Diskussion:Geschmack (Kultur)

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Letzter Kommentar: vor 1 Jahr von LukeTriton in Abschnitt Definition
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Definition

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Ist die hier verwendete Definition nicht sehr zweifelhaft? So gibt es Menschen, die halten Mitmenschen, die nicht Liebhaber einer bestimmten Musikrichtung sind, deshalb für "cretins". Andere verfahren genauso im Hinblick auf eine bestimmte andere Musikrichtung. Wer soll entscheiden, welche Musikrichtung vorzugwürdiger ist? Der Bundesgerichtshof? Der würde wohl eher feststellen, dass die Abqualifizierung eines Menschen als "cretin" stets diskriminierend und beleidigend ist, unabhängig davon, welchen Geschmack die jeweilige Person hat. Geschmack als ein Streben nach etwas "Höherem" oder gar als Merkmal von etwas "Höherem" zu betrachten, Impliziert doch wohl zugleich, dass es auch "Niedrigeres" und "Niedrigere", mithin "cretins" geben müsse, und dass der jeweilige Geschmack ein ausschlaggebendes Kriterium sein solle. Was soll an einer solchen Differenzierung weniger willkürlich sein, als nach Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sexueller Orientierung zu differenzieren und zu diskriminieren? Geschmäcker sind verschieden. Die Einteilung in "Höhere" und "Niedere" Geschmäcker sind aber doch wohl nichts anderes als bloße Einbildungen von intoleranten, autistischen, überheblichen, und vor allen Dingen extrem selbstverliebten Personen.

Das Konzept des „guten Geschmacks“ hat durchaus eine rational nachvollziehbare Grundlage. Es ist eng mit Bildung verbunden, ja, es ist eine Form von, es gehört zur Bildung. Ein „guter Geschmack“ ist ein acquired taste, wie der Engländer sagt: Ihn zu erwerben erfordert Mühe, man saugt ihn nicht mit der Muttermilch auf; und daher rührt der Stolz derjenigen, die ihn für sich beanspruchen, ganz wie sie auf ihre sonstige Bildung stolz sind, denn die erfordert ja ebenfalls Mühe. „Guter Geschmack“ hat somit aber auch einen egalitären und einen meritokratischen Aspekt: Im Grunde hat jeder die Möglichkeit, ihn zu erwerben, denn guter Geschmack erfordert nicht weniger, aber auch nicht mehr als Kompetenz, und der Zugang zur „Elite“ ist niemandem versperrt, der ernsthaft dazuzulernen bereit ist. Ob im Bereich der Musik, der Bildenden oder Darstellenden Künste, der Literatur, Mode, Küche, Architektur, Inneneinrichtung oder sonst in einem Bereich, wo es die freie Möglichkeit der Auswahl gibt, wo Kreativität möglich ist, und wo somit immer wieder neue zu beurteilende Varianten auftauchen: Kennertum ermöglicht ein sicheres Urteil und einen eigenen, individuellen Stil. Denn es gibt nicht nur einen, sondern viele „gute Geschmäcker“. Die Barockoper-Liebhaberin wird einen Free-Jazz-Aficionado respektieren, auch wenn er mit dieser Musik wenig anfangen kann, der mediterran orientierte Gourmet die Kennerin der vietnamesischen Küche, selbst wenn das Geschmackserlebnis ihm weniger zusagt, und der Fan anspruchsvoller Science-Fiction oder leidenschaftliche Dialektliteratur-Experte wird eine kompetente Querfeldeinleserin ebenfalls schätzen. Und sie werden sich alle wohl auch untereinander schätzen, und gemeinsame Interessen haben. (Viele – wenn auch nicht alle – Liebhaber bestimmter Musikrichtungen sind nicht nur ausgewiesene Kenner, sondern musizieren auch aktiv selbst; viele kulinarische Kenner sind Hobbyköche; so mancher leidenschaftliche und kompetente Leser mit einer ausgeprägten Meinung zu „guter Literatur“ und wissen daher, wovon sie reden und was sie loben und kritisieren.) Nichts ist dem auf seinen guten Geschmack stolzen Individuum mehr zuwider als der Herdentrieb, das blinde Nachäffen von selbsternannten Meinungsführern oder kurzlebigen Modeerscheinungen und das Hinterherlaufen hinter den neuesten Phänomenen und stromlinienförmigen Produkten der Massenkultur. Denn das kann jeder. Sicher urteilen und Unbekanntes, Ungewöhnliches entdecken erfordert intellektuelle Mühe – Nachforschungen und Überlegungen –, vor allem aber (Hintergrund-)Wissen und Erfahrung: Das kann nicht jeder, kann aber im Prinzip jeder lernen. Und wer sich all diese Mühe auf sich nimmt, ein neues Feld zu erforschen, sich auf zahlreiche Diskussionen einläßt, viel Neues lernt, und ein Gespür entwickelt, das nicht jeder hat; anstatt bei dem zu bleiben, was man von Kindesbeinen auf kennt (und somit nie Mühe investieren mußte, zu verstehen), das Offensichtliche zu verfolgen und sich von Massenmedien und Werbung leiten zu lassen, kurz, den Weg des geringsten Widerstandes zu nehmen: hat derjenige, der dies geschafft hat, nicht ein Recht, stolz darauf zu sein und Respekt von anderen dafür zu erwarten? Ist es nicht anerkennenswürdig, sich mit einem Bereich, einer Stilrichtung oder einzelnen Werken intensiv und tiefgehend auseinanderzusetzen und in diesem Bereich Objekte (Platten, Kochrezepte, Bücher ...) zu sammeln? Ist es denn nicht verständlich, daß man sich denjenigen (wenigstens in bestimmten Bereichen) überlegen fühlt, die all diesen Aufwand nicht betrieben haben?
Man beachte E-Musik, wo eine breite Definition gegeben wird, die durchaus unterschiedliche Geschmäcker im Bereich „ernsthafter“ Musik berücksichtigt. Man beachte auch den Begriff der Schöpfungshöhe, der auf einer grundlegenden Ebene anerkennt, daß nicht alle Werke gleich kreativ und somit schützenswert sind. Es gibt banale „Kunstwerke“, die selbst der Gesetzgeber nicht zu schützen bereit ist. Somit ist bereits im Gesetz verankert, daß nicht jedes (vorgeblich kreative) kulturelle Erzeugnis gleichermaßen Respekt oder Beachtung verdient, und daß triviale Popsongs an der Grenze zum Plagiat (ich sage nur Dieter Bohlen), auch wenn sie die vom Gesetzgeber geforderte Marke knapp übersteigen und so zumindest einen Mindeststandard erfüllen, dennoch nicht die gleiche schöpferische Leistung darstellen wie anspruchsvollere Werke. Über die Ungleichheit im Kreativen besteht somit ein breiter gesellschaftlich akzeptierter Konsens, denn ich habe noch keine grundsätzliche Kritik des Konzeptes der Schöpfungshöhe gelesen, auch wenn die untere Schwelle freilich heftig umstritten ist.
Ich möchte mit einem Zitat von Karl Valentin schließen: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Dasselbe gilt für den guten Geschmack. Wer ihn hat, weiß, daß nicht alle Kunst gleich viel Arbeit macht, und schätzt umso mehr diejenige, die tatsächlich viel Arbeit macht. Wer keinen guten Geschmack hat, kann das nicht so gut beurteilen, und ist deshalb leichter zufriedenzustellen. Das ist nicht unbedingt schlimm, aber auch nicht schön. Vor allem für Künstler, die sich viel Arbeit machen, aber kaum etwas verdienen, weil ihre Kunst nur ein Nischenpublikum anspricht, und deshalb verständlicherweise nicht gut auf diejenigen zu sprechen sind, die mit vergleichsweise geringem Aufwand und oberflächlichen Produkten Millionen einnehmen, und sich über die Massen ärgern, die diese seichten Elaborate gedankenlos konsumieren. Sollte künstlerische Leistung sich nicht ebenso lohnen wie jede andere Leistung?
Vielleicht hilft das, die Perspektive der „arroganten Kulturliebhaber“ zu verstehen, auch wenn man sie nicht teilen mag. Abgesehen davon ist es nicht intolerant und hat schon gar nichts mit Autismus zu tun, tiefschürfende Kunst gegen Geldmacherei mit oberflächlicher Unterhaltung zu verteidigen, oder einfach nur gelegentlich zu granteln, um seinem Unmut über die ignoranten Massen (also Leute, die nicht nur nichts dazulernen wollen, sondern pikanterweise auch noch stolz darauf sind und gegenüber den „arroganten Kulturliebhabern“ arrogant und abwertend auftreten – welch Ironie!) Luft zu verschaffen. (Aber vielleicht ist der anonyme Schreiber, dem ich hier antworte, ja doch bereit, dazuzulernen.) --Florian Blaschke (Diskussion) 13:44, 16. Aug. 2012 (CEST)Beantworten
Die IP(?) hat aber nicht unrecht, in en.WP ist dies wesentlich ausführlicher, belegter und auch im soziologischen Kontext aufgeführt, Stichwort hierzu wäre etwa auch Distinktion (Soziologie); der Artikel müsste eigentlich in eine QS einer Fachredaktion. Besonders krass ist die Zentrierung auf Hans-Georg Gadamer schon alleine in der Einleitung --In dubio pro dubio (Diskussion) 00:46, 23. Mai 2019 (CEST)Beantworten
Guter Geschmack als Ideal ist natürlich diskussionswürdig, weil nicht beweisbar. Das ist die Natur von Idealen. Die Geschmäcker sind verschieden. Der Dialektik ist also Tür und Tor geöffnet. Dennoch erscheint es unhaltbar, von fraglicher Neutralität zu sprechen, POV ist völlig daneben. Wenn der Begriff auch nicht logisch exakt in zwei Sätzen zu definieren ist, gehört er doch zum allgemeinen Vokabular, nicht erst seit Gadamer. Kant hat seine Kritik der Urteilskraft ursprünglich als «Kritik des Geschmackurteils» betitelt. Kant grenzte die Leistungen des Geschackurteils von den Verstandesleistungen ab. Guter Geschmack ist ebenso wie gesunder Menschenverstand ein allgemein anerkannter Begriff. Er bezieht sich allerdings auf Gefühlsbewertungen. Wer würde da von POV sprechen, auch wenn Gefühle etwas persönliches sind! --Anaxo (Diskussion) 01:39, 21. Nov. 2021 (CET)Beantworten
Ich habe auf Deine Ausführungen (Benutzer:In dubio) in der Diskussion zu Guter Geschmck geantwortet. --Anaxo (Diskussion) 01:56, 21. Nov. 2021 (CET)Beantworten
Habe nach langer Pause die Einleitung nach EN WP angepasst und in der Hoffnung die Neutralität verbessert zu haben, den Baustein entfernt. --LukeTriton (Diskussion) 23:38, 12. Apr. 2023 (CEST)Beantworten

Antonym "Geschmacklosigkeit"

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Mich würden die Anwendungen des Gegenbegriffs "Geschmacklosigkeit" interessieren, der oft nicht einfach als Verneinung von "Geschmack" gebraucht zu werden scheint.--Hammermatz (Diskussion) 19:28, 5. Dez. 2020 (CET)Beantworten

@Hammermatz: Auch "Geschmacklosigkeit" ist eine gängige Vokabel, die auf eine subjektive Wertung hinweist, nicht auf ein Fehlen von Geschmack, siehe den verlinkten Artikel. --Anaxo (Diskussion) 01:52, 21. Nov. 2021 (CET)Beantworten