Solanin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Strukturformel
Struktur von Solanin
Allgemeines
Name Solanin
Andere Namen

Solanid-5-en-3β-yl-O-α-L-rhamnopyranosyl-(1→2)-O-β-D-glucopyranosyl-(1→3)-β-D-galactopyranosid

Summenformel C45H73NO15
Kurzbeschreibung

farb- und geruchloser Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 20562-02-1
EG-Nummer 243-879-8
ECHA-InfoCard 100.039.875
PubChem 6537493
ChemSpider 28033
Wikidata Q373791
Eigenschaften
Molare Masse 868,06 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

285 °C[1]

Löslichkeit

schwer löslich in Wasser (1 mg·l−1 bei 25 °C)[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[2]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[2]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Solanin, genauer α-Solanin, ist eine gesundheitsschädliche chemische Verbindung, die vor allem in Nachtschattengewächsen wie Kartoffeln und Tomaten enthalten ist. Chemisch ist Solanin das Saponin des Steroidalkaloids Solanidin mit dem Trisaccharid Solatriose, das aus Glucose, Galactose und Rhamnose besteht. Solanin wurde erstmals 1820 vom französischen Apotheker Desfosses aus den Beeren des Schwarzen Nachtschattens (Solanum nigrum) isoliert, nach dem es benannt wurde.[5] Es wird fälschlich auch als „Tomatin“ bezeichnet.

Solanin ist vor allem in Nachtschattengewächsen (Solanaceae) – wie Kartoffeln – enthalten.

Der grüne Anteil von Kartoffeln enthält viel Solanin.

Die höchsten Werte erreichen Frühkartoffeln. Werden Kartoffeln lange Zeit dem Licht ausgesetzt, steigt, vor allem in den Trieben, der Solaningehalt an.[6] Auch in geschälten rohen oder mechanisch verletzten Kartoffeln (Druckstellen, Frostschäden) steigt der Gehalt ein wenig, weil weiteres Solanin zur Bekämpfung von Fäulniserregern produziert wird. Lagertemperatur und Lagerdauer haben Einfluss auf die Erhöhung des Alkaloidgehaltes; die ideale Lagertemperatur ist 10 °C.

Der Solaningehalt von Kartoffeln war früher wesentlich höher als heute. Noch in einer Studie vom Mai 1943 wurde der Solaningehalt (Gesamtgehalt) von Kartoffeln der Sorte Voran mit 32,5 mg/100 g angegeben, wobei kleine grüne Kartoffeln bis zu 55,7 mg/100 g erreichten. Hingegen konnte der Gehalt durch sehr starke Belichtung und Ergrünen nur unwesentlich gesteigert werden.[7] Heute überwiegend angebaute neuere Kartoffelsorten weisen einen Gesamt-Glykoalkaloidgehalt von 3 bis 7 mg/100 g (2013[8]) bzw. 2 bis 10 mg/100 g (WHO 1994[9] sowie 1996[10]) auf.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfahl im Jahre 2018 eine Absenkung des bis dahin als unbedenklich angesehenen Gehaltes von maximal 20 mg/100 g auf 10 mg/100 g Rohware. Man bezog sich auf einen Vergiftungsfall aus dem Jahre 2015, der nach dem Verzehr von Kartoffeln, die einen Glykoalkaloidgehalt von 23,6 mg/100 g hatten, aufgetreten war.[9]

Es wird momentan davon ausgegangen, dass Solanin eine Depolarisation der Mitochondrienmembranen bewirkt, wobei sich der Calciumgehalt des Cytoplasmas erhöht. Zumindest ein Teil des Calciums stammt aus den geschädigten Mitochondrien, da in intakten die Calciumkonzentration wesentlich höher ist als im Cytoplasma. Die Erhöhung der Calciumkonzentration im Cytoplasma leitet den Zelltod durch Apoptose ein.[11]

Solaninvergiftung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Solaninvergiftung kam früher sehr häufig vor, vor allem in Form eines „schweren Magens“ und in Form von Übelkeit; auch Todesfälle wurden beschrieben. Sie ist heute durch die geringen Konzentrationen in modernen Zuchtgemüsen praktisch verschwunden. Erste Vergiftungserscheinungen des Alkaloids wie Benommenheit, Berührungsüberempfindlichkeit (Hyperästhesie) und erschwerte Atemtätigkeit (Dyspnoe) treten beim Erwachsenen nach der Aufnahme von ca. 200 mg auf, bei fortgesetzter Solaninaufnahme Übelkeit und Erbrechen; diese Symptome werden auch als Solanismus beschrieben.[3] Weitere Symptome sind Brennen und Kratzen im Hals, Magenbeschwerden, Darmentzündungen, Nierenentzündungen mit blutigem Harn, Gliederschmerzen, Fieber, Nierenreizungen, Durchfall und in schlimmen Fällen sogar die Auflösung der roten Blutkörperchen, Herzrhythmusstörungen, Störungen der Kreislauf- und Atemtätigkeit sowie Schädigungen des zentralen Nervensystems (Krämpfe, Lähmungen). Als tödlich gilt eine Dosis von 400 mg.[12]

Solanin zerfällt beim Kochen nicht, sondern geht in das zum Kochen verwendete Wasser über, da es bei hohen Temperaturen wasserlöslich ist. Deshalb sollte das Kochwasser nicht weiterverwendet werden. Da Solanin hitzebeständig und fettunlöslich ist, wird es beim Frittieren oder Braten ebenfalls nicht zerstört.[13][14][15] Der Solaningehalt kann bei Kartoffeln durch Abschneiden grüner Stellen und von Keimen verringert werden. Da die grüne Farbe vom Chlorophyll stammt und dessen Bildung erst nach der Biosynthese des Solanins erfolgt, können auch unverfärbte Kartoffeln eine erhöhte Solaninkonzentration aufweisen.

Die mittlere Dosis von 200 mg, bei der erste Vergiftungserscheinungen auftreten können, entspricht dem Genuss von mehr als 2,8 Kilogramm roher und ungeschälter Kartoffeln von neuen Sorten mit 7 mg Solanin/100 g. 30–80 % des Solanins befinden sich in oder direkt unterhalb der Schale.[16] Die Dosis ist von der Körpermasse abhängig und individuell stark unterschiedlich. Die WHO gibt Dosen von 3 bis 6 mg Glykoalkaloiden pro kg Körpergewicht als letale Dosis für den Menschen an. Dosen von über 1 bis 3 mg pro kg Körpergewicht werden als toxisch angesehen.[9]

Durch die Zubereitung wird der Gehalt an Solanin reduziert, indem die Kartoffeln üblicherweise geschält und geputzt werden. Ein Teil geht in das Kochwasser über. Derzeit am Markt übliche Kartoffelsorten verursachen unter diesen Bedingungen keine gesundheitlichen Risiken.[17] Das gilt jedoch nicht unbedingt für ältere Sorten. Vergrünte, teilweise an der Oberfläche gelegene Kartoffeln oder bestimmte Sorten können unzulässig hohe Gehalte von 20 bis 40 mg/100 g aufweisen.[8]

Der vom Bundesinstitut für Risikobewertung im Jahre 2018 empfohlene Grenzwert von 10 mg/100 g Kartoffel-Rohware ist damit begründet worden, dass ein NOAEL der Summe der Glycoalkaloide von 0,5 mg/kg Körpergewicht und Tag nicht überschritten werden sollte.[9] Solanin macht etwa 50 % des Glycoalkaloid-Gehaltes von Kartoffeln aus.

Das Maximum der Glycoalkaloid-Konzentration im Blutserum wurde mit 4 bis 8 Stunden nach dem Verzehr von Kartoffeln mit 20 mg/100 g Glycoalkaloiden bestimmt. Die Halbwertszeit des Abbaues im Körper betrug im Mittel 21 Stunden.[9] Wegen des langsamen Abbaues wird eine mögliche Akkumulation bei täglicher Aufnahme erwähnt.

Das Aglycon Solanidin ist der Haupt-Metabolit der Kartoffel-Glycoalkaloide. Es wird in der Leber angereichert und hat eine hohe Verweilzeit im Körper. So wurde 1992 festgestellt, dass der nach 4 Stunden angestiegene Serumwert selbst nach 25 Stunden nicht wieder fiel.[18]

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Datenblatt α-Solanin (PDF) bei Carl Roth, abgerufen am 25. September 2023.
  2. a b Datenblatt α-Solanine bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 3. November 2016 (PDF).
  3. a b c d e J. R. Whitaker, R. E. Feeney: Toxicants occurring naturally in foods. Hrsg.: National Research Council (U.S.). Food Protection Committee. National Academy of Sciences, 1973, ISBN 0-309-02117-0, Enzyme inhibitors in foods, S. 276–298 (englisch).
  4. 764. Solanine and chaconine (WHO Food Additives Series 30). In: inchem.org. Abgerufen am 8. Mai 2020.
  5. M. Desfosses: Extrait d'une lettre à M. Robiquet. In: Journal de Pharmacie. Band 6, 1820, S. 374–37 (französisch). (online)
  6. S. S. Ahmed, K. Müller: Einfluss von Lagerzeit, Licht und Temperatur auf den Solanin- und α-Chaconingehalt mit und ohne Keimhemmungsmittel behandelter Kartoffeln. In: Potato Research. Band 24, Nr. 1, 1981, S. 93–99, doi:10.1007/BF02362020.
  7. W. Lepper: Beitrag zur Solaninfrage. Belichtung und Solaningehalt der Kartoffeln. In: Zeitschrift für Lebensmitteluntersuchung und -Forschung, A. Band 86, Nr. 3–4, 1943, S. 247–250, doi:10.1007/BF01662686.
  8. a b W. Schuphan: Mensch und Nahrungspflanze: Der Biologische Wert der Nahrungspflanze in Abhängigkeit von Pestizideinsatz, Bodenqualität und Düngung, Springer-Verlag 2013,171 Seiten, Seite 43
  9. a b c d e Speisekartoffeln sollten niedrige Gehalte an Glykoalkaloiden (Solanin) enthalten (PDF; 167 kB). Bundesinstitut für Risikobewertung, Stellungnahme Nr. 010/2018 vom 23. April 2018.
  10. Franzke C: Allgemeines Lehrbuch der Lebensmittelchemie, 3. Aufl., Hamburg 1996, S. 257f, S. 244
  11. S. Y. Gao, Q. J. Wang, Y. B. Ji: Effect of solanine on the membrane potential of mitochondria in HepG2 cells and (Ca2+)i in the cells. In: World Journal of Gastroenterology. Band 12, Nr. 21, Juni 2006, S. 3359–3367, PMID 16733852 (englisch, wjgnet.com [abgerufen am 31. Mai 2009]).
  12. Ursula Preiß, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, 9. Juli 2004 (Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz 2004); Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. 4. August 1992, in: Grüne Tomaten und gekeimte Kartoffeln – Das natürliche Gift Solanin, abgerufen am 21. April 2015
  13. Günter Vollmer, Gunter Josst, Dieter Schenker, Wolfgang Sturm, Norbert Vreden: Lebensmittelführer: Inhalte, Zusätze, Rückstände: Teil 2: Fleisch, Fisch, Milch, Fett, Gewürze, Getränke, Lebensmittel für Diät, für Säuglinge, für Sportler, Band 1, Wissenschaft für den Alltag, Verlag John Wiley & Sons, 2009, ISBN 3-527-62589-5, S. 141.
  14. Gefährliche Schale Was die Kartoffel giftig macht (Memento vom 13. Januar 2014 im Internet Archive), stern TV, 14. November 2007.
  15. Michael Murkovic, Toxine in pflanzlichen Lebensmitteln, Technische Universität Graz, Institut für Lebensmittelchemie und -technologie, S. 6.
  16. Executive Summary of Chaconine & Solanine (Memento vom 15. August 2006 im Internet Archive).
  17. Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz: Solanin (Glycoalkaloide) in Kartoffeln (Memento vom 22. August 2017 im Internet Archive).
  18. Hellenas, K. E.; Nyman, A.; Slanina, P.; Loof, L.; Gabrielsson, J.: Determination of potato glycoalkaloids and their aglycone in blood serum by high-performance liquid chromatography. Application to pharmacokinetic studies in humans, in Journal of Chromatography B 573, 1992, S. 69–78. PMID 1564109. DOI: 10.1016/0378-4347(92)80476-7. Zitiert nach Bundesinstitut für Risikobewertung: Speisekartoffeln sollten niedrige Gehalte an Glykoalkaloiden (Solanin) enthalten, Stellungnahme Nr. 010/2018 vom 23. April 2018