Kernkraftwerk Fessenheim

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Kernkraftwerk Fessenheim
Kernkraftwerk Fessenheim mit den beiden Reaktorgebäuden (Aufnahme von Südosten, 2010), im Vordergrund der Rheinseitenkanal, dazwischen liegen die zwei Lager- und Abklingbecken für die Brennstäbe.
Kernkraftwerk Fessenheim mit den beiden Reaktorgebäuden (Aufnahme von Südosten, 2010), im Vordergrund der Rheinseitenkanal, dazwischen liegen die zwei Lager- und Abklingbecken für die Brennstäbe.
Lage
Kernkraftwerk Fessenheim (Frankreich)
Kernkraftwerk Fessenheim (Frankreich)
Koordinaten 47° 54′ 13″ N, 7° 33′ 45″ OKoordinaten: 47° 54′ 13″ N, 7° 33′ 45″ O
Land Frankreich
Daten
Eigentümer Electricité de France
Anteilseigner des Kernkraftwerks Fessenheim (F)
Betreiber Electricité de France
Projektbeginn 1970
Kommerzieller Betrieb 1. Jan. 1978
Stilllegung Ende 2016 (angekündigt)

Aktive Reaktoren (Brutto)

2  (1800 MW)
Eingespeiste Energie im Jahr 2010 11.700 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme 350.847 GWh
Stand 1. Juli 2010
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.
f1

Das Kernkraftwerk Fessenheim (französisch Centrale Nucléaire de Fessenheim, Kürzel FSH) ist eine französische Nuklearanlage aus den 1970er Jahren, bestehend aus zwei Druckwasserreaktoren; es ist das älteste und leistungsschwächste noch in Betrieb befindliche französische Kernkraftwerk.[1]

Das Kraftwerk befindet sich knapp zwei Kilometer südöstlich des Ortes Fessenheim (Haut-Rhin/Oberelsass) am Rheinseitenkanal (Grand Canal d’Alsace), gut einen Kilometer westlich der Grenze zu Deutschland, etwa je knapp 25 Kilometer entfernt von den Städten Colmar und Mülhausen (F) sowie Freiburg im Breisgau (D).

Am 14. September 2012 gab der französische Staatspräsident François Hollande bekannt, dass das Kernkraftwerk Ende 2016 stillgelegt werden solle.[2] Er betonte, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben sollten.[3] Im Herbst 2012 benannte er einen „Stilllegungsbeauftragten“.[4]

Planung

1962 schlug die EDF erstmals den Bau eines Kernkraftwerks in Fessenheim vor. Der deutsche Energieversorger RWE zeigte daran kurzzeitig Interesse, sah dann aber zugunsten des Baus eines Kernkraftwerks in Biblis von einer Zusammenarbeit ab. Die Firmen Siemens und Babcock beteiligten sich zusammen an dem Projekt und schlugen einen gasgekühlten graphitmoderierten Reaktor vor, ähnlich den französischen Modellen, mit einer Leistung von 500 MW und Natururan als Brennstoff. Die Groupement Atomique Alsacienne Atlantique (GAAA) änderte den Reaktortyp geringfügig und erhöhte die Leistung auf 750 MW. Da sich allerdings der französische Staat mittlerweile auf Leichtwasserreaktoren des US-Herstellers Westinghouse konzentrierte, wurden keine staatlichen Subventionen für die Anlage bereitgestellt. Man wollte allerdings weiter versuchen, sie ohne diese Hilfen zu errichten.[5]

Im Jahre 1967 wurde für beide Reaktoren eine Baugenehmigung ausgefertigt, doch 1969 seitens der EdF zugunsten von Leichtwasserreaktoren storniert. Ein Aspekt hierfür sind die Erzeugungskosten, die mit denen der Leichtwasserreaktoren nicht mithalten konnten. Siemens legte zwar noch ein Folgeangebot mit der Planung von Leichtwasserreaktoren vor, jedoch entschied man sich in Frankreich für die Modelle von Westinghouse.[5]

Betrieb

Funktionsschema eines Druckwasserreaktors ohne Kühlturm

Seit 1977 sind zwei Druckwasserreaktoren mit je 880 Megawatt elektrischer Nettoleistung in Betrieb.[6] Fessenheim ist damit das älteste noch in Betrieb befindliche Kernkraftwerk Frankreichs.[7] Seit Inbetriebnahme wurden über 350 TWh elektrischer Energie erzeugt (Stand 2010)[8].

Betreiber

Der EDF gehören 67,5 % der Anlage. Energie Baden-Württemberg (EnBW) (vormals Badenwerk) hält 17,5 % der Anteile. Der Anteil beinhaltet eine Beteiligung von 17,5 % an den Betriebs- und Investitionskosten und im Gegenzug den Erhalt von 17,5 % der Stromproduktion[9][10] (so genannte „virtuelle Kraftwerksscheibe“). 2009 bzw. 2010 wurden aus kartellrechtlichen bzw. technischen[11] Gründen die Bezugsrechte an Fessenheim gegen Strombezugsrechte aus anderen deutschen Kraftwerken getauscht[9][10][12] (im Rahmen eines so genannten Swaps). 17,5 % der fixen sowie der variablen, also der Investitions-, Betriebs-, Nachrüstungs- und Reparaturkosten des Kraftwerkes liegen allerdings nach wie vor bei der EnBW.

Die verbleibenden 15 % der Anteile hält ein Konsortium dreier schweizerischer Unternehmen; mit jeweils 5 % sind dies die Schweizer Energiekonzerne Alpiq, Axpo und BKW FMB Energie (bis 1996: BKW, Bernische Kraftwerke).[13][14]

Ertrag

Laut Aussage der Bürgermeisterin der Gemeinde Fessenheim vom April 2012 führt die EDF jährlich Gewerbesteuern in Höhe von 5,5 Millionen Euro ab;[15] der amtierende Kernkraftwerkdirektor nennt einen Betrag von 400 Mio. Euro als Jahresgewinn.[16][17]

Emissionen

Radionuklide

Die zulässigen Jahresgrenzwerte für die Abgabe von radioaktiven Gasen aus dem laufenden Betrieb des Kernkraftwerks in die Luft liegen für Tritium und Edelgase laut EDF bei 1.480 Terabecquerel (TBq, ein TBq = eine Billion Bq); für Jod und andere Elemente bei 111 Gigabecquerel (GBq, ein GBq = eine Milliarde Bq). Über das Abwasser dürfen jährlich bis zu 74 TBq Tritium sowie 925 GBq Jod und andere Elemente in den Rheinseitenkanal abgegeben werden.[18] 2009 hat das Kernkraftwerk nach Angaben der Badischen Zeitung gut 24 TBq Tritium in den Rhein abgegeben.[19]

Wärmelast

Der gesetzliche Grenzwert für die Erwärmung des Rheinseitenkanals aus dem Kühlwasser der Reaktoren liegt bei 4 K; der Maximalwert für den Unterlauf bei 30 °C.[18] Das Kernkraftwerk belastet während seines Betriebes den Rhein mit einer Abwärme von geschätzt bis zu 3.622 MW. Es war damit bis zum deutschen Atomausstieg 2011 nach den Kernkraftwerken Biblis und Philippsburg die drittgrößte maximale Wärmebelastung für den Rhein.[20] Im Hitzesommer 2003 kam es zu einer zusätzlichen Erhöhung der Wassertemperatur des Rheinseitenkanals unterhalb der Kühlwassereinleitung von bis zu 1,7 °C.[21] Im Gegensatz zu anderen Kraftwerken fehlt hier eine Rückkühlmöglichkeit des zum Betrieb notwendigen Kühlwassers mittels eines Kühlturmes.

Strahlung

Besonders durch die Verwendung von hochradioaktivem Material wird im Betrieb und auch später im Atommüll Strahlung freigesetzt.

Zehnjahresinspektionen

Für jeden Reaktorblock muss das Kernkraftwerk alle zehn Jahre den Sicherheitsnachweis erbringen, dass die Anlagen mit funktionierender Technik ausgestattet sind sowie den aktuellen Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Block I

Block I war zwischen Oktober 2009 und März 2010 für seine dritte Zehn-Jahres-Revision heruntergefahren. Im Juli 2011 bestätigte die französische Atomaufsicht ASN die Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung des Reaktorblockes 1 für weitere zehn Jahre.[22] Dazu müssten bis zum 30. Juni 2013 neben ca. 40 weiteren Auflagen[23] die Bodenplatte des Reaktors verstärkt werden, um ihre Sicherheit gegen ein Durchschmelzen des Reaktorkernes zu erhöhen und bis zum 31. Dezember 2012 eine Vorrichtung installiert werden, welche die dauerhafte Abfuhr der Restwärme auch bei einem Ausfall der Kühlsysteme gewährleistet.[24] Die endgültige Entscheidung sollte zunächst im Herbst, dann am Ende des Jahres nach Beendigung der beiden Teile des EU-weiten Kernkraftwerke-Stresstestes[25] von der französischen Regierung getroffen werden.

Stromproduktion des AKW Fessenheim 1977 bis 2010

Der Reaktor I wurde in der Nacht vom 6. auf den 7. November 2011 wieder angefahren.[26]

Block II

Block II wurde für seine dritte 10-Jahresrevision am 16. April 2011 heruntergefahren: für die Revision wurden mehrere tausend Leiharbeiter beschäftigt. Die Kosten beliefen sich auf über 200 Mio. Euro: vor allem wurden drei Dampfgeneratoren ausgetauscht[27]; außerdem Prüfungen an den Schweißnähten vorgenommen und eine Druckprüfung am Containment durchgeführt.[28] Am 6. März 2012 wurde Block II wieder „hochgefahren“.[29]

Daten der Reaktorblöcke

Das Kernkraftwerk Fessenheim besteht aus zwei Blöcken:

Reaktorblock[6] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Erste
Kritikalität
Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Fessenheim I Druckwasserreaktor 880 MW 920 MW 1. September 1971 07.03 1977[30] 6. April 1977 1. Januar 1978
Fessenheim II Druckwasserreaktor 880 MW 920 MW 1. Februar 1972 27. Juni 1977[31] 7. Oktober 1977 1. April 1978

Der Reaktordruckbehälter hat einen Durchmesser von 3,988 Metern, eine Höhe von 12,332 Metern und verfügt über eine Wandstärke von 200 mm. Gefertigt wurde er aus der Stahlsorte SA-508 der Güteklasse drei und ist für einen Druck von 172,4 bar bei einer Temperatur von 343 °C ausgelegt.[32]

Risiken

Die EU führte 2011/12 einen Stresstest für Kernkraftwerke durch: Im Rahmen dieser Untersuchung (in der EU stehen an 68 AKW-Standorten 134 Reaktoren: davon wurden 24 Standorte persönlich geprüft) wurde auch das KKW Fessenheim von ausländischen Atomexperten in einer sog. Peer Review besucht.[33][34] Die Ergebnisse wurden im Oktober 2012 bekannt gegeben.[35] Dem Kernkraftwerk Fessenheim werden dabei unter anderem die folgenden Mängel bescheinigt:

  • Die Erdbebensicherheit des Kernkraftwerks Fessenheim ist geringer als bei allen deutschen Kernkraftwerken.
  • Im Falle einer Überflutung, die so stark ist, dass sie nur alle 100.000 bis eine Million Jahre auftritt, ist der Verlust zentraler sicherheitstechnisch wichtiger Einrichtungen möglich.
  • Aufgrund der Positionierung der sicherheitstechnischen Systeme weit unterhalb des Niveaus des Rheinkanals besteht Überflutungsgefahr für das gesamte Anlagegelände.
  • Dass die zentral wichtigen Sicherheitsfunktionen sowohl der sekundärseitigen Wärmeabfuhr als auch der primärseitigen Kühlmittelergänzung von jeweils nur einem Behälter pro Block abhängen, wird als besonders relevantes Risiko bewertet.[36]

Bei diesem Stresstest schneidet Fessenheim laut Presse unter den französischen Kraftwerken trotz dieser Mängel als eines der sichersten ab.[37] Als Folge mussten auch in Fessenheim zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Diese verlängern aber laut der französischen Atomaufsicht die Lebensdauer der beiden Reaktoren um weitere 10 Jahre.[38]

60 Atomkraftgegner von Greenpeace gelangten am 18. März 2014 mit einer selbstgebauten Brücke von einem LKW-Container aus über den Stacheldrahtzaun auf das Gelände des AKW und warfen damit weitere Sicherheitsfragen auf. Seitens der französischen Behörden-vom Colmarer Präfekt Stéphane Bouillonhieß-wurde behauptet, es habe zu keinem Zeitpunkt ein Sicherheitsrisiko bestanden. Demonstranten seien nur aufs Dach des Reaktorgebäudes geklettert, einen Zugang in die Räumlichkeiten hätten sie nicht gehabt.[39]

Lager- und Abklingbecken für Brennstäbe

Im Juli 2011 gab die französische Atomaufsicht bekannt, dass sie einer Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks positiv gegenüberstehe: unter anderem allerdings unter der Bedingung, dass zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen für die Lager- und Abklingbecken getroffen werden, da es Unsicherheiten gäbe, ob die im Falle eines Dammbruchs betroffenen Kühlsysteme standhalten würden.[40][41][42]

Containment

Die Überprüfung des Sicherheitsbehälters ergab laut der im Laufe des Gutachtens im Juni 2010 durchgeführten Dichtigkeitsprüfungen, dass sich der gemessene Leckage-Wert (siehe Dichtheitsprüfung) innerhalb der erlaubten Grenzen befindet. Generell weist aber der Behälter durch die veraltete Bauweise ein geringeres Volumen auf als moderne Sicherheitsbehälter.[43] Standardmäßig hält das Containment einen Druck von 3,73 bar stand. Der Raum innerhalb des Containments hat eine Höhe von 53,5 Metern und einen Durchmesser von 39 Metern.[32]

Erdbeben

Lage des Kernkraftwerks im Oberrheingraben auf dem Oberrhein-Aquifer (Fósse rhénan)
Karte der Erdbebenzonen in Deutschland

Die Direktion des Kernkraftwerkes betrachtet das so genannte Basler Beben des Jahres 1356 als Referenzbeben für die Auslegung der Erdbebensicherheit des Kernkraftwerks.[44] Es gilt als das bisher stärkste historisch belegte Beben Mitteleuropas sowie als das älteste historische Erdbebenereignis nördlich der Alpen.[45] In der Region Basel (CH) kam es wiederholt zu stärkeren Erdbeben. Die Stärke des Basler Bebens wird mittlerweile anhand von historischen Aufzeichnungen auf eine Stärke zwischen 9 und 10 auf der MSK-Skala und etwa 6,2 bis 6,7[46] auf der Richterskala geschätzt.[47][48][49][50]

Die Schweiz geht dabei in Studien bisher von der hoch gerechneten Möglichkeit des Eintretens eines Erdbebens der Stärke 6,0 bis 6,5 alle 100 und von einem der Stärke 6,5 bis 7,0 alle 1000[51] bis 3000[52] Jahre aus; die Erschütterungen wären dabei allerdings wegen der geringeren Entfernung heftiger als z.B. bei dem Beben der Stärke Neun vor Fukushima.[52] Die Schweiz verlangt für ihre Kernkraftwerke die Auslegung der Erdbebensicherheit auf mindestens ein Beben der Stärke 7; nach einem schweren Erdbeben in Japan im Jahr 2007 wurden die Erdbebenrisiken in der Schweiz im Rahmen der so genannten Studie Pegasos neu, dabei doppelt so hoch wie vorher bewertet.[53]

Der Oberrheingraben ist ein seismisch aktives Gebiet, die Reaktoren des Kernkraftwerkes liegen am Rand einer in Deutschland nach DIN 4149 mit der höchsten Stufe drei klassifizierten Erdbebengefährdungszone[54] bzw. in einer der mit dort der zweithöchsten Stufe vier klassifizierten Zonen der französischen Erdbebenrisikogebiete[55]. Nach Angaben des Betreibers ist das Kraftwerk auf ein Beben etwa der Stärke 6,7 (Richterskala) ausgelegt.[56] Die Tertiäre Füllung des Rheingrabens ist der von Lockergesteinen ähnlich.[57]

Im Frühjahr 2011 kündigte der Präsident der lokalen Sicherheitskommission (CLIS) ein neues Gutachten zur Erdbebensicherheit des Kraftwerks an, ausgehend von einem Erdbeben der Stärke 7,2 auf der Richter-Skala; dabei sollen auch die möglichen Reaktionen auf Ausfälle der Kühlmittelkreisläufe untersucht werden. Der amtierende Präsident des Regierungsbezirkes Freiburg, Julian Würtenberger, gab an den Vorsitzenden der CLIS konkrete Fragen zum Gutachten weiter:

  • Lage des Referenzerdbebens: direkt unter dem Kernkraftwerk oder woanders?
  • Berücksichtigung auch lokaler, möglicherweise seismisch aktiver Störungen?
  • Überprüfung möglicher Auswirkungen auf Bauten und Anlagen im Bereich des Kernkraftwerks, des Dammes und der (benachbarten) Wasserkraftwerke?[58]

Das Französische Institut für Nuklearsicherheit (IRSN) forderte im Herbst nach der Auswertung von Angaben 80 französischer Nuklearanlagen-Betreiber schnelle Nachbesserungen einiger Anlagen sowie eine Neubewertung der Erdbebensicherheit des Kernkraftwerkes bei Fessenheim.[59][60]

Fundament

Das Fundament der Anlage weist eine Dicke von 1,5 Metern auf.[61] Dies ist somit die dünnste Fundamentierung aller französischen Kernkraftwerke. Zum Vergleich: Die Bodenplatten der bei einem Erdbeben der Stärke 9 havarierten japanischen Kernkraftwerke in Fukushima weisen eine Dicke von sieben Metern auf.[62] Das französische Institut für Strahlenschutz und nukleare Sicherheit (IRSN) empfahl im Juni 2011, die Bodenplatte des Reaktors zu verstärken.[63][64] Im Rahmen der Empfehlung für eine mögliche weitere zehnjährigen Betriebsverlängerung, die Anfang Juli 2011 erteilt wurde, stellte die Französische Aufsichtsbehörde unter anderem die Forderung, das Fundament sei bis zum 30. Juni 2013 zu verstärken, damit es bei einer Kernschmelze das Corium auffangen bzw. innerhalb des Containments halten könne.[61]

Eine Überflutung des Kernkraftwerks könnte bei gleichzeitigem Bruch oder Durchschmelzen der Bodenplatte eine radioaktive Kontamination des Rheins zur Folge haben.[65]

Grundwasser

Das Kraftwerk liegt mitten auf dem Oberrhein-Aquifer, einem der größten Trinkwasservorkommen Europas.[66]

Überflutung

Der untere rötliche Bereich an den Rhein-Kanälen stellt das AKW-Gelände dar

Das Kraftwerk ist bei einem Dammbruch nur unzureichend gegen eine Überflutung aus dem anliegenden Kanal geschützt. Das Wasser des Kanals dient auch zur Kühlung. Auch die Befestigung des Kanals unterliegt seismischen Risiken.[67][68]

Überhitzung

Im Hitzesommer 2003 musste das Reaktorgebäude für einen störungsfreien Betrieb von außen mit Wasser besprüht werden, um eine Überhitzung mit einer darauf folgenden Abschaltung zu vermeiden (die Abschaltung wäre beim Erreichen einer Temperatur von 50 °C erfolgt, sie erreichte 48,5 °C).[69][70]

Notfallvorsorge

Ausschnitt Evakuierungszonen Kernkraftwerk Fessenheim mit Orten auf deutscher Seite

Flugzeugabstürze

Die Sicherheit gegen einen Flugzeugabsturz entspricht nach Angaben der Betreiber französischem Durchschnitt. Etwa 32 Kilometer süd-süd-westlich des Kraftwerkes befindet sich der EuroAirport Basel Mulhouse Freiburg mit etwa 80.000 Flugbewegungen jährlich.[71]

Haftung

Der Inhaber haftet laut Pariser Atomhaftungsübereinkommen sowie „Brüsseler Zusatzübereinkommen“ selbst für die Folgen eines „nuklearen Ereignisses“; er kann diese Haftung nicht z. B. auf einen Zulieferer abwälzen. Die innerstaatlichen Haftungsregelungen gelten ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt.[72]

Nach der derzeit (September 2011) in Frankreich geltenden Rechtslage haftet der Betreiber bei einem solchen Ereignis für eine Schadenssumme bis zu einer Höhe von 91,5 Mio. Euro; berücksichtigt man weitere Entschädigungsmöglichkeiten, kommt man auf einen Gesamtentschädigungsbetrag von 330 Mio. Euro; nach von den EU-Vertragstaaten erfolgter Ratifizierung der 2004 von Deutschland und Frankreich unterzeichneten „Revisionsprotokolle“ zu den zuvor genannten Atomhaftungsübereinkommen ergibt sich eine Gesamtentschädigungssumme von 1,5 Mrd. Euro für Schäden aufgrund eines nuklearen Unfalles in einer französischen Atomanlage. Über den § 38 des deutschen Atomgesetzes können weitere 2,5 Mrd. Euro Entschädigungsgelder bereitgestellt werden. (zum Vergleich: Mitte April 2011 beliefen sich Schätzungen über die Folgekosten der Atomhavarien in Fukushima auf bis zu 130 Mrd. Euro[73]).

Kühlung Reaktor und Brennelementelager

Bei einem Komplettausfall der Kühlwasservorsorgung aus dem Rheinseitenkanal soll die anfallende Reaktionswärme laut Angaben der EDF durch Dampfabgabe über vorhandene Dampferzeuger abgeführt werden, die dafür benötigten Wassermengen stünden in Behältern zur Verfügung, der Ersatz des durch die Dampfabgabe anfallenden Wasserverlustes könne über einen Grundwasserbrunnen gewährleistet werden. Auch für einen Ausfall der Kühlung der Abklingbecken stünden ausreichend Wasserreserven bereit.[74]

Deutschland

Das bislang (November 2013) gültige Katastrophenschutz-Konzept beinhaltet die Evakuierung einer „Zentralzone“ von zwei Kilometer Radius um das AKW innerhalb von sechs Stunden; für eine Evakuierung einer so genannten „erweiterten Zone“ mit einem Radius von zehn Kilometern sind 24 Stunden vorgesehen, es wären rund 50.000 Menschen betroffen.[75]

In der Folge der Reaktorkatastrophe in Fukushima wurden im Frühjahr 2011 die auf deutscher Seite vorliegenden Notfallpläne von der Katastrophenschutzbehörde des Regierungspräsidiums Freiburg überarbeitet: die Evakuierungszone sollte von bisher 10 auf 25 km ausgeweitet werden; damit beträfe sie ca. 453.000 Menschen.[76] Im November 2013 war dieses Konzept noch nicht umgesetzt.[75]

Jodtabletten

Im September 2009 wies das Innenministerium des Landes Baden-Württemberg in der Antwort auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Marianne Wonnay[77] darauf hin, dass alle Stadt- und Landkreise des Regierungsbezirks Freiburg sowie Teile des Regierungsbezirks Karlsruhe und des Regierungsbezirks Tübingen in der sog. „Fernzone“ (= weniger als 100 km vom Kernkraftwerk entfernt) liegen und dass die „bei einem Störfall zur Ausgabe vorgesehenen Kaliumjodidtabletten“ in Immendingen (80 km östlich von Freiburg) gelagert werden.

Notfallschutzbroschüre

Das Regierungspräsidium Freiburg hat für die bei einem Störfall betroffene deutsche Bevölkerung eine so genannte „Notfallschutzbroschüre“ herausgegeben.[78]

Frankreich

Auf französischer Seite sollen Stadtplanung und Besiedelung entsprechend dem Risiko von Unfällen mit so genannter „schneller Kinetik“ angepasst und gesteuert werden, dies meint die Möglichkeit eines Unfalls mit der Ausbreitung von Schadstoffen in hoher Geschwindigkeit; vor allem in einem Radius von 2 km um das Kernkraftwerk herum.[79]

Darüber hinaus wurde bereits ein Plan particulier d’intervention (PPI, dt. besonderer Eingreifplan) erstellt, ein Post Nuclear Accident Plan (PPA, dt. Plan für die Zeit nach einem Nuklearunfall) soll erstellt werden:

„Dieser PPA gestaltet die Aktionen der öffentlichen Hand in Sachen Personenüberwachung, Lebensmittelverwaltung, Dekontaminierung der berührten Zone (die sich auf bis zu 30 km erstrecken kann) in Sachen Personenschutz und -überwachung.“[80]

Betriebsstörungen, Auswahl

Betriebsstörungen mit INES-Einstufungen null (blau) und eins (rot), 1990 bis 2008[81]

Seit der Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes kam es zwischen 1989 und 2008 zu über 200 Zwischenfällen, welche laut der deutschen Strahlenschutzverordnung meldepflichtig sind. Auf der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) wurden sie auf Stufe 0 bzw. 1 eingeordnet, das sind dort die Kategorien mit geringer oder ohne sicherheitstechnischer Bedeutung und Abweichung vom Normalbetrieb der Anlage. Zur besseren Übersicht werden deswegen hier nur einige der aktuelleren Vorfälle berücksichtigt, die in der Abbildung rechts nicht Teil der Statistik sind.

2009

Am 27. Dezember 2009 wurde der zweite Reaktor des Kernkraftwerks wegen Pflanzenresten im Kühlkreislauf vorerst abgeschaltet.[82][83] Der Stromkonzern EDF teilte mit, es sei noch unklar, wann der Reaktor wieder hochgefahren werde.[84] Die französische Atomaufsichtsbehörde stufte den Zwischenfall in der Anlage auf INES 1 ein. Der für Wartungsarbeiten am 26. Dezember vom Netz genommene Reaktor hätte eigentlich am 27. Dezember gegen 6 Uhr wieder den Betrieb aufnehmen sollen. Laut EDF waren beim Neustart einer Wasserpumpe Pflanzenreste in den Kühlkreislauf geraten, als der Reaktor hochgefahren werden sollte. Dadurch wurde die Leistungsfähigkeit des Systems beeinflusst.[85]

2010

Am 24. August 2010 wurden 50 Kubikmeter radioaktiver Gase freigesetzt, wie die staatliche französische Atomsicherheits- und Aufsichtsbehörde Autorité de sûreté nucléaire (ASN) auf ihrer Homepage meldete. Dabei wurde nach Meldungen vom 30. August 2010 die Zerfallsaktivität der radioaktiven Abgase aus dem Reservoir vor dem Entweichen nicht gemessen. Der Vorfall wurde mit INES 0 bewertet.[86][87]

Am 20. Oktober 2010 kam es während des Einschaltens eines Ventilators zu einem Kurzschluss. Daraufhin wurde aus Sicherheitsgründen der Block 1 des Kernkraftwerkes heruntergefahren.[88]

2011

Auf Grund eines Bedienungsfehlers kam es am 3. April 2011 zu einer automatischen Abschaltung des Reaktors 1.[89] Nach Überprüfung durch den Betreiber wurde das Kraftwerk am 4. April 2011 wieder in Betrieb genommen. Die französische Atomaufsicht ASN bewertete den Zwischenfall mit INES1.[90][91]

2012

Am 25. April kam es laut Angaben des Kraftwerksbetreibers im nichtnuklearen Teil der Anlage zu einem Brand am Kühlteil eines Wechselstromgenerators in der Maschinenhalle des Blocks II.[92]

Am 8. Mai kam es nach Angaben des Kraftwerksbetreibers erneut zu einer Störung in Block II des Kraftwerkes: während eines Tests, bei dem das Kraftwerk vom regulären Stromnetz getrennt wird, um einen Stromausfall zu simulieren, erfolgte eine automatische Schnellabschaltung.[93][94]

Am 5. September wurden mehrere Menschen bei einem Zwischenfall verletzt. Es soll Wasserstoffperoxid-Dampf ausgetreten sein.[95][96]

2014

Am 9. April wurden durch die unsachgemäße Befüllung eines Wasserreservoirs mehrere Bereiche des Kraftwerks mit Wasser überflutet.[97]. Dabei wurde ein Strang des Reaktorschutzsystems von Block 1, das zur Schnellabschaltung und zur Aktivierung anderer Sicherheitssysteme benötigt wird, durch Wassereinwirkung beschädigt. Ein zweiter redundanter Strang war aber noch funktionsfähig. Die Anlage wurde zur Reparatur unverzüglich auf betrieblichem Wege heruntergefahren. INES-Klassierung: 1[98][99]

Bestrebungen um die Verhinderung bzw. Schließung des Kraftwerks

Bürgerschaftliches Engagement

Verwendung eines Teils der traditionellen Markgräfler Tracht im Logo einer der Widerstandsgruppen: Hörnerkappe auf Antiatomsonne
Teil der Menschenkette vom 26. Juni 2011 vor dem Haupteingang des Kernkraftwerks

Im April 1971 kam es zur ersten Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerks Fessenheim; sie wurde vom Elsässer Komitee zum Schutz der Rheinebene organisiert: 15.000 Menschen versammelten sich am späteren Standort am Canal d’Alsace mit dem Ziel, das Bauvorhaben zu verhindern.[100] Im Zuge der weiteren Widerstandsbewegungen – so auch gegen den Bau des Kernkraftwerkes Wyhl auf der badischen Seite des Oberrheins – entstand 1977 der zunächst noch illegal sendende Radiosender Radio Verte Fessenheim, der sich gleichermaßen gegen das Kernkraftwerk Fessenheim aussprach und die Gegner unterstützte. Später nannte sich dieser in Radio Dreyeckland um.

Im Juni 2005 wurde von verschiedenen Organisationen und Gemeinden aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz der Trinationale Atomschutzverband gegründet (TRAS, französisch L’Association trinationale de protection de la population des alentours de Fessenheim (ATPN)). Er hat sich zum Ziel gesetzt, eine Stilllegung der Reaktoren des Kernkraftwerks Fessenheim auf dem Rechtsweg zu erreichen.[101] In den darauf folgenden Jahre äußerten immer wieder verschiedene Kernkraftgegner ihre Bedenken über das Kernkraftwerk, so forderte im Februar 2007 auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Schließung des Kraftwerkes.[102]

Im März 2011 kam es zu einer Demonstration von Neuenburg am Rhein zur Rheininsel bei Chalampé, an der bis zu 10.000 Menschen teilnahmen.[103] Danach gab es weitere Kundgebungen gegen den weiteren Betrieb mit jeweils mehreren tausend Demonstranten, unter anderem Anfang April auf der Rheininsel zwischen Hartheim und dem Kraftwerk,[104] am Ostermontag an zahlreichen deutsch-schweizerischen und deutsch-französischen Rheinbrücken[105][106], im Mai 2011 in Freiburg auf dem Stühlinger Kirchplatz[107] und im Juni desselben Jahres – diesmal in Form einer Menschenkette – wiederum am Kernkraftwerk selbst.[108] Das Aktionsbündnis Fessenheim stilllegen. Jetzt! organisierte auch weiterhin nahezu regelmäßig alle zwei Monate weitere Protestaktionen mit zahlreichen Teilnehmern.

Offizielle Forderungen (Auswahl)

Darüber hinaus formulierten immer mehr auch offizielle Vertreter, Institutionen, Städte und Gemeinden in der Folge der Explosionen in Fukushima Resolutionen für eine schnellstmögliche Stilllegung des hiesigen Kraftwerkes: so z. B. die drei Schweizer Kantone Basel-Stadt, Basel-Land und Jura[109], die französische Region Franche-Comté[110] und die elsässische Stadt Straßburg[111][112]; außerdem in Deutschland unter anderen die Städte und Gemeinden Badenweiler[113], Offenburg[114] Breisach[115], Freiburg[116], Ettenheim[117], Lahr[118], Müllheim[119], Münstertal[120], Sasbach[121], Titisee-Neustadt[122] sowie Umkirch[123].

Am 23. Juni 2011 übergab darüber hinaus die amtierende Erste Landrätin des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald (D), Dorothea Störr-Ritter, dem amtierenden Energiekommissar der Europäischen Union, Günther Oettinger, eine vom Kreistag Breisgau-Hochschwarzwald am 9. Mai 2011 einstimmig verabschiedete Resolution zur Stilllegung des Kernkraftwerkes[124]. Dieser Resolution schloss sich Ende Juli der Gemeindeverwaltungsverband Müllheim-Badenweiler an.[125] Auch der Ortenaukreis verabschiedete am 26. Juli 2011 einstimmig eine Resolution zum Kraftwerk Fessenheim, in der die Genehmigung zur Laufzeitverlängerung angefochten und eine Stilllegung erbeten wurde.[126]

In einem Schreiben an die amtierende französische Umweltministerin fordert ihr baden-württembergischer Amtskollege für den Stresstest Frankreichs in Fessenheim aufgrund „der grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen“ die Berücksichtigung der gleichen Kriterien, wie sie die deutsche Reaktorsicherheitskommission bei der Überprüfung der deutschen Reaktoren angelegt habe.[127]

Im November 2011 vereinbarten die Parti Socialiste (PS) und die grüne Partei Europe Écologie-Les Verts (EELV), im Fall eines Wahlsieges bei den Präsidentschaftswahlen am 22. April 2012 bis zum Jahr 2025 24 französische Kernkraftwerke stillzulegen. Dies wäre ein Drittel der Kernenergie-Kapazitäten Frankreichs. Das Kernkraftwerk Fessenheim soll im Falle eines linken Wahlsieges sofort abgeschaltet werden (siehe Atomausstieg: Frankreich).[128] Dies bestätigte der sozialistische Kandidat François Hollande wiederholt. Der damalige Amtsinhaber Nicolas Sarkozy sprach sich mehrmals, auch bei einem Besuch im Kraftwerk im Februar 2012, eindeutig für einen Weiterbetrieb aus, möglicherweise mit einer Gesamtlaufzeit bis zu 60 Jahren.

Am 14. September 2012 gab der amtierende französische Staatspräsident François Hollande bekannt, dass das Kernkraftwerk Ende 2016 stillgelegt werden solle.[2][129]

Am 5. Januar 2015 äußerte sich Hollande bei einer Pressekonferenz.[130]

Siehe auch

Commons: Kernkraftwerk Fessenheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

Autorité de sûreté nucléaire (ASN): Erreur de conception affectant la résistance au séisme de réservoirs d'eau de la centrale nucléaire de Fessenheim. In: asn.fr, communiques presse (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive) (archivierte Version des Internet Archive vom 29. September 2007)

Einzelnachweise

  1. Power Reactor Information System (PRIS) der IAEA (15. Mai 2012)
  2. a b Marie-Béatrice Baudet, Thomas Wieder: François Hollande lance la transition écologique. Le Monde.fr, 14. September 2012, abgerufen am 14. September 2012 (französisch).
  3. Hollande verkündet Stilllegung des Atomkraftwerks Fessenheim für 2016 (1. Oktober 2012)
  4. Bärbel Nückles, badische-zeitung.de, 11. März 2013: Fessenheim-Abwickler: „Akw schließen, bevor sie zu alt werden“ (11. März 2013)
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  130. Les études sont en cours, je m'y étais engagé. Dès lors que la loi sur la transition énergétique plafonne la production d'énergie nucléaire, il faut fermer Fessenheim. Cela fait partie de mes engagements. Zitiert nach lefigaro.fr: L'essentiel de l'intervention de François Hollande