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Die neue Lehre

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Johann Georg Fischer
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Titel: Die neue Lehre
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 55–56
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Evolutionstheorie
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[55] Die neue Lehre.
Von J. G. Fischer.


 Schlecht in sich selber ist die Lehre, welche
 Vor einer feindlichen Entdeckung zittert!
 Friedrich II. von Hohenstaufen.


Ich frage nicht, woher ich stamme;
Geschehen ist und bleibt die That,
Daß einmal eine Lebensflamme,
Ein Funken mich entzündet hat,

5
Ein Widerschein des wunderbaren,

Der in der ersten Zelle schwang,
Daraus nach Millionen Jahren
Das erste Menschenkind entsprang.

Der sie durch ungezählte Stufen,

10
Von Bildung sie zu Bildung treibt,

Bis daß die jüngste wachgerufen,
Die pflügt und handelt, spricht und schreibt;
Ein Blitzen war’s im Wesenraume,
Da nun der Riesenschritt begann

15
Und nach des Thieres dunklem Traume

Sich eines auf sich selbst besann.

Ein Festtag war’s der Geisterweihe,
Ein göttlich Auferstehungslied,
Als aus der Myriaden Reihe

20
Der erste Geist sich unterschied,

Als er zuerst den eignen Namen
An der Erschaffnen Gipfel schrieb
Und seitwärts unter ihm der Rahmen
Des Thiers befestigt stehen blieb.

25
Da jauchztest Du dem Sonnenstrahle,

Der aus der eignen Stirne sprang
Und eine Welt der Ideale
Selbstschöpfend um die Schöpfung schlang;
Triumphen von Gedankensiegen,

30
Freiheitbeglückter, trieb Dich’s zu

Und unermeßlich vor Dir liegen
Des Könnens Kreise wähntest Du. –

[56]

Ein neues Blitzen – und ein neues
Vergeh’n und Kommen bricht herein,

35
So will’s ein alt Gebot, ein treues,

Und Du wirst selber nicht mehr sein,
Nicht Bess’res wirst Du Dir erwerben,
Vergehen muß Dein ganz Geschlecht,
Daß Andre leben, mußt Du sterben,

40
Das ist Dein Urgesetz und Recht.


Und was nach Dir? Welch’ andre Normen?
Und welch’ ein Geist? Ich weiß es nicht;
Nur daß aus tausend neuen Formen
Die ewige Verjüngung bricht,

45
Denn auf der Todten Ahnensitze

Befestigt sich der Enkel Thron
Und der Mysterien Haupt und Spitze
Ist das vom Vater und vom Sohn.

Nur Eine Lehre, die wir hören,

50
Nur Eine seit dem ersten Tag:

Der Gott des Lebens muß zerstören,
Damit er neu erschaffen mag;
Kein Schöpfungsfest und dann ein Fasten,
Kein Schöpfer, der nicht ewig schafft,

55
Kein Gott, der ruhen muß und rasten,

Und kein Entkräften auf die Kraft!

Und keine Welt, die nicht zu neuer
Verwandlung ihr Gesetz empfing,
Wenn in den Fluthen, wenn im Feuer

60
Ein Reich des Daseins unterging!

Es giebt ein ewig Kräftetreiben;
Nicht Du wirst leben, wie Du bist,
Doch sei beruhigt, Es wird bleiben,
Was Lebenskraft und Wirkung ist.

65
Doch wie es leiben wird und leben,

Ein neu Geschlecht? – Ist’s nicht genug,
Daß diesem schon Gewalt gegeben,
Die eine Kettenlast zerschlug,
Die jeder Kraft und Lebensregung

70
Gesetz zu deuten unternimmt

Und aus des Sonnenstrahls Zerlegung
Der Sterne Wesen hat bestimmt?!