutung mehr. Werden sie aus anderen Untersuchungsmethode der ersten Wahl. Zum Aus-
Gründen durchgeführt, zeigen sich die ausgeschalte- schluss anderer Ursachen des extrahepatischen Ver-
te Gallenblase und eine Dilatation der Gallengänge schlussikterus muss eine weitere Abklärung mittels
kranial des Verschlusses. MRT mit MRCP oder CT erfolgen. Nur selten ist eine
ergänzende ERC/PTC aus diagnostischen Gründen
erforderlich.
480 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
a c
Abb. 7.102 a–c. 52-jähriger Patient mit metastasierendem Gabe mit Darstellung eines Gallenblasenhydrops (Pfeil). Über-
Magenkarzinom und Infiltration in Gallenwege und Kolon. lappende Metallstents im Ductus choledochus. b Aufgrund In-
Zustand nach palliativer Stentimplantation im Ductus chole- operabilität Punktion der Gallenblase transhepatisch mit Aspi-
dochus mit Ausschalten der Gallenblase und nachfolgender ration von infizierter Gallenflüssigkeit. c Nach Einlage einer
akuter Cholezystitis ohne Cholezystolithiasis. a Koronare Se- Pigtail-Drainage (perkutane Cholezystostomie) weitgehende
kundärrekonstruktion aus einem MSCT-Datensatz nach KM- Entleerung der Gallenblase
Emphysematöse Cholezystitis
왔 Die emphysematöse Cholezystitis ist
Definition
eine Komplikation der akuten Chole-
zystitis durch Ischämie in der Gallenblasenwand und
Superinfektion mit gasbildenden Bakterien.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Als Komplikation im Rahmen der akuten Cholezysti-
tis kommt es zu einem Verschluss der kleinen Seiten-
äste der A. cystica mit nachfolgender Ischämie der
Gallenblasenwand. Die Superinfektion mit gasbil-
denden Bakterien, insbesondere Clostridien und
E. coli bedingt eine emphysematöse Cholezystitis. Sie
wird bei Cholezystitiden mit und ohne Steinleiden
beobachtet, tritt bevorzugt bei älteren Patienten, bei
Männern 5-mal so häufig wie bei Frauen, und beson-
ders bei Patienten mit Diabetes mellitus auf. Die Mor-
talität beträgt 15%. Als weiterführende Komplikatio-
nen sind die gangränöse Cholezystitis in bis zu 75%
und die Gallenblasenperforation in bis zu 20% be- Abb. 7.103. 56-jährige Patientin mit akut einsetzenden rechts-
schrieben. seitigen Oberbauchbeschwerden. Abdomenübersichtsaufnah-
me mit Nachweis von Luft in der Gallenblasenwand (Pfeil) so-
wie einem Luftflüssigkeitsspiegel bei emphysematöser Chole-
Klinische Symptomatik zystitis
Die emphysematöse Cholezystitis stellt sich klinisch
als akut einsetzende Verschlechterung des Allge-
meinzustandes des Patienten dar. Dabei reicht die
Symptomatik von deutlich erhöhten Entzündungs- Intravenöse Cholangiographie und nuklearmedizi-
zeichen, Fieber, abdominellen Schmerzen bis zum nische Verfahren haben keine Bedeutung zur weite-
Schockzustand. ren Differenzierung einer Cholezystitis.
Die perkutane Cholezystostomie stellt bei der
Radiologische Symptomatik emphysematösen Cholezystitis wegen der auch nach
Methode der ersten Wahl zum Nachweis einer em- Intervention verbleibenden Perforationsgefahr pri-
physematösen Cholezystitis ist die konventionelle mär keine Indikation dar.
Abdomenübersichtsaufnahme in 2 Ebenen. Dabei zei-
gen sich linienförmige Aufhellungen in der Gallen- Differenzialdiagnose
blasenwand, Luft-Flüssigkeits-Spiegel in der Gallen- Gegen die emphysematöse Cholezystitis sind gasbil-
blase selbst und in seltenen Fällen eine Aerobilie dende Entzündungen der umgebenden Organsyste-
(Abb. 7.103). me wie Appendizitiden, periduodenale Abszesse,
In der Sonographie finden sich bogenförmige Leberabszesse und enterale Fisteln abzugrenzen.
echoreiche Signale in der Gallenblasenwand bei Eine wichtige Differenzialdiagnose ist auch die Gal-
deutlich vergrößertem Organ. Der direkte Luftnach- lenblasenperforation. Maligne Tumoren der Gallen-
weis gelingt auch mit der CT in hochsensitiver Weise. blase und der Gallenwege scheiden in der Regel auf-
Dabei wird häufig zusätzlich Luft in den intrahepati- grund des Luftnachweises in der Gallenblasenwand
schen Gallenwegen durch die aufsteigende Infektion aus.
nachgewiesen. Ein Gasnachweis im Ductus choledo-
chus ist normalerweise nicht zu führen. Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Eine Indikation zur MRT mit MRCP besteht nur Zur Diagnose einer emphysematösen Cholezystitis
bei vorliegendem Verdacht auf eine Choledocholithi- werden primär die konventionellen Abdomenüber-
asis. Die Differenzierung von Gas in der Gallen- sichtsaufnahmen in 2 Ebenen und die CT herangezo-
blasenwand ist mittels MRT problematisch. Auch gen. Mittels Sonographie gelingt der Luftnachweis in
ERC/PTC werden ausschließlich unter therapeuti- der Gallenblasenwand nicht ausreichend sicher. Zum
schen Gesichtspunkten beim Vorliegen von Gallen- Ausschluss intraduktaler Konkremente werden ggf.
gangskonkrementen durchgeführt. eine ergänzende MRT mit MRCP und therapeutisch
die ERC/PTC zusätzlich erforderlich.
484 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Gangränöse Cholezystitis
왔 Die gangränöse Cholezystitis ist eine
Definition
Komplikation der akuten Cholezysti-
tis bzw. der emphysematösen Cholezystitis mit Ne-
krose der Gallenblasenwand und Ausbildung von
Mikroabszessen.
Gallenblasenempyem
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Ein Gallenblasenempyem entsteht in der Regel auf
dem Boden eines Gallenblasenhydrops. Es ist somit
eine Komplikation einer primär blanden Cholezysto-
lithiasis, einer durch Steinverlagerung komplizierten
Cholezystolithiasis bzw. einer akuten oder chroni-
a
schen Cholezystitis. Die Erreger entstammen in der
Regel dem Gastrointestinaltrakt und sind über-
wiegend E. coli oder Klebsiellen. In der statischen
Gallenflüssigkeit kommt es dabei zu einer raschen
Vermehrung der Bakterien.
Klinische Symptomatik
Die schwerkranken Patienten mit Gallenblasenem-
pyem klagen über starke rechtsseitige Oberbauchbe-
schwerden mit Druckdolenz und Abwehrspannung.
Dabei zeigen sie hohes Fieber und stark erhöhte Ent-
zündungszeichen.
Radiologische Symptomatik
b Sonographisch wird eine deutlich vergrößerte Gal-
lenblase mit vermehrt hyperreflexivem Inhalt doku-
mentiert. Dabei kann häufig ein Schichtungsphäno-
men nachgewiesen werden, da sich nekrotisches
Material, Gallenflüssigkeit und Eiter aufgrund des
unterschiedlichen spezifischen Gewichts trennen.
Die Wand der Gallenblase kann, abhängig von der
Grunderkrankung, verdickt, dreigeschichtet oder
normal sein.
In der CT kommt die vergrößerte Gallenblase
meist mit verdickter und hyperdenser Wand zur Dar-
stellung. Die Dichtemessung des Gallenblaseninhalts
kann zwar in einzelnen Fällen durch die nachweis-
bare Hyperdensität einen differenzialdiagnostischen
Hinweis geben, ist jedoch nicht beweisend für Eiter in
c der Gallenblase. Analog zur Sonographie lassen sich
gelegentlich ein Schichtungsphänomen des Gallen-
Abb. 7.107 a–c. 72-jähriger Patient mit Zustand nach multi- blaseninhalts und Lufteinschlüsse erkennen. Zusätz-
plen Laparotomien bei metastasierendem Kolonkarzinom in
der rechten Flexur. Klinisch Verdacht auf Cholezystitis. a In der
lich zeigen sich entzündliche Injektionen des umge-
transversalen CT-Schicht Dreischichtung der Gallenblasen- benden Fettgewebes und Flüssigkeit im Gallenbla-
wand bei Cholezystitis sowie Luft als Nachweis einer Gallen- senbett (Abb. 7.108).
blasenperforation (Pfeil). b Aufgrund der Inoperabilität perku- Auch mittels MRT wird eine vergrößerte und ver-
tane Drainage der perihepatischen Flüssigkeit mit weitgehen-
der Entleerung. c Zur Kontrolluntersuchung nach 10 Tagen An-
mehrt gefüllte Gallenblase ggf. mit Schichtungs-
spritzen der noch liegenden Drainage. Der KM-Nachweis phänomen beim Empyem nachgewiesen. Die Analy-
ventral und in der Gallenblase dokumentiert die weiterhin be- se der Signalintensitäten des Gallenblaseninhalts ist
stehende Perforation (Pfeile) bei Hyperintensität ebenso wie in der CT lediglich
hinweisend für die Diagnose. Ebenso lassen sich die
pericholezystitischen Veränderungen durch hyper-
488 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Chronische Cholezystitis
왔 Eine chronisch bestehende oder rezi-
Definition
Abb. 7.108. 90-jährige Patientin mit akut einsetzenden rechts- divierend auftretende Entzündung
seitigen Oberbauchbeschwerden, hohem Fieber und hohen der Gallenblase mit oder ohne Steinleiden wird als
Entzündungszeichen. In der koronaren Sekundärrekonstruk- chronische Cholezystitis bezeichnet.
tion aus einem MSCT-Datensatz Nachweis eines Gallenblasen-
empyems (E) mit Lufteinschlüssen in der Gallenblase sowie
freier Luft (Pfeil) bei Gallenblasenperforation. Perihepatischer Pathologisch-anatomische
Aszites und ätiologische Grundlagen
Rezidivierende Schübe einer akuten Gallenblasen-
entzündung gelten als prädisponierend für die Ent-
intense Veränderungen bzw. vermehrtes Kontrast- wicklung einer chronischen Cholezystitis. In den
mittel-Enhancement des umgebenden Gewebes do- meisten Fällen liegt ein Gallensteinleiden ursächlich
kumentieren. zugrunde. In Operationspräparaten nach Cholezyst-
Die direkten Methoden der Gallenwegsdarstellung ektomie finden sich 7-mal mehr chronische als akute
haben ebenso wie nuklearmedizinische Verfahren Cholezystitiden oder chronische Verläufe mit akutem
keine routinemäßige Bedeutung beim Gallenblasen- Schub. Bei etwa 5% aller Fälle von chronischen Cho-
empyem. In einzelnen Fällen stellt die perkutane lezystitiden handelt es sich um Entzündungen der
Cholezystostomie eine Therapievariante zur Chole- Gallenblase ohne Konkremente. Ursächlich werden
zystektomie dar (s. Abschn.„Akute Cholezystitis“) hierbei neben der infektiösen Genese auch Anoma-
lien des Gallenwegssystems, frühere Gallensteinlei-
Differenzialdiagnose den und systemische Erkrankungen wie Diabetes
Da die Größe der Gallenblase patientenindividuell ei- mellitus und Kollagenosen diskutiert. Dies führt da-
ne weite Bandbreite aufweist, müssen andere Ursa- zu, dass das entzündliche Geschehen bei längerem
chen der Gallenblasendilatation, wie z. B. längere Krankheitsverlauf auf die Gallengänge übergreift
Nüchternperioden, Diabetes mellitus, Obstruktion und neben der chronischen Cholezystitis auch eine
der Gallenwege, Mirizzi-Syndrom und maligne Er- chronische Begleitcholangitis bewirkt. Zur Therapie
krankungen des Gallenwegs- und Pankreasgang- der chronischen Cholezystitis wird die Cholezyst-
systems differenzialdiagnostisch erwogen werden. ektomie angestrebt.
Insbesondere die Unterscheidung eines blanden Gal-
lenblasenhydrops von einem Gallenblasenempyem Klinische Symptomatik
ist mittels bildgebender Verfahren allein häufig nicht Klinisch stellen sich die Patienten bei chronischen
sicher möglich. Cholezystitiden mit rezidivierenden Schüben akuter
Gallenblasenentzündungen, kolikartigen rechtsseiti-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie gen Oberbauchbeschwerden, Unwohlsein, Erbrechen
Neben der primär durchgeführten Sonographie und Fieber vor. Bei chronischen Cholezystitiden
kommen, vor allem zur Dokumentation des Aus- ohne Gallensteinleiden kommen jedoch auch unspe-
maßes pericholezystitischer Begleitentzündungen, zifische klinische Symptome vor, die nicht in allen
die CT, seltener die MRT zum Einsatz. In Einzelfällen Fällen auf ein pathologisches Geschehen im Bereich
erfolgt die Therapie über eine perkutane Cholezys- der Gallenblase hindeuten.
tostomie.
7.4 Entzündliche Erkrankungen 489
Porzellangallenblase
왔 Als Porzellangallenblase wird eine
Definition
teilweise oder vollständige Kalzifizie-
rung der Gallenblasenwand bezeichnet. Der Begriff
leitet sich von der makropathologischen Beschrei-
Abb. 7.109. 68-jähriger Patient mit rezidivierenden Cholezys-
titiden bei Cholelithiasis. In der CT Nachweis einer kleinen, ge-
bung des bläulich-weißen, porzellanähnlichen Er-
ringlumigen Gallenblase mit verdickter Wand (Pfeil). Diese scheinungsbildes des Resektionspräparates ab.
zeigt ein deutlich vermehrtes KM-Enhancement
490 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Histologisch werden 2 Verkalkungsformen unter-
schieden:
∑ zum einen die Ansammlung plaqueartiger Verkal-
kungen in der Muskularis,
∑ zum anderen punktförmige Verkalkungen in der
Mukosa der Gallenblasenwand.
Ursächlich werden für die Porzellangallenblase chro-
nische Cholezystitiden, Störungen der Kalksalzre-
sorption und temporäre Verschlüsse des Ductus
cysticus angesehen. Der Befund wird in etwa 1%
aller Cholezystektomien mit einer deutlichen Be-
vorzugung des weiblichen Geschlechts beobachtet.
Über ein erhöhtes Risiko zur Ausbildung eines Gal-
lenblasenkarzinoms bei Vorliegen einer Porzellan-
gallenblase wird seit langem diskutiert. Während
frühere retrospektive Arbeiten mit Daten aus den
Jahren 1950–1960 das Risiko auf 20–60% bezifferten,
sprechen neuere Arbeiten von höchstens 0,5%. Dabei
soll das Karzinomrisiko von der Form der Ver-
kalkung abhängen. Bei intramuraler Verkalkung
besteht kein Risiko der malignen Entartung, bei Ver- Abb. 7.110. 82-jähriger Patient mit Papillensklerose. Zufalls-
kalkungen der Mukosa dagegen ist das Karzinom- befund einer Porzellangallenblase (Pfeil)
risiko signifikant erhöht. Als Ursache der erhöhten
Karzinomhäufigkeit wird die Ausbildung eines Kar-
zinogens in der statischen Gallenflüssigkeit angese-
hen. Andererseits zeigen nur wenige der operierten blasensteinen kommen und die eine Differenzierung
Gallenblasenkarzinome auch die Zeichen der Porzel- zur Wandverkalkung erlauben.
langallenblase. In der CT weisen die feine Verdickung und die Kal-
zifizierung der Gallenblasenwand auf die Diagnose
Klinische Symptomatik hin. Diese können nativ und nach Kontrastmittel-
Spezielle klinische Symptome werden bei der Porzel- gabe nachgewiesen werden. Eine Differenzierung
langallenblase nicht beobachtet. Eine Cholezystekto- der plaquefömigen und der punktförmigen Verkal-
mie ist bei klinisch manifester chronischer Cholezys- kungsart ist möglich.
titis und wegen des erhöhten Karzinomrisikos ange- Durch die Kalkeinlagerungen kommt es in der
zeigt. MRT sowohl in T1- als auch in T2-Wichtung zu zar-
ten, linienförmigen Auslöschungen in der Gallen-
Radiologische Symptomatik blasenwand, die als Hinweis auf eine Porzellangallen-
Die Diagnose einer Porzellangallenblase geschieht blase dienen können. Die Sensitivität ist gegenüber
aufgrund der fehlenden klinischen Symptomatik in der CT jedoch deutlich niedriger.
der Regel zufällig im Rahmen der Abklärung einer Werden eine intravenöse Cholangiographie oder
Gallenblasenerkrankung. Auf der konventionellen eine hepatobiliäre Funktionsszintigraphie durchge-
Abdomenübersichtsaufnahme kann der Befund an- führt, findet sich in der Regel eine funktionslose Gal-
hand der schalen- oder punktförmigen Verkalkun- lenblase. Bei der ERCP kommt es meist zu keinem
gen sicher erhoben werden. In selten Fällen gelingt Kontrastmittelübertritt in die Gallenblase. In den
dies auch auf konventionellen Thoraxaufnahmen. Röntgenverfahren lassen sich zusätzlich die Verkal-
Im Sonogramm zeigt sich die verkalkte Wand an- kungen direkt nachweisen (Abb. 7.110).
hand der typischen Schallauslöschung. Allerdings
kann auch durch steingefüllte oder stark kontrahier- Differenzialdiagnose
te Gallenblasen das Bild einer Porzellangallenblase Von der Porzellangallenblase abzugrenzen sind gro-
vorgetäuscht werden. Eine Unterscheidung ist durch ße Gallenblasensteine, das Gallenblasenkarzinom
das „wall-echo-sign“ möglich. Dabei erkennt man und ggf. abgeschwemmte Embolisate in der Gallen-
linienförmige Echogenitätserhöhungen, die von un- blasenwand nach Chemoembolisation eines malig-
mittelbar der Gallenblasenwand anliegenden Gallen- nen Lebertumors.
7.4 Entzündliche Erkrankungen 491
Kalkmilchgalle
왔 Mit Kalkmilchgalle wird eine Ausfäl- Abb. 7.111. 69-jährige Patientin in reduziertem Allgemeinzu-
Definition stand und unter Behandlung auf Intensivstation. In der i. v.-
lung von kalziumhaltigen Präzipita-
Cholangiographie Darstellung von Kalkpräzipitaten am Bo-
ten in der Gallenflüssigkeit beschrieben. Sie wird aus- den der Gallenblase im Sinne von Kalkmilchgalle. Sedimentie-
schließlich in der Gallenblase nachgewiesen. rung gegenüber der kontrastierten Gallenflüssigkeit (Pfeil)
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die Ausfällungen in der Gallenflüssigkeit enthalten
Kalziumkarbonat, Kalziumphosphat und/oder Kalzi-
umbilirubinat und liegen als Suspension vor. Abhän- beobachtet. Gleiches kann auch bei ERC/PTC und
gig vom Gehalt an kalziumhaltigen Präzipitaten der intravenösen Cholangiographie erkannt werden
reicht die Viskosität der Gallenflüssigkeit von milch- (Abb. 7.111). Funktionell ist die Gallenblase wegen
artig bis pastös. Die Gallenblasenwand kann verdickt des Zystikusverschlusses in der Regel stumm mit
sein, ist jedoch zumeist bildgebend unauffällig. Als fehlender Darstellung in den direkten Verfahren der
Ursache gilt ein Verschluss des Ductus cysticus mit Gallenwegsdarstellung und der hepatobiliären Funk-
Stase der Gallenflüssigkeit in der Gallenblase. Zur tionsszintigraphie.
Entstehung der Kalkmilchgalle kommt es auf dem Sonographisch zeigt sich die Gallenblase mit nor-
Boden einer infektiösen Cholezystitis. Die Inzidenz maler oder gering verdickter Wand, gemischter
beträgt 0,27% im Krankengut der Cholezystekto- Echogenität des Gallenblaseninhalts, deutlichen dor-
mien. salen Schallauslöschungen und dem Nachweis von
Sludge, ggf. auch Konkrementen. In der CT wird,
Klinische Symptomatik neben der möglichen Verdickung der Gallenblasen-
Die klinische Symptomatik richtet sich nach der wand, die ausgefällte kalziumhaltige Suspension
Akuität der zugrunde liegenden Cholezystitis. direkt als stark hyperdense Formation in der Gallen-
Beobachtet werden rechtsseitige Oberbauchschmer- blase nachgewiesen. Zusätzlich kann, insbesondere
zen, häufig jedoch auch unspezifische Beschwerden in der sagittalen Sekundärrekonstruktion, eine
oder klinisch stumme Verläufe. Schichtung der Flüssigkeit in der Gallenblase erkenn-
bar sein.
Radiologische Symptomatik In der MRT stellen sich die kalziumhaltigen Aus-
Auf konventionellen Abdomenübersichtsaufnahmen fällungen in T1- und T2-Wichtung hypointens dar.
lassen sich die kalziumhaltigen Ausfällungen in der Eine Verdickung der Gallenblasenwand und eine
Gallenblase zuverlässig nachweisen. Zusätzlich wird Schichtung des Gallenblaseninhalts werden gelegent-
eine Schichtung der Flüssigkeiten in der Gallenblase lich beobachtet.
492 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Der Gallensteinileus macht 0,5–5% der intestinalen
Verschlüsse aus. Die Erkrankung ist eine seltene
Komplikation inkrustierter Gallenblasenkonkre-
mente und der chronischen Cholezystitis (<1%). Bei
90% der betroffenen Patienten ist bereits im Vorfeld
eine Cholelithiasis bekannt. Das Risiko für einen Gal-
lensteinileus steigt mit zunehmendem Alter deutlich
an.
Häufigster Eintrittspunkt des aus der Gallenblase
Abb. 7.112. 76-jährige Patientin mit ektoper KM-Ausschei- in den Gastrointestinaltrakt durchwandernden Kon-
dung über die Gallenblase nach vorausgegangener CT-Unter-
suchung (Kranium) am Vortag. In der koronaren Sekundär- krements ist in etwa 50–80% das Duodenum. Aber
rekonstruktion aus einem MSCT-Datensatz annähernd homo- auch Kolon, Magen und Dünndarm können als Wie-
gene Kontrastierung der Gallenflüssigkeit in der Gallenblase dereintrittspforte dienen. Lediglich Konkremente
(Pfeil) von mindestens 20 mm führen jedoch zu einer Ob-
struktion des Gastrointestinaltrakts, insbesondere an
den physiologischen Engen der einzelnen Abschnit-
Differenzialdiagnose te. Hierzu zählen die Pars transversa duodeni, die
Von der Kalkmilchgalle müssen vor allem ektope Flexura duodenojejunalis, die Ileozökalklappe sowie
Kontrastmittelausscheidungen, die sich in der Regel der deszendosigmoidale und der sigmorektale Über-
ohne Spiegelbildungen darstellen, unterschieden gang. Eine Penetration in den Bulbus duodeni wird
werden (Abb. 7.112). Weiterhin sind Sludge in der als Bouveret-Syndrom bezeichnet. Zum Darmver-
Gallenblase, Einblutungen sowie das Gallenblasen- schluss kann es auch durch einen großen Gallenstein
karzinom abzugrenzen. (>2,5 cm) nach einem Spontanabgang mit Perfora-
tion aus dem Ductus choledochus über die Papille ins
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Duodenum oder nach Papillotomie bzw. Steinextrak-
Die Diagnose von Kalkmilchgalle wird zufällig ge- tion kommen. Die häufigste Obstruktionsstelle ist
stellt. Geeignet zum Nachweis sind konventionelle dann das terminale Ileum.
Abdomenübersichtsaufnahmen in 2 Ebenen, die Über die im Rahmen der Durchwanderung entste-
Nativaufnahmen von ERC/PTC und intravenöser hende biliär-enterale Fistel kommt es zu einer konse-
Cholangiographie, die Sonographie und die CT. Auch kutiven aszendierenden akuten Cholangitis durch
mittels MRT kann die Diagnose gestellt werden, falls Besiedelung des ableitenden Gallenwegssytems mit
das Verfahren aus anderen Gründen zum Einsatz Darmkeimen. Seltenere Gründe für eine biliär-ente-
kommt. rale Fistel sind nach dorsal in den Ductus choledo-
chus perforierte Duodenalulzera oder in den Gastro-
Merke ! Als Kalkmilchgalle werden kalzium-
haltige Ausfällungen in der Gallen-
intestinaltrakt einbrechende Tumoren von Gallen-
blase und Gallenwegen mit nachfolgender Cholangi-
flüssigkeit durch Zystikusverschluss auf dem Boden tis.
einer infektiösen Cholezystitis bezeichnet. Die Dia-
gnose wird zufällig gestellt und kann mit allen bild- Klinische Symptomatik
gebenden Verfahren erfolgen. Abzugrenzen sind die Neben den Symptomen des Darmverschlusses wie
ektope Kontrastmittelausscheidung, Gallenblasen- Übelkeit, Erbrechen, Fieber und aufgetriebenes Ab-
sludge und das Gallenblasenkarzinom. domen werden rezidivierende kolikartige abdomi-
nelle Beschwerden beobachtet. Im Falle des Bouveret-
Gallensteinileus/biliär-enterale Fisteln Syndroms steht die Magenausgangsstenose im Vor-
dergrund. Nach dem Durchbruch des Konkrements
왔 Als Gallensteinileus wird eine mecha- tritt nach heftigsten Oberbauchbeschwerden eine
Definition
nische Obstruktion des Gastrointesti- kurzzeitige Phase der Schmerzlinderung ein, gefolgt
naltrakts nach Durchwanderung und Durchbruch von klinischen Zeichen der Peritonitis und des
eines großen Gallenkonkrements in den Darm be- Darmverschlusses sowie der aufsteigenden Cholan-
zeichnet. Mit der Durchwanderung entsteht eine gitis.
7.4 Entzündliche Erkrankungen 493
Radiologische Symptomatik
Auf konventionellen Abdomenübersichtsaufnahmen
ist die Rigler-Trias (Dünndarmileus, Aerobilie,
ektoper Gallensteinnachweis) hinweisend auf einen
Gallensteinileus und kann in etwa 10% für eine Dia-
gnosestellung verwendet werden. Auch eine Verlage-
b
rung von bereits früher diagnostizierten Gallenstei-
nen ermöglicht, in Zusammenhang mit der Ileus-
symptomatik, die Diagnose.
Mittels CT kann der Gallenstein als Ursache eines
mechanischen Darmverschlusses direkt dargestellt
werden. Zusätzlich werden die Aerobilie und Beglei-
treaktionen der Perforation wie perihepatischer
Aszites und freie intraabdominelle Luft nachgewie-
sen (Abb. 7.113 a–c).
Beim Bouveret-Syndrom lassen sich sowohl in den
Abdomenübersichtsaufnahmen als auch in der CT ein
Verschluss im Sinne einer Ausgangsstenose mit ver-
mehrtem Flüssigkeitsgehalt des Magens, einer Aero-
bilie, fehlendem Dünndarmileus und ein Gallenkon-
krement im Bulbus duodeni nachweisen. Besteht die
Fistel zwischen oberem Gastrointestinaltrakt und
Gallenwegssystem nach der Perforation fort, lässt
sich diese gelegentlich auch nach oraler Kontrastmit-
telgabe direkt darstellen (Abb. 7.114).
Andere bildgebende Verfahren wie Sonographie
und MRT kommen lediglich in Ausnahmefällen zur c
Anwendung.
494 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
7.4.2.3
Entzündliche Erkrankungen der Gallenwege
Bei den entzündlichen Erkrankungen der Gallenwe-
ge werden eine akute Form und chronische Formen
unterschieden. Die akute Entzündung der Gallen-
wege ist die akut-obstruktive oder aszendierende
Cholangitis. Zu den chronischen Formen zählen
neben der rezidivierenden pyogenen Cholangitis
(RPC), der parasitäre Befall der Gallenwege, die Aids-
assoziierte und Chemotherapie-induzierte Cholangi-
tis, die PSC, die sekundär sklerosierende Cholangitis
(SSC) und die PBC. Zusätzlich kommen umschriebe-
ne entzündliche Veränderungen der Papille vor.
Akut-obstruierende Cholangitis/aszendierende
Cholangitis
왔 Die akute Cholangitis ist Folge eines
Definition
plötzlichen Verschlusses der ableiten-
den Gallenwege mit aszendierender Infektion der
Abb. 7.114. 71-jährige Patientin nach Gallensteinperforation. Wand der Gallengänge aufgrund der Stase der Gal-
Nach oraler Gabe von jodhaltigem wasserlöslichen Kontrast-
mittel sofortiger Übertritt (Pfeil) am Bulbus duodeni in den lenflüssigkeit. Die Höhe der akuten Obstruktion
Ductus hepaticus communis als Nachweis des Fortbestehens kann dabei intra- und extrahepatisch sein.
der biliär-enteralen Fistel
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Intrahepatische Obstruktionen der ableitenden Gal-
Differenzialdiagnose lenwege mit akut einsetzender Cholangitis entstehen
Wichtigste Differenzialdiagnosen mit, vor allem in durch intrahepatische Gallensteine bzw. intrahepati-
der CT, vergleichbarer Morphologie sind die Pseu- sche Gallensedimente im Rahmen der Cholelithiasis.
doobstruktion, die Mesenterialischämie, Tumoren Auch das Endstadium primärer biliärer Tumoren
des Dünn- und Dickdarms und „verlorene“ intraab- (CCC) sowie primärer und sekundärer Tumoren der
dominelle Gallensteine nach laparoskopischer Cho- Leber mit Kompression des biliären Systems von
lezystektomie. außen stellen einen akuten Verschluss der intrahepa-
tischen Gallenwege dar.
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Der akuten extrahepatischen Gallenwegsobstruk-
Bei Patienten mit Ileussymptomatik sollten primär tion liegt in der Regel ein okkludierendes Konkre-
konventionelle Abdomenübersichtsaufnahmen in ment in unterschiedlichen Höhen des Ductus hepati-
2 Ebenen erfolgen. Zur exakteren Lokalisation des cus communis bzw. Ductus choledochus zugrunde.
Verschlusses und zur Sicherung der Diagnose eines Ursächlich sind dabei primär Gallenblasenkonkre-
Gallensteinileus ist die CT in der Regel zu ergänzen. mente und ihre Komplikationen (Mirizzi-Syndrom,
Gallensteinileus, biliär-enterale Fisteln).Auch die Im-
Merke ! Der Gallensteinileus entsteht durch
Dislokation und Einklemmung eines
paktation eines Gallenkonkrements oder -konkre-
mentkonglomerats im Ductus choledochus führt zur
Gallenkonkrements im Dünndarm oder Duodenum akut einsetzenden Cholangitis. Gleiches gilt für pri-
(Bouveret-Syndrom) als Komplikation der chroni- märe und sekundäre Tumoren des extrahepatischen
schen Cholezystitis. Die Diagnose wird durch kon- Gallenwegssystems (Papillome, CCC). Brechen extra-
ventionelle Abdomenübersichtsaufnahmen und CT biliäre Tumoren der umgebenden Organstrukturen
gestellt. Hinweisend für die Diagnose sind eine Dila- (z. B. Pankreas, Magen, Duodenum, Kolon, Leber) in
tation des betroffenen Darmabschnitts, eine Aero- das extrahepatische Gallenwegssytem ein oder kom-
bilie und der Nachweis eines ektopen Gallenkonkre- primieren es, entsteht ebenfalls eine akute Cholangi-
ments. Aufgrund des Entstehungsmechanismus ist tis.
die Mortalität, auch bei rascher Diagnosestellung, Die akute Cholangitis tritt mit ausgeglichener
hoch. Wichtigste Differenzialdiagnosen sind andere Geschlechtsverteilung im Alter von 20–55 Jahren auf.
Ursachen der Darmobstruktion wie Mesenteriali- Sie kann pyogen und nichtpyogen vorkommen. Als
schämie, Pseudoobstruktion oder Darmtumoren. Infektionsursache gelten gramnegative Enterobakte-
7.4 Entzündliche Erkrankungen 495
Klinische Symptomatik
Kommt es zur akuten Cholangitis, finden sich häufig
die Symptome der Charcot-Trias mit rechtsseitigem
Oberbauchschmerz, Fieber und Ikterus. Besonders
charakteristisch ist das plötzliche Einsetzen heftig-
ster Entzündungszeichen mit Fieber und Leukozyto-
se. Liegen dem akuten Verschluss maligne Ursachen
zugrunde, überwiegen ggf. deren klinische Sympto-
me, wie etwa bei der Pankreatitis, dem Pankreaskar-
zinom oder nach intrabiliär einbrechenden Leber-
metastasen.
Als Komplikation gelten die Septikämie, die Aus-
bildung von Leberabszessen und die Entwicklung
einer SSC.
Therapeutisch steht die Entlastung des obstruier- Abb. 7.115. 68-jähriger Patient mit bekannter Cholelithiasis
ten Gallenwegssystems im Vordergrund. Diese kann und klinischen Zeichen der Cholangitis. In der MRCP Nach-
operativ, endoskopisch oder perkutan erfolgen. Ist weis zahlreicher intra- und extraheptischer Gangkonkremen-
te (Pfeile) sowie unscharfer Wandbegrenzung bei Cholangitis
ein kurativer Ansatz möglich, sollte mit der Drainage
gleichzeitig die Ursache der Obstruktion beseitigt
werden. Kann lediglich ein palliatives Therapiekon-
zept verfolgt werden, wird zunächst eine Entlastung ist insbesondere periportal nachweisbar. Im Falle
der akuten Entzündungssituation durch Drainage einer pyogenen Cholangitis stellt sich die eitrige Gal-
angestrebt. Anschließend kann ggf. eine langfristige lenflüssigkeit leicht hyperdens im dilatierten Gallen-
Drainage bzw. Stenteinlage erfolgen. wegssystem dar. Zudem werden die Ursachen der
Gallenwegsentzündung erfasst: eine mögliche Per-
Radiologische Symptomatik foration, die Lokalisation des inkrustierten Kon-
Häufig treten die radiologisch fassbaren Kriterien krements wie beim Mirizzi-Syndrom, der Ort des
der akuten Cholangitis deutlich später auf als die kli- Darmverschlusses beim Gallensteinileus, mögliche
nische Symptomatik. Durch die bildgebende Dia- biliär-enterale Fisteln sowie extrabiliäre Ursachen
gnostik soll neben dem Nachweis der Abflussproble- bei Kompression des ableitenden Gallenwegssystems
matik auch deren Ursache geklärt werden. durch Tumoren der umgebenden Organe. Vorteilhaft
Konventionelle Abdomenübersichtsaufnahmen in sind hier wiederum Sekundärrekonstruktionen aus
2 Ebenen erlauben im Falle gasbildender Erreger ei- MSCT-Datensätzen.
ner Cholangitis den Nachweis einer Aerobilie. Auch Die MRT mit MRCP stellt die Dilatation und die
ein Gallensteinileus als Ursache einer akuten Cholan- Kalibersprünge bei der Cholangitis direkt dar. Zu-
gitis kann so primär diagnostiziert werden: Das per- dem werden die Ursachen des Verschlusses wie Gal-
forierte verkalkte Konkrement stellt sich im Verlauf lenwegskonkremente oder der Einbruch extrabiliärer
des Gastrointestinaltrakts dar, die vorgeschalteten Tumoren diagnostiziert (Abb. 7.115). Eine Unter-
Darmschlingen sind dilatiert. scheidung von aufgestautem Gallenwegssystem ohne
Sonographisch lassen sich die Dilatation des ablei- Entzündung und Cholangitis ist allein mit der MRT
tenden Gallenwegssystems regelhaft und die Höhe jedoch nicht möglich. Einen Hinweis geben Bilder in
der akuten Obstruktion zumeist nachweisen. Im Fal- T1-Wichtung nach Kontrastmittelgabe mit vermehr-
le des Verschlusses durch ein Gallenkonkrement wird tem periportalen Enhancement analog der Demar-
dieses mit hoher Sensitivität im Ultraschall nachge- kierung in der CT.
wiesen. Auch die Auftreibung der Gallenblase und Da bei der Cholangitis häufig neben der Diagnose
das inkrustierte Konkrement beim Mirizzi-Syndrom sofortige therapeutische Maßnahmen im Vorder-
sind sonographisch häufig erfassbar. grund stehen, kommt den direkten Verfahren ERC/
In der CT zeigt sich in der arteriellen Kontrastmit- PTC eine hohe Bedeutung zu. Diese geben allerdings
telperfusionsphase ein vermehrtes Enhancement um nicht in allen Fällen klärenden Aufschluss über die
die betroffenen Gallengänge als Ausdruck der loka- Ursache der Cholangitis. Sie erlauben jedoch, neben
len Hyperämie bei der muralen Entzündung. Diese der Darstellung des Ausmaßes, eine sofortige interne
496 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
oder externe Ableitung der infizierten Gallenflüssig- Synonyme: asiatische oder orientalische Cholangio-
keit, ggf. mit Stentimplantation. hepatitis, Hong-Kong-Krankheit und primäre Chol-
Aufgrund des akuten Krankheitsbildes kommen angitis.
die intravenöse Cholangiographie und nuklearmedi-
zinische Verfahren bei der akuten Cholangitis nicht Pathologisch-anatomische
zum Einsatz. und ätiologische Grundlagen
Die RPC spielt in weiten Teilen Chinas, Japans und
Differenzialdiagnose Südostasiens eine wesentliche Rolle bei der Häufig-
Von der akuten Cholangitis sind der akute Schub keit chronisch entzündlicher Gallenwegserkrankun-
einer chronischen Gallenwegsentzündung sowie die gen, insbesondere in Bevölkerungschichten mit un-
chronischen Cholangitisformen zu unterscheiden. zureichender Ernährungssituation. Sie wird auch bei
Zudem müssen nichtentzündliche Verschlusssitua- Emigranten aus den genannten Ländern in Europa
tionen durch intra- oder extrabiliäre Tumoren be- und Nordamerika beobachtet. Die Geschlechtsvertei-
rücksichtigt werden. lung ist ausgewogen, das Alter der Erkrankten liegt
zwischen 20 und 50 Jahren.
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Auch wenn die Ätiologie bisher nicht geklärt wer-
Neben konventionellen Abdomenübersichtsaufnah- den konnte, scheinen der überdurchschnittlich häu-
men ist die Sonographie die Untersuchungsmethode fig zu verzeichnende, koinzidentelle Befall mit Clo-
der ersten Wahl beim Verdacht auf eine akute Chol- norchis sinensis, Fasciola hepatica und Ascaris lum-
angitis. Ergibt sich hieraus die Notwendigkeit einer bricoides von erheblicher Bedeutung für die Entste-
sofortigen Intervention zur Gallenwegsdrainage, hung der Erkrankung zu sein. Pathognomonisches
wird eine ERC/PTC durchgeführt. Gegebenenfalls Charakteristikum sind Pigmentsteine, Sludge und
kann jedoch, insbesondere wenn sich sonographisch die Besiedelung der Gallenwege mit koliformen Bak-
der Verdacht auf einen durch einen malignen Tumor terien sowie in der Folge Leberabszesse in den betrof-
ausgelösten Verschluss ergibt, eine vorgeschaltete CT fenen Lebersegmenten.
Hinweise auf das Ausmaß der ursächlichen Erkran- Besonders häufig sind die lateralen Segmente des
kung liefern. Unter Umständen ist dann einem pri- linken Leberlappens befallen, weniger häufig alle
mär operativen Vorgehen mit Resektion der Vorzug Segmente des intra- und extrahepatischen Gallen-
gegenüber einer interventionellen Drainage zu geben wegssystems. Zusätzlich wird eine Atrophie der be-
bzw. kann ein palliatives Konzept verfolgt werden. troffenen Lebersegmente durch verminderten porta-
Liegt kein hochakutes Stadium vor, werden nach len Blutzustrom beobachtet. Durch die Destruktion
Sonographie und MRT mit MRCP sowohl ein mögli- der Gallenwege bei fortbestehender Entzündung ent-
ches operatives als auch ein interventionelles Vorge- stehen eine chronische Cholangiopathie mit nachfol-
hen geplant. gendem Leberausfall. Die Inzidenz für die Ausbil-
dung eines CCC beträgt 3–6%.
Merke ! Die akute Cholangitis ist eine schlag-
artig einsetzende entzündliche Er- Klinische Symptomatik
krankung der Gallenwege durch Obstruktion des Die klinische Symptomatik der RPC ist von rezidi-
ableitenden Gallenwegssystems mit zahlreichen be- vierenden Fieberschüben mit rechtsseitigem Ober-
nignen und malignen Ursachen. Durch die Bild- bauchschmerz, Schüttelfrost und Ikterus gekenn-
gebung wird, zusätzlich zum Ausmaß der Obstruk- zeichnet. Laborchemisch werden eine Leukozytose
tion, auch deren Ursache diagnostiziert. Neben kon- sowie erhöhte Bilirubin- und Alkalische-Phosphata-
ventionellen Abdomenübersichtsaufnahmen und der se-Werte registriert. Therapeutisch steht neben der
Sonographie kommen CT und ERC/PTC, im nicht langfristigen Antibiose die Entfernung der Konkre-
hochakuten Fall auch die MRT mit MRCP zum Ein- mente (operativ, endoskopisch, perkutan) im Vorder-
satz. Zu unterscheiden sind neben der akuten Chol- grund. Aufgrund der hohen Rezidivrate muss die
angitis vor allem die Formen der chronischen Chol- Konkrementextraktion auch wiederholt durchge-
angitis und die akute Exazerbation einer chronischen führt werden.
Cholangitis.
Radiologische Symptomatik
Rezidivierende pyogene Cholangitis (RPC) Sonographisch zeigt sich das Bild deutlich erweiterter
intrahepatischer Gallenwege zusammen mit periphe-
왔 Die RPC ist eine chronisch rezidivie- ren Stenosen bei fortgeschrittenem Krankheits-
Definition
rende Entzündung der intra- und ex- stadium. Die Gallenflüssigkeit stellt sich echoreich,
trahepatischen Gallenwege mit Ausbildung pigmen- die intrahepatischen Gallengangskonkremente häu-
tierter Gallensteine. fig mit dorsaler Schallauslöschung dar.
7.4 Entzündliche Erkrankungen 497
Abb. 7.116. 35-jähriger Patient mit rechtsseitigen Oberbauch- falls eine Dilatation des betroffenen Gangabschnitts
beschwerden nach längerem Afrikaaufenthalt. In der i. v.-Chol- mit zentraler Füllungsaussparung. Im fortgeschritte-
angiographie Darstellung multipler Askariden in der Gallen- nen Krankheitsstadium zeigen sich in allen Verfah-
blase. Die zentrale Aufhellung innerhalb der Parasiten (Pfeil-
spitze) ist durch aufgenommenes Kontrastmittel im Gastro- ren Stenosierungen durch die postentzündliche Fi-
intestinaltrakt der Würmer bedingt brosierung der befallenen Wände des Gallenwegssys-
tems (Abb. 7.117). Die Abgrenzung einer Übergangs-
form in ein CCC ist nicht in allen Fällen möglich.
Tabelle 7.11. Klassifikation der PSC nach cholangiographi- Zusätzlich werden lokale Wandverdickungen und
schen Gesichtspunkten nach Kontrastmittelgabe ein umschriebenes intra-
Typ Beschreibung murales Enhancement in den betroffenen Gangab-
schnitten beobachtet. Als klassisch gilt das Bild des
I Segmentale Irregularitäten, Verengungen, entlaubten Baums („tree in winter“), das durch die
Rarefizierungen der Gallenwege, stenosierten, dilatierten und perlschnurartig erschei-
keine Dilatationen
nenden Abschnitte des Gallenwegssystems entsteht.
II Verengungen in der Peripherie; Dilatationen Mit hochauflösenden Techniken gelingt auch der
und Divertikelbildungen
Nachweis periportaler Fibrosezonen in Form hypo-
III Vollständige Obliteration der Peripherie
denser Formationen parallel zu den großen Ästen
des Pfortader- und Gallenwegssystems.
Mittels MRCP erfolgt die direkte Darstellung des
Zeichen einer PSC finden. Daneben ist ein gehäuftes charakteristischen Wechsels von Stenose und Dilata-
koinzidentelles Auftreten von PSC und retroperito- tion des intra- und extrahepatischen Gallenwegssys-
nealer Fibrose sowie Riedel-Struma beschrieben. tems (Abb. 7.118 a). In den zusätzlich angefertigten
Die morphologischen Veränderungen werden Messsequenzen erkennt man periportal ein inter-
nach cholangiographischen Kriterien eingeteilt (Ta- mediäres Signal in T1-Wichtung und eine aufgrund
belle 7.11). An Komplikationen sind die Entwicklung der Entzündung nachweisbare Signalerhöhung in
einer biliären Zirrhose, intra- und extrahepatische T2-Wichtung. Letztere sind jedoch nicht charakteris-
Konkremente (etwa 30–40%),Verdickungen der Gal- tisch für die PSC und werden auch bei Cholangitiden
lenblase (etwa 15%), eine bakterielle Cholangitis und anderer Genese beobachtet.
die hohe Inzidenz für die Entwicklung eines CCC zu Eine direkte Darstellung der Gallenwege durch
nennen. ERC/PTC erlaubt eine exakte Beurteilung des Ausma-
ßes und ggf. des Verlaufs einer PSC (Abb. 7.118 b,
Klinische Symptomatik Abb. 7.119 a, b). Wiederum zeigt sich das gemischte
Die PSC zeigt nur in Fällen der akuten Exazerbation Bild von Dilatation und Stenose der intra- und extra-
mit Verschluss ein akutes Krankheitsbild. Dann kla- hepatischen Gallengänge sowie das typische perl-
gen die Patienten über die Symptome des Verschluss- schnurartige Muster. Da allerdings bei fortgeschritte-
ikterus mit Juckreiz, Übelkeit und rechtsseitigem nen Stadien der PSC eine Zunahme der Cholestase
Oberbauchschmerz. In den Phasen des chronischen nach ERC beobachtet wurde, wird zunehmend ein
Verlaufs dominieren ggf. die assoziierten Erkrankun- nichtinvasives Vorgehen mittels MRC zur Diagnostik
gen z. B. in Form von Durchfällen bei entzündlicher angestrebt.
Darmerkrankung. Intravenös cholangiographische und nuklearmedi-
Therapeutisch steht in frühen Stadien die Leber- zinische Verfahren spielen heute keine routinemäßige
transplantation, in fortgeschrittenen Krankheitspha- Rolle mehr bei der Diagnostik der PSC. Wird die
sen die palliative Gallenableitung im Vordergrund. hepatobiliäre Funktionsszintigraphie durchgeführt,
erkennt man eine verzögerte Ausscheidung des Ra-
Radiologische Symptomatik diopharmakons aus der Leber mit zahlreichen Spots
Charakteristisch für die PSC ist in allen bildgebenden als Korrelat der dilatierten Gallengänge sowie in
Verfahren die perlschnurartige Konfiguration des einer Vielzahl der Fälle ein Fehlen der Gallenblasen-
betroffenen Gallenwegsabschnitts, der Wechsel von darstellung.
Stenosen und Dilatationen sowie das Fehlen oder die
allenfalls geringgradig ausgebildete prästenotische Differenzialdiagnose
Dilatation. Im Falle einer begleitenden Cholelithiasis Eine besondere Schwierigkeit stellt mit allen bild-
wird diese mit allen Verfahren erkannt. gebenden Verfahren, einschließlich MRCP und ERC/
Sonographisch lassen sich bei der PSC der Wechsel PTC, die Abgrenzung einer PSC von einem CCC
von Striktur und Dilatation des Gallenwegssystems dar. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die PSC
ebenso wie die Verdickung der Gallengangswand auf als Präkanzerose für die Entstehung eines CCC gilt.
bis zu 2,5 mm nachweisen. In Einzelfällen gelingt Eine Klärung ist durch CT und MRT nur im Nachweis
auch der Nachweis der Fibrosierung der Gangstruk- einer Infiltration in umgebende Leitstrukturen mög-
turen durch deren starke Hyperechogenität im Be- lich.
reich der Periportalfelder. Zusätzlich werden grob- Weitere Differenzialdiagnosen sind die akute
schollige punktförmige Verkalkungen entlang der aszendierende Cholangitis, die Cholangitis nach
Pfortaderäste dokumentiert. Chemotherapie und die Aids-assoziierte Cholangio-
Auch in der CT können die Gallenwegsdilatatio- pathie sowie primär extrabiliäre Malignome mit
nen und Wandverdickungen nachgewiesen werden. Kompression des Gallenwegssystems.
502 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
b b
Abb. 7.118 a, b. 72-jährige Patientin mit bekannter und histo- Abb. 7.119 a, b. 42-jährige Patientin mit bekannter gesicherter
logisch gesicherter PSC. a In der MRCP Darstellung typischer PSC. a In der ERCP Nachweis von Dilatationen und Stenosen
Stenosen und Dilatationen intra- und extrahepatisch (Pfeile). sowie Wandunregelmäßigkeiten (Pfeil) intrahepatisch. b Eine
b Die korrespondierende ERCP zeigt einen analogen Befund zur Verlaufskontrolle durchgeführte MRCP nach 2 Jahren zeigt
(Pfeil) einen korrespondierenden Befund zu a ohne Progredienz bei
klinisch stabilem Zustand
Differenzialdiagnose
Als wichtigste Differenzialdiagnose ist die PSC anzu- Merke !
Die PBC ist eine chronisch-entzünd-
liche Erkrankung der intrahepati-
sehen, die anhand des Fehlens eines extrahepati- schen Gallengänge unklarer Ätiologie mit nachfol-
schen Gallenwegsbefalls ausgeschlossen werden gender Ausbildung einer Leberzirrhose. Charakteris-
kann. Zusätzlich müssen andere Ursachen der Le- tisch sind rarefizierte intrahepatische Gallengänge
berzirrhose, akute und chronische Hepatitiden, Lym- bei unauffälligem extrahepatischem Gallenwegssys-
phombefall und diffuse Metastasierung sowie die ten. CT und MRT mit MRCP zeigen neben den Zei-
verschiedenen Formen der diffusen Lebererkran- chen der portalen Hypertension kleinste Regenerat-
kungen mit Ausbildung von Regeneratknoten be- knoten in der Leber, umgebende bandförmige Fibro-
rücksichtigt werden. sierungen, die Rarefizierung der intrahepatischen
Gallengänge und hiläre Lymphknoten. Unterschie-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie den werden müssen die PSC, Hepatitiden, Lympho-
Neben der primären Sonographie sollte die Abklä- me und die Gruppe der diffusen Lebererkrankungen.
rung einer PBC mittels triphasischer CT (nativ, arte-
riell, portal) oder MRT mit MRCP erfolgen. Die direk-
ten Verfahren ERC/PTC sind fast ausschließlich
therapeutischen Ansätzen (z. B. Konkremententfer-
nung) vorbehalten.
7.4 Entzündliche Erkrankungen 505
Klinische Symptomatik
An Symptomen werden meist unspezifische Abdomi-
nalbeschwerden beklagt, die erst spät den Verdacht
auf eine Cholangitis lenken.
Radiologische Symptomatik
Das radiologische Bild unterscheidet sich nicht von
dem anderer Cholangitiden bzw. sklerosierenden
a Cholangitiden. So erfolgt die Diagnostik neben der
Sonographie in der Regel zusätzlich mittels MRT mit
MRCP oder CT. ERC/PTC kommen vor allem zur An-
lage einer Gallenwegsdarinage zum Einsatz, während
die intravenöse Cholangiographie und nuklearmedi-
zinische Verfahren nicht routinemäßig angewendet
werden.
Differenzialdiagnose
Wichtigste Differenzialdiagnose ist die PSC. Im Übri-
gen sind die verschiedenen Formen der Cholangiti-
den für die Diagnostik der zugrunde liegenden Er-
krankung zu erwägen.
Tabelle 7.12. Klassifikation der Tumoren von Leber und intrahepatischen Gallengängen. (Nach Ishak et al. 1994)
me und Hämangioendotheliome sind. 22% der gut- Sonderformen der Hämangiome kommen als dif-
artigen kindlichen Lebertumoren fallen auf mesen- fuse, systemische Hämangiomatosen mit kleinen
chymale Hamartome, 6% auf Adenome und 5% auf Herden in Niere, Knochen, Lunge, Haut und Leber
die FNH. Die restlichen 17% sind verschiedenartige, vor. Zu diesen generalisierten Hämangiomatosesyn-
oft zystische Tumoren. dromen zählen Sturge-Weber-Syndrom,Von-Hippel-
Lindau-Syndrom, Klippel-Trénauney-Syndrom, Maf-
Hämangiom fucci-Syndrom, „Blue-rubber-bleb-nevus-Syndrom“
und die infantile Hämangiomatose der Leber.
왔 Hämangiome sind gutartige vasopro- Häufig sind Hämangiome im posterioren Ab-
Definition
liferative Tumoren. schnitt des rechten Leberlappens subkapsulär gele-
gen. Ihre Größe variiert von wenigen Millimetern bis
Häufig verwendete Synonyme sind: kapilläres Häm- zu 20 cm, wobei etwa 90% <4 cm sind. Ab einem
angiom, kavernöses Hämangiom, Angiom, sklero- Durchmesser von 8–10 cm spricht man von Riesen-
siertes Hämangiom oder fibröser Knoten. Diese Be- hämangiomen. In etwa 10–20% der Fälle liegen mul-
zeichnungen beschreiben jedoch die unterschiedli- tiple Hämangiome vor, ein Gefäßstiel findet sich in
chen Entwicklungsstufen des Hämangioms und etwa 20%.
nicht die Entität als solche. Von manchen Autoren
wird auch das im frühen Lebensalter auftretende in- Klinische Symptomatik
fantile Hämangioendotheliom lediglich als Häman- Typischerweise sind Leberhämangiome bei Erwach-
giom bezeichnet. Da dies häufig zu begrifflichen Un- senen nur kleine Läsionen, die zufällig bei einer So-
klarheiten führt, wird das infantile Hämangioendo- nographie oder einer aus anderen Gründen durchge-
theliom separat abgehandelt. führten Schnittbildgebung detektiert werden. Eine
typische klinische Symptomatik besteht dabei nicht.
Pathologisch-anatomische Riesenhämangiome können dagegen aufgrund ihrer
und ätiologische Grundlagen Größe zu abdominellem Druckgefühl und im Rah-
Hämangiome sind mit 78% die häufigsten gutartigen men eines Abdominaltraumas zu Einblutungen, Rup-
Lebertumoren im Erwachsenenalter und neben den turen und ggf. einem Hämatoperitoneum führen.
Lebermetastasen die zweithäufigsten Lebertumoren Kindliche Leberhämangiome werden demgegen-
überhaupt. Sie kommen in einem Geschlechterver- über häufig bereits in den ersten 6 Lebensmonaten
hältnis von Männern zu Frauen von 1:5 vor. Bei Kin- klinisch auffällig. Wegen des hämodynamisch rele-
dern sind sie selten, ein Auftreten konnatal bzw. im vanten Blut-Poolings entsteht eine klinisch relevante
Säuglingsalter ist jedoch bekannt. Herzinsuffizienz. Dabei kann ein tastbarer Ober-
Da sich Hämangiome meist erst im Erwachsenen- bauchtumor vorliegen oder fehlen. Selten kommt es
alter entwickeln, wird neben einer Entwicklung aus zur Ruptur des Hämangioms mit Hämatoperito-
einem konnatal vorhandenen Hamartom der Leber neum.
auch eine echte Neubildung vaskulärer Genese disku-
tiert. Histologisch gesehen handelt es sich bei den Radiologische Symptomatik
kapillären Hämangiomen um gutartige Tumoren aus In der Sonographie sind Hämangiome typischerwei-
gewucherten englumigen erythrozytenhaltigen Ka- se (60–70%) kleine, wenige Zentimeter große,
pillaren, die von einem feinen Retikulinfasernetz gut abgrenzbare echoreiche Herde im gesunden Le-
umgeben sind. Diese häufigste Form der Hämangio- berparenchym (Abb. 7.124). Größere Herde können
me hat ihren Hauptsitz in der Haut oder Schleim- einen Schlagschatten werfen, ein echoarmes Zen-
haut. trum aufweisen, das Fibrose oder Nekrose repräsen-
Die kavernösen Hämangiome hingegen bestehen tiert, oder inhomogen konfiguriert sein (Abb. 7.125).
aus weiten erythrozytenhaltigen Gefäßräumen, die Das Powerdopplerverfahren ermöglicht es, Fluss in-
mit Endothel ausgekleidet sind und nur teilweise von nerhalb der Hämangiome zu detektieren, wobei die
einer muskulären Wand umgeben werden. Sie sind unspezifischen Flussmuster (Flussgeschwindigkeit
besonders in den parenchymatösen Organen wie Le- <50 cm/s) keine Differenzierung von einem HCC
ber, Niere, Milz und Lunge, vor allem aber auch in der oder Metastasen ermöglichen. In der kontrastver-
Haut zu finden. Kavernöse Hämangiome sind fokale, stärkten Untersuchung zeigt sich ein Bild vergleich-
lobulär konfigurierte und scharf abgrenzbare Läsio- bar der dynamischen CT. Als charakteristisch für das
nen, die keine Gallengänge enthalten. In großen For- Hämangiom wird dabei die vermehrte Anreicherung
men werden häufiger Thrombosen und konsekutive des Kontrastmittels in der Spätphase im Sinne eines
Fibrosen, Einblutungen und Verkalkungen (10%) be- Poolings angesehen.
obachtet.
7.5 Tumoren 511
a b
c d
Abb. 7.127 a–d. 74-jährige Patientin mit Zufallsbefund eines Während der arteriellen (b) und portalen (c) KM-Perfusions-
Hämangioms im rechten Leberlappen. In der dynamischen phase zunehmendes stippchenförmiges Enhancement von
CT-Untersuchung in der früharteriellen Phase (a) hypodense peripher her (Pfeile). In der venösen Phase (d) weitgehende
Läsion mit beginnendem randständigen Enhancement (Pfeil). Auffüllung der Läsion
a b
Abb. 7.128 a, b. 45-jährige Patientin mit bekanntem Riesen- durch Fibrosierung. Perihepatischer Aszites (A). b Koronares
hämangiom im rechten Leberlappen. a Koronare Sekundär- MRT-Bild in T1-Wichtung nach KM-Gabe mit Fettsaturation
rekonstruktion aus einem MSCT-Datensatz nach i. v. KM-Gabe (Spätaufnahme nach 15 min). Korrespondierende Darstellung
(portale Phase). Darstellung des Riesenhämangioms im rech- zu a mit randständiger KM-Aufnahme (Pfeil) und fehlendem
ten Leberlappen mit zentral stärker hypodensem Areal (Pfeil) zentralen Enhancement
7.5 Tumoren 513
a b
c d
e f
Abb. 7.129 a–g. 68-jähriger Patient mit neu diagnostiziertem Sequenz in T1-Wichtung nach i. v. Gabe von Gadolinium-
Kolonkarzinom. Sonographisch unklarer Leberherd im Seg- haltigem Kontrastmittel (axiale Schnittführung). Zunächst
ment VI. MRT zur Abklärung der Leberläsion vor geplanter stippchenförmige Kontrastmittelaufnahme peripher in der
Kolonteilresektion. a Axialer Schnitt in T1-Wichtung nativ mit Läsion (Pfeilsspitze). Im Verlauf zunehmende Auffüllung des
Darstellung einer glatt begrenzten, hypointensen Läsion im Herdes von peripher („Irisblendenphänomen“). In der letzten
Segment VI (Pfeil). b Im axialen Schnitt in T2-Wichtung mit Aufnahme der Serie vollständiges Enhancement. (Fortsetzung
Fettsaturation analoge Darstellung zu a mit deutlich hyperin- siehe nächste Seite)
tensem Signal des Herdes („light-bulb-sign“). c–f Dynamische
514 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
zirkulation aufgrund arteriovenöser Shunts im Tu- und der A. hepatica oft leichter zu erkennen als die
mor bedingt. Hieraus resultiert eine Kalibervergrö- multifokalen Läsionen selbst.
ßerung der A. hepatica, die sogar einen größeren In der Nativ-CT zeigen sich eine oder mehrere
Durchmesser als die Pfortader aufweisen kann. Als hypodense rundliche Läsionen, häufig Einblutun-
Ausdruck des hohen Shuntvolumens ist zudem die gen und in etwa 40% kleine Verkalkungen. Nach
Flussgeschwindigkeit in der A. hepatica deutlich er- Kontrastmittelgabe lässt sich, analog den Hämangio-
höht, sie korreliert jedoch nicht mit dem Ausmaß der men, entweder ein sofortiges homogenes Enhance-
Herzinsuffizienz. Konsekutiv nimmt das Kaliber der ment oder ein starkes randständiges Enhancement
Aorta abdominalis distal des Abgangs der leber- mit einer irregulären Aufnahme innerhalb der Lä-
versorgenden Arterien deutlich ab. Kann die Herzin- sion erkennen. Kräftige zuführende arterielle Gefäße
suffizienz nicht medikamentös erfolgreich therapiert in der Frühphase lassen sich vor allem in MIP-Rekon-
werden, sind eine Embolisation und, bei fokalen Lä- struktionen aus MSCT-Datensätzen anschaulich dar-
sionen mit günstiger Lokalisation, eine Operation zu stellen. In der Spätphase nimmt die Kontrastmittel-
erwägen. aufnahme zentral zu, und die Läsion erscheint
Die Thrombozytopenie entsteht durch eine Ver- isodens zum restlichen Lebergewebe. Areale, die in-
brauchskoagulopathie. Als eine gefürchtete Kompli- nerhalb der Läsion keine Kontrastmittelaufnahme
kationen gilt das Kasabach-Merritt-Syndrom (11% zeigen, repräsentieren Nekrosen oder ältere Einblu-
der Fälle), das durch eine disseminierte intravasale tungen.
Gerinnung zunächst im Tumor und später syste- Magnetresonanztomographisch stellen sich die Lä-
misch gekennzeichnet ist. Durch den Verbrauch von sionen in der nativen T1-Wichtung inhomogen, weit-
Thrombozyten und Gerinnungsfaktoren kann es gehend hypointens zum umgebenden Lebergewebe
zum Tod durch Herzversagen kommen. dar. Der Randbereich kann leicht hyperintens sein.
In weniger ausgeprägten Fällen geht das infantile Bei frischeren Einblutungen nimmt der hyperintense
Hämangioendotheliom lediglich mit einer mehr Anteil im Inneren des Tumors zu. In T2-Wichtung
oder weniger ausgeprägten Hepatomegalie einher findet sich zentral eine höhere Signalintensität als im
oder fällt über ein schweres Atemnotsyndrom auf- Randbereich, der wiederum signalreicher als das
grund der Lebervergrößerung auf. umgebende Leberparenchym ist. Mit zunehmendem
Thrombose- bzw. Fibroseanteil des Herdes nimmt
Radiologische Symptomatik die Signalintensität im Inneren ab (Abb. 7.131 c). Im
Konventionelle Übersichtsaufnahmen des Thorax Falle eines großen Shuntvolumens und hoher Fluss-
zeigen ggf. Zeichen der Herzinsuffizienz. In der Ab- geschwindigkeiten im Tumor kommen zusätzlich
domenübersichtsaufnahme dokumentiert sich pri- „Flow-void-Phänomene“ in der Läsion zur Dar-
mär die Hepatomegalie, in etwa 15–20% der Fälle ein stellung. Nach Applikation von extrazellulärem Kon-
feines „Salz-und-Pfeffer-Verkalkungsmuster“. trastmittel findet sich ein der CT vergleichbares
Das sonographische Erscheinungsbild des infan- Enhancement mit über die Zeit zentripetaler Auffül-
tilen Hämangioendothelioms ist variabel und nicht lung des Herdes und fehlendem zentralem Enhance-
spezifisch. Neben gut abgrenzbaren Läsionen beim ment bei Nekrose (Abb. 7.131 d).
singulären Befall (Abb. 7.131 a) zeigen sich beim Die erweiterten großen zuführenden Gefäße las-
multifokalen Typ meist viele homogene und gleich sen sich, ebenso wie der Kalibersprung in der Aorta
große echoarme Herde, die die gesamte Leber durch- abdominalis, auch mit der CE-MRA darstellen. Auf-
setzen und eng nebeneinander liegen. In ausgepräg- grund der hohen Flussgeschwindigkeiten sind sie
ten Fällen ist jedoch auch lediglich eine inhomogene bereits nativ durch die Flow-void-Phänomene zu
Parenchymmusterung möglich, bei der die einzelnen erkennen.
Herde nicht voneinander zu unterscheiden sind. Charakteristischerweise zeigen sich in der arte-
Dann ist eine Diagnosestellung mittels alleiniger riellen Katheterangiographie große zuführende arte-
Sonographie nicht möglich. Daneben werden jedoch rielle Gefäße, ein verlängertes Kontrastmittel-
auch heterogene Muster mit einem Gemisch von Pooling, arteriovenöse Shunts, portovenöse Shunts
echoarmen und echoreichen Herden beobachtet. In und große abführende Venen. Das Verfahren spielt
etwa 50% der Fälle lassen sich Verkalkungen nach- heute diagnostisch keine Rolle mehr und wird nur
weisen. Beim multifokalen Typ zeigt sich im Verlauf noch eingesetzt, wenn eine Embolisation aus thera-
eine Rückbildungstendenz. peutischen Gründen bei Herzinsuffizienz notwendig
Mit Hilfe der farbkodierten Duplexsonographie ist. Sind zusätzlich zu den arteriovenösen Shunts
und des Spektraldopplers werden bei den Patienten auch portovenöse Kurzschlüsse vorhanden, müssen –
die erhöhten Flussgeschwindigkeiten in den zufüh- ggf. in mehreren Sitzungen – erst über einen trans-
renden Gefäßen nachgewiesen (Abb. 7.131 b). Sono- venösen oder transhepatischen Zugang die porto-
graphisch sind die Kaliberveränderungen der Aorta venösen Fisteln embolisiert werden. Eine rein arte-
7.5 Tumoren 517
a b
c d
Abb. 7.131 a–d. Juveniles Hämangioendotheliom. a, b 5 Mo- ling mit multiplen Hämangioendotheliomen. B-Bild-Sono-
nate alter weiblicher Säugling mit Gedeihstörung bei rezi- gramm (c) und CT nach KM-Gabe (d) mit Darstellung mul-
divierendem Erbrechen. B-Bild-Sonogramm (a) und MRT in tipler stark perfundierter Herde (Pfeile) bei klinischem Be-
T1-Wichtung nach KM-Gabe (b) mit Darstellung eines soli- fund der Herzinsuffizienz. Annähernd gleiches Kaliber der
tären Hämangioendothelioms (Pfeil). Deutliche Kompression A. hepatica (A) und der Pfortader (P)
des Magens (Pfeilspitzen). c, d 3 Monate alter weiblicher Säug-
Läsionen sollte sich eine MRT einschließlich CE- dung. Eine fehlangelegte Arterie mit anormaler arte-
MRA anschließen. Steht diese nicht zur Verfügung, rieller Versorgung führt zu einer zentralen sternför-
kann die Diagnose auch mittels mehrphasiger CT migen fibrösen Formation, die als „zentrale Narbe“
(nativ, arteriell, portalvenös) einschließlich angio- bezeichnet wird.
graphischer Sekundärrekonstruktionen erfolgen. Im Gegensatz zum Leberadenom sind Portalfelder
Beide Verfahren liefern auch die Grundlage für eine und Zentralvenen vorhanden sowie kleine Gallen-
eventuelle operative Therapie. Die Katheterangio- gänge ohne Anschluss an das biliäre System. Die FNH
graphie ist bei Patienten mit Herzinsuffizienz zur enthält Kupffer-Sternzellen und große hyperplasti-
Planung bzw. Durchführung einer interventionellen sche Gefäße mit Intimaverbreiterung. Auch bei der
Therapie indiziert. Gegebenenfalls ist der arterielle FNH enthalten die Hepatozyten erhöhte Mengen an
Zugangsweg durch ein transvenöses bzw. transhepa- Fett, Glykogen und Triglyzeriden.
tisch-portales Vorgehen zu ergänzen. Die Läsion ist meist singulär (über 80%), gut ab-
grenzbar und subkapsulär gelegen. Ihre Größe vari-
Merke ! Das juvenile Hämangioendotheliom
ist ein gutartiger Tumor des 1. Lebens-
iert von 1–10 cm, ist jedoch meist <5 cm (etwa 85%)
und kommt im rechten Leberlappen doppelt so häu-
jahres. Die Herzinsuffizienz ist das führende und fig vor wie im linken. Eine Kapsel wird ebenso wie
behandlungsbedürftige klinische Symptom. Bild- Einblutungen nicht nachgewiesen.
gebend ist mit allen Verfahren eine Unterscheidung
zum Hämangiom nicht immer möglich, das Kon- Klinische Symptomatik
trastmittelverhalten ist häufig vergleichbar. Abzu- Die FNH ist meist asymptomatisch und wird in 50–
grenzen sind neben dem Hämangiom insbesondere 90% der Fälle zufällig entdeckt. Bei großen Läsionen
andere gutartigen Lebertumoren wie mesenchyma- können Oberbauchschmerzen bzw. eine Hepato-
les Hamartom und FNH sowie Angiosarkom, Hepa- megalie auftreten. Komplikationen wie Einblutungen
toblastom und Metastasen. Involutieren die Läsionen oder Verkalkungen sind außerordentlich selten. Ein
im natürlichen Verlauf oder unter medikamentöser operatives Vorgehen ist nur in Ausnahmefällen bei
Therapie nicht, wird eine Embolisation oder bei entsprechender Größe des Tumors erforderlich.
fokalen Läsionen eine Operation angestrebt. Jede
Läsion, die nach dem 1. Lebensjahr auftritt oder ein Radiologische Symptomatik
atypisches Erscheinungsbild aufweist, sollte biopsiert Sonographisch kommt die FNH meist zufällig und in
oder entfernt werden. der Nativuntersuchung als gut abgrenzbare, meist
homogene mit dem Lebergewebe isoechogene Läsion
Fokal noduläre Hyperplasie (FNH) zur Darstellung. Sie kann aber auch echoärmer oder
echoreicher als das gesunde Leberparenchym sein.
왔 Die FNH ist eine benigne Hamartose Durch ihr verdrängendes Wachstum zeigt sich eine
Definition
der Leber. Pseudokapsel, und in 40% ist eine echoarme stern-
förmige zentrale Narbe zu erkennen (Abb. 7.132 a).
Pathologisch-anatomische Mittels Farbkodierung kann die Darstellung eines
und ätiologische Grundlagen zuführenden Gefäßstils sowie radiär verlaufender
Der Tumor macht 3–8% aller benignen Lebertumo- Gefäße innerhalb des Tumors ebenso gelingen wie
ren bei Erwachsenen und etwa 4% im Kindesalter die Darstellung großer drainierender Venen am Tu-
aus. Er ist damit etwa doppelt so häufig wie das morrand. Nach Gabe von Ultraschallkontrastmittel
Leberadenom und nach dem Hämagiom der zweit- wird ein dynamisches Enhancement vergleichbar der
häufigste benigne Tumor der Leber. Frauen sind CT beobachtet. Mittels Powerdopplerverfahren stellt
etwa 2- bis 4-mal häufiger betroffen als Männer, der sich die Läsion hypervaskularisiert mit zentraler
Altersgipfel liegt in der 3. bis 4. Lebensdekade. Ätiolo- Kontrastaussparung und charakteristischem Fahr-
gisch besteht kein Zusammenhang mit der Einnahme radspeichenmuster dar.
von Östrogenen, jedoch können Blutungen unter In der Nativ-CT ist die FNH iso- bis leicht hypo-
Östrogenstimulation (Kontrazeptiva, Schwanger- dens im Vergleich zum umgebenden Leberparen-
schaft) auftreten. chym. Nach Kontrastmittelapplikation (Abb. 7.133)
Die Genese der FNH ist umstritten. Zum einen zeigt sich in der früharteriellen Phase ein starkes En-
wird eine umschriebene Hyperproliferation von zel- hancement des gesamten Tumors mit Ausnahme des
lulären und Matrixbestandteilen der Leber disku- Zentrums. Das umgebende Lebergewebe ist dabei
tiert, die zur Ausbildung von arteriovenösen Anasto- deutlich hypodens im Vergleich zur FNH. Dieser Um-
mosen und Malformationen führt. Andere Autoren stand spiegelt die hauptsächlich arterielle Versor-
sprechen von einer knotigen Hyperplasie der Hepa- gung des Tumors wider, und gelegentlich gelingt der
tozyten als Reaktion auf eine lokale Gefäßmißbil- Nachweis der tumorversorgenden Arterie. Charakte-
7.5 Tumoren 519
Abb. 7.133. 45-jährige Patientin mit dem sonographischen arterielles Enhancement mit leichter Hyperdensität portal-
Bild einer FNH. In der dynamischen CT-Untersuchung stark venös und annähernder Isodensität in den Spätaufnahmen.
hypodense Läsion im Nativbild. Nach i. v. KM-Gabe starkes Gut abgrenzbare zentrale Narbe ohne Kontrastenhancement
a b
Typ Beschreibung
a
ner Pseudokapsel umgeben, die durch die Kompres-
sion normalen Lebergewebes und großer funktionel-
ler Gefäße entsteht. Histologisch besteht das Adenom
aus trabekulär angeordneten Leberzellen und weist
weder Portalfelder noch Zentralvenen auf. Kleinste
Gallengänge können ebenso vorhanden sein wie eine
geringe Anzahl meist atypischer Kupffer-Sternzellen.
Der Tumor enthält vermehrt Fett und Glykogen, Ne-
krosen sind häufig. Narben innerhalb der Läsion
werden nicht beobachtet.
Als häufigste Komplikation von Adenomen gelten
Einblutung (etwa 40%) und Ruptur. Die maligne Ent-
artung zum HCC ist möglich. Eine Adenom-Karzi-
nom-Sequenz konnte bisher jedoch nicht bewiesen
werden. Therapeutisch steht bei entsprechender Grö-
ße, Rupturgefahr oder Verdacht auf maligne Entar- b
tung die chirugische Resektion im Vordergrund. Bei
kleineren Adenomen finden sich Spontanremissio- Abb. 7.136 a, b. 28-jährige Patientin mit dem sonographischen
nen nach Absetzen der oralen Kontrazeptiva bzw. Zufallsbefund eines Leberadenoms. a Im B-Bild-Sonogramm
Abbildung einer regelmäßig begrenzten, zentral inhomogenen
nach diätetischer Behandlung bei Stoffwechseler- und annähernd isoechogenen Läsion im rechten dorsalen Le-
krankungen. Eine intraperitoneale Ruptur oder eine berlappen (+---+). b Die Nativ-CT zeigt den Herd aus a annä-
Ruptur während einer Schwangerschaft verschlech- hernd isodens zum umgebenden Leberparenchym mit leicht
tern die Prognose allerdings erheblich. hypodenser Peripherie (Pfeil)
Klinische Symptomatik
Die klinische Präsentation ist mit Hepatomegalie und
rechtseitigem Oberbauchschmerz unspezifisch und venöser Ultraschallkontrastmittel folgt dem aus der
nicht richtungsweisend. Erst die Komplikationen wie CT bekannten Verhalten.
Infarzierungen, spontane Einblutungen oder Tumor- Computertomographisch sind Adenome nativ
ruptur verursachen akute Oberbauchbeschwerden. meist ausreichend gut abgrenzbare runde Raumfor-
derungen, die aufgrund der Fetteinlagerungen und
Radiologische Symptomatik Nekrosen iso- bis hypodens im Vergleich zum Leber-
Sonographisch kommen Adenome als meist scharf parenchym erscheinen (Abb. 7.136 b). Verkalkungen
begrenzte Herde mit inhomogener Binnenstruktur kommen mit typischem hyperdensem Muster zur
zur Darstellung. Abhängig von der Größe und dem Darstellung. Bei Einblutungen weist die Läsion eben-
Gehalt an Fett, Nekrose, Einblutung und Verkalkung falls hyperdense Areale auf. Diese können sowohl in-
können sie iso-, hypo- oder leicht hyperechogen nerhalb des Tumors als auch subkapsulär gelegen
im Vergleich zum gesunden Lebergewebe sein sein.
(Abb. 7.136 a). In der Farbdopplersonographie findet Die mehrphasige kontrastverstärkte CT zeigt früh-
sich ein hypervaskularisierter Tumor mit intratumo- arteriell ein homogenes Enhancement. Neben den
ralen Venen und großen randständigen Arterien und zuführenden bzw. randständigen Gefäßen kommen
Venen. Das Enhancement-Muster nach Gabe intra- lediglich die intratumoralen Venen zur Darstellung.
7.5 Tumoren 523
a b
c d
In der arteriellen Phase findet sich bei kleinen Her- Verkalkungen und alten Einblutungen finden sich
den ein deutliches, rasches und annähernd vollstän- Bereiche erniedrigter Signalintensität. Frische Ein-
diges Enhancement, das früher als im umgebenden blutungen können an ihrem hyperintensen Signal in
Lebergewebe auftritt. Auf portalvenösen Bildern einer zusätzlichen nativen Sequenz in T1-Wichtung
zeigt sich das Adenom hyper- bis isodens im Ver- mit Fettunterdrückung sicher nachgewiesen werden.
gleich zum übrigen Leberparenchym. In der Spät- Sequenzen in T2-Wichtung bilden Adenome eben-
phase bis 10 min post injectionem erscheint das falls mit heterogener Signalintensität und iso- bis
Adenom hypodens und gelegentlich mit hyperdenser leicht hyperintens mit leicht hypointenser Pseudo-
Abgrenzung der Pseudokapsel. Große Adenome stel- kapsel ab. Im Falle von Nekrosen zeigen sich zusätz-
len sich generell heterogener als kleine Läsionen dar. lich hyperintense, bei frischeren Blutabbauproduk-
In der MRT (Abb. 7.137 a) zeigt sich in der T1- ten stark hypointense Binnensignale (Abb. 7.137 b,
Wichtung eine iso- bis hypointense Raumforderung Abb. 7.138 a). Der Signalverlust auf nativen Sequen-
mit heterogener Signalintensität und ggf. leicht hypo- zen in T2-Wichtung mit Fettsättigung innerhalb des
intenser Begrenzung. Fetteinlagerungen und frische- Adenoms gilt als pathognomonisch.
re Einblutungen führen dabei zu Arealen mit erhöh- Nach Applikation eines extrazellulären Kontrast-
ter Signalintensität. Beim Vorliegen von Nekrosen, mittels weist die dynamische Untersuchung ein ver-
524 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die adenomatöse Hyperplasie ist ein dynamischer
Prozess innerhalb des zirrhotischen Umbaus der Le-
ber und nicht als einmaliges regeneratives Gesche-
hen zu betrachten. Ihre Inzidenz liegt bei bis zu 15%
in zirrhotisch veränderten Lebern. Histopathologi-
sach werden 2 Typen unterschieden.
∑ Beim Typ I werden Hepatozyten mit homogenem
Aufbau und ohne Atypien beobachtet.
∑ Der Typ II weist hingegen erhebliche Zeichen der
Atypie insbesondere im Kernbereich der Zellen
Abb. 7.139. 19-jährige Patientin mit bekannter Adenomatosis auf.
hepatis. In der kontrastverstärkten CT Nachweis zahlreicher
hypervaskularisierter Adenome, teils mit hypodensem zen- Ein Übergang des Typ II in ein HCC ist histologisch
tralen Nabel. Verlagerung der großen Abdominalgefäße bei
Hepatomegalie
fließend. Daher ist eine sichere Differenzierung von
adenomatöser Hyperplasie und HCC auch histolo-
gisch oft nur eingeschränkt möglich.Als Auslöser der
Erkrankung gelten die zur Zirrhose führenden Fak-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie toren.
Nach Stellen der Verdachtsdiagnose in der Sonogra-
phie sollte eine Diagnosesicherung idealerweise mit- Klinische Symptomatik
tels MRT einschließlich fettgesättigter und dynami- Typische klinische Beschwerden sind bei der adeno-
scher kontrastverstärkter Sequenzen erfolgen. Steht matösen Hyperplasie nicht bekannt. Zumeist steht
die MRT nicht zur Verfügung, kann die Diagnose die Leberzirrhose bzw. deren Auslöser im Vorder-
auch mittels mehrphasiger CT (nativ, arteriell, venös) grund der Symptomatik.
gestellt werden. Die Spezifität der CT ist allerdings et-
was geringer als die der MRT. Radiologische Symptomatik
Eine adenomatöse Hyperplasie wird in der Bildge-
Merke ! Adenome sind benigne Lebertumo-
ren, die annähernd ausschließlich bei
bung zumeist zufällig im Rahmen der Abklärung
oder Verlaufskontrolle einer Leberzirrhose entdeckt.
Frauen im gebährfähigen Alter vorkommen. Ihre Dabei stellen sich die Herde in aller Regel echoarm in
Inzidenz ist mit der Einnahme von oralen Kontrazep- der Sonographie, hypodens in der CT sowie hyper-
tiva assoziiert. Typischerweise zeigt sich eine gut intens bzw. hypointens in T1- und T2-Wichtung der
abgrenzbare hypervaskularisierte und heterogene MRT dar. Nach Literaturangaben ist das Erschei-
Leberläsion. Fetteinlagerungen und Nekrosen sind nungsbild der dysplastischen Knoten jedoch bunt
häufig. Als typische Komplikationen gelten Einblu- und in vielen Fällen aufgrund der Inhomogenitäten
tungen und die Ruptur des Tumors. Die Diagnostik nur bedingt diagnostisch auswertbar (Abb. 7.140).
erfolgt günstigerweise mittels MRT. Abzugrenzen Nach Gabe extrazellulärer Kontrastmittel werden
sind insbesondere die adenomatöse Hyperplasie, die vergleichbare Enhancement-Muster in Sonographie,
FNH und das HCC. Die Prognose ist nach Absetzen CT und MRT beobachtet. So zeigen viele dysplasti-
der oralen Kontrazeptiva, nach medikamentöser sche Knoten keine wertbare Kontrastmittelaufnah-
oder operativer Therapie eines großen bzw. sympto- me. Insbesondere im Übergangsbereich zum HCC
matischen Adenoms normalerweise gut. werden jedoch auch deutliche Hyperperfusionen in
der arteriellen Kontrastmittelphase, analog zu klei-
Adenomatöse Hyperplasie nen HCC, beschrieben. Nach Applikation von organ-
spezifischen Kontrastmitteln kommen die Knoten
왔 Als adenomatöse Hyperplasie werden isointens zum umgebenden Lebergewebe zur Dar-
Definition
Knoten >1 cm im Durchmesser in der stellung.
Leber bezeichnet, die, im Rahmen der Regeneration, Katheterangiographie und nuklearmedizinische
in zirrhotisch umgewandelten Organen oder nach Verfahren spielen regelhaft keine Rolle in der Ab-
Leberzellnekrosen vorkommen. klärung dysplastischer Knoten. Wird die 99mTc-SC-
526 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Angiomyolipom
왔 Das Angiomyolipom der Leber ist ein
Definition
Abb. 7.140. Gut 2,5 Jahre altes Mädchen mit histologisch gesi- sehr seltener benigner hamartöser
cherter adenomatöser Hyperplasie nach Interferoneinnahme Tumor.
bei Hämangioendotheliose. Im B-Bild-Sonogramm Nachweis
eines unscharf begrenzten, iso- bis leicht hyperechogenen
Herdes dorsal im rechten Leberlappen (Pfeilspitze). Buntes Pathologisch-anatomische
Bild der Binnenstrukturen des Tumors und ätiologische Grundlagen
Neben der Niere ist die Leber die zweithäufigste Lo-
kalisation von Angiomyolipomen. Der rechte Leber-
Szintigraphie dennoch eingesetzt, finden sich ver- lappen ist häufiger als der linke betroffen. Ein gehäuf-
gleichbare Bildcharakteristika zur MRT mit organ- tes Auftreten bei Patienten mit tuberöser Sklerose ist
spezifischem Kontrastmittel. Die Akkumulation des beschrieben. Eine maligne Entartung ist nicht be-
Radiopharmakons im Knoten weist auf eine adeno- kannt.
matöse Hyperplasie, die verminderte bzw. fehlende Der mesenchymale Tumor enthält 10–90% fettige
Aktivitätsbelegung auf einen dysplastischen Knoten Anteile, glatte Muskelzellen, proliferierende Gefäß-
hin. strukturen und blutbildendes Mark. Meist ist er sin-
gulär und glatt begrenzt oder lobuliert. Seine Größe
Differenzialdiagnose variiert von wenigen Millimetern bis zu 30 cm.
Als wichtigste Differenzialdiagnose sind das HCC,
der Regeneratknoten in der Zirrhose und das Ade- Klinische Symptomatik
nom zu berücksichtigen. Letzteres weist, im Gegen- Dieser Tumor ist asymptomatisch und wird meist zu-
satz zum dysplastischen Knoten, jedoch in der Regel fällig entdeckt. Als Komplikation gilt die Tumorein-
keine Portalfelder auf und kann so differenziert blutung. Dann kann es zu rechtsseitigen Oberbauch-
werden. beschwerden kommen. Therapeutisch wird lediglich
bei der Einblutung eine Resektion ggf. eine Tumor-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie embolisation angestrebt.
Dysplastische Knoten lassen sich mit allen bildge-
benden Schnittbildverfahren darstellen. Eine Diffe- Radiologische Symptomatik
renzierung zum HCC ist jedoch in vielen Fällen nur Abhängig vom Fettgehalt stellt sich das Angiomyo-
histologisch und auch da nur eingeschränkt möglich. limpom in der Sonographie homogen oder heterogen
Neben der Sonographie ist – vor allem im Hinblick echoreich dar. Wenn die muskulären oder vaskulären
auf eine Leberzirrhose – die MRT, ggf ergänzt durch Anteile überwiegen bzw. Einblutungen vorhanden
die Applikation von organspezifischen Kontrastmit- sind, kann dieser Tumor heterogen und auch echo-
teln, der CT vorzuziehen. arm sein.
In der CT zeigt sich vor Kontrastmittelgabe eine
Merke ! Die adenomatöse Hyperplasie ist eine
Übergangsform im zirrhotischen
gut abgrenzbare Läsion mit heterogener Binnen-
struktur. Die Fettanteile sind dabei hypodens zum
Umbau der Leber zum HCC. Hinweisend auf die Dia- umgebenden Lebergewebe und weisen fettgewebs-
gnose sind >1 cm große, glatt begrenzte Knoten in- äquivalente Dichtewerte auf. Nach Kontrastmittel-
nerhalb der zirrhotisch veränderten Leber. Dabei gabe kommt es in der arteriellen Phase zu einer deut-
stellen sich die Knoten zumeist echoarm, hypodens lichen Kontrastmittelaufnahme in den Gefäß- und
bzw. hypointens in Sonographie, CT und MRT (T2- Muskelanteilen des Tumors. Dabei ist das Enhance-
7.5 Tumoren 527
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sind alle fokalen Leber-
läsionen, die Fett enthalten können, zu berücksichti-
gen. Wichtig sind dabei vor allem Lipome, die im Ge-
gensatz zu Angiomyolipomen jedoch keinerlei Kon- d
trastmittelaufnahme zeigen. Die fokale Verfettung
der Leber ist meist schlechter abgrenzbar, und die
normalen Lebergefäße verlaufen unauffällig inner-
halb der Verfettungszone. Adenom und FNH stellen
528 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
in der Regel gut abgrenzbare Läsionen, ggf. mit blastenreiche mesenchymale Bindegewebe besteht
Pseudokapsel und charakteristischem Enhancement hauptsächlich aus sauren Mukopolysacchariden. In-
auf kontrastverstärkten Bildern dar. Ausgeschlossen nerhalb des Stromas finden sich Gefäße, daneben di-
werden müssen das HCC, das ebenfalls Fett enthalten latierte, z. T. flüssigkeitgefüllte Lymphspalten, die
kann, und Metastasen von Teratomen oder Lipo- wässeriges oder gelantinöses Material beinhalten.
sarkomen. Erstere enthalten allerdings in der Regel Meist handelt es sich um eine gut abgrenzbare multi-
weniger Fett als Angiomyolipome, letztere weisen zystische Raumforderung, jedoch können mesenchy-
häufig Verkalkungen auf. male Hamartome auch völlig solide sein.
Inflammatorischer Pseudotumor
왔 Der inflammatorische Pseudotumor
Definition
der Leber ist eine primär gutartige
Raumforderung entzündlicher Genese, die einen
malignen Tumor innerhalb des Organs und im Be-
reich des Hilus vortäuschen kann.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Inflammatorische Pseudotumoren sind in jeder Lo-
kalisation selten und kommen bevorzugt in der Lun-
ge oder der Orbita vor. In der Leber sind bisher etwa
Abb. 7.142. Knapp 2 Jahre alter Junge mit histologisch gesi-
chertem mesenchymalem Hamartom. In der kontrastverstärk- 100 Fälle beschrieben. Männer sind 3-mal häufiger
ten CT Darstellung eines weitgehend hypodensen Tumors, der betroffen als Frauen. Das Prädilektionsalter der Er-
weite Teile des rechten und linken Leberlappens einnimmt. krankung liegt im mittleren Lebensalter. Allerdings
Deutliches Kontrastenhancement in den soliden Tumorantei- wurden auch Einzelfälle bei Kindern beschrieben.
len (Pfeil)
Die Ursache der Erkrankung ist bisher nicht be-
kannt. Neueren Arbeiten zufolge ist eine Mischinfek-
tion von Aktinomyzeten und Bakterien wahrschein-
Differenzialdiagnose lich. Zusätzlich wird eine virale Genese diskutiert.
Abzugrenzen sind vor allem andere primäre Leber- Bisher konnte auch die hauptsächliche Gewebskom-
tumoren des Kindesalters wie Hepatoblastom, undif- ponente nicht eindeutig festgestellt werden. Disku-
ferenziertes embryonales Sarkom und HCC. tiert werden follikuläre Retikulumzellen, Plasma-
zellen und Myofibroblasten.
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Makroskopisch sind die Tumoren in der Regel
Nach der initialen Sonographie einschließlich Farb- umschrieben, jedoch ohne Kapsel und kommen be-
dopplersonographie sollte eine MRT mit dynami- vorzugt im rechten Leberlappen oder im Leberhilus
scher Kontrastmittelapplikation erfolgen. Steht die vor. Das histologische Bild ist variantenreich, weist
MRT nicht zur Verfügung, kann die Abklärung auch jedoch neben polygonalen Plasmazellen typischer-
mittels kontrastverstärkter CT erfolgen. Da jedoch weise Spindelzellen, Makrophagen und eosinophile
durch kein bildgebendes Verfahren die Diagnose Granulozyten auf. Eine Infiltration in das umgebende
sicher gestellt werden kann, erfolgt immer eine Lebergewebe findet nicht statt, sodass mikroskopisch
offene Biopsie. Zeichen der Druckatrophie an benachbarten Zell-
bälkchen und Gefäßen nachweisbar sind.
Merke ! Das mesenchymale Hamartom ist ein
relativ häufiger benigner Lebertumor Klinische Symptomatik
im Kindesalter und tritt vor allem bei Jungen bis zum Die klinische Symptomatik ist unspezifisch, weist je-
3. Lebensjahr auf. Im typischen Fall handelt es sich doch auf einen entzündlichen Prozess der Leber hin.
um eine multizystische septierte Raumforderung mit So werden rezidivierende unklare Fieberschübe, teils
Weichgewebeanteil, wobei eine dominierende Zyste Schüttelfrost, rechtsseitige Oberbauchbeschwerden
vorhanden ist. Neben der Sonographie kommt im und allgemeines Unwohlsein beobachtet. Auch spe-
Rahmen der Abklärung vor allem die MRT mit Kon- zielle laborchemische Veränderungen sind bisher
trastmittelgabe zum Einsatz. Der Übergang in ein nicht beschrieben, eine Erhöhung organspezifischer
undifferenziertes embryonales Sarkom ist in eini- Tumormarker ist nicht festzustellen.
gen wenigen Fällen dokumentiert. Nach Diagnose- Therapeutisch stellt, neben der Steroidbehand-
sicherung durch Biopsie ist die Therapie aufgrund lung, die Resektion die Methode der ersten Wahl dar.
der hohen Spontanremissionsrate konservativ. Abzu- Über antibiotische, chemotherapeutische oder radio-
grenzen sind andere primäre Lebertumoren des Kin- gene Behandlungsverläufe liegen lediglich Einzel-
desalters, insbesondere das Hepatoblastom und das berichte vor. Daneben sind Spontanremissionen be-
undifferenzierte embryonale Sarkom. schrieben.
530 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Tabelle 7.15. Histologische Untergruppen des HCC. (Nach An- Tabelle 7.16. TNM-Klassifikation der Tumoren von Leber und
thony 1994 und Hirohashi et al. 2000) intrahepatischen Gallengängen. (Nach UICC 2002)
Fernmetastasen (M)
Mx Fernmetastasen nicht beurteilbar
M0 Keine Fernmetastasen nachweisbar
M1 Fernmetastasen
Differenzialdiagnose
Als wichtigste Differenzialdiagnosen sind das HCC,
die FNH, das Riesenhämangiom und das CCC anzu-
sehen.
Hepatoblastom
왔 Das Hepatoblastom ist ein seltener,
Definition
bösartiger embryonaler Lebertumor,
der sich von den Leberstammzellen herleitet.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Trotz seines seltenen Auftretens ist das Hepatoblas-
tom der häufigste maligne Lebertumor und nach
dem Wilms-Tumor und dem Neuroblastom der dritt-
c häufigste intraabdominelle maligne Tumor im Kin-
desalter. Jungen sind etwa 2- bis 3-mal häufiger be-
Abb. 7.149 a–c. 12-jähriger Junge mit fibrolamellärem Karzi-
nom. a In der kontrastverstärkten CT in der portalvenösen troffen als Mädchen. Der Tumor tritt vorwiegend
Phase gute Abgrenzbarkeit des im rechten und linken Leber- unifokal bei Kindern unter 3 Jahren auf. Als Risiko-
lappen gelegenen Tumors. Sternförmige Narbe ohne KM-Auf- faktoren gelten u. a. das Beckwith-Wiedemann-Syn-
nahme (Pfeil). b, c Axiale MRT-Bilder in T1-Wichtung nach drom, die Hemihypertrophie, die Alkoholfetopathie,
KM-Applikation und nativ T2-Wichtung. Gute Abgrenzbarkeit
des Tumors und signalarme Darstellung des Zentrums in T1- das Gardner-Syndrom, die Glykogenose Typ I, die
und T2-Wichung (Pfeile). Hier kein Kontrastenhancement familiäre Polyposis coli und die Gallengangsatresie.
Die genaue Ätiologie der Hepatoblastome ist un-
bekannt. Sie gelten als embryonale, d. h. pränatal de-
terminierte Tumoren. Ihre Entstehung aus primiti-
vem Leberblastem gilt als gesichert. Histologisch ist
das Hepatoblastom aus einer epithelialen und me-
senchymalen Komponente aufgebaut und entspricht
7.5 Tumoren 539
Tabelle 7.19. Stadieneinteilung des Hepatoblastoms nach der Hepatoblastome kommen in etwa 56% der Fälle vor.
Children’s Cancer Study Group Diese Patienten werden primär einer Chemotherapie
Stadium Ausdehnung/Resektabilität unterzogen. Unter Umständen ist eine Lebertrans-
plantation zu erwägen.
I Tumor komplett resezierbar
IIA Tumor komplett resezierbar Radiologische Symptomatik
nach neoadjuvanter Chemo- Auf konventionellen Abdomenübersichtsaufnahmen
oder Strahlentherapie können eine Hepatomegalie und Verkalkungen hin-
IIB Tumor makroskopisch komplett resezierbar, weisend auf ein Hepatoblastom sein.
jedoch lokale mikroskopische Tumorresiduen
In der Sonographie ist der Tumor in der Regel in-
IIIA Großer Primärtumor mit Befall beider Leber- homogen und etwas echoreicher als das umgebende
lappen, keine komplette Tumorresektion
Lebergewebe. Bedingt durch Nekrosen und Einblu-
IIIB Zusätzlich zu IIIA lokoregionale tungen kann es zur Darstellung hypoechogener oder
Lymphknotenmetastasen
echofreier Areale kommen (Abb. 7.150 a). Verkal-
IV Fernmetastasen, unabhängig von der
Ausdehnung des Primärtumors
kungen treten meist infolge einer Chemotherapie
auf und können nur bei entsprechender Größe detek-
tiert werden. Infiltrationen in vaskuläre Leitstruktu-
ren der Leber können anhand veränderter Fluss-
muster in der Farbdopplersonographie erfasst wer-
den. Neben der Primärdiagnostik haben die sonogra-
somit einem embryonalen Lebermischtumor. Die
Metastasierung erfolgt am häufigsten in die Lunge, in
abdominelle Lymphknoten und in das ZNS.
Die Hepatoblastome sind häufiger im rechten als
im linken Leberlappen lokalisiert, kommen aber in
etwa einem Drittel der Fälle auch als multifokale Lä-
sionen in beiden Leberlappen vor. In der Regel han-
delt es sich um einen solitären, gut abgrenzbaren Tu-
mor mit einer Pseudokapsel, der zur Infiltration in
das Pfortadersystem und die Lebervenen neigt und
Verkalkungen aufweisen kann.
Zum Staging findet die Klassifikation der primä-
ren intrahepatischen Lebertumoren analog Anwen-
dung (vgl. Tabelle 7.16, Tabelle 7.17). Eine Stadienein-
a
teilung des Hepatoblastoms nach chirurgischen und
hieraus resultierenden prognostischen Kriterien, die
auf den Studien der „Children’s Cancer Study Group“
basieren, ist in der Tabelle 7.19 dargestellt.
Klinische Symptomatik
Klinisch fallen Hepatoblastome meist als zufällig ge-
tastete Resistenz auf. Beeinträchtigte Leberfunktion
mit Ikterus, erhöhte Transaminasen im Serum und
Blutungsneigung spielen in der Regel keine Rolle.
Bei Patienten mit fortgeschrittenem Tumorleiden
können Anorexie, Gewichtsverlust, Erbrechen und
Bauchschmerzen sowie gelegentlich auch Fieber
beobachtet werden.
Als spezifisch ist eine Erhöhung des Tumormar- b
kers AFP im Serum anzusehen. Typischerweise liegen
Abb. 7.150 a, b. Knapp einjähriger männlicher Säugling mit
die AFP-Werte zwischen 1000 und 100.000 ng/ml. Das unifokalem Hepatoblastom.a Im B-Bild-Sonogramm gemisch-
AFP hat außerdem eine wesentliche Bedeutung als te Binnenstruktur des Tumors bei guter Abgrenzbarkeit zum
Verlaufsparameter im Rahmen der neoadjuvanten umgebenden Lebergewebe. b Die kontrastverstärkte CT in der
Chemotherapie. portalvenösen Phase zeigt einen weitgehend zystischen Tumor
mit paramedian gelegenen soliden Anteilen. Hier Infiltration
Die operative Entfernung des Hepatoblastoms per continuitatem in die mittlere Lebervene und die V. cava
ist die Therapie der Wahl. Primär nicht resezierbare inferior (Pfeil)
540 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sollten, neben dem HCC,
vor allem das undifferenzierte embryonale Sarkom,
das mesenchymale Hamartom und das embryonale
Rhabdomyosarkom in Betracht gezogen werden.
Vom sehr seltenen hepatischen Teratom sind bislang
24 Fälle in der Literatur beschrieben.
b
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Abb. 7.151 a, b. 2 1/2-jähriges Mädchen mit bekanntem multi- Die Sonographie einschließlich Farbdopplersono-
fokalen Hepatoblastom. a In der kontrastverstärkten CT
Nachweis zahlreicher, teils konfluierender Herde vor allem im graphie ist die Methode der Wahl zur Erstdiagnose.
rechten Leberlappen. Intratumorale Verkalkungen (Pfeil). Für die Therapieplanung sollte eine MRT einschließ-
b Diffuses und unregelmäßiges Enhancement in den verschie- lich angiographischer Sequenzen für die Beurteilung
denen Tumorarealen in T1-Wichtung nach KM-Gabe
des Gefäßstatus erfolgen. Lässt sich der exakte Bezug
des Tumors zu den Gefäßen aus der MRT nicht er-
schließen, muss eine biphasische CT in arterieller
phischen Verfahren große Bedeutung in der Verlaufs- und portalvenöser Kontrastmittelperfusionsphase
kontrolle einer neoadjuvanten Chemotherapie und angeschlossen werden.
postoperativ.
Mittels Nativ-CT lassen sich Hepatoblastome hy-
podens, selten isodens im Vergleich zum gesunden
Merke ! Das Hepatoblastom ist der häufigste
maligne Lebertumor im Kindesalter
Lebergewebe darstellen. Nekrosen und Einblutungen und tritt meist bei Kindern unter 3 Jahren auf. Neben
führen zu einem inhomogenen Binnenmuster. Etwa der Bildgebung erfolgt immer eine offene bioptische
in der Hälfte der Fälle sind Verkalkungen nachweis- Abklärung. Da die operative Entfernung des Hepa-
bar. Nach Kontrastmittelgabe zeigt sich eine inhomo- toblastoms die Therapie der Wahl ist, muss mittels
gene Kontrastmittelaufnahme mit randständigem bildgebender Verfahren vor allem der komplette Ge-
Kontrastmittel-Enhancement. Der Tumor nimmt fäßstatus und der Bezug des Tumors zu den anatomi-
aufgrund seiner Zusammensetzung in der Regel schen Leitstrukturen evaluiert werden. Dies ge-
weniger Kontrastmittel auf als das umgebende schieht durch Sonographie und MRT mit angiogra-
Lebergewebe. Nur in seltenen Fällen ist ein kräfti- phischen Sequenzen, ggf. ergänzt durch die CT mit
ges Binnen-Enhancement nachweisbar (Abb. 7.150 b, CTA. Primär nicht resezierbare Hepatoblastome
Abb. 7.151 a). Eine für die Operation entscheidende werden einer Chemotherapie unterzogen und wenn
Beurteilung des Gefäßstatus ist mit Hilfe von MIP- möglich anschließend operiert. Eventuell kann eine
Rekonstruktionen aus arteriellen und venösen Lebertransplantation die letzte Option sein.
MSCT-Datensätzen möglich.
7.5 Tumoren 541
Cholangiozelluläres Karzinom (CCC) metastasiert früher als das HCC, und zwar lympho-
gen (70%) und erst zuletzt hämatogen. Daher besteht
왔 Das CCC ist ein maligner Tumor, zum Zeitpunkt der Diagnose meist eine intrahepati-
Definition
der von den intrahepatischen Gallen- sche Cholestase durch Kompression der zentralen
gangsepithelien ausgeht. Gallengänge sowie eine portale Lymphknotenmetas-
tasierung. Laborchemisch ist zumeist das CEA er-
Synonyme: intrahepatisches Cholangiokarzinom und höht, während das AFP keine Rolle spielt.
peripheres Cholangiokarzinom. Therapeutisch wird versucht, den betroffenen Le-
berabschnitt zu resezieren. Gegebenenfalls ist auch
Pathologisch-anatomische eine Lebertransplantation anzustreben. Nur im palli-
und ätiologische Grundlagen ativen Fall erfolgt eine Ableitung per ERC/PTC.
Etwa 20% aller malignen Lebertumoren entfallen auf
das CCC. Außer in Südostasien ist es damit deutlich Radiologische Symptomatik
seltener als das HCC. Hauptmanifestationsalter ist Sonographisch erkennt man das CCC als unregel-
die 6. Lebensdekade. Frauen und Männer sind gleich mäßig begrenzte, meist inhomogene Raumforderung
häufig betroffen. in der Leberperipherie. Sie ist in den meisten Fällen
Die hohe Inzidenz in Südostasien geht vor allem (75%) hyperechogen und nur in wenigen Fällen
auf eine Infestation mit Leberegeln (Clonorchis (15%) hypo- oder isoechogen. Die betroffenen intra-
sinensis) mit nachfolgender parasitärer Cholangitis hepatischen Gallengänge imponieren erweitert und
und Obstruktion der kleinen intrahepatischen Gal- können Steine oder echofreies Muzin enthalten.
lengänge zurück. Diese gilt ebenso als Präkanzerose Computertomographisch stellt sich das CCC nativ
wie die PSC und die PBC. Als weitere Risikofaktoren als weitgehend homogene intrahepatische Raumfor-
gelten Aflatoxin, anabole Steroide, Thorotrast, intra- derung mit lobuliertem Rand, vereinzelten Verkal-
hepatische Gallensteine (besonders in Japan), Chole- kungen (18%) und unter Umständen hypodensen
dochuszysten sowie die Colitis ulcerosa. Im Gegen- Satellitenherden (65%) dar. Nach Kontrastmittelgabe
satz zum HCC besteht kein kausaler Zusammenhang kommt es in der arteriellen Perfusionsphase zu ei-
mit der nutritiv-toxisch oder viral (HBV/HCV) indu- nem deutlichen Enhancement der Randbegrenzung
zierten Leberzirrhose. des Tumors. Seine Hauptmasse nimmt hingegen
Makroskopisch unterscheidet man beim CCC den langsam von innen nach außen Kontrastmittel auf. In
peripheren vom zentralhilären Typ (Klatskin-Tumor). annähernd 75% der Fälle findet sich das maximale
Letzterer wird bei den Gallenwegstumoren behan- Enhancement erst in einer Spätphase und deutlich
delt. Ähnlich wie beim HCC zeigt der Tumor ein kno- verzögert gegenüber dem umgebenden Lebergewe-
tiges oder diffuses Wachstum, wobei die Schnittflä- be. Dies wird auf den erhöhten Gehalt an fibrösen
che durch den großen Bindegewebsgehalt derb-weiß- Strukturen im Stroma des Tumors zurückgeführt. Ei-
lich erscheint. Histologisch handelt es sich in der ne Dilatation der vorgeschalteten Gallengänge findet
Regel um gut differenzierte, stark sklerosierende sich insbesondere beim rein intraluminalen Wachs-
Adenokarzinome. Ausgangszelle des Tumors dürfte tum. Liegt eine hauptsächlich extraduktale Infiltra-
die bipotente Vorläuferzelle der Periportalzone sein. tion vor, so erkennt man eine Kompression der be-
Die kubisch-zylindrischen Tumorzellen ahmen gal- troffenen Gallengänge ohne eigentlichen intralumi-
lengangsartige tubuläre Formationen nach, die in nalen Tumornachweis (Abb. 7.152 a).
einem gefäßarmen Stroma eingebettet sind. Die Tu- In der MRT dokumentiert sich das CCC als hetero-
morzellen können Schleim bilden und exprimieren gene hypointense Formation in T1-Wichtung und
immunhistochemisch im Gegensatz zu den Hepato- randständig hyperintens mit hypointensem Zentrum
zyten das hochmolekulare Zytokeratin CK-19. in T2-Wichtung (Abb. 7.152 b, Abb. 7.153 a). Nach
Zum Staging des intrahepatischen CCC kommen Kontrastmittelgabe mit Gadolinium-Chelaten zeigt
die TNM-Klassifikation und die Stadieneinteilung, sich ein vergleichbares Enhancement zur CT mit
die für alle intrahepatischen primären Lebertumoren vermehrter Kontrastmittelanreicherung in der Spät-
Verwendung findet, analog zur Anwendung (vgl. Ta- phase. Im Falle einer Infiltration in die Umgebung
belle 7.16, Tabelle 7.17). kann die Gabe von SPIO-haltigen Kontrastmitteln
diagnostisch hilfreich sein (Abb. 7.153 b). Mit der
Klinische Symptomatik MRC lässt sich die Lokalisation des Tumors und
Das CCC wächst langsam und ruft wegen seiner der Grad der Einengung der intrahepatischen Gal-
meist peripheren Lokalisation erst spät unspezifische lengänge meist exakt lokalisieren. Der Nachweis
klinische Symptome wie Oberbauchschmerzen, Ap- eines rein intraduktal sich entwickelnden Tumors
petitlosigkeit, Gewichtsabnahme und Ikterus hervor. gelingt aber auch in der MRT mit MRC nur in Aus-
Der Tumor breitet sich zunächst intrahepatisch aus, nahmefällen.
542 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
a
a
riell, portalvenös, spät) entweder in der CT oder in thelzellen austapeziert sind. Das Wachstumsmuster
der MRT. Für die Lokalisation des intraduktalen Tu- des Angiosarkoms kann sowohl solitär, multinodulär,
morbefalls wird neben der MRC in Zweifelsfällen das gemischt in Form einer großen Raumforderung mit
direkte Verfahren der ERC/PTC eingesetzt – dann al- Satelliten oder diffus infiltrierend sein. In der Mehr-
lerdings mit dem Ziel der histologischen Sicherung zahl der Fälle (71%) liegt allerdings der multifokale
und ggf. Ableitung der obstruierten Gallenwegsab- bzw. multinoduläre Wachstumstyp vor. Bei schlechter
schnitte. Prognose kommt es schnell zur Metastasierung in
Milz, Lunge, Knochenmark, Lymphknoten der Leber-
Merke ! Das CCC ist ein von den intrahepati-
schen Gallengangsepithelien ausge-
pforte und Peritoneum. Zusätzlich werden eine Infil-
tration in die Pfortader und blutiger Aszites beobach-
hender maligner Tumor auf dem Boden einer stattge- tet. Im Serum ist die neuronenspezifische Enolase,
habten parasitären Cholangitis, einer PSC oder PBC. nicht aber das AFP erhöht.
Die klinischen Zeichen sind unspezifisch. Bildgebend Das Staging des Angiosarkoms der Leber erfolgt
richtungsweisend ist das vermehrte Kontrastmittel- nach der Klassifikation der Sarkome und in der Regel
Enhancement in der Spätphase der dynamischen nicht nach den Kriterien der intrahepatischen primä-
CT- bzw. MRT-Untersuchung. MRC und ggf. ERC/ ren Lebertumoren.
PTC lokalisieren den befallenen intrahepatischen
Gallengangsabschnitt. Therapeutisch wird die Leber- Klinische Symptomatik
teilresektion angestrebt. Ist diese nicht möglich, muss Die Patienten stellen sich mit Schwäche, Gewichts-
interventionell eine Ableitung des betroffenen Gal- verlust, Bauchschmerzen, Hepatomegalie, Ikterus
lenwegsabschnitts erreicht werden. oder Aszites vor. Im Tumor führen Thrombosen und
Einblutungen zu einem Verbrauch von Gerinnungs-
Angiosarkom faktoren. Daher findet sich in 62% der Fälle eine
Anämie, in 54% eine Thrombozytopenie und in 31%
왔 Das Angiosarkom ist ein sehr seltener eine disseminierte intravaskuläre Koagulopathie. In-
Definition
primärer maligner Lebertumor, der traabdominielle Blutungen stellen eine assoziierte
vom Gefäßendothel ausgeht. Komplikation dar.
Therapeutisch stehen die Resektion oder, bei der
Synonyme: Hämangiosarkom, hämangioendothelia- multifokalen Form, die systemische Chemotherapie
les Sarkom, Lymphangiosarkom und Kupffer-Zell- im Vordergrund.
Sarkom verwendet.
Radiologische Symptomatik
Pathologisch-anatomische Beruht die Entstehung des Angiosarkoms auf einer
und ätiologische Grundlagen Thorotrast-Applikation lassen sich in konventionel-
Das Angiosarkom stellt bis zu 2% aller malignen Le- len Abdomenübersichtsaufnahmen metalldichte Ver-
bertumoren, ist jedoch der häufigste mesenchymale schattungen in Projektion auf den Tumor in der Le-
Lebertumor. Es ist damit 30-mal seltener als das ber, auf die Milz und benachbarte Lymphknoten
HCC. Normalerweise tritt der Tumor zwischen dem nachweisen.
60. und 70 Lebensjahr auf. In seltenen Fällen kann er Sonographisch finden sich einzelne oder multiple
allerdings auch bei jüngeren Patienten und Kindern solide echoreiche Läsionen. Nach Einblutungen bzw.
beobachtet werden. in Nekrosen werden Inhomogenitäten und Auslö-
Als Prädisposition gelten die langjährige Exposi- schungen aufgrund des unterschiedlichen Alters der
tion mit Polyvinylchlorid (45-fach erhöhtes Risiko Veränderungen abgebildet. Die Applikation intra-
mit einer Latenzperiode von 4–28 Jahren) oder Ar- venösen Kontrastmittels lässt ein zur CT vergleich-
sen. Auch die vorausgegangene Applikation des Kon- bares Enhancement-Muster darstellen.
trastmittels Thorotrast (s. Abschn. 7.6.1.3) führt in In der Nativ-CT zeigen sich eine einzelne oder
7–10% mit einer Latenz von 15–24 Jahren zum multiple hypodense Läsionen, die im Falle von Ein-
Angiosarkom. Ebenso sind Kupferexposition, Radi- blutungen hyperdense Areale aufweisen. Thorotrast-
um, Zyklophosphamide und Anabolika sowie eine Ablagerungen sind als retikuläre Strukturen in der
Bestrahlung als Risikofaktoren für die Entstehung Leber, der Milz und in den mesenterialen und zölia-
eines Angiosarkoms. Eine häufige Koinzidenz be- kalen Lymphknoten zu erkennen. Dabei ist eine peri-
steht mit der Hämochromatose und der Neurofibro- phere und randständige Ablagerung des Thorotrasts
matose Typ I. in einem Tumorknoten charakteristisch. Nach intra-
Histologisch ist das Angiosarkom eine unscharfe, venöser Kontrastmittelgabe zeigt sich im typischen
oft schwammartige hämorrhargische Läsion aus ge- Fall ein inhomogenes Enhancement – vergleichbar
wucherten Gefäßspalten, die mit atypischen Endo- dem Hämangiom – mit knotigem Beginn am Rand
544 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Differenzialdiagnose
a Differenzialdiagnostisch müssen multiple Häman-
giome, hypervaskularisierte Lebermetastasen, das
multifokale HCC und gelegentlich Adenome bzw.
eine FNH vom Angiosarkom abgegrenzt werden. Bei
einem diffusen Befall kann das Bild auch dem einer
Peliosis hepatis ähnlich sein.
a 7.5.1.3
Sekundäre Tumoren der Leber
Unter sekundären Tumoren der Leber werden neben
Metastasen unterschiedlichster maligner Primarien,
der sekundäre Lymphombefall der Leber und das
lymphoproliferative Syndrom (s. Abschn. 7.6.2) sub-
sumiert.
Lebermetastasen
왔 Als Lebermetastasen werden die ma-
Definition
ligne Streuung und Ausbreitung von
extra- und intrahepatischen Primärtumoren in das
b Lebergewebe auf hämatogenem und lymphogenem
Wege bzw. per continuitatem bezeichnet.
Abb. 7.156 a, b. 6-jähriges Mädchen mit gesichertem undiffe-
renzierten Sarkom. a Das B-Bild-Sonogramm stellt eine große, Pathologisch-anatomische
allenfalls partiell zystisch imponierende Raumforderung im
dorsalen rechten Leberlappen dar (Pfeil). b Im kontrastver- und ätiologische Grundlagen
stärkten MRT-Bild in T1-Wichtung deutliches Enhancement Mit >95% Häufigkeit stellen Metastasen die größte
der soliden Anteile und gute Abgrenzbarkeit der vorwiegend Gruppe aller malignen Lebertumoren beim Erwach-
zystischen Areale senen dar und sind damit um ein Vielfaches häufiger
als primäre Lebermalignome. In Sektionsstatistiken
machen Metastasen >20% aller Lebertumoren bei
Tumorpatienten aus. Synchrone Lebermetastasen
finden sich bei 10–20% aller Patienten mit kolorekta-
Organspezifische MRT-Kontrastmittel kommen len Karzinomen. Die Leber ist damit neben den loko-
ebenso wie die Katheterangiographie und nuklear- regionalen Lymphknoten der häufigste Metastasie-
medizinische Verfahren nicht routinemäßig zur An- rungsort aller Malignome. In Europa und Nordame-
wendung. rika sind dabei die häufigsten Primärtumoren der
Metastasen in Kolon und Rektum lokalisiert (42%).
Differenzialdiagnose Etwas seltener sind sekundäre Manifestationen von
Gegenüber dem embryonalen Sarkom müssen ande- Tumoren des Bronchialsystems (13%), der Mamma
re zystische Tumoren des Kindesalters abgegrenzt (14%), endokriner und exokriner Organe (21%), des
werden. Wichtigste Differenzialdiagnosen sind je- Magens (23%) sowie der Leber selbst.
doch das mesenchymale Hamartom, das Hepatoblas- Im Kindesalter überwiegen primäre gegenüber
tom und das HCC. sekundären Lebertumoren. Vor allem im Alter unter
5 Jahren sind Lebermetastasen als Rarität anzusehen.
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Beim Kind stehen als Primärtumoren bei Leber-
Neben der primären Sonographie einschließlich metastasen Neuroblastome und Wilms-Tumoren im
Farbdopplersonographie sollte eine MRT einschließ- Vordergrund. Nur sehr selten kommt es in diesem Le-
lich dynamischer Kontrastmittelsequenzen erfolgen. bensalter zu Lebermetastasen anderer Primärherde.
Steht die MRT nicht zur Verfügung, empfiehlt sich ZNS-Tumoren metastasieren generell nicht in die Le-
alternativ eine biphasische CT in arterieller und ber. Als eine Sonderform des Säuglingsneuroblas-
portalvenöser Kontrastmittelperfusionsphase. toms ist das so genannte Stadium IV-S zu nennen, bei
548 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
dem eine diffuse Metastasierung in die Leber vor- Tabelle 7.20. Morphologische Muster häufiger Lebermetasta-
liegt, die jedoch unter Chemotherapie völlig ver- sen
schwinden kann. Vaskularität/Muster Primärtumor
Metastasen treten in der Regel multipel (>90%)
und nur selten solitär (2%) auf, wobei nach histologi- Hypovaskularisiert Kolon, Rektum, Magen,
schen Aufarbeitungen an Patienten mit gastrointesti- Pankreas (exokrin), Lunge,
Mamma
nalen Tumoren auf eine große Metastase (>1 cm)
durchschnittlich vier kleine Metastasen (<1 cm) ge- Hypervaskularisiert Niere, Karzinoid, Pankreasinsel-
zellen, Melanom, Schilddrüse,
funden werden. In Sammelstatistiken beträgt die Ovar, Sarkom, Nebenniere,
Größe von mehr als einem Drittel der Metastasen Chorion
<2 cm. Zystisch Ovar (muzinös), Kolon, Sarkom,
Betroffen sind zumeist beide Leberlappen (77%). Melanom, Lunge, Karzinoid
Bei isoliertem Befall überwiegen Herde im rechten Verkalkt Gastrointestinaltrakt (muzinös),
Leberlappen (20%) gegenüber dem linken (3%). Die Pankreas (endokrin), Sarkom,
hämatogene Ausbreitung gilt als Hauptursache der Melanom, Lymphom, Pleura-
mesotheliom, Neuroblastom,
Metastasierung maligner extrahepatischer Tumoren Mamma, Schilddrüse (medullär),
in die Leber. Für die gehäufte Metastasierung kolo- Niere, Lunge, Hoden
rektaler Karzinome in die Leber wird die portale Eingeblutet Kolon, Schilddrüse, Mamma,
Durchströmung der Leber mit Blut aus dem mesen- Chorion, Melanom, Niere
terialen Venenstromgebiet als ursächlich angesehen.
Insbesondere bei sehr kurzem Pfortaderhauptstamm
finden sich dabei Absiedelungen von Primärtumoren und hypovaskularisierte Metastasen, verkalkte, zysti-
des linken Hemikolons und Rektums vermehrt im sche und eingeblutete Metastasen unterschieden (Ta-
linken Leberlappen, aus dem Ileum und Colon ascen- belle 7.20). Mit deutlichen Einschränkungen können
dens gehäuft im rechten Leberlappen. Als Grund für hieraus Anhaltspunkte auf den Primärtumor gewon-
die bevorzugte Metastasierung von z. B.Aderhautme- nen werden. So stellen sich Absiedelungen der häufi-
lanomen in die Leber gilt demgegenüber die arteriel- gen Tumoren von Kolon und Rektum in der Regel
le Ausbreitung über die A. hepatica und ihre Äste. hypovaskularisiert dar. Metastasen von malignen
Melanomen, Nierenzellkarzinomen, hormonprodu-
Klinische Symptomatik zierenden Tumoren, Mammakarzinomen und eini-
Die frühzeitige und vollständige Diagnostik von Le- gen Sarkomen sind in der Regel hypervaskularisiert.
bermetastasen ist generell von entscheidender pro- Verkalkungen lassen sich bei 2–3% der Metastasen
gnostischer Bedeutung für den Patienten, unabhän- und insbesondere bei muzinösen und hormonakti-
gig von Lebensalter und Primärtumor. Dabei kann ven Primärtumoren nachweisen. Bei beiden Enti-
die klinische Symptomatik in der Regel nur einge- täten können allerdings auch zystische Metastasen
schränkte Hinweise liefern, da zumeist die Beschwer- beobachtet werden. Sekundärabsiedelungen von
den des Primärtumors im Vordergrund stehen. So Schilddrüsen-, Chorion- und Nierenkarzinomen wei-
klagen die Patienten, neben allgemeinem Krank- sen gelegentlich Einblutungen auf.
heitsgefühl, gelegentlich über unspezifische Ober- Mittels perkutaner Sonographie erscheinen Leber-
bauchbeschwerden. Als hinweisend gilt die zumeist metastasen als meist gut abgrenzbare, unregelmäßig
nachzuweisende Hepatomegalie (70%). Lediglich im begrenzte Herde. Ihr Binnenecho ist, abhängig von
Stadium der Metastasenleber geben der lokale Kap- ihrer Struktur, zystisch, echoarm, gemischt echogen
seldehnungsschmerz und ggf. der Verschlussikterus oder echoreich (Abb. 7.157, Abb. 7.158, Tabelle 7.21).
eindeutige klinische Anzeichen. Erschwert ist die Abgrenzung von Metastasen in
Laborchemisch finden sich zumeist (50–75%) er- einer Leber mit diffuser Schädigung (Verfettung,
höhte Enzymparameter. Der Befund kann aber auch Zirrhose, post Chemotherapie) durch eine Anglei-
bei bildgebendem Nachweis einer Lebermetastasie- chung der Echogenität von Herd und umgebendem
rung weitgehend unauffällig sein. Im Falle spezifi- Lebergewebe. Unter Umständen führt dies auch zu
scher Marker für den Primärtumor gilt ein Anstieg einer vollständigen Maskierung der Läsionen in der
im Verlauf als dringend verdächtig für einen Tumor- nativen Sonographie. Intravenöse Kontrastmittel er-
progress und ggf. eine Lebermetastasierung. lauben neben einer verbesserten Detektion auch eine
exaktere anatomische Zuordnung der Metastasen zu
Radiologische Symptomatik anatomischen Leitstrukturen. Die Beurteilung der
Nach ihrem Erscheinungsbild und ihrem Enhance- Vaskularisation der Läsion erlaubt eine Abgrenzung
ment nach intravenöser Applikation von extrazellu- von benignen Leberherden sowie, mit den genannten
lärem Kontrastmittel werden hypervaskularisierte Einschränkungen, Rückschlüsse auf den Primär-
7.5 Tumoren 549
b
b
Abb. 7.165. 28-jährige Patientin mit metastasiertem Gastri- Abb. 7.166. 54-jähriger Patient mit Lebermetastasen nach Ko-
nom. In der Katheterangiographie über den Truncus coeliacus lonkarzinom. Die Katheterangiographie über den Truncus
Nachweis multipler hypervaskularisierter Metastasen, teils mit coeliacus zeigt in der portalen Phase multiple Herde mit zen-
Einschmelzungen bzw. Nekrosen (Pfeile) traler Aussparung (Pfeile)
Therapiekonzepte, zur Planung bzw. Kontrolle loko- nommen. So stehen heute lokal ablative Verfahren
regionaler Therapieverfahren oder bei deutlich wie die Lasertherapie (LITT), die Radiofrequenzab-
vorgeschädigtem Organ im Rahmen einer diffusen lation und die verschiedensten Verfahren der loko-
Lebererkrankung. regionalen Chemo- und Strahlentherapie für neo-
Die Bedeutung klassischer nuklearmedizinischer adjuvante, adjuvante und palliative Konzepte zur
Verfahren in der Diagnostik von Lebermetastasen Verfügung.
ist heute begrenzt. So spielt die Blutpoolszintigra-
phie (99mTc-RBC-Szintigraphie) keine relevante Rolle Differenzialdiagnose
mehr. Zu den wichtigsten Differenzialdiagnosen sind gut-
Ein wichtiges Anwendungsgebiet ist allerdings die artige fokale Leberläsionen, insbesondere Zysten,
Somatostatinrezeptorszintigraphie im Rahmen von Hämangiome, FNH und Adenome zu zählen. Zusätz-
Diagnostik und Therapie von Lebermetastasen neu- lich müssen kleine primäre Malignome der Leber
roendokriner Tumoren. Vielversprechend sind die und Gallengangserweiterungen berücksichtigt wer-
ersten Ergebnisse der PET-CT in der Diagnostik von den.
Lebermetastasen. Bei weitgehender Verwendung von
FDG können neben der Primärdiagnostik vor allem Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
auch Verlaufsbeurteilungen nach operativen oder Als Untersuchungsmethode der ersten Wahl ist die
lokal ablativen Therapieverfahren zur Bestimmung Sonographie, ggf. ergänzt durch die kontrastver-
von Resttumoren oder Rezidiven erfolgen. In Kombi- stärkte Ultraschalluntersuchung anzusehen. Soll die
nation mit neuen, tumorspezifischen Tracern kann Abklärung der sonographisch diagnostizierten Le-
eine Erhöhung der diagnostischen Wertigkeit erwar- berläsionen im Rahmen des Stagings des Primär-
tet werden. tumors erfolgen, erscheint für die endgültige Charak-
Auch die Katheterangiographie hat ihre Bedeu- terisierung und Therapieplanung eine zweiphasige
tung für Nachweis und Charakterisierung von Leber- CT der Leber in arterieller und portalvenöser Kon-
metastasen weitestgehend verloren. Das Verfahren trastmittelperfusionsphase erforderlich. Diese sollte
findet weiterhin Anwendung im Rahmen der loko- durch Sekundärrekonstruktionen in koronarer und
regionalen Therapie von Lebermetastasen. Dabei sagittaler Schichtführung ergänzt werden. Ist ledig-
lässt sich der Vaskularisationsgrad der Herde direkt lich die Diagnostik der Leber zur Charakterisierung
bestimmen (Abb. 7.165, Abb. 7.166). und Therapieplanung der fokalen Läsionen geplant,
Die Bedeutung minimal-invasiver Verfahren in wird günstigerweise eine MRT nativ und in dynami-
den verschiedenen Phasen der Therapie von Leber- scher Sequenz, in Ausnahmefällen ergänzt durch die
metastasen hat in den letzten Jahren erheblich zuge- Gabe organspezifischen Kontrastmittels, durchge-
7.5 Tumoren 553
führt. Angiographische und nuklearmedizinische Auch die Hepatomegalie ist als alleiniges Kriterium
Verfahren kommen im Rahmen der lokoregionalen nicht ausreichend, da diese auch bei fehlendem se-
Therapie von Lebermetastasen zum Einsatz, spielen kundärem Organbefall auftritt. Ein zunehmender
in der alleinigen Diagnostik jedoch keine Rolle mehr. Milzbefall ist jedoch hinweisend auch auf einen se-
Die Wertigkeit der PET-CT in Diagnostik und Ver- kundären Befall der Leber im Rahmen eines Non-
laufskontrolle von Lebermetastasen erscheint viel- Hodgkin-Lymphoms.
versprechend, kann zum aktuellen Zeitpunkt jedoch
noch nicht abschließend beurteilt werden. Radiologische Symptomatik
Sonographisch lassen sich bei der miliaren und nodu-
Merke ! Lebermetastasen sind die häufigsten
malignen Leberläsionen des Erwach-
lären Form multiple, gut abgrenzbare echoarme Her-
de in der Leber nachweisen. Liegt ein diffuser sekun-
senen und älteren Kindes. Aufgrund ihres Erschei- därer Lymphombefall vor, ist eine Unterscheidung
nungsbildes in der bildgebenden Diagnostik kann von normalem oder durch diffusen Parenchymscha-
nur mit großen Einschränkungen auf den Primär- den verändertem Lebergewebe häufig nicht möglich.
tumor rückgeschlossen werden. Neben der Sono- Auch in der CT finden sich nativ bei der miliaren
graphie sind mehrphasige CT und MRT mit dynami- bzw. nodulären Form multiple gut abgrenzbare
scher Kontrastmittelsequenz die Untersuchungsme- hypodense Läsionen mit Größen von <1 mm bis
thoden der Wahl. Eine Beurteilung kann bei diffus mehrere Zentimeter. Ein diffuser Befall ist von
verändertem Lebergewebe der Umgebung erschwert einer Steatosis hepatis nicht zu unterscheiden. Nach
bis unmöglich sein. Neben fettgesättigten T2-gewich- Kontrastmittelgabe zeigen die fokalen Formen in
teten Sequenzen sind dabei T2*gewichtete Sequen- der portalvenösen Phase nur ein geringes Enhance-
zen nach Applikation von organspezifischem Kon- ment gegenüber dem umgebenden Lebergewebe
trastmittel auf Eisenbasis hilfreich. Lokoregionale (Abb. 7.167).
Therapieverfahren sind von zunehmender Bedeu- Analog zur CT dokumentiert sich der sekundäre
tung und werden in Kombination mit der Katheter- Lymphombefall in der Leber in der MRT bei den fo-
angiographie, CT und/oder MRT durchgeführt. kalen Formen mit gut abgrenzbaren, in T1-Wichtung
hypointensen, in T2-Wichtung hyperintensen Her-
Sekundärer Lymphombefall den. In der dynamischen Sequenz zeigen die Herde
nur ein geringes Enhancement. Insbesondere bei den
왔 Ein sekundärer Lymphombefall ist die diffusen Formen kann durch die Anwendung fettge-
Definition
Ausbreitung von malignem lymphati- sättigter Sequenzen in Einzelfällen eine Unterschei-
schen Gewebe von einem primär extraheptisch gele- dung zur Steatosis hepatis erfolgen.
genen Lymphom in die Leber.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Im Gegensatz zum primären Lymphom der Leber ist
der sekundäre Befall häufig. Aus Autopsiestatistiken
ist bekannt, dass etwa 60% der Hodgkin-Lymphom-
Patienten und etwa 50% der Non-Hodgkin-Lym-
phom-Patienten auch einen Leberbefall aufweisen.
Pathomorphologisch finden sich in der Frühform des
Lymphombefalls der Leber kleinste miliare Herde, in
der späteren Krankheitsphase multiple Knoten bzw.
eine diffuse lymphatische Infiltration. Als Ausgangs-
punkt des sekundären Befalls der Leber gilt der Le-
berhilus aufgrund des erhöhten Gehalts an lymphati-
schem Gewebe.
Klinische Symptomatik
Spezifische Symptome für einen sekundären Lym- Abb. 7.167. 54-jährige Patientin mit sekundärem Befall der
phombefall der Leber lassen sich nicht feststellen. Leber bei zentroblastischem Lymphom. In der arteriellen Pha-
Neben einem Druckgefühl im rechten Oberbauch se der kontrastverstärkten CT aufgespreizte zentrale Leberge-
fäße durch vermehrtes lymphatisches Gewebe (Pfeil). Multiple
durch die Hepatomegalie sind die Beschwerden der randständig hypervaskulariserte Knoten in beiden Leber-
Patienten uncharakteristisch bzw. von der Lokalisa- lappen (weiße Pfeilspitzen). Einzelne Herde auch in der Milz
tion des Primärbefall des Lymphoms dominiert. (schwarze Pfeilspitze)
554 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
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556 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
7.5.2 Gallenblasenadenom
Tumoren der Gallenblase und der Gallenwege
왔 Gutartige Neubildungen des Drüsen-
Definition
Auch die Tumoren der Gallenblase und der Gallen- epithels der Gallenblase werden als
wege werden nach pathologischen Kriterien gemäß Adenome bezeichnet.
der WHO-Klassifikation von 1994 beschrieben (Ta-
belle 7.22). Analog dem Vorgehen bei den Lebertu- Synonyme: Gallenblasenpolyp, Gallenblasenpapillom,
moren behandelt das nachfolgende Kapitel benigne adenomatöser Polyp, adenomatöses Papillom.
und maligne Tumoren zunächst der Gallenblase und
dann der Gallenwege entsprechend der Häufigkeiten Pathologisch-anatomische
ihres Auftretens. und ätiologische Grundlagen
Wie alle gutartigen Neubildungen der Gallenblase
7.5.2.1 sind auch Adenome sehr selten. Ihre Prävalenz liegt
Benigne Tumoren der Gallenblase bei 0,01–0,3%. In etwa 30% der untersuchten Fälle
Benigne Tumoren der Gallenblase und Gallenwege werden multiple Adenome beobachtet. Histopatholo-
sind im Vergleich zu Konkrementen sehr selten. Zu gisch werden tubuläre, papilläre und tubulopapilläre
ihnen zählen insbesondere Adenome und benigne Adenome unterschieden, die sich als gestielte oder
Wandhyperplasien der Gallenblase in Form der Ade- sessile Polypen darstellen. Die papilläre Wachstums-
nomyomatose und der Cholesterolose in unter- form wird dabei vermehrt in den Gallengängen
schiedlicher Ausprägung. nachgewiesen. Eine Rarität stellt das Fibroadenom
der Gallenblase dar.
Tabelle 7.22. Klassifikation der Tumoren von Gallenblase und extrahepatischen Gallengängen. (Nach Ishak et al. 1994)
Klinische Symptomatik
Die Patienten mit Adenomen der Gallenblase weisen
keine spezifischen klinischen Symptome auf. Meist
schildern die Patienten Beschwerden vergleichbar
zur Cholelithiasis mit rechtsseitigen Oberbauch- Abb. 7.168. 59-jährige Patientin mit rechtsseitigen Oberbauch-
beschwerden, Übelkeit und Brechreiz. In der Mehr- beschwerden. In der B-Bild-Sonographie Darstellung eines
zahl der Fälle wird die Diagnose allerdings zufällig sessilen, wandständigen Gallenblasenpolypen (Pfeil). Kein
Nachweis von Konkrementen
am Gallenblasenpräparat nach Cholezystektomie ge-
stellt.
Radiologische Symptomatik
In der perkutanen Sonographie lassen sich Gallenbla-
senadenome als wandständige, intraluminale, meist
echoreiche Raumforderungen nachweisen. Gegebe-
nenfalls kann durch Umlagerung des Patienten die
Unterscheidung zum singulären Gallenblasenkon-
krement erleichtert werden. Während das Konkre-
ment beim Umlagern seine Position zumeist gemäß
der Schwerkraft verändert, bleibt das Adenom statio-
när in seiner Lokalisation (Abb. 7.168, Abb. 7.169).
Die Unterscheidung zum Gallenblasenkarzinom ge-
lingt nur beim Nachweis der Infiltration in die umge-
bende Leber.
Mittels CT können Adenome als wandständige,
hyper- bis isodens zur umgebenden Gallenblasen-
wand sich darstellende, gut abgrenzbare intralumi-
nale Raumforderungen nachgewiesen werden. Ins-
besondere das Kontrastmittel-Enhancement erlaubt
eine Differenzierung von Konkrementen. Mittels
koronarer Sekundärrekonstruktionen lässt sich die
Diagnose aufgrund der räumlichen Zuordnung er-
härten.
Auch in der MRT erkennt man Gallenblasenade-
nome aufgrund ihrer morphologischen Konfigura-
tion, der Isointensität zur umgebenden Wand und am
Kontrastmittel-Enhancement. Die ergänzende MRC
erlaubt die zusätzliche Beurteilung der ableitenden
Abb. 7.169. 65-jähriger Patient mit Verdacht auf Cholelithia-
Gallenwege. sis. Das B-Bild-Sonogramm zeigt multiple, tubuläre wandstän-
Die intravenöse Cholangiographie spielt heute dige Gallenblasenpolypen (Pfeil). Kein Nachweis von Gallen-
lediglich noch in Ausnahmefällen eine Rolle in der blasenkonkrementen
Gallenblasendiagnostik. Wird sie durchgeführt, er-
558 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
kennt man das Adenom in Form einer wandständi- Synonyme: hyperplastische Cholezystose, Erdbeer-
gen Aussparung, zumeist jedoch nur bei Anwendung gallenblase, Cholesterolpolypose, Cholesteatose, Cho-
der konventionellen Tomographie. lesterinpolypen
Katheterangiographische und nuklearmedizini-
sche Verfahren kommen beim Gallenblasenadenom Pathologisch-anatomische
nicht primär zum Einsatz. Auch in der Unterschei- und ätiologische Grundlagen
dung zum Gallenblasenkarzinom ist der Stellenwert Bei der Adenomyomatose liegt neben den Ausstül-
etwa der PET-CT bisher nicht abschließend zu beur- pungen des Schleimhautepithels in Form intramura-
teilen. ler Divertikel, die als Rokitansky-Aschoff-Sinus be-
zeichnet werden, zusätzlich eine Verdickung der
Differenzialdiagnose Muskularis vor. Die Ätiologie der Erkrankung ist
Neben den Gallenblasenkonkrementen und der Cho- nicht bekannt. Ihre Inzidenz beträgt etwa 5% aller
lezystitis ist das Gallenblasenkarzinom die wichtigste Cholezystektomien. Das Altersmaximum liegt jen-
Differenzialdiagnose zum Adenom der Gallenblase. seits von 35 Jahren mit einer Bevorzugung des weib-
Dabei zeigen Konkremente in der Regel im Gegensatz lichen Geschlechts im Verhältnis 3:1. Zusätzliche
zu Adenomen eine Beweglichkeit innerhalb der Gal- Gallensteine lassen sich bei 25–75% der Patienten
lenblase beim Umlagern. Ein Gallenblasenkarzinom nachweisen. Eine vermehrte Cholesterinablagerung
kann nur histologisch mit Sicherheit ausgeschlossen in Form einer Cholesterolose findet sich bei knapp
werden. einem Drittel. Neben der diffusen Form der Adeno-
myomatose werden segmentale Formen unterschie-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie den. Diese können gehäuft lokalisiert im Fundus der
Da die Mehrzahl der Gallenblasenadenome zufällig Gallenblase als Adenomyome oder in jedem anderen
entdeckt werden, ist die perkutane Sonographie in Segment auftreten. Als Sonderform gilt die Lokalisa-
der Regel die erste und einzige Untersuchungsme- tion in der Fundusmitte mit Ausbildung der so ge-
thode. Lediglich in Einzelfällen kann eine zusätzliche nannten „Sanduhrgallenblase“.
MRC zur Beurteilung der Gallengänge ergänzende Auch bei der Cholesterolose wird eine seltene ge-
Information bringen. Werden CT und MRT im Rah- neralisierte Form von der mehr lokalisierten, gestiel-
men anderer abdomineller Fragestellungen durchge- ten Variante mit einer Häufigkeit von >90% unter-
führt, lassen sich Gallenblasenadenome zuverlässig schieden. Die generalisierte Form wird nach dem
nachweisen. Eine Indikation zu weiterer Schnittbild- morphologischen Bild der Gallenblase als „Erdbeer-
technik besteht vor allem bei fehlender Unterschei- gallenblase“ oder Lipidcholezystitis bezeichnet. Sie
dungsmöglichkeit zum Gallenblasenkarzinom. ist in der Mehrzahl der Fälle mit Cholesterinsteinen
vergesellschaftet, nicht jedoch mit erhöhten Choles-
Merke ! Das Gallenblasenadenom ist ein selte-
ner, von der Wand ausgehender gut-
terinwerten im peripheren Blut. Die lokalisierte
Form tritt als Cholesterinpolyp insbesondere im
artiger Tumor. Es wird häufig in Anlehnung an seine mittleren Drittel der Gallenblase auf. Dabei können
makroskopische Erscheinungsform als Gallenblasen- die Polypen eine Größe von 5–10 mm erreichen.
polyp oder Gallenblasenpapillom bezeichnet. Die
Mehrzahl der Adenome wird zufällig entdeckt, hin- Klinische Symptomatik
weisende klinische Symptome fehlen. Zur Abklärung Weder die Adenomyomatose noch die Cholesterolose
wird in der Regel die Sonographie herangezogen, zeigen eine typische klinische Symptomatik. Zumeist
lediglich in Zweifelsfällen ergänzt durch CT oder wird die Diagnose zufällig am Cholezystektomieprä-
MRT mit MRCP.Als wichtigste Differenzialdiagnosen parat gestellt. In Einzelfällen werden unspezifische
sind die Gallenkonkremente, die Cholezystitis und Beschwerden wie rechtsseitige Oberbauchschmerzen
das Gallenblasenkarzinom zu nennen. von den Patienten berichtet.
Differenzialdiagnose
Wichtige Differenzialdiagnosen sind sowohl bei der Enhancement diagnostisch hilfreiche Zusatzinfor-
Adenomyomatose als auch bei der Cholesterolose mationen gewonnen werden. Die intravenöse Chol-
die akute und chronische Cholezystitis, Gallenbla- angiographie wird heute nicht mehr regelhaft durch-
senkonkremente, das Gallenblasenkarzinom und die geführt, weist jedoch klassische und diagnostisch
Gallenblasenadenome in polypöser und papillärer wegweisende Bildkriterien auf.
Form.
bildgebend unterschieden werden. Differenzialdia- Über 80% aller Gallenblasenkarzinome sind Ade-
gnostisch sind neben den Gallenblasenkonkremen- nokarzinome. Daneben finden sich muzinöse Karzi-
ten vor allem adenomatöse Polypen und das Gallen- nome (5%), undifferenzierte Karzinome (10%) und
blasenkarzinom zu berücksichtigen. sehr selten u. a. Plattenepithelkarzinome, Siegelring-
zellkarzinome und adenosquamöse Karzinome. Bei
7.5.2.2 den Adenokarzinomen werden unterschiedliche his-
Maligne Tumoren der Gallenblase tologische Subgruppen wie tubuläre, papilläre, nodu-
läre und Mischformen unterschieden.
Gallenblasenkarzinom Histologisches Grading und mögliche Zellmeta-
plasie gelten als prognostisch relevant. So zeigen
왔 Primäre maligne Tumoren der Gal- hoch differenzierte Karzinome und Tumoren mit
Definition
lenblase sind fast ausschließlich Kar- nachgewiesener Metaplasie eine bessere Prognose als
zinome. Diese stellen die Mehrzahl aller malignen schlecht differenzierte Neoplasien mit zusätzlichem
Tumoren des biliären Systems dar und sind der fünft- Nachweis einer Cholelithiasis. Letztere Karzinom-
häufigste Tumor des Gastrointestinaltrakts. gruppe zeigt eine erhöhte Inzidenz zur Lymphkno-
tenmetastasierung und direkten Invasion in die Le-
Pathologisch-anatomische ber. Papilläre Karzinome tendieren geringer zur Infil-
und ätiologische Grundlagen tration der Leber per continuitatem oder zur meta-
Die Angaben über die Geschlechtsverteilung männ- statischen Absiedelung in regionäre Lymphknoten.
lich:weiblich beim Gallenblasenkarzinom schwanken Demgegenüber infiltrieren noduläre Adenokarzino-
zwischen 3:2,5 und 1:4. Bei Frauen stehen sie an 7., me frühzeitig in die Leber und die lokalen Lymph-
bei Männern an 10. Stelle der Karzinomhäufigkeit. knoten. Die infiltrative Ausbreitung erfolgt entlang
Gallenblasenkarzinome zeigen eine erhöhtes Auftre- des Ductus cysticus und des Ductus choledochus
ten im höheren Lebensalter mit einem Altersgipfel zum Leberhilus und zu den Lymphknoten nach pan-
bei etwa 70 Jahren. Die Inzidenz weist starke regiona- kreatikoduodenal sowie entlang der großen Gefäße
le Unterschiede mit vermehrtem Auftreten in Israel, nach paraaortal.
Lateinamerika und Nordjapan auf. Neben der Infiltration per continuitatem, die vor
Wichtigster ätiologischer Faktor für die Entste- allem auch auf die häufige Lokalisation des Tumors
hung eines Gallenblasenkarzinoms ist die Chole- im Bereich von Gallenblasenfundus und -infundibu-
zystolithiasis. Bei etwa 90% aller Gallenblasenkar- lum zurückzuführen ist, erfolgt eine metastatische
zinome lassen sich auch Gallenblasensteine finden. Absiedelung in die Leber über die Venen der Gallen-
In etwa 1% unter der Diagnose Cholezystolithiasis blase durch direkten Abstrom des Blutes in die intra-
operierter Patienten wird histologisch im Resek- hepatische Pfortader. Eine Differenzierung von loka-
tionspräparat ein okkultes Gallenblasenkarzinom ler Infiltration und hämatogener Metastasierung ist
nachgewiesen. Dennoch lässt sich bei konservativer jedoch schwierig. In 10–20% der Fälle findet sich
Behandlung des Gallensteinleidens keine erhöhte zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine Metasta-
Inzidenz von Gallenblasenkarzinomen dokumentie- sierung in die Peritonealhöhle, die Lunge oder knö-
ren. cherne Strukturen. Auf hämatogenem Weg werden
Neben der Cholezystolithiasis erscheinen die Nebennieren, Ovar und Milz befallen.
Größe der Gallenblase (>3 cm) mit einem 10-fach Analog anderen malignen Tumoren werden Gal-
höheren Karzinomrisiko, die verkalkte Gallenblasen- lenblasenkarzinome nach der TNM-Klassifikation
wand im Sinne der so genannten Porzellangallen- der UICC von 2002 eingeteilt (Tabelle 7.23). Daneben
blase mit einem Karzinomrisiko von 20–60% sowie findet, vor allem unter therapeutischen Gesichts-
Gallenblasenpolypen (>0,5 cm) als gesicherte Ur- punkten, die Stadieneinteilung der UICC Anwendung
sache für die Entstehung eines Gallenblasenkarzi- (Tabelle 7.24).
noms. Gleiches gilt für adenomatöse Polypen der
Gallenblase beim Peutz-Jeghers-Syndrom. Gesichert Klinische Symptomatik
scheint auch, dass die chronische Einwirkung von Die Patienten mit Gallenblasenkarzinomen zeigen in
Nitrosaminen und Azotulen bei Kautschukpflanzern der Regel lediglich uncharakteristische klinische
zu einer erhöhten Inzidenz von Gallenblasenkarzino- Symptome. Diese sind abdominelle Schmerzen mit
men führt. Über einen ursächlichen Zusammenhang Betonung des rechten oberen Quadranten (etwa
von Gallenblasenkarzinomentstehung und Anoma- 75%), Gallenkolik oder akute Cholezystitis (>50%),
lien des Gallengangs in Form eines so genannten Übelkeit und Erbrechen (>30%) und Gewichts-
„common channel“ bei Kindern wird diskutiert. verlust (>30%). Lediglich bei fortgeschrittenen Kar-
Häufiger entstehen dabei jedoch Gallengangskarzi- zinomen liegt ein Ikterus vor. Wegen der fehlenden
nome. charakteristischen Symptome werden 10–20% der
7.5 Tumoren 561
0 Tis N0 M0
IA T1 N0 M0
IB T2 N0 M0
IIA T3 N0 M0
IIB T1–T3 N1 M0
III T4 N0–N1 M0
IV T0–T4 N0–N1 M1
a b
c d
Abb. 7.173 a–e. 85-jähriger Patient mit Gallenblasenkarzinom. c Im transversalen MRT-Schnitt in T2-Wichtung Nachweis
a Koronare Sekundärrekonstruktion aus einem MSCT-Daten- multipler verkalkter Gallenblasenkonkremente (Pfeil) bei aus-
satz mit Dokumentation der Infiltration des Tumors (T) in den gedehnter Infiltration des Tumors (T) in die Leber. d Trans-
Leberhilus (Pfeil). Konsekutive erhebliche intrahepatische hepatisch eingelegte interne Drainage. Verwendung einer so
Cholestase. b Sagittale Rekonstruktion zu a: breite Infiltration genannten „Münchner Drainage“ mit perkutaner Spülmög-
des Tumors in das extrahepatische Gallenwegssystem (Pfeil). lichkeit
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
왔 Das Karzinomsarkom ist ein maligner
Definition
a Tumor der Gallenblase mit histolo-
gisch sowohl Karzinom- als auch Sarkomanteilen.
Klinische Symptomatik
Alle genannten seltenen Formen der primären malig-
b nen Tumoren der Gallenblase werden in der Regel
zufällig im Rahmen der Cholezystektomie entdeckt.
Abb. 7.174 a, b. 65-jährige Patientin mit Gallenblasenkarzi- Spezifische klinische Symptome sind somit nicht be-
nom. a In der ERCP tumortypische Füllungsaussparung am kannt. Zumeist entspricht das Beschwerdebild dem
Gallenblasenfundus (Pfeil). b Die Katheterangiographie zeigt
zahlreiche pathologische Gefäße am Gallenblasenfundus als einer Cholelithiasis bzw. ist unspezifisch mit Übel-
indirekten Tumorhinweis (Pfeil). Zusätzlich Cholezystolithia- keit, rechtsseitigem Oberbauchschmerz und Krank-
sis heitsgefühl.
7.5 Tumoren 565
die akute und chronische Cholezystitis sowie benig- machen lediglich 1% aller gastrointestinalen Lokali-
ne Tumoren der Gallenblase zu berücksichtigen. sationen aus. Die meisten Karzinoide produzieren
Serotonin, sie können allerdings auch andere Peptid-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie hormone wie Gastrin und Somatostatin bilden.
Neben der Sonographie ist eine weitere Beurteilung Bei nur langsamem Wachstum der Tumoren selbst
mit CT oder MRT erforderlich. Dabei sollten jeweils kommt es in der Regel früh zu Metastasierungen in
Sekundärrekonstruktionen zur Beurteilung der Ge- lokoregionale Lymphknoten und die Leber (Karzino-
fäßsituation und des Gallenwegssystems mit beur- idsyndrom).
teilt werden.
Klinische Symptomatik
Merke ! Zu den seltenen sekundären malignen
Tumoren der Gallenblase gehören
Analog den Gallenblasenadenomen zeigen auch
papilläre Adenome der Gallenwege in der Regel nur
neben Tumoreinbrüchen extrabiliärer Malignome in unspezifische klinische Symptome. Dies gilt in
die Gallenblase vor allem Metastasen unterschiedlich- gleicher Weise für den Granularzelltumor. Führen die
ster Primarien, jedoch insbesondere maligner Mela- Tumoren allerdings zu einer relevanten Stenosierung
nome. Häufig ist der Ausgangspunkt des infiltrativen des ableitenden Gallenwegssystems, stehen, abhängig
Wachstums erst histologisch festzustellen. Bei fehlen- von der Höhe der Einengung, die intra- bzw. extra-
der typischer klinischer Symptomatik erfolgt die Dia- hepatische Cholestase und der Verschlussikterus im
gnostik mittels Sonographie und CT oder MRT ein- Vordergrund. Bei den Karzinoiden richtet sich die
schließlich der Beurteilung des Gefäß- und Gallen- Symptomatik nach dem produzierten Hormon und
wegsstatus. Wichtigste Differenzialdiagnose ist das dem Vorliegen von Lebermetastasen. Letztere lösen
primäre Adenokarzinom der Gallenblase. häufig die typische Flush-Symptomatik aus.
Abb. 7.175 a, b.
67-jährige Patientin
mit schmerzlosem
Ikterus. a Die MRCP
zeigt neben einer in-
tra- und extrahepati-
schen Cholestase
eine querverlaufende
Raumforderung im
distalen Choledochus
(Pfeil). b Analoge Dar-
stellung zu a in der
ERC. Die dabei gewon-
nene Biopsie erbrachte
die Diagnose eines in-
traduktalen Papilloms
a b
Mittels direkter Darstellung der Gallenwege tisch erzwungen werden. Zu Nachweis und Lokalisa-
durch ERC/PTC ist neben der Lokalisation eines in- tion eines Karzinoids sollte, falls verfügbar, die Soma-
traduktalen Tumors in der Regel eines Histologiege- tostatinrezeptorszintigraphie eingesetzt werden.
winnung und ggf. die therapeutische Drainage mög-
lich (Abb. 7.175 b). Insbesondere zum Ausschluss 7.5.2.4
eines Gallenwegsmalignoms sollte die bioptische Maligne Tumoren der Gallenwege
Sicherung erzwungen werden. Bei den malignen Tumoren der Gallenwege werden
neben den primären Tumoren in sehr seltenen Fällen
Differenzialdiagnose sekundäre Tumoren der Gallenwege in Form von Tu-
Als wichtigste Differenzialdiagnose ist die Abgren- moreinbrüchen per continuitatem oder in Form von
zung von den malignen Tumoren der Gallenwege wie Metastasen unterschiedlichster Primarien beobach-
dem cholangiolären Gallenwegskarzinom anzuse- tet.
hen.
Cholangioläres Gallenwegskarzinom
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Auch bei den benignen Gallenwegstumoren stellt die 왔 Die häufigsten primären malignen
Definition
Sonographie die Ausgangsuntersuchung dar. Im Tumoren der Gallenwege sind chol-
Falle des Verdachts auf einen intraluminalen Tumor angioläre Adenokarzinome. Über Einzelfälle von
sollte die Ergänzung durch eine CT mit Sekundär- primären Leiomyosarkomen des Gallengangs wird
rekonstruktionen des Gallengangs oder MRT mit in der Literatur berichtet.
MRCP erfolgen. Beim Karzinoid ist die nuklearmedi-
zinische Lokalisationsdiagnostik mittels Somatosta- Pathologisch-anatomische
tinrezeptorszintigraphie vielversprechend. und ätiologische Grundlagen
Im Vergleich zu Gallenblasenkarzinomen sind Gal-
Merke !Sämtliche gutartige Gallenwegstumo-
ren sind selten. Papilläre Adenome,
lenwegskarzinome nochmals wesentlich seltener und
zeigen in Autopsien eine Rate von 0,01–0,5% zufällig
Granularzelltumoren und Karzinoide weisen häufig gefundener Tumoren. Anatomisch werden intra-
keine typischen klinischen Symptome auf und kön- hepatische (8–13%), hiläre (10–26%), proximale
nen auch bildgebend in vielen Fällen nur indirekt an- (15–30%) und distale (30–36%) Gallengangskarzi-
hand der Cholestase nachgewiesen werden. Wegen nome unterschieden. Die intrahepatischen chol-
der fehlenden Abgrenzbarkeit zum cholangiolären angiolären Karzinome, die den geringsten Anteil der
Gallenwegskarzinom muss die Diagnose häufig biop- Gallenwegskarzinome darstellen, werden bei den Le-
568 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
bertumoren mit behandelt (s. Abschn. 7.5.1.2). Die zinoms ist die Colitis ulcerosa, mit einer Inzidenz von
häufigste Gruppe der extrahepatischen Gallenwegs- 0,2–1,4%. Beide Patientengruppen weisen deutlich
karzinome stellen die hilären Tumoren mit etwa 70% jüngere Personen mit einem Altersgipfel in der 5. De-
der Fälle dar, gefolgt von den distalen Karzinomen. kade auf, sind also im Durchschnitt ungefähr 20 Jah-
Die früher unter dem Begriff „periampulläre Tu- re jünger als der typische Patient mit Gallenwegskar-
moren“ zusammengefassten Entitäten werden heute zinom.
den distalen Gallenwegskarzinomen, den Duodenal- Ähnlich wie für das HCC wurde auch für Gallen-
karzinomen bzw. den Pankreaskopfkarzinomen zu- wegskarzinome eine vermehrte Inzidenz nach Appli-
geordnet. Eine Klassifizierung ist jedoch häufig erst kation des Röntgenkontrastmittels Thorotrast ermit-
am Resektionspräparat möglich, da eine präoperati- telt. Der Zeitraum zwischen Exposition und Auftre-
ve Bestimmung des Ausgangsortes des Tumors nur ten des Tumors betrug etwa 35 Jahre. Wie auch beim
selten gelingt. Gallenblasenkarzinom gelten Nitrosamine, kanzero-
Ähnlich den Gallenblasenkarzinomen ist auch das gene Chemikalien und auch Östrogene und Proges-
Gallenwegskarzinom eine Erkrankung des höheren teron als prädisponierend für die Ausbildung eines
Lebensalters mit einem Altersgipfel ebenfalls bei Gallenwegskarzinoms.
etwa 70 Jahren. Die Inzidenz beträgt in den USA und Mehr als 95% aller Gallenwegskarzinome sind
Westeuropa etwa 1/100.000 Einwohner mit geringer histologisch Adenokarzinome. Wiederum werden
Bevorzugung des männlichen Geschlechts (Inzidenz- diffuse, noduläre und papilläre Subtypen unterschie-
rate männlich/weiblich 1,3:1). Wiederum finden sich den. Bei den nodulären Neoplasien dominieren dabei
in Israel und in Japan deutlich höhere Inzidenzraten histologisch fibröse Strukturen. Eine Differenzierung
als in Europa und Nordamerika. von benignen und malignen Veränderungen kann
Ätiologisch gesichert erscheint der Zusammen- insbesondere beim Vorliegen cholangitischer Verän-
hang zwischen biliärer Stase (mit und ohne Steinbil- derungen oder eines Steinleidens auch histologisch
dung), Infektion und der Entstehung eines Gallen- erschwert sein. Als Kriterien gelten unterschiedliche
wegskarzinoms. Gesicherte Daten liegen dabei zur Größe der Zellkerne, eine Erweiterung der Intrazyto-
Hepatolithiasis mit einer 5- bis 10%igen Wahrschein- plasmaräume und eine neurale Infiltration.
lichkeit zur Ausbildung eines Gallenwegskarzinoms Bei 15–30% der Patienten mit cholangiolären
vor. Häufige Ursache in Südostasien ist der Leber- Gallenwegskarzinomen finden sich zum Zeitpunkt
egelbefall mit Clonorchis sinensis und Opisthorchis der Diagnosestellung kleine Lebermetastasen oder
viverrini. Dabei führt der Befall mit Clonorchis si- eine Peritonealkarzinose. In Autopsiekollektiven
nensis in der Regel zu einem intrahepatischen Sitz wird über eine bis zu 80%ige Metastasierungsrate bei
des cholangiolären Karzinoms, die Besiedelung mit diesen Neoplasien berichtet.Am häufigsten betroffen
Opisthorchis viverrini zu einer peripheren Lokalisa- sind die regionären Lymphknoten, die Leber und
tion des Tumors. In experimentellen Studien konnte die Peritonealhöhle. Durch intraduktales und intra-
gezeigt werden, dass die Besiedelung mit den Para- murales Wachstum kommt es zu Absiedelungen in
siten zu einer adenomatösen Hyperplasie und dann Pfortader, Pankreas und Duodenum. Im Gegensatz
zum Karzinom der Gallenwege führen. Die beson- zum Gallenblasenkarzinom ist der metastatische Be-
ders hohe Inzidenz von Gallenwegskarzinomen in fall von Lunge und knöchernen Strukturen selten.
Thailand wird mit der Kombination des Leberegel- Auch die Karzinome der ableitenden Gallenwege
befalls mit einer nitrosaminreichen Kost erklärt. Eine werden nach der TNM-Klassifikation (Tabelle 7.25)
weitere Ursache für das gehäufte Auftreten dieses Tu- und der Stadieneinteilung (Tabelle 7.26) der UICC
mors in Südostasien stellt die vermehrte Ausbildung von 2002 eingeteilt. Nach therapeutischen Gesichts-
von Choledochuszysten und die kongenitale oder im punkten haben sich jedoch für die extrahepatischen
Rahmen eines Caroli-Syndroms auftretende Dilata- Gallenwegskarzinome 2 weitere Klassifikationen be-
tion des Gallenwegssystem dar. Wie bereits erwähnt, währt.
wird auch ein so genannter „common channel“ bei
∑ Es werden nach der Höhe der Lokalisation des Tu-
Kindern mit der gehäuften Entstehung von Gallen-
mors Karzinome des proximalen Drittels (Leber-
gangskarzinomen in Zusammenhang gebracht.
hilus- oder Klatskin-Tumoren) sowie
Eine wichtige Prädisposition zur Ausbildung eines
∑ Karzinome des mittleren bzw. distalen Drittels
Gallenwegskarzinoms ist die PSC. So findet sich bei
unterschieden.
etwa 40% der Patienten, die an einer PSC versterben,
in der Autopsie ein Gallenwegskarzinom. Bei 10–35% Dieser Einteilung kommt insbesondere zur Planung
der Patienten, die wegen einer PSC transplantiert des chirurgisch-therapeutischen Vorgehens eine ge-
werden, zeigt das explantierte Organ ebenfalls ein wisse Bedeutung zu. Für die Klassifikation der hilus-
Gallenwegskarzinom. Ein zweites Krankheitsbild mit nahen Tumoren des Gallenwegssystems hat sich nach
Prädisposition zur Ausbildung eines Gallenwegskar- der Erstbeschreibung durch Klatskin heute die Ein-
7.5 Tumoren 569
Tabelle 7.25. TNM-Klassifikation der extrahepatischen Gal- Tabelle 7.26. Stadieneinteilung der extrahepatischen Gallen-
lenwegstumoren. (Nach UICC 2002) wegstumoren. (Nach UICC 2002)
Klinische Symptomatik
Über 90% der Patienten mit cholangiolären Gallen- Mit Hilfe der Sonographie kann der resultierende,
wegskarzinomen fallen klinisch mit einem schmerz- zentral der Stenose gelegene Aufstau des ableitenden
losen Ikterus auf. Seltener liegen Gewichtsverlust, ei- Gallenwegssystems sowie die ungefähre Höhe der
ne schmerzhafte Hepatomegalie oder ein Pruritus Obstruktion dokumentiert werden. Dabei ist die
vor. Bei einer hilusnahen Tumorlokalisation besteht Treffsicherheit von der Größe des Tumors und seiner
in aller Regel eine ausgeprägte Cholestase. Zeichen Höhenlokalisation abhängig (Abb. 7.176 a, b). Der zu-
der Cholangitis finden sich, im Gegensatz zum Gal- sätzliche Einsatz der farbkodierten Dopplersonogra-
lenblasenkarzinom, regelhaft jedoch nicht. Tumor- phie dient der Abgrenzung einer möglichen Infiltra-
marker stellen nur ein unsicheres Diagnosekriterium tion in das arterielle bzw. portale Gefäßsystem bzw.
dar, da sie bei ausgeprägter Cholestase in ihrer Aus- das Lig. hepatoduodenale. Neuere Arbeiten berichten
sagekraft limitiert sind. über erste Erfolge mit 3D-Ultraschallverfahren zur
Verbesserung der Detektierbarkeit intraduktaler
Radiologische Symptomatik Karzinome sowie die verbesserte Darstellbarkeit
Beim malignen Gallenwegstumor sollen durch die luminaler Pathologien durch die intraduktale Sono-
bildgebende Diagnostik graphie.
Wie bereits beim Gallenblasenkarzinom beschrie-
∑ die Höhe der Obstruktion,
ben, erhöhen hochauflösende koronare und para-
∑ die Ausdehnung des Tumors entlang der Gallen-
koronare Sekundärrekonstruktionen aus MSCT-Da-
wege insbesondere intrahepatisch,
tensätzen die diagnostische Aussagekraft der CT vor
∑ die mögliche Operabilität und
allem in der Beurteilung der Gallengänge. So ist jetzt
∑ ein möglicher Zugang für die palliative Entlas-
nicht nur bei dilatiertem Gallenwegssystem der di-
tung des Gallenwegssystems
rekte Nachweis der Pathologie in den Gallengängen
dargestellt werden. möglich, da durch die komplette Erfassung mehrerer
570 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Radiologische Symptomatik Mittels MRT kann sowohl der Tumor selbst als iso-
Sonographisch findet sich beim Papillenkarzinom bis hypointens in T1- und T2-Wichtung mit deut-
eine Dilatation der intra- und extrahepatischen Gal- lichem Enhancement nach extrazellulärer Kontrast-
lenwege sowie des Pankreasgangs in kompletter Län- mittelgabe dokumentiert werden. Die Dilatation der
ge bis zum Duodenum („double duct sign“). Der Tu- Gallengänge und des Pankreasgangs wird in der
mor selbst kann nur bei ausreichender Größe direkt MRCP vollständig dargestellt.
dargestellt werden. Eine Unterscheidung zu einem Pankreaskopfkar-
In der CT lässt sich, insbesondere bei negativer zinom oder einem Duodenalkarzinom ist mit allen
oraler Kontrastmittelgabe im oberen Gastrointesti- Schnittbildverfahren nur bei ausreichender Größe
naltrakt, der Tumor in der Regel auch direkt darstel- des Tumors möglich.
len. Besonders günstig sind hierzu Sekundärrekon- Die direkten Verfahren der Gangdarstellung ERCP/
struktionen aus MSCT-Datensätzen, die zudem die PTC liefern ein Bild der dilatierten Gangsysteme. Al-
Dilatation der Gallenwege und des Pankreasgangs lerdings kann allein aufgrund der Gangbilder in der
zeigen. Insbesondere in der arteriellen Kontrastmit- Regel nicht ausreichend sicher auf den Ausgangsort
telperfusionsphase erkennt man dabei ein deutliches des Tumors geschlossen werden (Abb. 7.179 c). Selbst
Enhancement im Tumor. Zudem erlaubt die CT ein mittels makroskopischer Betrachtung durch das
komplettes Staging einschließlich Leber- und Lymph- Endoskop ist die anatomische Zuordnung häufig
knotenbeurteilung (Abb. 7.179 a, b). schwierig. Die Endosonographie erlaubt hingegen
zumeist eine eindeutige Bestimmung des Tumorur- leitet sich von der traubenförmigen Darstellung des
sprungs und gestattet zudem eine bioptische Siche- sarkomatösen Tumors sowohl in der bildgebenden
rung in gleicher Sitzung. Diagnostik als auch im pathologischen Präparat ab.
In ausgeprägten Fällen kann ein Papillenkarzinom
auch auf Durchleuchtungsaufnahmen des Duode- Pathologisch-anatomische
nums als solches erkannt werden. Allerdings ist auch und ätiologische Grundlagen
dabei eine sichere Differenzierung zu Pankreas- oder Das Sarcoma botryoides ist ein sehr seltener bösarti-
Duodenalkarzinomen zumeist nicht möglich. ger Tumor, der mesenchymalen Ursprungs ist. Er
Katheterangiographische oder nuklearmedizi- geht von der quergestreiften Muskulatur der intrahe-
nische Verfahren haben heute keine Bedeutung patischen Gallenwege, der Gallenblase, des Ductus
mehr beim Papillenkarzinom. Mögliche Vorteile der cysticus, der extrahepatischen Gallewege, der Am-
PET-CT können aktuell noch nicht bewertet werden. pulle oder einer Choledochuszyste aus. Das embryo-
nale Rhabdomyosarkom stellt neben der Choledo-
Differenzialdiagnose chuszyste die häufigste Ursache einer Gallenwegs-
Als wichtigste Differenzialdiagnosen zum Papillen- obstruktion beim Kleinkind dar und weist einen
karzinom sind das Papillenadenom, das Pankreas- Erkrankungsgipfel um das 3. Lebensjahr auf. Ein
karzinom, das Duodenalkarzinom, der mesenchyma- koinzidentales Auftreten mit Lipomen, kongenitalen
le Tumor der Papilla Vateri (z. B. ampulläres Schwan- Teratomen und benignen Teratomen im Rahmen ei-
nom) und das inkrustierte Konkrement mit entzünd- nes Endodermalsinus wird diskutiert, konnte bisher
lichem Pseudotumor zu berücksichtigen. jedoch nicht geklärt werden.
Pathomorphologisch finden sich ein intraduktal
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie gelegener, traubenförmig konfigurierter sarkoma-
Neben der primär durchgeführten Sonographie sollte töser Tumor und eine konsekutive intrahepatische
eine MRT mit MRCP oder eine biphasische MSCT mit Cholestase der leberwärts gerichteten Gallengänge.
Sekundärrekonstruktionen durchgeführt werden.Lässt
sich hiermit der Primärtumor nicht sicher lokalisie- Klinische Symptomatik
ren, erfolgt eine Endosonographie mit EUS-gesteuer- Die Kinder werden beim embryonalen Rhabdomyo-
ter Biopsie. Alternativ kann die histologische Siche- sarkom typischerweise durch einen Ikterus und ein
rung auch im Rahmen einer ERCP erreicht werden. ausladendes Abdomen auffällig. Manchmal stehen
aber auch unspezifische Beschwerden wie Schmer-
Merke ! Das Papillenkarzinom ist ein sehr sel-
tener Tumor ausgehend von der Papil-
zen, Übelkeit, Erbrechen oder Fieber im Vordergrund
der Symptomatik.
la Vateri. Bei meist uncharakteristischem klinischen
Beschwerdebild stehen die Symptome des Verschluss- Radiologische Symptomatik
ikterus im Vordergrund. In allen bildgebenden Ver- Bei allen Lokalisationen des embryonalen Rhabdo-
fahren findet sich das „double duct sign“ als Hinweis myosarkoms der Gallenwege findet sich in der Bild-
auf eine Stenose in der Papilla Vateri. Neben den in- gebung ein intra- bzw. intra- und extrahepatischer
direkten Zeichen stellen CT und MRT den Tumor zu- Ikterus. Während beim extrahepatischen Tumorsitz
meist auch direkt dar. Methode der Wahl ist jedoch der Nachweis der Raumforderung selbst in einem
die Endosonographie mit gleichzeitiger Möglichkeit Großteil der Fälle gelingt, ist dies bei einer intrahepa-
zur bioptischen Sicherung. Wichtigste Differenzial- tischen Lokalisation des Tumors in der Regel nicht
diagnosen sind das Pankreaskarzinom, das Duode- möglich. Zudem kann der Tumor bei intrahepati-
nalkarzinom, benigne Tumoren der Papille und der scher Lokalisation nicht von malignen Lebertumoren
entzündliche Pseudotumor bei inkrustiertem Papil- jeglicher Genese unterschieden werden.
lenkonkrement. Therapeutisch steht nach histologi- In der Sonographie findet sich beim Rhabdomyo-
scher Sicherung aktuell weiterhin die radikale Resek- sarkom der Gallengänge typischerweise eine Gallen-
tion mittels Whipple-Operation im Vordergrund, gangserweiterung und im Großteil der Fälle bei
auch wenn zunehmend über endoskopisch durch- entsprechendem Ausmaß von Cholestase und Tumor
geführte und lokal resektive Maßnahmen berichtet eine echoreiche intraduktale Raumforderung. Grö-
wird. ßere Tumoren zeigen eine traubenförmige Konfigu-
ration und können zystische bzw. nekrotische Antei-
Embryonales Rhabdomyosarkom le aufweisen (Abb. 7.180 a).
Computertomographisch findet sich, neben der
왔 Eine histologische Besonderheit stellt intrahepatischen Cholestase, ebenfalls eine intra-
Definition
das embryonale Rhabdomyosarkom duktale Masse. Diese zeigt eine deutliches, jedoch
der Gallenwege (Sarcoma botryoides) dar. Der Name inhomogenes Kontrastmittel-Enhancement in der
7.5 Tumoren 575
Differenzialdiagnose
Als wichtigste Differenzialdiagnosen sind neben gut-
artigen Gallenwegsveränderungen wie papilloma-
tösen und polypösen Adenomen, insbesondere bei
intrahepatischem Sitz der Raumforderung, Hepato-
blastom und undifferenziertes embryonales Sarkom
anzusehen.
Biliäres Zystadenokarzinom
arteriellen Phse und eine mäßige Hyperdensität ge-
genüber dem umliegenden Lebergewebe in der por- 왔 Das biliäre Zystadenokarzinom ist ein
Definition
talvenösen Phase. Eine Abgrenzung gelingt häufig sehr seltener, niedrig maligner bzw.
durch die umliegende hypodense Gallenflüssigkeit semimaligner Tumor der Gallengänge mit haupt-
im dilatierten Gangsystem (Abb. 7.180 b). sächlich intrahepatischem, äußerst selten extrahepa-
In der MRT zeigt sich ein hohes Signal des Tumors tischem Ausgangspunkt.
in der T2-Wichtung, ein niedriges Signal in der T1-
Wichtung mit einer inhomogenen Kontrastmittel- Pathologisch-anatomische
aufnahme. Mittels der MRCP können die intrahepati- und ätiologische Grundlagen
sche Dilatation und die Höhe der intraduktalen Raum- Der Tumor tritt hauptsächlich bei Frauen mittleren
forderung exakt bestimmt werden. Koronare T2-ge- Alters kaukasischer Rassezugehörigkeit auf. Das
wichtete Bilder in Dünnschichttechnik zeigen die weibliche Geschlecht ist 4-mal häufiger betroffen als
Traubenform der intraluminalen Raumforderung. das männliche.
Geht der Tumor allerdings von den kleinen Gal- Etwa 55% der Tumoren finden sich im rechten
lenwegen aus, kann er nicht von anderen malignen Leberlappen gegenüber etwa 29% im linken. Neben
kindlichen Lebertumoren unterschieden werden. dem in der Regel intrahepatischen Sitz der Läsion
Lediglich die direkte Cholangiographie als ERC/PTC (83%) sind deutlich seltener ein extrahepatisches
weist auch in diesem Fall den Tumor mit hoher Si- Vorkommen (13%) und lediglich als Rarität ein Aus-
cherheit nach. gangspunkt in der Gallenblase (0,02%) beschrieben.
576 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Klinische Symptomatik
Das klinische Erscheinungsbild sekundärer Maligno- Abb. 7.181. 83-jähriger Patient mit schmerzlosem Ikterus. In
me der Gallenwege ist zumeist unspezifisch und lässt der MRCP in Projektionstechnik ausgeprägte intrahepatische
eine Differenzierung zum primären Gallenwegsma- Cholestase mit Kalibersprung in Höhe der Hepatikusgabel
(Pfeil). Flüssigkeitsgefüllter Magen mit Abbruch der luminalen
lignom oder einer anderen Ursache der malignen Kontinuität im Antrum (Pfeilspitze). Endoskopisch und opera-
Gallenwegsobstruktion in der Regel nicht zu.Von den tiv Magenkarzinom T4 mit Infiltration in den Leberhilus ein-
Patienten werden uncharakteristische rechtsseitige schließlich des Ductus hepaticus communis
Oberbauchbeschwerden, allgemeines Krankheits-
gefühl und Übelkeit beschrieben. In fortgeschrittene-
ren Fällen liegt ein schmerzloser Ikterus vor.
tung der Gallenflüssigkeit in gleicher Sitzung ange-
Radiologische Symptomatik strebt.
Der sekundäre Malignombefall der Gallenwege lässt Andere bildgebende Verfahren spielen beim
sich mit bildgebenden Verfahren allenfalls anhand sekundären Malignombefall der Gallenwege keine
der Nebenbefunde als solcher vermuten. Eine sichere Rolle.
Unterscheidung zum primär von den Gallenwegen
ausgehenden Malignom ist nicht möglich. Differenzialdiagnose
Sonographisch zeigt sich neben der Cholestase Wichtigste Differenzialdiagnose des sekundären Ma-
in der Regel der extrabiliäre Tumor als echoarme lignombefalls der Gallenwege ist das primäre Gallen-
Raumforderung. Eine Differenzierung einer von wegsmalignom. Zusätzlich sind das Gallenblasenkar-
außen wirkenden Kompression und einer Infiltration zinom und benigne Ursachen der Cholestase auszu-
ist jedoch nur bei ausgedehnten Fällen möglich. schließen.
Auch mittels CT und MRT mit MRCP ist häufig
eine Unterscheidung von Ursache und Folge der ex- Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
trahepatischen Cholestase nur eingeschränkt mög- Da die Diagnose eines sekundären Malignombefalls
lich. Liegt allerdings ein ausgedehnter extrabiliärer der Gallenwege in der Regel im Rahmen des Stagings
Tumor mit entsprechender Metastasierung vor, lässt eines extrabiliären Tumors oder zufällig erfolgt, wer-
sich die Diagnose zumindest differenzialdiagnos- den Sonographie und CT oder MRT einschließlich
tisch vermuten (Abb. 7.181). In diesen Fällen findet MRCP gleichermaßen eingesetzt. In jedem Fall sollte
sich, unabhängig von der zugrunde liegenden histo- neben der Sonographie ein weiteres Schnittbildver-
logischen Formation, eine zumeist hypodense/hypo- fahren zur Beurteilung der benachbarten anatomi-
intense extrabiliäre Tumormasse mit deutlichem schen Leitstrukturen durchgeführt werden. Hiermit
Enhancement nach Kontrastmittelgabe. Zudem wer- können meist der exakte Ausgangspunkt des Tumor-
den eine intra- und extrahepatische Cholestase in der leidens bestimmt, ein Staging durchgeführt und die
MRCP und CT-Rekonstruktion sowie zumeist sekun- Prognose abgeschätzt werden. Bei inoperabler Situa-
däre Malignitätskriterien wie Lymphknoten- und tion und Vorliegen eines Verschlussikterus ist die zu-
Organmetastasen lokoregional und systemisch do- sätzliche Darstellung mittels ERC/PTC, in der Regel
kumentiert. mit gleichzeitig erfolgender Drainage, erforderlich.
Aufgrund des häufig fortgeschrittenen Stadiums
der Tumorerkrankung wird vermehrt unter thera-
peutischen Gesichtspunkten eine ERC/PTC durch- Merke !Der sekundäre Malignombefall des
Gallenwegssystems ist selten und in
geführt. Vor allem nach Operationen am oberen der Regel weder klinisch noch bildgebend vom pri-
Gastrointestinaltrakt ist zumeist nur ein transhepati- mären Gallengangsmalignom zu unterscheiden.
scher Zugang möglich. Dabei wird neben der Dia- Häufige Ursachen sind der Einbruch primärer Leber-
gnosesicherung immer eine therapeutische Ablei- malignome oder von Karzinomen des Magens,
578 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Duodenums oder des Pankreas. Sonographie, CT Masui T, Katayama M, Kobayashi S (2006) Magnetic resonance
und/oder MRT mit MRCP liefern einen Hinweis auf cholangiopancreatography: comparison of respiratory-
triggered three-dimensional fast-recovery fast spin-echo
den Primärtumor, dessen Ausdehnung und die Pro- with parallel imaging technique and breath-hold half-
gnose. Unter palliativen Gesichtspunkten ist häufig Fourier two-dimensional single-shot fast spin-echo tech-
die Anlage einer Gallenwegsdrainage mittels ERC/ nique. Radiat Med 24: 202–209
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7.6 Andere Erkrankungen 579
7.6.1.1
Steatose – portale Hypertension – Zirrhose
Steatosis hepatis
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Häufige Ursachen einer Steatose sind alimentäre
Fettsucht, Alkoholkonsum, Diabetes mellitus, Korti-
koidtherapie, Schwangerschaft und Aminosäureman-
gel. Ferner führt ein durch Gifte (z. B. Phosphor, Pil-
ze) ausgelöster Sauerstoffmangel in den die Zellen-
Abb. 7.182. 56-jähriger Patient mit bekannter alkoholindu-
ergie liefernden Systemen zur Steatosis hepatis. Eine zierter Steatosis hepatis. Im B-Bild-Sonogramm diffuse Er-
Leberverfettung kann rasch auftreten, wie etwa bei höhung der Echogenität in der gesamten Leber bei deutlichen
einer Chemotherapie, und nach Absetzen der Medi- Inhomogenitäten
580 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Abb. 7.183. 64-jährige Patientin mit diffuser Steatosis hepatis Abb. 7.184. 67-jähriger Patient mit Steatosis hepatis nach Che-
bei Adipositas. Das B-Bild-Sonogramm zeigt neben der diffu- motherapie. In der kontrastverstärkten CT deutliche Dichte-
sen Echogenitätserhöhung der gesamten Leber am Rand des differenz zwischen Leber und Milz
rechten Lappens eine zonale Minderverfettung (+---+) mit
regelrechter Echogenität
immer möglich. So kann bei einer diffusen Ver- veränderten Leber die erhöhte Dichtedifferenz zwi-
fettung der Leber eine Metastasierung aufgrund der schen Leber und Milz bestehen (Abb. 7.184). Im Fall
fehlenden Echogenitätsunterscheide maskiert wer- der fokalen Fettverteilungsstörung ziehen normal
den. kalibrierte Gefäße durch die „Läsion“, die durch die
Computertomographisch dokumentiert sich der Verfettung vorgetäuscht wird. Gegenüber der Nativ-
vermehrte Gehalt von Fett in den Hepatozyten in Untersuchung ist die kontrastverstärkte CT deutlich
einer Dichteminderung des Parenchyms bei oft ver- weniger sensitiv im Nachweis einer diffusen Steatosis
größertem Organ. Besonders deutlich werden die hepatis.
Veränderungen beim Vergleich der Dichtewerte von Der Nachweis einer diffusen Leberverfettung ist in
Leber und Milz. Während beim gesunden Erwachse- der MRT in zweifacher Hinsicht möglich: zum einen
nen die CT-Dichten im Nativ-Scan eine Differenz von durch Einsatz fettsensitiver GRE-Sequenzen „in pha-
etwa 10 HE aufweisen, stellt sich die Fettleber hypo- se“ und „opposed phase“ in T1-Wichtung. Zum ande-
dens im Vergleich zur Milz dar. ren mittels fettgesättigter Sequenzen in T2-Wichtung
(Abb. 7.185 a, b). Mit beiden Verfahren kann durch
왔 Ab einer negativen Dichtedifferenz die Differenz der Signalintensitäten der erhöhte Fett-
Definition
zwischen Leber und Milz spricht man gehalt der Leber dokumentiert werden. Dies gilt für
von einer Fettleber. die diffuse Steatose ebenso wie für die fokale Fettver-
teilungsstörung. Das Verfahren eignet sich vor allem
Die normale Leber besitzt eine homogene Paren- zum raschen Ausschluss einer fokalen Leberläsion
chymstruktur mit Dichtewerten von 60–70 HE, die bzw. der Differenzierung von Steatose und fokaler
über denen von Blut (55 HE) liegen. Somit sind die Läsion. Eine Kontrastmittelgabe ist in aller Regel
Lebergefäße im Vergleich zum Leberparenchym in nicht erforderlich.
der Nativ-CT hypodens. Bei stark ausgeprägter Stea- Bei allen besprochenen bildgebenden Verfahren
tosis hepatis kann es zu einer Kontrastumkehr, der so ist zu beachten, dass die Veränderungen in Echogeni-
genannten Kontrastinversion kommen, bei der sich tät, Dichte und Signalintensität bei der Fettleber
die Lebergefäße gegenüber dem umgebenden Paren- durch den erhöhten Anteil von Triglyzeriden in den
chym hyperdens darstellen. Vereinzelt werden sogar Hepatozyten bedingt ist. Demgegenüber sind die
negative Dichtewerte des Leberparenchyms gemes- Veränderungen bei der Hepatitis auf die ödematöse
sen. Die theoretische Möglichkeit der Abschätzung Schwellung mit Wassereinlagerung zurückzuführen.
des Ausmaßes einer Steatose über den linearen Zu- Hieraus resultiert eine Differenzierungsmöglichkeit
sammenhang von Fettgehalt und CT-Dichte hat sich in der MRT anhand nativer und fettgesättigter Se-
im klinischen Alltag nicht durchgesetzt. Nach intra- quenzen. In der klinischen Routine bisher nicht eta-
venöser Kontrastmittelapplikation bleibt in der diffus bliert ist die MR-Spektroskopie zur Quantifizierung
7.6 Andere Erkrankungen 581
Portale Hypertension
des Fettgehalts der Leber. Dabei lassen sich erhöhte 왔 Als portale Hypertension wird eine
Definition
Peaks der Lipide als direkter Nachweis eines erhöh- Erhöhung des Pfortaderdrucks von
ten Fettgehalts der Hepatozyten darstellen. normal 6–8 mmHg auf >12 mmHg bezeichnet.
Herdförmige Leberverfettungen können Raum-
forderungen in der Leber simulieren.Anhand des Ge- Pathologisch-anatomische
fäßmusters der Leber, das bei einer homogenen Ver- und ätiologische Grundlagen
fettung immer und bei der fokalen Verfettung meist Einer portale Hypertension kann eine Druckerhö-
normal ist, ist in CT und MRT häufig eine Differen- hung durch angeborene oder traumatische bzw. im
zierung möglich. Insbesondere diffuse Infiltrationen Rahmen einer Tumorerkrankung erworbene arterio-
der Leber durch maligne Tumoren weisen in aller portale Fisteln zugrunde liegen. Häufiger ist jedoch
Regel ein pathologisches Gefäßmuster auf. eine Erhöhung des portalvenösen Widerstands prä-,
Nuklearmedizinische und katheterangiographi- intra- oder posthepatisch.
sche Verfahren spielen heute keine Rolle mehr in der Die häufigste Ursache einer prähepatischen
Diagnostik einer Steatosis hepatis. Druckerhöhung ist die Pfortaderthrombose oder die
Kompression der Pfortader durch benigne und ma-
Differenzialdiagnose ligne Raumforderungen (z. B. Pankreaspseudozys-
Die wichtigsten Differenzialdiagnosen der diffusen ten, Lymphknotenmetastasen), Trauma oder Sklero-
Steatose stellen generalisiert die Leber befallende se. Bei der intrahepatischen Druckerhöhung werden
Erkrankungen wie die akute Hepatitis, der diffuse präsinusoidaler, sinusoidaler und postsinusoidaler
Lymphombefall und diffuse Formen des HCC bzw. Block unterschieden.
CCC dar.
582 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
enchymmasse die Leberfunktion limitieren. Bei je 5% der Fälle. Die Erkrankung betrifft Männer
Progredienz der Erkrankung kommt es zu einer häufiger als Frauen und tritt vor allem im mittleren
Herabsetzung des Lebervolumens mit konsekutiver und höheren Lebensalter auf. Als Todesursache gel-
Prominenz der Leberpforte und der intrahepatischen ten der Aszites in etwa 50%, die Varizenblutung in
Fissuren. Typischerweise sind dabei die Segmente IV ungefähr 25%, Nierenversagen und Komplikationen
bis VIII relativ verkleinert bei gleichzeitiger relativer der Aszitestherapie in etwa 10% und bakterielle Peri-
Vergrößerung der Segmente I bis III. Die relative Ver- tonitis in etwa 5%.
größerung des Lobus caudatus und die relative Ver-
kleinerung der Segmente IV bis VIII ist durch die Klinische Symptomatik
spezielle Gefäßversorgung des Segments I erklärlich: Klinische Symptome sind, insbesondere bei der alko-
Zur Versorgung des Lobus caudatus tragen eine gro- holbedingten Leberzirrhose, unspezifisch und treten
ße Anzahl kleinerer Äste aus den proximalen Ver- erst spät auf. Neben Müdigkeit, Abgeschlagenheit
zweigungen der Aa. hepaticae dextra et sinistra und und Inappetenz ist meist der erhöhte intraabdomi-
der V. portae bei. Durch den nur kurzen intrahepati- nelle Druck in Form lokaler Schmerzen erstes Anzei-
schen Verlauf werden die versorgenden Gefäße des chen. Bei den selteneren Formen der Leberzirrhose
Lobus caudatus geringer von der Fibrose in Mitlei- stehen die ehemals zur Zirrhose führenden Ursachen
denschaft gezogen als die in den übrigen Leberseg- in Form diffuser Lebererkrankungen auch in der kli-
menten. So wird der Lobus caudatus besser mit Blut nischen Symptomatik im Vordergrund.
versorgt, und durch die relativ bessere Oxygenierung Abhängig vom Stadium der Zirrhose präsentieren
ist seine Regenerationsfähigkeit besser als die des sich die Patienten mit den Zeichen der portalen
rechten Leberlappens. Hypertension (Aszites, Kollateralen, Varizenblutung),
Wichtigstes pathomorphologisches Merkmal der des partiellen Leberausfalls (Enzephalopathie, Aszi-
Leberzirrhose ist die Knotenbildung im Rahmen der tes, Malnutrition), der Cholestase sowie Gynäkomas-
hyperplastischen Regeneration des Organs zur Ver- tie bzw.Virilisierung. Die klinische Einteilung erfolgt
besserung der eingeschränkten Funktion. Dabei wer- nach der Child-Pugh-Klassifikation (Tabelle 7.31)
den regenerative (1 cm) von hyperplastischen Kno-
ten (>1 cm) unterschieden. Abhängig von ihrer Ätio- Radiologische Symptomatik
logie differenziert man bei den Regeneratknoten die Das Ziel der bildgebenden Diagnostik bei der Le-
mikronoduläre Form (<3 mm) alkoholischer Genese berzirrhose ist es, neben der Sicherung der Diagnose,
von der makronodulären Form (3–10 mm) viral-he- das Ausmaß der Erkrankung zu bestimmen sowie
patischer Genese. Mit Fortschreiten der Erkrankung benigne und maligne Ursachen einer knotigen
und rezidivierenden Zyklen von toxischer Schädi- Durchsetzung der Leber auszuschließen.
gung, Entzündung und regenerativer Knotenbildung
gehen die Nodi in die hyperplastische Form (adeno-
matöse Hyperplasie) über. Dabei lassen sich im Ver- Tabelle 7.31. Klassifikation der Leberzirrhose nach Child-
lauf zunehmend Dysplasien und damit Präkanzero- Pugh
sen zum HCC in den Knoten nachweisen. Parameter Messwert Punkte
Neben den direkten Veränderungen der Leber
finden sich die bereits bei der portalen Hypertension Serumbilirubin [mg/dl] 1,0–1,9 1
erwähnten Kollateralphänomene. Aszites, Spleno- 2,0–2,9 2
>2,9 3
megalie und portosystemische Kollateralkreisläufe
Verlängerung der 1,0–3,0 1
signalisieren die partielle Leberinsuffizienz bei por- Prothrombinzeit [s] 4,0–6,0 2
taler Hypertension. Diese Kollateralen finden sich im >6,0 3
Bereich des distalen Ösophagus und des Magenfun- Serumalbumin [g/dl] >3,5 1
dus als Ausdruck einer Stromumkehr in der V. liena- 2,8–3,4 2
lis und eines Blutabstromes retrograd über die >2,8 3
Vv. gastricae brevis mit konsekutiver variköser Er- Aszites Keiner 1
weiterung. Weitere Umgehungskreisläufe können im Gering 2
Bereich des Milzhilus, des Retroperitoneums, der deutlich/
ausgeprägt 3
Bauchwand und im Lig. teres hepatis als wieder-
Enzephalopathie Keine 0
eröffnete V. paraumbilicalis (Cruveilhier-Baumgar- Grad 1 oder 2 1
ten-Syndrom) mit Ausbildung eines Caput medusae Grad 3 oder 4 2
nachgewiesen werden.
Ätiologisch entscheidend sind nutritiv-toxische Grad A 5–6
Grad B 7–9
Ursachen in etwa 60–70% aller Fälle, Virushepatiti- Grad C 10–15
den in etwa 10%, PBC und Hämochromatose in
586 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
–––: isointens; (+): leicht hyperintens (auch partiell); +: hyperintens; +++: sehr stark hyperintens; (––): leicht hypointens;
––: hypointens; ––––: stark hypointens; 0: kein Signalverlust; ØØ: deutlicher Signalverlust; ØØØ: sehr deutlicher Signalverlust
a b
Abb. 7.190 a, b. 56-jährige Patientin mit Hepatitis-induzierter Gewebe. b Die korrespondierenden Bilder zu a in T2-Wichtung
Leberzirrhose. a In der MRT in T1-Wichtung nativ (oben) hy- nativ mit Fettsättigung (oben) zeigen einen hypointensen Kno-
perintense Darstellung eines Regeneratknotens (Pfeil). Nach ten, der nach organspezifischem Kontrastmittel (unten) einen
Applikation von SPIO-haltigem Kontrastmittel (unten) Signal- deutlichen Signalverlust zur Umgebung aufweist
verlust gegenüber dem umgebenden zirrhotisch veränderten
status einschließlich der Kollateralkreisläufe bewer- tenen Stadien lassen sich vermehrt geschlängelt ver-
ten zu können (Abb. 7.191 a, b). laufende intraarterielle Gefäße („Korkenzieherge-
Die Katheterangiographie hat in der Primärdiag- fäße“) und häufig zahlreiche arterioportale Shunts
nostik einer Leberzirrhose heute keine Bedeutung darstellen. Die Parenchymdarstellung ist, analog zu
mehr. Wird sie aus anderem Grunde durchgeführt, CT und MRT, inhomogen, teils marmoriert imponie-
zeigt sich ein pathognomonisches Muster. So finden rend („patchy liver enhancement“). In der venösen
sich in der Frühphase der Erkrankung deutlich ge- Phase kommt es zu einem verzögerten Blutabstrom.
streckt verlaufende arterielle Gefäße. In fortgeschrit- Erst in ausgeprägten Krankheitsstadien lässt sich das
588 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Differenzialdiagnose
Schwierige Differenzialdiagnosen zur Leberzirrhose
stellen diffuse Lebererkrankungen mit nodulär-dys-
plastischem Umbau der Binnenstruktur dar. Hierzu
a
zählen primär fortgeschrittene Stadien der Sarkoido-
se und die adenomatöse Hyperplasie. Nur selten ist
die Unterscheidung einer diffusen Metastasierung
ein diagnostisches Problem, da hierbei die Zeichen
der portalen Hypertension fehlen.
7.6.1.2
Vaskuläre Erkrankungen
Stauungsleber
왔 Unter Leberstauung wird ein ver-
Definition
mehrter venöser Blutgehalt der Leber-
venen und des Leberparenchyms durch eine Behin-
derung der venösen Blutableitung verstanden.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die kardial bedingte Leberstauung ist pathophysiolo-
gisch durch den erhöhten Druck im rechten Vorhof
und den verlangsamten venösen Rückfluss bedingt.
Eine Übertragung des erhöhten Vorhofdruckes auf
Lebervenen und Sinusoide führt zu deren Erweite-
rung und vermehrten Blutfüllung bei deutlicher Abb. 7.192. 74-jähriger Patient mit Stauungsleber durch kar-
Volumenzunahme der gesamten Leber mit dem pa- diale Insuffizienz. Im B-Bild-Sonogramm diffuse Echogeni-
thologischen Bild der so genannten „Muskatnuss- tätserhöhung des Leberparenchyms sowie deutliche Erweite-
rung der Gefäßkaliber von V. cava inferior (VCI) und den Le-
leber“. Nur bei sehr lange bestehender Leberstauung bervenen
entwickelt sich hieraus eine Zirrhose („Cirrhose car-
diaque“).
Ursächlich liegen der kardialen Lebervenenstau- Rückstaus für das Leberparenchym blutäquivalente
ung eine dekompensierte Rechtsherzinsuffizienz, und somit gegenüber der Milz hypodense/hypoin-
Perikarderguss, Pericarditis constrictiva, Kardio- tense Werte gemessen. Die Lebervenen und die V. ca-
myopathien unterschiedlichster Genese oder Beein- va inferior lassen sich bereits nativ und deutlicher
trächtigungen des rechtsseitigen Herzklappensys- nach Applikation von intravenösem Kontrastmittel
tems zugrunde. als im Lumen erweiterte Gefäße abgrenzen. Der dia-
gnostische Zugewinn einer ergänzenden CT/MRT
Klinische Symptomatik liegt in der Möglichkeit der Abschätzung des Ausma-
Bei den klinischen Symptomen sind neben der ur- ßes des venösen Rückstaus, der Leberschädigung und
sächlichen Rechtsherzinsuffizienz insbesondere die der begleitenden Veränderungen (Ergüsse, Kollatera-
Hepatomegalie und ein damit verbundener rechts- len). Idealerweise werden daher bei ausgedehnter Le-
seitiger Oberbauchschmerz (Kapseldehnungschmerz) berstauung mit beiden Verfahren auch angiographi-
zu beobachten. Bei weiterem Fortschreiten der Stau- sche Bilder (CTA/CE-MRA) gewonnen.
ung lässt sich ein venöser Rückstau auch im Bereich
des Halses und der Unterschenkel nachweisen. Erst Differenzialdiagnose
in späten Stadien kommt es zusätzlich zu den Zei- Von der kardial bedingten Leberstauung sind andere
chen der portalen Hypertension mit Splenomegalie, Formen der vermehrten hepatischen Blutfülle wie
Aszites und Kollateralkreisläufen. der Lebervenenverschluss (Budd-Chiari-Syndrom)
und die akute Hepatitis abzugrenzen. Dies gelingt in
Radiologische Symptomatik der Regel anhand der erweiterten Lebervenen bei der
Sonographisch werden die Hepatomegalie ebenso kardialen Stauung, die bei den übrigen genannten
wie die Erweiterung der Lebervenen und sekundäre Formen nicht beobachtet werden. Selten wird durch
Zeichen wie pleurale und perikardiale Ergüsse nach- eine ausgeprägte Steatose das Bild einer Leberstau-
gewiesen. Zusätzlich zeigt sich meist eine diffuse ung vermittelt, wobei auch hierbei die Weite der Le-
Erhöhung der Parenchymechogenität (Abb. 7.192). bervenen als differenzialdiagnostisches Kriterium
Dopplersonographisch erkennt man einen Verlust des angesetzt werden kann.
triphasischen Flussmusters, im Falle der kardial be-
dingten Zirrhose eine vollständig unregelmäßige Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Darstellung des Flusssignals in den Lebervenen. Die Sonographie einschließlich Dopplersonographie
Auch mittels CT und MRT lassen sich Hepatome- ist die Methode der Wahl zur Diagnose einer Leber-
galie, Dilatation der Gefäße und Begleitveränderun- stauung. Weitere Verfahren wie CT oder MRT ein-
gen problemlos dokumentieren. Quantitativ werden schließlich angiographischer Darstellungen kommen
in der Nativ-Untersuchung aufgrund des venösen nur im Fall der Notwendigkeit der Abschätzung des
590 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
frühzeitigem Enhancement der betroffenen portalen Abb. 7.194 a, b. 64-jähriger Patient mit kavernöser Transfor-
Venenäste zur Darstellung. So entsteht die ungleich- mation bei Pfortaderthrombose auf dem Boden einer langjäh-
rigen Leberzirrhose. In der koronaren Sekundärrekonstruk-
mäßige, landkartenartige Kontrastmittelverteilung tion aus einem MSCT-Datensatz stellt sich in der portalen
in der Leber infolge der veränderten Perfusionsver- KM-Perfusionsphase der Thrombus im Pfortaderhauptstamm
hältnisse. Zusätzlich lassen sich, abhängig vom Grad direkt dar (Pfeil). Lokale und systemische Kollateralen (Pfeil-
der bereits einsetzenden Leberdekompensation Sple- spitzen). Deutlicher Aszites.„Patchy-Enhancement“ der Leber
nomegalie und Aszites nachweisen.
Spezielle Untersuchungsprotokolle mit dynami-
schen CT-Studien in der portalen Phase oder die intensitäten geäußert werden. Mittels Flussmessung
Durchführung einer CTAP über die A. mesenterica kann dieser Verdacht in der Regel bestätigt werden.
superior haben heute im klinischen Alltag keine Be- Das Verfahren hat sich jedoch im klinischen Alltag
deutung mehr. nicht durchgesetzt. Häufiger wird die CE-MRA in
In der MRT können, analog zur CT, direkte und arterieller und portaler Phase eingesetzt, während
indirekte Zeichen der Pfortaderthrombose gleicher- nichtkontrastverstärkte angiographische Verfahren
maßen dokumentiert werden. Dies gilt für die Verän- heute keine größere Bedeutung mehr haben.
derungen des Leberparenchyms in nativen T1- und Die Katheterangiographie wird heute nicht mehr
T2-gewichteten Sequenzen ebenso wie für den direk- primär zur Diagnostik einer Pfortaderthrombose ein-
ten Thrombusnachweis und die Begleitveränderun- gesetzt. Wird sie aus anderen Gründen durchgeführt,
gen. Bereits auf der Nativ-Untersuchung kann der finden sich bei der indirekten Spleno- oder Mesenteri-
Verdacht auf eine Pfortaderthrombose anhand von koportographie ein Gefäßabbruch als direkter Nach-
Flow-void-Phänomenen und veränderten Signal- weis des Verschlusses sowie die ausgebildeten Kollate-
592 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
ralen in Form einer kavernösen Transformation oder ger betroffen sind als Männer. Unterschieden werden
portosystemischer Umgehungskreisläufe. Wird die neben einer angeborenen, primären Form eine er-
Untersuchung mit Position des Katheters im Truncus worbene, sekundäre Form.
coeliacus angefertigt, lassen sich, unter der Vorausset- Der angeborenen Typ des Lebervenenverschlusses
zung normanatomischer Verhältnisse, auch die oben zeichnet sich durch eine kongenitale membranöse
beschriebenen arterioportalen Shuntgefäße nachwei- Obstruktion der venösen Leberblutleiter aus und ist
sen. Zusätzlich finden sich bei Erwachsenen patholo- vor allem in asiatischen Ländern und Südafrika ver-
gische arterielle und/oder portale Gefäße des zugrun- breitet. Seine Genese ist bisher nicht restlos geklärt.
de liegenden Tumorleidens. Vermutet werden neben infektiösen auch traumati-
sche Ursachen.
Differenzialdiagnose Die sekundäre Form des Budd-Chiari-Syndroms
Die ausgeprägte Pfortaderthrombose stellt beim Er- wird in einen thrombotischen und einen deutlich sel-
wachsenen in der Regel kein differenzialdiagnosti- teneren nichtthrombotischen Typ unterteilt. Der
sches Problem dar. Bei der idiopathischen Form des thrombotische Typ wird häufiger in westlichen Län-
Pfortaderverschlusses müssen zusätzlich vor allem dern beobachtet und ist in seiner Genese eng mit Lo-
vaskuläre Normvarianten und portale Fehlbildungen kalisation und Ausmaß des Verschlusses des venösen
ausgeschlossen werden. Blutabstroms aus der Leber verbunden. So werden,
neben teilweiser bzw. vollständiger Störung des venö-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie sen Leberblutabstroms, nach der Lokalisation des
Untersuchungsmethode der ersten Wahl ist bei allen postsinusoidalen Blocks 3 Gruppen unterschieden:
Formen der Pfortaderthrombose die Sonographie
∑ der Verschluss der V. cava inferior mit oder ohne
einschließlich Dopplersonographie. Eine weitere Ab-
sekundäre Okklusion der Lebervenen (Typ 1),
klärung sollte im Falle der idiopathischen Form im-
∑ der primäre Verschluss der großen Lebervenen
mer, bei den übrigen Formen, falls verfügbar, mittels
mit oder ohne sekundäre Beeinträchtigung der
MRT einschließlich CE-MRA erfolgen. Alternativ
V. cava inferior (Typ 2) sowie
kann die mehrphasige MSCT einschließlich angiogra-
∑ der Verschluss der kleinen zentrolobulären Leber-
phischer Darstellungen erfolgen. Dabei ist allerdings
venen (Typ 3).
die Beurteilung des Leberparenchyms selbst in der
Regel nicht in gleicher Weise wie in der MRT möglich. Typ 3 wird auch als VOD der Leber bezeichnet.
Als Ursachen für den Typ 1 werden Schädigungen
Merke ! Die Pfortaderthrombose ist primär
eine Erkrankung des Neonaten (idio-
der Gefäßwand vor allem durch Chemo- und Strah-
lentherapie verantwortlich gemacht. Beim Typ 2
pathisch) und erst in zweiter Linie des Erwachsenen steht die Hyperkoagulopathie im Vordergrund. Diese
(neoplastisch/zirrhotisch). Durch die Bildgebung kann ausgelöst sein durch Systemerkrankungen mit
werden beim Neugeborenen neben dem direkten Thrombozytämie (z. B. Polycythemia vera), orale
Thrombusnachweis und der lokalen und systemi- Kontrazeptiva sowie erhöhten Thrombozytengehalt
schen Kollateralisierung vor allem vaskuläre Norm- in der Schwangerschaft und post partum. Gründe für
varianten und Fehlbildungen ausgeschlossen. Beim eine VOD (Typ 3) stellen ebenfalls Stadien einer er-
Erwachsenen wird zusätzlich die zugrunde liegende höhten Gerinnungsaktivität, wie nach Chemothera-
Ursache dokumentiert. Zum Einsatz kommen neben pie oder Knochenmarkstransplantation, dar. Dem
der initialen Sonographie mit Dopplersonographie seltenen nichtthrombotischen Typ des Lebervenen-
vor allem die MRT einschließlich der CE-MRA und verschlusses liegen primäre und sekundäre Leber-
erst in zweiter Hinsicht die CT mit CTA. tumoren mit Infiltration oder Kompression des
venösen Blutabstroms aus der Leber zugrunde.
Budd-Chiari-Syndrom
Klinische Symptomatik
왔 Das Budd-Chiari-Syndrom beschreibt Das klinische Erscheinungsbild des Lebervenenver-
Definition
einen partiellen oder vollständigen schlusses ist in der Regel unspezifisch und zeichnet
Verschluss des venösen Blutabstroms aus der Leber sich durch uncharakteristische rechtsseitige Ober-
auf der Ebene der Lebervenen oder des suprahepati- bauchschmerzen sowie Leberschwellung und -ver-
schen Abschnitts der V. cava inferior. größerung aus. Erst bei fortgeschrittenen Stadien
finden sich die Begleiterscheinungen der portalen
Pathologisch-anatomische Hypertension und des beginnenden Leberversagens
und ätiologische Grundlagen mit Hepatosplenomegalie, Aszites, Kollateralkreis-
Der Lebervenenverschluss ist selten (0,1% aller Ob- läufen und Cholestase. Bei den durch Systemerkran-
duktionen in Europa), wobei Frauen deutlich häufi- kungen hervorgerufenen Hyperkoagulopathien kön-
7.6 Andere Erkrankungen 593
Radiologische Symptomatik
Direkte Zeichen des Lebervenenverschlusses in der
bildgebenden Diagnostik sind der fehlende Nachweis
der Lebervenen in etwa 75% der Fälle und atypische
Verbindungen zwischen den einzelnen Lebervenen.
Als indirekte Zeichen sind eine Vergrößerung des
Lobus caudatus mit erhöhtem Enhancement sowie
die inhomogene, fleckförmige Kontrastmittelanrei-
cherung im Leberparenchym zu werten. Der Lobus Abb. 7.195. 17-jähriger Junge mit VOD nach KMT bei b-
caudatus drainiert das venöse Blut direkt über kleine Thalassämie. In der Duplex-Sonographie pathologisch er-
Lebervenen in die V. cava inferior und ist somit vom niedrigtes Flusssignal in der Pfortader
Verschluss der großen Lebervenen nicht betroffen.
Seine Hypertrophie und das umschriebene Kontrast-
mittel-Enhancement des Segments I haben ihre Ur- bervenen in der CT nach intravenöser Kontrastmittel-
sache im vermehrten Blutanstrom aus den abfluss- applikation stellen vor allem indirekte Zeichen wie
behinderten anderen Leberabschnitten. das „patchy enhancement“ bei regelrechtem Pfort-
Das in der angloamerikanischen Literatur als aderfluss sowie Hypertrophie und Kontrastmittel-
„patchy enhancement“ bezeichnete Parenchymmus- Enhancement des Segments I wichtige diagnostische
ter von rechtem und linkem Leberlappen nach intra- Merkmale dar (Abb. 7.196 a, b). Wird zusätzlich eine
venöser Kontrastmittelgabe beruht auf der veränder- angiographische Darstellung gewählt, kann der feh-
ten intrahepatischen Durchblutung der Leber: Durch lende Blutabstrom aus der Leber einschließlich der
Umkehrung des arteriellen und portalen Blutflusses Kollateralen auch direkt dargestellt werden.
in den betroffenen Leberarealen kommt es zu einer Mittels MRT wird das „pattchy enhancement“ be-
Minderperfusion und zur Atrophie mit anschließen- reits in den Nativ-Sequenzen deutlich. Die nodulären
der Regeneratknotenbildung. Diese atrophischen Be- Binnenstrukturen stellen sich in T1-Wichtung hyper-
zirke und die Leberperipherie kommen in der Bildge- intens, in T2-Wichtung iso- bis hypointens dar
bung mit veränderter Charakteristik gegenüber dem (Abb. 7.196 c). Zusätzlich finden sich in flusssensiti-
übrigen Parenchym zur Darstellung.Als weitere indi- ven Sequenzen intrahepatische Flow-void-Phänome-
rekte Zeichen sind Begleitpathologien wie Aszites ne als Korrelat der Kollateralen. Nach Kontrastmittel-
und Hepatosplenomegalie anzusehen. gabe erkennt man ebenfalls ein vermehrtes Enhance-
In der Sonographie variiert das Bild vom fehlen- ment des Lobus caudatus sowie eine Verstärkung des
den Nachweis der Lebervenen über reduzierte Dia- bereits nativ nachweisbaren „patchy enhancements“.
meter bis zum Nachweis von thrombotischem Mate- Mit der CE-MRA können Höhe und Ausmaß des Le-
rial intravasal. Bei zusätzlichem Einsatz der Doppler- bervenenverschlusses exakt dokumentiert werden.
sonographie kann zum einen der reduzierte bzw. feh- Bei Verfügbarkeit der modernen Schnittbild-
lende Fluss in den Lebervenen selbst und in der verfahren wird die Katheterangiographie heute in
V. cava inferior nachgewiesen werden. Im Farb- der Regel nicht mehr primär zur Diagnose eines
doppler entsteht durch die intrahepatische Kollatera- Budd-Chiari-Syndroms eingesetzt. Wird sie dennoch
lisierung das Bild der so genannten „zweifarbigen“ durchgeführt, kann die exakte Höhe des Lebervenen-
Lebervene. Dieses Kriterium kann mit einer fast verschlusses, ein „spinnwebenartiges“ Muster intra-
90%igen Sensitivität als diagnostisch für ein Budd- hepatischer Kollateralen und der direkte Thrombus-
Chiari-Syndrom angesehen werden. Eine zusätzliche nachweis in der V. cava superior dokumentiert wer-
Pfortaderthrombose wird in etwa 20% der Fälle, ein den.
verminderter hepatopetaler Pfortaderfluss annä-
hernd regelhaft beobachtet. Die VOD ist nur anhand Differenzialdiagnose
indirekter Zeichen wie erniedrigtem bzw. umgekehr- Vom Lebervenenverschluss müssen andere Erkran-
tem Pfortaderfluss, erniedrigtem arteriellen Fluss kung mit ebenfalls knotiger Binnenstruktur differen-
sowie Aszites bei offenen großen Lebervenen zu ver- ziert werden. Dies betrifft alle Formen der Leber-
muten (Abb. 7.195). zirrhose sowie fortgeschrittene Stadien der PSC. In
Computertomographisch gelingt die Diagnose diesen Fällen ist jedoch sowohl sonographisch als
eines Budd-Chiari-Syndroms mit einer Sicherheit auch in CT und MRT der Nachweis intrahepatischer
von >95%. Neben der fehlenden Darstellung der Le- venöser Blutleiter möglich.
594 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Peliosis hepatis
왔 Unter Peliosis hepatis (pelioV gr.
Definition
schwarzblau, purpur) wird eine selte-
ne gutartige intrahepatische Gefäßerkrankung mit
multiplen blutgefüllten Hohlräumen im Leberparen-
chym verstanden. Hierdurch entsteht das makrosko-
pische Bild fleckiger purpurroter Zonen auf der Le-
beroberfläche.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
c Die Ursache der Peliosis hepatis ist unklar. Ein
gehäuftes Auftreten wurde bei Patienten mit ge-
schwächter Immunabwehr wie Tumorleiden, fortge-
schrittener Tuberkulose oder Aids beschrieben. In
der Anamnese von Patienten mit Peliosis hepatis fin-
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie den sich häufig langfristige Einnahmen von oralen
Methode der Wahl ist die Sonographie einschließlich Kontrazeptiva, Anabolika und Kortikosteroiden. Die
Dopplersonographie. Zur Quantifizierung des einge- Erkrankung tritt vorzugsweise bei Erwachsenen auf,
tretenen Leberschadens und der lokalen bzw. syste- wird jedoch auch bei Kindern beobachtet. Neben der
mischen Kollateralen sowie weiterer Begleitverände- Leber können in seltenen Fällen auch Milz, Pankreas
rungen der portalen Hypertension sollte eine MRT und Nebenschilddrüse betroffen sein.
7.6 Andere Erkrankungen 595
differenzieren. Hierbei ist die Anamnese neben der Demgegenüber ist die sekundäre Hämochromato-
Bildanalyse zwingend erforderlich. se oder Hämosiderose eine Erkrankung mit zumeist
reversibler Ablagerung von Eisen in RES-haltigen
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie Zellen unterschiedlichster Organe. Eine Organschä-
Die Sonographie ist beim HELLP-Syndrom das Un- digung ist dabei nicht bekannt. Als Ursache gelten
tersuchungsverfahren der ersten Wahl. Dennoch soll- exzessive Eisenzufuhr etwa bei multiplen Bluttrans-
te, insbesondere in fortgeschrittenen Fällen ein wei- fusionen, massiver medikamentöser oder alimen-
teres Schnittbildverfahren angeschlossen werden. tärer Eiseningestion (Bantu-Siderose) oder bei der
Dabei ist der MRT, vor allem aus strahlenhygieni- Porphyria cutanea tarda. Der Gesamteisengehalt ist
schen Gründen, der Vorzug zu geben.Allerdings wird deutlich niedriger als bei der primären Hämochro-
die Diagnose auch mit der CT, in Zusammenhang mit matose und beträgt etwa 10–20 g. Männer sind
der Anamnese, zuverlässig gestellt. von der Erkrankung 10-mal häufiger betroffen als
Frauen.
Merke ! Das HELLP-Syndrom ist eine schwere
Variante der Präeklampsie. Sie wird Klinische Symptomatik
klinisch durch plötzlich einsetzende rechtsseitige Die primäre Hämochromatose wird in der Regel in
Oberbauchbeschwerden infolge subkapsulärer oder der 4. bis 5. Lebensdekade klinisch manifest. Dabei
intraparenchymatöser Hämatome auffällig. Sono- zeigen 90% der Patienten eine Hepatomegalie und
graphie und MRT zeigen neben dem Hämatom und 50% eine Splenomegalie als frühes Symptom. Im Ver-
seinem Alter auch mögliche zentrale Leberzellnekro- lauf entwickeln fast alle Patienten eine kleinknotige
sen. Die CT sollte, aus Strahlenschutzgründen, nur in Leberzirrhose. Als pathognomonisch für die primäre
Ausnahmefällen eingesetzt werden. Hämochromatose gilt die Trias aus mikronodulärer
Zirrhose, Diabetes mellitus und hyperpigmentierter
7.6.1.3 Haut. Zusätzlich werden kardiale Rhythmusstörun-
Speicherkrankheiten gen und Stauung, Arthralgien, Amenorrhö, Libido-
verlust und Impotenz beobachtet. Neben der Leber-
Hämochromatose zirrhose entwickeln 14% der Patienten ein HCC,
왔 Die Hämochromatose ist eine Erkran- 15% ein Leberkoma und 30% eine schwerwiegende
Definition kardiale Funktionsstörung im Sinne einer Kardio-
kung mit erhöhten Eisenablagerun-
gen in den verschiedensten parenchymatösen Orga- myopathie als Spätkomplikation. Im unbehandelten
nen. Dabei werden eine primäre, hereditäte Form Fall beträgt die Prognose weniger als 4,5 Jahre.
und eine sekundäre Form (Hämosiderose) unter- Demgegenüber sind die klinischen Symptome
schieden. der Hämosiderose annähernd unbedeutend, da eine
Organschädigung nicht auftritt. Die Lebenserwar-
tung ist nicht eingeschränkt.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen Radiologische Symptomatik
Eine primäre, idiopathische Hämochromatose ist eine Sonographisch lassen sich die indirekten Zeichen
autosomal-rezessive Erkrankung mit einem Gende- der Hämochromatose/Hämosiderose in Form der
fekt am kurzen Arm des Chromosoms 6. Dabei führt Hepato- und Splenomegalie sowie die Spätformen
ein Mukosadefekt des Darms zu einer erhöhten Ab- der mikronodulären Zirrhose einschließlich mögli-
sorption und irreversiblen Speicherung von Nah- cher vaskulärer Komplikationen im Rahmen der
rungseisen. Als Speicherort fungieren vor allem portalen Hypertension nachweisen. Ein sicherer Aus-
nicht-RES-haltige Organe wie Pankreas, Herz, Nieren schluss eines HCC oder eine Differenzierung zwi-
und Nebennieren sowie die Leber. Dies erklärt sich schen primärer und sekundärer Form der Hämo-
durch die Tatsache, dass das resorbierte Eisen annä- chromatose ist sonographisch jedoch nicht möglich.
hernd ausschließlich an Transferrin gebunden und In der Nativ-CT ist neben der Hepatomegalie die
damit für RES-haltige Kupffer-Zellen nicht auf- so genannte „weiße Leber“ pathognomonischer Hin-
nahmefähig ist. Somit erfolgt eine Ablagerung in der weis auf einen vermehrten Eisengehalt der Leber
Leber in den Hepatozyten als Ferritin, nicht jedoch in (Abb. 7.198). Densitometrisch findet sich eine homo-
den RES-haltigen Zellen von Leber, Milz und Kno- gene Dichteanhebung der Leber auf Werte von
chenmark. Der Gesamteisengehalt des Körpers kann 75–130 HE. Auch wenn, ähnlich wie bei der Quantifi-
50–60 g betragen. Nach Studienangaben beträgt die zierung der Steatosis hepatis, ein linearer Zusam-
Rate der Homozygoten etwa 0,25–0,5%, die der hete- menhang zwischen Eisengehalt der Leber und An-
rozygoten Träger >10%. stieg der Leberdichte nachgewiesen werden konnte,
hat sich das Verfahren im klinischen Alltag nicht
7.6 Andere Erkrankungen 599
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt
und hat eine weltweite Inzidenz von 1/30.000. Frauen
sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer.
Pathophysiologisch liegt ein durch eine Beeinträchti-
gung des Chromosoms 13 ausgelöster Defekt der he-
patozellulären Lysosomen vor, was eine verringerte
biliäre Ausscheidung des Kupfers (Cu) mit Ansamm-
lung in der Leber zur Folge hat. Gleichzeitig wird ver-
mehrt Kupfer aus dem Gastrointestinaltrakt resor-
biert bei vermehrter renaler Ausscheidung. Dabei
werden mikroskopisch Werte >250 mg Cu/g Leber-
trockengewicht bestimmt. Neben der Leber lagert
sich das Kupfer vor allem in den Basalganglien ein. Abb. 7.201. 31-jähriger Patient mit Leberzirrhose bei bekann-
tem Morbus Wilson. Das Nativ-CT zeigt neben den Zeichen
der Zirrhose mit Splenomegalie, Kollateralkonvoluten im
Milzhilus und erweiterter V. cava inferior eine diffuse Erhö-
hung der Dichte in der Leber durch die Kupferablagerungen
7.6 Andere Erkrankungen 601
hung der CT-Dichte und reaktiver Verfettung, die die Tabelle 7.33. Klassifikation der Glykogenspeichererkrankun-
CT-Dichte wieder herabsetzt, erschwert. Zusätzlich gen
werden Regeneratknoten beobachtet. Typ Eigennamen Enzymdefekt
Mittels MRT lässt sich der erhöhte Kupfergehalt
der Leber nicht näher klassifizieren oder quantifizie- 0 Glykogen-Synthetase
ren, da Kupfer keine ferromagnetischen Effekte auf- I Van Giercke
weist. So können lediglich die Zeichen der Hepatitis Ia Glukose-6-Phosphatase
bzw. der Leberregeneration und -zirrhose nachge- Ib Glukose-6-Phosphatase-Translokase
wiesen werden. Ic Phosphotranslokase
Weitere bildgebende Verfahren haben keine Be-
Id Glukose-Translokase
deutung in der Diagnostik des Morbus Wilson. In der
Regel erfolgt die Diagnosesicherung durch Leber- II Pompe a-Glukosidase
biopsie und Bestimmung des Kupfergehalts. III Cori 1,6-Glukosidase
IV Andersen branching enzyme
Differenzialdiagnose V McArdle Muskel-Phosphorylase
Wichtige Differenzialdiagnosen des Morbus Wilson VI Hers Leber-Phosphorylase
sind neben der Leberzirrhose anderer Genese die
VII Tarui Phosphorylase-Kinase-System
Steatosis hepatis, die Hepatitis und der diffuse Lym-
VIII Phosphorylase-Kinase-System
phombefall der Leber.
IX Phosphorylase-Kinase-System
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie X Phosphorylase-Kinase-System
Als Methoden der Wahl zur bildgebenden Diagnostik
des Morbus Wilson gelten Nativ-CT und MRT. Den-
noch können beide Methoden keine letztendliche zwischenzeitlich die Untergruppen I bis X sowie die
Diagnose und Abgrenzung gegenüber anderen For- Kategorie 0 unterschieden (Tabelle 7.33). Die Leber
men der Hepatitis, Steatose oder Leberzirrhose lie- ist dabei vor allem beim häufigsten Typ I, dem Typ VI
fern. Zur Diagnosesicherung ist stets zusätzlich die sowie den sehr seltenen Typen III, IV sowie VIII bis X
Leberbiopsie erforderlich. betroffen. Mit Ausnahme von Typ IV und 0 besteht
der Pathomechanismus in einem Defekt der Glyko-
Merke ! Die hepatolentikuläre Degeneration
Morbus Wilson ist eine seltene heredi-
genolyse. Beim Typ IV kommt es über einen Defekt
des „branching enzyme“ zu einer Störung der Glyko-
täre Erkrankung mit vermehrter Kupferablagerung gensynthese, während beim Typ 0 eine fehlende
in Leber und Basalganglien. Klinisch pathognomo- Funktion der Glykogensynthetase in Leber und Mus-
nisch ist der so genannte Kayser-Fleischer-Ring an kel vorliegt. Sowohl die biochemischen Störungen
der Hornhaut. An bildgebender Diagnostik liefern der Glykogenolyse als auch die der Glykogensyn-
Nativ-CT und MRT die aussagekräftigsten Ergebnis- these führen zu einer vermehrten Speicherung von
se ohne erkrankungsspezifische Charakteristika. Dif- Glykogen in den Hepatozyten – im Falle der Typen I,
ferenzialdiagnostisch sind insbesondere die ver- III, IV sowie VIII bis X im Rahmen des fehlenden Ab-
schiedenen Formen der Hepatitis, die Fettleber und baus, beim Typ IV und 0 zum Ausgleich der fehlen-
die Leberzirrhose unterschiedlichster Ursache zu be- den Synthese.
rücksichtigen. Bei der häufigen van-Gierke-Erkrankung ist ein
gleichzeitiger Befall der Nieren mit Rindenverbreite-
Glygogenspeicherkrankheiten rung und Organvergrößerung ebenso beschrieben
wie der Nachweis von Leberadenomen und HCC bei
왔 Als Glykogenspeicherkrankheiten komplizierten Verläufen. Auch über eine Kombina-
Definition
(„glycogen storage disease“/GSD) wird tion einer Glykogenose Typ I mit einer Peliosis hepa-
eine Gruppe von Krankheitsentitäten mit Störungen tis wurde berichtet.
des Glukosestoffwechsels entweder auf der Seite der Demgegenüber bewirkt der gestörte Glykogenauf-
Synthese oder der Glykogenolyse bezeichnet. bau beim Typ IV eine Ablagerung von irregulären
und damit als Fremdkörper wirkenden Molekülen in
Pathologisch-anatomische den Hepatozyten mit nachfolgender Leberverfettung
und ätiologische Grundlagen und späterer Zirrhose.
Die GSD sind eine Gruppe autosomal-rezessiver
Erkrankungen mit unterschiedlich ausgeprägtem Klinische Symptomatik
Schweregrad, Befallsmuster und klinischer Sympto- Die klinische Symptomatik ist bei vielen der GSD
matik. Klinisch und pathophysiologisch werden unspezifisch.
602 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Radiologische Symptomatik
Sonographisch findet sich beim Typ I, van-Gierke,
eine generalisierte Erhöhung der Echogenität durch
das gespeicherte Glykogen und in späteren Stadien
die Leberverfettung (Abb. 7.202). Beim Übergang in
die Leberzirrhose kommen die damit vergesellschaf-
teten Zeichen der portalen Hypertension zur Darstel-
lung. Gleiches gilt für den Typ III (Abb. 7.203)
Computertomographisch werden an indirekten
Zeichen für eine Glykogenspeicherkrankheit eine
Hepatosplenomegalie bei den Typen I, IV und VI,
eine isolierte Hepatomegalie beim Typ III und der
frühzeitige Übergang in die Leberzirrhose bei den
Typen III und IV sowie eine Vergrößerung der Nieren
mit kortikaler Hyperdensität beim Typ I beobachtet. Abb. 7.203. 8-jähriger Junge mit bekannter GSD Typ III. Im
Der erhöhte Glykogengehalt der Hepatozyten zeigt B-Bild-Sonogramm diffuse Erhöhung der Echogenität des
sich in der Nativ-CT in einer diffusen Hyperdensität Leberparenchyms im Vergleich zur Niere. Keine fokalen Läsio-
der Leber gegenüber der Milz. Die Diagnose wird nen bei Hepatomegalie
durch das gleichzeitige Vorliegen einer Leberverfet-
tung im Rahmen des reaktiven Parenchymumbaus
erschwert, da die glykogenbedingte Dichteerhöhung
durch die Dichteminderung des vermehrten Fettge-
halts teilweise ausgeglichen wird. Insbesondere beim
Typ IV zeigt sich so das bunte Bild der multiplen,
hypodensen fokalen Verfettungen in der insgesamt
gegenüber dem Normalparenchym hyperdensen Le-
ber (Abb. 7.204).
Beim Typ I auftretende Leberadenome kommen
ebenfalls hypodens im Vergleich zur in der Dichte
erhöhten Leber zur Darstellung. Einen Hinweis auf
die mögliche maligne Entartung stellt die schnelle
Größenzunahme der Adenome und die Strukturver-
änderung mit inhomogenen Dichtewerten dar. Eine
Korrelation zwischen Glykogengehalt der Leber und
Anstieg der optischen Dichte ist nicht zuletzt wegen
Abb. 7.204. 4-jähriger Junge mit gesicherter GSD Typ IV. Das
der häufig gleichzeitig auftretenden Leberverfettung native CT zeigt ein so genanntes „buntes Bild“ mit multiplen,
nicht möglich. hypodensen fokalen Verfettungen im durch die Speicher-
krankheit hyperdensen Leberparenchym
7.6 Andere Erkrankungen 603
Amiodaron-Leber
왔 Eine diffuse Lebererkrankung mit
Definition
vermehrter Speicherung der Abbau-
produkte des Medikaments Amiodaron wird als
Abb. 7.205. 69-jähriger Patient mit langjähriger Einnahme
Amiodaron-Leber bezeichnet. von Amiodarone. Die Nativ-CT dokumentiert eine hyperdense
Parenchymstruktur sowie eine zentrale Verfettungszone im
Rahmen der Degeneration (Pfeil)
604 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Eine densitometrische Differenzierung z. B. von der zirrhose muss die stattgehabte Entstehung eines HCC
Hämochromatose gelingt nicht, eine Unterscheidung mittels kontrastverstärkter Untersuchung in CT oder
ist lediglich laborchemisch möglich. Die Durchfüh- MRT ausgeschlossen werden.
rung einer CT zur Dosiseinstellung einer Amioda-
ron-Therapie hat sich, trotz ausreichender Korre- Thorotrast-Leber
lation zwischen Dichteanstieg in der Leber und
Plasmakonzentration des Desäthylamiodaron, nicht 왔 Als Thorotrast-Leber werden Verän-
Definition
durchgesetzt. Eine zusätzliche Kontrastmittelgabe ist derungen des Organs in Zusammen-
lediglich zum Ausschluss eines HCC bei bereits fort- hang mit Speicherungen des Röntgenkontrastmittels
geschrittenem Stadium und erfolgter Ausbildung Thoriumdioxid (Thorotrast) im RES bezeichnet.
einer Leberzirrhose diagnostisch relevant.
Auch in der MRT führt der erhöhte Jodgehalt der Pathologisch-anatomische
Leber über die Verkürzung der T1-Relaxationszeit zu und ätiologische Grundlagen
einem erhöhten Signal in T1-gewichteten Sequenzen, Das in den Jahren 1928 bis 1950 vor allem für die
geringer auch in T2-gewichteten Sequenzen. Da- zerebrale Angiographie verwendete Röntgenkon-
neben kann über die Möglichkeiten der Fettsatura- trastmittel Thorotrast emittiert Alpha-, Beta- und
tion in T2-gewichteten Sequenzen das Ausmaß der Gammastrahlung (232Th) mit einer biologischen
Leberverfettung abgeschätzt werden. In fortgeschrit- Halbwertszeit von 400 Jahren. Thorotrast wird im
tenen Krankheitsstadien sind zusätzliche dynami- RES von Leber, Milz und Knochenmark phagozytiert
sche Kontrastmittelsequenzen zur Beurteilung einer und langsam an das umgebende Gewebe abgegeben.
Leberzirrhose bzw. zum Ausschluss eines HCC erfor- Etwa 60% der Organakkumulation erfolgt in der Le-
derlich. ber, knapp 30% in der Milz, 9% im Knochenmark
Andere bildgebende Verfahren kommen bei der und ein geringer Anteil im Knochenskelett.
Amiodaron-Leber nicht regelhaft zum Einsatz. Die kanzerogene Wirkung von Thorotrast ist be-
reits früh beschrieben worden. In der Deutschen
Differenzialdiagnose Thorotrast-Studie wurde bisher ein signifikant er-
Als wichtigste Differenzialdiagnose sind die übri- höhter Anteil von intra- und extrahepatischen Gal-
gen Speicherkrankheiten mit erhöhter Echogenität, lenwegskarzinomen sowie Hämangiosarkomen der
Dichte bzw. Signalintensität in den bildgebenden Ver- Leber in der Langzeitbeobachtung nach Applikation
fahren zu berücksichtigen. Hierzu zählen insbeson- von Thorotrast dokumentiert. Die Erkrankung wird
dere die Hämochromatose, der Morbus Wilson und zunehmend seltener beobachtet und vor allem an-
die Glykogenspeichererkrankungen. hand der Spätkomplikationen mit Entwicklung der
beschriebenen Malignome klinisch auffällig.
Empfehlungen zur Untersuchungsstrategie
Die Diagnose einer Amiodaron-Leber wird in der Re- Klinische Symptomatik
gel zufällig gestellt und nicht gezielt mittels bildge- Das klinische Bild der Thorotrast-Leber wird von den
bender Verfahren erhoben. Als zielführend können, Veränderungen des Organs im Sinne der Zirrhose
bei bekannter Medikamentenanamnese, die native und ggf. dem sich entwickelnden Malignom be-
CT und die native MRT mit T1- und T2-gewichteten stimmt. Hierbei werden neben allgemeinem Krank-
Sequenzen eingesetzt werden. Eine Kontrastmittelga- heitsgefühl, rechtsseitige Oberbauchbeschwerden,
be ist nur bei fortgeschrittenen Krankheitsstadien Übelkeit und Erbrechen sowie Zunahme des Leibum-
zur Abschätzung des Ausmaßes einer Leberzirrhose fangs beklagt. Der ursächliche Zusammenhang mit
oder zum Ausschluss eines HCC erforderlich. dem applizierten Kontrastmittel lässt sich nur anam-
nestisch klären.
Merke ! Die Amiodaron-Leber entsteht nach
Langzeittherapie mit dem gleichna- Radiologische Symptomatik
migen Antiarrhythmikum durch Ablagerung des Me- Die bildgebende Diagnostik wird bei der Thorotrast-
dikaments und seiner Metaboliten. Spezifische klini- Leber in der Regel weniger zur Erstdiagnose als viel-
sche Symptome sind nicht vorhanden. Die Diagnose mehr im Verlauf zum Ausschluss der Entwicklung
wird in der Bildgebung zumeist zufällig gestellt. In eines Malignoms von Leber und Gallenwegen durch-
CT und MRT (T1-gewichtete Sequenz) zeigt die Le- geführt. Die Bildcharakteristika sind dabei von de-
ber eine diffuse Dichte- bzw. Signalintensitätserhö- nen nicht unter Thorotrast entstandener Leber- und
hung. Eine Unterscheidung zu anderen Speicherer- Gallenwegsmalignome nicht zu differenzieren.
krankungen der Leber ist nur in Zusammenhang mit Die Speicherung von Thorotrast führt in konven-
der Medikamentenanamnese möglich. In fortge- tionellen Abdomenübersichtsaufnahmen zur Darstel-
schrittenen Stadien mit Entwicklung einer Leber- lung fleckförmiger Verdichtungen in Projektion auf
7.6 Andere Erkrankungen 605
Differenzialdiagnose
Bei bekannter Anamnese stellen sich zur Thorotras-
tose keine relevanten Differenzialdiagnosen. Kommt
es bei Thorotrast-Anamnese zur Entwicklung eines
primären Leber- oder Gallenwegstumors, sind in der
Leber das Hämangiosarkom und das intrahepatische
CCC sowie extrahepatisch das Gallenwegskarzinom
zu berücksichtigen.
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genol 178: 869–875 triphasic contrast enhanced helical CT. Br J Radiol 73:
544–546
7.6 Andere Erkrankungen 607
sierte Ureterabgangsstenose im Kindesalter oder Schließlich ist neben dem Ausschluss von Leber-
Nierenarterienstenosen des Erwachsenen. läsionen die Beschaffenheit des Spenderleberparen-
Bei Kindern ist vor der Transplantation der Ultra- chyms bezüglich degenerativer und diffuser Verän-
schall meist ausreichend und wird lediglich bei derungen zu dokumentieren. Dies stellt sicher, dass
komplexeren anatomischen Verhältnissen durch genügend funktionsfähiges Leberparenchym trans-
eine MRT mit MRCP und CE-MRA ergänzt. Dies plantiert werden kann.
ist etwa beim im Rahmen der Gallengangsatresie Zur Zeit wird in den meisten Transplantationszen-
auftretenden nichtkardialen Polyspleniesyndrom (s. tren eine MSCT einschließlich CTA durchgeführt.
Abschn. 7.2.3.4) der Fall. Demgegenüber werden bei Hieraus werden die Gefäßanatomie beurteilt und die
Erwachsenen grundsätzlich eine CT mit CTA oder Volumina errechnet. Zur Bewertung der Gallenwegs-
eine MRT mit MRCP und CE-MRA durchgeführt. anatomie kommen alternativ die MRCP, die CT nach
Zusätzlich kommen 3D- und volumetrische Sekun- Applikation gallengängigen Kontrastmittels oder in
därverfahren, vor allem aus den MSCT-Datensätzen, seltenen Fällen die ERCP zum Einsatz. Alternativ fa-
zur exakten Operationsplanung zur Anwendung. vorisieren einige Zentren ein ausführliches MRT-Pro-
Nur in wenigen Fällen ist heute noch die Katheter- tokoll einschließlich CE-MRA und MRCP. Allerdings
angiographie erforderlich. können nur mit Geräten neuester Generation iso-
In den letzten Jahren haben PET und PET-CT zu- trope 3D-Datensätze für eine verlässliche Volumetrie
nehmend Bedeutung in der präoperativen Diagnos- aus den MR-Sequenzen gewonnen werden. Die digi-
tik vor Lebertransplantation gewonnen. So wird das tale Substraktionsangiographie wird aufgrund der
Verfahren heute bei Erwachsenen vor allem zum Verbesserungen der CTA aus MSCT-Datensätzen
Ausschluss einer extrahepatischen Tumormanifesta- bzw. der CE-MRA zunehmend seltener zu reinen
tion beim HCC eingesetzt. Bei Kindern spielt die PET Diagnostikzwecken eingesetzt.
im Rahmen der Abklärung präoperativer Fieber- Ergibt sich aus diesen Untersuchungen keine Kon-
schübe und postoperativ im Rahmen des lymphopro- traindikation zur Lebertransplantation, erfolgt in der
liferativen Syndroms eine Rolle. Regel eine Leberbiopsie, bei der auch das Ausmaß
einer evtl. vorhandenen Verfettung untersucht wird.
Präoperative Diagnostik des Lebendspenders
Da es sich bei der Lebendspende um gesunde und zu- Intraoperative Diagnostik
meist jüngere Menschen handelt, muss die präopera- Der Umfang und die Durchführung der intraoperati-
tive Diagnostik des potenziellen Spenders besonders ven Diagnostik sind von Zentrum zu Zentrum unter-
sorgfältig und ausführlich erfolgen. Dabei ist zu be- schiedlich ausgeprägt. Dabei kommen neben dem
rücksichtigen, ob der Empfänger ein Kind oder ein intraoperativen Ultraschall des Leberparenchyms
Erwachsener ist. ggf. auch der Spektraldoppler und die farbkodierten
Um intraoperativen Risiken und postoperativen Duplexsonographie zur Untersuchung der Gefäße zur
Komplikationen vorzubeugen, muss beim Spender Anwendung. Auf Seiten des Lebenspenders werden
eine detaillierte Untersuchung der Anatomie der le- dabei die verbleibenden vaskulären Strukturen, auf
berversorgenden Gefäße und der Gallenwege bezüg- Transplantatseite die Durchgängigkeit der anasto-
lich eventueller Normvarianten erfolgen. mosierten Gefäße vor dem Bauchdeckenverschluss
Weiterhin ist eine Abschätzung der Transplantat- überprüft. Eine ggf. eingelegte T-Drainage an der
volumina erforderlich. Diese ist von grundlegender Gallengangsanastomose sollte ebenfalls intraopera-
Bedeutung, da einerseits dem Spender mindestens tiv dargestellt werden.
35–40% seines ursprünglichen Lebervolumens er-
halten bleiben, und andererseits dem Empfänger sein Postoperative Diagnostik
individueller Mindestbedarf an funktionstüchtigem Die Sonographie inklusive farbkodierter Duplexsono-
Leberparenchym transplantiert werden muss. Das graphie ist das diagnostische Verfahren der Wahl in
Mindestvolumen kann aus verschiedenen Parame- der postoperativen Phase. Dies ist zum einen durch
tern zur Beschreibung des Körpervolumens und des die jederzeit problemlose Verfügbarkeit bei hoher
Stoffwechsels berechnet werden. Bei der Umsetzung Aussagekraft, zum anderen durch die zumeist unspe-
spielt die volumetrische Berechnung aus dreidimen- zifischen klinischen und laborchemischen Befunde
sionalen MSCT- und neuerdings, jedoch deutlich sel- auch im Falle postoperativer Komplikationen be-
tener auch aus MRT-Datensätzen eine entscheidende gründet. In den meisten Zentren werden in den er-
Rolle. Mit Hilfe weitgehend automatisierter Algorith- sten 24 Stunden nach Transplantation alle 6 Stunden,
men werden sowohl zu transplantierendes als auch in den ersten 7 Tagen täglich und dann 2-mal wö-
verbleibendes Volumen mit hoher Genauigkeit prä- chentlich Ultraschallkontrollen durchgeführt und
operativ kalkuliert. die Durchgängigkeit der transplantatversorgenden
Gefäße kontrolliert.
7.6 Andere Erkrankungen 609
쐍 Blutung. Die postoperative Nachblutung ist eine Abb. 7.212 a, b. 50-jährige Patientin nach OLTX. Sonogra-
nicht seltene Komplikation, die entweder aus der phisch Verdacht auf Stenosierung an der biliären Anastomose.
a In der MRCP deutliche Stenosierung mit Kalibersprung in
arteriellen Anastomose selbst oder durch eine unzu- Höhe der biliären Anastomose (Pfeil). Deutliche intrahepati-
reichende Gerinnungssituation bedingt sein kann. sche Cholestase (Pfeilspitze). b In der T-Drain-Darstellung vor
Ihre Überwachung erfolgt mittels klinischer Beob- Intervention analoge Darstellung der Anastomosenverhältnis-
achtung, Blutbild- und Gerinnungskontrollen sowie se zu a
genauer Beobachtung der täglichen Drainagemen-
gen. Kleinere Nachblutungen und Hämatome sind
unproblematisch und bedürfen keinerlei Therapie. zuschließen. Ist es zur Ausbildung eines Pseudoaneu-
Dennoch sollte bei jeder Flüssigkeitansammlung in rymas gekommen, sollte versucht werden, dieses
der Nähe der arteriellen Anastomose auch eine farb- interventionell auszuschalten.
kodierte Duplexsonographie durchgeführt werden, Größere Nachblutungen erfordern demgegenüber
um ein rupturgefährdetes Pseudoaneurysma aus- eine operative Revision.
7.6 Andere Erkrankungen 613
a b
c d
쐍 Infektion. Wie bereits erwähnt, stellen Infektio- Komplikationen wie die Thrombose der A. hepatica,
nen, nicht zuletzt aufgrund der Immunsuppression, Katheterinfektionen oder nosokomiale Infektionen
die häufigste Komplikation nach einer Lebertrans- anzusehen. Virale und opportunistische Infektionen
plantation dar. Im ersten postoperativen Monat treten häufig zwischen dem 30. und 180. postoperati-
sind bakterielle Infektionen oder Pilzinfektionen am ven Tag auf.
häufigsten. Als Risikofaktoren sind dabei technische
614 Kapitel 7 Erkrankungen von Leber und Gallenwegen
Die diagnostische Abklärung erfolgt mit Hilfe von biopsie zur Abschätzung des Parenchymzustands gilt
Ultraschall und CT. Bei Vorliegen einer Cholangitis als obligat.
kann eine MRCP, unter therapeutischen Gesichts- Für die Bewertung des postopeartiven Verlaufs
punkten auch eine ERC/PTC notwendig werden. Klei- und die Frühdiagnose eventueller Komplikationen
ne Abszesse werden mittels Einmalpunktion, größere sind gute Kenntnisse der Operationstechniken und
durch perkutane Drainage versorgt. der vorgenommenen Anastomosierungen im zu
untersuchenden Fall erforderlich. Als häufigste Kom-
쐍 Maligne Komplikationen. Lebertranplantantierte Pa- plikation gilt die postoperative Infektion. Strikturen
tienten haben auch aufgrund der Immunsuppression und Leckagen werden an den Anastomosen der
ein erhöhtes Risiko, eine maligne Tumorerkrankung verschiedenen Gefäßsysteme beobachtet. Neben
zu entwickeln. Die häufigste Form stellt das lympho- dem Ultraschall werden, vor allem bei Verdacht auf
proliferative Syndrom (LPS) dar, das sich bei 2–3% schwerwiegende Komplikation, auch CT, MRT mit
der Patienten meist innerhalb des ersten postoperati- MRCP und ggf. die PTC eingesetzt. Zur Beseitigung
ven Jahres entwickelt. Durch eine Infektion mit dem der Komplikationen wird primär ein interventionel-
Epstein-Barr-Virus wird ein unkontrolliertes expo- les Vorgehen angestrebt. Nur in Einzelfällen sind eine
nentielles Wachstum von meist B-Lymphozyten aus- operative Revision oder eine Retransplantation er-
gelöst. Die häufigste Manifestation sind Lymphkno- forderlich. Neben der Abstoßung stellt die maligne
tenvergrößerungen. Es können aber auch Organe wie Komplikation des LPS eine der schwerwiegendsten
z. B. Leber, Lunge, Gehirn und der Gastrointestinal- Komplikationen nach Lebertransplantation dar.
trakt mit Darmwandverdickungen und polypösen
Veränderungen betroffen sein. Eine schlechtere Pro-
gnose ist bei einem disseminierten bzw. einem Mul- Literatur zu Abschn. 7.6.2
tiorganbefall gegeben. Die Therapie ist die Reduktion
der Immunsuppression. Die Diagnose wird in der Re- Berrocal T, Parron M, Alvarez-Luque A, Prieto C, Santamaria
ML (2006) Pediatric liver transplantation: a pictorial essay
gel mittels CT oder MRT gestellt und mit einer Biop- of early and late complications. Radiographics 26: 1187–
sie gesichert. 1209
Boraschi P, Donati F, Cossu MC et al. (2005) Multi-detector
쐍 Abstoßung. Der primäre Funktionsausfall des computed tomography angiography of the hepatic artery in
liver transplant recipients. Acta Radiol 46: 455–461
Transplantats stellt den Hauptgrund für eine erneute Bowen AD, Towbin RB (2004) Liver transplantation. In: Kuhn
Transplantation dar. Abstoßungsreaktionen lassen JP, Slovis TL, Haller JO (eds) Caffey’s pediatric diagnostic
sich mittels bildgebender Verfahren mit hoher Wahr- imaging, 10th edn. Mosby, Philadelphia, pp 1509–1518
scheinlichkeit vermuten, jedoch nicht beweisen. Braga L, Guller U, Semelka RC (2006) Modern hepatic imaging.
Surg Clin North Am 84: 375–400
Daher muss die Diagnose immer mit einer Biopsie Chu WC, Yeung DT, Lee KH, Lam WW, Yeung CK (2005) Feasi-
gesichert werden. bility of morphologic assessment of vascular and biliary
anatomy in pediatric liver transplantation: all-in-one pro-
쐍 Weitere Komplikationen. Weitere abdominelle Kom- tocol with breath-hold magnetic resonance. J Pediatr Surg
40: 1605–1611
plikationen sind Darmperforation, Ileus und gastro- Ferris JG, Holbert BL, Baron RL (1998) Pre- and postoperative
intestinale Blutungen. Zu den neurologischen Kom- liver imaging. In: Gazelle GS, Saini S, Mueller PR (eds) He-
plikationen zählen die Hirnblutung, Infarkte oder die patobiliary and pancreatic radiology. Thieme, New York
Ausbildung einer entzündlichen Hirnerkrankung bei Stuttgart, S 205–239
Guiney MJ, Kruskal JB, Sosna J, Hanto DW, Goldberg SN, Rap-
Immunsuppression. Schließlich sind die medika- topoulos V (2003) Multi-detector row CT of relevant vascu-
menteninduzierten Veränderungen wie die immun- lar anatomy of the surgical plane in split-liver transplanta-
supressionsassoziierte Nephrotoxizität zu erwähnen. tion. Radiology 229: 401–407
Hoeffel C, Azizi L, Lewin M, Laurent V, Aube C, Arrive L,
Tubiana JM (2006) Normal and pathological features of the
Merke ! Die Lebertransplantation ist die eta-
blierte Behandlungsmethode fortge-
postoperative biliary tract at 3D MR cholangiopancreato-
graphy and MR imaging. Radiographics 26: 1603–1620
schrittener irreversibler Lebererkrankungen. Dabei Kubo T, Shibata T, Itoh K et al. (2006) Outcome of percutaneous
transhepatic venoplasty for hepatic venous outflow ob-
werden post mortem und Lebendspende unter- struction after living donor liver transplantation. Radiolo-
schieden. Zur Vorbereitung sind insbesondere bei gy 239: 285–290
der Lebendspende umfangreiche Untersuchungen Kurtovic J, van der Wall H, Riordan SM (2005) FDG PET for
des Organparenchyms, der arteriellen, venösen, discrimination between tumor extension and blood throm-
bus as a cause for portal vein thrombosis in hepatocellular
portalen und biliären Gefäßstrukturen erforderlich. carcinoma: important role in exclusion of transplant candi-
Dabei kommen neben der Sonographie die MSCT dacy. Clin Nucl Med 30: 408–410
einschließlich volumetrischer Kalkulationen, die Macdonald DB, Haider MA, Khalili K et al. (2005) Relationship
MRT mit CE-MRA und in Einzelfällen Katheter- between vascular and biliary anatomy in living liver
donors. AJR Am J Roentgenol 185: 247–252
angiographie und ERCP zum Einsatz. Eine Leber-
7.6 Andere Erkrankungen 615
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Erkrankungen des Pankreas 8
H.-J. Brambs
8.1.4
Endoskopische retrograde Cholangio-
pankreatographie (ERCP)
8.1.6
Endoskopischer Ultraschall (EUS)
Abb. 8.5. Normales Pankreas im Ultraschall (Leitlinie Milz- Der EUS hat sich in vielen gastroenterologischen
vene bis zum Konfluens) Zentren zu einem wichtigen diagnostischen Instru-
ment entwickelt, mit dem hochauflösende Aufnah-
men des Pankreas angefertigt und gezielte Punktio-
tin kann die Darstellung des Pankreasgangs verbes- nen durchgeführt werden können.
sert werden, da dadurch die Flüssigkeitssekretion des Die hohe Auflösung findet ihren Niederschlag in
Pankreas angeregt und der Papillentonus gesteigert der Beobachtung, dass mit dieser Methode bei gesun-
wird. Jedoch hat sich dieses Manöver allein aus Kos- den Personen in mehr als der Hälfte der Untersu-
tengründen nicht breit durchgesetzt. chungen eine unterschiedliche Echodichte zwischen
Die umgebenden arteriellen und venösen Gefäße der ventralen und der dorsalen Pankreasanlage be-
des Pankreas sind wichtige Landmarken, die zur obachtet werden kann. Daher wird das Verfahren
Orientierung dienen und bei entzündlichen und tumo- auch zum Nachweis früher Veränderungen bei chro-
rösen Prozessen in Mitleidenschaft gezogen werden nischer Pankreatitis eingesetzt, wobei hier aber die
können und daher besondere Beachtung verdienen. Gefahr einer Überdiagnose besteht.
Mit Hilfe des Ultraschalls werden die meisten inter- Der EUS bietet eine hohe Treffsicherheit in der
ventionellen Eingriffe am Pankreas, wie Punktionen Diagnostik und im Staging gastroenterologischer
und Drainagen durchgeführt. Prinzipiell kann unter Tumoren und konzentriert sich bei der Bauchspei-
sonographischer Sicht auch ein erweiterter Pankreas- cheldrüse auf die Abklärung von Neoplasien der Am-
gang punktiert und mit Kontrastmittel gefüllt werden. pulle und des Pankreas einschließlich der endokri-
8.1 Bildgebende Diagnostik 621
8.1.7
Intraduktaler Ultraschall
Parenchymatöse Phase
Kollimation 4¥1 mm 16¥0,75 mm
Schichtdicke 1,25 mm 0,75 mm
Inkrement 1 mm 0,7 mm
Portalvenöse KM-Phase
Kollimation 4¥2,5 mm 16¥0,75 mm
Schichtdicke 3 mm 0,75 mm
Inkrement 2,5 mm 0,7 mm
Kontrastmittelmenge 100–150 ml 80–120 ml
Injektionsrate 3–4 ml/s 3–5 ml/s
Kontrastmittelkonzentration 300–370 370–400
622 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
8.1.9
Magnetresonanztomographie
8.1.10
Magnetresonanzcholangiopankreatographie (MRCP)
8.1.11 Spiral-Computertomographie
Magnetresonanzangiographie Im Gegensatz zum Ultraschall ist die CT eine vom
Untersucher unabhängige und objektive Methode,
um Erkrankungen des Pankreas zu entdecken und zu
Für die Frage einer Beteiligung der arteriellen und charakterisieren. Insbesondere mit modernen MD-
venösen Gefäße bei Pankreastumoren werden die CTs wird eine Untersuchung in sehr kurzer Zeit und
dynamischen Sequenzen nach intravenöser Gabe mit sehr hoher Auflösung durchgeführt, und es sind
von Gadolinium herangezogen (Abb. 8.14 a, b). Zu- fast beliebige Rekonstruktionen ohne großen Zeit-
sätzlich kann nach Gadolinium-Gabe eine 3D-GRE- aufwand möglich, die eine sehr übersichtliche topo-
Sequenz verwandt werden, um die Gefäßsituation zu graphische Abbildung liefern. Überdies werden be-
eruieren. Eine neuartige Variante dieser Technik ist gleitende Veränderungen an der Lunge, der Leber,
die VIBE-Sequenz („volume interpolated breath-hold den umgebenden Darmschlingen, den arteriellen
examination“), die mit einer hohen Auflösung auf- und venösen Gefäßen und den Lymphknoten mit
wartet und sich für die hepatobiliäre Bildgebung hoher Auflösung sichtbar.
bewährt hat (Rofsky et al. 1999).
Magnetresonanztomographie
In der Regel ist die MRT nicht die primäre Methode,
8.1.12 um Erkrankungen des Pankreas zu diagnostizieren.
Methodenvergleich Dies ist überwiegend durch die relativ lange Untersu-
chungszeit, die geringere Verfügbarkeit und die im
Ultraschall und endoskopischer Ultraschall Vergleich zur CT relativ hohen Kosten der Methode
Von Internisten werden der transabdominelle Ultra- bedingt. Im Vergleich zu neueren CT-Technologien
schall und die EUS für die Diagnostik von Pankreas- bietet die MRT eine schlechtere Auflösung, und die
erkrankungen stark in den Vordergrund geschoben. bisher angeführten Vorteile der multiplanaren Dar-
Zweifelsohne ist die transabdominelle Sonographie stellungen werden in mindestens ebenbürtigem Maß
eine hervorragende Suchmethode, um eine Patholo- von der MD-CT geleistet.
gie des Pankreas zu entdecken. Daneben eignet sich Dennoch ergeben sich einige Indikationen für die
dieses Verfahren bei vielen Erkrankungen zur Ver- MRT:
laufskontrolle. Sind schwerwiegende therapeutische
∑ ungenügende oder fragliche CT-Untersuchungen,
Konsequenzen abzusehen, wird in der Regel der EUS
wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Pankre-
eingesetzt.
aserkrankung besteht,
8.2 Anatomie und Funktion 627
8.2
Anatomie und Funktion
8.2.1
Pankreasparenchym Abb. 8.15. Lipomatose in der CT mit nur noch spärlicher Drü-
senstruktur
8.2.2
Pankreasgang und Gallengang
8.3
Normvarianten, Entwicklungsanomalien
und angeborene Erkrankungen des Pankreas
Der dorsale Gang kann bei der ERCP nur über die
Sondierung der Minorpapille dargestellt werden.
Zum Nachweis eines Pancreas divisum ist heute
die MRCP vollständig ausreichend (Abb. 8.24), die
insbesondere nach intravenöser Sekretingabe die
Anomalie zweifelsfrei zeigt (Manfredi et al. 2002). Bei
Verwendung hochauflösender MD-CT kann mit Re-
konstruktionstechniken (Abb. 8.25 a, b) die fehlende
Abb. 8.22. Inkomplettes Pancreas divisum. Bei Kontrastierung
über die große Papille füllt sich primär das ventrale Pankreas, Fusion der beiden Gänge ebenfalls dargestellt werden
das über einen dünnen Seitenast Verbindung zum Hauptgang (Itoh et al. 2003).
hat
Pancreas anulare
Das Pancreas anulare ist eine sehr seltene Missbil-
Die Frage nach der klinischen Bedeutung wird dung, bei der ein vom Pankreaskopf ausgehender
kontrovers diskutiert. Es ist vorstellbar, dass die Drüsenring das Duodenum unterschiedlich stark
Minorpapille zu eng ist, um das Pankreassekret des einschnürt. Je ausgeprägter die Obstruktion ist, desto
dorsalen Pankreas ausreichend zu drainieren, sodass früher treten Symptome auf. In weniger ausgepräg-
eine relative Stenose resultiert, die bei übermäßiger ten Fällen finden sich in der Duodenalwand verstreu-
8.3 Normvarianten, Entwicklungsanomalien und angeborene Erkrankungen des Pankreas 631
te Drüseninseln, die in der Regel keine Stenose verur- Beim Neugeborenen reicht diagnostisch meist die
sachen. Abdomenübersicht im Stehen aus, die aufgrund
Klinisch lassen sich 2 Formen unterscheiden. der Luftüberblähung von Magen und Duodenum
das charakteristische „Double-bubble-Zeichen“ zeigt
∑ Die kindliche Form, bei der meist in den ersten
(Abb. 8.26).
7 Lebenstagen Symptome einer Duodenalob-
Beim Erwachsenen zeigt sich im Duodenum eine
struktion auftreten. Etwa 10% der Duodenal-
exzentrische glatt konturierte Einschnürung. Im Ge-
stenosen im Kindesalter sind durch ein Pancreas
gensatz zu einem Tumor sind die Schleimhautfalten
anulare bedingt.
regulär, wenn auch meist abgeflacht oder verstrichen
∑ Die Erwachsenenform, die sich meist im Alter
(Abb. 8.27).
zwischen 20–50 Jahren manifestiert. Durch eine
Eine sichere Diagnose gelingt auch hier nur durch
chronische Pankreatitis im Drüsenring oder
eine Gangdarstellung über eine MRP bzw. ERP. Bei
durch duodenale Ulzerationen treten klinische
der ERP ist allerdings nur in etwa der Hälfte der Fälle
Beschwerden wie Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen
der anuläre Gang darstellbar (Abb. 8.28). In den meis-
und Hämatemesis auf.
632 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Ektopes Pankreas
Abb. 8.30. Pancreas anulare in der CT. Einschnürung des Duo- Das ektope (heterotope oder aberrierende) Pankreas
denums durch Pankreasparenchym
zeigt keine anatomische Kontinuität zum eigentli-
chen Pankreas. Es entsteht möglicherweise dadurch,
dass im Verlauf der entwicklungsgeschichtlichen
Wanderung Fragmente in den primitiven Geweben
von Duodenum und Magen implantiert werden.
Diese in der Regel kleinen Veränderungen sind
meist klinisch stumm und werden häufig nur zufällig
entdeckt. Einige Patienten haben Symptome wie
Schmerzen, Blutungen und Magenentleerungsstö-
rungen. In seltenen Fällen treten im heterotopen Ge-
webe Komplikationen wie Pankreatitis und Pseudo-
zystenbildung auf. Da im ektopen Pankreas alle Ele-
mente einer normalen Bauchspeicheldrüse vorkom-
men, können in diesen Geweben sehr selten auch
exokrine oder endokrine Tumoren des Pankreas ent-
stehen.
Die bevorzugte Lokalisation des wenige Millime-
ter bis 3–4 cm großen akzessorischen Pankreas fin-
det sich an der großen Kurvatur des Antrums
(Abb. 8.32), seltener im Duodenum oder oberen Ab-
schnitt des Jejunums. Das ektope Pankreas liegt meist
submukös und verursacht eine glatte Schleimhaut-
vorwölbung, manchmal mit zentraler Delle, in die ein
rudimentäres Gangsystem münden kann.
Auf Kontrastdarstellungen des Magens erscheint
das heterotope Pankreas als glatt begrenzte, runde
Abb. 8.31. Pancreas anulare im Ultraschall. Nach Wasserfül- oder ovale Raumforderung, die wie ein submuköser
lung erkennt man den Pankreasabschnitt, der das Duodenum Tumor imponiert und meist als solcher interpretiert
umfasst
wird. In einigen Fällen haben diese Ektopien eine
polypöse Ausprägung, die an ein Karzinom denken
In Einzelfällen gelingt die Darstellung des Pan- lässt.
kreasrings auch im Ultraschall, wenn der Patient vor Auch in der CT lässt sich das heterotope Pankreas
der Untersuchung reichlich Wasser trinkt und in nach Wasserfüllung des Magens gut darstellen, aber
Rechtsseitenlage oder im Stehen untersucht wird in der Regel nicht von andersartigen submukösen
(Brambs et al. 1986; Abb. 8.31). Raumforderungen differenzieren (Cho et al. 2000). Da
634 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
8.3.2
Angeborene Pankreaserkrankungen
Zystische Fibrose
Die zystische Fibrose ist eine angeborene Stoffwech-
histologisch bisweilen auch eine Ausbreitung in die selerkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang.
Muskularis beobachtet werden kann, ist verständlich, Die Erkrankung ist durch eine Eindickung aller exo-
dass diese Veränderungen sowohl in der CT als auch krinen Sekrete im bronchopulmonalen System, im
im EUS mit einem infiltrierenden Tumor verwechselt Gastrointestinaltrakt und in der Haut charakteri-
werden kann. Zur Abklärung wird bei asymptomati- siert, wobei eine progressive pulmonale Erkrankung
schen Patienten eine ausgiebige Biopsie empfohlen. meist im Vordergrund steht. Im Pankreasgang führt
Bei symptomatischen Patienten wird eher die Indika- eine Eindickung des Pankreassafts zu einer fettigen
tion zu einem operativen Eingriff gestellt werden. Degeneration und Atrophie der Drüse.
Bei Geburt besteht in etwa der Hälfte der Fälle
Aplasie und Hypoplasie eine exokrine Pankreasinsuffizienz, und bis zum
Die Agenesie des Pankreas ist mit multiplen Anoma- Alter von 9 Jahren haben die meisten Kinder eine
lien assoziiert, die nicht mit dem Leben vereinbar Pankreasinsuffizienz entwickelt.
sind. Die Hypoplasie des Pankreas kann das dorsale In den fortgeschrittenen Stadien ist das exokrine
oder das ventrale Pankreas betreffen. Je nach Aus- Pankreasgewebe durch Fett und Bindegewebe er-
maß der Hypoplasie besteht eine exokrine und endo- setzt. Dementsprechend findet sich sonogra-
krine Insuffizienz. Die Diagnose kann mittels Schnitt- phisch nach dem 2. Lebensjahr eine Zunahme der
bildverfahren und ERCP gestellt werden. Echostruktur des Parenchyms mit zunehmender
Schrumpfung. Die Verfettung des Organs lässt sich
Anomale pankreatikobiliäre Verschmelzung gleichermaßen in der CT und in der MRT erkennen
Die Verbindung von Pankreasgang und Gallengang (Abb. 8.34).
ist sehr variantenreich. In den meisten Fällen vereini- Die Entwicklung von Zysten ist eher selten. Dabei
gen sich Pankreasgang und Gallengang zu einem handelt es sich um echte Zysten, die mit einem Epi-
kurzen gemeinsamen Gangabschnitt, in wenigen Fäl- thel ausgekleidet sind.
len besteht eine getrennte Mündung in der Papille.
Bei einer anomalen Verschmelzung vereinigen Shwachman-Bodian-Syndrom
sich Pankreasgang und Gallengang weit von der Das Shwachman-Bodian-Syndrom ist die zweit-
Papillenregion entfernt und bilden einen langen häufigste hereditäre Erkrankung des exokrinen Pan-
(>15 mm) gemeinsamen Kanal. Folgen der anomalen kreas. Klinisch unterscheidet sich dieses Syndrom
Kreuzung sind Reflux von Pankreassekret in den von der zystischen Fibrose durch einen normalen
Gallengang und umgekehrt Reflux von Galle in den Schweißtest und hämatologische Auffälligkeiten
Pankreasgang. wie Neutropenie, Thrombozytopenie und Anämie.
Diese Anomalie kann Pankreatitiden induzieren Daneben finden sich multiple Skelettanomalitäten,
und ist häufig mit einer Choledochuszyste oder ei- unter denen metaphysäre Dyschondroplasien am
nem Gallengangskarzinom assoziiert (Abb. 8.33). häufigsten zu finden sind.
8.3 Normvarianten, Entwicklungsanomalien und angeborene Erkrankungen des Pankreas 635
Abb. 8.34. Komplett durch Fettgewebe ersetztes Pankreas bei Abb. 8.35. Zysten bei Hippel-Lindau-Syndrom
Mukoviszidose
Ursache der unterschiedlich stark ausgeprägten sehr selten sind, sollte beim Nachweis von derartigen
Pankreasinsuffizienz ist der Ersatz des exokrinen Zysten an ein Hippel-Lindau-Syndrom gedacht wer-
Drüsengewebes durch Fettgewebe, während Gang- den.
strukturen und Inselzellen intakt bleiben. Mit Hilfe Mit den Schnittbildverfahren können die Zysten
von Sonographie, CT und MRT lässt sich der Fett- gut abgegrenzt werden. Im Nachweis von serösen
gewebeersatz gut darstellen und abschätzen. Zystadenomen sind CT und MRT dem Ultraschall
überlegen (Abb. 8.35).
Kongenitale Zysten
Idiopathische kongenitale Zysten sind sehr selten. Sie Gefäßmissbildungen
können einzeln oder multipel auftreten und gehen Angeborenen Gefäßmissbildungen am Pankreas sind
wahrscheinlich auf eine Fehlentwicklung des Pan- sehr selten. Im Gegensatz zu Pseudoaneurysmen, die
kreasgangs zurück. Die Erkrankung wird meist be- im Gefolge einer chronischen Pankreatitis auftreten,
reits bei Neugeborenen oder schon intrauterin mit- besteht offensichtlich keine Neigung zu spontanen
tels Ultraschall entdeckt. Mikrozystische Verände- Blutungen. Der Morbus Osler, der durch Gefäß-
rungen in Kombination mit multiplen Zysten in Milz anomalien wie Angiome, Aneurysmen und arterio-
und Nieren sind ein charakteristisches Zeichen der venöse Malformationen charakterisiert ist, kann
Trisomie 13. selten auch am Pankreas manifest werden.
Im Zusammenhang mit der polyzystischen Nie- Arteriovenöse Malformationen können auch un-
rendegeneration können auch Zysten im Pankreas abhängig von einem Morbus Osler in der Bauchspei-
auftreten, die sich meist erst im jugendlichen Alter cheldrüse gefunden werden und haben das charak-
entwickeln. teristische Aussehen mit kräftigen zuführenden
Das Hippel-Lindau-Syndrom ist eine autosomal- Arterien, einem Knäuel ektatischer Gefäße und er-
dominante Phakomatose, bei der retinale Angiome, weiterten drainierenden Venen. Patienten mit dieser
Hämangioblastome des ZNS, Nierenkarzinome und Malformation können eine portale Hypertonie mit
Phäochromozytome im Vordergrund stehen. Pan- Varizen des Ösophagus und Magens entwickeln und
kreasveränderungen wie Zysten, seröse Zystadenome dementsprechend mit starken Blutungen klinisch
und Inselzelltumoren können die einzige abdominel- apparent werden.
le Manifestation der Erkrankung sein. Die Häufigkeit Die Periarteriitis kann sich ebenfalls an den Pan-
dieser zystischen Veränderungen beträgt bis zu 30%, kreasgefäßen manifestieren, ischämische Infarkte
wobei einfache Zysten überwiegen. Neben einzelnen infolge der Arteriitis sind aber ungewöhnlich.
Zysten findet sich auch eine zystische Transforma-
tion des gesamten Organs. Diese Veränderungen sind
meist asymptomatisch oder mit nur geringen klini-
schen Symptomen vergesellschaftet (Neumann et al.
1991). Da dysontogenetische Zysten des Pankreas
636 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Tabelle 8.3. Pathomorphologie der leichten und schweren Form einer akuten Pankreatitis
Pathomorphologie CT-Zeichen
Therapeutische Entscheidungen basieren im We- und die Feststellung des Schweregrades sowie im
sentlichen auf dem initialen Schweregrad der Er- weiteren Krankheitsverlauf der Nachweis von Kom-
krankung, aus dem prognostische Schlüsse gezogen plikationen.
werden. In erster Linie werden hierzu klinische und
laborchemische Daten in verschiedenen Score-Syste- 쐍 Abdomenübersicht und Thoraxaufnahmen. Die klas-
men zusammengefasst, von denen der Ranson-Score sischen radiologischen Verfahren wie Abdomenüber-
und der APACHE-II-Score die bekanntesten sind. sicht und Kontrastdarstellungen des Gastrointesti-
Diese werden aber meist nur in Studien verwendet. naltrakts spielen bei dieser Erkrankung praktisch
Für den klinischen Alltag ist die Bestimmung des keine Rolle mehr.
C-reaktiven Proteins (CRP) ein geeigneter Parame- Die oft bei akuten Erkrankungen durchgeführte
ter. In ähnlicher Weise wird versucht, mit Hilfe mor- Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane kann pul-
phologischer Daten der CT-Bildgebung den Schwere- monale Infiltrate, basale Belüftungsstörungen und
grad zu beschreiben und die Prognose abzuschätzen Pleuraergüsse zeigen. Letztere werden bei schwerer
(Balthazar 2002). Pankreatitis deutlich häufiger beobachtet und korre-
Bei der leichten Form der akuten Pankreatitis fin- lieren in ihrer Ausdehnung mit dem Schweregrad der
den sich morphologisch neben einem interstitiellen akuten Pankreatitis.
Ödem disseminierte oder umschriebene Fettgewebe-
nekrosen. Relevante Parenchymnekrosen fehlen bei 쐍 Ultraschall. Die Sonographie ist bei akuten Erkran-
dieser Form (Tabelle 8.3). Bei schweren Formen neh- kungen des Abdomens aufgrund ihrer breiten Verfüg-
men die peripankreatischen Fettgewebenekrosen zu, barkeit meist die Untersuchung der ersten Wahl. In
und es treten im Pankreasparenchym interlobuläre der initialen Phase der Erkrankung besteht häufig
Fettgewebenekrosen und schließlich azinäre Nekro- ein paralytischer Ileus mit luftüberblähten Darm-
sen auf. Die Nekrosen können sich auf die Gefäße schlingen, sodass eine übersichtliche Darstellung des
ausdehnen und zu Thrombosen oder Hämorrhagien Abdomens und Retroperitoneums meist erheblich
führen. Wenn arterielle Thrombosen auftreten, kön- erschwert ist. Dagegen ist diese Methode im weiteren
nen diese ischämische Störungen des Pankreas- Verlauf nach Rückgang des anfänglichen Beschwer-
parenchyms hervorrufen. Zuletzt werden auch die debildes ein ausgezeichnetes Verfahren, um kurzfris-
Pankreasgänge destruiert, was zu Extravasationen tige Verlaufskontrollen durchzuführen. Bei Patienten,
von Pankreassekret führt. die auf Intensivstationen überwacht werden müssen
Man kann davon ausgehen, dass das morphologi- oder beatmet werden, ist die Möglichkeit der bett-
sche Erscheinungsbild einer akuten Pankreatitis sich seitigen Untersuchung sehr hilfreich. Häufig gelingt
innerhalb von 3–4 Tagen manifestiert hat. Die Schä- mit dieser Methode auch eine Differenzierung einer
den können entweder lokalisiert oder diffus auftre- leichten Pankreatitis von einer schweren Form mit
ten. Bei einer milden Form der akuten Pankreatitis ausgedehnten Nekrosen. Diese Methode ist auch aus-
kommt es im weiteren Verlauf nur in etwa 10% zu reichend, wenn es um die gezielte Punktion von ober-
einer Umwandlung in eine schwere nekrotisierende flächlich gelegenen Flüssigkeitsansammlungen geht.
Form (Lankisch et al. 2001). Im Nachweis von biliären Erkrankungen ist die
Sonographie mit einer Sensitivität und Spezifität
Bildgebende Diagnostik von über 95% das Untersuchungsverfahren mit der
Die primäre Aufgabe bildgebender Verfahren ist der höchsten diagnostischen Aussagekraft und ist im
Nachweis bzw. Ausschluss einer akuten Pankreatitis, Nachweis von Gallenblasen- und Gallengangskon-
die Suche nach der Ursache der akuten Erkrankung krementen der CT überlegen.
638 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Die Endosonographie hat bislang keine Bedeu- Ein frühes Zeichen einer akuten Pankreatitis sind
tung bei der Diagnose der akuten Pankreatitis, ob- peripankreatische Flüssigkeitsansammlungen, die sich
wohl sie eine gute Darstellung und hohe Auflösung im Wesentlichen aus Exsudat und Fettgewebenekro-
im Bereich der pankreatikobiliären Region erlaubt. sen und zu einem geringeren Teil aus Hämorrhagien
Im Nachweis von Gallensteinen übertrifft die Endo- zusammensetzen. Ein Nachteil der CT ist, dass
sonographie den perkutanen Ultraschall, jedoch ist die einzelnen Komponenten der peripankreatischen
die Invasivität der Methode hier von Nachteil. Die Flüssigkeitsansammlungen nicht quantifiziert wer-
Beurteilung ausgedehnter retroperitonealer Flüssig- den können. Diese Flüssigkeitsansammlungen fin-
keitsansammlungen ist durch die limitierte Ein- den sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Pankre-
dringtiefe beschränkt. as und breiten sich zumeist in der Bursa omentalis
und im vorderen Pararenalraum aus (Abb. 8.36 a, b),
쐍 Spiral-CT. Die CT hat entscheidend zum Verständ- können sich aber auch in die Peritonealhöhle und bis
nis des Krankheitsbildes der akuten Pankreatitis bei- ins Mediastinum fortsetzen. Sie dehnen sich anfangs
getragen und auch die neuere Nomenklatur be- eher diffus aus und sind zunächst nur durch die ana-
einflusst. Die Entwicklung der Spiral-CT und der tomischen Grenzen in ihrer Ausbreitung beschränkt,
MD-CT ermöglicht eine hervorragende Auflösung werden aber im weiteren Verlauf durch Granulations-
des Pankreasparenchyms und selbst kleiner arteriel- gewebe abgegrenzt, das eine Art fibröse Kapsel aus-
ler und venöser Gefäße. Nach intravenöser Kontrast- bildet (Abb. 8.37 a–c).
mittelgabe kann die Perfusion des Pankreaspar- Die parenchymatösen Veränderungen variieren
enchyms sehr genau erfasst werden. stark mit dem Schweregrad der Erkrankung. Bei der
Obwohl vereinzelte Tierversuche den Verdacht milden Form der Erkrankung ist das Organ in der
nahegelegt haben, dass intravenös verabreichtes Regel leicht- bis mittelgradig vergrößert und kann
Kontrastmittel in frühen Stadien der Erkrankung die in wenigen Fällen sogar ganz unauffällig wirken
Mikrozirkulation des Pankreas beeinträchtigen und (Abb. 8.38). In etwa 20% der Fälle stellt sich das Or-
dadurch eine Verschlechterung der akuten Pankrea- gan nur fokal vergrößert dar. Fokale oder diffuse
titis eintreten könnte, hat sich diese Befürchtung im Areale der Drüse, die nach intravenöser Kontrastmit-
klinischen Alltag nicht bewahrheitet. telgabe keine Anreicherung zeigen, können zuverläs-
sig als Nekrosen interpretiert werden (Abb. 8.39 a–d).
Merke ! Unverändert gilt daher die kontrast-
verstärkte CT als Methode der Wahl
Beträgt das Ausmaß der Nekrose mehr als 30%,
erreicht die Spezifität der CT 100%.
zum Nachweis und zum Staging einer schweren aku- Eine bakterielle Infektion der pankreatischen und
ten Pankreatitis (Lankisch et al. 2001). peripankreatischen Nekrosen tritt in bis zu 20%
der Fälle auf und ist mit einer hohen Mortalität ver-
Bis in die jüngste Literatur gibt es aber Empfehlun- gesellschaftet. Je ausgedehnter die Nekrosen sind,
gen, die Untersuchung zumindest bei leichteren For- desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer In-
men einer akuten Pankreatitis und in der Frühphase fektion. Die Keime kommen mit hoher Wahrschein-
(erste 72 Stunden) ohne Kontrastmittel durchzufüh- lichkeit aus dem Gastrointestinaltrakt, und es gibt
ren (Casas et al. 2004). Hinweise, dass das Ausmaß der Kontaktfläche der
8.4 Entzündliche Pankreaserkrankungen 639
Abb. 8.39. Während die überwiegenden Anteile von Pankreaskorpus und Pankreasschwanz gut durchblutet sind (a), stehen nur
noch kleine Reste von Pankreaskopf und proximalem Pankreaskorpus (b,c). d Die perfundierte bogenförmige Struktur ent-
spricht dem unteren Duodenalknie (Pfeile)
쐍 MRT. Die MRT ist wie die CT in der Lage, die Dia-
gnose einer akuten Pankreatitis zu stellen und er-
laubt ebenfalls präzise Aussagen zur Schwere des
Krankheitsbildes. Bei Verwendung T2-gewichteter
Sequenzen und kontrastverstärkter T1-gewichteter
Sequenzen sind die Ergebnisse der CT vergleichbar,
und die Terminologie kann entsprechend übernom-
men werden (Arvanitakis et al. 2004; Lecesne et al.
Abb. 8.43. Postpankreatitische Pseudozyste ventral und apikal 1999).
des Pankreas und um die Milz Ein wichtiger Vorteil der MRT ist, dass das ver-
wendete Kontrastmittel weniger toxisch ist, so-
dass diese Untersuchung insbesondere bei Nieren-
insuffizienz die CT ersetzen kann. T2-gewichtete
Indikation und Zeitpunkt der CT-Untersuchung Sequenzen erlauben in komplexen peripankreati-
bei akuter Pankreatitis
schen Flüssigkeitsansammlungen offensichtlich eine
Im Frühstadium ist eine CT- Untersuchung angezeigt
∑ bei klinisch schwerer Pankreatitis, frühestens 2–3 Tage nach bessere Differenzierung von Flüssigkeit und nek-
Beginn der klinischen Symptomatik,um rechtzeitig therapie- rotischen Debris als die CT (Abb. 8.44 a, b). Da-
pflichtige Komplikationen zu erkennen, durch sind zuverlässigere Aussagen möglich, ob
∑ bei unklarer klinischer Diagnose, da das computertomogra- infizierte Nekrosen, Abszesse oder infizierte Pseu-
phische Bild einer akuten Pankreatitis eindeutig ist und dozysten vorliegen und drainagefähig sind. Aber
viele andere akute abdominelle Erkrankungen mit dieser auch hier kann letztlich nur die Punktion die Kom-
Methode zu erkennen sind. plikation einer Infektion sichern (Morgan et al.
2003).
Im Verlauf der Erkrankung ist eine CT-Untersuchung indiziert Es ist prinzipiell zu erwarten, dass durch eine
∑ bei plötzlicher und unerwarteter Änderung im klinischen MRCP auch der Nachweis von Gallensteinen oder die
Verlauf, Diagnose eines Pancreas divisum als Ursache einer
A 0 Normales Pankreas
B 1 Umschriebene oder diffuse Organvergrößerung und Heterogenität
des Parenchyms
C 2 Veränderungen im Parenchym und Verdichtungen im Fettgewebe
D 3 Einzelne Flüssigkeitsansammlungen
E 4 Mehrere Flüssigkeitsansammlungen oder Gasansammlungen
Parenchymnekrosen
Keine 0 Homogene KM-Anreicherung
<30% 2 Fehlende KM-Anreicherung (<30%)
30–50% 4 Fehlende KM-Anreicherung (30–50%)
>50% 6 Fehlende KM-Anreicherung (>50%)
Schweregradindex Score des Stadiums +
Score des Nekrosegrades
0–4 Leichte Pankreatitis
5–10 Schwere Pankreatitis
8.4 Entzündliche Pankreaserkrankungen 643
phase rezidivierende Schübe einer akuten Pankreati- lobuläre Fibrose vor, während in späteren Stadien
tis, die nach mehreren Jahren in eine chronische Pan- duktale Veränderungen mit Strikturen und Dilatatio-
kreatitis übergeht. In einer großen Studie zum natür- nen, Eindickung des Sekrets zu Proteinpfröpfen und
lichen Verlauf der chronischen Pankreatitis ent- schließlich Verkalkungen auftreten. Lediglich bei der
wickelte sich eine exokrine Insuffizienz bei 48% der obstruktiven Pankreatitis sind die Veränderungen
Patienten nach einem durchschnittlichen Verlauf von auf den Teil des Pankreas beschränkt, der hinter der
etwa 13 Jahren, während sich eine endokrine Insuffi- Obstruktion liegt. Proteinpfröpfe und Steinbildun-
zienz bei 38% der Patienten nach durchschnittlich gen werden hierbei in der Regel nicht beobachtet.
etwa 20 Jahren ausbildete (Layer et al. 1994).
Etwa 10–30% der chronischen Pankreatitiden Klinik
werden als idiopathisch eingestuft. Es wird hierbei Das hervorstechende Symptom ist der Schmerz, der
zwischen einer Form, die in frühen Jahren beginnt, wahrscheinlich überwiegend durch eine perineurale
und einer Form, die im fortgeschrittenen Alter ein- Entzündung und durch einen erhöhten intraduktalen
setzt, unterschieden. Bei der juvenilen Form ist der Druck verursacht wird. Der Schmerz unterdrückt
Verlauf meist durch rezidivierende schmerzhafte den Appetit, führt daher zu reduzierter Nahrungszu-
Pankreatitisschübe gekennzeichnet. Morphologisch fuhr und schließlich zu Malnutrition und Gewichts-
fassbare Veränderungen treten im Vergleich zur alko- verlust. Dieser Schmerz ist häufig auch die Indikation
holischen Pankreatitis erst sehr spät auf, sodass die zur chirurgischen Therapie.
Diagnosestellung mangels genau festgelegter Krite- Der Beginn der Erkrankung ist oft durch rezi-
rien erschwert ist. Bei der Altersform stehen dagegen divierende schmerzhafte Schübe einer akuten Pan-
die Schmerzen nicht im Vordergrund. Neuere Stu- kreatitis gekennzeichnet, später entwickelt sich das
dien deckten bei idiopathischer chronischer Pan- Bild einer exokrinen und endokrinen Insuffizienz.
kreatitis in bis zu 30% der Fälle Genmutationen auf.
Die hereditäre Pankreatitis ist eine seltene autoso- Diagnostik
mal-dominante Erkrankung, die etwa 1% der chroni- Es gibt keine Einteilung nach klinischen Schweregra-
schen Pankreatitis ausmacht. Die Erkrankung tritt in den, da es nahezu unmöglich ist, die Schmerzsymp-
der Kindheit bis zum frühem Erwachsenenalter auf tomatik zu quantifizieren. Die Einteilung nach funk-
und ist durch schmerzhafte, rezidivierende Schübe tionellen Gesichtspunkten ist relativ zuverlässig, aber
einer Pankreatitis gekennzeichnet. aufwändig und daher Spezialabteilungen vorbehal-
Die Autoimmunpankreatitis ist durch den Nach- ten.
weis von Antikörpern und eine Erhöhung von Im- Aufgaben der bildgebenden Diagnostik sind:
munglobulinen charakterisiert. In etwa 60% ist die
∑ Diagnosestellung,
Erkrankung mit anderen Autoimmunerkrankungen
∑ Bestimmung des Schweregrades bzw. Stadiums
assoziiert. Immunologische Mechanismen spielen
der Erkrankung,
auch bei der Form der chronischen Pankreatitis
∑ Nachweis von Komplikationen,
eine Rolle, die bei Patienten mit chronischen Darm-
∑ Hilfestellung bei Interventionen.
erkrankungen beobachtet werden kann.
Die obstruktive chronische Pankreatitis ist durch In frühen Stadien der Erkrankung sind sowohl die
eine Stenosierung des Pankreasgangs durch Tumo- morphologische Diagnostik als auch die Funktions-
ren, Pseudozysten oder Narben bedingt. In diesen tests wenig aussagekräftig, während sie mit fort-
Kreis kann auch die chronische Pankreatitis bei den schreitender Erkrankung zunehmend an Zuverläs-
Fällen von Pancreas divisum gezählt werden, bei de- sigkeit gewinnen. Die bildgebenden Verfahren zeigen
nen die Minorpapille so eng ist, dass eine chronische im frühen Verlauf der Erkrankung eine unbefriedi-
Druckerhöhung resultieren kann. gende Korrelation mit Funktionsstörungen. Außer-
Die tropische Pankreatitis kommt überwiegend dem kann mit Hilfe der Bildgebung nur begrenzt zwi-
in bestimmten Gebieten Indiens vor und befällt fast schen den verschiedenen ätiologischen Formen einer
ausschließlich Jugendliche und junge Erwachsene. chronischen Pankreatitis differenziert werden.
Die Ursache der Erkrankung ist noch nicht geklärt In fortgeschrittenen Stadien besteht die Drüse fast
und wird häufig mit der Einnahme von Cassava in ausschließlich aus fibrösem Gewebe mit Zerstörung
Zusammenhang gebracht. und Verminderung des exokrinen Drüsengewebes.
Patienten mit einer zystischen Fibrose entwickeln Häufig sind der Pankreasgang und seine Seitenäste
meist eine chronische Pankreasinsuffizienz und fallen erweitert. Die Ursache der Dilatation ist nicht immer
nicht durch rezidivierende Pankreatitisschübe auf. erkennbar und ist z. T. durch Strikturen, Proteinprä-
Die unterschiedlichen Formen der chronischen zipitate oder Gangsteine bedingt und z. T. durch
Pankreatitis führen letztlich zu gleichen pathologi- narbigen Zug bei periduktaler Fibrose verursacht.
schen Befunden. In der frühen Phase liegt eine inter- Ödem, Entzündung und Nekrosen werden in unter-
646 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Abb. 8.51 a, b. Erweiterte und verplumpte Pankreasgänge in Grad 1 Füllung des Bulbus duodeni,
der MRCP Grad 2 Füllung des Bulbus und des Duodenums bis
zum unteren Knie,
Grad 3 Füllung über das untere Duodenalknie hin-
aus.
Nach Stimulation mit Sekretin kann bei frühen For-
men der chronischen Pankreatitis, die noch eine gute Mit ausreichender Sensitivität und Spezifität ergibt sich
bis ausreichende Sekretionsleistung zeigen, eine ver- eine Korrelation zur eingeschränkten exokrinen Funk-
besserte Gangfüllung mit Pankreassekret und damit tion der Drüse. Daneben eignet sich das Verfahren auch
eine verbesserte Darstellung des Pankreasgangs erzielt zum besseren Nachweis und zur Verlaufsbeobachtung
werden. Bei ausgebrannten Formen einer chronischen einer chronisch idiopathischen Pankreatitis bei Kin-
Pankreatitis bleibt die Sekretion aus, und die Dehn- dern und Jugendlichen (Manfredi et al. 2002).
barkeit des Pankreasgangs geht verloren. In der Regel werden im Rahmen einer MRCP auch
Wenn vor der Sekretinstimulation eisenhaltiges Schnittbilder des Pankreas gewonnen, die eine Atro-
Kontrastmittel getrunken wird und dadurch die Flüs- phie des Pankreasgewebes, Gangerweiterungen und
sigkeit im Magen und Duodenum im T2-gewichteten Pseudozysten ebenso wie andere Schnittbildverfah-
Bild gleichsam abgepuffert wird, kann eine semi- ren zeigen können. Lediglich Verkalkungen können
quantitative Abschätzung der Sekretionsleistung des schlechter als mit anderen Schnittbildverfahren wie
Pankreas erfolgen, da die nach Stimulation im Duo- Ultraschall und CT dargestellt werden.
8.4 Entzündliche Pankreaserkrankungen 649
Komplikationen
Komplikationen, die sich im Verlauf einer chroni-
schen Pankreatitis einstellen können, sind
∑ Pseudozysten, gelegentlich mit Infektion oder
Einblutung,
∑ Pankreasgangobstruktionen durch narbige Strik-
turen oder Steine,
∑ Gallengangstenose,
∑ Duodenalstenose,
∑ portale Hypertonie mit gastrointestinalen Vari-
zen.
Abb. 8.57. Hypodense Zone im Pankreaskopf, erweiterter
Darüber hinaus besteht ein erhöhtes Risiko für die Pankreasgang und nekrotisches Areal im Pankreasschwanz bei
Entwicklung eines Pankreaskarzinoms und extra- Pankreaskopfkarzinom (primär in der ERCP als Pankreatitis
pankreatischer Malignome im Oropharynx, Ösopha- diagnostiziert)
gus und Bronchialsystem.
쐍 Pseudozysten. Bei etwa 25% der Patienten mit die Pseudozysten sind dann eher einer Operation
chronischer Pankreatitis werden Pseudozysten beob- oder einem interventionellen Eingriff zugänglich.
achtet. Die meisten Pseudozysten entwickeln sich in- Retentionszysten weisen üblicherweise eine Gang-
folge einer alkoholischen Pankreatitis, seltener nach kommunikation und eine vorgeschaltete Gangste-
einer biliären Pankreatitis oder nach einem Trauma. nose auf, die durch narbige Strikturen oder durch Tu-
Das häufigste Symptom ist der abdominelle Schmerz, moren bedingt sein kann. Sie sind wahrscheinlich
weniger häufig werden Übelkeit und Erbrechen, Folge einer Gangruptur (Abb. 8.58 a, b).
Ikterus oder Blutungen gesehen. Komplikationen im Rahmen von Pseudozysten
In den meisten Fällen entstehen diese Pseudozys- (Infektion, Größenzunahme mit Kompression, Rup-
ten aus Nekrosehöhlen im umgebenden Fettgewebe tur und Blutung) werden in etwa 5–40% der Fälle an-
(postnekrotische Pseudozysten). Daher werden gegeben, wobei etwa die Hälfte dieser Komplikatio-
Kommunikationen zum Pankreasgangsystem eher nen konservativ behandelt werden kann. Das wich-
selten gesehen. In der frühen Phase der Ausbildung tigste Kriterium, das die Notwendigkeit einer Inter-
einer postnekrotischen Pseudozyste besteht die vention anzeigt, scheint die Zystengröße zu sein. Je
Wand aus Granulationsgewebe und ist noch dünn, größer die Zysten werden, desto wahrscheinlicher
mit zunehmender Dauer wird die Wand dicker, und wird die Notwendigkeit einer Therapie. Eine Größe
8.4 Entzündliche Pankreaserkrankungen 651
쐍 Blutung. Blutungen können durch Wandverlet- sinistra (5%), der A. hepatica (5%) und seltener der
zungen einer Pseudozyste, durch Pseudoaneurysmen A. mesenterica superior, der jejunalen und ileozöka-
oder durch eine portale Hypertonie verursacht sein. len Arterien und der Aorta (1–3%).
Durch Größenzunahme der Pseudozyste können Während früher die Angiographie die bevorzugte
kleine Gefäße in der Zystenwand reißen. Diese Form diagnostische Methode war, um derartige Komplika-
der Hämorrhagie bleibt aber meist begrenzt. tionen nachzuweisen und zu lokalisieren, gelten heu-
Pseudoaneurysmen entstehen durch eine druckbe- te der Farbdoppler (Abb. 8.59 a, b) und die Spiral-CT
dingte und enzymatische Andauung einer arteriellen als Methoden der Wahl. Insbesondere mit schnellen
Gefäßwand. Dabei kann das Gefäß in die Pseudozys- und hochauflösenden MD-Geräten kann eine Blu-
te, in die Bauchhöhle oder in den Gastrointestinal- tung rasch geortet und die Möglichkeit einer inter-
trakt rupturieren. Über eine Verbindung zum Pan- ventionellen Therapie gut abgeschätzt werden. Nach
kreasgang kann sich die Blutung in das Gangsystem intravenöser Kontrastmittelgabe zeigt sich das Pseu-
und weiter in das Duodenum ausbreiten (Hämosuc- doaneurysma als intensiv kontrastierende Höhle im
cus pancreaticus oder Wirsungorrhagie). Diese Blu- Bereich der Pseudozyste (Abb. 8.60). Im Blutungs-
tungen können schwach sein und intermittierend intervall kann frisches Blut in einer Pseudozyste, in
auftreten, aber auch massiv und lebensbedrohlich der Abdominalhöhle oder in einem Darmabschnitt
werden. Die Mortalität dieser Blutungen ist hoch erkannt werden.
(40–60%), wenn Diagnose und Therapie verschleppt
werden.
Am häufigsten ist die Milzarterie (40%) betroffen,
Merke ! Die angiographische Embolisation
hat sich mittlerweile zur bevorzugten
gefolgt von der A. gastroduodenalis (30%), den pan- Therapie entwickelt und ist in 67–100% erfolgreich
kreatikoduodenalen Arterien (20%), der A. gastrica (Gambiez et al. 1997).
652 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Rinnenpankreatitis
Diese Variante einer segmentalen Pankreatitis spielt
lung über eine ERCP oder eine MRCP nötig, um das sich im Wesentlichen in der Rinne zwischen Pankre-
Ausmaß und den Verlauf der Fistelbildung darzustel- askopf, Duodenum und Gallengang ab, während das
len. Bei externen Fisteln ist die direkte Fistulographie restliche Pankreas nicht oder nur geringfügig invol-
geeignet, den oft fuchsbauartigen Verlauf derartiger viert ist. Eine Verwechslung mit einem Pankreaskar-
Fisteln abzubilden (Abb. 8.63). zinom ist häufig (Yamaguchi u. Tanaka 1992).
In dieser Rinne kommt es zu einer ausgeprägten,
Sonderformen der chronischen Pankreatitis bisweilen tumorähnlichen Narbenbildung, die von
Einige Formen der chronischen Pankreatitis weisen einer deutlichen Verdickung der Duodenalwand
eine charakteristische Klinik auf oder zeigen mor- begleitet ist. Damit geht eine Einschnürung des
phologische Besonderheiten, die eine diagnostische Pankreasgangs im präpapillären Abschnitt ein-
Abgrenzung erlauben und daher eine besondere her, die zu Verwechslungen mit einem Tumor führen
Erwähnung verdienen. kann (Abb. 8.64). In der verdickten Duodenal-
wand entwickeln sich häufig intramurale Pseudo-
Obstruktive chronische Pankreatitis zysten.
Die häufigsten Ursachen einer Gangobstruktion sind Das sonographische Zeichen der Rinnenpankreati-
das Pankreaskarzinom und Tumoren an der Papille. tis ist eine sichelförmige, echoarme Schicht zwischen
Seltenere Ursachen sind intraduktale Tumoren, zysti- der verdickten Duodenalwand und dem Pankreas.
sche und endokrine Tumoren, erworbene oder ange- In der CT kommen die Verdickung der Duodenal-
borene Strikturen des Pankreasgangs. Auch das wand, die breite Narbenplatte und die Duodenal-
Pancreas divisum gehört in diese Gruppe. Infolge der wandzysten insbesondere bei ausreichender Wasser-
Obstruktion kommt es zu einer Erweiterung des füllung des Duodenums und nach intravenöser
Gangsystems proximal der Stenose und schließlich Gabe von Buscopan gut zur Darstellung (Abb. 8.65,
zur Atrophie des Pankreasparenchyms. Steinbildun- Abb. 8.66). Die Narbe nimmt nur geringfügig Kon-
gen sind bei obstruktiver Pankreatitis selten. trastmittel auf.
654 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Autoimmunpankreatitis
Die Autoimmunpankreatitis (primär sklerosierende
Pankreatitis, lymphoplasmazelluläre sklerosierende
Pankreatitis, nichtalkoholische gangdestruktive chro-
nische Pankreatitis) wird häufiger bei Männern
beobachtet und in den letzten Jahren zunehmend be-
schrieben. Sie kommt in allen Altersstufen vor. Wäh-
rend nach europäischen und amerikanischen Publi-
kationen eher jüngere Individuen betroffen sind, tritt
die Erkrankung nach asiatischen Veröffentlichungen
überwiegend in höherem Alter auf. In etwa der Hälf-
te der Fälle ist diese Form der Pankreatitis mit Er-
krankungen wie der primär sklerosierenden Chol-
angitis, der primär biliären Zirrhose, dem Sjögren-
Syndrom, dem Lupus erythematodes und chronisch
Abb. 8.68. Verminderte KM-Aufnahme im Pankreaskopfab-
entzündlichen Darmerkrankungen assoziiert. Viele schnitt bei einer fokalen Form einer Autoimmunpankreatitis
Patienten zeigen im Serum Marker einer Autoim- (Pfeile)
munerkrankung wie erhöhte IgG-Werte und anti-
nukleäre Antikörper. Histopathologisch lässt sich die
Autoimmunpankreatitis gut von der alkoholischen
Form der Pankreatitis abgrenzen und ist durch peri-
duktale, lymphoplasmazelluläre Infiltrate charakteri-
siert, die schließlich zu Gangstrikturen und Fibrose
führen (Ectors et al. 1997).
Die Klinik ist unspezifisch mit Oberbauchbe-
schwerden, Müdigkeit und in manchen Fällen Ikte-
rus. Wiederholte Attacken einer akuten Pankreatitis
sind eher selten. Nach Therapie mit Kortikoiden
kann es zu einem Rückgang der morphologischen
Veränderungen und zu einer Verbesserung der Funk-
tion kommen, was auch differenzialdiagnostisch be-
deutsam sein kann.
Auch die Bildgebung zeigt Unterschiede im Ver- Abb. 8.69. Im T2-gewichteten Bild erscheint der segmentale
Abschnitt mit Autoimmunpankreatitis im Vergleich zum rest-
gleich zur chronischen, alkoholinduzierten Pankrea- lichen Pankreasgewebe hyperintens
titis (Sahani et al. 2004). Ein typisches Erscheinungs-
bild ist eine umschriebene oder diffuse Raumforde-
rung, die mit einem Karzinom verwechselt werden Im Vergleich zu einer karzinombedingten Ob-
kann (Kawamoto et al. 2004). Im Pankreaskopf kön- struktion sind die Erweiterungen der Pankreasgänge
nen diese entzündlichen oder fibrotischen Verände- nur gering ausgeprägt oder fehlen. Charakteristi-
rungen auch einen schmerzlosen Ikterus auslösen. In scher sind Gangstrikturen, die sich meist besser in
der Dünnschnitt-CT kann sich nach Kontrastmittel- der ERCP als in der MRCP nachweisen lassen (Abb.
gabe eine auffällige Kontrastanreicherung der Gal- 8.70). Vereinzelt finden sich Verschlüsse der V. liena-
lengang- und Gallenblasenwand zeigen. lis, die durch eine begleitende Venulitis verursacht
Die diffusen Formen nehmen gleichmäßig Kon- sind. Bisweilen werden vergrößerte peripankreati-
trastmittel auf, bei umschriebenen Formen können sche Lymphknoten gefunden.
die befallenen Zonen weniger Kontrastmittel anrei-
chern (Abb. 8.68). Im Gegensatz zur alkoholischen Differenzialdiagnose zwischen chronischer
Pankreatitis kommen bei dieser Form der Pankreati- Pankreatitis und Pankreaskarzinom
tis keine Verkalkungen vor. Manchmal lässt sich com- Die Differenzialdiagnose zwischen einer chronischen
putertomographisch eine charakteristische schmale Pankreatitis und einem Pankreaskarzinom stellt in
hypodense Rindenzone erkennen, peripankreatische den meisten Fällen kein Problem dar. In etwa 10–15%
Flüssigkeitsansammlungen finden sich jedoch nicht. ist die Unterscheidung allein aufgrund bildgebender
In der MRT zeigen diese Veränderungen auf T2- Kriterien nahezu unmöglich. Das liegt daran, dass
gewichteten Sequenzen vereinzelt ein auffallend beide Erkrankungen überlappende Phänomene wie
hohes Signal, was auf die umschriebene Entzün- überschießende Fibrosierungen mit eingesprengten
dungsaktivität zurückgeführt wird (Abb. 8.69). Entzündungsherden u. a. aufweisen können.
656 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Klinik
Die Symptomatik ist unspezifisch mit Schmerzen im
Rücken oder Abdomen, Appetitlosigkeit und Ge-
Abb. 8.70. Langstreckige Gangstriktur im Pankreaskopf bei
Autoimmunpankreatitis
wichtsabnahme. Da die meisten Tumoren im Pankre-
askopf wachsen, tritt relativ früh ein schmerzloser
Ikterus auf. Die Gewichtsabnahme ist in der Regel ein
Bei einer chronischen Pankreatitis können Ab- Spätsymptom. Selten kann auch eine akute Pankrea-
schnitte des Organs vergrößert und irregulär kontu- titis oder das Auftreten einer Pankreaspseudozyste
riert sein und dadurch das Aussehen eines Tumors (Retentionszyste) durch ein Pankreaskarzinom ver-
annehmen. Je ausgedehnter die fibrotischen und ent- ursacht sein. Ein metastasierender Tumor unklarer
zündlichen Veränderungen einer chronischen Pan- Provenienz kann die Suche nach einem Pankreaskar-
kreatitis sind, desto weniger ist eine Differenzierung zinom initiieren.
von einem Malignom möglich (Kim et al. 2001) Wenn die Patienten zur Untersuchung kommen,
ist in der Regel bereits eine Infiltration des Retrope-
ritoneums und der Gefäße oder eine Metastasierung
8.5 in die umgebenden Lymphknoten oder in die Leber
Pankreastumoren vorhanden. Trotz der markanten Fortschritte in der
Bildgebung hat sich die Prognose nicht entscheidend
8.5.1 geändert. Ein wesentliches Ziel der Diagnostik ist da-
Solide exokrine Pankreastumoren her, präzise Aussagen zur Resektabilität zu machen,
um unnötige Laparotomien zu vermeiden.
Duktales Adenokarzinom des Pankreas
Pathologie
Das duktale Adenokarzinom des Pankreas, das mit Als Ausgang der Tumorentstehung gilt die Gangzelle.
etwa 90% den Hauptanteil der Pankreastumoren Für die Vorläufer des Tumors wurde in den letzten
ausmacht, ist unverändert der gastrointestinale Tu- Jahren eine einheitliche Nomenklatur festgelegt,
mor mit der schlechtesten Prognose. Wegen der sehr wobei vor allem PanIN-III-Läsionen (pankreatische
niedrigen Überlebensrate sind Inzidenz- und Morta- intraepitheliale Neoplasie) als Hochrisikobefunde
litätsrate annähernd gleich. 80–90% der Patienten aufgefasst werden. Der Zeitrahmen, in dem sich ein
weisen zum Zeitpunkt der Diagnose ein weit fortge- Karzinom aus einer Vorstufe entwickelt, ist nicht be-
schrittenes Tumorstadium auf, das eine Resektion kannt. Serologische Marker für eine Frühdiagnose
nicht mehr erlaubt. Die meisten Patienten sterben von PanIN-III-Läsionen (entspricht Carcinoma in
1–2 Jahre nach Diagnosestellung, und die Fünfjahres- situ) gibt es zur Zeit noch nicht. Auch hat sich die
überlebensraten liegen in den meisten Publikationen Hoffnung, den Nachweis einer K-Ras-Mutation zur
nicht höher als 2–3%. Der Tumor hat vermutlich eine Frühdiagnostik einzusetzen, bislang nicht erfüllt.
kurze klinische Latenzzeit, und dementsprechend Etwa 70% der Tumoren des Pankreas sind im
werden Pankreaskarzinome nur sehr selten als Zu- Pankreaskopf lokalisiert, am häufigsten zwischen
fallsbefunde entdeckt. Auch die Möglichkeit, Tumo- Gallengang und Pankreasgang. Tumoren im Pro-
ren mit modernen diagnostischen Verfahren früh cessus uncinatus sind selten. Resezierte Karzinome
aufzuspüren, hat die Prognose nicht entscheidend sind zwischen 2–4 cm groß, die wenigsten Tumoren
beeinflusst. haben einen Durchmesser unter 1,5 cm. Die Tumoren
In Deutschland erkranken jährlich etwa 12.000 sind meist von fester Konsistenz, was durch eine aus-
Menschen an einem Pankreaskarzinom. Der Erkran- geprägte desmoplastische Stromareaktion bedingt
kungsgipfel liegt jenseits des 60. Lebensjahres. Er- ist.
8.5 Pankreastumoren 657
Histologisch sind die Tumoren überwiegend gut des Pankreas und die Gangstrukturen gut beurteilen,
differenziert, nur 10–20% der Karzinome zeigen eine und es sind Aussagen zur Beziehung zu den wichtigen
niedrige Differenzierung. Da am Pankreas eine ei- Gefäßen möglich. Geht es um die Frage der Resektabi-
gentliche Kapsel fehlt und nur eine dünne seröse lität, sind in der Regel verfeinerte Methoden wie
Schicht das Organ umkleidet, wird der Tumoraus- Dünnschicht-Spiral-CT, MRT einschließlich MR-An-
breitung in die Umgebung kein Widerstand entge- giographie und häufig auch die Endosonographie
gengesetzt. Dementsprechend wachsen die Tumoren konkurrierende Techniken. Während die Endosono-
auf direktem Weg in das pankreatische Fettgewebe graphie in geübten Händen ein hervorragendes loka-
und zeigen häufig eine perineurale Invasion. les Tumor-Staging ermöglicht, kann mit Hilfe von Spi-
ral-CT und MRT ein umfassendes Staging in guter bis
Diagnostik hervorragender Qualität geliefert werden.
Die Diagnostik des Pankreaskarzinoms stützt sich
auf klinische Daten, Laborbefunde einschließlich be- 쐍 Spiral-CT. Für die Diagnostik und das Staging mit
stimmter Tumormarker und bildgebende Verfahren. Hilfe der CT ist eine ausgefeilte Technik entschei-
Die präoperative Punktion zur Gewinnung von histo- dend, die am besten mit modernen Mehrschichtde-
logischem oder zytologischem Material spielt nur tektor-Geräten möglich ist (Fletcher et al. 2003; Valls
eine untergeordnete Rolle. et al. 2002). Um Magen und Duodenum gut vom Pan-
Die Bildgebung hat 3 wesentliche Ziele: kreas abgrenzen zu können, ist eine vorherige orale
Gabe von ausreichend Wasser empfehlenswert. Die
∑ den Nachweis oder den Ausschluss eines Tumors,
intravenöse Gabe von spasmolytischen Substanzen
∑ die Beurteilung der Resektabilität bzw. Irresekta-
führt zu einer Aufweitung des Duodenums, sodass
bilität eines Karzinoms,
bis zur Papille eine gute Beurteilung möglich wird.
∑ die Abgrenzung eines duktalen Adenokarzinoms
Durch eine leichte Rechtsseitenlage wird erreicht,
von anderen Tumorformen oder von einer chro-
dass sich das Duodenum gut mit Flüssigkeit füllt
nischen Pankreatitis.
(Abb. 8.71).
Obwohl die verbesserte Diagnostik mittels hochent- Der Oberbauch wird zunächst nativ untersucht,
wickelter Schnittbildverfahren keine spektakuläre anschließend wird eine zweiphasige Kontrastmittel-
Verbesserung der Prognose bewirkt hat, scheint eine untersuchung in Dünnschnitttechnik angeschlossen,
frühe Diagnose mit einer höheren Rate an Resektabi-
lität verknüpft zu sein. Damit eröffnet sich für eine
selektionierte Gruppe von Patienten die Chance auf
eine Verbesserung der Überlebensrate. Nicht zu un-
terschätzen ist auch die sichere Ausschlussdiagnostik
bei Patienten, bei denen klinisch oder mit bildgeben-
den Verfahren ein Verdacht auf ein Pankreaskarzi-
nom erhoben wurde. Patienten, die als nichtresekta-
bel eingestuft werden müssen, kann zumindestens
eine schwerwiegende Operation erspart werden und
von vornherein ein adäquates palliatives Manage-
ment geplant werden.
bei der die parenchymatöse (35–50 s) und die portal- fettsupprimierten Sequenzen nachweisen. Im Nach-
venöse Phase (60–70 s) erfasst werden. Dies führt zu weis von Lebermetastasen scheint die kontrastver-
einer verbesserten Detektion von Tumoren und er- stärkte MRT der Spiral-CT zumindest ebenbürtig zu
laubt eine präzisere Aussage zur Frage der Infiltra- sein. Auch im Nachweis von peritonealen Metastasen
tion arterieller und venöser Gefäße des Oberbauchs gelten fettunterdrückte T1-gewichtete Sequenzen als
und eine Beurteilung der Leber. Überdies ermöglicht ebenso aussagekräftig wie die Spiral-CT.
die Kontrastierung der Gefäße eine angiographie-
ähnliche Rekonstruktion des jeweiligen Gefäßab- 쐍 EUS. Der EUS gilt bei kleinen Karzinomen der CT
schnitts. und der MRT als überlegen. Regionale Lymphknoten
Adenokarzinome des Pankreas zeigen sowohl in und die Gefäße in unmittelbarer Nachbarschaft des
der parenchymatösen als auch in der portalvenösen Pankreas können mit hoher Präzision beurteilt wer-
Phase eine verminderte Kontrastierung und heben den. Ein Nachteil der Methode ist allerdings die be-
sich dadurch vom umgebenden Pankreasgewebe ab. grenzte Eindringtiefe mit eingeschränkter Möglich-
Zumeist ist die Form und Größe des Organs um- keit eines Stagings bezüglich Leber und Peritoneum.
schrieben verändert. Eine diffuse Vergrößerung des Überdies ist dieses Verfahren sehr stark von der Er-
Organs ist ungewöhnlich und wird in nur etwa 5% fahrung des Untersuchers abhängig.
beobachtet. Da die meisten Tumoren im Pankreas-
kopf wachsen und duktalen Ursprungs sind, wird in
der Regel eine Erweiterung des Pankreasgangs und Zeichen des Pankreaskarzinoms
häufig auch des Gallengangs gesehen („double duct
sign“). Je nach Dauer der Obstruktion können Zei- 쐍 Pankreasgangdilatation und Gangverschluss. Da Pan-
chen einer obstruktionsbedingten Atrophie des kreastumoren vom Gangepithel ausgehen, sind die
Pankreasgewebes bestehen. Obstruktion und die Gangerweiterung die frühesten
Zeichen eines Tumors. Frühe dysplastische Verände-
쐍 MRT. Wegen ihres hohen Anteils an fibrotischem rungen führen noch zu keiner Gangobstruktion und
Gewebe erscheinen Pankreaskarzinome auf T2-ge- sind daher in der Schnittbildgebung nicht zu erken-
wichteten Aufnahmen leicht hypointens und sind nen. Kleine Tumoren <1 cm Größe zeigen in etwa
erst bei ausgedehnten Nekrosen scharf vom umge- 60% ausschließlich eine Gangerweiterung ohne eine
benden Parenchym abzugrenzen. Die meist hypovas- sichtbare Raumforderung in CT oder Ultraschall,
kulären Karzinome nehmen weniger Kontrastmittel und nur maximal 15% dieser Tumoren lassen einen
auf als das umgebende Gewebe, können aber einen Tumorherd erkennen.
schmalen Saum von stärker kontrastierendem Gewe- Eine abrupte Pankreasgangerweiterung ohne
be aufweisen. Gadolinium-verstärkte T1-gewichtete begleitende Atrophie des Parenchyms ist ein Früh-
GRE-Sequenzen bilden die arteriellen und venösen zeichen eines Pankreaskarzinoms (Abb. 8.72). Bei
Gefäße gut ab, und mit Hilfe einer 3D-kontrastver-
stärkten dynamischen MR-Angiographie mit Fett-
suppression kann die regionale Gefäßanatomie
dargestellt und eine vaskuläre Infiltration bzw. ein
Gefäßverschluss gut erkannt werden.
Ob der Einsatz von Mangan-haltigen Kontrastmit-
teln den Nachweis und das Staging von Pankreas-
tumoren verbessert, ist umstritten. Zumindest wenn
Ultraschall und CT keinen eindeutigen Befund erlau-
ben, kann die Verwendung dieses Kontrastmittels
hilfreich sein.
Die MRCP kann zusätzlich eingesetzt werden, um
eine Einengung oder einen Verschluss von Pankreas-
gang und Gallengang darzustellen. Für die Frage der
Resektabilität liefert diese Untersuchung aber keinen
Gewinn. Außerdem lässt sich bereits auf den T1- und
T2-gewichteten Aufnahmen die Erweiterung von
Pankreas- und Gallengang ausreichend gut erken-
nen.
Ein Lymphknotenbefall lässt sich mit T2-gewich-
teten, fettunterdrückten Spinecho- (SE-)Sequenzen Abb. 8.72. Erweiterter Pankreasgang bei kleinem Tumor im
und mit Gadolinium-verstärkten T1-gewichteten Pankreaskopf (Pfeile)
8.5 Pankreastumoren 659
Abb. 8.73. Deutliche Atrophie des Pankreasparenchyms Abb. 8.74. Große Retentionszyste durch ein Karzinom am
(Pfeile) bei Gangobstruktion durch einen Pankreaskopftumor Übergang vom Pankreaskopf zum Pankreaskorpus
Verfettung eines Organs fällt der Tumor oft als ein so-
lideres nicht von Fettinseln durchsetztes Areal auf,
das im Bereich eines Gangs lokalisiert ist und diesen
verlegt (Abb. 8.75 a, b).
Die Form des Pankreas ist sehr variantenreich.
Kongenitale Fusionsstörungen wie das Pancreas divi-
sum können zu Konturänderungen und Verplum-
pungen führen, die einen Tumor simulieren können.
Bei Verwendung zweiphasiger Kontrastprotokolle in
der CT bzw. dynamischen Sequenzen in der MRT zei-
gen diese Areale die gleichen Perfusionseigenschaf-
ten wie das restliche Pankreas. Außerdem kann mit-
tels Rekonstruktionstechniken oder mit Hilfe der
MRCP ein Pancreas divisum meist problemlos er-
kannt und die Formänderung damit in Zusammen-
hang gebracht werden.
Die durch eine Raumforderung bedingte Kontur-
änderung führt in der Regel zu einer umschriebenen
Vergrößerung des Organs. Eine diffuse Organvergrö-
ßerung ist eher selten. Im Bereich der Raumforde-
rungen ist auch auf die Kontur zu achten, die das
typische lobulierte Aussehen einer Drüse verliert.
Zudem zeigen Tumoren sehr früh eine direkte Infil-
tration ins umgebende Fettgewebe.
Nach Kontrastmittelgabe zeigen sich Pankreas-
karzinome in der Regel weniger perfundiert als das
umgebende Gewebe, wobei die Differenz der Kon-
trastmittelanreicherung in der so genannten pan-
kreatischen Phase am stärksten ausgeprägt ist
(Abb. 8.76 a,b, Abb. 8.77 a, b).
Abb. 8.77 a, b. In der MRT grenzt sich nach i. v. KM-Gabe ein
kleines, weniger perfündiertes Karzinom ab (Pfeil)
Merke ! Bis zu 10% der Pankreaskarzinome
lassen sich auch bei ausgefeilter Tech-
nik nicht vom umgebenden Parenchym abgrenzen,
sodass hier Sekundärzeichen zum Nachweis dieser 쐍 Vaskuläre Infiltration. Das Pankreaskarzinom brei-
Tumoren entscheidend sind. tet sich auf lymphatischem und perineuralem Weg
rasch in das retroperitoneale Fettgewebe aus und
umwächst die mesenterialen Gefäße und den Trun-
8.5 Pankreastumoren 661
cus coeliacus. Während die arteriellen Gefäße von Tabelle 8.6. Klassifikation der Gefäßinfiltration. (Nach Loyer
einer mehr oder weniger dünnen Fettgewebeschicht et al. 1996)
umgeben sind, liegen die Venen dem Drüsenpar- Typ Beschreibung Resek-
enchym direkt an und sind daher früh infiltriert. tabilität
Nachdem einige Studien gezeigt haben, dass die
Beurteilung einer vaskulären Infiltration mittels CT A Fettgewebe zwischen Tumor und Gefäß
95%
B Parenchym zwischen Tumor und Gefäß
der Angiographie ebenbürtig ist, hat dieses Verfahren
an Bedeutung verloren. Insbesondere mit Dünn- C Fraglicher Tumorkontakt
47%
D Partielle Ummauerung
schnitttechniken werden hervorragende Ergebnisse
E Komplette Ummauerung
mit einer Sensitivität von 91% und einer Spezifität F Gefäßverschluss
0%
von 94% berichtet (Vargas et al. 2004; Abb. 8.78 a, b).
Früher wurde jeder Kontakt eines Tumors zu ei-
nem Gefäß als Zeichen einer Infiltration gewertet.
Mittlerweile wurden jedoch vorwiegend in der CT-
Literatur Kriterien entwickelt, die die Wahrschein- 쐍 Metastasen. Pankreastumoren neigen zu einer
lichkeit einer Gefäßinfiltration angeben und die sich frühen Aussaat in die Leber, die umgebenden Lymph-
im Wesentlichen auf die räumlichen Beziehungen knoten und das Peritoneum.
zwischen Tumor und arteriellen und venösen Gefä- Metastasen der Leber sind meist relativ klein,
ßen stützen (Loyer et al. 1996; Lu et al. 1997). sodass sie mit bildgebenden Verfahren häufig nicht
Das Modell von Loyer beschreibt 6 Typen, deren erkannt werden können. Selbst in neueren Publika-
Klassifizierung aber relativ komplex und subjektiv tionen mit zweiphasigen Protokollen wurden in bis
und damit mit einer hohen Interobserver-Variabili- zu 55% falsch-negative Befunde beschrieben. Bei der
tät belastet ist. Außerdem wird keine klare Grenze CT-Diagnostik kann die diagnostische Sicherheit
zwischen Resektabilität und Irresektabilität gezogen wahrscheinlich durch geringere Schichtdicken und
(Tabelle 8.6). mehrphasige Untersuchungsprotokolle verbessert
Das Schema von Lu stützt sich auf das Ausmaß der werden (Abb. 8.80). In der MRT scheint die Verwen-
Tumorzirkumferenz zu den Gefäßen. Als Schwellen- dung eisenhaltiger Kontrastmittel die diagnostische
wert wird 50% angegeben, wobei sich anhand dieses Genauigkeit zu erhöhen.
Kriteriums für die Beurteilung der Irresektabilität ei- Die Schnittbildverfahren zeigen bezüglich der
ne Sensitivität von 84%, ein positiver Vorhersagewert Diagnostik von Lymphknotenmetastasen ungenügen-
von 95% und ein negativer Vorhersagewert von 93% de Resultate,da im Wesentlichen die Größe der Lymph-
errechnet. Man muss allerdings einschränkend er- knoten als Maßstab für einen Befall herangezogen
wähnen, dass diese Daten an einer relativ kleinen wird. Normal große Lymphknoten können Mikrome-
Population gewonnen wurden und dass sich die tastasen enthalten und vergrößerte Lymphknoten kön-
Beurteilung im Wesentlichen auf venöse Gefäße nen lediglich reaktiv verändert sein. Die unterschiedli-
beschränkt hat (Abb. 8.79). chen Resultate in der Literatur beruhen vor allem dar-
662 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Abb. 8.80. Lebermetastasen und Lymphknotenmetastasen bei Abb. 8.81. Peritoneale Aussaat, die das subperitoneale Fett-
Pankreaskarzinom gewebe mit zahlreichen kleinen Knoten durchsetzt
auf, dass unterschiedliche Größen (zwischen 5 und tabilität durch die Kombination von CT und Lapa-
15 mm) als Schwellenwerte angesetzt wurden. Eine roskopie effizient beurteilt werden kann.
neuere CT-Studie, die eine morphologisch-pathologi-
sche Korrelation versucht hat, kommt zu einer Sensiti- Staging und Beurteilung der Resektabilität
vität von 14%, einer Spezifität von 85% und einem po- Die operative Entfernung ist das einzige Verfahren,
sitiven Vorhersagewert von 17% (Roche et al. 2003). das eine wenn auch geringe Chance einer Heilung
Daraus ergibt sich, dass die präoperative Beurtei- bietet. Nachdem mit Hilfe bildgebender Verfahren
lung von Lymphknoten eine untergeordnete Rolle die Diagnose eines Pankreaskarzinoms gestellt wur-
spielt. Bei einem nachgewiesenen Pankreaskarzi- de, ist die nächste entscheidende Frage, ob der Tumor
nom, das anderweitig als resektabel eingeschätzt resektabel bzw. der Patient operabel ist.
werden kann, sollten vergrößerte Lymphknoten Das durchschnittliche Alter bei der Diagnose eines
nicht als Kontraindikation zur Resektion gewertet Pankreaskarzinoms liegt um 70 Jahre. Junge Patien-
werden, auch wenn die vergrößerten Lymphknoten ten scheinen aggressivere Tumorformen aufzuwei-
außerhalb des Operationsfeldes liegen. Die Beurtei- sen, und diese werden oft erst in einem fortgeschrit-
lung von vergrößerten und in Clustern liegenden, pe- teneren Stadium diagnostiziert, sodass die Rate der
ripheren Lymphknoten wird kontrovers diskutiert. Resektabilität sinkt.
Peritoneale Metastasen werden in etwa 25–30% Etwa 2/3 der exokrinen Pankreastumoren wach-
bei Pankreastumoren gefunden, die primär als resek- sen im Pankreaskopfbereich. Tumoren in den übri-
tabel eingestuft werden. Diese Metastasen sind meist gen Pankreasabschnitten werden meist später dia-
nur wenige Millimeter groß und entgehen daher oft gnostiziert, sind zum Zeitpunkt der primären Dia-
der Schnittbildgebung (Abb. 8.81). Neueste Untersu- gnose relativ groß und eine Resektabilität ist daher
chungen zur Kosteneffizienz zeigen, dass die Resek- weniger wahrscheinlich. Die meisten Studien zeigen,
8.5 Pankreastumoren 663
dass bei Resektion von Tumoren <2–2,5 cm die Fünf- Organe zu infiltrieren. Besonders die Infiltration in
jahresüberlebensrate deutlich besser ist als bei grö- das retropankreatische Fettgewebe ist gefürchtet, da
ßeren Tumoren. hier tumorfreie Resektionsränder operativ schwierig
Ein TNM-System ist die Basis für das Staging von zu erhalten sind und die Überlebensrate deutlich
Pankreastumoren (Tabelle 8.7) und bestimmt das sinkt, wenn im Resektionspräparat kein tumorfreier
therapeutische Vorgehen (Tabelle 8.8). Eine Tumor- Rand zu erzielen ist.
entfernung wird nicht mehr durchgeführt, wenn Eine Ausdehnung des malignen Tumors in den
Fernmetastasen nachweisbar sind. Im Wesentlichen Magen, das Duodenum und das Mesokolon bedeutet
wird die Resektabilität von der Infiltration der größe- keine Kontraindikation für eine Operation, da hier-
ren arteriellen Gefäße (Truncus coeliacus und A. bei eine Resektion en bloc möglich ist
mesenterica superior) und der größeren Venen be-
stimmt. Da die Tumoren makroskopisch schlecht ab- 쐍 Gefäßinfiltration. Bei Karzinomen des Pankreas-
gegrenzt erscheinen und oft eine ausgeprägte desmo- kopfes ist eine Infiltration der Pfortader und der
plastische Reaktion zeigen, die wie eine tumoröse V. mesenterica superior sehr häufig. Zwar ist eine
Infiltration imponieren kann, kann die Beurteilung Resektion der venösen Gefäße mit anschließender
des vaskulären Befall sehr schwierig sein. Rekonstruktion technisch machbar, aber dieses Vor-
gehen scheint mit einer höheren Morbidität und
Merke !Die wichtigsten Fragen, die an die
bildgebenden Verfahren bezüglich
Mortalität einherzugehen, ohne dass dadurch die
Überlebenswahrscheinlichkeit verbessert wird.
der Resektabilität gestellt werden, sind die lokale
Tumorausbreitung, die Infiltration von Gefäßen, der 쐍 Lymphknotenbefall. Obwohl bei tumorös befallenen
Nachweis von Fernmetastasen und die Metastasie- Lymphknoten die Überlebenswahrscheinlichkeit
rung in Lymphknoten. deutlich sinkt, spielt die präoperative Beurteilung von
Lymphknoten eine untergeordnete Rolle. Zum einen
쐍 Lokale Tumorausdehnung. Da das Pankreas keine ist es sehr schwierig, einen Lymphknotenbefall sicher
eigentliche Kapsel besitzt, neigen Karzinome dieser zu diagnostizieren, zum anderen wird bei einer Pan-
Drüse dazu, früh in die benachbarten Strukturen und kreasresektion ohnehin eine sorgfältige Lymphkno-
tendissektion vorgenommen. Finden sich allerdings
vergrößerte Lymphknoten jenseits des Operationsfel-
Tabelle 8.7. TNM-Klassifikation des Pankreaskarzinoms des, z. B. periaortal oder entlang des Mesenteriums des
Dünndarms, bekommt dieser Befund wieder eine Be-
Klassi- deutung. Zwar sind Vergrößerung und Clusterbildun-
fikation Beschreibung
gen von Lymphknoten ein Hinweis auf einen malig-
T1 <2 cm und beschränkt auf das Pankreas nen Befall, aber dennoch erlauben diese Beobachtun-
T2 >2 cm und beschränkt auf das Pankreas gen keine ausreichende Sicherheit der Beurteilung.
T3 Tumor überschreitet das Pankreas, infiltriert
aber weder den Truncus coeliacus noch die 쐍 Fernmetastasen. Beim Nachweis von Metastasen
A. mesenterica superior der Leber und des Peritoneums ist von einer verblei-
T4 Tumor infiltriert den Truncus coeliacus benden Lebensspanne von durchschnittlich 4 Mona-
oder die A. mesenterica superior ten auszugehen, sodass operative Eingriffe kontra-
N0 Kein Befall der regionären Lymphknoten indiziert sind. Nur in sehr seltenen Fällen handelt
N1 Befall der regionären Lymphknoten es sich dabei um singuläre Metastasen, und selbst in
M0 Keine Fernmetastasen diesen Fällen ist bei kombinierter Pankreas- und
Metastasenresektion ein verlängertes Überleben ver-
M1 Fernmetastasen
mutlich nicht zu erreichen.
Klinik Pankreatoblastom
Das klinische Bild besteht aus Schmerzen, Gewichts-
verlust, Ikterus und Übelkeit. Müdigkeit, Fieber und Das Pankreatoblastom ist ein seltener maligner Tu-
Nachtschweiß sind seltener anzutreffen. mor, der überwiegend bei Kindern (Durchschnitts-
alter 1–8 Jahre) vorkommt, selten auch bei Erwachse-
Diagnostik nen beobachtet wird. Die Tumoren wachsen meist
Im Wesentlichen lassen sich 2 Tumorformen diffe- langsam und sind wenig symptomatisch. Große Tu-
renzieren: moren verursachen abdominelle Beschwerden und
lassen sich tasten.
∑ ein umschriebenes Tumorwachstum und
Der Tumor enthält Gewebe, das an fetales Pan-
∑ eine diffuse tumoröse Infiltration des Paren-
kreas erinnert und aus einem Gemisch von primiti-
chyms (Abb. 8.85).
ven azinären, endokrinen und duktalen Elementen
Die diffuse Tumorausbreitung kann zu Verwechslun- besteht. Die Tumoren sind meist groß und lobuliert.
gen mit einer akuten Pankreatitis Anlass geben, wäh- Da der Tumor eine kräftige Kapsel besitzt, lässt er
rend die umschriebenen Tumoren mit duktalen sich vom umgebenden Gewebe gut abgrenzen.
Adenokarzinomen verwechselt werden können. Die Struktur ist inhomogen, häufig finden sich
Lymphome führen im Gegensatz zu Adenokarzino- zystische oder nekrotische Anteile, und nach Kon-
men weniger zu markanten Aufweitungen des Pan- trastmittelgabe wird in der CT und MRT eine inho-
kreasgangs, dafür sind die begleitenden Lymphkno- mogene Anreicherung gesehen. Im Ultraschall wir-
tenschwellungen meist deutlicher ausgeprägt.Verkal- ken die Tumoren echoarm oder zeigen eine gemisch-
kungen und Nekrosen kommen bei unbehandelten te Echotextur. In der MRT zeigen die Tumoren im T1-
Lymphomen praktisch nicht vor. gewichteten Bild ein niedriges bis mittleres Signal, im
8.5 Pankreastumoren 667
Mit zunehmender Verbreitung der Schnittbild- Korpus und Schwanz des Pankreas angetroffen. Auch
diagnostik wie Ultraschall, CT und MRT werden im- wenn diese Tumoren im Pankreaskopf lokalisiert
mer häufiger zufällig zystische Veränderungen des sind, führen sie nur sehr selten zu einem Ikterus.
Pankreas gesehen, die bislang keine klinischen Eine maligne Transformation wurde nur in sehr
Symptome hervorgerufen haben. In einem großen wenigen Fällen beschrieben.
chirurgischen Krankengut der jüngsten Vergangen- Wie die muzinöse Variante kommen diese Raum-
heit (Fernandez-del Castillo et al. 2003) waren mehr forderungen meist bei Frauen mit einem mittleren
als 1/3 der pankreatischen Zysten zufällig entdeckt Alter um 60 Jahre vor. Eine Assoziation mit einem
worden. Dabei machten Pseudozysten nur einen ge- Hippel-Lindau-Syndrom wurde wiederholt beschrie-
ringen Anteil aus. Mehr als die Hälfte dieser Raum- ben. In diesem Fall imponieren die zystischen Verän-
forderungen entsprachen malignen oder prämalig- derungen diffus oder multifokal (Neumann et al.
nen Erkrankungen, wobei der Anteil der IPMN auf- 1991).
fällig hoch war. Seröse und muzinöse zystische Tu- Makroskopisch bestehen diese gut abgrenzbaren
moren sind häufiger asymptomatisch, während Tumoren, die bis zu 25 cm groß werden können, aus
IPMN und Pankreaspseudozysten eher mit klini- zahllosen kleinen Zysten (1–20 mm Durchmesser),
schen Beschwerden einhergehen. die durch dünne Septen voneinander getrennt sind,
Diese Tumoren zeigen eine Reihe von klinischen sodass die Schnittfläche an eine Honigwabe erinnert.
Charakteristika und von morphologischen Eigenhei- Die Zysten sind mit einer klaren wässrigen (serösen)
ten (Tabelle 8.11), die in den meisten Fällen eine Dif- Flüssigkeit gefüllt und gruppieren sich häufig um
ferenzierung ermöglichen. Dennoch ist die Gefahr ei- eine zentrale sternförmige Narbe, die Verkalkungen
ner Fehldiagnose und damit einer falschen Therapie aufweisen kann.
relativ hoch, sodass bei diesen prognostisch meist Die bildmorphologische Darstellung dieser Tumo-
günstigen Tumoren durch Zeitverlust maligne Trans- ren hängt zum einen von der Architektur der Tumo-
formation und metastatische Aussaat auftreten kön- ren, z. B. der Größe der einzelnen Zysten, und der
nen. räumlichen Auflösung der verwendeten Technik ab.
Da die Zysten häufig sehr klein und die Septen sehr
zart sind, werden diese nur bei hoher Auflösung
Seröses Zystadenom hinreichend abgebildet. Sind die Zysten >5 mm,
können sie sonographisch identifiziert werden, und
Die serösen Zystadenome wurden früher als mikro- die Tumoren imponieren dann als polyzystische
zystische Adenome bezeichnet. Diese in der Regel Raumforderungen. Bei schlechter räumlicher Auflö-
kleinzystischen Tumoren werden relativ häufig (etwa sung können diese Tumoren durchaus einen soliden
30%) als Zufallsbefunde entdeckt, können aber ab Aspekt gewinnen.
einer bestimmten Größe auch unspezifische abdomi- Die oft diskreten Verkalkungen werden am besten
nelle Beschwerden hervorrufen. Sie werden meist im mit der CT erfasst, während nach Kontrastmittelgabe
8.5 Pankreastumoren 669
Abb. 8.87. Seröses (mikrozystisches) Zystadenom. In der CT Abb. 8.89. Makrozystisches seröses Zystadenom, das teils aus
kommen die lobulierte Struktur und die Zystenwände nach kleinen, teils aus größeren Zysten zusammengesetzt ist
Gabe von Kontrastmittel gut zur Darstellung
Abb. 8.97. a Solider und zystischer Tumor in der Pankreascau- Differenzialdiagnose zystischer Veränderungen
da. In der T2-gewichteten Sequenz stellen sich die zystischen des Pankreas
Anteile signalintensiv dar. b Nach KM-Gabe zeigen die soliden
Anteile eine intensive Kontrastierung. (Die Abbildungen wur-
den freundlicherweise von Frau Prof. Rieber, München/Neu- Die zunehmend häufiger zufällig entdeckten und
Perlach, zur Verfügung gestellt) daher eher kleinen pankreatischen Zysten finden
sich meist bei älteren Individuen und sind mit großer
Wahrscheinlichkeit nicht durch Pseudozysten be-
beiten, dass dieses Phänomen auch fehlen kann und dingt, sondern entsprechen in mehr als 50% malig-
daher nicht zum Ausschluss der Diagnose taugt nen oder prämalignen Neoplasien (Fernandez-del
(Cantisani et al. 2003). Auf T2-gewichteten Sequen- Castillo et al. 2003). Lediglich zystische Veränderun-
zen sind die Tumoren meist heterogen, wobei in gen, die <2 cm messen, sind nur selten durch Malig-
fast allen Fällen hyperintense Areale dominieren nome verursacht und können ohne Risiko durch
(Abb. 8.97 a). Gelegentlich können Schichtungsphä- regelmäßige bildgebende Verfahren beobachtet wer-
nomene beobachtet werden (Merkle et al. 1996). Nach den. Insgesamt ist bei zystischen Tumoren die Ent-
Kontrastmittelgabe kommt es zu einer frühen, peri- scheidung sehr stark vom klinischen Umfeld und
8.5 Pankreastumoren 675
vom operativen Risiko abhängig, sodass man im Ein- der endoskopische Blick auf eine aufgeweitete Papille,
zelfall die Entscheidung abwägen muss (Brugge et al. aus der sich schleimige Massen entleeren, gilt als
2004 a). pathognomonisch für das Vorliegen einer IPMN. Ob
aber in allen Fällen eine ERCP notwendig ist, um die-
CAVE ! Insgesamt besteht die große Gefahr
einer Fehldiagnose, zum einen die
se Erkrankung zu diagnostizieren, wird kontrovers
diskutiert.
Verwechslung mit Pseudozysten bei chronischer
Pankreatitis, zum anderen die falsche Klassifikation
innerhalb der zystischen Tumoren, was zu therapeu- Punktion (Histologie, Saftanalyse
tischen Verzögerungen führen kann. und Bestimmung von Tumormarkern)
Pseudozysten bei chronischer Pankreatitis und Da Klinik bisweilen trügerisch und die morphologi-
Abszesse als Folge einer akuten Pankreatitis sind oft schen Erscheinungsformen zystischer Raumforde-
allein durch die Anamnese wahrscheinlich. rungen des Pankreas schwer zu differenzieren sein
Seröse und muzinöse zystische Tumoren des Pan- können, wird als zusätzliche diagnostische Hilfe eine
kreas haben in der Regel keine Verbindung zu den Punktion mit Histologie bzw. Zytologie, Saftanalyse
Pankreasgängen, sondern verlagern diese oder kön- und Bestimmung von Tumormarkern im Aspirat
nen bei größeren Ausmaßen auch eine Einengung empfohlen (Brugge et al. 2004 b). So finden sich hohe
hervorrufen. Bei den serösen (meist mikrozysti- Amylasewerte in Pseudozysten und bei der IPMN.
schen) Tumoren sind die Zysten meist traubenförmig CA 19-9 wird bei den verschiedenen zystischen Tu-
angeordnet, und bei den muzinösen (meist makro- moren in variabler Menge gefunden. CEA ist bei
zystischen) Tumoren ist meist eine verdickte Wand serösen Zystadenomen und bei Pankreaspseudozys-
sichtbar. Fließende morphologische Übergänge zwi- ten niedrig, dagegen bei muzinösen Zystadenomen
schen den beiden Tumortypen können eine sichere und IPMN hoch.
Differenzierung aber schwierig machen.
Die IPMN führt zum Bild einer kommunizieren-
den zystischen Gangerweiterung, die sich vom trau- 8.5.3
benartigen Wachstum der serösen Zystadenome Endokrine Pankreastumoren
deutlich unterscheidet. Die IPMN ist immer mit mehr
oder weniger ausgeprägten chronisch entzündlichen Klassifikation
bzw. fibrosierenden Veränderungen vergesellschaftet, Die seltenen endokrinen Pankreastumoren umfassen
weswegen eine Unterscheidung von der chronischen eine heterogene Gruppe von Erkrankungen mit un-
Pankreatitis anderer Genese allein aufgrund morpho- terschiedlicher Morphologie und klinischer Ausprä-
logischer Charakteristika sehr schwierig sein kann. gung sowie unterschiedlicher maligner Potenz. Sie
Die sehr seltenen solid pseudopapillären Tumoren werden in
kommen überwiegend bei jungen Frauen und Mäd-
∑ hormonaktive und
chen vor und weisen häufig eine dicke Kapsel und
∑ nichthormonaktive Tumoren
hämorrhagische Nekrosen auf.
In seltenen Fällen können entdifferenzierte Pan- klassifiziert. Hormonaktive Tumoren haben auf-
kreaskarzinome durch ausgedehnte Nekrosen ein grund der Hormonausschüttung eine spezifische kli-
zystisches Aussehen bekommen und mit zystischen nische Symptomatik, die bei nichthormonaktiven
Tumorformen verwechselt werden. Etwa 10% der Tumoren fehlt (Tabelle 8.12). Die übermäßige Hor-
endokrinen Tumoren können ebenfalls durch aus- monausschüttung ist in der Regel für die initialen
gedehnte Nekrosen zystisch imponieren. Seltene tu- Symptome der Erkrankung verantwortlich. Erst spä-
morähnliche Veränderungen wie lymphoepitheliale ter treten tumorbedingte Symptome wie Schmerz
Zysten, parasitäre Zysten, enterogene Zysten und oder Ikterus in den Vordergrund.
endometriale Zysten sind in der Regel erst durch die Auf der Grundlage morphologischer, immunhis-
Histologie zu diagnostizieren. tologischer und biologischer Kriterien unterscheidet
Unter den Schnittbildverfahren bietet die MRT ein- die WHO-Klassifikation zwischen
schließlich der MRCP die besten Voraussetzungen, die
∑ gut differenzierten Tumoren mit gutartigem oder
Architektur der Raumforderungen und die Gang-
unsicherem Verhalten,
strukturen darzustellen und damit eine diagnostische
∑ gut differenzierten (niedriggradig malignen)
Annäherung zu erreichen. Häufig wird man bei dieser
Karzinomen und
schwierigen Differenzialdiagnose aber verschiedene
∑ schlecht differenzierten (hochgradig malignen)
Verfahren einsetzen, wobei auch Endoskopie und EUS
Karzinomen.
wertvolle Zusatzinformationen liefern können. Allein
676 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
Die endokrinen Pankreastumoren sind sehr seltene Die durch die Insulinausschüttung provozierte
Tumoren und die beiden häufigsten Tumoren, das Hypoglykämie ruft neurologische Symptome wie
Insulinom und das Gastrinom, haben eine jährliche Schwäche, kurzfristige Bewusstlosigkeit und Anfälle
Inzidenz von 0,3–3 pro 1 Mio. Einwohner, während hervor. Begleitet werden diese Zustände von Tachy-
die anderen Tumoren wesentlich seltener sind. kardien.
Die Diagnose von hormonaktiven Pankreastumo-
ren basiert in der Regel auf der Kombination einer 쐍 Gastrinom. Gastrinome sind die zweithäufigste
spezifischen klinischen Symptomatik und laborche- Tumorgruppe und machen insgesamt etwa 20% aus.
mischen Befunden. So kommt der bildgebenden Dia- Die meisten Patienten sind um die 40 Jahre alt, und es
gnostik vor allem die Aufgabe zu, die Tumoren zu besteht eine leichte Bevorzugung des männlichen
lokalisieren und Metastasen nachzuweisen. Eine er- Geschlechts. Die vermehrte Ausschüttung von Gas-
folgreiche chirurgische Therapie wird durch eine trin führt zum Zollinger-Ellison-Syndrom mit pepti-
präoperative Bildgebung erleichtert, wenn Zahl und schen Magengeschwüren und Diarrhö. 90% der Tu-
Lokalisation der Tumoren exakt wiedergeben wer- moren liegen im so genannten Gastrinomdreieck,
den. das durch Pankreaskopf, das duodenale C und durch
die Kommunikation von Ductus cysticus und Gallen-
쐍 Insulinom. Das Insulinom ist der häufigste endo- gang begrenzt ist. Intrapankreatische Tumoren sind
krine Pankreastumor und macht etwa 50% dieser häufiger maligne als Tumoren im Duodenum. Etwa
Tumorgruppe aus. Der Tumor ist bei beiden Ge- 20–25% dieser Tumoren sind mit MEN I assoziiert.
schlechtern etwa gleich verbreitet und tritt in einem Da diese Tumoren multipel und häufig extrapankre-
Alter zwischen 30–60 Jahren auf. Die meisten Insulin- atisch auftreten, sind sie schwerer als Insulinome zu
ome (90%) sind <2 cm, wachsen solitär, und der weit lokalisieren.
überwiegende Teil findet sich intrapankreatisch mit
etwa gleicher Verteilung in Kopf, Korpus und Cauda. 쐍 Vipom. Vipome machen etwa 3% der endokrinen
Bis zu 10% der Insulinome sind maligne mit Infiltra- Pankreastumoren aus. Diese Tumoren sezernieren
tion des umgebenden Gewebes, Lymphknotenbefall große Mengen an vasoaktivem intestinalem Peptid
und Metastasierung in die Leber. Multiple Tumoren (VIP) und führen zum Verner-Morrison-Syndrom,
werden in etwa 10% gefunden, insbesondere bei Pa- das durch wässrige Durchfälle, Hypokaliämie und
tienten mit Wermer-Syndrom (Insulinome plus Ade- Achlorhydrie gekennzeichnet ist. 10–20% der Tumo-
nome der Nebenschilddrüse plus Hypophysenadeno- ren wachsen extrahepatisch im retroperitonealen
me). In seltenen Fällen, bei Kindern häufiger als bei sympathischen Geflecht oder im medullären Ab-
Erwachsenen, findet sich eine Nesidioblastose, eine schnitt der Nebennieren. 50–75% der Tumoren sind
Hyperplasie der Langerhans-Zellen. maligne und metastasieren.
8.5 Pankreastumoren 677
Bildgebende Diagnostik
쐍 Ultraschall. In der Regel ist bei Verdacht auf endo-
krine Pankreastumoren der Ultraschall die erste
Methode, um diese Tumoren zu diagnostizieren und
zu lokalisieren. Da die Qualität dieser Methode von
vielen Faktoren abhängig ist, schwanken die Zahlen
zur Sensitivität in einem sehr weiten Bereich von
20–86%. Bei endokrinen Pankreastumoren spielt
naturgemäß die oft geringe Größe die entscheidende
Rolle.
Das typische Ultraschallbild eines endokrinen
Pankreastumors ist der rundliche, gut abgrenzbare
Knoten mit glatter Oberfläche, der sich im Vergleich
zum umgebenden Pankreasparenchym echoarm
darstellt (Abb. 8.99). Bis zu 10% der Tumoren haben
eine ähnliche Echostruktur wie das umgebende Pan-
kreas und fallen dann nur durch Konturunregelmä- Abb. 8.99. Inselzelltumor, der sich im Ultraschall als echoar-
ßigkeiten auf. Die Echotextur wird als feiner als die me Raumforderung gut vom umgebenden Parenchym abhebt
678 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
des umgebenden Pankreas angegeben, was aber nur 쐍 Spiral-CT. Die CT ist nach dem Ultraschall das am
mit sehr hochauflösenden Geräten zu erkennen ist. häufigsten eingesetzte Verfahren, um endokrine Pan-
Je größer die Tumoren werden, desto inhomoge- kreastumoren zu diagnostizieren und zu lokalisieren
ner wird die Echoarchitektur. Große Tumoren mit und ein umfassendes Staging zu erhalten. Insbeson-
zentralen Nekrosen zeigen echofreie, zystisch impo- dere die Entwicklung der MD-Technologie erlaubt
nierende Areale. Kleine extrapankreatische Tumoren eine zunehmend höhere Auflösung und die Untersu-
wie beim Gastrinom sind in der Regel sonographisch chung in mehreren Kontrastmittelphasen, was insbe-
nicht zu erfassen (London et al. 1991). sondere bei kleinen und hypervaskulären Tumoren
Durch die Einführung neuer Technologien wie von Bedeutung ist.
„harmonic imaging“ oder die Verwendung von Ul- Ganz entscheidend ist hierbei eine gute Vorberei-
traschallkontrastmitteln ist eine Verbesserung der tung mit flüssigkeitsgefülltem Magen und Duode-
diagnostischen Ausbeute zu erwarten. num, ggf. leichter Körperdrehung nach rechts und
intravenöser Gabe von Spasmolytika.
쐍 EUS. Der überwältigende Vorteil des EUS ist, dass Mit MD-Geräten sollte eine möglichst geringe Kol-
ein hochfrequenter Schallkopf (7,5–12 MHz) über limation und Schichtdicke gewählt werden. Hoch-
dem Magen oder das Duodenum in unmittelbare konzentriertes Kontrastmittel sollte abhängig von
Nachbarschaft des Pankreas gebracht werden kann. Körpergewicht in einer Menge von 90–140 ml mit ei-
Dadurch kann die Sensitivität im Nachweis von end- ner Flussrate von 3–4 ml/s injiziert werden. Die Un-
okrinen Pankreastumoren im Vergleich zum trans- tersuchung sollte zunächst in der arteriellen Phase
abdominellen Ultraschall deutlich gesteigert werden. (25–30 s) Leber und Pankreas abdecken, um auch hy-
Die Untersuchung dauert etwa 10–30 min, und die pervaskuläre Metastasen zu erfassen. In der anschlie-
Komplikationsrate wird durch die zusätzliche Ultra- ßenden venösen Phase (50–60 s) werden ebenfalls
schalluntersuchung nicht gesteigert. Leber und Pankreas untersucht. Einige Untersucher
sind der Auffassung, dass die so genannte pankreati-
Merke ! Der EUS ist insbesondere bei kleinen
Tumoren als das sensitivste Verfahren
sche Phase (40 s) am besten geeignet ist, um endokri-
ne Tumoren zu erkennen (Fidler et al. 2003).
anzusehen und hat sich auch bei multiplen Tumoren In der Regel nehmen die endokrinen Tumoren
bewährt (Zimmer et al. 2000). Ebenso ist die Metho- stark Kontrastmittel auf und demarkieren sich
de geeignet, um peripankreatische Lymphknoten meistens in der arteriellen Phase sehr deutlich
nachzuweisen. Ein weiterer Vorteil der Methode ist (Abb. 8.100, Abb. 8.101). Manche Tumoren zeigen erst
die Möglichkeit, gezielt Biopsien entnehmen zu kön- in der portalvenösen Phase eine sichtbare Kontrast-
nen. mittelaufnahme (Sheth et al. 2002). Kleine Tumoren
erscheinen homogen, größere Tumoren können durch
Die Methode erfordert eine spezielle Erfahrung im zentrale Nekrosen zystisch oder inhomogen wirken.
Umgang mit Endoskopie und Ultraschall und ist
nicht allgemein verfügbar. Schwachpunkte sind Tu-
moren im Pankreasschwanz, extraintestinale Tumo-
ren im Duodenum und in der Magenwand, wobei
hier die Sensitivität auf etwa 50% sinkt (Zimmer et
al. 2000). Wegen der hochfrequenten Schallköpfe ist
die Beurteilung auf das Nahfeld von etwa 6 cm Dis-
tanz eingeschränkt.
Abb. 8.107 a–c. 4 Jahre nach Pankreastransplantation. a Regel- nahme im transplantierten Organ. (Die Abbildungen wurden
rechte Darstellung des transplantierten Pankreas im T2- freundlicherweise von Prof. Heuser, Bochum, zur Verfügung
gewichteten Bild. b,c Regelrechte und homogene KM-Auf- gestellt)
684 Kapitel 8 Erkrankungen des Pankreas
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Erkrankungen der Milz 9
M. Völk, K. Schlottmann, M. Strotzer
Abb. 9.1. Horizontalschnitt durch die Milz in Höhe des Hilus. Anschnitt des Recessus splenicus (lienalis) der Bursa omentalis,
Peritioneum grün, Ansicht der unteren Schnittfläche von oben. (Aus Tillmann 2005, S. 309, Abb. 5.108)
Klinische Symptomatik
Klinische Symptome, die einen Patienten zum Arzt
führen, sind ein Spannungsgefühl im linken Ober-
bauch, am häufigsten bedingt durch eine Spleno-
megalie (Abb. 9.3) unterschiedlicher Genese, z. B. bei
portaler Hypertension, entzündlichen und myelo-
proliferativen Erkrankungen, neoplastischen und
immunologischen/hämatologischen Krankheiten.
Tabelle 9.1 listet verschiedene Ursachen der Spleno-
megalie auf.
Plötzliche einsetzende Schmerzen im linken Ober-
bauch, eine mäßige Spannung der Bauchdecke im
linken Epigastrium mit Einschränkung der Atem-
exkursion und Schulterschmerzen (N. phrenicus)
werden beim Milzinfarkt beobachtet. Die Milzruptur,
z. B. bei Malaria, Thyphus abdominalis oder nach
Trauma, manifestiert sich ebenfalls durch heftigen
Oberbauchschmerz; hier ist die Anamnese richtungs-
weisend.
Insgesamt sind es selten die von der Milz ausge-
henden Beschwerden, die den Patienten veranlassen,
Abb. 9.2. Inhomogen fleckige Darstellung der Milz („Tiger-
den Arzt aufzusuchen. Die klinische Untersuchung
milz“) in der arteriellen Phase, CT mit i. v. Kontrastmittel und die Anamnese liefern erste Hinweise, insbe-
sondere auf eine Splenomegalie. Der Ultraschall und
die CT dienen in erster Linie der genauen Größen-
9.1 Fehlbildungen 689
9.1
Fehlbildungen
9.1.1
Embryologie
9.1.2
Normvarianten in Lage und Form
Eine in etwa 10–20% aller Individuen anzutreffende
Normvariante ist die Nebenmilz/Nebenmilzen (Syno-
nym: akzessorische Milz).
9.2
Traumatische Milzläsionen
Tabelle 9.2. Einteilung der traumatischen Milzläsionen. (Nach Moore et al. 1995)
9.3
Entzündliche Erkrankungen
9.3.2
Mykotische Abszesse
9.3.3
Tuberkulose
Abb. 9.14. Die konventionelle Abdomenübersichtsaufnahme Abb. 9.15. Echinokokkuszyste der Milz mit randständigen
zeigt eine rundliche Verkalkung im linken Oberbauch (Pfeile) Verkalkungen ohne Tochterzysten in anderen Organen bei
positiver Serologie (ELISA), CT mit i. v. Kontrastmittel (Patient
aus Abb. 9.14). (Aus Völk u. Danz 2005)
9.3.5
Pneumocystis-carinii-Infektion
Abb. 9.16. Echinococcus cysticus der Milz, CT ohne Kontrast-
mittel. Große, septierte, zystische Milzläsion, große Echino- Pneumocystis carinii ist ein opportunistischer
kokkuszyste auch in der Leber, serologisch positiv (ELISA). Krankheitserreger, dessen natürlicher Lebensraum
(Aus De Schepper u. Vanhoenacker 2000, S. 76, Abb. 7.18 a) die Lunge ist. Häufig verursacht er Pneumonien
bei immunsupprimierten Patienten. Pneumocystis
carinii ist der häufigste opportunistische Krankheits-
erreger bei Patienten mit Aids. Ein extrapulmonaler
lichen eine Unterscheidung zu anderen Zysten (v. Befall ist selten. Unter Annahme einer primär lym-
Sinner u. Stridbeck 1992). Eine Ablösung der inneren phatischen Ausbreitung sind die Lymphknoten und
Germinalschicht der Membran resultiert im so ge- die Milz die am häufigsten betroffenen Organe. Meist
nannten „Wasserlilienzeichen“ (Beggs 1983). In kon- wird eine hypodense Läsion in der Milz als Zufalls-
ventionellen Aufnahmen können mögliche Ver- befund im Rahmen einer Fokussuche bei unklarem
kalkungen beobachtet werden (Abb. 9.14). In der CT Fieber gefunden.
zeigen die Zysten flüssigkeitsäquivalente Dichtewer- Im Ultraschall zeigen sich diffuse, winzige echo-
te. Innerhalb der Zyste gelegener Detritus kann höhe- gene Strukturen ohne Schallschatten. Bei deutliche-
696 Kapitel 9 Erkrankungen der Milz
9.4
Tumoren
9.4.1
Benigne Tumoren
Hämangiom
Hämangiome sind die häufigsten primär gutartigen
Tumoren der Milz, im Gegensatz zu Leberhämangio-
men aber selten (Vilanova et al. 2004). Da Milz-
hämangiome gewöhnlich asymptomatisch sind,
werden sie meist als Zufallsbefund im Rahmen einer
radiologischen Untersuchung entdeckt. Milzhäm-
angiome können multipel auftreten, dann meist
im Zusammenhang mit einer generalisierten Angio-
matose (Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom). Von
Abb. 9.17. Pneumocystis-carinii-Infektion der Milz, CT mit einer Hämangiomatose spricht man, wenn das ge-
i. v. Kontrastmittel. In der Spätphase finden sich randständige samte Organ durch Hämangiome ersetzt ist. Häm-
Verkalkungen bei Mikroabszessen der Milz. (Aus De Schepper angiome können eine Größe von wenigen Millime-
u. Vanhoenacker 2000, S. 78, Abb. 7.20 a)
tern bis einigen Zentimetern erreichen (Freeman et
al. 1993).
Lymphangiom
Das Lymphangiom ähnelt vom histologischen Auf-
bau dem Hämangiom. Es enthält mit Epithelzellen
ausgekleidete Räume, die anstelle von roten Blutkör-
pern Lymphe enthalten (Urrutia et al. 1996). Die ge-
wöhnlich asymptomatischen Läsionen können ein-
zeln oder multipel vorkommen. Das Lymphangiom
kann auf die Milz beschränkt sein oder im Sinne
einer systemischen zystischen Angiomatose mit
Hämangiomen und Lymphangiomen in anderen
Organen vergesellschaftet sein.
Im Ultraschall zeigen sich scharf abgrenzbare
echoarme Raumforderungen, gelegentlich mit echo-
genem Detritus und Septen (Pearl u. Nassar 1979).
Die CT ist die bevorzugte diagnostische Methode, da
Abb. 9.18. Milzhämangiom, Ultraschall. 4 cm große, runde, sie diskrete, einzelne oder multiple hypodense Läsio-
echoreiche Region, typisches Bild eines Hämangioms, histolo- nen zeigt und mögliche Verkalkungen aufdeckt. Die-
gisch nach Splenektomie verifiziert
se Läsionen nehmen kein Kontrastmittel auf (Komat-
suda et al. 1999). In der MRT entspricht die Signal-
gebung der von Zysten mit proteinreichem Inhalt
(Urrutia et al. 1996). Ein hohes T1-Signal kann so-
wohl auf eine intrazystische Blutung als auch einen
erhöhten Proteingehalt hindeuten. T2-gewichtete Bil-
der zeigen multilokuläre hyperintense Areale, die mit
den ausgedehnten lymphatischen Räumen korres-
pondieren (Ito et al. 1995).
Hamartom (Splenom)
Hamartome der Milz sind seltene, gutartige Tumo-
ren. Sie werden gewöhnlich zufällig entdeckt, da sie
in den meisten Fällen asymptomatisch bleiben. Sie
entsprechen einer atypischen Zusammensetzung von
Zellen der roten Pulpa mit und ohne Zellen der wei-
ßen Pulpa. Sonographisch erscheint die Läsion nor-
Abb. 9.19. Milzhämangiom, CT mit i. v. Kontrastmittel. Die malerweise als solide, echoreiche, homogene Raum-
kontrastverstärkte CT in der portalvenösen Phase zeigt eine
annähernd runde, homogen kontrastmittelanreichernde Lä-
forderung sehr ähnlich dem Hämangiom oder mit
sion. Dieses Kontrastverhalten beruht auf der für diese Läsion unterschiedlicher Echogenität im Vergleich zum nor-
typischen Hypervaskularisierung malen Milzgewebe (Goerg u. Schwerk 1994). In selte-
nen Fällen können Hamartome Verkalkungen und
zystische Veränderungen enthalten (Komaki u. Gom-
bas 1976; Zissin et al. 1992). Tang et al. (2000) berich-
ten über eine erhöhte Vaskularisation im farbgestütz-
ten Dopplersonogramm.
Die CT zeigt gewöhnlich hypodense Läsionen,
die Kontrastmittel anreichern (Ohtomo et al. 1992;
Abb. 9.20). In einzelnen Fällen sind die Läsionen vor
und nach Kontrastmittelapplikation isodens zum
normalen Milzgewebe und können in seltenen Fällen
zystische Veränderungen (Abb. 9.21) oder Verkal-
kungen aufweisen (Tang et al. 2000; Zissin et al. 1992).
In der MRT sind Hamartome im T1-gewichteten Bild
isointens zum umliegenden Milzgewebe, im T2-ge-
wichteten Bild meist deutlich hyperintens. Die Bin-
Abb. 9.20. Hamartom (Pfeile) mit geringer Kontrastmittelauf-
nenstruktur ist inhomogen. Nach Gabe von intra-
nahme in der kontrastunterstützten CT. (Aus Völk u. Strotzer venösem Kontrastmittel kommt es zu einem protra-
2006) hierten (Abb. 9.22), auf Spätaufnahmen jedoch deut-
698 Kapitel 9 Erkrankungen der Milz
9.4.2
Maligne Milztumoren
Maligne Lymphome
(Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom)
Der häufigste maligne Tumor der Milz ist das
Lymphom. Die Milz kann primär befallen sein oder
sekundär im Rahmen einer disseminierten Er-
krankung (Rabushka et al. 1994). Zum Zeitpunkt
der Erstdiagnose findet sich ein Milzbefall in etwa
23–40% der Patienten mit Morbus Hodgkin oder
Non-Hodgkin Lymphom (Castellino 1991; Strijk et
al. 1987).
Die Ann-Arbor-Klassifikation wird sowohl für die
Beschreibung der anatomischen Ausbreitung des
Morbus Hodgkin als auch des Non-Hodgkin-Lym-
phoms angewendet. Die Milzbeteiligung ist beim
Morbus Hodgkin von größerer Bedeutung als beim
Abb. 9.21. Hamartom der Milz mit zystischen Arealen, CT mit Non-Hodgkin-Lymphom; beim Non-Hodgkin-Lym-
i. v. Kontrastmittel. Solide Läsion im dorsalen Anteil der Milz phom ist die histopathologische Klassifikation ein
mit zentral hypodensen Läsionen mit flüssigkeitsäquivalenten wichtiger Vorhersagewert für die Prognose der Pa-
Dichtewerten
tienten (Castellino 1991).
Lymphomnekrosen sind selten und können wie
Zysten imponieren, hier ist eine Unterscheidung zu
Abszessen schwierig. Milzverkalkungen vor bzw.
nach Therapie werden ebenfalls selten beobachtet.
Häufiger hingegen sind Milzinfarkte zu beobachten.
Nach Goerg et al. (1997) lassen sich, neben der unspe-
zifischen Splenomegalie, 4 unterschiedliche sonogra-
phische Muster beobachten:
∑ diffuser Befall,
∑ fokal kleinnoduläres Muster,
∑ fokal großnoduläres Muster und
∑ „bulky-disease“.
Aufgrund des Befallsmusters lassen sich in vielen
Fällen Rückschlüsse auf die histologische Lympho-
mentität ziehen. Ein diffuser bzw. kleinnodulärer
Abb. 9.22. Hamartom (Pfeile) mit protrahierter, inhomogener
Kontrastmittelaufnahme in der T1-gewichteten MRT. (Aus Befall ist typisch für niedrig maligne Lymphome,
Völk u. Strotzer 2006) fokale großnoduläre Veränderungen sprechen in
der Regel für hochmaligne Lymphome. Der Morbus
Hodgkin zeigt kein typisches Befallsmuster. Das Er-
licheren Signalanstieg, der inhomogen sein kann scheinungsbild eines Milzbefalls in der CT korreliert
(Ohtomo et al. 1992; Ramani et al. 1997). ebenfalls gut mit den histologisch gefundenen
Differenzialdiagnostisch muss ein Hämangiom in Typen. Die Befunde reichen, wie im Ultraschall
Betracht gezogen werden. (Abb. 9.23), von einer Splenomegalie über einen
kleinnodulären Befall bis hin zu einem makronodu-
Merke !
Gutartige Milztumoren sind sehr sel-
ten und werden zumeist zufällig ent-
lären Muster (Urrutia et al. 1996).
Angiosarkom
Das seltene Angiosarkom ist der häufigste nicht-
lymphoide maligne Tumor der Milz. Es ist gekenn-
zeichnet durch eine sehr schlechte Prognose mit frü-
her Metastasierung, vor allem in die Leber (Sondenaa
et al. 1993). Das Angiosarkom neigt zur Spontanrup-
tur (Mahony et al. 1982). Thorotrast ist als Ursache
von Lebertumoren bekannt; eine Assoziation mit
dem Angiosarkom der Milz ist selten (Levy et al.
1986). Das Angiosarkom tritt uni- oder multifokal auf
und kann zystische und solide Anteile haben.
Die CT zeigt eine inhomogene, stark hypervasku-
larisierte Raumforderung. Stark hyperdense Bezirke
sprechen für eine akute Einblutung oder Hämoside-
rinablagerungen. Das gesamte Organ kann nahezu
vollständig von Tumor durchsetzt sein. Hypodense
Abb. 9.27. Metastasen eines amelanotischen malignen Mela- Bereiche entsprechen am ehesten Tumornekrosen
noms, MRT. In T2-gewichteter koronarer Schichtführung zei- (Thompson et al. 2005; Abb. 9.28). Das Kontrastver-
gen sich multiple hyperintense Milzherde
9.5 Hämatologische Erkrankungen 701
halten entspricht dem von Angiosarkomen der Leber, genannte Sichelzellen). Dies führt durch Erhöhung
obwohl das Anflutungsverhalten variabel ist (Ma- der Blutviskosität zur Stase des Blutes mit daraus fol-
hony et al. 1982). In der MRT zeigen sich in Abhän- gender Infarzierung, u. a. von Niere Knochen, Lunge
gigkeit vom Alter der Einblutung und vom Ausmaß und Milz. Die klinische Symptomatik umfasst kolik-
der Nekrose sehr unterschiedliche Signalintensitäten artige abdominelle Schmerzanfälle, Knochen- und
in den T1- und T2-gewichteten Bildern. Der Tumor Gelenkschmerzen, Ulcus cruris, neurologische Aus-
ist gewöhnlich stark vaskularisiert und reichert in- fälle und Niereninfarkte. Häufig treten mit Fieber
tensiv Kontrastmittel an (Imaoka et al. 1999). einhergehende hämolytische und aplastische Krisen
auf.
Merke ! Primär maligne Milztumoren sind
selten. Das Lymphom ist der häufigste
Bei der homozygoten Form erscheint die Milz ver-
kleinert mit Verkalkungen (McCall et al. 1981). Die
maligne Primärtumor der Milz. Eine Metastasierung heterozygote Form zeigt meist eine Splenomegalie
in die Milz zeigt sich selten. mit subkapsulären Verkalkungen (Adler et al. 1986).
Der Ultraschall und die CT zeigen eine Milzver-
größerung oder -verkleinerung und ggf. Verkalkun-
9.5 gen. Die MRT zeigt geringe Signalintensitäten auf
Hämatologische Erkrankungen den T2- und T2*-gewichteten Bildern. Das Signal-
muster bei der Sichelzellenanämie ist abhängig von
9.5.1 den Eisendepots vorausgegangener Bluttransfusio-
Myeloische Leukämie nen und/oder Fibrosen zurückliegender Infarkte
(Siegelman et al. 1994). Das Eisen erzeugt lokale Feld-
Im Rahmen einer myeloischen Leukämie ist die Milz inhomogenitäten mit einer Reduktion des T2-Sig-
häufig beteiligt. Eine ausgeprägte Splenomegalie nals.
findet sich in bis zu 90% der unbehandelten Fälle.
Klinisch imponieren die Patienten meist mit einer
deutlichen Splenomegalie, Nachtschweiß, Gewichts- 9.5.3
verlust und einer Anämie. Mikroskopisch zeigt die Thalassämie
leukämische Milz eine diffuse oder fokale Infiltration
mit leukämischen Zellen. Es können sich multiple 왔 Die Thalassämie oder auch Mittel-
Definition
kleine Infarkte über das gesamte Milzparenchym meeranämie umfasst eine Gruppe von
zeigen. angeborenen Erkrankungen, die durch eine quanti-
tative Störung der Globinsynthese gekennzeichnet
Merke ! Die Milzgröße ist bei der chronisch
myeloischen Leukämie ein Zeichen
sind.
für Krankheitsaktivität und von größter Bedeutung Die Thalassämie kann in 2 Untergruppen unterteilt
für die Beurteilung des Krankheitsverlaufs (Ito u. werden:
Mitchell 2000).
∑ a-Thalassämie (minor) und
∑ b-Thalassämie (major).
Alle radiologischen Bildgebungsverfahren können
die Milzvergrößerung zuverlässig darstellen und als Bei der a-Thalassämie findet sich eine gering aus-
Verlaufsuntersuchung herangezogen werden. Das geprägte Anämie, diese wird meist kompensiert.
Bild der Splenomegalie gleicht in allen Modalitäten Bei der b-Thalassämie wird die schwere Anämie
dem der normalen Milz. begleitet von einer Hämolyse, systemischer Eisen-
überladung und einer aktiven Erythropoese. Die
Eisenüberladung wird aggraviert durch die bei der
9.5.2 b-Thalassämie notwendigen Bluttransfusionen. Die
Sichelzellenanämie betroffenen Patienten entwickeln aufgrund der ge-
steigerten Erythropoese eine Kardiomegalie, Hepato-
Die Sichelzellenanämie ist eine häufige, fast aus- splenomegalie und Skelettveränderungen.
schließlich bei Schwarzen vorkommende, autosomal- Die CT zeigt eine hyperdense Milz infolge der
rezessiv vererbte Erkrankung. Die Sichelzellenanä- Eisenablagerungen (Mitnick et al. 1981). Die CT kann
mie ist eine Hämoglobinämie, die sich nur bei Homo- Eisen von Kupfer nicht unterscheiden. Die MRT hin-
zygotie oder doppelter Heterozygotie klinisch mani- gegen ist aufgrund der paramagnetischen Effekte
festiert. Die das abnorme Hämoglobin enthaltenden eine sehr sensitive Methode bei der Detektion von
Erythrozyten nehmen bei absinkender Sauerstoff- Eisen. Wie bei der Sichelzellenanämie eignen sich
spannung eine sichelförmige Konfiguration an (so T2- und T2*-gewichtete Bilder sehr gut zur Quantifi-
702 Kapitel 9 Erkrankungen der Milz
Eine mögliche Splenomegalie wird sowohl im Ultra- Eine Milzbeteiligung ist aufgrund der Funktion der
schall als auch mit den Schnittbildverfahren zuver- Zellen des retikuloendothelialen Systems bei der
lässig erkannt. Im Ultraschall zeigen sich typischer- Amyloidbildung häufig. In allen bildgebenden Ver-
weise fokale, echoarme Raumforderungen, es können fahren lassen sich außer einer Splenomegalie keine
sich aber auch echoreiche Läsionen zeigen. Diese ent- spezifischen Veränderungen nachweisen. Im Falle
sprechen am ehesten Fibroseherden oder Infarkten einer spontanen Milzruptur sind der Ultraschall oder
(McLennan u. Withers 1992). Die CT zeigt ähnliche die CT die Methoden der Wahl zum Nachweis eines
Veränderungen, wobei die Läsionen nach Kontrast- Hämatoms.
mittelapplikation ein geringeres Enhancement zei-
gen als das umgebende Milzparenchym (Aspestrand Eisenspeicherkrankheiten
et al. 1989). In der MRT finden sich ebenfalls fokale (Hämochromatose, Hämosiderose)
Milzläsionen. Diese sind in T1-gewichteten Bildern Die Eisenspeicherkrankheiten lassen sich in 2 Grup-
isointens, in T2-gewichteten Bildern hypointens zum pen, in Abhängigkeit vom Ort der Eisenspeicherung,
umgebenden Milzgewebe (Poll et al. 2000). Es lassen unterteilen.
sich auch eine mögliche Fibrose und Infarkte darstel-
len (Hill et al. 1992). 왔 Die Hämochromatose bezeichnet die
Definition
abnormale Ablagerung von Eisen vor
Morbus Niemann-Pick allem im Leberparenchym (Hepatozyten).
Die Hämosiderose bezeichnet die vermehrte Ei-
왔 Der Morbus Niemann-Pick ist eine senablagerung im retikuloendothelialen System.
Definition
Sphingomyelinlipose.
Bei der Hämochromatose kommt es zu keiner Ein-
Bei der Erkrankung vom Typ A und B liegt ein Sphin- lagerung von Eisen in der Milz, während die Milz bei
gomyelinasemangel vor. Beim Typ C der Erkrankung der Hämosiderose häufig mitbetroffen ist. Die häu-
liegt kein Sphingomyelinasemangel vor, sie ist durch figste Ursache der gesteigerten lienalen Eisenspei-
eine massive, lysosomale Akkumulation von Choles- cherung ist die vermehrte Sequestrierung von Er-
terin gekennzeichnet. ythrozyten in der Milz, z. B. im Rahmen multipler
Mit allen bildgebenden Verfahren lässt sich die Bluttransfusionen, bei portaler Hypertension und in
meist vorhandene mäßige Splenomegalie nachwei- selteneren Fällen bei Rhabdomyolyse.
sen. Im Ultraschall zeigen sich multiple, glatt be- Der Ultraschall zeigt keine spezifischen Verän-
grenzte echoreiche Raumforderungen, die auf den derungen der Milz bei der Hämosiderose, ist aber
hohen Lipidgehalt zurückgeführt werden. In der hilfreich bei der Diagnosestellung einer sekundären
kontrastgestützten CT sind hypodense, noduläre Lä- Leberzirrhose und eines hepatozellulären Karzi-
sionen nachweisbar. Die MRT scheint aufgrund ihrer noms. Da die CT eine vermehrte Eisenspeicherung
hohen Sensitivität im Nachweis von Fett eine sehr gut erst bei einem 4-fach erhöhten Normwert nachweist,
geeignete Methode zu sein. In einem berichteten Fall ist sie von geringem klinischen Nutzen. Sie kann aber
fand sich eine Signalzunahme in T1- und T2-gewich- wie der Ultraschall Komplikationen aufdecken.
teten Bildern bei einem Morbus Niemann-Pick Typ C Die MRT ist aufgrund der durch die Eisenüber-
(Omarini et al. 1995). ladung bedingten Suszeptibilitätsartefakte eine sen-
sitivere und spezifischere Methode. Die sensitivste
Amyloidose Technik für den Nachweis einer diffusen Signalmin-
derung als Ausdruck der Eisenablagerung sind pro-
왔 Die Amyloidose ist eine extrazelluläre tonendichte- und T2*-gewichtete GRE-Sequenzen
Definition
Ablagerung des fibrillären Proteins (Adler et al. 1986). In T1- und T2-gewichteten Bildern
Amyloid in einem oder mehreren Geweben des Kör- zeigt sich eine diffuse Signalminderung der Milz im
pers. Verhältnis zur Muskulatur aufgrund der Hämosider-
ineinlagerungen (sekundäre Hämochromatose) und
Generell werden klinisch 2 Typen der Amyoloidose der Verkalkungen (Adler et al. 1986). Besteht eine
unterschieden: Hämochromatose, so zeigt das T2-gewichtete Bild
der zirrhotischen Leber eine Signalminderung, wäh-
∑ die primäre Amyloidose (ohne Begleiterkrankun-
rend die möglicherweise vergrößerte Milz eine nor-
gen) und
male Signalgebung aufweist (Siegelman et al. 1991).
∑ die sekundäre Amyloidose (Assoziation mit
Die Tabellen 9.3 und 9.4 fassen das Erscheinungs-
chronischen Infektionen, rheumatoider Arthritis,
bild einer möglichen Milzbeteiligung und deren Ver-
Hämodialyse).
änderungen im Rahmen hämatologischer und syste-
mischer Krankheitsbilder zusammen und zeigen die
9.6 Milzbeteiligung bei systemischen Erkrankungen 705
Tabelle 9.3. Zusammenfassung der Milzveränderungen bei hämatologischen Erkrankungen mit Wertigkeit der einzelnen Unter-
suchungsmodalitäten
Tabelle 9.4. Zusammenfassung der Milzveränderungen bei systemischen Erkrankungen mit Wertigkeit der einzelnen Untersu-
chungsmodalitäten
9.6.3
Sarkoidose
In der abdominellen CT wird die Sarkoidose selteneren Ursachen zählen Thrombosen bei häma-
gewöhnlich nicht entdeckt oder zeigt sich in einer tologischen Erkrankungen (Myelofibrose, Sichel-
unspezifischen (Hepato-) Splenomegalie und retro- zellenanämie, Lymphome) und Vaskulitiden sowie
peritonealen Lymphadenopathie. Dennoch kann sich eine Beteiligung der Milzarterie bei Pankreatitis. Ge-
die Milzsarkoidose in seltenen Fällen mit multiplen, nerell verändert sich die Ursache eines Milzinfarkts
fokalen hypodensen Läsionen von bis zu einigen mit dem Alter: Bei älteren Patienten ist ein emboli-
Zentimetern Größe manifestieren (Scott et al. 1997; sches Ereignis am häufigsten, während bei Patienten
Abb. 9.30). Die MRT zeigt eine uneinheitliche Signal- <40 Jahren eine assoziierte hämatologische Erkran-
minderung in den T1- und T2-gewichteten Bildern, kung am häufigsten ist (Jaroch et al. 1986). Ein Milz-
nach Kontrastmittelgabe kommt es zu einer geringen infarkt kann auch als Komplikation oder als thera-
und verzögerten Anreicherung (Kessler et al. 1993; peutisches Ergebnis einer intraarteriellen Katheteri-
Koyama et al. 2004). sierung auftreten (Takayasu et al. 1984).
9.7.2
Splenose
Tabelle 9.5. Differenzialdiagnostische Abgrenzung von Splenose und Nebenmilz. (Nach De Backer u. De Schepper 2000)
Nebenmilz Splenose
Abb. 9.33 a–d. Splenose, CT mit i. v. Kontrastmittel. Zustand nach traumatisch bedingter Splenektomie. a, b Nachweis von Milz-
gewebe in der Milzloge. c, d Pararektal versprengtes Milzgewebe
9.8 Diagnostisches und interventionelles Vorgehen bei inzidentellen oder unklaren Milzläsionen 709
Lage, zwischen Splenose und Nebenmilz zu differen- te Läsionen, die in seltenen Fällen lobuliert sein
zieren. Die 99mTechnetium- (Tc-) Schwefelkolloid- können. Die Ätiologie dieser Erkrankung ist unklar
Szintigraphie ist in der Lage, Milzherde von >2 cm (Safran et al. 1991). Klinisch asymptomatisch sind
aufzudecken. Da die normale Leber den größten Teil etwa 50% der Patienten, die andere Hälfte zeigt
des Schwefelkolloids aufnimmt, können Splenose- Fieber, epigastrische Schmerzen, Erbrechen und Ge-
herde im Oberbauch durch das Leber-Uptake mas- wichtsverlust.
kiert werden. Eine sensitivere und spezifischere Das sonographische Erscheinungsbild des ent-
Methode stellt die Milzszintigraphie mit 99mTc-mar- zündlichen Pseudotumors ist gewöhnlich echoarm,
kierten, wärmealterierten Erythrozyten dar. Hier- in seltenen Fällen auch echoreich. Die native CT zeigt
bei macht man sich die Aufgabe der Milz zunutze, eine leicht hypodense Raumforderung, die nach Kon-
lädierte Erythrozyten zu eliminieren (Gunes et al. trastmittelapplikation eine schwache zunehmende
1994). Anreicherung aufweist. Zentrale sternförmige hypo-
Konventionell radiologische Untersuchungen wie dense Bereiche entsprechen histologisch Fibroseare-
Thoraxübersichtsaufnahmen, Bariumuntersuchun- alen (Dalal et al. 1991; Franquet et al. 1989). Die MRT
gen und i. v.-Pyelogramme können Raumforderun- kann die Raumforderung unter Umständen besser
gen darstellen, sind aber wenig spezifisch. Der Ultra- zeigen als die CT. In T1-gewichteten Bildern zeigt der
schall und die CT sind ebenfalls nicht sehr spezifisch. entzündliche Pseudotumor eine isointense Signal-
Beide Modalitäten zeigen eine oder mehrere solide, intensität. Auf T2-gewichteten Bildern kann der
homogene, nichtverkalkte, weichteildichte Raumfor- entzündliche Pseudotumor sowohl hypointens als
derungen. Da sich die Splenose in ein anderes Gewe- auch hyperintens zum umgebenden Milzgewebe sein
be implantiert, zeigt sie eine schlechte Abgrenz- (Glazer et al. 1992).
barkeit zum benachbarten Gewebe. Die native CT Differenzialdiagnosen zum entzündlichen Pseudo-
zeigt gewöhnlich eine hypo- bis isodense Läsion, die tumor sind das Lymphom, das Hämangiom, Metasta-
nach Kontrastmittelapplikation homogen anreichert sen und das Hamartom.
(Gruen u. Gollub 1996; Abb. 9.33 a–d).
Die MRT zeigt eine Raumforderung, die auf T1-ge-
wichteten Bildern eine intermediäre Signalintensität, 9.8
auf Protonendichte- und T2-gewichteten Bildern ei- Diagnostisches und interventionelles Vorgehen
ne hyperintense Signalintensität aufweist. Nach Kon- bei inzidentellen oder unklaren Milzläsionen
trastmittelgabe zeigt sich ein homogenes Enhance-
ment, das dem des normalen Milzgewebes gleicht Ein häufiges Problem in der bildgebenden Diagnos-
(Bordlee et al. 1995). Die Signalintensitäten sind tik stellen zufällig entdeckte Milzläsionen dar. Hier
sowohl vor als auch nach Kontrastmittelgabe nicht stellt sich die Frage, wie mit diesen Veränderungen
spezifisch für eine Splenose. verfahren werden soll. Leider besitzen die unter-
schiedlichen Untersuchungsmodalitäten eine relativ
Merke ! Die Splenose muss von der Nebenmilz
unterschieden werden. In der Dia-
geringe Spezifität bei hoher Sensitivität bezüglich
vieler Milzläsionen. Einfach verhält es sich mit un-
gnostik spielt die Nuklearmedizin eine zentrale komplizierten Zysten (Ultraschall: echofrei mit dor-
Rolle. saler Schallverstärkung, CT: flüssigkeitsisodense
glattwandige Raumforderung ohne Kontrastmittel-
anreicherung, MRT: in T1-Wichtung hypointens, in
9.7.3 T2-Wichtung hyperintens) und mit Verkalkungen, da
Entzündlicher Pseudotumor diese bei asymptomatischen Patienten nicht tumor-
verdächtig sind oder auf eine Entzündung hinweisen.
Der entzündliche Pseudotumor der Milz ist eine sel- Diese bedürfen weder einer weiteren Abklärung
tene Entität. noch einer Verlaufskontrolle. Bei dieser Art der Lä-
sionen spielt es auch keine Rolle, ob diese singulär
왔 Beientzündlichen Pseudotumoren oder multipel auftreten.
Definition
handelt es sich um benigne Raumfor- Blande Zysten mit beweglichen und schwirrenden
derungen, die sich aus einem Bezirk mit entzündli- Echos können vorkommen und sprechen nicht gegen
chen und reparativen fibroblastischen Veränderun- eine unkomplizierte Zyste. Atypische Zysten z. B.
gen mit granulomatösen Bestandteilen zusammen- mit Septen oder möglichen Einblutungen sollten in
setzen. einem Intervall von etwa 3–6 Monaten kontrolliert
werden bzw. bei entsprechendem Verdacht (z. B. auf
Im Allgemeinen entstehen entzündliche Pseudotu- eine Echinokokkose) serologisch weiter abgeklärt
moren im Milzparenchym als diskrete glattberande- werden.
710 Kapitel 9 Erkrankungen der Milz
geführt werden und dünne Nadeln (20–22 Gauge/ Doan CA, Bouroncle BA, Wiseman BK (1960) Idiopathic and
0,90–0,72 mm) zur Anwendung kommen (Robertson secondary thrombocytopenic purpura: clinical study and
evaluation of 381 cases over a period of 28 years.Ann Intern
et al. 2001). Die Intervention sollte in der CT oder mit Med 53: 861–876
Hilfe des Ultraschalls durchgeführt werden, auch um Dodds WJ, Taylor AJ, Erickson SJ, Stewart ET, Lawson TL (1990)
Verletzungen von hilären Strukturen zu vermeiden. Radiologic imaging of splenic anomalities. AJR Am J
Bei sinnvoller und strenger Indikationsabwägung Roentgenol 155: 805–810
Doody O, Lyburn D, Geoghegan T, Govender T, Monk PM, Tor-
stellt die Biopsie der Milz ein hilfreiches, aber mit er- reggiani WC (2005) Blunt trauma of the spleen: ultrasono-
höhtem Blutungsrisiko behaftetes Verfahren zur Dia- graphic findings. Clin Radiol 60: 968–976
gnosesicherung dar (Keogan et al. 1999; Lucey et al. Downer WR, Peterson MS (1993) Massive splenic infarction
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Originäre Erkrankungen des Peritoneums 10
J.H. Pullwitt, J. Freyschmidt
10.1 Entzündliche Erkrankungen 719 gebaut ist. Die Serosa entwickelt sich aus dem Meso-
10.1.1 Bakterielle Peritonitis 719 thel, die Subserosa aus dem Mesenchym. Unterschie-
10.1.2 Sterile Peritonitis 722
10.1.3 Folgen entzündlicher Peritonealerkrankungen – den wird das Peritonaeum parietale vom Perito-
Peritonitis adhaesiva, Verwachsungsbauch 723 naeum viscerale. Das Peritonaeum parietale definiert
Literatur 724 die äußere Begrenzung der Peritonealhöhle, indem es
10.2 Nekrose 724 innen die angrenzenden Weichteile (Zwerchfelle,
10.2.1 Segmentaler Infarkt des Omentum majus 724 Bauchwand, Retroperitoneum, Subperitoneum, Be-
10.2.2 Appendicitis epiploica 726
Literatur 727 ckenboden) überzieht. Das Peritonaeum viscerale
bedeckt die intraperitonealen Organe und bildet
10.3 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 728
10.3.1 Peritonealkarzinose 728 band- oder tuchförmige Duplikaturen aus. Dies sind
10.3.2 Pseudomyxoma peritonei 730 Ligamente, das Mesenterium und Mesokolon, das
10.3.3 Malignes Lymphom 731 Omentum minus und Omentum majus. Sie dienen
10.3.4 Malignes Mesotheliom 732 der Fixation der intraperitonealen Organe an den
10.3.5 Mesenteriale und omentale Zysten 733
10.3.6 Liposarkom 735 Nachbarkompartimenten sowie untereinander. In
10.3.7 Leiomyosarkom 736 diesen Duplikaturen verlaufen Blutgefäße und Ner-
10.3.8 Aggressive Fibromatose 739 ven. Zudem sind darin das Lymphsystem, duktale
10.3.9 Sklerosierende Mesenteritis 740 Strukturen und Fettgewebe eingebettet.
Literatur 744
Mesenterium und Mesokolon haften bandförmig
dem vorderen Perirenalraum des Retroperitoneums
an und sind nicht von diesem getrennt, werden aber
In diesem Kapitel werden Erkrankungen des Perito- aufgrund der Topographie den intraperitonealen
neums selbst und der in seinen Duplikaturen einge- Strukturen zugerechnet. Im Gegensatz hierzu zählt
betteten Gewebe beschrieben. Erkrankungen der in- der Leistenkanal nicht zur Peritonealhöhle, obwohl
traperitonealen Organe und zugehöriger intraperito- das Peritoneum mit dem Processus vaginalis perito-
nealer Strukturen wie z. B. Ductus choledochus und nei in diesen hineinreicht.
Ductus cysticus, Urachus und Bänder des inneren Die Peritonealhöhle ist ein kommunizierendes
weiblichen Genitale sind in anderen Kapiteln dieses Spaltensystem, welches im Zusammenhang mit der
Bandes abgehandelt. Flüssigkeitsproduktion der Serosa die gegenseitige
Mit den verschiedenen bildgebenden Untersu- Verschieblichkeit intraperitonealer Organe und Ge-
chungsverfahren konnten und können Informatio- webe ermöglicht.
nen über die Peritonealhöhle gewonnen werden.Auf- Bei weiblichen Individuen steht diese über die
grund der Möglichkeit der direkten Darstellung, der innere Tubenöffnung mit der Außenwelt in Verbin-
allenfalls geringen Invasivität und der hierzulande dung.
guten Verfügbarkeit werden heute zur radiologischen Die Peritonealhöhle ist ursprünglich paarig ange-
Abklärung krankhafter peritonealer Prozesse die So- legt und wird durch das Mesogastrium getrennt.In der
nographie, die CT und die MRT bevorzugt eingesetzt. frühen Embryogenese konfluieren die beiden Anteile
Diese Verfahren werden deshalb in diesem Kapitel durch fehlende Mitentwicklung des vorderen unteren
berücksichtigt. Abschnitts (Abb. 10.1). Der hintere untere Anteil wird
zu den Mesenterien weiterentwickelt. Aus dem vorde-
Embryologie, Anatomie ren oberen Mesogastrium entwickeln sich u. a. das
und Physiologie des Peritoneums Lig. falciforme, in seinem Rand das Lig. teres hepatis
Das Peritoneum ist eine dünne seröse Haut, die zwei- sowie das Omentum minus. Dieses besteht aus dem
schichtig aus der mit Deckzellen bekleideten Lamina Lig. hepatogastricum und dem Lig. hepatoduodenale.
propria serosa und der tragenden Tela subserosa auf- Aus dem hinteren oberen Mesogastrium entstehen u. a.
716 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
das Lig. gastrocolicum, das Lig. gastrolienale, das Colon transversum und Colon sigmoideum ein-
Lig. phrenicolienale sowie das Omentum majus. schließlich ihrer Mesenterien. Auch die Appendix
Die Umformung geht mit der Rotation des Magen- vermiformis liegt zumeist intraperitoneal und hat
Darm-Kanals einher, in dessen Folge neben dem Pan- ein eigenes freies Meso. Das Rektum liegt subperito-
kreas auch Pars II bis IV des Duodenums, das Zökum neal (Abb. 10.2).
und Colon ascendens sowie das Colon descendens Die oben beschriebenen Peritonealduplikaturen
üblicherweise ihre sekundär retroperitoneale Lage bilden einerseits Barrieren in der kommunizieren-
erreichen. Durch breitflächiges Konfluieren mit dem den Peritonealhöhle, andererseits stellen sie Brücken
Retroperitoneum erlangen auch das Mesocolon as- zwischen den verbundenen Organen dar. Sie präfor-
cendens und das Mesocolon descendens eine sekun- mieren damit mögliche Ausbreitungswege von pa-
där retroperitoneale Lage. Intraperitoneal liegen der thologischen Prozessen mit oft charakteristischem
Magen, Pars I des Duodenums, Jejunum, Ileum, radiologischen Muster.
10.1 Entzündliche Erkrankungen 717
Literatur
10.1.1
Bakterielle Peritonitis Merke ! Der Schweregrad der Peritonitis und
der resultierenden Sepsis korreliert
nicht zwangsläufig mit dem radiologischen peritone-
왔 Bei der bakteriellen Peritonitis han- alen Befund oder der Aszitesmenge.
Definition
delt es sich um eine durch Bakterien
hervorgerufene Entzündung des Peritoneums. Die Peritonitis geht mit einer umschriebenen oder
diffusen Schmerzsymptomatik einher. Es besteht
Pathologisch-anatomische meist das Bild eines akuten Abdomens mit Abwehr-
und ätiologische Grundlagen spannung, Loslassschmerz und bretthartem Bauch
Der Erreger kann hämatogen, lymphogen, per conti- mit Ausbildung eines paralytischen Ileus. Die Ent-
nuitatem bei Perforation, Mikroperforation oder zündungsparameter sind meist deutlich erhöht. Eine
Durchwanderung und bei Frauen aszendierend das sofortige chirurgische Intervention ist regelhaft er-
Peritoneum und damit die Peritonealhöhle errei- forderlich.
chen. Je nach Lokalisation und Art der Erstbesiede-
lung kann die Immunabwehr eine lokale Eingren- Radiologische Symptomatik
zung der Entzündung erzielen, wobei die barriere- Projektionsradiographisch lässt sich weder eine
bildenden peritonealen Duplikaturen eine wichtige umschriebene noch eine diffuse Peritonitis verläss-
Rolle spielen. Bei lokalisierten Prozessen lässt die lich darstellen. Indirekte Zeichen der Peritonitis
Topographie zumeist Rückschlüsse auf Ursprungsort werden im einleitenden Kapitel über das akute Abdo-
und Ursache der Peritonitis zu. men beschrieben. In der CT stellt sich der Aszites
Gelingt keine Eingrenzung der Entzündung, brei- als umschriebene oder disseminierte flüssigkeits-
tet diese sich per continuitatem bzw. mit dem intra- äquivalente Formation mit Dichtewerten um 10–
peritonealen Flüssigkeitsstrom in der Peritoneal- 20 HE dar. Fibrinbeimengungen mit Septenbildung
höhle zur diffusen Peritonitis aus. Dabei stellen die können das uniforme Aszitesbild verändern. Sie sind
Recessus in Abhängigkeit ihrer topographischen La- allerdings mit Ultraschall sicherer und vor allem
ge Prädilektionsstellen für die Keimansammlung häufiger darstellbar. Infolge peritonealer Hyperämie
und damit die Ausbildung von Empyemen bzw. imponieren die Peritonealblätter verdickt. Das intra-
Abszessen dar. Am häufigsten finden sich umschrie- peritoneale Fettgewebe ist computertomographisch
bene Eiteransammlungen im rechten subhepatischen diffus verdichtet, zusätzlich finden sich darin weich-
Raum (Morison-Pouch), in der Parazökalregion und teildichte streifenförmige oder retikuläre Verschat-
720 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
10.1.2
Sterile Peritonitis
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Die peritoneale Reizung erfolgt chemisch, physika-
lisch oder autoimmun vermittelt. Häufig ist Pankre-
assekret im Rahmen einer nekrotisierenden Pankrea-
titis das auslösende Agens. Auch andere Körperflüs-
sigkeiten wie Galle oder Urin, die durch perforieren-
de Verletzungen in die Peritonealhöhle gelangen,
lösen Peritonitiden aus. Nicht selten ist die Ursache
iatrogen, etwa nach Leberpunktion oder instrumen-
teller Harnblasenperforation. Neben strahlenthera-
peutischen Behandlungen sind Gefäßalterationen im
Rahmen einer Vaskulitis oder auch das Mittelmeer-
fieber weitere Ursachen für eine sterile Peritonitis.
Eine Sonderform stellt die sklerosierende Peritoni-
tis dar, die in Assoziation mit chronisch-ambulanter
Peritonealdialyse (CAPD; bis zu etwa 4%), einem lu-
teinisierenden Thekom des Ovars oder im Rahmen
einer Mekoneumperitonitis beobachtet wird. Patien-
ten unter CAPD entwickeln selten auch allergische
Peritonitiden als Reaktion auf Dialysat oder Katheter.
Die sklerosierende Mesenteritis wird unter den
tumorähnlichen Erkrankungen in diesem Kapitel
Abb. 10.11 a–c. Diffuser peritonealer Prozess (Aszites bei abgehandelt.
Leberzirrhose?/bakterielle Peritonitis?). Der ältere Patient hat
eine bekannte Leberzirrhose und wurde eine Woche zuvor we- Klinische Symptomatik
gen eines Karzinoms am Sigma operativ behandelt. Mit der CT Sterile Peritonitiden sind wie die erregerbedingten
ist eine verbindliche Unterscheidung zwischen umschriebe-
nem Aszites und eitrigem Exsudat nicht möglich, deshalb lässt sehr schmerzhaft, können ebenfalls zur Ausbildung
sich die Frage nur durch eine Punktion (a) klären. Im vorlie- eines paralytischen Ileus führen und klinisch als aku-
genden Fall lag eine seröse Peritonitis vor tes Abdomen imponieren. Morbidität und Mortalität
sind gegenüber den erregerbedingten Peritonitiden
deutlich geringer. Mischformen kommen vor, z. B. bei
bakterieller Cholezystitis mit Perforation.
10.1 Entzündliche Erkrankungen 723
Radiologische Symptomatik
Leitsymptome sind der Aszites sowie die verdickten
Peritonealblätter bei der akuten diffusen Form. Oft-
mals findet sich auch ein umschriebener Flüssig-
keitsverhalt, beispielsweise bei galliger Peritonitis
nach Leberpunktion oder -operation. Die pankreato-
gene Peritonitis ist anhand der typischen Kriterien
der zugrunde liegenden meist nekrotisierenden Pan-
kreatitis zu diagnostizieren. Hierbei kommt es im
Verlauf oft zur Ausbildung von dickwandigen pan-
kreatitischen Pseudozysten.
Differenzialdiagnose
Eine verlässliche bildmorphologische Unterschei-
dung der sterilen Peritonitis gegenüber einer erre-
gerbedingten oder superinfizierten Peritonitis ist
nicht möglich.
10.1.3
Folgen entzündlicher Peritonealerkrankungen –
Peritonitis adhaesiva, Verwachsungsbauch
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Sowohl erregerbedingte als auch sterile Peritonitiden
können zu narbigen, keloidalen Veränderungen des
Peritoneums führen. Unproblematisch sind einfache
peritoneale Verdickungen durch narbiges Gewebe.
Problematischer sind neue narbengewebige Verbin-
dungen zwischen Peritonaeum parietale und viscera-
le oder zwischen 2 Regionen des üblicherweise be-
weglicheren Peritonaeum viscerale. Diese narbigen
Brücken sind entweder strangförmig als Bride oder
flächig als Adhäsion ausgebildet und kommen häufig Abb. 10.12 a–c. Typische CT-Serie eines so genannten Ver-
multipel vor. wachsungsbauches. Zwischen a (10/02) und b (05/03) sowie
c (12/03) keine Lageänderung der mit Gastrografin kontra-
stierten Dünndarmschlingen, was normalerweise zwischen
CAVE ! Durch Adhäsionen wird insbesondere
die Motilität des Magen-Darm-Trakts 2 um etwa 10 min versetzten CT-Serien nicht vorkommt. Man
beachte die zunehmende Wandverdickung in b und c. Patien-
beeinträchtigt. Die ständige mechanische Beanspru- tin mit Zustand nach Operation und Nachbestrahlung eines
chung dieser Verklebungen durch die Peristaltik Zervixkarzinoms
kann zu fortlaufend neuen Einrissen des Perito-
neums und chronischen Schmerzen führen.
Briden bergen insbesondere die Gefahr einer Ein- Klinische Symptomatik
klemmung intraperitonealer Gewebe mit Ausbildung Die klinische Symptomatologie ist breit gefächert und
eines mechanischen obstruierenden oder strangulie- reicht von mäßigen Beschwerden z. B. nach reichhalti-
renden Ileus. gen Mahlzeiten bis zu chronischen Subileusbildern
oder gar einem akuten mechanischen Ileus.
724 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
Radiologische Symptomatik
10.2
Bei der chronischen Form ist sonographisch je
Nekrose
nach Schweregrad eine disharmonische, irreguläre
Peristaltik nachweisbar, gelegentlich auch geringer Zahlreiche entzündliche oder tumoröse Prozesse ge-
Aszites. Meist finden sich umschriebene diskrete hen mit umschriebenen Nekrosen intraperitonealen
Peritonealverdickungen. In MRT und CT ist häufig Gewebes einher. Als typische Beispiele seien Abszes-
kein eindeutiger Befund feststellbar. Als indirekte se, Gewebenekrosen bei schwerer Pankreatitis oder
Zeichen für Adhäsionen können Lumenschwankun- nekrotisch zerfallende Tumoren genannt. Die Nekro-
gen des Dünndarms oder eine diskontinuierliche sen stellen also lediglich ein Begleitphänomen dar.
orale Kontrastierung des Magen-Darm-Trakts er- Von diesen sind die im Folgenden dargestellten
kennbar sein. Relativ typisch sind konstant gruppier- fokalen peritonealen Fettgewebenekrosen ohne ur-
te Dünndarmschlingen (Abb. 10.12 a–c). Briden sind sächliche Hernie abzugrenzen, bei denen klinisch
nicht direkt darstellbar. In Funktionsuntersuchungen und therapeutisch die Nekrose selbst im Vorder-
sind auch mittels MRT Adhäsionen durch die fehlen- grund steht.
de Verschieblichkeit zu diagnostizieren.
Differenzialdiagnose 10.2.1
Neben akuten Peritonitiden stellt die beetartige Peri- Segmentaler Infarkt des Omentum majus
tonealkarzinose die wichtigste Differenzialdiagnose
dar. Radiologisch ist diese Differenzialdiagnose Synonyme: primäre (segmentale) Netznekrose, seg-
meist nicht sicher zu lösen. mentale Nekrose des Omentum majus, idiopathi-
scher Netzinfarkt, fokale intraperitoneale Fettgewe-
benekrose.
Literatur
왔 Hierbei handelt es sich um eine seg-
Adam U, Ledwon D, Hopt UT (1997) Etappenlavage als Grund- Definition
mentale Nekrose des Omentum majus
lage der Therapie bei diffuser Peritonitis. Langenbecks
Arch Chir 382: 18–21
ohne zugrundeliegende anderweitige Erkrankung.
Cochran ST, Do HM, Ronaghi A, Nissenson AR, Kadell BM Von einer sekundären Nekrose spricht man, wenn
(1997) Complications of peritoneal dialysis: evaluation diese postoperativ durch bipolare Netzrotation bei
with CT peritoneography. Radiographics 17: 869–878 zusätzlicher Netzadhärenz auftritt. Auch eine Netz-
Hamrick-Turner JE, Chiechi MV,Abbitt PL, Ros PR (1992) Neo-
plastic and inflammatory processess of the peritoneum, nekrose durch venöse Thrombosen (z. B. im Rahmen
omentum, and mesentery: diagnosis with CT. Radiograph- einer Rechtsherzinsuffizienz) wird als sekundäre
ics 12: 1051–1068 Netznekrose oder sekundärer Netzinfarkt bezeich-
Holzheimer RG, Gathof B (2003) Re-operation for complicated net.
secondary peritonitis – how to identify patients at risk for
persistent sepsis. Eur J Med Res 8: 125–134
Klempa I (2002) Zeitgemäße Therapie der komplizierten Ap- Die Unterteilung in primäre und sekundäre Nekro-
pendizitis. Chirurg 73: 799–804 sen erfolgt in der Literatur z. T. uneinheitlich.
Mindelzun RE, Jeffrey RB, Lane MJ, Silverman PM (1996) The
misty mesentery on CT: differential diagnosis. AJR Am J
Roentgenol 167:61–65 Pathologisch-anatomische
Reginella RF, Sumkin JH (1996) Sclerosing peritonitis associat- und ätiologische Grundlagen
ed with luteinized thecomas. AJR Am J Roentgenol 167: Eine unipolare Torsion distaler Netzanteile bedingt
512–513 eine Verlegung von omentalen Blutgefäßen mit kon-
Reith HB (1997) Peritonitistherapie heute. Chirurgisches Man-
agement und adjuvante Therapiestrategien. Langenbecks sekutiver Ischämie und Nekrose. Netzanomalien,
Arch Chir 382: 14–17 Adipositas, stumpfe Traumen und heftige Bewegun-
gen begünstigen die Entstehung primärer segmenta-
ler Infarkte des Omentum. Als weitere Ursache wer-
den spontane venöse Thrombosen diskutiert, die
durch atypische omentale Gefäßverläufe begünstigt
werden.
Das Krankheitsbild ist relativ selten. Männer wer-
den bis zu 2-mal häufiger betroffen als Frauen. Auch
bei Kindern kann eine Netznekrose auftreten.
10.2 Nekrose 725
Klinische Symptomatik
Die häufigste Lokalisation ist der rechte Ober- und
Mittelbauch. Typischerweise findet sich ein akut ein-
setzender heftiger Schmerz mit lokaler Peritonitis.
Laborchemische Entzündungsparameter sind in der
Regel gering erhöht. Dies führt meist zur klinischen
Fehldiagnose einer akuten Cholezystitis oder Appen-
dicitis vermiformis. Im natürlichen Verlauf sistieren
die Schmerzen nach durchschnittlich 10–14 Tagen.
Radiologische Symptomatik
Sonographisch besteht eine nichtkomprimierbare
plattenförmige Auftreibung des betroffenen Netzab-
schnittes, der breitflächig dem vorderen oder latera-
len Peritonaeum parietale anliegt. Die Schallintensi-
tät ist gegenüber dem normalen Fettgewebe erhöht,
es findet sich häufig ein echoarmer Randsaum
(Abb. 10.13 a–c). Computertomographisch stellt sich
der Infarkt als umschriebene, inhomogene Verdich-
tung und Verdickung des Fettgewebes von durch-
schnittlich 3,5–5 cm dar. Benachbarter Darm (im All-
gemeinen das rechte Hemikolon) kann gering impri-
miert sein. Die angrenzenden Wandstrukturen kön-
nen durch Exsudation und Fibrinauflagerungen
diskret verdickt imponieren.
Differenzialdiagnose
Die typische, dem Peritonaeum parietale anliegende
Fettgewebeverdichtung mit der Konfiguration eines
peripheren Netzanteils ist in Zusammenschau mit
der typischen klinischen Symptomatik hochcharak-
teristisch für den segmentalen Netzinfarkt. Extrem
seltene Netztumoren oder erregerbedingte entzünd-
liche Veränderungen sind deshalb regelhaft auszu-
schließen.
Die wichtigste Differenzialdiagnose stellt lokalisa-
tionsabhängig die Appendicitis epiploica dar. Die
Klärung dieser Differenzialdiagnose besitzt aller-
dings keine praktische Relevanz. Primärer und se-
kundärer segmentaler Infarkt sind durch Bildanalyse
meistens nicht differenzierbar.
10.3 10.3.1
Tumoren und tumorähnliche Veränderungen Peritonealkarzinose
Abb. 10.15 a–d. Peritonealkarzinose bei einer Patientin mit zeichnet. Die größere Masse in c wurde mit Sternen gekenn-
Ovarialkarzinom. Ausgeprägter Aszites in Kombination mit zeichnet. Sie entspricht dem, was man als „omental cake“ be-
nodulären und flächigen Verdichtungen. Die umschriebenen zeichnet
peritonealen Verdickungen sind mit kleinen Pfeilen gekenn-
10.3 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 729
Klinische Symptomatik
Die Symptomatologie ist weit gefächert. Insbesonde-
re für Ovarialkarzinome gilt, dass bei Erstdiagnose
bereits eine Peritonealkarzinose bestehen kann und
lediglich eine abdominelle Umfangsvermehrung,
evtl. ohne Allgemeinsymptomatik, bemerkt wurde.
Häufig ist ein Primärtumor vorbekannt (z. B. ein
Mammakarzinom), und die Patienten präsentieren
sich mit paradoxer Diarrhö oder Subileussymptoma-
tik.
Radiologische Symptomatik
Klassische Zeichen einer Peritonealkarzinose sind
multiple noduläre Tumoren des Peritoneums (oligo-
oder multinodale Form) und meist Aszites (Abb.
10.15 a–d). Bei gastrointestinalen Primärtumoren fin-
den sich zudem pathologisch vergrößerte loko-
regionäre Lymphknoten. Eine Differenzierung von
lokoregionären Lymphknotenmetastasen gegenüber
peritonealen Absiedelungen sollte erfolgen. Häufig
finden sich die größten konfluierten Tumormassen
im großen Netz („omental cake“, vgl.Abb. 10.15 c), das
dann platten- oder brettartig verdickt und weichteil-
dicht imponiert mit Enhancement nach Kontrastmit-
telinjektion bei aufgebrauchten Fettgewebeanteilen.
Die diffuse oder beetartige Form der Peritoneal- Abb. 10.16 a–c. Beetartige peritoneale Karzinose bei einem
karzinose geht mit einer zumeist hyperämischen Patienten mit Ileussymptomatik. Die CT-Aufnahmen (s. vor al-
lem c) zeigen einen großen Ileozökaltumor. Der Ileus ist nicht
Verdickung des Peritoneums und Aszites einher nur durch den großen Ileozökaltumor, sondern auch durch die
(Abb. 10.16 a–c). Umschriebene noduläre Verdickun- peritoneale Karzinose bedingt, erkennbar an den ausgespro-
gen lassen sich computertomographisch verlässlich chenen Kaliberschwankungen des Dünndarms. Diffuse Fettge-
webeverdichtung des Netzes (a). Die nodulären Strukturen me-
ab 5 mm Durchmesser darstellen (vgl. Abb. 10.15 a), dial des Zökums (b) entsprechen entweder dickkalibrigen (hy-
in Abhängigkeit der Patientenkonstitution ist die perämischen) Gefäßen oder Lymphknotenmetastasen. Die ver-
Sonographie hierbei der CT überlegen. schiedenen nodulären Verdickungen sind mit Pfeilen markiert
730 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
10.3.2
Pseudomyxoma peritonei
Synonym: Gallertbauch.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Das Pseudomyxoma peritonei wird durch den perito-
Abb. 10.17 a, b. Kalzifizierte Metastasen eines Ovarialkarzi-
noms. Die metastatischen Formationen reichen am Lig. hepa-
nealen Befall zumeist niedrigmaligner muzinöser
toduodenale und falciforme weit in die Leberpforte und sind Adenokarzinome hervorgerufen. Die Primärtumo-
auch in der Bursa omentalis nachzuweisen (Pfeile).Auf der Be- ren sind überwiegend in der Appendix vermiformis
ckenaufnahme sind mit Kontrastmittel gefüllte Darmschlin- oder im Ovar lokalisiert. Andere schleimproduzie-
gen (kleine Sterne) schwer von den Kalzifikationen zu differen-
zieren. Eine Differenzierung lässt sich allerdings durch eine rende Karzinome des Gastrointestinaltrakts sind we-
weite Fenstereinstellung erreichen (a) sentlich seltener der Ausgangspunkt. Die Peritoneal-
höhle wird durch den nichtadäquat abbaubaren
Schleim ausgefüllt, mit entsprechender Auftreibung
des Abdomens. Auch benigne Adenome führen gele-
Bei Ovarialkarzinomen bestehen häufig im rechten gentlich zu einem Pseudomyxoma.
Oberbauch sub- und perihepatisch die meisten noda-
len Absiedlungen. Dabei können der Leber aufsitzen- Radiologische Symptomatik
de Metastasen durch Impression und Infiltration hä- Computertomographisch finden sich inhomogene
matogene Lebermetastasen vortäuschen. Metastasen hypodense Massen in der Peritonealhöhle, die die
muzinöser Ovarialkarzinome können kalzifizieren Darmlumina einengen und auch Eindellungen („sca-
(Abb. 10.17 a, b). Den Ovarien aufsitzende Abtropf- lopping“) der Leber- und Milzkonturen bewirken
metastasen (Krukenberg-Tumoren) sind meist nicht können (Abb. 10.18 a, b). Infiltrationen sind nicht sel-
von primären Ovarialtumoren zu unterscheiden. ten. Eine Kontrastmittelaufnahme ist meist nur im
Bereich verdickter Peritonealblätter nachzuweisen.
Differenzialdiagose Die Darmschlingen werden in Rückenlage nach dor-
Für die oligo- oder multinodale Form der Peritoneal- sal verdrängt, sie schwimmen nicht wie bei serösem
karzinose ist die Diagnose meist eindeutig zu stellen. Aszites auf (vgl. Abb. 10.18 b, Abb. 10.19). Auch sono-
Multinodale Mesotheliome können ähnliche Bild- graphisch können die Gallertmassen mit Aszites ver-
charakteristika aufweisen. Die seltene gutartige wechselt werden. Freier Aszites findet sich oft nur we-
Leiomyomatosis peritonealis disseminata junger nig. Eine weitere Manifestationsform ist das Bild
Frauen geht mit submesothelialen Tumoren einher, multipler Pseudozysten (vgl. Abb. 10.19). Seltener
die eher zur Bauchdecke als zur Peritonealhöhle aus- werden mehr lokalisierte Formen mit nur begrenzter
gerichtet sind. Eine Splenose lässt sich aufgrund des intraperitonealer Ausdehnung beobachtet.
10.3 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 731
10.3.3
Malignes Lymphom
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Intraperitoneale, d. h. überwiegend mesenteriale
Lymphknoten können allein oder in Kombination
mit anderen Lymphknotenstationen und Organen,
Abb. 10.18 a, b. Pseudomyxoma peritonei. a Die inhomogenen
hypodensen Massen nehmen kaum Kontrastmittel auf, die
wie auch das Peritoneum selbst, durch maligne Lym-
Leber ist von außen pelottiert (Pfeile). b Die Darmschlingen phome betroffen sein. Intraperitoneale Manifestatio-
sind nach dorsal verdrängt, sie schwimmen nicht wie bei nen kommen beim Non-Hodgkin-Lymphom häufi-
serösem Aszites auf. Man beachte die kleinen Kalzifikationen ger als beim Morbus Hodgkin vor.
in (Pfeile)
Radiologische Symptomatik
Es bestehen noduläre oder nodale Tumoren im Mes-
Differenzialdiagnose enterium oder anderen ligamentären Peritoneal-
Bereits die Bezeichnung verdeutlicht, dass echte strukturen, die auch zu irregulären Massen konfluie-
myxoide Tumoren mit identischen klinischen und ren können. Werden in der axialen CT-Aufnahme die
radiologischen Symptomen einhergehen können. A. mesenterica-superior-Gefäße durch davor und
Eine Unterscheidung gegenüber fortgeschrittenen dahinter liegende Tumoren eingeschlossen, spricht
Mesotheliomen oder malignen Lymphomen des man vom „sandwich sign“ (Abb. 10.20 a, b). Die Tu-
Darms und der Serosa ist in der Regel durch die feh- moren stellen sich in aller Regel sehr homogen dar.
lende Kontrastmittelaufnahme möglich. Ähnliche Computertomographisch ist eine meist uniforme
Bilder können auch bei infektiöser Peritonitis und Kontrastmittelaufnahme nachweisbar. Oft bestehen
eiweißreichem Aszites oder Peritonealkarzinose be- auch retroperitoneale Lymphknotenvergrößerungen.
stehen. Bei überwiegend pseudozystischem Aspekt Bei Beteiligung des Peritoneums imponiert dies dif-
sind differenzialdiagnostisch metastasierte zystische fus verdickt.
Ovarialkarzinome zu erwägen.
732 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
10.3.4
Malignes Mesotheliom
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Bei diesem Tumor handelt es sich um den klassischen
bzw. originären Tumor des Peritoneums. Peritoneal
ist er wesentlich seltener als pleural, tritt aber ebenso
wie dieser zumeist im Zusammenhang mit einer As-
bestexposition auf. Neumann et al (2001) berichten in
einer Arbeit des Deutschen Mesotheliomregister aus
den Jahren 1987–1999 über 1605 Patienten, von denen
94,5% männlich waren. 96,4% der Tumoren gingen
von der Pleura, nur 3,3% vom Peritoneum aus. Im
fortgeschrittenen Tumorstadium bestehen nicht sel-
ten sowohl pleurale als auch peritoneale Manifestatio-
nen. Der Tumor wird zumeist in der 6. und 7. Lebens-
Abb. 10.20 a, b. Beispiele für Non-Hodgkin-Lymphome. a Sand- dekade diagnostiziert. Makroskopisch findet sich ein
wich-Zeichen bei einem Patienten mit hochmalignem NHL. oligo- oder multifokales bzw. ein diffuses oder beetar-
Ausgedehnte retroperitoneale Tumormassen (Sterne), denen tiges Verteilungsmuster. Die 3 häufigsten histologi-
von ventral mesenteriale Lymphompakete (Pfeile) aufsitzen.
Letztere schließen Sandwich-artig die Bauchgefäße ein. Man schen Typen sind das epitheloidzellige und das bipha-
beachte die relative Homogenität der Tumormassen trotz ihrer sische vor dem sarkomatösen Mesotheliom.
volumenmäßig grotesken Ausdehnung. b Ein anderer Patient
mit Progression eines niedrigmalignen NHL 5 Jahre nach
letzter Therapie. Man sieht eine diffuse Dichteanhebung (Pfei-
Radiologische Symptomatik
le) vor der Haupttumormasse im retroperitonealen Bereich Bei der oligonodalen Manifestation finden sich Tu-
(Sterne). Diese Dichteanhebung liegt im mesenterialen Fett- moren vor allem des Beckenperitoneums sowie im
gewebe und imponiert wie eine mesenteriale Pannikulitis Omentum majus. Die Tumoren können je nach histo-
logischem Subtyp solide und inhomogen oder auch
multizystisch imponieren (Abb. 10.21). Sie sind bei
Diagnosestellung in der Regel bereits groß. Bei diffu-
Differenzialdiagnose ser Manifestation besteht eine manschettenartige re-
Die Homogenität und Multiplizität spricht für ein lativ gleichförmige Verdickung des Peritoneums bis
malignes Lymphom und gegen anderweitige maligne zu mehreren Zentimetern (Abb. 10.22). Häufig beste-
Tumoren. Gegenüber benignen Lymphadenopathien hen neben Kompressionen auch Infiltrationen von
erfolgt die Differenzierung anhand der Größe, der Darmschlingen. Das Duodenum bleibt hiervon zu-
Form und der Anzahl der Tumoren. Während längli- meist ausgespart, während die ebenfalls retroperito-
che Formationen für Benignität sprechen, ist eine neal gelegenen Kolonabschnitte Verdickungen auch
rundliche Form und ein Durchmesser ab 1 cm zumal dorsaler Wandanteile aufweisen. Lymphknoten- oder
bei multiplen Tumoren ein Indiz für Malignität. Die Lebermetastasen finden sich nur jeweils in etwa 10%
Differenzierung ist allerdings unsicher. Bei immu- der Fälle. Aszites besteht meistens, nicht selten aller-
ninkompetenten Individuen, z. B. bei chronischer He- dings nur in geringer Menge.
10.3 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 733
10.3.5
Mesenteriale und omentale Zysten
Pathologisch-anatomische, ätiologische
und klinische Grundlagen
Intraperitoneale Zysten sind zumeist im Mesenteri-
um lokalisiert, selten groß, in diesem Fall mit mehre-
ren Kammern und durch Masseneffekt symptoma-
tisch. Wesentlich häufiger sind kleinere zystische Tu-
moren, die asymptomatisch sind und zufällig detek-
tiert werden. In aller Regel sind sie unilokulär und
stellen einen Befund ohne Krankheitswert dar, wes-
Abb. 10.22. Malignes Mesotheliom mit diffuser Manifestation. halb oftmals eine histologische Klärung unterbleibt.
Manschettenartige Verdickung des Peritoneums ubiquitär. Nur
wenig Aszites
Radiologische Symptomatik
Charakteristisch ist ein rundlicher Tumor mit dün-
ner weichteildichter Wand, wässerigem Inhalt und
Differenzialdiagnose normalem angrenzenden Fettgewebe (Abb. 10.23 a–c).
Die oligonodale Form des malignen Mesothelioms ist Der Inhalt kann auch chylös sein. Mitunter gibt es
gegenüber einer oligonodalen Peritonealkarzinose Phasen mit Spiegelbildung (wässrig/fettig) und gele-
recht zuverlässig abzugrenzen, da letztere meist gentlich Kalzifikationen der Wand.
homogenere, wenngleich auch zentral hypodense Tu-
morknoten oft von kleinerem Einzeldurchmesser Differenzialdiagnose
aufweist. Die Differenzierung von anderen primären Eine radiologische Differenzierung zystischer Ham-
Tumoren des Peritoneums ist schwierig. Zu diesen artome gegenüber reizlosen Pseudozysten durch
zählen neben extrem seltenen primären Karzinomen liquifizierte Hämatome oder vormals entzündliche
auch klein- und rundzellige Tumoren unterschiedli- Prozesse ist nicht möglich. Die Mehrzahl zufällig ent-
cher Differenzierung, die ganz überwiegend im Kin- deckter kleiner zystoider Tumoren dürfte solchen
des-, Jugend- und frühen Erwachsenenalter diagnos- Pseudozysten entsprechen. Auch unizystische For-
tiziert werden und radiologisch mit Infiltrationszei- men von Lymphangiomen können radiologisch nicht
chen, Inhomogenität, Einblutungen oder Nekrosen von zystischen Hamartomen unterschieden werden.
aggressiv imponieren und an Metastasen primitiver Klinisch wichtig ist die Abgrenzung gegenüber Ab-
neuroektodermaler Tumoren oder von Rhabdomyo- szessen, die in der Regel einen dickeren Randsaum
734 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
mit deutlicher Kontrastmittelaufnahme aufweisen derweitige zystische Tumoren wie das Dermoid oder
(vgl. Abb. 10.6, Abb. 10.8 a, b). Letzteres trifft auch für die Echinokokkuszyste sind meist durch ihre charak-
pankreatitisch induzierte Pseudozysten und enterale teristischen Binnenstrukturen durch CT oder MRT
Duplikationszysten zu. Diese Entitäten sind häufig zu identifizieren. Kalzifikationen können die sono-
klinisch symptomatisch. graphische Beurteilbarkeit erschweren. Multizysti-
Peritoneale Einschlusszysten (auch „benigne zysti- sche Strukturen sprechen im Kindesalter am ehesten
sche Mesotheliome“) liegen nicht intramesenterial, für ein Lymphangiom, im fortgeschrittenen Erwach-
treten in der Regel multifokal nach Operationen der senenalter für ein metastasiertes zystisches Ovarial-
Ovarien oder anderweitigen Laparotomien auf und karzinom oder zystisches Mesotheliom. Insbesonde-
sind in typischer Lokalisation im Becken zu beobach- re im rechten Unterbauch muss differenzialdiagnos-
ten (Abb. 10.24 a, b). Lymphozelen werden intraperi- tisch eine Mukozele der Appendix vermiformis, im
toneal im Gegensatz zum Retro- und Subperitoneal- Bereich des Lig. hepatoduodenale eine Choledocho-
raum nicht beobachtet. Mutmaßlich ist dies darauf zele ausgeschlossen werden.
zurückzuführen, dass die intramesenteriale Lymphe
beispielsweise nach operativem Verschluss von Lym-
phangien transperitoneal abgeleitet wird. Zentral ne-
Merke ! Die Annahme einer Mesenterial- oder
Omentumzyste bzw. Pseudozyste oh-
krotische oder eingeblutete Tumoren sind meist ne Krankheitswert ist nur dann gerechtfertigt, wenn
dickwandig und zudem irregulär konfiguriert. An- differenzialdiagnostisch anderweitige zystische Er-
10.3 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 735
10.3.6
Liposarkom
왔 Unter einem Liposarkom versteht
Definition
man einen malignen Geschwulstpro-
zess des Fettgewebes.
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Liposarkome sind intraperitoneal wesentlich seltener
als retroperitoneal. Da sie spät Symptome verursa-
chen, sind sie bei Diagnosestellung zumeist sehr
groß. Nicht selten wird bei verdrängendem Wachs-
tum primär retroperitonealer Tumoren eine perito-
neale Lage vorgetäuscht. Bei infiltrierendem Wachs-
tum sind häufig beide Kompartimente betroffen.
Liposarkome weisen unterschiedliche histologische
Differenzierungen auf. Hochdifferenzierte, myxoide,
rundzellige (myxoid mit hyperzellulärer Komponen-
te), pleomorphe oder entdifferenzierte Liposarkome
werden unterschieden.
Radiologische Symptomatik
Leitsymptom ist neben der Raumforderung eine
Fettgewebekomponente des Tumors. Hochdifferen-
zierte Liposarkome unterscheiden sich lediglich
durch ihren raumfordernden Charakter, nicht aller-
dings durch die tumoreigene Bildmorphologie, von
normalem Fettgewebe (Abb. 10.25). Sie sind radio-
logisch nicht von gutartigen Lipomen zu differen-
zieren. In dem sich normal darstellenden Fettge-
Differenzialdiagnose
Für das hochdifferenzierte Liposarkom stellt neben
dem Lipom die sklerosierende Mesenteritis eine
Differenzialdiagnose dar, die aber aufgrund ihres
typischen CT-Aspektes zumeist auszuschließen ist
(s. S. 742).
Für weniger differenzierte Liposarkome ist die
Differenzialdiagnose breiter. Sie betrifft insbesonde-
re Fibrosarkome. Eine Differenzierung ist in der Re-
gel nicht möglich. Auch die aggressive Fibromatose
ist häufig nicht verlässlich zu unterscheiden.
10.3.7
Leiomyosarkom
Pathologisch-anatomische
und ätiologische Grundlagen
Das Leiomyosarkom manifestiert sich intraperitoneal
zumeist im Magen-Darm-Trakt. Primäre Lokalisatio-
nen in den Mesenterien oder anderen Peritonealdu-
plikaturen kommen vor. Die Peritonealhöhle ist nach
der Leber die zweithäufigste Lokalisation von Meta-
stasen gastrointestinaler Leiomyosarkome. Nicht sel-
ten finden sich dann multiple Metastasen im Sinne ei-
ner peritonealen Sarkomatose, die dann praktisch im-
mer oligonodal und nicht disseminiert ist.
Radiologische Symptomatik
Leiomyosarkome bleiben, wie die meisten peritonea-
len Tumoren, lange Zeit asymptomatisch und sind
Abb. 10.26 a–c. Myxoides Liposarkom. Diese Diagnose ist nur bei Diagnosestellung deshalb zumeist 5 cm oder grö-
histologisch zu stellen, denn die großen Tumormassen weisen
keine Fettwerte auf. In ihrer Dichte liegen sie allerdings unter ßer (Abb. 10.27 a, b). Sie weisen bildmorphologisch
der Dichte der Muskulatur, was gewisse Hinweise auf ihre oft einen definierten Rand auf, erscheinen inhomo-
myxomatöse Formation gibt gen mit inhomogener Kontrastmittelaufnahme. Oft
finden sich zentral liquide (nekrotische oder einge-
blutete) Areale. Kalzifikationen können bestehen.
Kleinere Tumoren imponieren häufig relativ homo-
10.3 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 737
Abb. 10.29 a–d. Bildbeispiele zur Differenzialdiagnose des CT-Scan eines 32-jährigen Patienten mit inhomogenen Ober-
Leiomyosarkoms. a, b Die CT eines Patienten mit Erstdiagnose bauchtumoren (Pfeile), die partiell auch Hyperdensitäten im
eines Prostatakarzinoms weist einen solitären retroperitonea- Sinne von Kalzifikationen oder frischen Einblutungen auf-
len Tumor (Stern) mit stegförmigem Bezug zum Duodenum weisen. d Die koronare CT-Rekonstruktion dokumentiert
nach. Sowohl die Homogenität als auch die Unilokalität spre- neben einer weiteren Tumormanifestation im kleinen Becken
chen gegen die Annahme einer lymphogenen Metastase. (Stern) deutlicher die Infiltration der Milz (Pfeile) als weiteres
Histologisch erwies sich der Tumor als spindelzellig mit Posi- untypisches Charakteristikum für ein Leimyosarkom. Histolo-
vität für KIT (CD 117) als diagnostisches Kriterium für einen gisch fand sich ein klein- und rundzelliger Tumor des Perito-
gastrointestinalen Stromatumor (GIST). c Kontrastverstärkter neums, hier mit Differenzierung eines Ewing-Sarkoms
10.3.8
Aggressive Fibromatose
Synonym: Desmoid.
Radiologische Symptomatik Abb. 10.30 a–c. Typischer Aspekt einer abdominellen aggres-
siven Fibromatose. Sowohl sonographisch (a, links paramedia-
In frühen Phasen kann der Tumor in der CT eine dif- ner Längsschnitt) als auch in der CT (b, c) unilokulärer inho-
fuse streifige Verdichtung des peritonealen Fettgewe- mogener Tumor mit transperitonealer Ausbreitung unter Be-
bes ohne größere zusammenhängende Weichteil- teiligung der Bauchdecke, des Omentum majus und des Me-
komponenten hervorrufen. Später imponiert die senteriums. Neben Abschnitten mit glatter Begrenzung finden
sich Anteile ohne definierten Rand, Darmwandstrukturen sind
aggressive Fibromatose als inhomogener, partiell involviert. In c ein peripheres Areal (Stern) mit diffuser ödem-
Kontrastmittel aufnehmender und nur teilweise glatt artiger Dichteanhebung des Fettgewebes, wie es für früh darge-
begrenzter Tumor (Abb. 10.30 a–c). Meist bestehen stellte Tumoren als alleiniges CT-Symptom beschrieben wurde
740 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
Abb. 10.31 a, b. Mesenteriale Pannikulitis. Zufallsbefund bei Abb. 10.32 a, b. Verlaufsbeobachtung einer mesenterialen
einer Patientin mit Glomerulonephritis. Charakteristische Zei- Pannikulitis. a Typische mesenteriale Verdichtungen in der CT
chen sind die Lokalisation mit Auftreibung der Mesenterial- eines Patienten mit bekanntem Urothelkarzinom präoperativ.
wurzel, die diffuse Dichteanhebung des Fettgewebes (Stern) b 5 Jahre nach Ureteronephrektomie links Restaging ohne
unter Aussparung ringförmiger Areale um die Gefäße und Rezidivnachweis. Der weiterhin asymptomatische Mesen-
bandförmiger betonter Verdichtung der Mesenterialperipherie terialbefund weist keine eindeutige Änderung auf
unter Ausbildung eines Pseudokapselaspekts (Pfeile). a Vor,
b nach Kontrastmittelinjektion ohne eindeutiges Enhancement
Histologisch gibt es breite Überschneidungen mit Vergleich zur Pannikulitis klinisch aggressiver. Die
der aggressiven Fibromatose. Die sklerosierende Mes- retraktile Mesenteritis geht meist mit erheblichen
enteritis ist nicht ganz selten. Kuhrmeier (1985) fand Abdominalschmerzen einher, die Anamnese ist oft
in 9 von 712 konsekutiven Autopsien (1,26%) ent- lang. Febrile Temperaturen, Gewichtsverlust und
sprechende histologische Veränderungen, Daskalogi- auch Nachtschweiß werden beobachtet. Schleimige
annaki et al. (2000) beobachteten in 7620 konsekuti- oder blutige Stuhlauflagerungen kommen vor. Män-
ven Abdomen-CT 49 Patienten (0,6%) mit CT-Krite- ner sind häufiger als Frauen betroffen, auch bei Kin-
rien einer mesenterialen Pannikulitis. dern wird die Mesenteritis beobachtet. Sie wird in
Assoziation mit multiplen Erkrankungen beobach-
Klinische Symptomatik tet, darunter maligne Lymphome, die Pannikulitis
Die mesenteriale Pannikulitis wird in aller Regel als der Subkutis und die retroperitoneale Fibrose.
Zufallsbefund beobachtet. Obwohl die retraktile Mes- Die zur Therapie vorgenommenen chirurgische
enteritis histologisch weniger akute und geringere Resektionen bleiben in aller Regel inkomplett. Zu-
Entzündungsaktivität aufweist, verhält sie sich im nehmend werden in Kasuistiken und kleinen Kohor-
742 Kapitel 10 Originäre Erkrankungen des Peritoneums
Abb. 10.33 a–d. Retraktile Mesenteritis. a 9 Jahre nach Erst- fund, jetzt durch Peristaltik weiter kranial im Becken (Pfeile).
diagnose mit mehrfachen Laparotomien zeigt die CT eine in- c In der Spätphase nach Kontrastmittelinjektion (in Schrägla-
homogene Verdichtung des distalen Mesenteriums mit Beteili- ge zur Verbesserung der Darstellung von Adhäsionen) inho-
gung der angrenzenden Darmwände (Stern) bei deutlichen mogenes Enhancement der tumorösen Formation (Pfeile).
Beschwerden trotz immunsuppressiver Therapie. b Weitere d Nach Intensivierung der Therapie weist die Kontrolluntersu-
7 Jahre später Reevaluation bei erneut zunehmenden Abdomi- chung ein weiteres Jahr später bei deutlich gebessertem Befin-
nalschmerzen. Nativ CT-Nachweis einer tumorförmigen den eine Regression der mesenterialen Verdichtungen nach
Struktur in gleicher mesenterialer Lokalisation wie der Vorbe- (Pfeile)
ten über Erfolge mit Immunsuppressiva berichtet, 3–8 mm Breite mit dem Bild einer Pseudokapsel. Das
auch wir konnten dies in einigen Fällen beobachten. Mesenterium imponiert insgesamt verdickt. Häufig
Kontrollierte Studien liegen allerdings bislang nicht finden sich einzelne „eingestreute“ weichteildichte
vor. Noduli bis 1 cm, selten bis 1,5 cm, gelegentlich auch
paraaortal, die in der Regel reaktiv vergrößerten
Radiologische Symptomatik Lymphknoten, gelegentlich wohl auch „Fibrose-
Die mesenteriale Pannikulitis ist sonographisch im inseln“, entsprechen.
Allgemeinen schlecht abgrenzbar und in aller Regel Die retraktile Mesenteritis manifestiert sich weni-
nur von besonders geübten Untersuchern darzustel- ger uniform durch teils strangförmige, teils tumor-
len. Sie zeigt sich computertomographisch durch ei- förmige heterogene weichteildichte mesenteriale
ne diffuse Dichteanhebung des mesenterialen Fettge- Massen (Abb. 10.33 a–d, Abb. 10.34 a–c). Mitunter
webes, wobei typischerweise die den größeren Gefä- finden sich zentral rundliche Hypodensitäten mit
ßen direkt anliegenden Fettgewebeanteile manschet- dem CT-Aspekt von Pseudozysten. Diese Massen
tenartig oder im Querschnitt ringförmig im Sinne scheiden die gestreckt verlaufenden Gefäße ein, ver-
des „fat ring sign“ ausgespart bleiben (Abb. 10.31 a,b, engen sie (im Unterschied zur Pannikulitis) teilweise
Abb. 10.32 a, b). Peripher entlang des Peritonaeum und weisen mitunter fingerförmige Ausläufer nach
viscerale besteht klassischerweise eine bandför- peripher bis an die Darmwand auf. Die Darmwand
mige Dichteanhebung auf meist um 30 HE von etwa kann mesenterialseitig verdickt sein, das Faltenrelief
10.3 Tumoren und tumorähnliche Veränderungen 743
Differenzialdiagnose
Der CT-Aspekt der mesenterialen Pannikulitis ist
hochcharakteristisch, eine Differenzierung gegenü-
ber lipomatösen Tumoren ist in aller Regel durch das
„fat-ring-sign“ und den typischen Pseudokapsel-
aspekt möglich. Wie andere Autoren konnten auch
wir einige asymptomatische Pannikulitiden im spon-
tanen Verlauf über Jahre ohne CT-Änderung beob-
achten. Vergleichbare Befunde können bei Patienten
mit therapierten mesenterialen malignen Lympho-
men in kompletter Remission beobachtet werden.
Dieser Umstand klärt sich durch die Anamnese
(Abb. 10.31 a, b, Abb. 10.32 a,b, vgl. Abb. 10.20 b). In
diesem Patientenkollektiv unterbleibt ebenfalls re-
gelhaft eine histologische Abklärung des radiologi-
schen Restbefundes.
Die Differenzialdiagnose der retraktilen Mesenter-
itis ist wesentlich umfassender. Bei Darmwandinfil-
trationen sind neben akuten und chronischen ent-
zündlichen Darmerkrankungen auch infiltrierende
Darmkarzinome auszuschließen, z. B. durch Entero-
klysma nach Sellink, letztendlich jedoch histologisch.
Gegenüber einer aggressiven Fibromatose beste-
hen keine sicheren Differenzierungskriterien, wenn-
gleich die Mesenteritis das angrenzende viszerale
Peritoneum respektiert.
Auch die histologische Unterscheidung kann an-
spruchsvoll sein. Maligne Lymphome sind regelhaft
homogener, aber auch hierzu gibt es Überschneidun-
gen (Abb. 10.35 a–d). Die finger- oder sternförmigen
Ausläufer sowie die Retraktionsphänomene können
der Symptomatologie eines Karzinoid bzw. einer Kar-
zinoidmetastase ähneln. Die zusätzlichen Befunde
lassen eine Unterscheidung allerdings meistens zu.
Abb. 10.35 a–d. Das maligne Lymphom als Differenzialdiag- besteht nicht mehr. c Abbildung eines in der CT ähnlichen,
nose der retraktilen Mesenteritis. a, b CT-Aufnahmen der relativ homogenen Mesenterialtumors ohne retroperitoneale
Patientin aus Abb. 10.34 a–c dokumentieren eine Regression Tumoren bei einer anderen Patientin. d Die entscheidende
der mesenterialen und retroperitonealen Weichgewebeforma- Biopsie wurde minimal-invasiv durchgeführt mit histolo-
tionen nach Einleitung einer immunsuppressiven Therapie. gischer Sicherung eines malignen Lymphoms
Inhomogenitäten sind auch nativ noch erkennbar, Aszites
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Sachverzeichnis
Bindegewebskompartiment 29 Cholangitis 402, 416, 449, 478, 541 Darmverschluss, siehe auch Ileus
– viszerales 29 – Aids-assoziierte 499 – paralytischer 17
Blastomykose 303 – akute 494 Defäkographie 356, 357
Blue-rubber-bleb-Nävus-Syndrom 155, – Chemotherapie-assoziierte 499 Dehnungs- und Verschiebungs-
166, 432, 433, 510 – parasitäre 497 räume 29
Blutpoolszintigraphie 378 – primär sklerosierende (PSC) 419, Desäthylamiodaron 603
Blutung, gastrointestinale 258 453, 500 Desmoid 739
– akute untere 309 – primäre 496 Diabetes mellitus 186, 483, 579
– Aortographie 309 – rezidivierende pyogene 496 Diaphragma (Zwerchfell) 1
– chronische Pankreatitis 154 – sekundär sklerosierende 505 Dickdarm
– chronische untere 309 Choledocholithiasis 380, 423, 472 – Angiodysplasie 333
– CT-Angiographie 259 Choledochozele 416 – – Angiographie 333
– Duodenalvarizen 154 Choledochusdivertikel 416 – – Spiral-CT 333
– Embolisation, Onyx 310 Choledochuszyste 141, 414, 472, 574, – Atresie 274
– Endosonographie 154 634 – Bestrahlungsfolgen 292
– Fundusvarizen 154 – Abdomenübersichtsaufnahme 416 – Divertikel 309
– intermittierende 259 Cholelithiasis 397, 411, 413, 418, 494, – Duplikatur 274
– Kapselendoskopie 259 503, 506, 557 – Embolie
– Kontrastmittelaustritt 309, 310 – blande 471 – – akute arterielle 311
– Magenvarizen 154 Cholestase 380, 418, 456, 577, 607 – – chronisch mesenteriale
– okkulte 259 – bei Kindern 422 (CMI) 312
– Ösophagusvarizen 154 – intrahepatische 542 – – interventionelle Therapie 313
– Portographie 154 Cholesterinsteine 472 – – Mehrzeilen-CT 311
– selektive Mesenterikographie 309 – 5-F-Regel 472 – – MR-Angiographie 311, 313
– Sigma 309 Cholesterolose 558 – – periphere 311
– Szintigraphie 259 – gestielte 559 – Fehllagen
– TIPS 154 Cholezystektomie 407, 445, 446, 480 – – Colon ascendens 278
Bochdalek-Dreieck 283 Cholezystitis 384, 406, 411, 444, 500, – – Colon descendens 279
Bochdalek-Hernie 1 563, 722, 725 – – linke Flexur 279
Boerhaave-Syndrom 55 – akute 480, 560 – – Sigma 279
Bouveret-Syndrom 154, 485, 492, 493 – chronische 488 – – Zökum 278
Brachyösophagus 52 – emphysematöse 483 – Ganglioneurom 333
– kongenitaler 52 – gangränöse 484 – Hernie 273
– sekundärer 52, 63 – infektiöse 492 – – äußere abdominelle 282
branching enzyme 601 Cholezystokinin 383, 384 – – Bochdalek-Dreieck 283
Breathhold-Technik 382 Cholezystolithiasis 406, 472, 474, 481, – – diaphragmale 282
Bride 214 560, 563, 564 – – direkter Leistenbruch 283
Bronchialkarzinom 549 Cholezystostomie, perkutane 481, 488 – – echte 282
Brunner-Drüsen 249 Chromosomenaberration 546 – – falsche 282
Budd-Chiari-Syndrom 458, 533, 545, Cirrhose cardiaque 589 – – indirekter Leistenbruch 283
546, 582, 589, 592, 607 Clonorchiasis, biliäre 497 – iatrogene Läsionen 289
Bulbus duodeni 479 Clonorchis sinensis 496, 497, 541, 568 – Invagination (Intussuszeption)
Bullaugen-Phänomen 463 Clostridien 483 – – Abdomenübersichtsaufnahme 281
Bursa omentalis 404, 638, 720, 730 CMV, siehe Zytomegalievirus – – CT 282
Colitis ulcerosa 293, 500 – – Kontrasteinlauf 282
C – Hauptsymptome 294 – – Ultraschall 281
Caecum fixum 5 – Kragenknopfulkus 295 – Karzinoid 331
Campylobacterinfektion 227 – Pseudopolypose 295 – Karzinom 309
Candidainfektion 231 – Spiculae 294 – kolorektales Karzinom 324
Candidaösophagitis 66 Colon – – Carcinoma in situ 324
Candidiasis 303 – ascendens 716 – – TNM-Klassifikation 324
– der Leber 463 – descendens 716 – Lageanomalie 276
Carbamylphosphatssynthetase- – mobile 5 – Leiomyom 332
Mangel 613 – sigmoideum 716 – Leukämie 334
Caroli-Syndrom 400, 414, 418, 568 – transversum 716 – Liposarkom 332
carrel patch 609 Common-cavity-Syndrom 49 – maligne Tumoren 324
central dot sign 419 cotton wool appearance 514 – – Lymphom 333
Chagas-Krankheit 76, 274 Cowden-Syndrom 321 – – Melanom 331
Charcot-Trias 495 creeping fat 220 – Malrotation 276
Chemoembolisation, katheter- – MALT-Lymphom 333
gestützte 533 D – mesenteriale Ischämie 311
Chilaiditi-Syndrom 8, 278, 394, 717 Darm, siehe auch Kolon – Neurofibrom 333
Children’s Cancer Study Group 539 – chronisch-entzündliche Veränderun- – Neurom 333
Cholangiodysplasie 401 gen (CED) 293 – Nonrotation 276
Cholangiographie 405, 407 – irritabler (Reizdarm) 266 – partielle Rotation 277
– intravenöse 413 – Ischämie – Pilzinfektion 303
Cholangiohepatitis, asiatische/ – – akute 253 – Plasmozytom 334
orientalische 496 – – arterieller Verschluss 253 – Polypen 309
Cholangiopankreatographie, endosko- – – chronische 253 – skip area 294
pische retrograde (ERCP) 618 – – fokale 253 – skip lesion 294
– Komplikationen 619 – – nichtokklusive 253, 311 – Stenose 274
– Strahlenexposition 619 – – venöse Thrombose 253 – traumatische Veränderungen 287
Sachverzeichnis 749