Laufwasserkraftwerk
Ein Laufwasserkraftwerk ist ein Wasserkraftwerk, bei dem der Zufluss oberhalb des zugehörigen Stauwehrs und der Abfluss unterhalb des Kraftwerks im Regelbetrieb stets gleich sind, also kein Aufspeichern von Wasser zur ökonomischeren Nutzung bei Verbrauchs- und Zuflussschwankungen erfolgt. Andere Namen sind Laufkraftwerk oder auch Flusskraftwerk.
Geschichte
Im Jahre 1767 stellte der englische Bauingenieur John Smeaton das erste Wasserrad aus Gusseisen her. 1853 wurde an den Niagarafällen elektrische Energie erzeugt, und 1896 entstand hier das erste Großkraftwerk der Welt. 1880 erbaute man in Nordengland das erste Wasserkraftwerk.
In Österreich entstand unter dem Erfinder Friedrich Wilhelm Schindler bereits 1884 ein kleines Wasserkraftwerk, aus dem sich später die Vorarlberger Kraftwerke entwickelten. Bereits ein Jahr zuvor soll ein kleines Kraftwerk bei New York entstanden sein.
Die Internationale Elektrotechnische Ausstellung die vom 16. Mai bis zum 19. Oktober 1891 stattfand wurde der Durchbruch für die erste Drehstromübertragung, das stromerzeugende Flusskraftwerk stand in Lauffen am Neckar.
Die Elektricitäts-Werke Reichenhall waren Deutschlands erstes Laufwasserkraftwerk und wurden am 15. Mai 1890 in Bad Reichenhall in Betrieb genommen. Es war auch das erste Wechselstrom-Kraftwerk („für öffentliche Beleuchtung“) in Deutschland und das erste E-Werk in Bayern.[1] Als durch den Bau der Staumauer 1912 für das Saalachkraftwerk zahlreiche Mühlbäche in der Stadt trocken fielen, wurde in der Folge das alte Kraftwerk aufgegeben und abgerissen. Als Ersatz wurde aus dem Saalachkraftwerk auch Strom an die Stadt geliefert. Dies erklärt, warum im Saalachkraftwerk bis heute sowohl Bahnstrom mit 16,7 Hz als auch Netzstrom mit 50 Hz erzeugt wird.
Bayerns zweitältestes Laufwasserkraftwerk in Schöngeising ist seit dem Jahr 1892 in Betrieb. Es entstand nach den Plänen von Oskar von Miller, dem Sohn von Ferdinand von Miller in zweijähriger Bauzeit. Es wurde an der Stelle einer zum Verkauf angebotenen Mühle an der Amper errichtet. Mit dem Strom aus anfänglich zwei Knop-Turbinen wurde die nahegelegene Kreisstadt Fürstenfeldbruck als einen der ersten Orte Bayerns für eine Straßenbeleuchtung versorgt. Mit inzwischen drei Francis-Turbinen aus den Jahren 1911/22/27 und zwei Generatoren (1922/27) liefert das Kraftwerk der Stadtwerke Fürstenfeldbruck seit über 120 Jahren im Dauerbetrieb Energie für den Landkreis. Das durchschnittliche, jährliche Regelarbeitsvermögen beträgt 2000 MWh. Das historische Amperkraftwerk steht unter Denkmalschutz und kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden.
Das Flusskraftwerk Stallegg liegt in der Wutachschlucht unterhalb von Göschweiler und ist durch den Schluchtensteig erreichbar. Es wurde 1895 in Betrieb genommen. Es ist noch vor dem inzwischen abgebrochenen Kraftwerk Rheinfelden das drittälteste Flusskraftwerk Deutschlands und steht unter Denkmalschutz.
In der Schweiz gab es 1895 bereits 88 Elektrizitätswerke. Ein 1895 geplantes Wasser- und Elektrizitätswerk, dessen Girardturbinen von einem Seitenkanal der Wutach angetrieben wurden, ging im Januar 1896 in Wunderklingen in Betrieb.[2] Es wurde 1968 durch ein modernes Werk ersetzt, welches seit 1971 in Betrieb ist.
Funktionsweise
Das Flusswasser wird durch eine Wasserturbine geleitet, die die potentielle Energie des Wassers in eine mechanische Drehbewegung umwandelt. Diese Drehbewegung treibt einen Generator an. Um die Gefällehöhe zu steigern, wird mittels einer Wehranlage das Flusswasser aufgestaut. Der Wasserstand im entstehenden Rückstauraum wird während des Betriebs konstant gehalten. Die Fallhöhe als Höhenunterschied zwischen Oberwasser und Unterwasser sowie die Ausbauwassermenge bestimmen die installierte Leistung und das Arbeitsvermögen des Kraftwerkes. Ein Diffusor am Austritt der Wasserturbine vergrößert den Wirkungsgrad bei gegebenem Höhenunterschied, verstärkt aber auch auf Grund seiner Vakuumbildung die Gefahr von Turbinenschäden durch Kavitation.
Durch eine Stauanlage wird Wasser im Stauraum auf möglichst hohem potentiellen Niveau zurückgehalten. Die Energie der Bewegung des abfließenden Wassers wird auf eine Wasserturbine oder ein Wasserrad übertragen, wodurch dieses in Drehbewegung mit hohem Drehmoment versetzt wird. Dieses wiederum wird direkt oder über ein Getriebe an die Welle des Generators weitergeleitet. Der Generator wandelt die mechanische Energie in elektrischen Strom um. Für den Antrieb des Generators werden gewöhnlich Kaplan- und Francis-Turbinen verwendet. Weitere Bauteile sind abhängig von Größe und Bauart des Elektrizitätswerkes.
Typen
Da die Fallhöhe meist gering ist, handelt es sich um den Typ Niederdruckkraftwerk. Ihre Leistung wird hauptsächlich durch große Durchflussmengen erzielt. Das Speichern und damit die Regelung von Durchfluss und Stromproduktion ist nur in besonderen Fällen möglich.
Schwellbetrieb
Bei Laufkraftwerken mit Schwellbetrieb wird das Wasser über einige Stunden im Stauraum gesammelt und nur zu bestimmten Stunden turbiniert. Damit kann die Turbine im optimalen Wirkungsgrad gefahren werden. Des Weiteren gibt es dadurch die Möglichkeit, Strom vorrangig dann zu erzeugen, wenn er auch benötigt wird. Da Schwellbetrieb während der Anstauphase das Unterwasser trocken fallen lässt und damit erhebliche ökologische Probleme hervorrufen kann, ist er heute nur noch mit einem unterhalb gelegenen Ausgleichsbecken genehmigungsfähig.
Ausleitungskraftwerke
Bei einer Ausleitungsanlage wird das durch die Wehranlage aufgestaute Wasser über einen Kanal oder Stollen zum Krafthaus geleitet, welches nicht direkt bei der Wehranlage steht. Dadurch wird meist der Flusslauf stark verkürzt, um damit Fallhöhe zu gewinnen. So wird beim Innkraftwerk bei Imst durch einen 12,3 km langen Druckstollen die Innschleife bei Landeck abgeschnitten und damit eine Fallhöhe von 143,5 m erzielt.
Trinkwasserkraftwerk
Eine Besonderheit stellt das Wasserleitungskraftwerk Gaming in Gaming (Niederösterreich) dar. Das Wasser der II. Wiener Hochquellenwasserleitung überwindet zwischen Lunz am See und Gaming ein Gefälle von 220 m. Über eine 600 m lange Rohrleitung wird das Wasser zur Stromerzeugung genutzt und setzt danach seinen Weg nach Wien fort.
Diesen Typ bezeichnet man auch als Entspannungsturbine, deren Einsatz häufig im Trinkwassersystem erfolgt. Hierbei wird der Druckunterschied im Rohrleitungsystem zwischen Hochbehälter und Verteilsystem genutzt. Auf den Einsatz von Druckminderern kann verzichtet werden und ein Teil der für das Pumpen des Wassers in den Hochbehälter benötigten Energie kann wieder zurückgewonnen werden.
Buchtenkraftwerk
Sehr häufig findet sich das so genannte Buchtenkraftwerk, wobei es sich um eine Sonderform der Blockbauweise handelt. In diesem Fall befindet sich das Kraftwerk in einer künstlichen Bucht am natürlichen Flusslauf. Sinnvoll kann auch die Anordnung an der geschiebefreien Außenseite einer Flusskrümmung sein. Vorteil dieser Bauweise ist, dass der Flussquerschnitt nicht verengt wird und eventuell auftretende Hochwässer sicher abfließen können.
Wasserrad
Wasserräder sind die älteste Form der Laufwasserkraftwerke. Da sie bei kleinen Fallhöhen und kleinen Wassermengen Wirkungsgrade besitzen, die mit denen von Turbinen vergleichbar sind, werden sie auch heute noch eingesetzt. Wasserräder können ohne Regelung und mit stark schwankenden Wassermengen ohne nennenswerte Beeinträchtigungen des Wirkungsgrades laufen. Daher können sie unter bestimmten Bedingungen eine höhere Jahresarbeit als Turbinen aufweisen.
Wasserwirbelkraftwerk
Die kleinste Form eines Kleinwasserkraftwerks ist zurzeit das Wasserwirbelkraftwerk. Bei diesem Typ wird einem fließenden Gewässer mit Hilfe einer kurzen Betonrampe Wasser abgezweigt und einem kreisrunden Betonbecken mit Abfluss zugeführt. Der dabei entstehende Wasserwirbel treibt einen speziell geformten Wirbelrotor an, der durch die entstehende Drehkraft Strom erzeugt.
Laufwasserkraftwerk ohne Schwellbetrieb
Strom-Boje
Eine Strom-Boje wird einfach in den Fluss gehängt und verändert das Landschaftsbild nicht. Eine solche Boje kann auch in Flussabschnitten eingesetzt werden, in denen herkömmliche Wasserkraftwerke nicht errichtet werden können.
Wasserkraftschnecke
Wasserkraftschnecken kommen mit geringen Wassermengen und geringen Höhenunterschieden aus, werden aber auch bei hohem Gefälle eingesetzt. Die Wassermenge kann stark schwanken.
Schachtkraftwerk
Auch Schachtkraftwerke eignen sich für sehr kleine Fallhöhen. Es eignet sich durch die einfache Technik für dezentrale Anlagen in Entwicklungsländern. Zum Einsatz kommt eine DIVE-Turbine. Die TU München optimiert diesen Bautyp in ihrer Versuchsanstalt in Obernach.[3]
Ökonomie
Stromproduktion
Laufwasserkraftwerke erzeugen rund um die Uhr Strom und werden daher zur Abdeckung der Grundlast verwendet. Hochwasser und Niedrigwasser vermindern die Leistung. Bei Hochwasser verringert sich die Fallhöhe, weil der Wasserspiegel unterhalb der Wehranlage ansteigt. Bei Niedrigwasser verringert sich der Durchfluss. Im Winter ist die Stromproduktion, bedingt durch die geringere Wasserführung der Flüsse, geringer als im Sommer. Durch die meist gute Auslastung der Turbinen (> 50 %) und gleichzeitig geringe Betriebskosten erzeugen Laufkraftwerke kostengünstigen Strom. In Deutschland stehen Laufwasserkraftwerke und Speicherkraftwerke mit einer installierten Leistung von 4215 MW (6 %) zur Verfügung, die in 4430 Stunden eine Stromproduktion von 18,6 TWh liefern.
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Ökologie
Laufwasserkraftwerke erzeugen Strom aus erneuerbarer Energie. Oft entstehen aber durch Bau und Betrieb massive Eingriffe in die Umwelt, die zu nachhaltiger Veränderung der Ökologie führen können. Es ist mit Folgen wie dem Verlust der natürlichen Flussdynamik, Verringerung des Schottertransportes, dem Ausfall von ökologisch wichtigen Überflutungen, einer daraus resultierende Verringerung des Nährstoffeintrages in angrenzende Augebiete etc. zu rechnen.
Eine besondere Form des Laufwasserkraftwerkes ist die Strom-Boje. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind im Vergleich zu konventionellen Laufwasserkraftwerken gering.
Siehe auch
Große Laufkraftwerke:
Literatur
- Toni Schmidberger: Das erste Wechselstrom-Kraftwerk in Deutschland, Bad Reichenhall 1984
Einzelnachweise
- ↑ Toni Schmidberger: Das erste Wechselstrom-Kraftwerk in Deutschland, 1984, S. 9-33
- ↑ Roland Cadario, Das Wasser und Elektrizitätswerk von Hallau WEH in: Geschichte von Hallau, Gemeinde Hallau (Hrsg.), S. 216 ff.
- ↑ Sauberen Strom für alle: Ein Visionär entwickelt Klein-Wasserkraftwerke, nano (3sat) vom 12. Mai 2010
Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft, Institut für Wasser und Umwelt, TU München
dive-turbine.de
Weblinks
- Funktionsweise eines Ausleitungskraftwerkes, Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke eG
- Laufwasserkraftwerke in Deutschland, energiewelten.de
- Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit: Die Wettbewerbsfähigkeit von großen Laufwasserkraftwerken im liberalisierten deutschen Strommarkt (PDF; 9,4 MB) Endbericht (Langfassung), November 2003 (von Fichtner, Stuttgart)
- Laufkraftwerk Strom-online
- Wasserkraft contra Umwelt?, Sueddeutsche.de
- Fischsterben durch Wasserkraft nano (3sat)