Kreis Rosenberg in Westpreußen
Der Kreis Rosenberg in Westpreußen (abgekürzt Rosenberg i. Westpr.) war ein preußischer Landkreis, der von 1818 bis 1945 bestand. Das ehemalige Kreisgebiet liegt heute in der polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Kreisgebiet gehörte ursprünglich zu Ostpreußen. Nachdem Westpreußen im Zuge der ersten Teilung Polens 1772 zu Preußen gekommen war, wurde das Kreisgebiet als Teil des damaligen Kreises Marienwerder der neu geschaffenen Provinz Westpreußen zugeordnet. Im Rahmen einer umfassenden Kreisreform im Regierungsbezirk Marienwerder wurde zum 1. April 1818 aus dem Ostteil des Kreises Marienwerder der neue Kreis Rosenberg mit der Kreisstadt Rosenberg (Westpreußen) gebildet. Der Kreis umfasste die Städte Bischofswerder, Deutsch Eylau, Freystadt in Westpreußen, Riesenburg und Rosenberg, die Intendantur Riesenburg sowie 97 adlige Güter.[1]
Vom 3. Dezember 1829 bis zum 1. April 1878 waren Westpreußen und Ostpreußen zur Provinz Preußen vereinigt, die seit dem 1. Juli 1867 zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich gehörte.
Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrags am 10. Januar 1920, der Einrichtung des Polnischen Korridors auf westpreußischem Territorium und der damit verbundenen Auflösung der Provinz Westpreußen wurde der Kreis einstweilig dem Oberpräsidenten in Königsberg unterstellt. Zur Vorbereitung der Volksabstimmung am 1. Juli 1920 über die zukünftige Zugehörigkeit des Kreises wurde das Kreisgebiet bis zum 16. August 1920 der Interalliierten Kommission für Regierung und Volksabstimmung in Marienwerder unterstellt. Nach dem eindeutigen Ergebnis der Volksabstimmung verblieb der Kreis bei Deutschland. Zum 1. Juli 1922 wurde der Kreis Marienwerder in die Provinz Ostpreußen eingegliedert. Der Regierungsbezirk Marienwerder wurde aus Traditionsgründen in Regierungsbezirk Westpreußen umbenannt.
Zum 30. September 1929 fand im Kreis Marienwerder entsprechend der Entwicklung im übrigen Preußen eine Gebietsreform statt, bei der – bis auf zwei unbewohnte Forstgutsbezirke – alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden.
Mit dem 26. Oktober 1939 wurde der Kreis Rosenberg Teil des neu gebildeten Reichsgaus Westpreußen, der zum 2. November 1939 in „Reichsgau Danzig-Westpreußen“ umbenannt wurde. Der Regierungsbezirk führte jetzt zwar wieder die frühere Bezeichnung „Marienwerder“, war aber nicht mehr Bestandteil des Freistaats Preußen.
Im Januar 1945 eroberte die Rote Armee das Kreisgebiet und unterstellte es im März 1945 der Verwaltung der Volksrepublik Polen. Die deutsche Bevölkerung wurde in der Folgezeit aus dem Kreisgebiet vertrieben.
Bevölkerung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Folgenden eine Übersicht nach Einwohnerzahl, Konfessionen und Sprachgruppen:[2][3]
Jahr | 1821 | 1831 | 1852 | 1861 | 1871 | 1890 | 1900 | 1910 | 1925 | 1933 | 1939 |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Einwohner | 28.058 | 31.335 | 43.222 | 46.535 | 51.637 | 49.001 | 52.001 | 54.550 | 58.629 | 60.079 | 61.439 |
Evangelische Katholiken Juden |
23.820 3.902 282 |
27.939 2.933 412 |
38.846 3.606 731 |
42.450 3.070 971 |
46.961 3.678 931 |
42.753 5.400 695 |
44.494 6.767 588 |
46.060 7.862 414 |
52.469 5.501 360 |
53.806 5.839 241 |
53.999 5.989 39 |
deutschsprachig zweisprachig polnischsprachig |
26.190 - 5.145 |
35.513 - 7.709 |
40.182 - 6.353 |
44.005 1.253 3.724 |
47.599 793 3.591 |
50.194 870 3.451 |
Politik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Landräte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1818–1830Karl von Besser
- 1830–1844Alfred von Auerswald (1797–1870)
- 1845–1851Rodrigo zu Dohna-Finckenstein (1815–1900)
- 1851–1861Werner von Gustedt (1813–1864)
- 1861–1865Siegfried von Brünneck-Bellschwitz (1814–1871)
- 1865–1869Karl von Portatius (1835–1877) (kommissarisch)
- 1869–1882Magnus Roland von Brünneck
- 1882–1904Hans Albert von Auerswald
- 1904–1920Siegfried von Brünneck (1871–1927)
- 1920Hans Lorenz von Versen (1881–1931) (kommissarisch)
- 1920–1925Ferdinand Friedensburg (1886–1972)
- 1925–1935Herbert Kleine (1887–1978)
- 1935–1939Wolfgang Born (1903–?)
- 1939–1945Wilhelm Pukall (1907–1986)
Wahlen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Deutschen Reich bildete der Kreis Rosenberg zusammen mit dem Kreis Löbau den Reichstagswahlkreis Marienwerder 2. Der Wahlkreis wurde bis auf die Wahlen von 1890 und 1893, bei denen der polnische Kandidat siegte, von konservativen Kandidaten gewonnen.[4]
- 1871Rodrigo zu Dohna-Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1874 Rodrigo zu Dohna-Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1877 Rodrigo zu Dohna-Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1878 Rodrigo zu Dohna-Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1881 Rodrigo zu Dohna-Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1884 Rodrigo zu Dohna-Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1887 Rodrigo zu Dohna-Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1890Theophil Rzepnikowski, Polnische Fraktion
- 1893 Theophil Rzepnikowski, Polnische Fraktion
- 1898Eckart von Bonin, Freikonservative Partei
- 1903Julius Walzer, Freikonservative Partei
- 1907Konrad Finck von Finckenstein, Deutschkonservative Partei
- 1912Johannes Zürn, Freikonservative Partei
Kommunalverfassung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Kreis Rosenberg in Westpreußen gliederte sich in Städte, in Landgemeinden und Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 sowie der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 wurde zum 1. April 1935 das Führerprinzip auf Gemeindeebene durchgesetzt. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.
Städte und Gemeinden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Städte und Gemeinden 1945
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum Ende seines Bestehens im Jahr 1945 umfasste der Kreis fünf Städte sowie 77 weitere Gemeinden:[3]
- Bischofswerder, Stadt
- Bornitz
- Buchfelde
- Charlottenwerder
- Dakau
- Daulen
- Deutsch Eylau, Stadt
- Drulitten
- Faulen
- Finckenstein
- Freiwalde
- Freudenthal
- Freystadt i. Westpr., Stadt
- Frödenau
- Goldau
- Gramten
- Groß Babenz
- Groß Bellschwitz
- Groß Falkenau
- Groß Herzogswalde
- Groß Jauth
- Groß Nipkau
- Groß Peterwitz
- Groß Plauth
- Groß Rohdau
- Groß Schönforst
- Groß Sehren
- Groß Stärkenau
- Guhringen
- Gulbien
- Gunthen
- Hansdorf
- Harnau
- Heinfriede
- Heinrichau
- Hochfelde (Westpr.)
- Jacobsdorf
- Jakobau
- Kalitten
- Karrasch
- Klein Albrechtau
- Klein Radem
- Klein Schönforst
- Klein Sehren
- Klein Tromnau
- Konradswalde
- Langenau
- Languth
- Laskowitz
- Limbsee
- Ludwigsdorf i. Westpr.
- Luisenseegen
- Melchertswalde
- Montig
- Mosgau
- Neudorf
- Neuguth
- Peterkau
- Rahnenberg
- Raudnitz
- Riesenburg, Stadt
- Riesenkirch
- Riesenwalde
- Rosenau
- Rosenberg i. Westpr., Stadt
- Rothwasser
- Schakenbruch
- Schalkendorf
- Scheipnitz
- Schönberg
- Schönerswalde
- Schornsteinmühle
- Sommerau
- Sonnenberg i. Westpr.
- Stangenwalde
- Stein
- Stenkendorf
- Stradem
- Susannenthal
- Tillwalde
- Wachsmuth
- Winkelsdorf
Vor 1945 aufgelöste Gemeinden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bischdorf und Groß Ludwigsdorf, 1928 zur Gemeinde Ludwigsdorf zusammengeschlossen
- Klein Steinersdorf, 1936 zu Straden
- Polken, 1936 zu Klein Tromnau
- Waldkathen, 1928 zu Schornsteinmühle
- Wolfsdorf, 1934 zu Tillwalde
Namensänderungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Borreck, 1928 umbenannt in Hochfelde
- Grasnitz, 1938 umbenannt in Drulitten
- Pillichowo, 1927 umbenannt in Heinfriede
- Sobiewolla (Gutsbezirk), 1913 umbenannt in Eigenwill
- Stein-Caspendorf, 1928 umbenannt in Stein
- Sumpf, 1928 umbenannt in Kalittken, 1938 umbenannt in Kalitten
Persönlichkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Emil von Behring, erster Preisträger des Nobelpreises für Medizin, geboren am 15. März 1854 in Hansdorf
- Reichspräsident und Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, zuletzt ansässig auf Gut Neudeck und dort am 2. August 1934 gestorben
- Louis Sauerhering, Präsident der Klosterkammer Hannover, geboren am 5. November 1814 in Frödenau
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft III: Regierungsbezirk Marienwerder, S. 46–53, Kr. Rosenberg i. Westpr.
- Michael Rademacher: Westpreußen – Landkreis Rosenberg in Westpreußen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 49–50, Ziffer 3.
- Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 412–419.
- Emil Jacobson: Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Marienwerder, Danzig 1868, S. 114–125.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Landkreis Rosenberg i. Westpr. Verwaltungsgeschichte und Landratsliste, in: Rolf Jehke: Territoriale Veränderungen in Deutschland und deutsch verwalteten Gebieten 1874–1945, Herdecke. Zuletzt geändert am 27. Juli 2023.
- Kreisangehörige Gemeinden 1910 mit Einwohnerzahlen, in: Uli Schubert: Gemeindeverzeichnis, zuletzt geändert am 17. September 2022.
- GenWiki: Kreis Rosenberg (Westpreußen), Hrsg. Verein für Computergenealogie (CompGen) e. V. Köln. Zuletzt geändert am 6. Januar 2024.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Max Töppen: Historisch-comparative Geographie von Preussen. Justus Perthes, Gotha 1858, S. 354 (Digitalisat).
- ↑ Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Herder-Institut, Selbstverlag, Marburg 1998. S. 110
- ↑ a b Michael Rademacher: Kreis Rosenberg. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- ↑ Reichstag-Abgeordnetendatenbank, in: Münchener Digitalisierungs-Zentrum, Bayrische Staatsbibliothek.