Gerhard Meier (Schriftsteller)
Gerhard Meier (* 20. Juni 1917 in Niederbipp; † 22. Juni 2008 in Langenthal)[1] war ein Schweizer Schriftsteller und Designer.
Leben
BearbeitenGerhard Meier wuchs in seiner Heimatgemeinde Niederbipp im bernischen Oberaargau auf, dort verbrachte er fast sein ganzes Leben. Da sich sein Berufswunsch – Architekt – nicht verwirklichen liess, begann er ein Hochbau-Studium am Technikum in Burgdorf. Nach dem Abbruch dieses Studiums trat er 1938 in die Lampenfabrik AKA in Niederbipp ein. Dort arbeitete er – nur unterbrochen von seinem Militärdienst während des Zweiten Weltkriegs – die folgenden 33 Jahre als Designer und schliesslich als technischer Leiter.
Meier, Leser von Leo Tolstoi, Claude Simon und Robert Walser,[2] hatte bereits während seiner Studienzeit erste schriftstellerische Versuche unternommen, die er jedoch mit dem Eintritt ins Berufsleben gänzlich aufgab. Er nahm die Beschäftigung mit der Literatur und das Schreiben 1957 wieder auf, als er wegen einer Tuberkulose-Erkrankung einige Zeit im Sanatorium in Heiligenschwendi verbrachte. 1964 erschien sein erster Gedichtband, dem weitere Veröffentlichungen folgten. 1971, als er nach eigener Aussage seine «Bürgerlichkeit quasi abgestottert» hatte,[3] gab Meier seine Tätigkeit in der Industrie auf; er lebte seitdem als freier Schriftsteller in Niederbipp.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er 1979 bekannt, als Peter Handke die Hälfte des ihm verliehenen Franz-Kafka-Preises Gerhard Meier zukommen liess. Auch nach dem Erscheinen seiner Hauptwerke in den Siebziger- und Achtzigerjahren und trotz einer stetig wachsenden Anerkennung durch die Literaturkritik verweigerte sich Meier weitgehend dem Literaturbetrieb und führte ein zurückgezogenes Leben. 1997 verstarb seine Frau Dorli (Dora), mit der er seit 1937 verheiratet war.[3] Das Paar hatte drei Kinder: Die Töchter Susanne Stöcklin-Meier und Ruth Scheidegger-Meier sowie einen Sohn, Pedro Meier.
Gerhard Meier hat Gedichte, Kurzprosa und Romane verfasst, in denen er auf Plots verzichtet.[3] «Zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten ebenso wie zwischen Vergangenheit und Gegenwart [...] zwischen Erfundenem und Realem» besteht jeweils nur eine «dünne Membran».[3] In seinen Akzentuierungen des Lokalen, Kleinräumigen und im besten Sinn «Provinziellen» gelangen ihm poetische Betrachtungen, die an Robert Walser oder Adalbert Stifter erinnern.
Das Archiv von Gerhard Meier, wovon der literarische Teil sowie die Sammlung von Rezensionen betreffend Gerhard Meiers Werk im Sommer 1998 dem Schweizerischen Literaturarchiv übergeben wurden, dokumentiert durch Werktyposkripte, Reden und Aufsätze, Briefe, Zeitungsartikel, Bücher, Fotos und Videokassetten das schriftstellerische Wirken und kulturelle Engagement des Autors.
Gerhard Meier starb am 22. Juni 2008, zwei Tage nach seinem 91. Geburtstag, im Spital in Langenthal.
Auszeichnungen
Bearbeiten- 1964, 1968, 1971 und 1975: Förderpreise des Kantons Bern
- 1970 und 1976: Einzelwerkpreise der Schweizerischen Schillerstiftung
- 1978: Literaturpreis der Stadt Bern
- 1981: Grosser Literaturpreis des Kantons Bern
- 1983: Petrarca-Preis
- 1986: Gesamtwerkspreis der Schweizerischen Schillerstiftung
- 1991: Fontane-Preis
- 1991: Hermann-Hesse-Preis
- 1992: Kunstpreis des Kantons Solothurn
- 1994: Gottfried-Keller-Preis
- 1994: Großkreuz des Päpstlichen Silvesterordens.[4]
- 1999: Heinrich-Böll-Preis
- 2015: Hörspiel des Monats Februar 2015 für Ob die Granatbäume blühen
Werke
BearbeitenEinzelausgaben
Bearbeiten- Das Gras grünt. Gedichte. Benteli, Bern 1964.
- Im Schatten der Sonnenblumen. Gedichte. Kandelaber, Bern 1967.
- Einige Häuser nebenan. Ausgewählte Gedichte (aus Das Gras grünt und Im Schatten der Sonnenblumen). Zytglogge, Gümligen 1973.
- Kübelpalmen träumen von Oasen. 60 Prosaskizzen. Kandelaber, Bern 1969.
- Es regnet in meinem Dorf. Gedichte. Walter, Olten 1971.
- Papierrosen. Gesammelte Prosaskizzen (aus Kübelpalmen träumen von Oasen und Es regnet in meinem Dorf). Zytglogge, Gümligen 1976.
- Der andere Tag. Ein Prosastück. Zytglogge, Gümligen 1974.
- Der Besuch. Roman. Zytglogge, Gümligen 1976.
- Der schnurgerade Kanal. Roman. Zytglogge, Gümligen 1977.
- Neuausgabe in der Reihe Schweizer Bibliothek. Tamedia, Zürich 2006.
- Toteninsel. Roman. Zytglogge, Gümligen 1979.
- Borodino. Roman. Zytglogge, Gümligen 1982.
- Die Ballade vom Schneien. Roman. Zytglogge, Gümligen 1985.
- Signale und Windstöße. Gedichte und Prosa. Auswahl und Nachwort von Heinz F. Schafroth. Reclam, Stuttgart 1989.
- Land der Winde. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990.
- Das dunkle Fest des Lebens. Amrainer Gespräche (mit Werner Morlang). Bruckner & Thünker, Köln/Basel 1995.
- Erweiterte Neuauflage: Zytglogge, Oberhofen 2007, ISBN 978-3-7296-0734-7.
- Ob die Granatbäume blühen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-41677-4.
Werkausgabe
Bearbeiten- Werke. 3 Bände, Zytglogge, Gümligen 1987–1989, ISBN 3-7296-0268-3.
- Neuausgabe in 4 Bänden: Zytglogge, Oberhofen am Thunersee 2008, ISBN 978-3-7296-0762-0.
Einzeln:
- Band 1: Einige Häuser nebenan / Papierrosen / Der andere Tag, ISBN 3-7296-0265-9.
- neu als: Gedichte und Prosaskizzen. ISBN 978-3-7296-0775-0.
- Band 2: Der Besuch / Der schnurgerade Kanal. ISBN 3-7296-0266-7.
- neu als: Die ersten Romane. ISBN 978-3-7296-0776-7.
- Band 3: Baur und Bindschädler. Borodino / Toteninsel / Ballade vom Schneien. ISBN 3-7296-0267-5.
- neu als: Baur und Bindschädler. (ergänzt mit Land der Winde) ISBN 978-3-7296-0773-6.
- Band 4: Ob die Granatbäume blühen. Verstreute Texte. Reden und Materialien. Hg. v. Werner Morlang. ISBN 978-3-7296-0774-3.
Sonderausgabe
Bearbeiten- Baur und Bindschädler. Amrainer Tetralogie. Vier Bände in Kassette: Toteninsel, Borodino, Die Ballade vom Schneien, Land der Winde. Suhrkamp (Bibliothek Suhrkamp 6882), Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-06882-3.
Künstlerbuch
Bearbeiten- Gedichte. Künstlerbuch / artist's book, hrsg. und illustriert mit 12 Lithographien (Paraphrasen) von Pedro Meier (Sohn von Gerhard Meier) zum 70. Geburtstag von Gerhard Meier. Elephant Press, Bangkok 1987.
Bildband
Bearbeiten- Ein Spaziergang durch Olten mit Gerhard Meier. Zusammen mit Peter André Bloch. Dietschi, Olten 1997.
Hörbuch
Bearbeiten- Die Toteninsel. MP3-CD. Merian, Basel 2007, ISBN 978-3-85616-313-6.
Hörspiel
Bearbeiten- Ob die Granatbäume blühen. Regie: Janko Hanushevsky, Komposition und akustische Einrichtung: Merzouga, DLF 2015.
Literatur und Filme
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Fernand Hoffmann: Heimkehr ins Reich der Wörter. Versuch über den Schweizer Schriftsteller Gerhard Meier. Grossherzogliches Institut, Luxemburg 1982.
- Meier und Müller. du. Die Zeitschrift der Kultur, Heft Nr. 587, Zürich, Januar 1990.
- Sven Spiegelberg: Diskurs in der Leere. Aufsätze zur aktuellen Literatur der Schweiz. Peter Lang, Bern 1990.
- Dorota Sośnicka: Wie handgewobene Teppiche. Die Prosawerke Gerhard Meiers. Lang, Bern 1999, ISBN 3-906763-70-6.
- Andrea Köhler: An der Ostwand der Seele. Ein Besuch bei dem Schriftsteller Gerhard Meier. In: Neue Zürcher Zeitung, 8./9. Januar 2000.
- Jan Watrak: Gerhard Meiers Lyrik und Kurzprosa. Lang, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-631-39108-0.
- Michel Mettler: Bleiben. Ein Bericht vom Reisen durch Gerhard Meiers erzählerische Weiten. In: NZZ, 10. Februar 2007.
- Werner Morlang: Genügsamkeit und Weite. In: Schweizer Monatshefte. Zeitschrift für Politik Wirtschaft Kultur. Heft 07/08, Juli/August 2007, S. 40 f.
- Richard Kölliker (Hrsg.): «Ich mag das Haschen nach Wind». Spiritualität im Werk von Gerhard Meier (1917–2008). TVZ, Zürich 2016, ISBN 978-3-290-17873-4.
- Urs Wiesli: Olten im dichterischen Werk von Gerhard Meier. In: Oltner Neujahrsblätter, Bd. 55, 1997, S. 11–16.
- Peter Andre Bloch: Gespräch mit Gerhard Meier über Olten. In: Oltner Neujahrsblätter, Bd. 55, 1997, S. 17–19.
Filme
Bearbeiten- Friedrich Kappeler: Gerhard Meier – Die Ballade vom Schreiben (1995) bei IMDb
- Friedrich Kappeler: Gerhard Meier – Das Wolkenschattenboot (2007) bei IMDb
Weblinks
Bearbeiten- Publikationen von und über Gerhard Meier (Schriftsteller) im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Gerhard Meier im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Gerhard Meier in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Eintrag über Gerhard Meier im Lexikon des Vereins Autorinnen und Autoren der Schweiz
- Archiv Gerhard Meier in der Datenbank HelveticArchives bzw. als Online-Inventar (EAD) des Schweizerischen Literaturarchivs
- Gerhard Meier. Biografie und Bibliografie auf Viceversa Literatur
- Stiftung Gerhard Meier Haus Niederbipp alias Amrain
- Materialien zu Gerhard Meier auf der Webseite seines Sohnes Pedro Meier
- Bücher von Gerhard Meier im Zytglogge Verlag
- Artikel zu Jubiläen, Nachrufe u. a.
- Umweg, Dienstweg, Abweg. Glückwunsch zum 90. Geburtstag, Zeit Online, 21. Juni 2007
- Gerhard Meier – zum Tod des Schweizer Schriftstellers. – Online-Dossier von Schweizer Radio DRS
- Der Weltbürger aus Amrain. Nachruf von Werner Morlang in der Neuen Zürcher Zeitung vom 22. Juni 2008
- 100 Jahre Gerhard Meier – Der Weltenbürger aus Amrain. Jubiläumsausstellung von 27. Mai. – 25. Juni 2017
- Das Ohr der Welt in Meiers Garten Der Schriftsteller Gerhard Meier, SRF 2 Kultur, ehrt den 2008 verstorbenen mit einer Annäherung von Janko Hanushevsky, 23. Juni 2017
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Schriftsteller Gerhard Meier ist tot. Nachruf. In: 20 Minuten, 22. Juni 2008
- ↑ Christian Schuler: „Blühende Zweige abseits des Weges“. In: Cicero Nr. 6/2018, ISSN 1613-4826, S. 114 f., hier S. 114.
- ↑ a b c d Christian Schuler: „Blühende Zweige abseits des Weges“. In: Cicero Nr. 6/2018, S. 114 f., hier S. 115.
- ↑ AAS 87 (1995), n. 3, p. 335.
Personendaten | |
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NAME | Meier, Gerhard |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 20. Juni 1917 |
GEBURTSORT | Niederbipp, Schweiz |
STERBEDATUM | 22. Juni 2008 |
STERBEORT | Langenthal, Schweiz |