Nothing Special   »   [go: up one dir, main page]

Guaifenesin

organische Verbindung, Arzneimittel, Expektorans

Guaifenesin ist ein Arzneistoff aus der chemischen Gruppe der Guajakolderivate und wird zur Lösung von Bronchialsekret (Expektorans) z. B. bei Atemwegsinfekten verwendet. Chemisch kann es formal auch als Kondensationsprodukt von Anisol und Glycerin gesehen werden.

Strukturformel
Struktur von Guaifenesin
(R)-Isomer (oben) und (S)-Isomer (unten)
1:1-Gemisch der Stereoisomere
Allgemeines
Freiname Guaifenesin
Andere Namen
  • (RS)-3-(2-Methoxyphenoxy)propan-1,2-diol
  • Guajacolglycerinether
Summenformel C10H14O4
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 93-14-1
EG-Nummer 202-222-5
ECHA-InfoCard 100.002.021
PubChem 3516
ChemSpider 3396
DrugBank DB00874
Wikidata Q420682
Arzneistoffangaben
ATC-Code

R05CA03

Wirkstoffklasse

Expektorans

Eigenschaften
Molare Masse 198,22 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Schmelzpunkt

83 °C[1]

Siedepunkt

215 °C (19 mmHg)[1]

Löslichkeit
  • löslich in Wasser, Chloroform und Dimethylformamid[1]
  • sehr wenig löslich in Ethanol[1]
  • sehr leicht löslich in Diethylether[1]
Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: 501​‐​270​‐​264​‐​301+312+330[1]
Toxikologische Daten

1510 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Geschichte

Bearbeiten

Der Vorläufer des Guaifenesin, Kreosot, wurde schon im 19. Jahrhundert als Expektorans und Desodorans angewendet.[2] Es bestand aus Guajakol und Kreosol.

Da einige Patienten auf Behandlung mit diesem Gemisch mit Magen-Darm-Beschwerden reagierten, wurde 1954 das Guaifenesin entwickelt, was nun der reine Guajakolglycerinether war. 1959 wurde es unter dem Namen „Robitussin“ in Amerika auf den Markt gebracht und seit 1982 auch in Deutschland.[2] Bereits 1953 wurde das Guajacolglycerinether-haltige Medikament Reorganin von der Firma Dr. Christian Brunnengräber in Lübeck als Medikament zur Behandlung unter anderem von Angst- und Spannungszuständen als medikamentöse „Lobotomie“ beworben.[3]

Es folgten verschiedene Kombinationspräparate als Kapseln und Säfte.

Pharmakologische Eigenschaften

Bearbeiten

Guaifenesin wirkt sekretverflüssigend; die Wirkung soll reflektorisch zustande kommen über eine Reizung der Magenschleimhaut, wodurch es zu einer parasympathischen Stimulation der Bronchialdrüsen komme.[4]

In höherer Dosierung wirkt Guaifenesin muskelerschlaffend. Bei starker Überdosierung kommt es zu Übelkeit und Erbrechen, ferner kann eine Muskelerschlaffung auftreten, die sofortige ärztliche Hilfe erfordert.

Klinische Angaben

Bearbeiten

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Bearbeiten

Guaifenesin ist angezeigt zur Schleimlösung im Bronchialbereich, etwa bei Erkältungen, grippalen Infekten und Bronchitis. Guaifenesin ist oral wirksam.

In der Veterinärmedizin ist Guaifenesin zusammen mit Ketamin und Xylazin Bestandteil des verbreiteten Triple Drip zur intravenösen Anästhesie.[5]

Gegenanzeigen (Kontraindikationen)

Bearbeiten

Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Bearbeiten

Guaifenesin verstärkt die Wirkung von Sedativa und Muskelrelaxanzien. Bei der gleichzeitigen Anwendung von hustenunterdrückenden Arzneimitteln (Antitussiva) besteht ein Risiko für das Auftreten eines Sekretstaus.

Unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen)

Bearbeiten

Sonstige Informationen

Bearbeiten

Guaifenesin wurde 1952 von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) als Expektorans zugelassen, es gilt dort als das einzige von der FDA als wirksam beurteilte Expektorans.[6] In den deutschsprachigen Ländern gilt seine therapeutische Bedeutung als fraglich,[4] zumal auch expektorierende Arzneistoffe mit einem günstigeren Nutzen-Risiko-Verhältnis verfügbar sind.

Anekdotisch kursieren Berichte über eine Verwendung von Guaifenesin in der Behandlung der Fibromyalgie, welche auf ein alternativmedizinisches Behandlungskonzept eines amerikanischen Arztes zurückgeht. In einer kontrollierten Studie konnte eine therapeutische Wirksamkeit nicht nachgewiesen werden – jedoch war zum Zeitpunkt der Studie die hemmende Wirkung von Salicylaten auf das Medikament als auch die Notwendigkeit einer individuellen Dosierung von Guaifenesin nicht bekannt.[7]

Literatur

Bearbeiten

Handelsnamen

Bearbeiten
Monopräparate
Fagusan („Buchenteer“) (D), Longtussin (D, außer Handel), Myoscain (A), Resyl (A, CH), Vicks Hustenlösen (CH), Wick Husten-Löser (D); Kirkland Signature Mucus Relief Chest (USA), Mucinex (USA), Perrigo Guaifenesin 600 mg Extended Release (generic Mucinex) (USA)
Kombinationspräparate
Bricanyl compositum (A), Bronchostop (A), Demo Hustenelixier (CH), Escotussin (CH), Pecto-Baby (CH), Pectocalmine (CH), Resyl mit Codein (A), Resyl plus (A, CH), Sano Tuss (CH), Tuscalman (CH), Wick DayMed Erkältungs-Getränk (D)

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c d e f g h i j Eintrag zu GuaiacolGlycerolEther, >98.0% bei TCI Europe, abgerufen am 15. Oktober 2023.
  2. a b Wolf-Dieter Müller-Jahncke, Christoph Friedrich, Ulrich Meyer: Arzneimittelgeschichte. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-8047-2113-5, S. 184.
  3. Bei Angst-Spannungs-Zuständen. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. XL.
  4. a b K. Hardtke et al. (Hrsg.): Kommentar zum Europäischen Arzneibuch Ph. Eur. 4.05, Guaifenesin. Loseblattsammlung, 19. Lieferung 2005, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
  5. Eintrag zu Guaifenesin bei Vetpharm, abgerufen am 3. Dezember 2011.
  6. akdae.de: Arzneiverordnung in der Praxis, Band 38, Ausgabe 5, September 2011 (PDF; 352 kB).
  7. R.M. Bennett, P. De Garmo, S.R. Clark (1996): A Randomized, Prospective, 12 Month Study To Compare The Efficacy Of Guaifenesin Versus Placebo In The Management Of Fibromyalgia (reprint). Arthritis and Rheumatism 39 (10): S. 212, doi:10.1002/art.1780391402.