Ahed Tamimi

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Ahed Tamimi (2016)

Ahed Tamimi (arabisch عهد التميمي, DMG ʿAhd at-Tamīmiyy) (* 31. Januar 2001 in Nabi Salih, Palästinensische Autonomiegebiete) ist eine palästinensische antizionistische Aktivistin. Wegen eines tätlichen Angriffs auf israelische Soldaten wurde sie im März 2018 zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Leben

Ahed Tamimi wurde als Tochter von Bassem und Nariman Tamimi in Nabi Salih, einem kleinen Dorf, rund 20 Kilometer nordwestlich von Ramallah im Westjordanland geboren.[1][2][3]

Bewohner von Nabi Salih streiten sich schon viele Jahre mit israelischen Siedlern über die Landnutzungsrechte und haben dabei öfters gegen die Übernahme einer Wasserquelle und Badehöhle namens „Ein al-Qaws“ durch israelische Siedler in Halamish protestiert. Laut dem Journalisten Ben Ehrenreich gehörte diese Quelle und das umliegende Land seit Generationen der Familie Tamimi.[4][5][6] Im Laufe dieses Konfliktes versuchten die Siedler rückwirkend Baugenehmigungen für die Erschließung des Geländes zu erhalten. Diese wurden ihnen jedoch von israelischen Behörden verweigert, da die Antragsteller keinen Anspruch auf die betreffenden Grundstücken nachweisen konnten. Die israelische Armee reagierte auf Proteste in Nabi Saleh nach Darstellung von Al Jazeera mit Tränengas, synthetischem Skunksekret oder Wasserwerfern und schoss gelegentlich mit Gummigeschossen und auch scharfer Munition auf die Dorfbewohner. Dabei seien drei davon getötet und weitere dauerhaft verletzt worden.[7] Unter den Opfern war auch Aheds Onkel Rushdie. Mehrere hundert Bewohner des Ortes seien im Laufe der Jahre bei diesen Auseinandersetzungen verletzt worden.[5] Nach Angaben der Zeitung The Guardian wurden über die Zeit rund 140 Bewohner vom Nabi Saleh in Gewahrsam genommen[8] und zur Zahlung von zusammen umgerechnet mehreren tausend Dollar für Strafen und Kautionen verurteilt.[7]

Ahed Tamimis Vater beschreibt sie als Angehörige der zweiten Generation palästinensischer Kinder, die unter der Unterdrückung durch die Israelis aufwüchsen.[9] Nach Darstellung ihres Vaters sei sie im Haus eines Cousins in Ramallah geblieben, um dadurch die israelischen Checkpoints auf dem Schulweg vermeiden zu können. Außerdem hätte das Wohnhaus der Familie ursprünglich nach Protesten im Jahr 2010 abgerissen werden sollen und sei bis 2017 mehr als 150 Mal Gegenstand von Einsätzen des israelischen Militärs gewesen.[7]

Laut Harriet Sherwood vom The Guardian hätten Bassem Tamimi und seine Kinder nie ein Leben ohne Kontrollen, Identifikationspapiere, Inhaftierungen, Zerstörung von Häusern, Einschüchterung, Demütigung und Gewalt gekannt.[8] Sherwood erschienen jedoch viele von Aheds Antworten als einstudiert.[10]

Aktivismus

Beginn der medialen Präsenz 2012

Ahed Tamimi ist davon überzeugt, dass organisierte Proteste gegen die israelische Besatzung zu einer größeren Anerkennung des palästinensischen Kampfes um Autonomie führen würden. Ihre Bilder und Videos wurden viral und haben internationale Aufmerksamkeit erhalten.[1][11] Als im Dezember 2012 ein israelischer Soldat ihren Bruder festnehmen wollte, bedrohte Tamimi ihn mit erhobener Faust. Diese Szene machte sie international bekannt und brachte ihr eine Einladung des damaligen türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan ein.[11] Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist Tamimi in sozialen Medien im Hinblick auf Proteste gegen die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland präsent.[12]

Tätlicher Angriff 2015

2015 später geriet sie abermals in den Fokus der Öffentlichkeit, als sie einen israelischen Soldaten tätlich angriff und in die Hand biss, weil dieser ihren Bruder wegen Steinewerfens festnehmen wollte.[1][13][14]

Nachdem sie 2016 eingeladen worden war, in den USA an einer Vortragstour unter dem Titel „No Child Behind Bars/Living Resistance“ teilzunehmen, lehnte das Außenministerium der Vereinigten Staaten die Erteilung eines Einreisevisums ab.[15]

Tätlicher Angriff 2015

Am 15. Dezember 2017 nahm Ahed Tamimi an der in ihrem Dorf seit 2009 wöchentlich stattfindenden Demonstration gegen die Erweiterung der benachbarten israelischen Siedlung teil, bei der rund 200 Palästinenser israelische Soldaten mit Steinen bewarfen. Einige der Demonstranten betraten dazu nach Armeeangaben auch das Haus der Familie Tamimi, wobei dies mit dem Einverständnis der Tamimis erfolgt sein soll. Die Soldaten drangen daraufhin in das Haus ein, vertrieben die Steinewerfer und ließen nach Armeeangaben zwei Mann am Eingang zurück, um eine Wiederholung zu verhindern. Ahed Tamimi griff sodann zusammen mit ihrer Mutter und einer weiteren Verwandten die beiden israelischen Wachposten tätlich an, trat auf sie ein und schlug einem heftig ins Gesicht, ohne dass von Seiten des Militärs darauf eine Reaktion erfolgte. Nachdem eine Filmaufnahme des Angriffs im Internet Verbreitung fand, wurde Tamimi von Palästinensern als Heldin gefeiert.[16][17][18][19][20][1][16][21] Nach Darstellung von Tamimis Vater Bassem wurde kurz vor Ahed Tamimis Tätlichkeit deren 15-jähriger Cousin Mohammed Fadl al-Tamimi aus nächster Nähe von einem israelischen Gummigeschoss schwer am Kopf verletzt. Die Armee erklärte zunächst, ihr lägen keine Erkenntnisse über einen Verletzten vor.[16] In sozialen Medien kursierten später Fotos, die den Cousin mit üblen Blessuren im Gesicht zeigen. Nach palästinensischen Angaben wurde er in ein künstliches Koma versetzt und kam einige Tage später wieder zu Bewusstsein.[22] Wenige Tage später wurden sie und ihre Mutter zuhause verhaftet. Das Haus wurde außerdem durchsucht und Aufzeichnungen zu den Übergriffen sichergestellt. 13 Tage nach der Verhaftung wurde vor einem israelischen Militärgericht Anklage in zwölf Punkten erhoben.[23][24][25] Am 21. März 2018 wurde Ahed Tamimi zu acht Monaten Freiheitsentzug und einer Geldstrafe von umgerechnet 1170 Euro verurteilt.[26]

Rezeption

Ihre Anhänger sehen sie als Nationalheldin im Kampf gegen die israelische Kontrolle über das Westjordanland. Gegner werfen ihr vor, sie versuche gezielt, Israel durch ihre Provokationen in Misskredit zu bringen.[1][12] Nach Ansicht Ehrenreichs widerspreche ihr westliches Erscheinungsbild dem in den Medien vermittelten Bild von Palästinensern, so dass angebliche israelische Bemühungen zur „Entmenschlichung“ der Palästinenser bei ihr nicht funktionieren würden.[11] Der Knessetabgeordnete Michael Oren hingegen warf ihr vor, dass sie in der für weibliche palästinensische Teenager ungewöhnlichen westlichen Kleidung nur deshalb agiere, um israelische Soldaten noch mehr zu provozieren.[11] Palästinensische Kommentatoren loben zwar einstimmig ihren Mut , sind sich aber uneinig darüber, ob das Video ihrem Anliegen abträglich sein könnte, da die „Unterdrücker“ als „sanft“ erscheinen würden, oder es im Gegenteil unterstützten, indem gezeigt wird, dass auch unbewaffneter Widerstand effektiv sein kann.[27] Den Eltern wird vorgeworfen, Ahed und ihre anderen Kinder dadurch medial zu instrumentalisieren, dass sie sie Interviews gaben und sich bei Protestaktionen filmen ließen.[28] Über Ahed Tamimi und die 5 Jahre jüngere Janna Dschihad Ayyad wurde 2016 sogar ein Dokumentarfilm unter dem Titel „Radiance of Resistance“ gedreht. Dessen Aufführung beim „Singapore Palestinian Film Festival“ in Singapur wurde 2018 von der dortigen Medienbehörde untersagt, da dessen Darstellung verzerrt sei, den Konflikt schüre und zu Spannungen zwischen den Bevölkerungs- und Religionsgruppen im Land führen könne.[29][30] [31]

Commons: Ahed Tamimi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d e Eglash, Ruth: Israelis call her ‘Shirley Temper.’ Palestinians call her a hero. In: The Washington Post. 17. Dezember 2017, archiviert vom Original am 28. Dezember 2017; abgerufen am 30. Dezember 2017.
  2. Ahed Tamimi's Family Mocks Israel for Launching Secret Probe to Check if They Aren't Actors, Ha'aretz, 25. Januar 2018
  3. When the going gets tough, these Palestinian teens get on their skateboards, Irish Times vom 16. August 2014
  4. Jihan Abdalla, 'Settlers grab Palestinian water springs: U.N. report,' Reuters 19. März 2012
  5. a b Matthew Gindin 'Who Is Ahed Tamimi?,' The Forward 4. Januar 2018:’ The next generation of Palestinians, born to parents born to Occupation, reared on checkpoints and violent protest, anger, and humiliation, relatives maimed or imprisoned or killed and waking from PTSD dreams — how should Israel deal with these children?’
  6. Ben Ehrenreich, 'Is This Where the Third Intifada Will Start?,' New York Times Magazine
  7. a b c Jaclynn Ashly, 'Nabi Saleh: 'It's a silent ethnic cleansing',' Al-Jazeera 4. September 2017.
  8. a b Harriet Sherwood: Palestinian 16-year-old Ahed Tamimi is the latest child victim of Israel’s occupation In: The Guardian, 2. Januar 2018. Abgerufen am 4. Januar 2018 
  9. Omar Shariff, Ahed Tamimi: Defiant symbol of Palestine Gulf News 5. Januar 2018: ‘My daughter has spent her whole life under the heavy shadow of the Israeli prison — from my lengthy incarcerations throughout her childhood, to the repeated arrests of her mother, brother and friends, to the covert-overt threat implied by your soldiers’ ongoing presence in our lives. So her own arrest was just a matter of time. An inevitable tragedy waiting to happen.’
  10. Harriett Sherwood: Palestinian 16-year-old Ahed Tamimi is the latest child victim of Israel’s occupation, The Guardian vom 2. Januar 2018
  11. a b c d Yasmeen Serham: Who Is Ahed Tamimi. In: The Atlantic. 5. Januar 2018, abgerufen am 7. Januar 2018.
  12. a b Lawahz Jabari: West Bank Teen Ahed Tamimi Becomes Poster Child for Palestinians. In: NBC. 12. September 2015, abgerufen am 30. Dezember 2017.
  13. West Bank Teen Ahed Tamimi Becomes Poster Child for Palestinians (Memento des Originals vom 28. Dezember 2017 im Internet Archive), 12. September 2015 
  14. This Viral Video Of an Israeli Soldier Trying to Arrest a Palestinian Boy Says a lot (Memento des Originals vom 28. Dezember 2017 im Internet Archive) In: The Washington Post, 31. August 2015 
  15. Israel arrests Palestinian girl Ahed Tamimi over viral video of soldier slapping In: USA Today. Abgerufen am 24. Januar 2018 (englisch). 
  16. a b c Palestinian girl lauded, arrested for confronting Israeli troops cbsnews.com (Memento vom 30. Dezember 2017 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt, CBS News, 21. Dezember 2017
  17. Soldier-slapping Palestinian girl remanded for another 4 days, Times of Israel, 25. Dezember 2017
  18. Watch: IDF soldiers provoked but refrain from responding (Memento des Originals vom 29. Dezember 2017 im Internet Archive) In: Ynetnews, 28. Dezember 2017. Abgerufen am 30. Dezember 2017 
  19. Soldier-slapping Palestinian girl remanded for another 4 days, Times of Israel, 25. Dezember 2017
  20. ABBAS PRAISES FAMILY OF JAILED PALESTINIAN GIRL WHO SLAPPED SOLDIERS, JPost, 27. Dezember 2017
  21. Two Palestinian women in court over Israeli soldier slap video timesofisrael.com (Memento vom 1. Januar 2018 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt, Times of Israel (AFP reprint), 21. Dezember 2017
  22. Cousin filmed slapping soldiers with Ahed Tamimi indicted on assault timesofisrael.com (Memento vom 1. Januar 2018 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt, 31. Dezember 2017, Times of Israel
  23. Yotam Berger: Israel Extends Detention of Palestinian Teen Who Was Filmed Slapping Soldier in Viral Video (Memento des Originals vom 29. Dezember 2017 im Internet Archive), 28. Dezember 2017 
  24. Israel extends detention of Ahd al-Tamimi, Palestinian teen activist who 'insulted' IDF soldiers. In: The New Arab. 26. Dezember 2017, archiviert vom Original am 29. Dezember 2017; abgerufen am 28. Dezember 2017.
  25. Palestinian teen activist could face prison after slapping Israeli soldier (Memento des Originals vom 20. Dezember 2017 im Internet Archive), ABC News, 20. Dezember 2017 
  26. 17-Jährige nach Attacke auf israelische Soldaten verurteilt, Süddeutsche Zeitung vom 21. März 2018
  27. David M. Halbfinger in: The New York Times, 22. Dezember 2017
  28. Mädchen gegen Soldat, Süddeutsche Zeitung vom 22. Dezember 2017
  29. Nirmal Narayanan, 'Singapore bans film featuring Palestine-Israel conflict in fear of unrest,' International Business Times 2018-01-24.
  30. Kenneth Cheng: Film screening on Palestinian girls living through conflict cancelled due to ‘inflammatory’ narrative (Memento des Originals vom 3. Januar 2018 im Internet Archive) In: Today, 2. Januar 2018. Abgerufen am 3. Januar 2018 
  31. Fathin Ungku: Singapore bans film focused on indicted Palestinian teen activist, 3. Januar 2018