Von Tuor und dem Fall von Gondolin
Von Tuor und dem Fall von Gondolin ist eines der drei großen Epen des englischen Schriftstellers J. R. R. Tolkien, die im Ersten Zeitalter seiner fiktiven Welt Mittelerde spielen. Tolkien selbst stellt dar, dass dies die älteste der Geschichten Mittelerdes ist.[1] Veröffentlicht wurden die verschiedenen Fassungen von Tolkiens Sohn Christopher Tolkien. Die Erzählung über Tuor wird ebenfalls in den Nachrichten aus Mittelerde erzählt.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erzählt wird die Geschichte des Menschen Tuor, der vom Vala Ulmo zur verborgenen Elbenstadt Gondolin geschickt wird, um deren König Turgon vor dem drohenden Untergang zu warnen. Das ist eine einzigartige Begegnung zwischen einem Menschen und einem der Valar.
Tuor wächst zunächst bei den Elben Hithlums auf, die sich nach der verheerenden Nírnaeth Arnoediad (‚Schlacht der ungezählten Tränen‘) in den Höhlen von Androth (‚Lange Grotte‘) verbergen. Huor, der Vater Tuors, ist in dieser Schlacht gefallen und seine Mutter Rían stirbt kurz nach seiner Geburt aus Kummer über diesen Verlust. Als er zu einem Mann herangewachsen ist, macht er sich auf den Weg, um wie er sagt, sein Schicksal zu erfüllen. An der Küste nahe dem Berg Taras, dort wo Turgon seine erste Stadt in Mittelerde gegründet hatte, findet er zunächst eine komplette Rüstung mit Schwert und Schild, die Turgon dort auf Anraten Ulmos einst zurückgelassen hatte. Danach trifft er selbst auf den Vala des Meeres, der ihn mit einer Botschaft zu Turgon schickt, dem Ulmo vor langer Zeit diese Worte sagte:
„‚Denke daran, dass die letzte Hoffnung der Noldor vom Meer kommen wird.‘ [Oder:] ‚Wenn die Gefahr nahe ist, wird jemand aus Nevrast kommen, um dich zu warnen.‘“
So gelangt Tuor schließlich nach Gondolin. In Gondolin wird Tuor als Ulmos Bote erkannt, Turgon ist aber so in das Werk seiner Hände (Gondolin) verliebt, dass er es nicht schafft, die schöne Stadt zu verlassen. Tuor bleibt ebenfalls dort und verliebt sich später in Idril Celebrindal, die Tochter Turgons, die seine Liebe erwidert. Aus ihrer Beziehung entspringt das zweite Geschlecht der so genannten Halbelben. Nach dem Verrat Maeglins wird die Stadt von den Armeen Morgoths zerstört. Tuor, Idril, ihr Sohn Earendil und einige wenige andere Überlebende fliehen daraufhin durch einen geheimen Fluchttunnel zu den Sirionmündungen. Am Ende seines Lebens erbaut Tuor das Schiff Earráme (‚Meeresschwinge‘), das ihn und Idril Celebrindal gen Westen trug. Seitdem wurde er nie wieder in Mittelerde gesehen.
Fassungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- In den Lost Tales
- Die erste Fassung der Geschichte, Tolkiens erstes mythologisches Werk überhaupt, entstand um 1916/17 während Tolkiens Genesungsurlaub im Ersten Weltkrieg. Er schrieb sie in zwei Schulhefte, verbesserte sie mit Hilfe seiner Frau Edith und trug daraus in seinem College in Oxford einen Auszug vor.[3]
- Lay
- Wie bei einigen anderen Geschichten, begann Tolkien von der Tuor-Sage in Leeds eine Lyrik-Version zu schreiben, das Lay of the Fall of Gondolin. Diese Fassung erreichte jedoch nur einen Umfang von 130 Zeilen, bevor Tolkien die Arbeit daran aufgab. In diesen 130 Zeilen gelangt die Geschichte bis an den Punkt, an dem die Drachen die Stadt angreifen. Dieses Gedicht wäre also auch bei Fertigstellung nur sehr kurz gewesen.[4]
- In den Kurzfassungen
- Zwischen 1926 und 1936 schrieb Tolkien eine Zusammenfassung seiner gesamten Mythologie. Diese Zusammenfassung liegt in mehreren Überarbeitungen vor.[5]
- Die Neufassung
- Ankunft in Gondolin: Etwa 1951, nach der Fertigstellung der ersten Fassung des Herrn der Ringe, begann Tolkien in seiner typischen Art eine völlig neue Fassung der Geschichte. Diese Fassung wurde wesentlich ausführlicher und in einem deutlich endgültigeren Stadium geschrieben, bricht aber an der Stelle ab, als Tuor zum ersten Mal nach Gondolin kommt.[6]
- Maeglin: Ein weiteres Kapitel für diese Fassung hat Tolkien dennoch fertiggestellt, das über Maeglin.[7]
Weitere Epen aus dem Ersten Zeitalter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Tolkien benennt selbst drei der Geschichten seiner fiktiven Welt als die zentralen unter den Erzählungen des Ersten Zeitalters. Tatsächlich sind Teile davon (z. B. Namen und einzelne Elemente der Geschichten) schon in seinen frühesten Aufzeichnungen aus den 1910er Jahren nachweisbar. Es sind dies neben der Tuor-Sage:
Tolkien hat diese drei Geschichten intensiv und immer wieder überarbeitet, jedoch in sehr unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung hinterlassen. In der Veröffentlichung der Túrin-Geschichte 2007 (Die Kinder Húrins) weist Christopher Tolkien darauf hin, dass der Zustand der anderen beiden Epen weit fragmentarischer und an ihre Veröffentlichung deswegen nicht zu denken sei.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- J. R. R. Tolkien: Tuor und seine Ankunft in Gondolin. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2003, ISBN 3-423-59061-0.
- J. R. R. Tolkien: Nachrichten aus Mittelerde. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006, ISBN 3-423-20845-7.
- J. R. R. Tolkien: Das Buch der Verschollenen Geschichten Teil 1. Klett-Cotta, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-608-93061-0.
- J. R. R. Tolkien: Das Buch der Verschollenen Geschichten Teil 2. Klett-Cotta, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-608-93062-7.
- J. R. R. Tolkien: Das Silmarillion. Klett-Cotta, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-608-93829-6.
- J. R. R. Tolkien: Der Fall von Gondolin. Klett-Cotta, Stuttgart 2018, ISBN 978-3-608-96378-6.
Englische Originaltitel
- J. R. R. Tolkien: The Silmarillion. Houghton Mifflin, Boston 1977, ISBN 0-395-25730-1.
- J. R. R. Tolkien: Unfinished Tales. Ballantine Books, New York 1980, ISBN 0-345-35711-6.
- J. R. R. Tolkien: The Book of Lost Tales Part I. George Allen & Unwin (HarperCollins), London 1983, ISBN 0-261-10222-2.
- J. R. R. Tolkien: The Book of Lost Tales Part II. George Allen & Unwin (HarperCollins), London 1983, ISBN 0-261-10214-1.
- J. R. R. Tolkien: The Fall of Gondolin. HarperCollins, London 2018, ISBN 978-0-00-830275-7.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ In: Nachrichten aus Mittelerde. Ausgabe von 1980. S. 31.
- ↑ Von Tuor und seiner Ankunft in Gondolin. S. 59.
- ↑ A: Ein zwei Schulhefte umfassendes Bleistift-Manuskript, Diese erste Fassung trägt den Titel Von Tuor und den Verbannten von Gondolin (Tuor and the Exiles of Gondolin). Lost Tales II, S. 146–147. Dort erklärt Christopher Tolkien auch, wie er die Buchstaben ABC verteilt hat. In den Unfinished Tales. S. 4–5, behauptet Christopher Tolkien jedoch, über die ursprüngliche Bleistiftfassung sei direkt eine Fassung mit Tinte geschrieben. B: Dieses Manuskript wurde von Tolkiens Frau Edith um 1917 sauber abgeschrieben und in den folgenden Jahren mit Ergänzungen und Veränderungen versehen. Tolkien las daraus im Frühjahr 1920 zum ersten Mal im Essay-Club des Exeter College Oxford vor. C: Von diesen beiden Handschriften fertigte Tolkien eine Abschrift mit der Schreibmaschine an. Er brach aber schon bei der Ankunft Tuors, der hier Tûr heißt, in Gondolin ab. Aus diesen drei Fassungen hat Christopher Tolkien einen Text hergestellt, den er in Lost Tales II, S. 149–197, veröffentlicht hat. Die deutsche Übersetzung befindet sich in Das Buch der Verschollenen Geschichten.
Weiteres Prosafragment: Unter dem Titel Turlin and the Exiles of Gondolin existiert ein weiteres Fragment, das aber gleich nach dem Anfang abbricht. Christopher Tolkien hat es in The Shaping of Middle-earth, S. 3–5 veröffentlicht. - ↑ The Lays of Beleriand. In: The History of Middle-earth. Band 3, S. 175 ff. (??)/S. 144–149. Christopher Tolkien druckt hier nicht den vollständigen Text ab, sondern gibt nur kurze Auszüge.
- ↑ Christopher Tolkien erwähnt diese Kurzfassungen in den Unfinished Tales. S. 5, irreführend ohne deren Titel zu nennen. 1: Die Skizze (the Sketch): Nach seiner Rückkehr von Leeds nach Oxford schrieb Tolkien zwischen 1926 und 1930 eine kurze Zusammenfassung seiner gesamten Mythologie, die die Lektüre der Túrin-Saga (Die Kinder Húrins) erleichtern sollte. Darin wird auch Tuor erwähnt. The Shaping of Middle-earth, (S. 35–37, § 16.) 2: Die Qenta Noldorinwa: 1930 schrieb Tolkien eine Neufassung der Skizze, die nun den Titel Qenta Noldorinwa erhielt und mit zwei Zeittafeln (Annals of Valinor I und Annals of Beleriand I) versehen waren. Auch hier gibt es wieder ein Kapitel über Tuor, das er so stark überarbeitet hat, dass er diesen Abschnitt nochmal schrieb und dem Text beifügte. The Shaping of Middle-earth. S. 140–146, § 16. Die Überarbeitung (Q II),( S. 146–148.) 3: Die Quenta Silmarillion: Zwischen 1930 und 1936 schrieb Tolkien eine völlige Neufassung der Quenta. Er brach den Text im Kapitel über Túrin ab, so dass das Kapitel über Tuor ungeschrieben blieb. Allerdings hat er die beigefügten Zeittafeln fertiggestellt (Annals of Valinor II und Annals of Beleriand II). The Lost Road. Nach der Veröffentlichung des Herrn der Ringe überarbeitete Tolkien die ganze Quenta Silmarillion, ergänzte aber die noch fehlenden Kapitel nicht. Dafür schrieb er Neufassungen der Zeittafeln (Annals of Aman und Grey Annals). Christopher Tolkien verwendete hauptsächlich die Grey Annals für das Tuor-Kapitel (Kap. 23) in seinem Silmarillion von 1977.
- ↑ Unfinished Tales of Middle-earth. S. 17–56. Christopher Tolkien hat den Titel in Von Tuor und seiner Ankunft in Gondolin geändert, um den Leser nicht zu verwirren: Unfinished Tales. S. 5. Deutsche Übersetzung in Nachrichten aus Mittelerde.
- ↑ War of the Jewels. S. 316–339, ein zwölf Seiten umfassendes Manuskript. Christopher druckt den Text hier nicht ab, da er ihn bereits im Silmarillion von 1977 für Kapitel 16 verwendet hat. Tolkien fertigte es 1951 zusammen mit der Neufassung an. Davon ließ er zwei Abschriften mit der Schreibmaschine machen. Bis 1970 hat er daran Verbesserungen angebracht. Auf dem einen Typoskript findet sich die Bemerkung: An enlarged version of the coming of Maeglin to Gondolin, to be inserted in the FG in its place. FG muss Fall of Gondolin heißen. Diese Bemerkung nimmt Bezug auf eine andere Bemerkung in der Tale-Fassung Lost Tales II, S. 165, Anmerkung 23, wo Tolkien ausdrücklich sagt, dass er hier die Geschichte von Maeglin (damals Isfin) nicht erzählen will. Auch erkennt man, dass Tolkien die zweite Hälfte des Falls von Gondolin nur noch wenig bis gar nicht mehr überarbeiten wollte, sondern den alten Text verwendet hätte.