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ADB:Wächter, Karl Georg von

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Artikel „Wächter, Carl Georg von“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 40 (1896), S. 435–440, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:W%C3%A4chter,_Karl_Georg_von&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 21:42 Uhr UTC)
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Wächter: Carl Joseph Georg Sigismund v. W., Professor der Rechte, geboren am 24. December 1797 zu Marbach a/Neckar, wo sein Vater damals als Oberamtmann lebte, † am 15. Januar 1880 zu Leipzig. W. entstammt einer altwürttembergischen Beamtenfamilie; der Großvater (geb. 1735, † 1807) war Hof- und Finanzrath in Stuttgart, der Vater, Johann Eberhard, bekleidete zuletzt die Stelle eines Directors des Oberconsistoriums, und starb im Ruhestande am 27. Juni 1839; die Mutter, Karoline, eine geborene v. Bühler, hatte ihrem Gatten mit fünfzehn Jahren die Hand gereicht. und gingen aus der äußerst glücklichen, 48jährigen Ehe neun Kinder hervor, von denen unser Carl Georg der einzige Sohn war. Nach fröhlich verlebter Knabenzeit kam letzterer mit 14 Jahren auf das Stuttgarter Gymnasium, nachdem er vorher die Schule zu Eßlingen unter dem tüchtigen Rector Reuß besucht hatte. Nach vorzüglich bestandenem Absolutorium, – er hatte sich aus der Ilias den Wahlspruch erwählt: Immer der Erste zu sein, und vorzustreben vor Andern, – wollte er Medicin studiren, bereitete sich jedoch auf den Wunsch seines Vaters für Theologie vor. Der König aber, welchem die Abiturientenliste vorzulegen war, that den Machtspruch: „Soll Jurist werden, weil sein Vater Jurist ist“; und so wurde der junge W. am 8. April 1815 in Tübingen als studiosus juris immatriculirt. Dort studirte er von 1815 bis October 1817 römisches Recht bei Professor Schrader, einem Hauptvertreter der historischen Schule, und bezog im Spätherbste 1817 für ein Semester seinem Wunsche gemäß Heidelberg, um Thibaut und Welcker zu hören. Hochbefriedigt kehrte er um Ostern 1818 in die Heimath zurück, um sich für das Lehramt, das ihn besonders anzog, vorzubereiten. Da ihm jedoch der Justizminister durch seinen Vater sofort nach bestandener Prüfung eine Richterstelle anbot, unterzog er sich im September 1818 in Tübingen dem Facultätsexamen, und im December desselben Jahres zu Stuttgart der [436] Dienstprüfung – in beiden Fällen mit glänzendem Erfolge. Am 14. März 1819 wurde er zum „Probedienst“ als Referendar bei dem Eßlinger Gerichtshofe einberufen, acht Tage später (22. März) bereits Assessor bei diesem Gerichtshofe, und am 13. August auf Vorschlag der Facultät einem längst gehegten Wunsche gemäß außerordentlicher Professor der Rechte an der Tübinger Hochschule. Während des früheren Aufenthaltes in Tübingen hatte er häufig im Hause des Professors Schrader verkehrt, wo Emilie, die 17jährige Tochter des Hamburger Kaufmanns Baumeister nach dem Tode der Mutter weilte, für welche der junge W. eine lebhafte Neigung empfand, die auch erwidert wurde. Im September 1822 reiste W. nach Hamburg zu Baumeister. Dort fand am 27. September die Verlobung statt; am 6. Juni des folgenden Jahres wurde die Ehe geschlossen, der 2 Söhne und 2 Töchter entstammten. In Tübingen bezog er das schmucke Haus vor dem Neckarthore, das nach seinem Weggange Uhland erwarb. Am 14. Juni 1822 erfolgte Wächter’s Ernennung zum ordentlichen Professor der Rechte, am 16. desselben Monats erwarb er den juristischen Doctorgrad, und hielt am 14. November seine Habilitationsrede zum Eintritt in den akademischen Senat. Vom September 1825 bis Januar 1828 mit dem Rectorate betraut, wurde er auf wiederholtes Ansuchen von demselben enthoben unter Bestellung zum Vicekanzler. Nachdem er im December 1832 eine Vocation nach Zürich ausgeschlagen hatte, erhielt er am 27. December desselben Jahres unter glänzenden Zusagen einen Ruf nach Leipzig als Docent des Strafrechtes, dem er auch in Anbetracht des sich ihm öffnenden „großartigeren Wirkungskreises“ folgte. 1834 lehnte er Anfragen von Erlangen, im Februar 1835 von Bonn ab; als indessen im Herbst desselben Jahres ein dringender Ruf aus Tübingen an ihn gelangte, kam er diesem freudigen Herzens nach. In Leipzig nur sehr ungern entlassen, wurde er in Tübingen festlichst empfangen. Eine berittene Bürgergarde hatte ihn bei seiner Ankunft eingeholt, Ehrenpforten waren errichtet; die Stadt verlieh ihm das Bürgerrecht, die Regierung das Kanzleramt und die Würde eines außerordentlichen Regierungsbevollmächtigten. Als Kanzler hatte er verfassungsmäßig die Virilstimme der Universität in der Abgeordnetenkammer zu führen, und beginnt hiermit für W. eine neue, schwerwiegende Aufgabe – seine politische Thätigkeit. Es ist einleuchtend, daß ein Mann von so umfassendem Wissen und hervorragender Befähigung sehr rasch Ansehen und Einfluß in Abgeordnetenkreisen gewann; demzufolge wurde er 1839 auf sechs Jahre zum Kammerpräsidenten erwählt, welche Wahl nach Umfluß dieser Periode (1845) erneuert wurde. Sein Präsidium galt als unübertroffen, namentlich die Klarheit seiner maßgebenden Resumés und die Präcision der Fragestellung; wol mit Unrecht glaubten seine politischen Gegner in den Exposés nicht immer die volle Objectivität zu finden. Als Kammerpräsident mußte W. in Stuttgart Wohnsitz nehmen, wodurch er der akademischen Thätigkeit, nicht aber der Wissenschaft entzogen wurde, indem er eines seiner Hauptwerke: „Handbuch des im Königreich Württemberg geltenden Privatrechtes“ in dieser Periode verfaßte. (1. Band 1. Abthl., Stuttgart 1839. – 1. Band 2. Abthl. und 2. Band 1. Abthl., ebd. 1842 – 2. Band 2. Abthl., ebd. 1846. – 2. Band 3. Abthl., ebd. 1851.) Im Frühjahr 1848 war er Mitglied des Vorparlamentes wie auch des Fünfziger Ausschusses. Bei der Parlamentswahl unterlag er zu seinem Schmerze dem demokratischen Candidaten. Die Ernennung des Märzministeriums aus der Minorität der Abgeordneten veranlaßte W., welcher zur Majorität zählte, sein Amt als Präsident der Kammer niederzulegen. Er ging wieder nach Tübingen (Wintersemester 1848/49), um, wie er selbst sagte, „dort Pandekten zu lesen“. Im April 1851 legte er auch sein Kanzleramt nieder, und nahm (im Juni 1849 und Mai 1851 vergeblich nach Leipzig gebeten) im Sommer dieses Jahres die Vocation zum Präsidenten des Oberappellationsgerichtes [437] der vier freien Städte in Lübeck an, welcher Gerichtshof damals unter Heise auf der Höhe seines Ruhmes stand. In Lübeck war er mit praktischen Geschäften, mit Correferaten und ähnlichen Arbeiten schwer belastet, so daß die Möglichkeit wissenschaftlicher und litterarischer Fortbildung aufhörte; außerdem mögen ihm die Lebensgewohnheiten der specifisch norddeutschen Stadt nicht recht sympathisch gewesen sein. Er ließ daher noch im Juni 1852 nach Dresden melden, daß er auf Wunsch der Regierung zu kommen bereit sei, und schon am 24. Juni war das Berufungsschreiben in seinen Händen. Von da hat er Leipzig bis zu seinem Ende dauernd nicht mehr verlassen, obwol wiederholt (1854, 1857, 1861, 1862) Versuche gemacht wurden, ihn für Wien und Tübingen zu gewinnen. In Leipzig widmete er sich ganz seinem Berufe und las regelmäßig Pandekten und Strafrecht; die Mitgliedschaft beim Staatsgerichtshofe, die ihm seit 1855 von der ersten Kammer in regelmäßiger Wiederholung zu theil wurde, war für ihn wenig zeitraubend. 1862 trat er auch äußerlich an die Spitze der Juristenfacultät, indem er zum Ordinarius und professor primarius ernannt wurde. Als die Leipziger Hochschule 1859 die Feier ihres 450jährigen Bestandes beging, war er ihr erwählter Rector. Er hielt die Festrede und schilderte in 2stündigem Vortrage den Entwicklungsgang der Hochschule, worauf König Johann ihm nach längerer Ansprache das Großkreuz des Verdienstordens verlieh. Bei dieser Gelegenheit ernannte ihn die Stadt Leipzig zum Ehrenbürger. Bestrebt nach Kräften zur Förderung der städtischen Interessen beizutragen, nahm er 1862, 1865, 1868 die Wahl zum Stadtverordneten an, und betheiligte sich an den Arbeiten des Collegiums mit voller Hingebung. Aber auch der Heimath vergaß er nicht, und veranstaltete namhafte Sammlungen für den Schillerverein und das Schillerdenkmal. In den Herbstferien erschien er stets auf dem deutschen Juristentage. Er bildete in der That dessen Mittelpunkt, und die Zweifel, die sich gegen dessen Bestand geltend machten, schwanden, wenn Wächter’s Erscheinen gesichert war. Beim erstmaligen Zusammentritte des Juristentages in Berlin (28. August 1860) wurde W. durch Acclamation zum Präsidenten erwählt; er blieb auch dem Juristentage treu, so lange es seine Gesundheit gestattete. Außerdem reiste er im Herbste jeden Jahres in die Heimath, um mit den übrig gebliebenen Jugendfreunden den sogen. „Göppinger Tag“ zu feiern. Den Freuden der Geselligkeit zugethan bis ins späte Greisenalter war er bei jedem Feste der stets belebende, erwünschteste Gesellschafter. Seine Toaste voll Geist und Humor waren berühmt, und verfehlten nie ihre Wirkung. Einen Grundzug seines ganzen Wesens bildeten Geradheit, Offenheit, Harmlosigkeit. Vor allem zog es ihn stets zur akademischen Jugend; Allen stets zugänglich war es ihm besondere Freude, die schwäbischen Landsleute bei sich zu sehen. Zu den wohlthuendsten Erfahrungen aber zählte er das persönliche Vertrauen des Königs Johann und des regierenden Königs und die Rücksichtnahme auf seine Wünsche im Interesse der freien Entfaltung der Universität. Im Februar 1867 wurde er zum Abgeordneten von Leipzig für den constituirenden Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt; im Reichsstage ist er keiner Fraction beigetreten. Als im August 1867 die Wahl für den ordentlichen Reichstag auf W. gelenkt werden wollte, lehnte er ab, weil die Pflichten des akademischen Berufes die Annahme der Wahl ausschlössen. 1869 wurde der Gelehrte zum wirklichen Geheimen Rath mit dem Titel Excellenz ernannt; am 13. August desselben Jahres beging er in feierlicher Weise sein 50jähriges Doctorjubiläum, und ließ die Universität zum bleibenden Gedächtniß seines Namens seine in Dresden gefertigte Marmorbüste in der Aula aufstellen. An seinem 82. Geburtstage wurde er durch Ertheilung des erblichen Adels ausgezeichnet. Im Sommer 1873 überfiel ihn auf dem Katheder ein Schwindelanfall; seit dieser Zeit hat er sich ganz nicht mehr erholt. Im J. 1876 hatte [438] ihm die Regierung anheimgestellt „dankbar für Alles was er für die Universität noch leisten werde, … seine akademische Thätigkeit fernerhin ganz nach Maßgabe seiner Kräfte einzurichten“. Mehr und mehr schwanden allmählich seine Kräfte. Ein sich ausbildendes Herzübel schuf ihm zeitweilig schwere Leiden, harte Beklemmungen und Athemnoth. Trotzdem gab er die Arbeit nicht auf. Noch in den letzten Tagen dictirte er seine rechtliche Ansicht in einer Proceßsache, welche ihn sehr lebhaft beschäftigte; kurz vor seinem Ende sagte er zu den Seinigen: „Ich warte nur auf den letzten Ruf!“ Unmerklich mit dem Ausdrucke tiefstens Friedens entschlief er in der ersten Stunde des 15. Januar 1880 in einem Alter von 82 Jahren und 22 Tagen. Seinem Wunsche gemäß ruht er auf dem Dorfkirchhofe zu Röcknitz, dem nahe gelegenen Rittergute seines jüngeren Sohnes. Die große Theilnahme, welche sich weit über die Universitätskreise hinaus kundgab, bewies die warme Liebe und Verehrung, welche der Dahingeschiedene im Leben genossen hatte. – Windscheid sagt am Schlusse seines mit vieler Wärme geschriebenen Nachrufes (S. 79): „Es hat gelehrtete Juristen gegeben als W.; es hat tiefsinnigere Juristen gegeben, als ihn. Aber einen juristischeren Juristen, einen Juristen, in dem sich harmonisch alles vereinigt hatte, was zur Pflege des Rechtes erforderlich ist, hat es unter den großen deutschen Juristen nicht gegeben.“ „Juris consultorum Germaniae juris consultissimus“; und der preußische Justizminister Simons rühmte beim Bankette des ersten Juristentages (1860) von W.: er habe sich auf fast allen Gebieten des juristischen Wissens und Könnens versucht, und er sei auf allen ein Meister geworden. ……

W. entfaltete in seinem langen, thätigen Leben eine äußerst fruchtbare, schriftstellerische Wirksamkeit, welche 1822 begann und bis 1877 ununterbrochen währte. Seine Erstlingsschrift: „Doctrina de condictione causa data causa non secuta in contractibus innominatis“ zum Behufe der Promotion verfaßt, legte in überzeugender Weise dar, daß jene Condiction keineswegs auf unbenannte Realverträge eingeschränkt sei. Das erste, größere Werk Wächter’s, das „Lehrbuch des römisch-deutschen Strafrechtes“ (Tübingen 1825, 1826), wurde alsbald als Werk von bahnbrechender Bedeutung erkannt, indem es durch seine Gelehrsamkeit, wie durch gründliche Durchforschung der Quellen und Litteratur die damals gangbaren Lehrbücher von Feuerbach, Grolmann, Martin und Roßhirt überholte. 1844 erschienen: „Gemeines Recht Deutschlands, insbesondere gemeines deutsches Strafrecht“ (Leipzig 1844, 269 S.), welche Abhandlung nachweist, daß für Deutschland nur durch Reichsgesetzgebung eine einheitliche Gesetzgebung geschaffen werden könne; – 1845 die „Beiträge zur deutschen Geschichte“ (Tübingen 1845, 331 S.), welche in anziehender, leicht faßlicher Darstellung die mittelalterlichen Vehmgerichte, die Hexenprocesse, das Faust- und Fehderecht, endlich die Thatfrage im ältesten deutschen Strafprocesse behandeln. Hieran reihen sich auf criminalistischem Gebiete das in großem Stile angelegte „Handbuch des sächsischen und thüringischen Strafrechts“ (Leipzig 1856–58), wovon jedoch nur drei Lieferungen ausgegeben wurden, etwa die Hälfte des allgemeinen Theiles. Von bleibender Bedeutung sind die Lehren von Entstehung des Strafrechtes, von der Auslegung und dem Herrschaftsgebiete der Strafrechtsnormen, die Analyse der Verbrechensmerkmale und die Eintheilung der Verbrechen. Außerdem verfaßte W. eine größere Anzahl strafrechtlicher Abhandlungen in verschiedenen juristischen Zeitschriften. Rein civilrechtlichen Inhalte sind zehn 1835–1844 im „Archiv für civilistische Praxis“ veröffentlichte Aufsätze. Unter diesen steht obenan die umfassende und epochemachende Erörterung „Ueber die Collision der Privat-Gesetze in den verschiedenen Staaten“ (im XXIV. und XXV. Bande des Archivs). Von noch durchgreifenderem Erfolge als die criminalistischen Schriften waren die Bearbeitungen des Privatrechtes, zunächst das „Handbuch des im Königreiche [439] Württemberg geltenden Privatrechtes“, dessen schon oben gedacht wurde. Es ist zweifellos das Beste und Bedeutendste, was W. verfaßt hat. Der erste Band erschien (wie bereits bemerkt) 1838 und 1842, mit der 3. Abtheilung des zweiten Bandes (1851) bricht das – auf zwei weitere Bände berechnete Werk leider ab. Der erste, einleitende Band (ein Buch von 1146 Seiten) bringt eine Darstellung der württembergischen Rechtsgeschichte und ist nach dem Urtheile der competentesten Fachmänner, als selbständiges Werk, eine der hervorragendsten Leistungen auf dem Gebiete der deutschen Rechtsgeschichte. Endlich sei noch erwähnt „Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen. Ein Beitrag zur Beurtheilung desselben“ (Leipzig 1853), welcher Beitrag die sächsische Regierung bestimmte, ihren Entwurf zurückzuziehen. In die Beurtheilung selbst sind in meisterhafter Weise höchst beachtenswerthe Winke für jede künftige Codification eingeflochten, und so zählt diese Kritik zu den glänzendsten Leistungen unseres Gelehrten. „Die Helligkeit seines Geistes“ (sagt Windscheid, S. 58), „die jeden Nebel zerstreuende Klarheit seines Verstandes heben sich in schneidender Schärfe ab auf dem Dunkel dieses Entwurfes, welcher mit unerbittlicher Logik dessen Unvollkommenheiten aufdeckt“. W. hat sich stets als warmer Freund der Begründung eines nationalen Rechtes auf dem Wege der Gesetzgebung bekannt, diesem Gedanken auch in seinem trefflichen Artikel „Gesetzgebung“ in Welcker’s Staatslexicon (Bd. VI, S. 482) Ausdruck gegeben, und freudig hat er jeden der Schritte begrüßt, welche während seines Lebens zur Herstellung eines einigen deutschen Rechte gemacht worden sind. … Obwol W. eine äußerst reiche litterarische Thätigkeit entwickelte, wollte er doch in richtiger Erfassung seines Berufes zuerst akademischer Lehrer sein, und dann erst Schriftsteller. Er hielt seine Aufgabe als akademischer Lehrer außerordentlich hoch; er war Docent mit vollster Hingebung und eifrig bemüht, daß seine Zuhörer aus seinen Vorlesungen etwas fürs Leben mitnähmen, auch dem Stoffe nach. Daraus erklären sich die zahlreichen gedruckten Beilagen zu seinen Vorlesungen, welche er seinen Schülern in die Hand gab. Auf dem Katheder sprach W. (im Gegensatze zu Albrecht) nicht bloß für die gut vorgebildeten und strebenden Köpfe, sondern er wandte sich an die Masse der Zuhörer. Es waren nicht feinere dogmatische Fragen, welche er vor ihnen erörterte, sondern die für den Praktiker nöthigen allgemeinen Principien und das praktische Detail. Seine Behandlung von Streitfragen war mustergültig, indem sie bei dem Zuhörer die Ueberzeugung entwickelte, nur so wie W. entschieden, dürfe überhaupt entschieden werden. Wie er dachte und schrieb, so sprach er auch; einfach, klar, Jedem verständlich; rhetorischer Schmuck oder Phrasen widerstrebten ihm. Die Freude am Lehren leuchtete ihm aus den Augen und erweckte Freude zum Lernen. Er trat hiedurch zu seinen Hörern in das engste persönliche Verhältniß. Das Lehramt faßte er höher auf, denn als bloße Pflicht. Man fühlte, es war ihm wohl auf dem Katheder unter der Jugend; wol nie ward ein Docent aufrichtiger verehrt als er. An Savigny’s 100-jährigem Geburtstage – 21. Febr. 1879 – fand in Leipzig ein großer Commers statt, auf welchem Geheimer Rath Windscheid, dessen Berufung zu seinem Nachfolger W. bewirkt hatte, Letzteren in einem Toaste feierte. Als nun dieser in längerer feuriger Rede seines Lebens mit den Studirenden und seines ersten Commerses vor 63 Jahren gedachte, da brach ein überwältigender Jubel aus, ein nicht mehr enden wollender Sturm von Ovation für den vielgeliebten Lehrer. W. betrachtete jenen Abend als einen der freudigsten in seinem an schönen Erinnerungen so reichen Leben. Unser Gelehrter war eine durchaus harmonische Natur. Wie er als Lehrer und Schriftsteller war, ebenso war er auch in den Beziehungen des gewöhnlichen Lebens – eine vollkräftige, warmempfindende, gewinnende Erscheinung. Grübeln und [440] Zweifeln waren ihm fremd, sein Element war das Ergreifen und Festhalten in Arbeit und Genuß. Im Verkehre war er stets heiter, zuvorkommend und liebenswürdig in seltenem Maße. Der Humor und die Jovialität seines Wesens waren allbekannt; einen hervorstechenden Zug in der Liebenswürdigkeit seines Wesens bildete seine Milde, welche von Uebelwollenden – allerdings mit großem Unrecht – zur Verdächtigung seines Charakters ausgebeutet wurde. Zu dieser Milde stimmte auch eine große, man könnte sagen, überraschende Bescheidenheit, die ihn trotz seiner vielen Erfolge nie verließ. Er konnte sich über jede Anerkennung freuen, welche ihm widerfuhr, als sei sie eine unverhoffte oder unverdiente. Auf diesem heiteren Hintergründe hebt sich ab ein Bild unablässiger Arbeit. War W. empfänglich für jedweden Genuß, so war ihm die Thätigkeit der höchste Genuß. Dem Dienste der Gerechtigkeit war sein ganzes Leben gewidmet, für ihn haben wol Wenige so hervorragend gearbeitet … Wie sehr Wächter’s glänzende Eigenschaften in Württemberg gewürdigt wurden, das beweist der Nachruf, welchen der Schwäbische Merkur vom 1. Febr. 1880 (Sonntags-Beilage) dem „berühmten Landsmann aus Marbach“ widmet, und der mit den Worten schließt: „In der Wissenschaft wird sein Name unvergänglich bleiben, aber die Liebenswürdigkeit, die ihm persönlich eigen war, wird sich so bald auf Erden nicht wiederholen. – – – Seine Anmuth ging über seine Würde, und im Gedächtniß seines Heimathlandes wird er als eine heitere, helle, sonnige Gestalt fortleben, wie er schon seither trotz der trennenden Ferne als eine der Zierden des schwäbischen Stammes unter uns unvergessen geblieben war.“ – Oskar von Wächter, der ältere der beiden Söhne, hat in der Monographie „Carl Georg v. Wächter. Leben eines deutschen Juristen“ (Leipzig 1881) seinem Vater in pietätvoller Weise ein würdiges Denkmal gesetzt, und überdies in der Augsburger Allgemeinen Zeitung (Beilage z. 17. u. 18. Febr. 1880, Nr. 48 u. 49, S. 697 u. 724). sowie im Württemb. Archiv (Bd. XXI. 1). dann im Schwäbischen Merkur (a. a. O.) längere Nekrologe veröffentlicht. … Außerdem haben fünf der namhaftesten Rechtsgelehrten: Dernburg, v. Mandry, v. Schwarze, Seeger und Windscheid ihrem dahingeschiedenen Collegen warme Nachrufe und Gedenkblätter mit biographischen Notizen gewidmet: H. Dernburg, C. G. v. W. Vortr. geh. in d. jur. Gesellsch. Berlins (Halle 1880); G. von Mandry. Staatsanz. f. Württemb. (Beil. v. 18. Febr. 1880); v. Schwarze, Dr. Carl Georg v. W (Gerichtssaal XXXI. Bd.); H. Seeger, Carl Georg v. W. (Unsere Zeit. Deutsche Revue der Gegenwart. Jahrg. 1880. Heft 17); Windscheid f. o. (Lpzg. 1880). Ein alphabetisches Verzeichniß der Wächter’schen Schriften findet sich bei Windscheid a. a. O. S. 82–91, ein mehr systematisches in der erwähnten Monographie Oskar v. Wächter’s, S. 143–157.