Urin (von lat. urina), auch Harn genannt, ist ein pastöses bis flüssiges Ausscheidungsprodukt der Wirbeltiere. Er entsteht in den Nieren und wird über die Harnwege nach außen geleitet. Die Ausscheidung des Urins dient der Regulation des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts sowie der Eliminierung von Stoffwechselabbauprodukten, insbesondere der beim Abbau von Proteinen und Nukleotiden entstehenden Stickstoff-Verbindungen.
Menschlicher Urin ist eine zumeist gelbe Flüssigkeit. Zahlreiche Krankheiten wirken sich auf die Zusammensetzung des Urins aus. Eine Untersuchung des Urins kann darüber Aufschluss geben.
Die natürliche Harnentleerung wird als Harnlassen (wissenschaftlich Miktion) bezeichnet.
Wortherkunft
Urin stammt vom lateinischen urina, das ebenso wie das synonyme altgriechische Vorlage:Polytonisch (ouron) ursprünglich „Wasser“ bedeutete (vgl. lat. urinari, „untertauchen“ und urinator, „Taucher“, sowie Sanskrit vāri, „Wasser“).
Nachdem die Medizinschule von Salerno im Hochmittelalter die Harnuntersuchung als diagnostische Methode entwickelt hatte, ging das lateinische Wort aus der Sprache der Ärzte in viele europäische Sprachen über[1]. Im Altfranzösischen ist urine bereits im 12. Jahrhundert belegt, im Englischen erst um 1325, urinal in der Bedeutung „Gefäß für Harnuntersuchungen“ jedoch bereits um 1275. Im Deutschen findet der Begriff erstmals im 15. Jahrhundert, also im Frühneuhochdeutschen, Verwendung. Seither hat das Wort die älteren deutschen Bezeichnungen zunehmend verdrängt.
Das ältere Wort Harn ist unverändert seit dem Althochdeutschen bezeugt und in Gebrauch, allerdings nur im Hochdeutschen. Andere regionale Bezeichnungen werden heute als anstößig wahrgenommen. Dazu zählen die oberdeutschen Ausdrücke Brunz und Seich und das ursprünglich niederdeutsche Wort Pisse.
Säugetiere
Entstehung und Ausscheidung
Urin entsteht in den Nieren als Ultrafiltrat des Blutplasmas. Blut fließt dabei durch die Nierenkörperchen (Corpuscula renales). Wasser und gelöste Stoffe mit einem Durchmesser von weniger als 4,4 Nanometern (unter anderem Ionen und kleine ungeladene Proteine) werden dabei wie in einem Sieb filtriert und gelangen in das sich anschließende Röhrchensystem (Nierentubuli) des Nephrons, der funktionellen Untereinheit der Nieren. Die größeren Teilchen verbleiben im Blutkreislauf. Die so entstandene Flüssigkeit wird als Primärharn bezeichnet und enthält neben den zur Ausscheidung bestimmten Stoffen auch solche, die für den Körper wichtig sind, wie Glucose, Aminosäuren und Elektrolyte. Ein Erwachsener produziert täglich zwischen 180 und 200 Liter Primärharn.
Im darauffolgenden System der Tubuli, Henle-Schleife (nach Friedrich Gustav Jakob Henle) und Sammelrohre werden die wiederverwendbaren Inhaltsstoffe sowie 80 bis 90 Prozent des Wassers zurückgewonnen. Der Endharn, von dem ein gesunder Erwachsener täglich etwa 1 bis 1,5 Liter produziert, fließt schließlich über das Nierenbecken und durch die Harnleiter in die Harnblase. Dort wird er gesammelt und anschließend durch die Harnröhre ausgeschieden.
Der Prozess der Harnausscheidung durch die Nieren wird als Diurese bezeichnet. Mit verschiedenen medizinischen Maßnahmen kann darauf Einfluss genommen werden. Diuretika werden eingesetzt, um bei Nieren- und Herzerkrankungen das Harnvolumen zu erhöhen und damit sekundär das Blutvolumen zu senken, da dies eine verminderte Kreislaufbelastung zur Folge hat. Eine forcierte Diurese wird eingesetzt, um giftige wasserlösliche Stoffe aus dem Organismus zu entfernen. Einige Stoffe, wie Koffein oder Ethanol (Trinkalkohol), haben eine harntreibende Wirkung, da sie die Bildung des Hormons ADH (Antidiuretisches Hormon) hemmen, das eine vermehrte Rückresorption von Wasser aus dem Primärharn bewirkt.
Beim Menschen wird eine übermäßige Urinproduktion von mehr als 2,5 l täglich als Polyurie bezeichnet, eine geringe (weniger als 100 ml pro Tag) oder fehlende Urinausscheidung als Anurie. Bei einer Menge von weniger als 400–500 ml am Tag spricht man von einer Oligurie. Der Begriff Diabetes bezeichnet verschiedene Krankheiten unterschiedlicher Ursache, die einen erhöhten Harndrang zur Folge haben.
Eigenschaften
Urin dient zur Regelung des Flüssigkeitshaushalts sowie zur Entsorgung von Harnstoff, Harnsäure und anderen Stoffwechsel-Endprodukten. Ein erwachsener Mensch scheidet täglich etwa 30 Gramm Harnstoff aus. Urin enthält ferner geringe Mengen an Zucker (Glucose). Ein erhöhter Glucosegehalt im Urin deutet auf Diabetes mellitus hin. Die Konzentration von Proteinen beträgt im Normalfall weniger als 2 bis 8 mg je 100 ml, die maximale Auscheidung täglich 100 bis 150 mg, im Durchschnitt jedoch 40 bis 80 mg. Eine erhöhte Proteinausscheidung wird Proteinurie genannt.
Viele weitere Substanzen wie Hormone oder Duftstoffe kommen in geringen Mengen im Urin vor.
Der pH-Wert des Urins liegt bei normaler Ernährung zwischen 4,6 und 7,5, also eher im sauren Bereich. Eine einzelne pH-Wert Messung des Urins hat aber nur eine bedingte Aussagekraft, da der pH-Wert täglichen starken Schwankungen unterworfen ist. Eiweißreiche Ernährung verschiebt den pH-Wert in Richtung sauer, während Gemüse eine Verschiebung ins basische Milieu verursacht.
Die Dichte beträgt zwischen 1015 und 1025 g/l und ist damit leicht hyperosmotisch, das heißt, die Konzentration der gelösten Stoffe ist etwas höher als im Blutplasma. Unter extremen Bedingungen (wie beispielsweise Dehydration) kann sie zwischen 1001 und 1040 g/l schwanken. Gelöste Proteine oder Glucose können die Dichte erhöhen.
Bei der Bildung in den Nieren und der Lagerung in der Blase ist Urin beim gesunden Menschen keimfrei. Da die untere Harnröhre jedoch nicht keimfrei ist, enthält Urin beim Austritt bis zu 10.000 Keime pro Milliliter.
Frischer Urin riecht nach Brühe, während abgestandener Urin aufgrund von bakterieller Fermentation den stechenden Geruch von Ammoniak annimmt. Beim schweren Diabetes mellitus kann der Urin nach Aceton riechen, dies wird durch Ketoazidose (Ketokörper im Blut) verursacht. Auch bei akuten Krankheiten (Infektionen, Fieber) und nach dem Genuss bestimmter Nahrungsmittel kann der Urin einen atypischen Geruch aufweisen. So tritt bei knapp der Hälfte der Menschen nach dem Verzehr von Spargel ein charakteristischer Geruch des Urins auf. Er ist auf die Abbauprodukte wie S-Methyl-thioacrylat sowie auf dessen Methanthiol-Additionsprodukt S-Methyl-3-(methylthio)thioproponiat zurückzuführen. Die Fähigkeit zum Abbau dieser Substanzen wird dominant vererbt.
Der Urin von Schwangeren enthält humanes Choriongonadotropin (hCG), ein in der Plazenta gebildetes Hormon das für die Erhaltung der Schwangerschaft verantwortlich ist.
Färbung
Die gelbe Farbe des Urins entsteht durch sogenannte Urochrome wie den Bilirubin-Abbauprodukten Sterkobilin und Urobilin, die aus dem Abbau des Hämoglobin oder Blutfarbstoffs entstehen. Die Farbintensität hängt von der Konzentration der Urochrome im Urin ab. Hypertonischer Urin ist gelb oder - bei höherer Konzentration, beispielsweise als Folge von Dehydratation - gelb-orange, während geringer konzentrierter (hypotonischer Urin) hellgelb bis durchsichtig ist.
Blutbeimengungen im Urin werden als Hämaturie bezeichnet und können den Urin rot färben. Ebenso tritt bei Porphyrie eine Rotfärbung auf.
Außerdem kann es bei manchem Menschen zu einer kurzzeitigen Rotfärbung des Urins kommen, ohne dass durch eine Wunde oder Entzündung Blut in den Harn gelang, wenn die Person vermehrt Carotine oder Betacyanin (in roter Beete) aufgenommen hat. Ob dies genetisch vererbt wird, ist unbekannt.
Dunkel orange oder braun gefärbter Urin kann ein Hinweis auf Gelbsucht (Ikterus) oder Gilbert-Krankheit sein. Als Melanurie wird eine schwarze Färbung des Harns bezeichnet. Dieser enthält Melanogen das an der Luft zu Melanin oxidiert. Melanurie kann beim Vorhandensein von Melanomen auftreten. Ebenfalls schwarzer oder dunkler Urin findet sich bei Alkaptonurie. Hier wird Homogentisat aufgrund eines Defekts oder Mangels des Enzyms Homogentisat-Dioxygenase mit dem Urin ausgeschieden. Dieser verdunkelt sich nach Kontakt mit der Luft. Auch einige Medikamente können eine Verfärbung des Urins bewirken.
Übrige Tiere
Einfache, den Nieren entsprechende Ausscheidungsorgane finden sich bereits bei den Wirbellosen. Die Ausscheidungsprodukte der Proto- und Metanephridien sowie der Malpighischen Schläuche werden zumeist ebenfalls als Harn bezeichnet.
Fische
Das Ausscheidungsorgan der Fische ist eine modifizierte Urniere, Opisthonephros genannt. Die Urniere tritt bei Säugetieren nur vorübergehend beim Embryo auf. Das Nephron der Fische besitzt keine Henle-Schleife, die zur Konzentration des Urins benötigt wird. Deshalb können sie keinen hyperosmolaren Harn (größere Konzentration an gelösten Stoffen als im Blutplasma) produzieren. Bei einigen Fischarten (beispielsweise Seenadeln, Seeteufel, Austernfisch) sind nicht einmal Nierenkörperchen ausgebildet (aglomeruläre Niere), bei ihnen entsteht der Harn demnach nicht durch Ultrafiltration, sondern durch Sekretions- und Diffusionsvorgänge in den Nierenkanälchen.
Die Funktion und Zusammensetzung des Urins ist abhängig vom Lebensraum. Bei Süßwasserfischen wird viel Urin gebildet und dient vor allem der Eliminierung von überschüssigem Wasser. Elektrolyte kommen bei Süßwasserfischen nie im Überschuss vor, im Gegenteil, hier erfolgt eine aktive Aufnahme von einwertigen Ionen über das Epithel der Kiemen. Bei Meeresfischen sind dagegen die Verhältnisse umgekehrt. Bei ihnen wird nur wenig und im Vergleich zum Blut isoosmotischer Urin gebildet. Durch das Leben im Salzwasser sind Elektrolyte bei ihnen stets im Überschuss vorhanden, ihre Eliminierung erfolgt aber nicht über den Urin, sondern über die Rektaldrüsen (Knorpelfische) oder das Epithel der Kiemen (Knochenfische). Der Harn dient bei Meeresfischen also nicht der Osmoregulation, sondern nur der Ausscheidung zweiwertiger Ionen (wie Mg2+) und von überschüssigem Stickstoff. Interessant sind die Verhältnisse bei Wanderfischen (anadrome und katadrome Fische), die einen Teil des Lebens in Süß-, den anderen in Salzwasser verbringen. Hier kann über Hormone die Richtung des Elektrolytaustauschs in den Kiemen umgeschaltet werden: Durch Kortisol wird zur Anpassung an Salzwasser die Abgabe einwertiger Ionen, über Prolaktin deren Aufnahme zur Anpassung an Süßwasser ausgelöst.
Die Stickstoffverbindungen werden bei Fischen zumeist über Ammoniak (Ammoniotelie), bei einigen auch über Harnstoff (Ureotelie) eliminiert. Zum Teil wird Stickstoff auch als Guanin in die Schuppen eingelagert, welches ihnen den metallischen Glanz verleiht.
Eine Harnblase und Harnröhre fehlt den Fischen, die Harnleiter münden in den Enddarm.
Amphibien
Auch Amphibien besitzen eine Opisthonephros ohne Henle-Schleifen und können demzufolge ebenfalls keinen hyperosmolaren Harn produzieren. Die Stickstoffausscheidung erfolgt bei Kaulquappen über Ammoniak. Nach der Metamorphose erfolgt diese über Harnstoff, bei wüstenbewohnenden Amphibien und Makifröschen über Harnsäure (Uricotelie). Die Abgabe des Urins erfolgt in die Kloake, die über einen kurzen Verbindungsgang mit der Harnblase in Verbindung steht. Der dort gespeicherte Urin dient bei Amphibien vor allem als Wasserreservoir. Der ständige Wasserverlust über die Haut kann durch Rückresorption von Wasser aus dem Urin in gewissen Grenzen ausgeglichen werden.
Reptilien
Reptilien besitzen wie alle Amnioten eine Nachniere (Metanephros). Im Gegensatz zu Vögeln und Säugetieren besitzen die Nephrone keine Henle-Schleife und können daher in der Niere keinen konzentrierten Harn produzieren. Die produzierte Harnmenge ist bei Reptilien gering (0,2 bis 5,7 ml pro kg Körpermasse und Stunde). Die Harnleiter münden wie bei Amphibien in die Kloake. Von der Kloake führt bei Echsen und Schildkröten ein kurzer Gang in die Harnblase (Harnbeutel), in der der Harn gespeichert werden kann. Schlangen besitzen keine Harnblase.
Der Urin ist bei Schildkröten flüssig. Bei den übrigen Reptilien wird er im Enddarm durch Wasserrückresorption eingedickt und ist daher breiartig bis pastös. Überschüssiger Stickstoff wird in Form von Harnsäure oder Guanin ausgeschieden. Für die Ausscheidung überschüssiger Elektrolyte ist der Urin der Reptilien von untergeordneter Bedeutung, ein Salzüberschuss wird über verschiedene Kopfdrüsen ausgeglichen: Orbitaldrüse (Meeresschildkröten, am Auge), Sublingual- oder Prämaxillardrüse (Schlangen), Zungendrüsen (Krokodile), Nasendrüse (Echsen).
Vögel
Die Nachniere der Vögel steht zwischen der von Reptilien und Säugetieren, da neben Nephronen vom Reptilientyp (ohne Henle-Schleife) auch Nephrone vom Säugetiertyp auftreten, so dass Vögel zur Bildung eines hyperosmalaren Harns befähigt sind. Der Urin wird über den linken und rechten Harnleiter in den Mittelabschnitt (Urodeum) der Kloake abgegeben, eine Harnblase fehlt allen Vögeln.
Über den Urin wird überschüssiger Stickstoff wie bei Reptilien in Form von Harnsäure oder Guanin ausgeschieden. Über eine negative Peristaltik gelangt der Urin in den Enddarm, wo ihm Wasser entzogen wird. Der Urin ist daher bei Vögeln pastös und es kommt zur Ausfällung von Harnsäurekristallen, die zusammen mit dem Kot ausgeschieden werden. Der stickstoffreiche Kot von Vögeln (Guano) wird auch als Düngemittel genutzt. Bei Vögeln mit entwickelten Blinddärmen (beispielsweise Hühnervögel) kann der konzentrierte Urin auch bis in die Blinddärme zurücktransportiert werden und dient der dort angesiedelten Darmflora als Stickstoffquelle. Überschüssiges Kochsalz wird bei Vögeln nicht nur über den Urin, sondern (wie bei Echsen) auch über die Nasendrüse ausgeschieden, ein Mechanismus, der für die Aufrechterhaltung der Osmolarität vor allem bei Meeresvögeln von Bedeutung ist.
Urinuntersuchung
Die Urinuntersuchung, auch Uroskopie oder Harnschau, ist eine der ältesten medizinischen Untersuchungen. Sie erlaubt Rückschlüsse auf den Zustand und die Funktionsfähigkeit von Niere und Blase, beispielsweise bei Niereninsuffizienz und Blaseninfektion. Während früher die Untersuchung mittels Beschreibung der Beobachtungen (Farbe, Trübungen, Ablagerungen, usw.), des Geruches und des Geschmackes (daher stammt auch die Diagnose Diabetes mellitus, da mellitus im Lateinischen „honigsüß“ bedeutet) erfolgte, so wird heutzutage die Erstuntersuchung in erster Linie mit Hilfe von Urin-Teststreifen durchgeführt. Damit kann man gleichzeitig und innerhalb von wenigen Minuten mehrere wichtige Befunde erheben. Durch einen Farbumschlag können näherungsweise der Gehalt an Proteinen, Glucose, Ketonen, Bilirubin, Urobilinogen, Urobilin sowie der pH-Wert bestimmt werden, auch wird der Urin auf Vorhandensein von Blut und Entzündungszellen getestet. Die Zusammenstellung dieser Ergebnisse wird als Urinstatus bezeichnet.
Eine qualitative Harnuntersuchung weist nach, ob eine Substanz im Harn vorhanden ist oder nicht, während eine quantitative Untersuchung die genaue Menge des untersuchten Stoffes angibt. Eine semiquantitative Untersuchung gibt in etwa an, wie viel von einer Substanz im Harn vorhanden ist.
Für Untersuchungen wird bevorzugt der Mittelstrahlharn des Morgenurins benutzt, da dieser die enthaltenen Stoffe in größerer Konzentration enthält als tagsüber Gewonnener. Nach einer anfänglichen Säuberung und eventuellen Desinfektion der Glans penis beim Mann oder des Genitalbereichs bei der Frau wird der erste Strahl des Harns verworfen. Erst die folgenden Anteile werden aufgefangen und für die Untersuchung verwendet. Damit ist sichergestellt, dass nicht Verunreinigungen der äußeren Abschnitte der Harnröhre das Ergebnis verfälschen.
Eine ähnliche Methode ist die so genannte Drei-Gläser-Probe. Dabei werden der erste Strahl sowie der Mittelstrahl in separaten Gefäßen aufgefangen. Das dritte Glas wird nach leichter Prostata-Massage mit Urin - vermengt mit Prostata-Sekret - gefüllt. So lässt sich eine grobe Lokalisation beispielsweise von Blutungsquellen vornehmen. Der Inhalt des ersten Glases repräsentiert die Harnröhre, das zweite Glas die Harnblase und das dritte die Prostata.
Für spezielle Fragestellungen kann der Urin auch über einen Katheter gewonnen werden. Dieser ist normalerweise frei von Keimen der Umgebung oder der Harnröhre. Für einige Untersuchungen ist die Sammlung des Urins über 24 Stunden notwendig. Besonders für die Gewinnung dieses so genannten 24-Stunden-Sammelharns bietet sich die Katheterisierung an.
Der Urin eines gesunden Menschen sollte weder Proteine, Nitrit, Ketone noch Blutbestandteile wie Hämoglobin enthalten. Werden dort Substanzen, die normalerweise nicht im Urin vorkommen, nachgewiesen oder finden sich veränderte Konzentrationen, kann dies auf Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes hinweisen.
Wird frischer Morgenurin zentrifugiert und dann unter dem Mikroskop betrachtet, sind verschiedene Bestandteile in kristalliner Form sichtbar. Dazu gehören beispielsweise Harnsäure, Kalziumsulfat und Kalziumoxalat. Kristallisiertes Tyrosin oder Bilirubin sind hingegen Zeichen für Erkrankungen. Unter dem Mikroskop können neben den kristallisierten Substanzen auch zelluläre Bestandteile gefunden werden. Diese können Hinweise auf Tumore von Nieren und ableitenden Harnwegen darstellen.
Durch spezielle Nachweistests kann die Einnahme von Medikamenten, Drogen oder Dopingsubstanzen im Urin nachgewiesen werden. Jedoch können diese Untersuchungen, die beispielsweise in der Suchttherapie eingesetzt werden, durch diverse Zusätze – wie Bleichmittel, Seife oder Kochsalz – verfälscht werden. Beim Schwangerschaftstest wird humanes Choriongonadotropin (hCG) nachgewiesen.
Bei Verdacht auf verschiedene Erkrankungen können für diese spezifische Substanzen ebenso im Urin bestimmt werden. Hierfür wird meistens der 24-Stunden-Sammelharn verwendet. Beim Phäochromozytom weist man Katecholamine und deren Abbauprodukte nach. Der früher durchgeführte Test auf Vanillinmandelsäure ist aufgrund zu geringer Spezifität veraltet.
Die Menge des ausgeschiedenen Urins ist ein entscheidender Wert bei der Flüssigkeitsbilanzierung. Dabei wird die Aufnahme mit der Ausscheidung von Flüssigkeiten verglichen.
Harnsteine
Wenn im Urin gelöste Mineralsalze (beispielsweise Kalziumcarbonat, Kalziumphosphat oder Kalziumoxalat) ausgefällt werden, können sich zunächst kleine Kristalle bilden, die sich allmählich zu größeren Gebilden zusammenfügen. Diese als Harnstein oder Nierensteine bezeichneten Gebilde können sich entweder in den Nieren, im Harnleiter oder in der Harnblase ansammeln und starke Schmerzen (Kolik) verursachen. In den meisten Fällen (etwa 80 %) gehen sie nach Gabe von entkrampfenden oder schmerzstillenden Mitteln mit Hilfe von erhöhter Trinkmenge und körperlicher Bewegung von selbst ab. Seltener ist ein (manchmal auch nur endoskopischer) Eingriff notwendig und nur in extremen Fällen ist eine Behandlung durch Stoßwellen-Zertrümmerung (Extrakorporale Stoßwellen-Lithotripsie) angezeigt.
Verwendung von Urin
Urin, insbesondere „gefaulter“, wurde über Jahrtausende als Reinigungsmittel eingesetzt. So wurden in Rom an belebten Straßen amphorenartige Urinale aufgestellt, um den von den Wäschern benötigten Urin einzusammeln. Kaiser Vespasian erhob darauf eine spezielle Urinsteuer. Als sein Sohn Titus ihm daraufhin Vorwürfe machte, aus derartig stinkender Angelegenheit Geldnutzen zu ziehen, soll er diesem eine Münze vor die Nase gehalten und „Pecunia non olet“ („Geld stinkt nicht“) geantwortet haben.
Gefaulter Urin wurde noch bis ins 20. Jahrhundert zum Entfernen des Wollfetts (Entschweißen) frisch geschorener Schafwolle und zum Walken von Wolltuchen eingesetzt, des Weiteren im Gerberhandwerk, sowie für des Beizen von kupfergedeckten Dächern (Patina, künstlicher Grünspan).
Große Bedeutung hat und hatte Urin auch für das Färberhandwerk. Aus dem Urin indischer Kühe, die ausschließlich mit Mangoblättern gefüttert wurden, wurde durch Verdampfen das so genannte Indischgelb (Magnesiumeuxanthat, ein Magnesiumsalz der Euxanthinsäure, Summenformel C19H16O11Mg · 5 H2O), gewonnen. Obwohl dieser Farbstoff erst im 18. Jahrhundert nach Europa gelangte, war seine Herstellung in Indien bereits seit dem 15. Jahrhundert bekannt [2]. Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hat diese Herstellungsmethode jedoch aufgrund von Tierschutzbedenken an Bedeutung verloren [3]. Außerdem diente menschlicher Urin zur Gewinnung von Indigoblau. Dazu wurden die Blätter des Färberwaid in Kübeln mit Urin vergoren. Alkohol verstärkt diesen Prozess, und da dieser teuer war, wurde er von den Färbern vorher konsumiert. Somit enthielt der Urin der Färber auch den Alkohol. Die Redewendung „blau machen“ entstammt dieser Praxis [4].
In der Medizin werden Urin und aus Urin gewonnene Substanzen vielfältig eingesetzt. So wurde in Kriegs- und Katastrophenfällen Urin als wirkungsvolles Wunddesinfektionsmittel verwendet. Aus dem Urin tragender Stuten werden beispielsweise Hormone für die „Pille“ gewonnen. Außerdem können aus dem Urin von postmenopausalen Frauen Gonadotropine gewonnen werden, die zur Therapie von Fruchtbarkeitsstörungen eingesetzt werden können. Auch ein Mittel gegen die Lungenembolie und eines gegen Fruchtbarkeitsstörungen (Menotropin) werden aus menschlichem Urin hergestellt. Außerdem wird Harnstoff vielfach in Hautcremes eingesetzt, um der Hornhaut Feuchtigkeit zu geben [5].
Im paramedizinischen Bereich wird die so genannte „Eigenurintherapie“ angewandt. Hierbei werden dem eigenen (Morgen-)urin Fähigkeiten zur Heilung verschiedener Krankheiten zugeschrieben. Durch Trinken, äußerliche Anwendung oder Injektion sollen Krankheiten wie Asthma, Neurodermitis oder Zellulitis und andere geheilt oder zumindest gelindert werden. Nachweise für einen positiven Effekt der Eigenurintherapie stehen aus, die Behandlungskosten werden nicht von der Krankenkasse übernommen.
Tiere verwenden Urin auch zur Kommunikation (Chemokommunikation). Am bekanntesten dürfte dabei der Hund sein, der wie viele andere Tiere, sein Revier mit einer kleinen Abgabe von Urin an markanten Stellen abgrenzt. Bei einigen Raubkatzen wie Leopard oder Gepard und den meisten Huftieren erkennt das Männchen am Geruch des Urins, ob das Weibchen paarungsbereit ist. Beim Abbau des enthaltenen Harnstoffs in der Umwelt entsteht durch Hydrolyse das stechend riechende Gas Ammoniak.
Da neuerdings Prionen – falsch gefaltete Eiweiße, welche Krankheiten wie BSE oder Scrapie auslösen können – im Urin gefunden wurden, unterliegt die Gewinnung von Arzneien aus menschlichem Urin strengen Vorschriften [6]. Menotropin aus humanem Urin muss wegen möglicher CJK-Ansteckungsgefahr mit einem Warnhinweis versehen werden; es sind aber noch keine Ansteckungen via menschlichem Urin bekannt [7].
Nach neuesten Ergebnissen des Schweizer Prionenforschers Adriano Aguzzi sind im Urin enthaltene Prionen die derzeit aktuelle Erklärung dafür, weshalb Prionenkrankheiten bei Schafen, Elchen und Hirschen relativ hohe Ansteckungsraten besitzen - schließlich ernähren sich diese Wildtiere nicht von Tiermehl. Allerdings fand man die Prionen im Urin nur, wenn eine Nierenentzündung vorlag [6].
Zu psychischen und sozialen Aspekten des Urinierens siehe Harnlassen.
Quellen
- ↑ Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Eintrag zu Urin
- ↑ Farbmischung (.doc-Datei)
- ↑ Winsor&Newton Newsletter 2/2001; siehe auch Indischgelb
- ↑ Thomas Seilnacht: Die Farbe Blau
- ↑ Herstellen und Untersuchen kosmetischer Produkte, Skript der Uni Siegen (PDF)
- ↑ a b Tagesanzeiger (Schweiz), 14. Oktober 2005, Seite Vermischtes
- ↑ Tagesanzeiger (Schweiz), 4. Januar 2006, Seite Schweiz
Literatur
- Uwe Gille: Harn- und Geschlechtssystem, Apparatus urogenitalis. In: Salomon/Geyer/Gille (Hrsg.): Anatomie für die Tiermedizin. Enke-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3830410077
- Robert F. Schmidt, Florian Lang, Gerhard Thews: Physiologie des Menschen. Springer, Berlin 2004, ISBN 3540218823
- Carmen Thomas: Ein ganz besonderer Saft, Urin. Piper, München 1999, ISBN 349222847X