Balkonkraftwerk
Ein Balkonkraftwerk (kurz BKW, in Deutschland ist gesetzlich auch der Begriff Steckersolargerät in § 3 Abs. 43 EEG[1] definiert) ist eine kleine Photovoltaikanlage zur Erzeugung von elektrischem Strom. Es besteht aus einem oder aus mehreren Solarmodulen, einem Wechselrichter, einer Niederspannungs-Anschlussleitung und einem Stecker zur Verbindung mit dem Endstromkreis im Netz eines Letztverbrauchers. Als Montageort wird häufig der Balkon, der Carport, das Garagendach oder die Terrasse genutzt. Der erzeugte Strom kann sofort genutzt werden, ungenutzte Elektrizität fließt vom Anschluss des Verbrauchers unvergütet in das öffentliche Netz.[2]
Technische Aspekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Pro „Entnahmestelle eines Letztverbrauchers“ (Stromzähler) dürfen nach § 8 Abs. 5a EEG Steckersolargeräte mit einer Wechselrichterleistung von bis zu 800 Watt (W) oder genauer 800 Voltampere (VA) Scheinleistung durch Laien installiert werden. Wenn der zugehörige Stromzähler über keine Rücklaufsperre verfügt, darf er in Deutschland vorübergehend bis zum Austausch rückwärts laufen.[3][4]
Für Deutschland empfehlen die VDE-Normen für Balkonkraftwerke einen speziellen „Einspeise-Stecker“, der nach außen isolierte Kontakte hat (Stand Dezember 2023). In der Praxis werden bei rund 80 Prozent aller Anlagen Schuko-Stecker zur Stromeinspeisung von Steckersolargeräten verwendet. Um die Sicherheit bei der Stromeinspeisung mit einem Schuko-Stecker zu gewährleisten, ist auf DGS-Sicherheitsstandards (DGS 0001:2023-01) oder auf die VDE-Produktnorm (VDE 0126-95) für den verwendeten Wechselrichter zu achten, so dass er über Sicherheitsschaltungen, die richtige Isolationskoordination und eine prompte Zwangsabschaltung verfügt, sobald der Stecker aus der Dose gezogen wird oder das Netz ausfällt (Komponenten zum Netz- und Anlagenschutz). Auf einen speziellen „Einspeise-Stecker“ ist zu achten, wenn seine Verwendung zwingende Voraussetzung für eine finanzielle Förderung ist. Das kann z. B. bei Förderzuschüssen von Kommunen, Landkreises oder Bundesländern der Fall sein.[4]
Der Wechselrichter eines Balkonkraftwerks nutzt das öffentliche Stromnetz als Referenz für die Wechselstromfrequenz und die Wechselspannung, die von ihm erzeugt wird. Bei Stromausfall kann der Wechselrichter die Solarenergie nicht mehr in Wechselstrom konvertieren, wenn diese Referenz fehlt. Aus Sicherheitsgründen ist das auch zwingend und gewollt, weil eine Stromeinspeisung bei Ausfall des öffentlichen Netzes ein Sicherheitsrisiko bei Reparaturen darstellt.[5]
In Deutschland, Österreich und in der Schweiz ist die Selbstinstallation erlaubt. In der Schweiz benachrichtigt man den Stromlieferanten. Dieser prüft dazu die Stromzähler-Tauglichkeit. In Deutschland ist der Betrieb durch eine VDE-Norm geregelt (VDE-AR-N 4105). In Österreich ist die Installation von Solarzellen durch ÖNORM (ÖNORM E 8001-4-712[23]) definiert.
Wirtschaftlichkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Balkonkraftwerke gelten gemeinhin für den Verbraucher als profitabel – sofern die Module richtig ausgerichtet und nicht verschattet werden. Außerdem fließen der Anteil des Eigenverbrauchs, der Strompreis des Stromversorgers und die Anschaffungskosten in die Renditeberechnung ein. Nach Schätzungen der Verbraucherzentrale amortisieren sich Balkonkraftwerke innerhalb von 3 bis 10 Jahren.[3]
Mit einer Anmeldung für die Einspeisevergütung, die technische Nachweise und Prüfungen notwendig macht, lässt sich mit einem Balkonkraftwerk auch mit der Netzeinspeisung Geld erwirtschaften. Diese Erträge decken allerdings häufig nicht die Kosten der einmaligen Installation eines Einspeisezählers und der jährlichen Zählergebühren.[6]
Politische Zielsetzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Steckersolargerät spart Energie und fördert damit das Staatsziel „Umweltschutz“ bzw. „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“; in Deutschland gemäß Artikel 20a GG.[7][8] Der Beitrag der Steckersolargeräte zur Energiewende ist laut Umwelt-Bundesamt quantitativ gering, aber auch qualitativ zu bewerten.[9] Balkonkraftwerke ermöglichen vielen Menschen eine aktive Teilhabe an der Energiewende. Letztverbraucher, die ein Balkonkraftwerk installiert haben, setzen sich mit ihrem Stromverbrauch und -bedarf auseinander. Das führe zu „Akzeptanzsteigerung und Demokratisierung der Energiewende“.[10]
Gesetzlicher Rahmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Europäischen Union werden gemäß der EU-Verordnung 2016/631[11] Balkonkraftwerke mit einer Wechselrichterleistung von bis zu 800 W gemäß dem Stromnetz als nicht relevant betrachtet. Daher besteht keine Verpflichtung zu einer Anmeldung beim oder Genehmigung durch den Netzbetreiber. In Deutschland ist das in § 8 Abs. 5a EEG mit der Formulierung „… zusätzliche gegenüber dem Netzbetreiber abzugebende Meldungen von Anlagen … können nicht verlangt werden“ umgesetzt. Ein Balkonkraftwerk muss in Deutschland lediglich innerhalb eines Monats nach Inbetriebnahme beim Marktstammdatenregister angemeldet werden.[4] Gemäß dem am 1. April 2024 veröffentlichten Merkblatt Registrierung für Balkonkraftwerke der Bundesnetzagentur sind im Marktstammdatenregister nach Anlage eines Nutzerkontos der Standort der Anlage, das Inbetriebnahme-Datum, die Modulleistung (bis 2000 Watt peak) und die Wechselrichterleistung (bis 800 W) anzugeben. Wird auch ein Stromspeicher betrieben, sind auch dessen technische Daten zu erfassen.[12]
Nach dem deutschen Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist der Hauseigentümer (Vermieter, Eigentümergemeinschaft) vor Installation eines Balkonkraftwerks zu fragen, wenn es außerhalb der Wohnung angebracht wird.[3] Seit 17. Oktober 2024 können Eigentümer[13] und Vermieter[14] ihre Zustimmung nicht mehr ohne triftigen Grund versagen. Berechtigte Vorgaben und Einschränkungen, die z. B. aus Bauvorschriften, Denkmalschutz, Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder dem Mietvertrag resultieren, sind einzuhalten.
In Deutschland ist seit 1. Januar 2023[15] nach § 12 Abs. 3 UStG für alle wesentlichen Komponenten und die Installation einer Photovoltaikanlage mit „nicht mehr als 30 Kilowatt (peak)“ die Umsatzsteuer auf 0 Prozent ermäßigt, wenn sie fest installiert ist. Erfasst sind mit dieser Regelung auch sogenannte Balkonkraftwerke mit einer Modulleistung von 300 Wp und mehr. Mobile Solarmodule (z. B. für Campingzwecke) mit einer Leistung unter 300 Wp sind dagegen nicht erfasst.[16]
Versicherung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Regelfall gehört ein Balkonkraftwerk zum Wohnungsinventar und ist z. B. bei Sturmschäden in der Hausratversicherung mitversichert. Werden durch das BKW Sachschäden bei Dritten oder Personenschäden verursacht, greift die Privathaftpflichtversicherung. Ob die vorhandenen Hausrat- und Haftpflichtversicherungen diese Risiken, falls sie nicht konkret benannt sind, tatsächlich absichern, ist im Einzelfall bei den Versicherungen zu erfragen.[3][17]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stecker-Solar-Simulator – Forschungsgruppe Solarspeichersysteme der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
- Energieerträge von PV-Anlagen – Geografisches Informationssystem für Photovoltaik der Europäischen Kommission
- Stecker- und Balkonsolar 1x1. (PDF) Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), 1. Mai 2024 .
- Schritt-für-Schritt-Anleitung des BalkonSolar e.V.
- Mikrowechselrichter-Datenbank (Der Akku Doktor)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rolf Behringer und Sebastian Müller: Balkon-Photovoltaik-Anlagen. ökobuch, Rastede 2023, ISBN 978-3-947021-35-2.
- Jörg Rippel: Balkonkraftwerke. Verstehen und einfach einsteigen. Rheinwerk, Bonn 2023, ISBN 978-3-8362-9843-8.
- Andreas Schmitz et al.: Balkonkraftwerke für alle. Der Leitfaden für die Energiewende zum Selbermachen. Selbstverlag, 2024, ISBN 979-8-32870-95-76.
Genannte Werke sollten zur allgemeinen Einführung und Abwägungen der Energieeffizienz dienen. Die gesetzlichen Vorschriften und bspw. verfügbare Technik zur Anbringung können sich nach Erscheinen der Fachliteratur geändert haben.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Eingefügt durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung vom 8. Mai 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 151) geändert worden ist.
- ↑ Balkonkraftwerke - Anschaffung, Installation und Wirtschaftlichkeit. 12. Januar 2024, abgerufen am 23. August 2024.
- ↑ a b c d Steckersolar: Solarstrom vom Balkon direkt in die Steckdose. Verbraucherzentrale NRW e.V., 8. Juli 2024, abgerufen am 14. August 2024.
- ↑ a b c Neue Gesetze und Normen für Steckersolar: Was gilt heute, was gilt (noch) nicht? Verbraucherzentrale NRW e.V., 8. Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024.
- ↑ Mariella Wendel: Balkonkraftwerk im Stromausfall nutzen – geht das? In: Home & Smart. homeandsmart GmbH, 4. März 2024, abgerufen am 13. August 2024.
- ↑ So funktioniert die Stromeinspeisung mit der Mini-PV-Anlage. Vattenfall Europe Sales GmbH, 4. Juni 2024, abgerufen am 13. August 2024.
- ↑ AG München Urteil vom 4. Oktober 1990, Az. 214 C 24821/90
- ↑ AG Stuttgart, Urteil vom 30. März 2021, Az. 37 C 2283/20
- ↑ Bis Ende 2023 betrug die Gesamtleistung aller PV-Anlagen 83,1 GW peak, davon BKW 0,19 GW peak, Aktuelle Einheitenübersicht. Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen, 2024, abgerufen am 21. August 2024.
- ↑ Steckersolargeräte (Balkonkraftwerke). In: Umweltbundesamt Themen. Bundesrepublik Deutschland, 4. Juni 2024, abgerufen am 16. August 2024.
- ↑ EU-Verordnung 216/631
- ↑ Bundesnetzagentur warnt vor mangelhaften Solarwechselrichtern für Balkonanlagen, Bundesnetzagentur, 9. Juni 2023.
- ↑ Ergänzung § 20 Abs. 2 Nr. 5 WEG
- ↑ Ergänzung des § 554 Abs. 1 BGB
- ↑ Ergänzung des § 12 Abs. 3 UStG
- ↑ FAQ „Umsatzsteuerliche Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen“. Bundesministerium der Finanzen, 17. Oktober 2023, abgerufen am 13. August 2024.
- ↑ Balkonkraftwerk Versicherung – das ist zu beachten. In: Home & Smart. homeandsmart GmbH, 28. April 2023, abgerufen am 12. August 2024.