Verschiedene: Die Gartenlaube (1884) | |
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Stieler nennt sogar die sogenannte „Isartracht“, die sich seit etwa 1800 ausgebildet, eine Untracht, gegen welche glücklicher Weise das Volk selbst ein Gegenmittel in dem Wohlgefallen an der Tegernseer oder Miesbacher Tracht gefunden habe.
Bei den Männern ist das Hauptstück derselben die graue Joppe mit dem grünen Kragen, dessen Erkämpfung von den Jägersleuten, die ein Alleinrecht auf die grüne Farbe behaupteten, manchen Streit mit blutigen Köpfen gekostet. Auch der weibliche Anzug stimmt damit überein. Zu Mieder und Geschnür mit buntseidenen Halstuch erscheint überall das hohe schmalkrämpige Miesbacherhütl. Das Haar scheiteln die Mädchen und flechten es mit bunten Bändern zu Zöpfen, die sie meist um den Kopf legen.
Auch den Schmuck liebt die Miesbacherin. Ueber das blüthenweiße Hemd hängen zierlich die Fransen ihres Busentuchs auf das Mieder herab, und den Hals umschlingt sechsfach die silberne Kette mit dem Schloß von bunten Steinen. Der dunkelfarbige Rock mit buntem Rande reicht bis zu den Knöcheln. So steht sie in den festen Schuhen vor uns und lacht uns so offen und herzlich an, daß wir nicht umhin können, ihr auch zum Abschied zuzurufen: „Ja, lach’ nur! Du hast’s freilich gut!“
Der schiefe Thurm von Terlan. Die Tage eines originellen Bauwerkes im schönen Land Tirol, des bäuerlichen Bruders des weltberühmten Thurmes von Pisa, sind gezählt. Der schiefe Thurm von Terlan wird abgetragen, da die Gefahr des Einsturzes eine drohende geworden ist.
Tausende sind bewundernd an ihm vorübergezogen, Tausende an seinem Fuße, im Wirthshause von Terlan, dem weinberühmten Orte, gesessen, die Wahrheit des alten Satzes an sich erfahrend, daß ein guter Tropfen anderwärts besser zu haben sei als da, wo er gewachsen.
Einige Notizen über den Thurm dürften unseren Lesern wohl von Interesse sein. Etwas Bestimmtes über Alter und Erbauung ist leider nicht bekannt, und auch die Erwartung, darüber etwas Näheres durch den Inhalt des am 17. Mai herabgenommenen Thurmknopfes zu erfahren, hat sich nicht erfüllt, da derselbe außer Münzen aus dem 17. und 18. Jahrhundert nur einige Reliquien und unwesentliche Documente enthielt. – Durch die in Folge der Hochwasserkatastrophe des Jahres 1882 angeordnete und vom Ingenieur Jellinek ausgeführte Untersuchung über den Bauzustand des Thurmes wurde aber festgestellt, daß die Meinung, der Thurm sei von seinem Erbauer absichtlich mit schiefer Axe projectirt und ausgeführt worden, eine irrige ist.
Die Untersuchung ergab, daß ein Theil des Mauerwerks, welches sich jetzt unter der Erde befindet, von dem übrigen durch einen klaffenden Riß von 10 Centimeter Breite getrennt ist und die Steine des aufgehenden Mauerwerks von dem Fundamente in horizontaler Richtung verschoben waren, sodaß die über das Terrain ragende Thurmmasse nur auf einen Theil des Fundamentes, und zwar gerade auf dem ohnedies sehr zum Nachgeben geneigten ruht. Die von den Giebelfenstern der Süd- und Westseite aus vorgenommenen Lothungen ergaben Ausweichungen von 1,77 Meter auf der Südseite und 3,08 Meter auf der Westseite, gegen 1,26 und 2,37 Meter, welche das Resultat einer im Jahre 1866 durch den Maurermeister Stricker vorgenommenen Messung war, sodaß sich also innerhalb eines Zeitraums von 16 Jahren der Thurm nach Süden um 0,51 Meter und nach Westen um 0,71 Meter mehr vorgeneigt hat. Durch weitere Untersuchung wurde festgestellt, daß der Eckpunkt des obersten Kranzgesimses an der geneigten Kante – 39,84 Meter über dem Straßenniveau – um 3,25 Meter, und die Kreuzspitze – 73,35 Meter über dem Terrain – um 6,47 Meter aus dem Loth gerückt war, ferner, daß der Lothfußpunkt des Schwerpunktes 1,57 Meter weit vom Mittelpunkt der Thurmbasis wegfällt. Die im Februar 1884 vorgenommene abermalige Lothung ergab, daß sich der Thurm seit August um weitere 3 Centimeter geneigt hatte.
Am 11. April wurde die Abtragung des Thurmes angeordnet, und am 17. Mai erfolgte die Abnahme des Kreuzes und des Thurmknopfes. Vorläufig soll die Abtragung nur so weit gehen, als für die öffentliche Sicherheit nothwendig ist. Bei günstigem Grundwasserstand wird nach endgültiger Untersuchung des Fundamentes bestimmt werden, ob auch der Rest des Thurmes abgetragen werden muß oder für einen Wiederaufbau erhalten bleiben kann. G. K.
Die Laubenvögel oder Gärtnervögel. Wer aufmerksam in der Natur sich umschaut, wird zu der Einsicht gelangen, daß wir an Wunder nicht zu glauben brauchen; es geht eben Alles natürlich zu, selbst wenn uns hier und da etwas verwunderlich oder wohl gar unerklärlich erscheint. So durften die Naturforscher oder andere Wanderer, wenn sie in den Wildnissen von Neuholland, Neuseeland und Neuguinea plötzlich ein artiges Gärtchen mit laubenförmigem Gange zierlich hergestellt und mit bunten Federn, Blüthen, Früchten etc. geschmückt vor sich sahen, in der That darin ein kleines Wunder der Natur erblicken. Wie war dasselbe dorthin gekommen, wer hatte es hier inmitten des Urwaldes errichtet? Von den gerade auf recht niedriger Cuturstufe stehenden Eingeborenen durfte man es nicht erwarten, und welchem der hier hausenden Thiere sollte man es zutrauen? Nur Vögel konnten die seltsamen Baumeister sein.
Eine kleine Sippschaft Gefiederter, von etwa Drossel- bis über Dohlengröße, welche den Krähenartigen oder Rabenvögeln und insbesondere den Paradiesvögeln nahe stehen, hat man um der erwähnten Eigenthümlichkeit willen Lauben- oder Gärtnervögel geheißen.
In den üppigen, dicht belaubten Gebüschen an der Moretonbai und im Cederngehölz der Liverpool-Ebene, dann später innerhalb der Dickichte des schönen Urwaldes der Ausläufer des Arfakgebirges fanden manche Reisende solche Wunderbauten. Ganz in der Nähe des Fußpfads, erzählt Beccari, befand ich mich dem schönsten Werke gegenüber, welches je von einem Thiere errichtet worden. Es war eine Hütte inmitten einer mit Blumen geschmückten Aue; das Ganze ein Prachtbau im Kleinen. Der schmucklose Laubenvogel, dessen Werk ich hier sah, wählt eine flache Stelle und stellt um eine kleine Staude aus feinem Erdmoose einen Kegel vom Umfange einer Spanne am Grunde her. Auf der Spitze dieses Mittelpfeilers stützt sich das ganze Gebäude, dessen Höhe etwa einen halben Meter erreicht. Von der Spitze des Pfeilers gleichsam ausstrahlend werden Reiser und Halme so angebracht, daß sie mit dem einen Ende den Pfeiler, mit dem andern den Boden berühren und so eine kegelförmige Hütte bilden. Das Dach wird fest und für den Regen undurchdringlich geflochten. Der Bau mißt im Umfange etwa einen Meter und die Vorderseite ist offen. Als hauptsächlichsten Baustoff verwenden die Vögel die feinen und geraden Stengel einer Orchidee, welche in dichten Büscheln auf den bemoosten Zweigen alter großer Bäume wächst. Nun aber begnügt sich der gefiederte Baumeister nicht blos mit der Errichtung dieser Hütte, sondern er legt vor derselben auch einen Garten an. Dieser bildet einen freien, bedeutend größeren Raum, als die Laube selbst. Aus weichem Moose wird eine Wiese oder ein grüner Teppich hergestellt, auf welchem Blumen und Früchte von lebhaften Farben so regelmäßig umhergestreut liegen, daß sie in der That ein Ziergärtchen bilden.
Mit dieser Ausschmückung begnügen sich die Vögel aber noch nicht, sondern sie suchen auch noch allerlei andere Dinge zum Schmuck zusammen, so die bunten Federn der dort lebenden ungemein farbenprächtigen Sittiche und anderer Papageien, bunte Muscheln, Schneckengehäuse, gebleichte kleine Knochen, bunte Steinchen u. A. m., ja man behauptet sogar, wenn in der weiten Umgebung irgend ein auffallender Gegenstand, ein Ring, Knopf, eine Nadel oder dergleichen, verloren gehe, so sei er sicherlich beim Laubenvogel wieder zu finden.
Am seltsamsten erscheint es nun aber, daß die ganze Anlage selber für keinen anderen Zweck als den des Vergnügens errichtet wird.
Mit großer Freude kann ich darauf hinweisen, daß Laubenvögel auch bereits zu uns nach Deutschland gelangt sind. Der für die Ornithologie leider zu früh verstorbene Forscher Regierungsrath E. von Schlechtendal in Merseburg erhielt im Jahre 1881 drei eigentliche Laubenvögel, welche vom Großhändler Charles Jamrach eingeführt waren. Der Preis stand auf etwa 45 Mark für den Kopf. Bereits ein Jahr früher hatte der Großhändler J. Abrahams in London auch einen gefleckten Lauben- oder Kragenvogel eingeführt, und die erstgenannte Art ist dort auch schon mehrfach in den Handel gelangt.
Man behauptet, daß diese hochinteressanten Vögel auch sprachbegabt
seien, und diese Annahme liegt nicht fern, da wir ja unter ihren nächsten
Verwandten viele und tüchtige Sprecher vor uns haben. Hoffen wir, daß
die Laubenvögel demnächst zahlreicher herüber kommen und in unseren
zoologischen Gärten, ja, selbst in den Volièren der Liebhaber durch ihre
künstlerische Thätigkeit uns erfreuen mögen. Dr. Karl Ruß.
C. B. Sch.., Ch. A. S. in Sch., F. Z. in Nürnberg, M. M. in D., Hugo K., A. A. in Z. bei Prag, Th. M. in Zürich, J. O. L., E. A. Sp. in D., M. T., L. Sch. in Bremen, G. P. in Prag, Eug. J. in Königsberg, H. E. in Hof: Ungeeignet.
Dr. F. H. Sie finden das Gesuchte in Jahrgang 1874.
Inhalt: Die Herrin von Arholt. Novelle von Hans Schücking (Forstsetzung), S. 489. – Spruchverse. Von Friedrich Bodenstedt. S. 492. – Der starke Christoph. Von R. Artaria. S. 492. Mit Illustration S. 493. – Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Neue Wege zu uralten Lichtquellen. Von R. Elcho. S. 496. Mit Abbildungen S. 496 und 497. – Brausejahre. Bilder aus Weimars Blüthezeit. Von A. v. d. Elbe (Fortsetzung). S. 498. – Die Cholera-Gefahr. Von Valerius. S. 500. – Denis Diderot. Von Dietrih Theden. Mit Portrait S. 503. – Blätter und Blüthen: Eine Miesbacherin. S. 503. Mit Illustration S. 501. – Der schiefe Thurm von Terlan. Von G. K. Mit Abbildung S. 504. – Die Laubvenvögel oder Gärtnervögel. Von Dr. Karl Ruß. – Kleiner Briefkasten. S. 504.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_504.jpg&oldid=- (Version vom 8.3.2024)