Derrida, Jacques Memoires
Derrida, Jacques Memoires
Derrida, Jacques Memoires
M�moires
I. Mnemosyne
Und ich rufe auch nicht eine Memoria an, von der
man nur aus Naivit�t annehmen
kann, da� sie auf die
Vergangenheit hin ausgerichtet sei. Und da� man mit
dem
Mittel der Erz�hlung ein Wissen vom Wesen der
Vergangenheit erhalte. Ich habe
den Wunsch, zu Ihnen
heute von dem zu sprechen, was im Kommen ist
(avenir), von
dieser Zukunft (futur), die - ihr Kommen
steht noch aus (restant venir) - auch
als die von Paul de
Man zu uns kommen wird. Anl��lich der Lekt�re
Prousts hatte
er selbst gesagt, da� �das Verm�gen des
Ged�chtnisses� nicht in erster Linie das
Verm�gen sei,
�wiederzuerwecken�: da� seine vorrangige Sorge sich
um ein Denken
des �Zuk�nftigen� dreht, tut seiner
R�tselhaftigkeit keinen Abbruch.
Was ist
das, eine unm�gliche Trauer? Was sagt uns diese
unm�gliche Trauer �ber ein Wesen
des Ged�chtnisses?
Und w�re f�r das, was festh�lt am anderen in uns, in
diesem �
fern ahnend mit dem Anderen�, nicht der Ort
gegeben, an dem es zu einem h�chst
ungerechten
Verrat kommt? Geschieht diese aufs �u�erste t�dliche,
ja m�rderische
Untreue in der m�glichen Trauer, die in
uns das Bild, das Idol oder das Ideal
des gestorbenen
und nur noch in uns lebenden anderen verinnerlicht?
Oder
aber in
der unm�glichen Trauer, die dem anderen
seine Andersheit bel��t seine unendliche
Entfernung
achtet, sich verweigert oder sich als unf�hig erweist,
ihn in sich
als in das Grab oder die H�hle eines
Narzi�mus hineinzunehmen?
Ich wei� nicht, ob hier der rechte Ort ist f�r ein
Schiedsgericht �ber Heidegger
und Paul de Man. Ich
werde mich nicht auf ein solches Wagnis
einlassen,
insbesondere nicht innerhalb der Grenzen einer
Vorlesung. Das Problem
wird von einem anderen
Gesichtspunkt aus angegangen von Suzanne
Gearhart in der
sehr genauen und klaren Studie, die sie
Paul de Man widmet: Philosophy Before
Literature:
Decon struction, Historicity, and the Work of Paul de
Man. Ich
m�chte Sie darauf verweisen. Meinerseits
begn�ge ich mich an dieser Stelle mit
der
nachdr�cklichen Darlegung eines Punktes: die
Irreduzibilit�t eines Denkens
des Gesetzes auf ein
Denken des Seins, die Unm�glichkeit, etwas zu
benennen,
ohne sich dadurch in einer bestimmten
Weise auf die Ordnung des Gesetzes zu
berufen, das
ist es, was Paul de Man seit 1955 einer bestimmten
Heideggerschen
Lekt�re H�lderlins entgegenzuhalten
sich verpflichtet denkt. Dieses Denken des
Gesetzes
war bei Paul de Man immer rigoros, r�tselhaft,
paradoxal, wachsam, und
ich glaube, da� es sich als
eine Treue, die auch eine Treue gegen�ber
H�lderlin
war, durch sein ganzes Werk hindurchzieht. Man
findet Zeichen davon
wieder in diesen so neuartigen
Betrachtungen �ber den Vertrag, das Versprechen,
die
rechtlichen oder politischen Performativa - zugleich
Lekt�ren von Rousseau
und Nietzsche - in den
Allegories of Reading. 9
Im
Anschlu� daran wird Paul de Man den Nachweis
f�hren, da� die Autobiographie
weder ein
Genre noch eine Erz�hlform ist, sondern "eine Figur
der Lekt�re ...,
die in allen Texten auftaucht" -
ausgehend davon, da� eine "spiegelbildliche
Struktur"
in ihnen stets �verinnerlicht� ist. Das zweite
Problemfeld, die
Totalisierung: weit entfernt davon,
die Identifizierung mit sich, die
Versammlung in die
N�he seiner selbst, abzusichern, l��t diese
spiegelbildliche
Struktur eine tropologische
Verschiebung sichtbar werden, die jede
anamnesische
Totalisierung des Selbst untersagt:
Das dritte
Problemfeld, die performative Funktion:
seitdem die Versammlung des Seins und
das
totalisierende Ged�chtnis unm�glich sind, erkennen
wir die Fatalit�t dieser
tropologischen Verschiebung,
die ein weiterer Rundgang ums Ged�chtnis,
eine
weitere Wendung des Ged�chtnisses (un autre tour-
de la m�moire) ist. Und
diese Fatalit�t ist das Gesetz,
sagen wir, besser noch: das Gesetz des
Gesetzes, der
Augenblick, in dem die Instanz des Gesetzes an die
unm�gliche
Versammlung des Seins als deren
Supplement anschlie�t. In die Terminologie
der
Sprechakte (speech acts) �bersetzt, nimmt das Gesetz
die Figur des
Performativums an (ob es sich
dabei nun um ein reines oder ein
unreines
Performativum handelt, bleibt sich gleich). Zu welcher
Schlu�folgerung
man hinsichtlich dieses Sujets auch
immer kommen mag - dies ist der Grund,
weshalb ich
vorhin mit der Situierung einer Auseinandersetzung
(diff�rend)
zwischen Paul de Man und Heidegger zum
Thema H�lderlin, das Gesetz und das
Sein, den
Anfang gemacht habe. Wir haben damit einen
kontinuierlichen Zug, der
alle Wandlungen des de
Manschen Textes von 1955 bis 1979 und, wie wir
noch
sehen werden, bis 1983 mitmacht. Hierzu l��t
Autobiography as Defacernent
vornehmlich durch eine
kritische Analyse des Buches von Philippe Lejeune
die
Notwendigkeit eines �bergangs sichtbar werden: von
der ontologischen
Identit�t und der Erkenntnis zum
Entschlu�, zur Handlung und zum Versprechen,
zur
gesetzlichen Autorit�t und zur performativen Funktion;
aber eben auch die
unvermeidliche Versuchung, die
Tropologie des Subjekts in ein
spiegelbildliches
Modell der Erkenntnis wiedereinzuschreiben, das eine
andere
Spiegelbildlichkeit verschiebt, ohne sie zu
�bersteigen:
�Zentrale Metapher",
�tropologisches Spektrum": die
Figur der Prosopop�ie blickt zur�ck und bewahrt
im
Ged�chtnis, k�nnte man sagen, erhellt und ruft ins
Ged�chtnis zur�ck in den
letzten Texten von Paul de
Man - alles das, was er von The Rhetoric
of
Temporality bis zu den Allegories of Reading signiert
hat. Als h�tte die
Szene des Epitaphs und der
Prosopop�ie sich ihm in den letzten Jahren
seines
Lebens aufgedr�ngt. Aber es ist eine Szene, der, das
zeigt er uns, keine
dichterische Rede sich je entziehen
k�nnte. Die Prosopop�ie der Prosopop�ie, an
die ich
gerade erinnert habe, stammt aus dem Jahre 1979.
1981, in Hypogram and
Inscription, Michael
Riffoterre's Poetics of Reading, wird die Prosopop�ie
zur
� Haupttrope der dichterischen Rede�, zur
�wesentlichen Figur des Lesers und
der Lekt�re"; und
diese bewunderungsw�rdige Beweisf�hrung gibt uns
viel zu
denken (auf) �ber die
hypographische Signatur und �ber das, was
man
Halluzination hei�t (�Prosopop�ie ist
halluzinatorisch... sie gibt auch
dem Abgrund einer
�Prosopop�ie der Prosopop�ie" einen Ort.
Gattungsbegriffe wie
"Lyrik� (oder ihre verschiedenen
Unterbegriffe wie "Ode�, "Idyll� oder �Elegie�)
sind genau wie
pseudo-historische Periodenbegriffe wie "Romantik� und
�Klassik�
immer Begriffe des Widerstands und der Nostalgie und als solche
weit
von der Materialit�t der wirklichen Geschichte entfernt. Wenn Trauer
als
"chambre d'�ternel deuil ou vibrent de uieux r�les" ("Kammer einer
ewigen
Trauer, wo altes R�cheln bebt�) (Obsession - J. D.) bezeichnet
wird, dann
spricht sich in diesem Pathos des Schreckens tats�chlich
das ersehnte Bewu�tsein
der Ewigkeit und der zeitlichen Harmonie
als Stimme und als Gesang aus. Wahre
"Trauer� erliegt der
T�uschung weniger. Das �u�erste, deren sie f�hig ist, ist
das Nicht-
Verstehen zu erlauben und nicht-anthropomorphische, nicht-
elegische,
nicht-r�hmende, nicht-lyrische, nicht-poetische und das
hei�t prosaische, oder
besser, historische Formen der sprachlichen
Gewalt aufzuz�hlen.
Im Durchgehen
des Zitates habe ich die Worte
�Widerstand� und �Materialit�t der
wirklichen
Geschichte� unterstrichen. Die de Mansche Kritik
oder Dekonstruktion
ist immer auch eine Analyse der
�Widerst�nde� und der von ihnen
hervorgebrachten
Symptome (zum Beispiel �der Widerstand gegen die
Theorie� ("the
resistance to theory")37 in
literaturwissenschaftlichen Studien). Was
die
Geschichte betrifft, so handelt es sich um ein weiteres
Thema dieser
Vorlesungen, und ich werde alsbald
darauf zur�ckkommen.
Was ist also die wahre Trauer? Was k�nnen wir mit
ihr tun? K�nnen wir sie tun
(le faire), wie man im
Franz�sischen sagt, da� man seine Trauer "tut�
(quon
"fait" son deuil)? Ich sage: �K�nnen wir�? Und die
Frage stellt sich
doppelt: Sind wir dazu in der Lage,
haben wir das Verm�gen dazu? Aber auch:
Haben wir
das Recht dazu? Ist es gut? Ist es auch die Pflicht und
die Regung der
Treue? Wir sind wiederum bei der
Frage von Sein und Gesetz - im Herzen
des
Ged�chtnisses: denn wer m�chte annehmen, da� die
Erfahrung des Ged�chtnisses
(de la m�moire), des
Berichtes (du memoire) und der Aufzeichnungen
des
Ged�chtnisses (des memoires) zuf�l
lig auf die Trauer st��t? Diese Erfahrung
ist eine
wesentlich von Trauer getragene, sie zieht sich
zusammen, sie
versammelt sich, um mit sich selbst
einen Bund zu schlie�en, allein in der
unm�glichen
Bejahung der Trauer. Doch die unm�gliche Bejahung
mu� m�glich sein:
die alleinige bejahende Bejahung
mu� das Unm�gliche bejahen, ohne dieses ist sie
nur
eine Feststellung, eine Technik, eine Aufzeichnung.
Das Unm�gliche an dieser
Stelle, das ist der andere, so
wie er zu uns kommt: als ein Sterblicher zu
uns
Sterblichen. Und den wir so lieben, indem wir bejahen,
da� es so gut ist.
Gestern,
Sie werden sich vielleicht daran erinnern,
haben wir uns ein Versprechen
gegeben. Ich rufe es
jetzt ins Ged�chtnis zur�ck, aber Sie ahnen
sicherlich
bereits die ganze M�hsal, die wir haben, wenn wir
zwischen allen
diesen Gegenwarten, zwischen allen
diesen Geschenken, (pr�sents), zwischen
diesen
vergangenen Gegenwarten, vergangenen Geschenken
(pr�sents pass�s), die
Bestand haben in der Gegenwart,
im Geschenk (pr�sent) eines Versprechens,
dessen
�ffnung auf die zuk�nftige Gegenwart, auf das
zuk�nftige Geschenk nicht
durch eine Erwartung oder
eine Antizipation, sondern durch eine
Verpflichtung
erfolgt, eine Ordnung herstellen wollen.
Wir hatten einander versprochen - aber in
Wirklichkeit bin ich allein es
gewesen, der das getan hat
-, einen "blo�en Namen� ("naked name")
anzurufen:
Paul de Man. Indem ich ihn ausspreche (gestatten Sie
mir bitte, da�
ich mich selbst franz�sisch zitiere), "le
,naked name', ce sera Paul de Man.
C'est lui que nous
appellerons, c'est vers lui que nous tournerons encore
nos
pens�es". Ich habe gezielt den Vorteil einer
Sprache - meiner Sprache - genutzt:
zumindest im
Franz�sischen wird es unm�glich
sein zu entscheiden, ob wir unsere
Gedanken Paul de
Man oder allein seinem Namen zuwenden. Haben wir
deshalb ein
w�rdeloses Spiel mit der Zweideutigkeit
einer Grammatik getrieben? Eine
magische
Beschw�rung, ohne gro�e Illusion, um so zu tun, als ob
der verstorbene
Freund, der nur noch in meinem
Ged�chtnis eins sein wird mit seinem Namen,
allein auf
den Anruf seines Namens antworten w�rde, als ob die
Unm�glichkeit,
Paul de Man vom Namen � Paul de
Man� zu unterscheiden, allein der Benennung,
besser
noch: der Apostrophe des den "blo�en Namen� ins
Ged�chtnis zur�ckrufenden
Anrufs die Macht verleihen
w�rde, wieder zum Leben zu erwecken, als ob
jeder
angesprochene Name eine Wiedererweckung wieder ins
Leben riefe: "Lazarus,
erhebe dich� 2, das w�re es, was
die Apostrophe dem �blo�en Namen� sagen
oder
vorf�hren w�rde. Aber das, was Paul de Man uns �ber
die Adresse, die
Apostrophe und die Prosopop�ie, �ber
sein "tropologisches Spektrum� sagt,
verbietet es uns,
hierbei in die Magie auszuweichen. Es kommt indessen
darauf an
nachzudenken, was an der Struktur oder an
der Kraft des Namens, insbesondere des
sogenannten
Eigennamens, eine derartige Magie: nicht nur das
Begehren, sondern
auch die Erfahrung der
Halluzination - erweckt, aufruft oder m�glich macht.
Was uns dazu n�tigt, eine "wahre Trauer�
(vorausgesetzt, da� es so etwas
�berhaupt gibt) zu
denken (ohne jemals daran zu glauben), das ist das
Wesen des
Eigennamens. Was wir aus dem Grunde
unserer Traurigkeit das Leben von Paul de
Man
hei�en, das ist - in unserem Ged�chtnis - der
Augenblick, in dem Paul de Man
selbst auf den
Namen Paul de Man antworten und mit dem Namen
Paul de Man
antworten k�nnte. Im Augenblick des
Todes bleibt der eigene Name zur�ck; wir
k�nnen mit
ihm benennen, anrufen, anflehen, bezeichnen, aber
wir wissen es, wir
k�nnen es denken (und dieser
Gedanke kommt zu uns aus einem Ged�chtnis, ohne
da�
er sich in einem einfachen Ged�chtnis
zusammenhalten l��t), da� Paul de Man
selbst, der
Tr�ger des Namens und der einzigartige Pol, auf den
alle diese
Handlungen (actes) und Bezugnahmen
gerichtet sind, nie wieder, nie wieder
selbst, nie
wieder anders als durch das hindurch, was wir
geheimnisvoll unser
Ged�chtnis hei�en, darauf
antworten wird.
Es bleibt jedoch
die Frage, ob die �u�erliche Darstellung der Idee,
wenn sie in der sequentiellen
Entwicklung des Hegelschen Denkens
erscheint, in der Tat im Modus der Erinnerung
erscheint, als eine
Dialektik von Innen und Au�en, die verstanden und
artikuliert
werden kann. Wo, im Hegelschen System, kann behauptet werden,
da�
der Verstand, der Geist oder die Idee eine materiale Spur in der
Welt
hinterlassen, und wie findet diese sinnliche Erscheinung statt?
Die Antwort
greift aus demselben Abschnitt so ziemlich am Ende
der Enzyklop�die (� 458,
Seite 271) einen Hinweis auf in der
Diskus
sion �ber die Struktur des Zeichens,
mit der wir begonnen haben.
Nachdem Hegel die Notwendigkeit, zwischen Zeichen
und Symbol
zu unterscheiden, begr�ndet und auf das allgemeine Bestreben,
das
eine mit dem anderen zu verschmelzen, angespielt hat, nimmt er als
n�chstes
Bezug auf ein Verm�gen des Geistes, das er Ged�chtnis'
hei�t, und das "im
gemeinen Leben (wie es dem philosophischen
Leben entgegengesetzt wird) oft mit
Erinnerung*, auch Vorstellung
und Einbildungskraft verwechselt ... wird� -
genauso wie Zeichen
und Symbol oft in Vertauschung f�reinander verwendet werden
in
solchen Formen gemeiner Rede wie dem Literaturkommentar oder
der
Literaturkritik.... Das Auswendiglernen ist von der Erinnerung
und von der
Einbildung strikt zu unterscheiden. Es ist v�llig
bildlos*, und Hegel macht sich
�ber p�dagogische Bem�hungen
lustig, den Kindern das Lesen und Schreiben
beizubringen, indem
man sie n�tigt, Bilder mit bestimmten Worten zu assoziieren.
Aber
es ist alles in allem nicht frei von jeglicher Materialit�t. . .
(Ich
unterbreche dieses Zitat f�r einen Augenblick nach
Unterstreichung des Wortes
"Materialit�t�. Es gibt ein Thema der
"Materialit�t�, sogar einen origin�ren
Materialismus bei Paul de
Man. Es handelt sich dabei um eine "Materie�, die
nicht den
klassischen philosophischen Definitionen der
metaphysischen
Materialismen entspricht, aber auch nicht den
sinnlichen
Vorstellungen (wir werden das sehen) und den Bildern von
einer
Materie, die unter dem Gegensatz des Sinnlichen und des
Intelligiblen
begriffen wird. Die Materie, eine Materie ohne Pr�senz
und ohne Substanz, ist
das, was diesen Gegens�tzen widersteht.
Diesen Widerstand haben wir auf seiten
des Denkens in dessen
eigent�mlicher Komplizenschaft mit der Materialit�t
festgemacht.
Wir konnten diese Komplizenschaft gestern kennenlernen, auf
seiten
des Todes und jener Anspielung auf die "wahre Trauer�, die
zwischen einer
Pseudo-Geschichtlichkeit und "der
Materialit�t wirklicher Geschichte" einen
Trennstrich zieht. Trotz
aller Vorbehalte im Hinblick auf Historizismus und
historisierende
Rhetoriken, die f�r ihre eigene Rhetorizit�t blind sind, hat
Paul de
Man sich best�ndig mit der Irreduzibilit�t einer bestimmten
Geschichte
herumgeschlagen, einer Geschichte, mit der man keinen
anderen Umgang haben kann
als den einer "wahren Trauer�. Zu Ihrer
Erinnerung: "Gattungsbegriffe wie
,Lyrik' ... sind genau wie pseudo-
historische Periodenbegriffe wie 'Romantik''
und 'Klassik'' immer
Begriffe des Widerstands und der Nostalgie und als solche
weit von
der Materialit�t der wirklichen Geschichte entfernt. � Diese
Materie
der wirklichen Geschichte ist also das dem historischen,
dem
historisierenden Widerstand Widerstehende. Und weiter unten hei�t
es: "Wahre
'Trauer'' erliegt der T�uschung weniger. Das �u�erste,
deren sie f�hig ist, ist
das Nicht-Verstehen zu erlauben und nicht-
anthropomorphische, nicht- elegische,
nicht-r�hmende, nicht-
lyrische, nicht-poetische und das hei�t prosaische, oder
besser,
historische Formen der sprachlichen Gewalt aufzuz�hlen.� Von
einer
solchen Materie, die "�lter� ist als die metaphysischen Gegens�tze,
in die
man zumeist den Begriff der Materie und die materialistischen
Theorien
einschreibt, k�nnen wir behaupten, da� sie "im Gedenken
an� das diesen
Gegens�tzen Vorausgehende steht. Aber gerade
dadurch bewahrt sie - wir werden
das verifizieren - einen wesentlichen
Bezug auf die Fiktion, die Figuralit�t und
die Rhetorizit�t. Matiere et
Memoire - Materie und Ged�chtnis, diesen
Titel
h�tte ich dieser langen Parenthese geben k�nnen. Bevor
ich sie schlie�e,
noch ein Zitat: " Ged�chtnis* meint
nat�rlich das Ged�chtnis in der Bedeutung,
da� jemand
vonjemand anderem sagt, da� er ein gutes Ged�chtnis
habe, aber nicht
in der Bedeutung, da� er eine gute
Erinnerung habe. Auf Deutsch sagt man, ,sie
oder er
hat ein gutes Ged�chtnis'*, und nicht, jedenfalls nicht in
derselben
Bedeutung der Worte, ,eine gute
Erinnerung'*. Das franz�sische m�moire wie
in
Bergsons Titel Matiere et Memoire ist ambivalenter,
aber eine vergleichbare
Unterscheidung tritt zwischen
memoire und souvenir auf,, un bon souvenir ist
nicht
dasselbe wie, une honne memoire '. �6
Mit der Schlie�ung dieser
Parenthese nehme ich
mein vorheriges Zitat wieder auf (es handelt sich
immer
noch um dieselbe Seite), um jetzt den Titel zu
rechtfertigen, den ich f�r
diese Vorlesung tats�chlich
ausgew�hlt habe: Die Kunst der Memoires' und
die
�berkreuzung der Genitive oder der Genealogien
zwischen dem Namen des
"Ged�chtnisses� und dem
Ged�chtnis des Namens zum Erscheinen kommen
zu
lassen.
Aber es (das Ged�chtnis - J. D.) ist alles in allem nicht frei
von jeglicher Materialit�t.
Wir k�nnen nur dann auswendig lernen (learn by
heart), wenn alle Bedeutung vergessen ist
und die Worte gelesen werden, als
w�ren sie eine blo�e Liste von Namen. "Man wei�
bekanntlich�, sagt Hegel,
"einen Aufsatz erst dann recht auswendig (by heart (or by
rote)), wenn man
keinen Sinn bei den Worten hat; das Hersagen solches Auswendiggewu�ten
wird
darum von selbst akzentlos. " Wir sind mit diesem Abschnitt der Enzyklop�die
�ber
das Ged�chtnis weit entfernt von den mnemotechnischen Zeichen, wie sie
Francis Yates in
The Art of Memory beschreibt, und befinden uns vielmehr nahe
der Anleitung des Augustinus,
wie man die Heilige Schrift erinnert und in
Psalmen �bertr�gt. Ged�chtnis ist f�r Hegel
das Auswendiglernen von Namen
(Hervorhebung von Paul de Man) oder von Worten, die als
Namen angesehen werden
(Und diese Pr�zisierung durch Paul de Man scheint entscheidend zu
sein; sie
unterstreicht, da� nicht nur das Ged�chtnis ein besseres ist, wenn es mit
auswendig gelernten Listen von Namen zu tun hat, sondern auch, da� alles das,
was wir
auswendig lernen, und alles das, was die befremdliche Verbindung
zwischen Ged�chtnis * und
Denken herstellt, dem Namen angeh�rt. Der Name -
oder das, was als ein solcher angesehen
werden kann, das, was die Funktion und
die Kraft des Namens hat - ist das alleinige Objekt
und die alleinige
M�glichkeit des Ged�chtnisses, und in Wirklichkeit die einzige "Sache�,
die f�r
das Ged�chtnis zugleich benennbar und denkbar ist. Das bedeutet zudem, da�
jeder
Name, jede Nominalfunktion, "im Gedenken" an steht - von der ersten
"Gegebenheit"
("present") seines Erscheinens an, und schlie�lich im virtuell
von Trauer getragenen
Gedenken an das Lebewesen, das Tr�ger dieses Namens ist.
Man ruft immer (mit) Namen auf;
und der Name taucht auf mit der M�glichkeit,
da� etwas ins Ged�chtnis zur�ckgerufen werden
kann, sogar dann, wenn niemand
da ist, um zu antworten, oder nichts, um vorgezeigt zu
werden. Doch ist eine
Ersetzung von Namen immer m�glich (Metonymie, Allegorie usw.). -
J. D.), und
es kann deshalb nicht von der Notation, der Einschreibung oder der
Niederschrift der Namen getrennt werden (Erinnern Sie sich an das, was wir
gestern �ber
die Essays upon Epitapts gesagt haben - J. D.). Um zu erinnern,
ist man gezwungen
aufzuschreiben, was man wahrscheinlich vergessen wird. Mit
anderen Worten: die Idee
kommt, bei Hegel, zur sinnlichen Erscheinung in der
materialen Einschreibung von Namen.
Das Denken ist ganz und gar von einem
geistigen Verm�gen abh�ngig, das durch und durch
mechanisch ist, so wie es sich
von den Kl�ngen und den Bildern der Einbildungskraft oder
von dem dunklen
Schacht der Erinnerung, das unter dem Reich der Worte und des Denkens
liegt, zu
entfernen vermag. Die das Ged�chtnis charakterisierende Synthesis zwischen Name
und Bedeutung ist "das leere Band" und ist als solche der gegenseitigen
Komplementarit�t
und Durchdringung von Form und Inhalt, wie sie f�r symbolische
Kunst charakteristisch ist,
ganz und gar un�hnlich.
zuzuerkennen. Dieses Privileg des "Ich" kann sich mitunter sogar auf die
sogenannten
�prim�ren" (mehr als nur expliziten) Performativa erstrecken. Doch
sehen wir uns die
Schlu�folgerung an, die Paul de Man aus einer Analyse des
ber�hmten und �merkw�rdigen
Satzes� ("odd sentence") von Hegel �Ich kann nicht
sagen, was ich (nur) meine" * zieht, in
dem das letzte Wort - wie vielfach
festgestellt - ein Spiel zwischen dem Verb meinen*
(auch im Sinne von �eine
Meinung* haben�) und dem Possessivpronomen mein*, meine* spielt,
so da� der
Satz schlie�lich in Wahrheit sagt: �Ich kann nicht 'Ich'' sagen" ("I cannot say
'I'' "). Ich kann an dieser Stelle nicht die Analyse selbst aufs Neue
erstellen, wir
br�uchten zuviel an Zeit daf�r, und mich interessiert auch mehr
die Geste von Paul de Man
als die von Hegel:
Ich
hebe diese Ausstreichung des Ich durch sich selbst
und dieses � genau wie"
hervor, mit dem nicht einfach
nur zwei analoge M�glichkeiten nebeneinander
gestellt
werden. Es ist dieselbe M�glichkeit und auch dieselbe
Notwendigkeit,
die aus der Einschreibung des
Ged�chtnisses eine Ausstreichung
der
verinnerlichenden Erinnerung, der �lebendigen
Erinnerung" in der Pr�senz
einer Selbstbeziehung
macht. Diese Eklipse oder diese Ellipse in der
Bewegung
der Verinnerlichung ist, wie wir gestern
nahegelegt haben, nicht die Folge einer
innerlichen
Grenze, einer Endlichkeit des Ged�chtnis, sondern
r�hrt von der
Struktur der Beziehung auf den anderen
sowie von der stets allegorischen
Dimension der
Trauer her.
Das
Paradoxe an diesem Problem ist potentiell in der Formel "Vorstellung
der
Gegenwart" (�repr�sentation du pr�sent") enthalten, in der ein
Wiederholungs-
Schema mit einem Augenblicklichkeits-Schema, offensichtlich ohne
die
Unvereinbarkeit zu bemerken, kombiniert ist. Doch diese latente
Spannung
beherrscht die Entwicklung des ganzen Essays. Baudelaire bewahrt
durchweg
den Glauben an die Verf�hrungskraft der Gegenwart;
jegliches
Zeitbewu�tsein ist f�r ihn so eng an den gegenw�rtigen Augenblick
gebunden,
da� sogar das Ged�chtnis sich seiner Natur nach eher auf die
Gegenwart
verwenden soll als auf die Vergangenheit:
"Fluch �ber den, der an der
alten Zeit etwas anderes in Erfahrung bringen
will als die reine Kunst, die
Logik, die allgemeine Methode! Denn taucht
er allzu tief in sie hinein, so
verliert er das Ged�chtnis der Gegenwart; er
verwirft den Wert und die
Privilegien, welche durch die Umst�nde
bereitgestellt werden; denn nahezu
unsere gesamte Originalit�t leitet sich
von dem Stempel ab, den die Zeit
unseren Empfindungen aufpr�gt. 4
("Malheur a celui qui �tudie dans l'antique
autre chose que l'art pur, la
logique, la m�thode g�n�rale! Pour s 'y trop
plonger, il perd la m�moire du
pr�sent il abdique la valeur et les privileges
fournis par les circonstances;
car presque touk notre originalit� vient de le
stampille que le temps
imprime nos sensations. ")
Dieselbe Ambivalenz gegen�ber
der Zeit bewegt Baudelaire dazu,
jede Evozierung der Gegenwart mit Begriffen
wie "Vorstellung'
("representation"), "Ged�chtnis" oder
"Zeit"
zusammenzuschlie�en, denen allen gemeinsam ist, da� sie
innerhalb des
Augenscheins einer Einzigkeit des Augenblicks
Perspektiven von Distanz und
Differenz offenlegen. Und doch ist
auch diese Moderne, wie die von Nietzsche,
ein Vergessen oder eine
Unterdr�ckung der zeitlichen Vorg�ngigkeit. (" Yet his
modernity
too, like Nietzsche 's, is a forgetting or a suppression
of
anteriority. ")
Trotz
des (zeitlichen) Intervalls, das diese zwei Texte
voneinander trennt, ist es
jetzt m�glich, diese letzte Formel, das
Ged�chtnis als �Vergessen� oder
�Unterdr�ckung der zeitlichen
Vorg�ngigkeit� mit jener anderen Formel
zusammenzubringen,
auf die wir vorhin im Aufsatz �ber Hegel gesto�en waren:
�das
Ged�chtnis streicht die Erinnerung aus�. Wir werden darauf
alsbald
zur�ckkommen, im Anschlu� an einen Umweg, den ich
einschlage, um noch mehrere
andere Motive zu erkunden.
ben�tigten
Vermittler ansehen, k�nnen wir dennoch in dieser Vision Zeuge
einer
vergleichbaren Entleiblichung und Reduktion von Bedeutung
wer
den.
(Hervorhebung von mir - J. D.)
Ein Phantom
vergeht immer sehr schnell, vergeht mit
der unendlichen Geschwindigkeit einer
fl�chtigen
Erscheinung, in einem Augenblick ohne Dauer, in der
gegenwartslosen
Gegenw�rtigkeit eines Gegenw�rtigen,
das nichts anderes macht als
wiederzukommen. Der
Revenant, der nach dem Tode Lebende (le survivant),
tritt
vermittels der Figur oder der Fiktion in
Erscheinung; aber sein Erscheinen ist
nicht nichts, ist
nicht nur Schein. Und die "Synthesis als ein Phantom�
erlaubt
es, in der Figur des Phantoms das Werk der
transzendentalen Einbildungskraft
(so wie sie von Kant
und Heidegger ausgewiesen wird) zu erkennen,
deren
Schemata der Verzeitlichung und deren Verm�gen der
�Synthese� eben die
einer produktiven Einbildung und -
dem Wort von Kant zufolge - einer
"verborgene(n)
Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele"
sind.
Es gibt
die Kunst des Ged�chtnisses und es gibt das
Ged�chtnis der Kunst.
Die
Kunst ist eine Sache der Vergangenheit - an
diesen provozierenden Satz Hegels
m�chte ich Sie
erinnern. Paul de Man schl�gt eine gleichfalls
provozierende
Lesart dieses Satzes in seinem Essay
�ber Sign and Symbol in Hegels Aesthetics
vor. Wir
werden im Anschlu� an diesen Umweg darauf
zur�ckkommen - doch in
Wirklichkeit ist die
auslegende Auseinandersetzung mit der Hegelschen
Dialektik
gar nicht erst unterbrochen worden. Das
Thema der produktiven Einbildung und
der
Kunstfertigkeiten des �produktiven Ged�chtnisses� ist
im �brigen, allen
Differenzen zum Trotz, ein
Kant und Hegel gemeinsames. Es handelt sich dabei
an
sich um eine Kunst und um den Ursprung der K�nste,
um die produktive Quelle
der Symbole und der
Zeichen.
Wir
befinden uns hiermit in gr��ter N�he zu einem
denkenden Ged�chtnis*, dessen
Bewegung eine
wesentliche Zusicherung, eine Art von Verpflichtung
jenseits von
aller Negativit�t, das hei�t auch: jenseits
der von Trauer getragenen
Innerlichkeit, der �ber das
Symbol erfolgenden Verinnerlichung
(Erinnerung*),
in sich tr�gt: das Ged�chtnis eines getreuen Denkens,
die
erneute Zusicherung der eingegangenen
Verpflichtung, aber ein Ged�chtnis, das
seine Trauer
�ber die Dialektik, die nichts anderes ist als die Trauer
selbst,
abgeschlossen hat. Infolgedessen ein
Ged�chtnis ohne Trauer, und die Treue
einer
Zusicherung, die man nur im Hinblick auf die
symbolische Aneignung und
die innerliche Erinnerung
als eine �amnesische� bezeichnen k�nnte. Man
mu�
beide Quellen gleichzeitig denken: Mnemosyne, Lethe.
Von mir aus k�nnen Sie
das auch so �bersetzen: man
mu� die Differenz von Lethe zu Mnemosyne,
diese
Differenz, der Sie folglich auch den Namen aletheia
geben k�nnen, im
Ged�chtnis bewahren.
Eine solche
Strategie wird also dazu gef�hrt haben, in
Hegels Vorlesungen �ber die �sthetik
den
fremdartigen Korpus eines Textes zu erkennen und zu
behandeln, dessen
Einheit oder Homogenit�t nicht
durch die beruhigende Eindeutigkeit eines
Meinens
sichergestellt ist: ein "doppelter und m�glicherweise
auch
doppelz�ngiger Text� ("double and possibly
duplicitous text")"), der "die
Bewahrung und
Monumentalisierung der klassischen Kunst� meint
und dem es
unterl�uft, � alle die Elemente� zu
beschreiben, �die eine derartige Bewahrung
von
Beginn an unm�glich machen�.
Die
�dekonstruktiven� Z�ge Paul de Mans
gehorchen nicht alle dieser �Architektur�-
Logik oder -
Rhetorik. Und ich glaube nicht, aber dazu werde ich
mich an
anderer Stelle erkl�ren, da� die Dekonstruktion
- falls es sie jemals gibt, und
zwar im Singular - durch
den Verweis, den das Wort in Richtung Architektonik
zu
geben scheint, gebunden ist. Sie wendet sich
vielmehr gegen die systemische,
das hei�t
architektonische, konstruktionistische Bestimmung von
Versammlung.
Wenn die
Allegorie �der br�chige Eckstein des
ganzen Systems� ist, so stellt sie auch
die Figur des
Ecksteins mit dem gr��ten Wirkungsfeld dar. Als
Eckstein st�tzt
sie das System ab, welchen
Ersch�tterungen es auch ausgesetzt sein mag,
und
versammelt alle Kr�fte, alle Spannungen quasi in einem
einzigen Punkt. Sie
leistet das nicht von einem
zentralen Punkt aus der H�he, von einem
Scheitelstein
aus, sondern sie schafft das gleichfalls lateral aus ihrer
Ecke
heraus. Sie repr�sentiert das Ganze in einem
Punkt und in jedem Augenblick, sie
konzentriert
es, wenn man es so sagen kann, in einer Peripherie,
sie
konfiguriert es und setzt sich an seine Stelle. Genau wie
im vorliegenden
Fall der Eckstein der Begriff der
Allegorie ist, kann man legitimerweise daraus
den
Schlu� ziehen, da� die Allegorie, dieses Teilst�ck der
�sthetik, den
rhetorischen Wert einer Metonymie (der
Teil f�rs Ganze) oder einer Synekdoche
hat. Und
genau wie der Begriff der Allegorie (als Metonymie)
etwas anderes
(be)sagt als das, was er - per Figur -
vom System sagt, konstituiert er eine
Art allegorischer
Trope - in der allgemeinsten Bedeutung des
Ausdrucks. Wenn
die Allegorie eine Allegorie ist (eine
Bedingung, die - nebenher gesagt - per
Definition
niemals sichergestellt werden kann), wenn der
bestimmte Begriff der
Allegorie eine Allegorie des
Hegelschen Systems ist, dann wird der
gesamte
Funktionszusammenhang des Systems allegorisch.
Wollte man die Dinge
radikalisieren und
beschleunigen, so k�nnte man sagen, da� die ganze
Hegelsche
Dialektik eine gewaltige Allegorie sei. Paul
de Man sagt das nicht in dieser
Form, aber er sieht den
Hegelianismus als eine bestimmte Allegorie an, und
zwar
nicht, wie man es oft annimmt, als die Allegorie
des Verm�gens der Synthese und
der Vers�hnung,
sondern als die Allegorie der Disjunktion, der
Dissoziation,
der Diskontinuit�t. Es ist das Verm�gen
der Allegorie und desgleichen ihre
ironische Kraft, in
Wahrheit etwas anderes zu sagen, und zwar das
Gegenteil von
dem, was man durch sie hindurch sagen
zu wollen scheint. Und genau wie die
Allegorie - vor
Hegel und seit Hegel - bis hin zum Begriff der
Geschich
te, der
Philosophie der Geschichte und der Geschichte
der Philosophie Konstruktionen
m�glich gemacht hat,
wird man einer solchen Sache wie der Geschichte (in
diesem
philosophischen Sinn des Wortes �Geschichte�)
nurmehr Vertrauen
entgegenbringen, um sich dieser
Allegorizit�t zu vergewissern: der gel�ufige
Begriff der
Geschichte ist selbst deren Effekt, er tr�gt ihre
Markierung und
ihren Stempel.
Die
disjunktive Struktur der Allegorie - als einer
Allegorie der Allegorie - n�tigt
uns zu einer
Komplikation des gerade von mir umrissenen Schemas.
Und dazu mu�
ich auf den Unterschied zwischen einem
Scheitelstein und einem Eckstein
zur�ckkommen.
Wenn der br�chige Eckstein der Allegorie einen
bestimmten Bezug
auf den Zusammenhalt des ganzen
Systems ("the entire system", sagt de Man) hat,
wenn er
dadurch die Allegorie eines selbst allegorischen
Systems ist, kann er
gleichwohl nicht Geltung f�r das
Ganze beanspruchen Er hat seinen Ort nicht
im
Zentrum und im Scheitelpunkt einer Totalit�t, wodurch
alle Kr�fte in einem
Punkt verbunden w�ren: im
Scheitelstein (cl� de voute), der in diesem Fall
zum
einzigen Schl�ssel f�r eine Entzifferung, zum
Hauptsignifikat oder zum
Hautsignifikanten f�r eine
Lekt�re gemacht w�rde. Das ist der Grund,
weshalb
Paul de Man nicht behauptet, da� der "br�chige
Eckstein des ganzen
System" Geltung f�r das Ganze
beansprucht. In The Rhetoric of Temporality liegt
der
Akzent nicht nur auf der narrativen Struktur der
Allegorie, sondern vor
allem auf ihrer disjunktiven
Struktur. Aufgrund dessen l��t sich eine
Allegorie
niemals auf eine Metapher oder auf ein Symbol, nicht
einmal auf eine
Metonymie oder eine Synekdoche, die
eine "Totalit�t� bezeichnen w�rden, �von
der sie selbst
ein Teil sind�, zur�ckf�hren. Ihr disjunktiver und de-
Wenn die
Philosophie Hegels eine Allegorie der
Disjunktion, eine Allegorie der
Allegorie, repr�sentiert,
so ist daraus notwendig die Schlu�folgerung zu
ziehen,
da� sie sich niemals selbst durch eine Auslegung
totalisieren lassen
wird und da� sie insbesondere nicht
die anamnesische Totalisierung, die
gro�artige
Versammlung aller Figuren der abendl�ndischen
Metaphysik, ihre
Vollendung und ihre Grenze zur
Darstellung bringt, wie man so oft zu denken
geneigt
ist, welche Schlu�folgerung man auch jeweils daraus
zieht. Und wenn der
Hegelsche Begriff der Allegorie
�als der br�chige Eckstein des ganzen Systems�
("like
the defective cornerstone of the entire system" - ein
Ausdruck, an dem
man eine bestimmte Ironie
wahrnehmen mu�, genau wie vorhin bei dem
"wirklich
dialektischen System� - "truly dialectical system")
etwas �ber das
"Ganze� des Hegelschen Textes sagt, so
ist das, was er sagt, indem er an seinem
(begrenzten,
partialen, umschriebenen) Platz bleibt (der niemals das
"Ganze"
symbolisieren k�nnte), eben dieses: da� es
kein "ganzes System "gibt; das Ganze
totalisiert sich
nicht; das System ist mit Hilfe eines br�chigen
Ecksteins,
trotz oder dank diesem das System
Dekonstruierenden, konstruiert worden. Die
wesentliche
St�tzfunktion dieses lateral gesetzten Steins ist
nicht die einer
Fundierung wie bei einem
Scheitelstein. Er ist und er sagt das andere, er ist
eine
Allegorie.
Was ist
das, �dieselbe Sache�? Und wenn diese �
selbe Sache� an dieser Stelle der oder
das andere
w�re? Gibt es eine Differenz zwischen dem Sein und
dem anderen?
Unsere
Beschreibung scheint bei einer vorl�ufigen Schlu�folgerung
angelangt zu sein.
Der Akt der Ironie ... enth�llt die Existenz einer
definitiv nicht-organischen
Zeitlichkeit... Ironie zerteilt den Flu�
zeitlicher Erfahrung in eine
Vergangenheit purer Mystifizierung und
eine Zukunft, die auf immer von einem
R�ckfall in das
Inauthentische bedroht bleibt. Sie kann diese
Inauthentizit�t
erkennen, aber niemals �berwinden.... Sie l�st sich in die
enger
werdende Spirale eines Sprachzeichens auf, das sich immer weiter
von
seiner Bedeutung entfernt, und sie kann keinen Ausweg finden
aus dieser Spirale.
Die von ihr enth�llte zeitliche Leere ist dieselbe
Leere wie diejenige, der wir
begegnet sind, als wir herausfanden, da�
die Allegorie stets eine unerreichbare
zeitliche Vorg�ngigkeit
impliziert.
Allegorie und Ironie sind somit in der
gemeinsamen Entdeckung
einer wirklich zeitlichen Kategorie einander verbunden.
Sie sind
desgleichen verbunden in der gemeinsamen Entmystifizierung
einer
organischen Welt, die im symbolischen Modus analoger
Entsprechungen oder
im mimetischen Modus einer Darstellung, in
der Fiktion und Realit�t
zusammenfallen k�nnen, postuliert wird.
Wenn
ich - um f�r heute zu schlie�en - einige der
Fragen hervorhebe, die diese
relativ alten Texte von
Paul de Man uns stellen oder an uns richten, so
mache
ich das nicht, weil ich diese Texte f�r alt oder
problematisch halte. Ich
denke, da� ich sie - ganz im
Gegenteil - in eine Resonanz mit den neueren
Texten
gebracht habe. Und es hat auch nichts mit irgendeiner
rhetorischen Finte
zu tun, wenn ich einige auf diese
Fragen artikulierte Antworten zur�ckhalte und
Sie
wenigstens bis morgen warten lasse. Nein, morgen
werden wir mit Sicherheit
wieder auf diese Fragen
sto�en, in dieser oder in einer anderen Form, aber
sie
werden auch weiterhin in der Schwebe bleiben. Um
welche Fragen geht es?
III. Akte(n)
Die Bedeutung
eines gegebenen Wortes
Aber was ist das, das Herz (le coeur)? In Was hei�t
Denken? (1954) denkt
Heidegger �ber die
geheimnisvolle Zusammengeh�rigkeit nach, in der das
Gedachte*
des Gedankens*, das Ged�chtnis*, der
Dank* und das Herz* sich austauschen. Er
beharrt auf
dem Bedeutungswert der Versammlung* - was
offensichtlich eine ganz
andere Sache ist als eine
Disjunktion -, die eben alle diese
Worte
zusammenbringt. Und das R�tsel von Versammlung
oder Disjunktion wird
zweifellos heute f�r uns der
Mittelpunkt sein, der Mittelpunkt einer subtilen
und
verborgenen Auseinandersetzung* zwischen Heidegger
und Paul de Man. Um den
Ton anzugeben und unter
dem Titel einer ex ergon, au�erhalb des
Werks
verzeichneten Inschrift - zwei Zitate! Das eine von
Heidegger, aus Was
hei�t Denken?:
Gedachtes* - wo ist es, wo bleibt es? Es braucht das
Ged�chtnis*.
Zum Gedachten und seinen Gedanken, zum "Gedanc�* geh�rt der
Dank*.
Doch vielleicht sind diese Ankl�nge des Wortes "Denken�
an Ged�chtnis und Dank
nur �u�erlich und k�nstlich ausgedacht.
Dadurch kommt noch keineswegs zum
Vorschein, was mit dem Wort
"Denken� genannt wird. Ist das Denken ein Danken?
Was meint
hier Danken? Oder beruht der Dank im Denken? Was meint hier
Denken?
Ist das Ged�chtnis nur ein Beh�lter f�r das Gedachte des
Denkens, oder beruht
das Denken selber im Ged�chtnis? Wie verh�lt
sich der Dank zum Ged�chtnis? ...
und (wir) fragen jetzt bei der
Geschichte der Worte an. Sie gibt uns eine
Weisung, mag auch die
historische Darstellung dieser Geschichte noch
unvollst�ndig sein
und vermutlich immer bleiben. Wir vernehmen den Hinweis, da�
im
Gesprochenen der genannten Worte das ma�gebend und
urspr�nglich sagende Wort
lautet: der ,Gedanc�'. Aber es meint
nicht das, was zuguterletzt noch als
gel�ufige Bedeutung im
heutigen Gebrauch des Wortes "Gedanke�* �briggeblieben
ist. Ein
Gedanke meint gew�hnlich: eine Idee, eine Vorstellung, eine
Meinung,
einen Einfall. Das anf�ngliche Wort der "Gedanc�* sagt:
das gesammelte, alles
versammelnde Gedenken*. "Der Gedanc�*
sagt soviel wie das Gem�t*, der muot*, das
Herz. Das Denken im
Sinne des anf�nglich sagenden Wortes "der Gedanc�* ist fast
noch
urspr�nglicher als jenes Denken des Herzens, das Pascal in
sp�teren
Jahrhunderten und bereits im Gegenzug gegen das mathematische
Denken
zur�ckzugewinnen versuchte.
illustriert. Alle beide berufen sich in einer bestimmten Weise einerseits auf
den Tod und
den Selbstmord, andererseits auf die Schrift und die Notwendigkeit
eines neuen Idioms.
Ich zitiere einige Zeilen, ohne da� ich �ber die Zeit
verf�ge, sie zu analysieren: A.
Angenommen, ich stelle meine dritte Frage:
�Welchen Zweck hat es, irgend etwas zu tun -
nicht irgend etwas im besonderen,
sondern einfach irgend etwas?" Old Father William w�rde
mich zweifellos und
unwiderruflich mit einem Tritt vor die T�r setzen (wohingegen er
soeben noch
auf seltsame Fragen geduldig geantwortet hat, aber diese waren �entscheidbar"
und lie�en Raum f�r eine �Option" - J. D.). Aber weniger gestandene M�nner,
die dieselbe
Frage stellen und keine Antwort finden, w�rden
h�chstwahrscheinlich Selbstmord begehen
oder der Kirche beitreten.
(Gl�cklicherweise sind die Auswirkungen im Falle von �Was ist
die Bedeutung
eines Wortes?� weniger ernst und resultieren nur im Verfassen von B�chern.)
Andererseits w�rden sich r�hrigere Geister zweifellos auf die Frage verlegen:
�Was ist
der-Zweck-des-etwas- Tuns?�, oder �Was ist der ,Zweck', etwas zu tun?�
(Ich �berlasse es
Ihnen, sich die Fragen Heideggers, zumindest den Stil seiner
Fragen, in Anbetracht der
ganzen Voraussetzungen vorzustellen, die hier einem
Denken des Aktes (doing) und des
Dinges (thing) abverlangt werden. - J. D )18
B. Angenommen, jemand sagt nun: �x ist
ausgedehnt, hat aber keine Gestalt".
Irgendwie k�nnen wir nicht erkennen, was dies
�bedeuten k�nnte�; es gibt keine
expliziten oder impliziten semantischen Konventionen, die
sich auf diesen Fall
beziehen. Es ist aber auch keineswegs verboten - es gibt keine
Regeln, die
dem, was wir in au.�ergew�hnlichen F�llen sagen oder nicht sagen k�nnten,
Grenzen setzen wir k�nnen das, was wir uns vorzustellen versuchen, nur mit
Hilfe von
Worten beschreiben, die gerade den gew�hnlichen Fall, den wir
wegzudenken versuchen,
beschreiben und in Erinne rung rufen. Die gew�hnliche
Sprache legt der ohnehin schon
schwa chen Phantasie Scheuklap�'en an. Daher
g�be es Probleme, wenn es hie�e: "Kann ich
mir einen Fall denken, in dem jemand
weder zu Hause noch nicht zu Hause w�re?� Dies l��t
uns deshalb z�gern, weil
man an den gew�hnlichen Fall denkt, in dem man auf die Frage "Ist
er zu Hause?"
die Antwort �Nein" erh�lt, wenn er gewi� nicht zu Hause ist. Aber
angenommen,
ich denke zuf�llig zuerst an die Situation, in der ich jemanden, kurz nachdem
er gestorben ist, auf suche, dann erkenne ich sofort, da� es falsch w�re, das
eine oder
das andere zu sagen. Deshalb k�nnen wir in unserem Fall nichts
anderes tun, als uns alle
m�glichen Arten; von seltsamen Situationen vorzu
stellen oder zu erleben und uns dann
pl�tzlich gegen uns selbst zu wenden und
zu fragen: W�rde ich auch jetzt behaupten, da� es
Ge stalt haben mu�, da es
ausgedehnt ist? Es k�nnte sein, da� in seltsa men F�llen ein
neues Idiom zu
fordern ist. 79
2. Zweite
Erinnerung. �Die Bedeutung eines Wortes�
("The meaning of a word ") beweist uns
- und die
Beweisf�hrung ist gleichfalls eine Erinnerung - die
Irreduzibilit�t
der Struktur des Versprechens in jeder
Sprache, darin eingeschlossen die
Sprache, die das
Wahre �ber das Versprechen oder �ber die besonderen
Unterarten
der Sprechakte (speech acts), welche
explizite Versprechen sind, aussagen
m�chte. Wir
haben soeben auch erkannt, warum dieses Ur-
Versprechen, das alles
in allem das Wahre und die
Bedeutung verspricht, im Augenblick
seiner
Eigentlichkeit oder Urspr�nglichkeit weder wahr noch
bedeutungsvoll ist:
es ist der Augenblick des Namens
oder des Sprechens allein, des Titels, der aus
seiner
Insignifikanz oder seinem Wenigen an Bedeutung
heraus verspricht. Es ist
der Augenblick des
gegebenen Wortes, gegeben vor jedem anderen
(Wort). Dieser
Augenblick ruft nach neuen
Konventionen, er schl�gt sie selbst vor oder
verspricht
sie selbst, aber ohne da� er sich dadurch im selben
Augenblick, in
dem er ruft, in dem er nach neuen
Gesetzen ruft, unverstellt (sans subterfuge)
zur
Geltung bringen oder zur Autorit�t erheben kann. Und
jedes �ber Sprechakte
(speech acts), zum Beispiel
�ber eine Unterscheidung zwischen Konstativum
und
Performativum, und ins
besondere �ber das Versprechen aufgestellte
Theorem
bringt sich selbst bereits als ein Versprechen ein, als
ein Versprechen
der Wahrheit, mit allen Paradoxien
und Aporien, die ein solches Unterfangen
erwarten
l��t. Diese ethisch-juridische oder historisch-politische
Dimension ist
der Bedeutung eines Wortes nicht
abwesend; geht es dabei doch um die
Frage
�gef�hrlicher� S�tze, um Erteilung oder
Verweigerung einer �Erlaubnis� und
um
Konventionen, die geschaffen werden m�ssen. Wir
selbst befinden uns genau an
dem Ort, an dem die
M�glichkeit der politischen, der ethischen, der
juridischen
und der historischen Sprache sich kundtut.
Abermals
die R�ckkehr des Phantoms als Text oder des
Textes als Phantom - erinnern Sie
sich an das, was wir
vorgestern dazu gesagt haben. An eine weitere
Teilungslinie
erinnert das erste Vorwort zu Blindness
and Insight. Der Autor stellt sich dar
als jemand,
"dessen Lehre mehr oder weniger gleichm�Big
zwischen den Vereinigten
Staaten und Europa
aufgeteilt gewesen ist". Bei der letzten
Teilung schlie�lich,
deren Linie die Geschichte der
Allegories of Reading durchzieht und die vom
Autor
selbst periodisiert wird, handelt es sich genau um den
Begriff
"Dekonstruktion�,
der so schnell zu einem Etikett wie auch zu einer
Zielscheibe
geraten ist. Die gr��ten Teile des Buches sind geschrieben
worden,
bevor "Dekonstruktion" zu einem Zankapfel wurde, und der
Ausdruck wird
hier mehr in einem technischen als in einem
polemischen Sinne gebraucht - was
nicht impliziert, da� er
deswegen zu einem neutralen oder ideologisch
unschuldigen
Ausdruck wird. Aber ich habe keinen Grund gesehen, diesen
Ausdruck
zu streichen.24
F�r den in
Po�tique erschienenen Text mu� ich wohl
Paul de Man aufs Neue gedankt haben,
denn ein Brief
aus Z�rich, einige Monate sp�ter, vom 4. Januar
1971, sagt
seinerseits in Gestalt einer Danksagung
folgendes (es ist nach wie vor ein
Auszug; ich habe es
nicht vermocht, darin auch noch inmitten bestimmter
S�tze -
und zwar unter dem Vorwand, da� sie an mich
adressiert seien -, alle Gesten
einer gro�z�gigen
H�flichkeit, auszustreichen):
Der
weitere Fortgang des Briefes betrifft � spezielle
Punkte�:
Es ist manchmal, sagt
Paul de Man, einfach nur eine Frage der
Formulierung. Ich habe zum Beispiel
nicht behaupten wollen, da�
der "Ton" der "Referent" f�r die Musik sei, sondern
da� - in
Paraphrase Rousseaus - das Schweigen als Verneinung des Tones es
sein
kann. Was die grunds�tzliche Frage angeht, die nach der
Bedeutung als
Entleerung, als Scheitern oder Verweigerung von
Sinn, denke ich nicht, da� wir
dar�ber uneins sind. Ich gebe gern zu,
da� ich in der polemischen Form, die ich
in meinem Essay
angenommen habe, zu wenig dialektisiert habe, aber das hat
damit
zu tun, da� Ihre Version von Rousseau in der Tat den Gegenpol
besetzt
hielt. Ich komme darauf immer wieder zur�ck bei meinen
augenblicklichen
Bem�hungen bez�glich Rousseau und Nietzsche,
und wir werden vielleicht sp�ter
wieder dar�ber sprechen k�nnen.
Eine derartige
Unentscheidbarkeit ist die Bedingung einer jeden Dekonstruktion: zugleich im
Sinne
der Bedingung der M�glichkeit und sogar der Wirksamkeit, und im Sinne von
Gegebenheit oder
Geschick. Zur Dekonstruktion kommt es unter dieser Bedingung (a
cette condition) und unter
diesen Umst�nden (dans cette condition). Es gibt
darin ein Verm�gen (eine M�glichkeit) und eine
Grenze. Aber diese Grenze, diese
Endlichkeit, gibt das Verm�gen und die Veranlassung zum
Schreiben, sie
verpflichtet gewisserma�en die Dekonstruktion dazu, zu schreiben, sich ihren
Weg
zu bahnen, indem sie ihren "Akt�, der immer Akt des Ged�cht
nisses ist, an
die versprochene Zukunft eines zu signierenden Textes bindet. Das Hin- und
Herfahren
der Unentscheidbarkeit spielt die Rolle des Weberschiffchens und webt
einen Text; es erzeugt
einen Weg der Schrift durch die Aporie hindurch, sofern
das m�glich ist. Es ist unm�glich, aber
niemand hat je behauptet, da� die
Dekonstruktion, da� eine derartige Technik oder Methode
m�glich sei; sie wird
allein gemessen am Unm�glichen und dem, was noch als undenkbar verk�ndet
wird,
gedacht. Der Passus, den ich gleich zitieren m�chte, ist - genau wie der Schlu�
des Kapitels
Promises (Social Contract) - unter anderem wegen der strengen
Bestimmung der Textualit�t des
Textes von Interesse. Paul de Man ist darin zu
einer Definition der Rhetorik als Text gelangt im
Durchgang durch ein Denken der
Dekonstruktion, das hei�t notwendigerweise einer Auto-
Dekonstruktion, in der
das autos oder das self, das Selbst, sich weder reflektieren
noch totalisieren,
sondern allein sich schreiben und in der Falle des Versprechens verfangen
k�nnte.
Kommen wir also zu dem angek�ndigten Passus:
Indem Paul
de Man die Auto-Dekonstruktion des
Hegelschen �Ecksteins� sichtbar werden l��t,
stellt er
das Ursprungsdenken in Frage, welches das
Ged�chtnis au�erhalb der
Technik, der Wissenschaft
und der Schrift und gesch�tzt vor ihnen
situieren
w�rde. Das diesseits der Oppositionen (und seien es
auch
dialektische), von Allegorie und Ironie, von
Performativum und Konstativum usw.,
den
kende Ged�chtnis stellt nicht irgendeinen besonders
geheimen Ursprung blo�.
Es schreibt und schreibt
und verspricht die Rhetorik eines anderen Textes.
Ein
Text wird durch die Notwendigkeit definiert, eine Behauptung zu
gleicher Zeit
("at the same time" - und es ist die Zeit dieses �same time",
die nach einem
anderen Denken dessen, was hier in actu
vorgefunden wird, ruft - J. D.) als
performativ und konstativ zu
betrachten, und die logische Spannung zwischen
Figur und
Grammatik wird in der Unm�glichkeit wiederholt, zwischen
zwei
sprachlichen Funktionen zu unterscheiden, die nicht notwendig
kompatibel
sind. Es hat den Anschein, da� ein Text, sobald er wei�,
was er behauptet, nur
irref�hrend agieren kann, wie der stehlende
Gesetzgeber im Gesellschaftsvertrag,
und wenn ein Text nicht agiert, so
kann er nicht behaupten, was er wei�. Die
Unterscheidung zwischen
einem Text als Erz�hlung und einem Text als Theorie
geh�rt
ebenfalls in dieses Spannungsfeld. (Hervorhebung von mir -
J.
D.)50
�Hei�en�* bedeutet
kurz gesagt: �befehlen�, vorausgesetzt, da� wir auch
dieses Wort in seinem
angestammten Sagen h�ren. Denn �befehlen� meint im
Grunde nicht: kommandieren
und verordnen, sondern: anbefehlen,
anvertrauen, einer Geborgenheit anheimgeben,
bergen*. Hei�en ist das
anbefehlende Anrufen, das verweisende Gelangenlassen.
Verhei�ung* besagt: einen Zuruf zusprechen, so zwar, da� das hier Gesprochene
ein
Zugesagtes, ein Versprochenes* ist. (Der franz�sische �bersetzer setzt
das
Wort "parole" in Anf�hrungszeichen, um "ein Versprochenes" zu
�bersetzen:
ein gegebenes Wort, das durch ein Versprechen
Versprochene;
Hervorhebung von mir J. D.)s
Es gibt keinen m�glichen Weg ohne die
Aporie der
Gabe, die nicht ohne die Aporie des Versprechens
auftritt. Ich habe
das andernorts zu zeigen versucht - in
einem Seminar �ber die Gabe (gegeben in
Yale auf
Einladung von Paul de Man), da� es die Gabe nur unter
dieser
aporetischen Bedingung gibt, da� sie nichts gibt,
das gegenw�rtig sei und sich
als solches
vergegenw�rtigt. Die Gabe ist allein Versprechen und
versprochenes
Ged�chtnis, und genau hierin ist sie die
Zukunft von Mnemosyne, ich meine, die
Zukunft von
Mnemosyne von H�lderlin von Heidegger von Paul de
Man in Amerika.
Denn nachdem wir die Gabe ins
Ged�chtnis zur�ckgerufen haben, und zwar in der
Frage
nach der Gabe, in der Frage nach dem, was uns am
meisten zu denken gibt,
geben wir zur Antwort:55 "das
Bedenklichste f�r unsere bedenkliche Zeit ist, da�
wir
noch nicht denken. �56 Auch Heidegger zitiert
Mnemosyne:
"Ein Zeichen
sind wir, deutungslos,
Schmerzlos sind wir, und haben fast die
Sprache in der
Fremde verloren. "*57
(*)
Confidential
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