Pseudo-Bonaventura
Als Pseudo-Bonaventura bezeichnet man in der Forschung mittelalterliche Autoren, deren Schriften unrichtig oder auf zweifelhafter Grundlage Bonaventura von Bagnoregio zugeschrieben wurden und zumindest zeitweise als authentische Schriften dieses Autors rezipiert wurden. In metonymischer Übertragung werden auch solche Schriften selbst als Pseudo-Bonaventura bezeichnet.
Die bekannteste und einflussreichste Schrift dieser Art sind die um ca. 1300 oder nach neuerer Datierung zwischen 1346 und 1360 (McNamer) entstandenen, einer Klarisse gewidmeten Meditationes de vita Christi (kritisch hrsg. von M. Jordan Stallings-Taney, CCCM 153, 1999), die in drei verschiedenen lateinischen Fassungen überliefert sind und von der Forschung heute meist dem Franziskaner Johannes de Caulibus in San Gimignano zugeschrieben werden. Die längste Fassung behandelt das Leben Christi von der Geburt bis zum Pfingstwunder und schließt in den einen umfangreichen Traktat über die Vorzüge des aktiven und des kontemplativen Lebens ein. In der zweitlängsten fehlen dieser Traktat und die Ereignisse zwischen der Taufe Christi und der Passion. Eine dritte, auch unter dem Titel Mediationes de passione Christi bekannt, setzt erst mit der Handlung des Abendmahls ein. Von diesen lateinischen Fassungen existieren mehr als hundert Handschriften und verschiedene Übertragungen in die Volkssprachen.
Eine Sammlung unechter oder zweifelhafter Schriften Bonaventuras wurde in der Appendix zu Band VI von dessen Opera omnia (Quaracchi 1893) abgedruckt. Ein kritisches Repertorium der echten, zweifelhaften und unechten Werke wurde 1975 von Balduin Distelbrink vorgelegt, das heute den Ausgangspunkt für die Klärung von Zuschreibungsfragen bildet.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bonaventura
- Balduin Distelbrink: Bonaventurae scripta: authentica, dubia vel spuria critice recensita. Istituto storico Cappuccini, Rom 1975 (= Subsidia scientifica Franciscalia, 5)
- Klaus-Bernward Springer: Johannes (de) Cauligus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 3, Bautz, Herzberg 1992, ISBN 3-88309-035-2, Sp. 303–304 .
- Meditationes de vita Christi
- Lawrence F. Hundersmarck: The Use of Imagination, Emotion, and the Will in a Medieval Classic: The Meditaciones Vite Christi. In: Logos 6,2 (2003), S. 46–62
- Sarah McNamer: Further evidence for the date of the Pseudo-Bonaventuran Meditationes vitæ Christi. In: Franciscan Studies, Bd. 10, Jg. 28 (1990), S. 235–261
- Livarius Oliger: Le meditationes vitae Christi del pseudo-Bonaventura. In: Studi Franciscani 18 (1921), S. 143–183; 19 (1922), S. 18–47
- Giorgio Petrocchi: Sulla composizione e data delle Meditationes Vitae Christi. In: Convivium, N.S. 5 (1952), S. 757–778
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Joannes de Caulibus, in: Maarten van der Heijden / Bert Roest, Franciscan Authors: 13th-18th century: a catalogue in progress
- Yale University Library, Beinecke MS 27 (olim Z109.073), 15. Jh.: Digitalisat der Handschrift, die ein Speculum humane salvationis und auf den Blättern 91r-104v eine Kurzfassung der Meditationes de passione domini enthält.