Olympische Sommerspiele 1972/Leichtathletik – 100 m (Frauen)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Olympische Ringe
Sportart Leichtathletik
Disziplin 100 m
Geschlecht Frauen
Teilnehmer 47 Athletinnen aus 33 Ländern
Wettkampfort Olympiastadion München
Wettkampfphase 1. September 1972 (Vorläufe/Viertelfinale)
2. September 1972 (Halbfinale/Finale)
Siegerzeit 11,07 s Weltrekord
Medaillengewinnerinnen
Deutschland Demokratische Republik 1949 Renate Stecher (DDR)
AustralienAustralien Raelene Boyle (AUS)
Kuba Silvia Chivás (CUB)
1968 1976

Der 100-Meter-Lauf der Frauen bei den Olympischen Spielen 1972 in München wurde am 1. und 2. September 1972 im Olympiastadion München ausgetragen. 47 Athletinnen nahmen teil.

Olympiasiegerin wurde Renate Stecher aus der DDR. Sie gewann in neuer elektronisch gemessener Weltrekordzeit von 11,07 Sekunden vor der Australierin Raelene Boyle und der Kubanerin Silvia Chivás.

Annegret Richter, Ingrid Mickler-Becker und Elfgard Schittenhelm starteten für die Bundesrepublik Deutschland (offiziell Deutschland). Mickler-Becker und Schittenhelm kamen bis ins Halbfinale und schieden dort aus. Richter schaffte es ins Finale und wurde dort Fünfte.
Für die DDR starteten neben der Olympiasiegerin Stecher Evelin Kaufer und Ellen Strophal. Beide scheiterten im Viertelfinale.
Läuferinnen aus der Schweiz, Österreich und Liechtenstein nahmen nicht teil.

Bestehende Rekorde

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In diesen Jahren wurde bei vielen Veranstaltungen bereits die elektronische Zeitmessung eingesetzt. Die Rekorde wurden in der Regel allerdings immer noch in Zehntelsekunden geführt. Sie waren eine Mischung aus handgestoppten und gerundeten elektronisch ermittelten Zeiten. Da die per Handzeitnahme gemessenen Zeiten aufgrund der Reaktionszeiten der Kampfrichter um ein bis zwei Zehntelsekunden besser ausfielen, begann man allerdings auch damit, getrennte rein elektronisch ermittelte Rekordübersichten zu führen.

Der erste elektronisch geführte Weltrekord im 100-Meter-Lauf war Wyomia Tyus’ Zeit von 11,08 s bei ihrem Olympiasieg 1968.[1] Diese Leistung wurde nach den 1968 geltenden Regeln handgestoppt mit 11,0 s ausgewiesen. Da es bei diesem Rennen jedoch auch eine elektronische Zeitmessung gab, wurde die Leistung später nur noch auf dieser Grundlage geführt. Bei Anwendung der Rundungsregeln ergab dies einen Wert von 11,1 Sekunden. Da inzwischen einige Läuferinnen offizielle 11,0 Sekunden erzielt hatten, wurde Tyus in den nach Zehntelsekunden ausgewiesenen Listen nicht mehr als Weltrekordlerin geführt.

Die beiden folgenden Übersichten zeigen Welt- und Olympiarekord getrennt, einmal auf der Grundlage von Handzeitnahme, zum anderen aus den rein elektronisch ermittelten Werten.

Offizielle Rekorde – gerundet auf Zehntelsekunden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weltrekord[1] 11,0 s Chi Cheng (Taiwan TPE) Wien, Österreich 18. Oktober 1970
Renate Meißner (Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR) Berlin, DDR (heute Deutschland) 2. Oktober 1970
Renate Stecher (Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR) Berlin, DDR (heute Deutschland) 31. Juli 1971
Potsdam, DDR (heute Deutschland) 3. Juni 1972
Ellen Strophal (Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR) Potsdam, DDR (heute Deutschland) 15. Juni 1972
Eva Glesková (Tschechoslowakei Tschechoslowakei) Budapest, Ungarn 1. Juli 1972
Olympischer Rekord 11,1 s Barbara Ferrell (Vereinigte Staaten USA) Viertelfinale OS Mexiko-Stadt, Mexiko 14. Oktober 1968
Wyomia Tyus (Vereinigte Staaten USA) Finale OS Mexiko-Stadt, Mexiko 15. Oktober 1968

Elektronische Zeitnahme – gerundet auf Hundertstelsekunden

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weltrekord[1] 11,08 s Wyomia Tyus (Vereinigte Staaten USA) Finale OS Mexiko-Stadt, Mexiko 15. Oktober 1968
Olympischer Rekord

Rekordegalisierungen / -verbesserungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Olympiasiegerin Renate Stecher aus der DDR verbesserte den nach elektronischen Maßstäben gemessenen Olympiarekord, gleichzeitig Weltrekord, um eine Hundertstelsekund auf 11,07 s. Damit egalisierte sie auch den nach handgestoppten Maßstäben gemessenen olympischen Rekord von 11,1 s.

Durchführung des Wettbewerbs

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Athletinnen traten am 1. September zu sechs Vorläufen an. Die jeweils fünf Laufbesten – hellblau unterlegt – sowie die nachfolgend zwei Zeitschnellsten – hellgrün unterlegt – erreichten das Viertelfinale am selben Tag. Die dort jeweils vier Laufbesten – wiederum hellblau unterlegt – kamen ins Halbfinale am 2. September, aus dem sich die jeweils vier Laufbesten – hellblau unterlegt – für das Finale qualifizierten, das am selben Tag stattfand.

1. September, 11:00 Uhr: Vorläufe
1. September, 15:00 Uhr: Viertelfinale
2. September, 15:00 Uhr: Halbfinale
2. September, 17:30 Uhr: Finale[2]

Datum: 1. September 1972, ab 11:00 Uhr[3]

Wind: −0,8 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Silvia Chivás Kuba Kuba 11,18 s
2 Annegret Irrgang Deutschland BR BR Deutschland 11,30 s
3 Wilma van Gool Niederlande Niederlande 11,43 s
4 Andrea Lynch Vereinigtes Konigreich Großbritannien 11,52 s
5 Mattiline Render Vereinigte Staaten USA 11,60 s
6 Juana Mosquera Kolumbien Kolumbien 11,64 s
7 Marion Hoffman Australien Australien 11,68 s
8 Missie Misomali Malawi 1964 Malawi 12,78 s
Russel Carrero – ausgeschieden als Achte des zweiten Vorlaufs

Wind: −0,9 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Esther Shachamorov Israel Israel 11,45 s
2 Iwanka Walkowa Bulgarien 1971 Bulgarien 11,49 s
3 Eva Glesková Tschechoslowakei Tschechoslowakei 11,50 s
4 Evelin Kaufer Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,59 s
5 Galina Bucharina Sowjetunion 1955 Sowjetunion 11,69 s
6 Beatrice Lungu Sambia 1964 Sambia 12,42 s
7 Fatima El Faquir Marokko Marokko 12,56 s
8 Russel Carrero Nicaragua Nicaragua 13,45 s
Linda Haglund (Foto: 2013) – ausgeschieden als Sechste des dritten Vorlaufs

Wind: −0,4 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Iris Davis Vereinigte Staaten USA 11,34 s
2 Alice Annum Ghana Ghana 11,54 s
3 Anita Neil Vereinigtes Konigreich Großbritannien 11,55 s
4 Cecilia Molinari Italien Italien 11,61 s
5 Pam Ryan Australien Australien 11,73 s
6 Linda Haglund Schweden Schweden 11,97 s
7 Freida Nicholls Barbados Barbados 12,16 s
8 Irene Fitzner Argentinien Argentinien 12,51 s

Wind: −0,5 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Renate Stecher Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,31 s
2 Rosie Allwood Jamaika Jamaika 11,46 s
3 Barbara Ferrell Vereinigte Staaten USA 11,47 s
4 Hannah Afriyie Ghana Ghana 11,90 s
5 Laura Nappi Italien Italien 12,02 s
6 Carolina Rieuwpassa Indonesien Indonesien 12,23 s
7 Amelita Alanes Philippinen 1944 Philippinen 12,37 s
8 Meas Kheng Khmer-Republik 1970 Khmer-Republik 12,72 s

Wind: −0,3 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Raelene Boyle Australien Australien 11,37 s
2 Carmen Valdés Kuba Kuba 11,53 s
3 Ingrid Mickler-Becker Deutschland BR BR Deutschland 11,55 s
4 Ljudmila Scharkowa Sowjetunion 1955 Sowjetunion 11,56 s
5 Ellen Strophal Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,63 s
6 Tuula Rautanen Finnland Finnland 11,89 s
7 Emilia Edet Nigeria Nigeria 12,06 s
8 Mireille Joseph Haiti 1964 Haiti 13,84 s

Wind: −1,3 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Elfgard Schittenhelm Deutschland BR BR Deutschland 11,32 s
2 Irena Szewińska Polen 1944 Polen 11,33 s
3 Sylviane Telliez Frankreich Frankreich 11,36 s
4 Sonia Lannaman Vereinigtes Konigreich Großbritannien 11,45 s
5 Brenda Matthews Neuseeland Neuseeland 11,77 s
6 María Luisa Vilca Peru Peru 11,85 s
7 Claudette Powell Bahamas 1964 Bahamas 12,01 s
DNS Nadeschda Besfamilnaja Sowjetunion 1955 Sowjetunion

Datum: 1. September 1972, ab 15:00 Uhr[3]

Wind: +0,9 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Silvia Chivás Kuba Kuba 11,22 s
2 Raelene Boyle Australien Australien 11,30 s
3 Barbara Ferrell Vereinigte Staaten USA 11,38 s
4 Esther Shachamorov Israel Israel 11,46 s
5 Ellen Strophal Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,48 s
6 Anita Neil Vereinigtes Konigreich Großbritannien 11,58 s
7 Cecilia Molinari Italien Italien 11,63 s
8 Brenda Matthews Neuseeland Neuseeland 11,87 s

Wind: −0,5 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Renate Stecher Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,27 s
2 Irena Szewińska Polen 1944 Polen 11,49 s
3 Rosie Allwood Jamaika Jamaika 11,52 s
Ingrid Mickler-Becker Deutschland BR BR Deutschland
5 Sonia Lannaman Vereinigtes Konigreich Großbritannien 11,72 s
6 Pam Ryan Australien Australien 11,85 s
7 Hannah Afriyie Ghana Ghana 12,04 s
8 Laura Nappi Italien Italien 12,13 s

Wind: +0,2 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Annegret Irrgang Deutschland BR BR Deutschland 11,33 s
2 Eva Glesková Tschechoslowakei Tschechoslowakei 11,43 s
3 Alice Annum Ghana Ghana 11,45 s
4 Andrea Lynch Vereinigtes Konigreich Großbritannien 11,57 s
5 Sylviane Telliez Frankreich Frankreich 11,64 s
6 Mattiline Render Vereinigte Staaten USA 11,67 s
7 Marion Hoffman Australien Australien 11,78 s
8 Galina Bucharina Sowjetunion 1955 Sowjetunion 11,81 s
Wilma van Gool, frühere Wilma van den Berg, erreichte als Fünfte des vierten Viertelfinals nicht das Semifinale

Wind: −0,4 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Iris Davis Vereinigte Staaten USA 11,27 s
2 Elfgard Schittenhelm Deutschland BR BR Deutschland 11,42 s
3 Carmen Valdés Kuba Kuba 11,46 s
4 Ljudmila Scharkowa Sowjetunion 1955 Sowjetunion 11,46 s
5 Wilma van Gool Niederlande Niederlande 11,47 s
6 Iwanka Walkowa Bulgarien 1971 Bulgarien 11,48 s
7 Evelin Kaufer Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,55 s
8 Juana Mosquera Kolumbien Kolumbien 11,66 s

Datum: 2. September 1972, ab 15:00 Uhr[3]

Wind: −0,3 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Renate Stecher Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,18 s
2 Iris Davis Vereinigte Staaten USA 11,36 s
3 Eva Glesková Tschechoslowakei Tschechoslowakei 11,43 s
4 Alice Annum Ghana Ghana 11,47 s
5 Elfgard Schittenhelm Deutschland BR BR Deutschland 11,49 s
6 Carmen Valdés Kuba Kuba 11,52 s
7 Ingrid Mickler-Becker Deutschland BR BR Deutschland 11,53 s
8 Rosie Allwood Jamaika Jamaika 11,58 s

Wind: −0,1 m/s

Platz Name Nation Zeit
1 Raelene Boyle Australien Australien 11,32 s
2 Silvia Chivás Kuba Kuba 11,33 s
3 Annegret Irrgang Deutschland BR BR Deutschland 11,39 s
4 Barbara Ferrell Vereinigte Staaten USA 11,49 s
5 Esther Shachamorov Israel Israel 11,49 s
6 Irena Szewińska Polen 1944 Polen 11,54 s
7 Andrea Lynch Vereinigtes Konigreich Großbritannien 11,64 s
8 Ljudmila Scharkowa Sowjetunion 1955 Sowjetunion 11,67 s
Renate Stecher – mit ihren Siegen über 100- und 200 Meter Sprintkönigin von München

Datum: 2. September 1972, 17:30 Uhr[3]

Wind: −0,2 m/s

Platz Name Nation Zeit Anmerkung
1 Renate Stecher Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 11,07 s WRel / ORe
2 Raelene Boyle Australien Australien 11,23 s
3 Silvia Chivás Kuba Kuba 11,24 s
4 Iris Davis Vereinigte Staaten USA 11,32 s
5 Annegret Irrgang Deutschland BR BR Deutschland 11,38 s
6 Alice Annum Ghana Ghana 11,41 s
7 Barbara Ferrell Vereinigte Staaten USA 11,45 s
8 Eva Glesková Tschechoslowakei Tschechoslowakei 12,48 s

Als Favoritinnen galten v. a. die Europameisterin von 1971 und Weltrekordmitinhaberin Renate Stecher aus der DDR sowie die australische Olympiavierte von 1968, Raelene Boyle.

Renate Stecher hatte im Finale den besten Start und lag von Beginn an in Führung. Sie wurde ihrer Favoritenrolle voll gerecht und gewann mit deutlichem Vorsprung die Goldmedaille. Raelene Boyle wurde Zweite und lag dabei eine Hundertstelsekunde vor der kubanischen Bronzemedaillengewinnerin Silvia Chivás. Vierte wurde die US-Amerikanerin Iris Davis vor der bundesdeutschen Läuferin Annegret Richter.[4]

Die Siegerzeit stellte bei den elektronisch gemessenen Werten einen neuen Weltrekord dar – Wyomia Tyus war bei ihrem Olympiasieg in Mexiko-Stadt eine Hundertstelsekunde langsamer gewesen. Der auf Zehntelsekunden gerundete Weltrekordwert blieb jedoch unberührt. Auch bzgl. der Einordnung der Siegerzeit als olympischer Rekord muss differenziert werden. Unter dem Aspekt der elektronischen Messung lief Renate Stecher neuen Olympiarekord. Nach der bei Rekorden eigentlich noch gültigen Regelung der Rundung auf Zehntelsekunden wurde der olympische Rekord mit 11,1 s eingestellt.

Renate Stecher gelang der erste Olympiasieg einer DDR-Athletin über 100 Meter.
Silvia Chivás gewann die erste kubanische Medaille in dieser Disziplin. Chivás war gleichzeitig die erste Kubanerin, die in einer Einzelsportart eine Medaille gewinnen konnte.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c Athletics - Progression of outdoor world records (Women), 100 m – Women, sport-record.de (englisch), abgerufen am 22. September 2021.
  2. Offizieller Report 1972: Die Spiele, Band 3: Die Wettkämpfe (PDF; 28.754 KB) S. 43 (englisch, französisch, deutsch), abgerufen 3. Oktober 2021.
  3. a b c d Offizieller Report 1972: Die Spiele, Band 3: Die Wettkämpfe (PDF; 28.754 KB) S. 65 (englisch, französisch, deutsch), abgerufen 3. Oktober 2021.
  4. Athletics at the 1972 München: Women's 100 metres, archiviert bei wayback (Internet Archive), sports-reference.com (englisch), abgerufen 3. Oktober 2021.