Moritz Tramer
Moritz Tramer (* 20. Januar 1882 in Polnisch-Ostrau, Österreich-Ungarn; † 1. Mai 1963 in Bern) war ein Schweizer Psychiater.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Moritz Tramer wurde als Sohn einer armen jüdischen Familie geboren. Tramer studierte von 1901 bis 1906 Mathematik am Eidgenössischen Polytechnikum Zürich und promovierte 1906 an der Universität Bern mit einer Arbeit über Die Entdeckung und Begründung der Differential- und Integralrechnung durch Leibniz im Zusammenhange mit seinen Anschauungen in Logik und Erkenntnistheorie: Fragen aus der Funktionentheorie.[1] Später studierte er Medizin. Im Alter von 35 Jahren kam er 1917 zur Kinder- und Jugendpsychiatrie. 1924 heiratete er die Psychologin Franziska Baumgarten, die aus Berlin zu ihm in die Schweiz ging. Das Paar lebte zunächst in Solothurn, bevor es 1945 nach Bern zog. Beruflich unterstützten sich die beiden und publizierten auch gemeinsam.
Moritz Tramer leitete in den Jahren von 1924 bis 1945 die Psychiatrische Anstalt «Rosegg» in Langendorf und etablierte dort die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Biberist, der er von 1937 bis 1950 vorstand.[2] 1934 begründete er die Zeitschrift Kinderpsychiatrie, Acta paedopsychiatrica und veröffentlichte 1942 die erste Auflage seines Lehrbuchs Allgemeine Kinderpsychiatrie, einschließlich der allgemeinen Psychiatrie der Adoleszenz, das umfassendste Lehrbuch seiner Zeit auf dem Gebiet. Er befasste sich zudem mit dem Hexenglauben und untersuchte[3] 169 dokumentierte und namentlich bekannte Kinder als Opfer des Hexenwahns in der Schweiz, wobei er nachwies, dass es sich bei den angeklagten Kindern um „geistig abnorme Kinder“ handelte.[4] 1954 gründete er im Alter von 72 Jahren zusammen mit dem Franzosen Georges Heuyer die Union Europäischer Pädopsychiater. Durch die Einladung von sieben deutschen Kollegen zur Gründungsveranstaltung reintegrierte Tramer die deutschen Kinder- und Jugendpsychiater in die internationale Gemeinschaft. Dies tat er, obwohl er in der Zeit des Nationalsozialismus 50 Familienmitglieder verloren hatte.
Moritz Tramer hat sich auch im Stiftungsrat des damaligen «Landerziehungsheims Albisbrunn» engagiert. Er leistete, seit der Gründung Albisbrunn im Jahre 1924 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Stiftungsrat 1929, dem ersten Heimleiter und späteren Direktor des Heilpädagogischen Seminars Zürich, Heinrich Hanselmann, fachliche Unterstützung in Fragen der Kinder- und Jugendpsychiatrie.
Tramer starb 1963 im Alter von 81 Jahren in Bern. Sein Nachlass befindet sich in der Burgerbibliothek Bern.[5]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rolf Castell (Hrsg.): Hundert Jahre Kinder- und Jugendpsychiatrie. Biografien und Autobiografien. V&R unipress, Göttingen 2008, ISBN 978-3-89971-509-5.
- W. G. Eliasberg: In memoriam. Moritz Tramer, M. D. (1882–1963). In: American Journal of Psychiatry. Nr. 121, Juli 1964, S. 103 f.
- Matthias Giger: Franziska Baumgartens Wunderkinder. In: SwissGifted. Bd. 3 (2010), S. 67–75 (PDF-Dokument; 148 kB).
- Ellen Jorisch-Wissink: Der Kinderpsychiater Moritz Tramer (1882–1963) (= Zürcher medizingeschichtliche Abhandlungen. Bd. 184). Juris, Zürich 1986, ISBN 3-260-05147-3.
- Kathrin Laederach: 150 Jahre Psychiatrie im Kanton Solothurn. Ein langer Weg in die Zukunft. 1860–2010. 2010 (PDF-Dokument; 1,26 MB).
- Madeleine Rupps, Dagmar Bussiek, Rolf Castell, Susanne Gruß, Jan Nedoschill: Moritz Tramer und Georges Heuyer: Ihr persönlicher Beitrag zur Reintegration deutscher Kinder- und Jugendpsychiater in der Nachkriegszeit. In: Ulrike Lehmkuhl (Hrsg.): Seelische Krankheit Im Kindes- und Jugendalter. Wege Zur Heilung. XXVII. Kongress Der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Berlin 3.-6. April 2002. Die Abstracts. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3525461682, S. 229 f. (online).
- Hermann Stutte (1963): Prof. Tramer †. In: Unsere Jugend 15, 280.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Moritz Tramer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Angela Graf-Nold: Tramer, Moritz. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Moritz Tramer im Mathematics Genealogy Project (englisch)
- ↑ Moritz Traner und die Psychiatrische Anstalt «Rosegg», abgerufen am 22. November 2020
- ↑ M. Tramer: Kinder im Hexenglauben und Hexenprozeß des Mittelalters. Kind und Aberglaube. In: Zeitschrift für Psychiatrie. Band 11, 1944, S. 140–149, und Band 12, 1945, S. 180–187.
- ↑ Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg (Druck: Bonitas-Bauer), Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 299–300.
- ↑ Nachlass von Moritz Tramer im Katalog der Burgerbibliothek Bern
Personendaten | |
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NAME | Tramer, Moritz |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Psychiater |
GEBURTSDATUM | 20. Januar 1882 |
GEBURTSORT | Polnisch-Ostrau, Österreich-Ungarn |
STERBEDATUM | 1. Mai 1963 |
STERBEORT | Bern |